KOPERNIKUS & COMENIUS - ibw.uni-heidelberg.de · freiheitseinschränkung, sondern soll eine...

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„Man hat das Firmament betrachtet. Nach diesem Muster hat man sich ein Instrument ausgedacht.“ KOPERNIKUS & COMENIUS EIN BUCHKAUF IN HEIDELBERG „Die Kunst des Lehrens erfordert also nichts als eine kunstgerechte Anord- nung von Zeit, Stoff und Methode. Könnten wir die richtig treffen, so ist es nicht schwerer eine beliebig große Schülerzahl alles zu lehren, als mit Hilfe der Werkzeuge, über welche die Buchdruckkunst verfügt, täglich tausende Bogen mit zierlicher Schrift zu bedecken; oder mit Hilfe der Archimedi- schen Maschine Häuser, Türme und andere Lasten fortzurücken; oder mit einem Schiff den Ozean zu überqueren und in die neue Welt zu fahren. Al- les wird ebenso leicht und bequem gehen, wie die Uhr, wenn sie von ihrem Gewicht richtig reguliert wird. […] Laßt uns also im Namen des Höchsten versuchen, einen Typus von Schulen zu begründen, der einer kunstreich angefertigten, mit vielfacher Pracht ge- zierten Uhr genau entspricht.“ - Didactica Magna Kapitel 13, 15/16 „Man hat das Firmament betrachtet und […] Nach diesem Muster hat man sich ein Instrument ausgedacht, das die täg- lichen Umdrehungen des Himmelsgewölbes anzeigt und die Stunden mißt. Es ist aus Rädchen zusammengesetzt und zwar so, daß nicht nur eines das andere bewegt, sondern daß die Bewegung auch endlos weitergeht.“ - Didactica Magna, Kapitel 14,6 Die Abbildung aus dem Orbis Pictus stellt die damals gängi- ge Form des Unterrichts dar. Schule soll nach Comenius die aus dem Lot geratene Ordnung wieder zurecht rücken: „Die Schul ist eine Werckstatt / in welcher die jungen Gemüther zur Tugend angewehnet werden; und wird abgetheilt in Clas- sen/ Der Schulmeister sitzt auf dem Lehrstuhl; die Schüler auf Bäncken; jener lehret; diese lernen. Etliches wird ihnen vorgeschrieben mit der Kreide an der Tafel.“ Was konnte Comenius mit Kopernikus anfangen? In Heidelberg erwirbt Comenius ein Manuskript von Nicolaus Kopernikus („De Revolutionibus Orbi- um Coelestium“ - Von den Umdrehungen der himmlischen Kreise). Den Empfang des Buches bestätigt er handschriftlich. Das Manuskript übersteht gemeinsam mit dem flüchtenden Comenius die Wirren des Drei- ßigjährigen Krieges und liegt seit 1956 in der Bibliothek der Jagellionen-Universität in Krakau, einer Part- neruniversität der Universität Heidelberg. Comenius hält trotzdem am geozentrischen Weltbild fest, schreibt sogar einen (heute verschollenen) Text, mit dem er Kopernikus widerlegen möchte. Neben dieser Auseinandersetzung treibt ihn auch die Idee um, ein perpetuum mobile zu konstruieren. Ebenso interessiert er sich für die technischen Aufbrüche seiner Zeit in Buchdruck, Handwerk und Ingenieurskunst. Hier wie dort konnte er sich fürs Maschinelle begeistern, auch ohne sein Weltbild zu ändern. Ein ablaufendes Zahnräderwerk wäre ihm nicht problematisch erschienen. Es repräsentiert für ihn keine Freiheitseinschränkung, sondern soll eine göttliche Weltordnung wiederherstellen. Comenius‘ „kopernika- nische Revolution“ ist die Erfindung der Pädagogik. Astronomische Uhr in Heilbronn (1580) Dieses zu einem angemesse- nen Preis von der frommen Witwe des verstorbenen Jakob Christmann erworbene Buch übernahm Johannes Amos aus Nivnice in seine Biblio- thek: im Jahre 1614 am 17. Januar zu Heidelberg Das Modell des Kopernikus: Die Sonne im Mittelpunkt, um die sich die Planeten in vermeintlich perfekter Bahn drehen: kreisrund. Auszug aus Comenius´ Schulbuch Orbis Pictus: „Die Himmelskugel dreht sich […] um die Erdkugel“ „Die Schul“ aus dem Orbis Pictus

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„Man hat das Firmament betrachtet.Nach diesem Muster hat man

sich ein Instrument ausgedacht.“

KOPERNIKUS & COMENIUSEIN BUChKaUf IN hEIdElBERg

„die Kunst des lehrens erfordert also nichts als eine kunstgerechte anord-nung von Zeit, Stoff und Methode. Könnten wir die richtig treffen, so ist es nicht schwerer eine beliebig große Schülerzahl alles zu lehren, als mit hilfe der Werkzeuge, über welche die Buchdruckkunst verfügt, täglich tausende Bogen mit zierlicher Schrift zu bedecken; oder mit hilfe der archimedi-schen Maschine häuser, Türme und andere lasten fortzurücken; oder mit einem Schiff den Ozean zu überqueren und in die neue Welt zu fahren. al-les wird ebenso leicht und bequem gehen, wie die Uhr, wenn sie von ihrem gewicht richtig reguliert wird. […]laßt uns also im Namen des höchsten versuchen, einen Typus von Schulen zu begründen, der einer kunstreich angefertigten, mit vielfacher Pracht ge-zierten Uhr genau entspricht.“- didactica Magna Kapitel 13, 15/16

„Man hat das firmament betrachtet und […] Nach diesem Muster hat man sich ein Instrument ausgedacht, das die täg-lichen Umdrehungen des himmelsgewölbes anzeigt und die Stunden mißt. Es ist aus Rädchen zusammengesetzt und zwar so, daß nicht nur eines das andere bewegt, sondern daß die Bewegung auch endlos weitergeht.“ - didactica Magna, Kapitel 14,6

die abbildung aus dem Orbis Pictus stellt die damals gängi-ge form des Unterrichts dar. Schule soll nach Comenius die aus dem lot geratene Ordnung wieder zurecht rücken: „die Schul ist eine Werckstatt / in welcher die jungen gemüther zur Tugend angewehnet werden; und wird abgetheilt in Clas-sen/ der Schulmeister sitzt auf dem lehrstuhl; die Schüler auf Bäncken; jener lehret; diese lernen. Etliches wird ihnen vorgeschrieben mit der Kreide an der Tafel.“

Was konnte Comenius mit Kopernikus anfangen?In heidelberg erwirbt Comenius ein Manuskript von Nicolaus Kopernikus („de Revolutionibus Orbi-um Coelestium“ - Von den Umdrehungen der himmlischen Kreise). den Empfang des Buches bestätigt er handschriftlich. Das Manuskript übersteht gemeinsam mit dem flüchtenden Comenius die Wirren des Drei-ßigjährigen Krieges und liegt seit 1956 in der Bibliothek der Jagellionen-Universität in Krakau, einer Part-neruniversität der Universität heidelberg.

Comenius hält trotzdem am geozentrischen Weltbild fest, schreibt sogar einen (heute verschollenen) Text, mit dem er Kopernikus widerlegen möchte. Neben dieser auseinandersetzung treibt ihn auch die Idee um, ein perpetuum mobile zu konstruieren. Ebenso interessiert er sich für die technischen aufbrüche seiner Zeit in Buchdruck, handwerk und Ingenieurskunst. hier wie dort konnte er sich fürs Maschinelle begeistern, auch ohne sein Weltbild zu ändern.

Ein ablaufendes Zahnräderwerk wäre ihm nicht problematisch erschienen. Es repräsentiert für ihn keine freiheitseinschränkung, sondern soll eine göttliche Weltordnung wiederherstellen. Comenius‘ „kopernika-nische Revolution“ ist die Erfindung der Pädagogik.

astronomische Uhr in heilbronn (1580)

Dieses zu einem angemesse-nen Preis von der frommen Witwe des verstorbenen Jakob Christmann erworbene Buch übernahm Johannes Amos aus Nivnice in seine Biblio-thek: im Jahre 1614 am 17. Januar zu Heidelberg

das Modell des Kopernikus: die Sonne im Mittelpunkt, um die sich die Planeten in vermeintlich perfekter Bahn drehen: kreisrund.

auszug aus Comenius´ Schulbuch Orbis Pictus: „die himmelskugel dreht sich […] um die Erdkugel“

„die Schul“ aus dem Orbis Pictus