K¨orper- und Galoistheorie - Universität Osnabrück - Start · 2.3 Definition: Ein...

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K ¨ orper- und Galoistheorie Rainer Vogt WS 2009/2010

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Korper- und Galoistheorie

Rainer Vogt

WS 2009/2010

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Inhaltsverzeichnis

I Grundlagen 4

1 Gruppen 4

2 Homomorphismen 7

3 Normalteiler 8

4 Produkte 13

5 G-Mengen 16

6 p-Gruppen und die Sylowsatze 20

7 Permutationsgruppen 24

8 Auflosbare Gruppen 30

9 Ringe 33

10 Teilerlehre in Ringen 37

11 Polynomringe 44

12 Lokalisierungen 50

II Korper 53

13 Algebraische Erweiterungen 53

14 Zerfallungskorper und algebraischer Abschluss 59

15 Normale Erweiterungen 65

16 Separable Erweiterungen 68

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17 Perfekte Korper 77

III Galoistheorie 80

18 Die Galois-Korrespondenz 80

19 Galois-Erweiterungen 85

20 Die Galois-Gruppe eines Polynoms 90

21 Zyklotomische Erweiterungen 94

22 Zyklische Erweiterungen 98

IV Anwendungen 104

23 Losbarkeit polynomialer Gleichungen 104

24 Konstruktion mit Zirkel und Lineal 108

25 Einfache Erweiterungen 114

26 Der Fundamentalsatz der Algebra 115

V Anhang 116

27 Der Basissatz fur abelsche Gruppen 116

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Teil I

Grundlagen

1 Gruppen

Zunachst wiederholen wir kurz die Inhalte der Anfangervorlesung zu diesemThema.

1.1 Definition: Eine Gruppe ist eine Menge G mit einer Verknupfung

G ×G→ G, (a, b) ↦ a ∗ b,

die folgende Axiomen erfullt.

(1) Assoziativitat: ∀a, b, c ∈ G gilt: (a ∗ b) ∗ c = a ∗ (b ∗ c).

(2) Existenz eines neutralen Elements: Es gibt ein e ∈ G, so dass

a ∗ e = e ∗ a = a ∀a ∈ G

(3) Existens von Inversen: Zu jedem a ∈ G gibt es ein a ∈ G, so dassa ∗ a = a ∗ a = e.

Gilt außerdem

(4) a ∗ b = b ∗ a ∀a, b ∈ G

heißt G kommutative oder abelsche Gruppe.

Erfullt die Verknupfung nur (1) und (2), aber nicht notwendig (3) heißt GMonoid.

1.2 Bemerkung: (1) Das neutrale Element ist eindeutig bestimmt.

(2) Jedes Element a einer Gruppe besitzt genau ein Inserves, man bezeichnetes mit a−1, falls man “multiplikativ schreibt” und mit −a, falls man additivschreibt.

(3) Man kann in den Axiomen (2) und (3) jeweils den linken oder auch denmittleren Tem weglassen (Beweis?). Fur einen Monoid muß man aber (2)vollstandig fordern.

(4) In einer Gruppe gilt die Kurzungsregel:

ax = ay⇒ x = y

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(5) Ein endlicher Monoid, in dem die Kurzungsregel gilt, ist eine Gruppe(Beweis?).

(6) Vorsicht beim Invertieren: Das Inverse von a ⋅ b ist b−1 ⋅ a−1 und nichta−1 ⋅ b−1.

Unterstrukturen

1.3 Definition: Sei (G, ⋅) ein Monoid oder eine Gruppe und A ⊂ G eineTeilmenge. A heißt Untermonoid bzw. Untergruppe von G, wenn die Ver-knupfung ⋅ eine Verknupfung auf A definiert, so dass (A, ⋅) ein Monoid mitdemselben neutralen Element bzw. eine Gruppe mit demselben neutralen unddenselben inversen Elementen ist. D.h. die Struktur der Obermenge schranktzur selben Struktur auf der Untermenge ein.

1.4 Beispiel: I = [0,1] mit der Verknupfung t1 ∗ t2 = max(t1, t2) ist einMonoid mit 0 als neutralen Element. Fur 0 ≤ s < 1 ist [0, s] ein Untermonoid.Offensichtlich ist auch (1,∗) ein Monoid, aber KEIN Untermonoid von I.

Wir ubersetzen die Definition 1.3 in ein nachprufbares Kriterium.

1.5 Satz: (1) Eine Teilmenge A eines Monoids (M, ⋅) ist genau dann Unter-monoid, wenn gilt

(i) a, b ∈ A⇒ a, b ∈ A

(ii) e ∈ A

(2) Eine Teilmenge A einer Gruppe G ist genau dann Untergruppe, wenn gilt

(i) A ≠ ∅

(ii) a, b ∈ A⇒ a ⋅ b ∈ A

(iii) a ∈ A⇒ a−1 ∈ A

1.6 Bemerkung: Bedingungen (ii) und (iii) des Teiles (2) sind aquivalentzu

(iv) a, b ∈ A⇒ a ⋅ b−1 ∈ A

1.7 Ist M ein Monoid, dann ist die Teilmenge M∗ der invertierbaren Ele-menten von M eine Untergruppe von M .

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1.8 Definition und Satz: Ist A eine beliebige Teilmenge einer Gruppe G,dann gibt es eine kleinste Untergruppe ⟨A⟩ von G, die A enthalt. D.h. ist Ueine Untergruppe von G, die A enthalt, dann gilt ⟨A⟩ ⊂ U . Die Untergruppe⟨A⟩ besteht aus allen endlichen Produkten (Wiederholungen sind erlaubt)von Elementen aus A oder deren Inversen.

Der Beweis benutzt folgende einfache Tatsache.

1.9 Ist Ui, i ∈ J eine beliebige, nicht-leere Familie von Untergruppen einerGruppe G, dann ist auch ihr Schnitt ⋂i∈J Ui Untergruppe von G. ◻

Beweis 1.8: ⟨A⟩ = ⋂U ⊂ G;U Untergruppe ,A ⊂ UDer zweite Teil ist dem Leser uberlassen.

1.10 Bezeichnung: Ist A Teilmenge einer Gruppe G und gilt G = ⟨A⟩, dannheißt A Erzeugendensystem von G.

Eine Gruppe heißt zyklisch, wenn sie von einem einzigen Element erzeugtwird.

1.11 Beispiel: (1) Die Gruppen Z/m sind zyklisch, Z ist zyklisch.

Z/m = ⟨1⟩, Z/m = ⟨1⟩ = ⟨−1⟩(2) Sei G Gruppe, A = ∅ ⊂ G, dann ist ⟨A⟩ = e.(3) Sei M eine beliebige Menge, dann bezeichnet ΣM die Permutations-

gruppe von M , d.h. die Gruppe der bijektiven Abbildungen M → M

mit der Komposition als Verknupfung. Σn bezeichnet die Permutati-onsgruppe von 1,2, . . . , n. Σ3 wird erzeugt von

(1 2 32 1 3

) ,(1 2 32 3 1

)1.12 Definition: Die Ordnung einer Gruppe G ist die Anzahl ∣G∣ ihrer Ele-mente. Die Ordnung ord(x) eines Elementes x ∈ G ist die Ordnung von ⟨x⟩.1.13 ord(x) ist die kleinste Zahl k ∈ N, k > 0, so dass xk = e. Gibt es keinsolches k, ist ord(x) =∞ (Beweis?).

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2 Homomorphismen

Will man Mengen mit Struktur miteinander vergleichen und eine Theoriedaruber entwickeln, betrachtet man strukturerhaltende Abbildungen zwi-schen ihnen. Wie der erste Abschnitt ist auch dieser eine Wiederholung.

2.1 Definition: Eine Abbildung f ∶ (M, ⋅) → (N,∗) von Monoiden heißtHomomorphismus, wenn

(1) f(x ⋅ y) = f(x) ∗ f(y) ∀x, y ∈M(2) f(eM) = eN , wobei eM ∈M und eN ∈ N die neutralen Elemente sind.

Eine Abbildung f ∶ (G, ⋅) → (H,∗) von Gruppen heißt Homomorphismus,wenn

(1) f(x ⋅ y) = f(x) ∗ f(y) ∀x, y ∈ G(2) f(eG) = eH(3) f(x−1) = (f(x))−1 ∀x ∈ G

Bei Gruppen genugt es, nur die Bedingung (1) zu kontrollieren:

2.2 Fur eine Abbildung f ∶ (G, ⋅)→ (H,∗) von Gruppen gilt:

f ist Homomorphismus ⇐⇒ f(x ⋅ y) = f(x) ∗ f(y) ∀x, y ∈ G2.3 Definition: Ein Homomorphismus f ∶ G→H von Monoiden oder Grup-pen heißt

(1) Monomorphismus, wenn f injektiv ist,

(2) Epimorphismus, wenn f surjektiv ist,

(3) Isomorphismus, wenn f bijektiv ist, wir schreiben G ≅H.

Ein Homomorphismus f ∶ G → G heißt Endomorphismus, ist f außerdembijektiv, heißt f Automorphismus.

2.4 (1) Ist f ∶ G → H ein Isomorphismus, dann ist auch die Umkehrab-bildung f−1 ∶H → G ein Isomorphismus.

(2) Die Identitat und die Komposition zweier Homomorphismen sind Ho-momorphismen.

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2.5 Ist G ein Monoid oder eine Gruppe, dann ist die Menge End(G) derEndomorphismen von G ein Monoid unter der Komposition, und fur dieMenge der invertierbaren Elemente in End(G) gilt

End(G)∗ = Aut(G) ∶= f ∶ G→ G; f istAutomorphismus.2.6 Ubung End(Z,+) ≅ (Z, ⋅) als Monoide

Aut(Z,+) ≅ (±1, ⋅) als Gruppen

Das letzte Beispiel wirft die Frage aus: Was passiert im allgemeinen Fall mitden invertierbaren Elementen eines Monoids unter einem Homomorphismus?

2.7 Satz: Ist f ∶ M → N ein Monoidhomomorphismus, dann definiert dieEinschrankung von f auf M∗ einen Homomorphismus von Gruppen f∗ ∶

M∗ → N∗.

Beweis:: Wir mussen nur zeigen: Ist x ∈ M∗, dann ist f(x) ∈ N∗. Es gilteN = f(eM) = f(x ⋅ x−1) = f(x) ⋅ f(x−1)

= f(x−1 ⋅ x) = f(x−1) ⋅ f(x)Also ist f(x−1) invers zu f(x), d.h. f(x) ∈ N∗. ◻

Auch die folgenden Ergebnisse sind aus der Anfangervorlesung bekannt.

2.8 Satz: (1) Ist f ∶ G → H ein Monoidhomomorphismus und sind A ⊂ Gund B ⊂H Untermonoide, so sind auch f(A) und f−1(B) Untermonoi-de.

(2) Ist f ∶ G → H ein Gruppenhomomorphismus und sind A ⊂ G undB ⊂ H Untergruppen, dann sind auch f(A) ⊂ H und f−1(B) ⊂ GUntergruppen. Insbesonderre ist Kern f = f−1(eH) = x ∈ G; f(x) = eHeine Untergruppe von G.

(3) Ein Gruppenhomomorphismus f ∶ G→H ist genau dann injektiv, wennKern f = eG. ◻

3 Normalteiler

3.1 Bezeichnung: Sei G eine Gruppe und seien A,B Teilmengen von G

A ⋅B = a, b; a ∈ A, b ∈ BA−1 = a−1; a ∈ A

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3.2 Regeln:

(1) (A ⋅B) ⋅C = A ⋅ (B ⋅C),(2) e ⋅A = A ⋅ e = A,

(3) A ⋅A−1 ≠ e, falls ∣A∣ > 1.3.3 Aufgabe: Ist U ⊂ G eine nicht-leere Teilmenge. Dann gilt:

U ist Untergruppe von G ⇐⇒ U ⋅U = U und U−1 = U

(ist U endlich, genugt auf der rechten Seite U ⋅U = U .)

3.4 Definition: Ist U Untergruppe einer Gruppe G, dann heißt x ⋅U Links-

und U ⋅ x Rechtsnebenklasse von x bezgl. U .

3.5 (1) Ist A Linksnebenklasse bzgl. U und x ∈ A, gilt A = x ⋅U .

(2) Zwei Linksnebenklassen bzgl. U sind disjunkt oder gleich.

(3) x ⋅U = y ⋅U ⇐⇒ x−1y ∈ U

(4) ∣x ⋅U ∣ = ∣y ⋅U ∣ ∀x, y ∈ GDasselbe gilt fur Rechtsnebenklassen.

Die Beweise sind einfach und aus der Anfangervorlesung bekannt. Aus (3)und (4) folgt

3.6 Satz von Lagrange: Ist U Untergruppe einer endlichen Gruppe G,dann ist ∣U ∣ eine Teiler von ∣G∣.3.7 Bezeichnung: Die Zahl ∣G∣/∣U ∣ heißt Index von U in G und wird [G ∶ U]bezeichnet. Der Index gibt die Anzahl der verschiedenen Linksnebenklassenund der verschiedenen Rechtsnebenklassen an.

3.8 Definition: Eine Untergruppe N von G heißt Normalteiler(wir schrei-ben N ⊲ U), wenn eine der folgenden aquivalenten Aussagen erfullt ist:

(1) x ⋅N = N ⋅ x ∀x ∈ G (⇐⇒ xNx−1 = x−1Nx = N ∀x ∈ G)

(2) x ⋅N ⋅ x−1 ⊂ N ∀x ∈ G

(3) x−1 ⋅N ⋅ x ⊂ N ∀x ∈ G

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3.9 Beispiel: Es gibt durchaus Untergruppen U geeigneter Gruppen G, sodass x ⋅U ⋅x−1 ⊂ U , aber x ⋅U ⋅x−1 ≠ U fur ein x. Nach (3.8.1) kann ein solchesU kein Normalteiler sein:

U = (1 n

0 1) ; n ∈ Z ist Untergruppe von GL2(Q).

Sei x = (5 00 1) aus GL2(Q). Dann gilt x ⋅ (1 n

0 1) ⋅ x−1 = (1 5n

0 1) ∈ U . Also

folgt x ⋅U ⋅ x−1 ⊂ U aber x ⋅U ⋅ x−1 ≠ U . ◻

Die Bedeutung der Normalteiler liegt in folgendem Satz.

3.10 Satz: Sei N Normalteiler von G und G/N die Menge der Linksneben-klassen. Dann gilt (x ⋅N) ⋅ (y ⋅N) = (x ⋅ y) ⋅N.Also definiert die Verknupfung (3.1) auf G/N eine Verknupfung. G/N ist mitdieser Verknupfung eine Gruppe und die Projektion

p ∶ G→ G/N, x↦ x ⋅N

ist eine Epimorphismus mit Kern N . ◻

3.11 Bezeichnung: Die Gruppe G/N heißt Faktorgruppe von G nach N .

3.12 Beispiel: (1) e und G sind Normalteiler von G, die trivialen Nor-malteiler.

(2) Ist f ∶ G → H ein Homomorphismus und N ⊲ H, dann ist f−1(N)Normalteiler von G. Insbesondere gilt Kern f ⊲ G. Ist f surjektiv undU ⊲ G, dann ist f(U) ⊲H.

(3) Jede Untergruppe vom Index 2 ist Normalteiler.

(4) Z/m ist Faktorgruppe: Z/m = Z/(m ⋅Z).Faktorgruppen und Normalteiler spielen bei der Untersuchung von Gruppeneine große Rolle. Die wichtigsten Werkzeuge in diesem Zusammenhang sinddie Isomorphiesatze:

3.13 Homomorphisatz: Gegeben seien N ⊲ G und ein Homomorphismusf ∶ G→H, so dass N ⊂ Kern f . Dann ist

f ∶ G/N →H, x ⋅N ↦ f(x)10

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ein wohldefinierter Homomorphismus mit

Kern f = (Kern f)/N = x ⋅N ∈ G/N ; f(x) = e.Beweis: Wir mussen zeigen, dass f unabhangig von der Reprasentantenwahlist, d.h. ist y ∈ x ⋅N , dann muß f(y) = f(x) gelten:

y ∈ x ⋅N ⇐⇒ y−1x ∈ N ⇒ f(y−1x) = e, da N ⊂ Kern f

Es folgt f(y)−1 ⋅ f(x) = e, also f(y) = f(x).f ist Homomorphismus, denn

f(x ⋅N ⋅ y ⋅N) = f(xyN) = f(xy) = f(x) ⋅ f(y) = f(xN) ⋅ f(yN)Weiter gilt: f(x ⋅N) = e ⇐⇒ f(x) = e ⇐⇒ x ∈ Kern f . ◻

3.14 Folgerung: ist f ∶ G→H ein Homomorphismus, dann ist

f ∶ G/Kern f →H, x ⋅Kern f ↦ f(x)ein Monomorphismus. Es folgt (≅ bedeutet “isomorph”)

f ∶ G/Kern f ≅ Bild f.

3.15 Folgerung: (1) Ist G eine zyklische Gruppe, dann ist G zu einerGruppe der Form Z/m, m ∈ N, isomorph.

(2) Ist ∣G∣ = p, p prim, dann ist G ≅ Z/p.Beweis: (1) Sei G = ⟨x⟩. Dann ist

f ∶ Z→ G, k ↦ xk

ein Epimorphismus. Nach (3.14) ist G ≅ Z/Kern f . Die Untergruppen von Z

sind aber von der Form m ⋅Z. Es folgt G ≅ Z/m, wobei

m = ∣G∣, falls ∣G∣ endlich ist.0, falls ∣G∣ =∞

(2) Sei x ≠ e aus G beliebig. Dann ist ⟨x⟩ Untergruppe von G. Nach demSatz von Lagrange ist ∣⟨x⟩∣ = p, da ∣⟨x⟩∣ > 1. Es folgt G = ⟨x⟩. Nach Teil 1 istG ≅ Z/p. ◻

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3.16 Beispiel: f ∶ (R,+)→ (S1, ⋅), x↦ e2πix, definiert einen Epimorphismusauf den Einheitskreis S1 der komplexen Zahlen (C∗, ⋅), Kern f = Z. Also folgt

(S1, ⋅) ≅ (R,+)/(Z,+).Aus dem Homomorphiesatz kann man zwei wichtige Isomorphiesatze folgern:

3.17 Erster Isomorphisatz: Sei N ⊲ G und U Untergruppe von G. Danngilt

(1) U ⋅N = N ⋅U , und N ⋅U ist Untergruppe von G.

(2) N ∩U ⊲ U , N ⊲ U ⋅N .

(3) U/U ∩N → U ⋅N/N , u ⋅ (U ∩N)↦ u ⋅N , ist ein Isomorphismus.

Beweis: (1) U ⋅N = ⋃u∈U u ⋅N = ⋃u∈U N ⋅u = N ⋅U . Es folgt (U ⋅N) ⋅ (U ⋅N) =U ⋅U ⋅N ⋅N = U ⋅N und (U ⋅N)−1 = N−1 ⋅U−1 = N ⋅U = UN . Hier haben wir(3.3) benutzt und aus (3.3) folgt, dass U ⋅N Untergruppe von G ist.

(2), (3) Da N = eN ⊂ U ⋅N und N ⊲ G, ist N ⊲ U ⋅N . Betrachte nun

f ∶ U → (U ⋅N)/N, u↦ u ⋅N = u ⋅ e ⋅N

f ist ein Homomorphismus, da N ⊲ G. Weiter ist f surjektiv, denn ist u⋅n⋅N ∈(U ⋅N)/N , so gilt u ⋅ n ⋅N = u ⋅N = f(u).Kern f = u ∈ U ;u ⋅N = N = u ∈ U ; u ∈ N = U ∩N . Aus (3.14) folgt derTeil (3), da U ∩N = Kern f , folgt Teil (2). ◻

3.18 Zweiter Isomorphisatz: Seien N1,N2 Normalteiler von G und N1 ⊂N2. Dann ist N2/N1 ⊲ G/N1 und

(G/N1)/(N2/N1)→ G/N2, (x ⋅N1)(N2/N1)↦ x ⋅N2

ist eine Isomorphismus.

Beweis: f ∶ G/N1 → G/N2, x ⋅ N1 ↦ x ⋅ N2 ist ein Epimorphismus undKern f = x ⋅N1 ∶ x ⋅N2 = N2 = x ⋅N1; x ∈ N2 = N2/N1. Aus (3.14) folgt dasResultat. ◻

Anwendungen dieser Resultate werden wir spater sehen.

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4 Produkte

Um eine Gruppe besser verstehen zu konnen, versucht man oft, sie in kleinereBausteine zu zerlegen.

4.1 Satz und Definition: Sind G und H Monoide oder Gruppen, dannist das Produkt G ×H mit der Verknupfung

(g1, h1) ⋅ (g2, h2) ∶= (g1 ⋅ g2, h1 ⋅ h2)wieder ein Monoid bzw. eine Gruppe. Der Nachweis der Gruppenaxiome (Mo-noidaxiome) ist trivial.

4.2 Bemerkung: Wir konnen G und H im Falle von Gruppen als Normal-teiler von G ×H auffassen. Die Einbettungen sind gegeben durch

G ⊂ G ×H, g ↦ (g, eH)H ⊂ G ×H, h↦ (eG, h)

Da (g1, h1) ⋅ (g, eH) ⋅ (g1, h1)−1 = (g1, h1) ⋅ (g, eH) ⋅ (g−11 , h−11 ) = (g1 ⋅ g ⋅ g−11 , h1 ⋅eh ⋅ h

−11 ) = (g1 ⋅ g ⋅ g−11 , eH) ∈ G, ist G tatsachlich Normalteiler. Analog verhalt

es sich fur H.

Die beiden Projektionen

Gp1←Ð G ×H

p2Ð→H

sind Epimorphismen. Beachte: Kernp1 =H, Kernp2 = G und

p2 ∶ (G ×H)/G ≅H, p1 ∶ (G ×H)/H ≅ GWir wollen nun ein Kriterium dafur angeben, wann eine Gruppe G das Pro-dukt zweier anderer Gruppen ist.

4.3 Definition: Eine Gruppe G heißt inneres Produkt zweier UntergruppenU und V , wenn die Abbildung

f ∶ U × V → G (u, v)↦ u ⋅ v

ein Isomorphismus ist.

4.4 Beispiel: Z/6 ist inneres Produkt von U = ⟨3⟩ = 0,3 und V = ⟨2⟩ =0,2,4f ∶ U × V → Z/6, (u, v)→ u + v

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ist ein Homomorphismus:

f((u1, v1) + (u2, v2)) = f(u1 + u2, v1 + v2) = u1 + u2 + v1 + v2= u1 + v1 + u2 + v2 = f(u1, v1) + f(u2 + v2)

f ist surjektiv, denn

f(k ⋅ 3, k ⋅ 4) = k ⋅ 3 + k ⋅ 4 = k ⋅ 3 + 4 = k ⋅ 1 = kDa ∣U × V ∣ = 2 ⋅ 3 = 6 = ∣Z/6∣, ist f bijektiv.

Da U ≅ Z/2 und V ≅ Z/3, erhalten wir als Folgerung

Z/6 ≅ Z/2 ×Z/3.4.5 Satz: U und V seien Untergruppen einer Gruppe G. Dann sind aquiva-lent

(1) G ist inneres Produkt von U und V

(2) U ⊲ G, V ⊲ G, G = U ⋅ V , U ∩ V = e(3) (a) ∀x ∈ G ∃∣u ∈ U und ∃∣v ∈ V mit x = u ⋅ v

(b) u ⋅ v = v ⋅ u ∀u ∈ U , ∀v ∈ V

Wir zeigen zunachst

4.6 Lemma: Mit den Bezeichnungen aus 4.3 und 4.5 gilt

(1) u ⋅ v = v ⋅ u ∀u ∈ U, ∀v ∈ V ⇐⇒ f ∶ U × V → G ist Homomorphismus

(2) U ⊲ G, V ⊲ G, U ∩ V = e⇒ f ∶ U × V → G ist Monomorphismus

Beweis::

(1) Daf((u1, v1) ⋅ (u2, v2)) = f(u1 ⋅ u2, v1 ⋅ v2) = u1 ⋅ u2 ⋅ v1 ⋅ v2

undf(u1, v1) ⋅ f(u2, v2) = u1 ⋅ v1 ⋅ u2 ⋅ v2,

ist f genau dann ein Homomorphismus, wenn

u1 ⋅ u2 ⋅ v1 ⋅ v2 = u1 ⋅ v1 ⋅ u2 ⋅ v2 ∀u1, u2 ∈ U, ∀v1, v2 ∈ V

Gleichheit gilt sicherlich, wenn u2 ⋅ v1 = v1 ⋅ u2. Ist umgekehrt f einHomomorphismus, erhalten wir u2 ⋅ v1 = v1 ⋅ u2, indem wir u1 = v2 = esetzen.

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(2) Sei u ∈ U und v ∈ V . Da U und V Normalteiler sind, folgt v−1 ⋅ u ⋅ v ∈ Uund u−1 ⋅ v−1 ⋅ u ∈ V , da v−1 ∈ V ist. Es folgt

u−1 ⋅ v−1 ⋅ u ⋅ v ∈ u−1 ⋅U = U und u−1 ⋅ v−1 ⋅ u ⋅ v ∈ V ⋅ v = V

Also ist u−1 ⋅ v−1 ⋅ u ⋅ v ∈ U ∩ V = e. Es folgt u ⋅ v = v ⋅ u. Nach (1) istsomit f ein Homomorphismus.

Ist nun f(u, v) = u ⋅ v = e, so folgt u = v−1 ∈ U ∩ V = e, also u = e undv = e. Es folgt Kern f = (e, e), also ist f injektiv.

Beweis 4.5: (1) ⇒ (2) Wir erinnern daran, dass wir U als Untergruppe vonU × V auffassen konnen: U = (u, e);u ∈ U. Dasselbe gilt fur V . Dann gilt

f(U) = U, weil f(u, e) = u, und f(V ) = V.Da f ein Isomorphismus ist und U und V Normalteiler von U ×V sind, sindU = f(U) und V = f(V ) Normalteiler in G. Weiter gilt in U × V

U ⋅ V = (u, e) ⋅ (e, v) = (u, v); u ∈ U, v ∈ V = U × VU ∩ V = (e, e)

Also folgt U ⋅ V = f(U) ⋅ f(V ) = f(U ⋅ V ) = f(U × V ) = G und U ∩ V =f(U) ∩ f(V ) = f(U ∩ V ) = f(e, e) = e.(2) ⇒ (1) Nach 4.6.2 ist f ∶ U × V → G aus 4.3 ein Monomorphismus. Daaußerdem G = U ⋅ V , ist jedes x ∈ G von der Form

x = u ⋅ v = f(u, v)fur ein u ∈ U und ein v ∈ V . Also ist f surjektiv.

(1) ⇐⇒ (3) Ein Teil der Aquivalenz ist in 4.6.1 bewiesen. Nun ist f abergenau dann bijektiv, wenn es zu jedem x ∈ G genau ein u ∈ U und genau einv ∈ V gibt, so dass x = u ⋅ v. ◻

Als Anwendung zeigen wir

4.7 Satz: Sind k und l teilerfremd, so gilt Z/(k ⋅ l) ≅ ⟨k⟩ × ⟨l⟩ ≅ Z/l ×Z/kBeweis: Da Z/(k ⋅l) abelsch ist, sind ⟨k⟩ und ⟨l⟩ Normalteiler. Da ⟨k⟩ aus denRestklassen der Vielfachen von k und ⟨l⟩ aus der Restklassen der Vielfachenvon l besteht, besteht ⟨k⟩∩ ⟨l⟩ aus den Restklassen der gemeinsamen Vielfa-chen von k und l. Da k und l teilerfremd ist, ist k ⋅ l das kleinste gemeinsameVielfache, aber k ⋅ l = 0. Es folgt ⟨k⟩ ∩ ⟨l⟩ = 0. Nach 4.6 ist

f ∶ ⟨k⟩ × ⟨l⟩→ Z/kl, (x, y)↦ x + y

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ein Monomorphismus. Da ord(k) = l und ord(l) = k ist ∣⟨k⟩ × ⟨l⟩∣ = k ⋅ l =∣Z/(kl)∣. Also ist f auch surjektiv, und ⟨k⟩ ≅ Z/(l) und ⟨l⟩ ≅ Z/(k). ◻

Durch Induktion erhalten wir

4.8 Folgerung: Ist n = pr11 ⋅ . . . ⋅prkk mit paarweise verschiedenen Primzahlen

pi, so giltZ/n ≅ Z/pr11 × . . . ×Z/prkk .

5 G-Mengen

5.1 Definition: Sei (G, ⋅) eine Gruppe und M eine Menge. Eine Operation

von G auf M von links ist eine Abbildung

G ×M →M, (g, x)↦ g ∗ x,

so dass

(1) (g1 ⋅ g2) ∗ x = g1 ∗ (g2 ∗ x) ∀g1, g2 ∈ G, ∀x ∈M(2) e ∗ x = x ∀x ∈X

Eine Operation von rechts ist eine Abbildung

M ×G→M, (x, g)↦ x ∗ g,

so dass

(1) x ∗ (g1 ⋅ g2) = (x ∗ g1) ∗ g2 ∀g1, g2 ∈ G, ∀x ∈M

(2) x ∗ e = x ∀x ∈X

Eine G-Menge ist eine Menge M mit einer G-Operation.

5.2 Beispiele:

(1) Ist U Untergruppe von G, dann operiert U von links und rechts auf G.

U ×G→ G, (u, g)↦ u ⋅ g

G ×U → G, (g, u)↦ g ⋅ uTranslationsoperationen

(2) Die Konjugationsoperation einer Untergruppe U auf der Gruppe G istdefiniert durch

U ×G→ G, (u, g)↦ u ⋅ g ⋅ u−1.

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(3) Die Gruppe ±1, ⋅ operiert auf R2 durch

±1, ⋅ ×R2 → R2, (±1, (x1, x2))↦ (±x1,±x2).(4) Die Permutationsgruppe ΣM operiert auf der Menge M

ΣM ×M →M, (f, x)↦ f(x).Das letzte Beispiel ist typisch. Operiert eine Gruppe G auf einer Menge M ,kann man jedes Element g ∈ G als Permutation πg von M auffassen: wirdefinieren

πg ∶M →M, x↦ g ∗ x.

Dann giltπg1⋅g2 = πg1 πg2 und πe = id

denn πe(x) = e ∗ x = x = id(x) undπg1⋅g2(x) = (g1 ⋅ g2) ∗ x = g1 ∗ (g2 ∗ x) = πg1(πg2(x)) = (πg1 πg2)(x).

Insbesondere ist πg bijektiv, denn πg−1 ist die Umkehrabbildung. Wir erhaltenalso eine Abbildung

α ∶ G→ ΣM , g ↦ πg.

5.3 Satz: Die Abbildung α ist ein Homomorphismus.

Beweis: α(g1 ⋅ g2) = πg1⋅g2 = πg1 πg2 = α(g1) α(g2). ◻

5.4 Definition: Ist α injektiv, spricht man von einer effektiven Operationvon G auf M .

Die Linkstranslation von G auf sich selbst

G ×G→ G, (g, x)↦ g ⋅ x

ist effektiv. In diesem Fall nennt man πg die Linkstranslation lg ∶ G→ G mitg ∈ G. Gilt α(g) = lg = id, dann folgt e = id(e) = lg(e) = g ⋅ e = g. Also ist Kernα = e und α ist injektiv. Wir erhalten den

5.5 Satz von Caley (1821-1895): Jede Gruppe G ist isomorph zu einerUntergruppe der Permutationsgruppe ΣG.

5.6 Definition: Sei M eine Menge mit Linksoperatoren von G.

(1) MG ∶= x ∈M ; g ∗ x = x ∀g ∈ G heißt Fixpunktmenge der Operation.

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(2) Fur x ∈M heißtG ∗ x ∶= g ∗ x; g ∈ G ⊂M

die Bahn oder der Orbit von x unter der Operation.

(3) Fur x ∈M heißt die Menge

Gx ∶= g ∈ G; g ∗ x = x ⊂ Gdie Standuntergruppe von x.

Wie die Definition schon sagt, ist Gx eine Untergruppe von G. Da e ∗ x = x,ist e ∈ Gx. Ist g ∈ Gx, also g ∗ x = x, dann folgt

g−1 ∗ x = g−1 ∗ (g ∗ x) = (g−1 ⋅ g) ∗ x = e ∗ x = xAlso ist g−1 ∈ Gx. Sind g1, g2 ∈ Gx, so gilt

(g1 ⋅ g2) ∗ x = g1 ∗ (g2 ∗ x) = g1 ∗ x = xAlso ist g1 ⋅ g2 ∈ Gx. Somit ist Gx Untergruppe von G.

5.7 Beispiel: Wir betrachten die Konjugationsoperation von G auf sich(Beispiel 5.2.3). Die Fixpunktgruppe ist das Zentrum Z(G) von G.

Z(G) = x ∈ G; g ⋅ x = x ⋅ g= x ∈ G; g ⋅ x ⋅ g−1 = x ∀g ∈ G

Die Bahn von x ∈ G wird oft mit xG bezeichnet und heißt Konjugationsklasse

von x.xG = g ⋅ x ⋅ g−1; g ∈ G

Die Standuntergruppe von x wird oft mit Z(x) bezeichnet und heißt Zentra-lisator von x

Z(x) = g ∈ G; g ⋅ x ⋅ g−1 = x = g ∈ G; g ⋅ x = x ⋅ gund besteht aus allen Elementen von G, die mit x kommutieren.

Operiert G auf M , konnen wir eine Relation auf M definieren durch

x ∼ y ⇐⇒ ∃ g ∈ G mit y = g ∗ x

x ∼ x, denn x = e ∗ xx ∼ y⇒ y ∼ x, denn aus y = g ∗ x folgt g−1 ∗ y = xx ∼ y ∧ y ∼ z ⇒ x ∼ z, denn aus y = g1 ∗ x und z = g2 ∗ y folgt

z = g2 ∗ (g1 ∗ x) = (g1 ⋅ g2) ∗ xAlso ist ∼ eine Aquivalenzrelation. Die Aquivalenzklasse von x ist die Bahnvon x, und wir erhalten.

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5.8 Zwei Bahnen G∗x und G∗y sind entweder gleich oder disjunkt. Damitzerfallt M in disjunkte Bahnen.

5.9 Lemma: Sei µ ∶ G×M →M eine Operation von G aufM . Sei P(M) diePotenzmenge von M und Pk(M) die Menge aller k-elementigen Teilmengenvon M . Dann definiert µ Operationen

G ×P(M)→ P(M) (g,X)↦ g ⋅X = lg(X)G ×Pk(M)→ Pk(M)

Beweis: Ist X ∈ Pk(X), dann ist g ⋅ X = g ⋅ x; x ∈ X ∈ Pk(X), weil ligbijektiv ist. ◻

5.10 Beispiel: Wir wenden (5.9) auf G mit der Konjugationsoperation an.Ist U eine Untergruppe, dann wird die Standuntergruppe von U mit

NG(U) = g ∈ G; gU−1g = Ubezeichnet und Normalteiler von U genannt. NG(U) ist die großte Unter-gruppe von G, die U als Normalteiler enthalt. D.h. ist V Untergruppe von Gund U ⊲ V , dann folgt V ⊂ NG(U).5.11 Satz: Sei M eine G-Menge und x ∈M . Dann ist die Abbildung

f ∶ G/Gx → G ⋅ x, g ⋅Gx ↦ g ⋅ x

bijektiv.

Beweis: f ist wohldefiniert und injektiv: g ⋅Gx = h ⋅Gx ⇐⇒ g−1 ⋅h ∈ Gx ⇐⇒(g−1 ⋅ h)x = x ⇐⇒ h ⋅ x = g ⋅ x. Offensichtlich ist f surjektiv. ◻

5.12 Folgerung: Sei M eine G-Menge.

(1) Ist G endlich und x ∈M , dann gilt ∣G∣ = ∣Gx∣ ⋅ ∣G ⋅ x∣.(2) Ist M endlich, dann gilt

∣M ∣ = ∣MG∣ + n

∑i=1

[G ∶ Gxi]wobei x1, . . . , xn ein vollstandiges Reprasentantensystem fur die ver-schiedenen Orbits G ⋅ xi mit mehr als einem Element ist, so dass[G ∶ Gxi] = ∣G ⋅ xi∣ > 1. ◻

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6 p-Gruppen und die Sylowsatze

6.1 Definition: Sei p prim. Eine endliche Gruppe G heißt p-Gruppe, falls∣G∣ = pk. Ist ∣G∣ = m ⋅ pk mit p ∤ m, so heißt eine Untergruppe S < G p-Sylowuntergruppe, falls ∣S∣ = pk.6.2 Lemma: Operiert eine p-Gruppe G auf einer endlichen Menge M , sogilt ∣M ∣ ≡ ∣MG∣ mod p

Beweis:: Nach (5.12.2) gilt

∣M ∣ = ∣MG∣ + n

∑i=1

[G ∶ Gxi]wobei Gxi echte Untergruppe von G ist. Es folgt [G ∶ Gxi] ≡ 0 mod p. ◻

6.3 Satz: Sei G eine p-Gruppe, ∣G∣ = pk, k > 0. Dann ist das Zentrum Z(G) ≠e.Beweis:: Betrachte die Konjugationsoperation vonG auf sich. Dann ist Z(G)die Fixpunktmenge. Also nach 6.2

∣Z(G)∣ ≡ ∣G∣ = pk ≡ 0 mod p

Damit hat Z(G) mindestens p Elemente. ◻

6.4 Aufgabe: Zeigen Sie: (1) G/Z(G) zyklisch ⇒ G abelsch.

(2) ∣G∣ = p2, p prim ⇒ G abelsch (benutzen Sie 6.3).

6.5 Fur jedes fest gewahlt g ∈ G ist

ϕ ∶ G→ G, x↦ g ⋅ x ⋅ g−1

ein Automorphismus. Also ist mit U auch ϕ(U) = g ⋅U ⋅g−1 eine Untergruppevon G, und ist U Sylowuntergruppe, dann auch g ⋅U ⋅ g−1.

6.6 Die Sylowsatze: (Ludwig Sylow, 1832-1918, norwegischer Gymnasial-lehrer) Sei G eine endliche Gruppe der Ordnung ∣G∣ = pk ⋅m mit p ∤m. Danngilt:

(1) G besitzt Untergruppen U1 < U2 < . . . < Uk mit ∣Ui∣ = pi, insbesondereist Uk eine p-Sylowuntergruppe S.

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(2) Die Anzahl np der verschiedenen p-Sylowuntergruppen von G erfullt

np ≡ 1 mod p, und np teilt m.

(3) Jede p-Untergruppe H in G ist in einer p-Sylowuntergruppe enthalten.

(4) Alle p-Sylowuntergruppen von G sind konjugiert.

6.7 Lemma: Ist p ∤m, dann gilt fur 1 ≤ s ≤ k

(mpkps) =m ⋅ pk−s ⋅ (mpk − 1

ps − 1), und p ∤ (mpk − 1

ps − 1)

Beweis::

(mpkps) = m ⋅ pk ⋅ (mpk − 1) ⋅ . . . ⋅ (mpk − ps + 1)

ps ⋅ (ps − 1) ⋅ . . .1= m ⋅ pk−s ⋅ (mpk − 1

ps − 1)

= m ⋅ pk−s ⋅ps−1

∏i=1

mpk − i

i

Wir betrachten die Faktoren im Zahler des Produktes: Fur 1 ≤ i ≤ ps − 1 gilt

mpk − i = q ⋅ pr ⇐⇒ i =mpk − qpr

(wir wahlen r maximal, d.h. p ∤ q). Angenommen r ≥ k, dann klammern wirpk aus und erhalten i = pk(m−qpr−k) ≥ pk, was wegen i ≤ ps−1 < pk unmoglichist. Also ist r < k und i = pr(mpk−r − q). Damit laßt sich pr im Faktor mpk − ides Zahlers gegen pr im Faktor i des Nenners kurzen, d.h. das Produkt hatnach Kurzen keinen Faktor p im Zahler. ◻

Beweis von 6.6: Sei X = Pps(G) 1 ≤ s ≤ k. Bekanntlich gilt ∣X ∣ = ( nps).

Unter der Linkstranslation mit g ∈ G zerfallt X in disjunkte Orbits, und wirerhalten (n

ps) = ∣X ∣ = ∣G ⋅X1∣ + . . . + ∣G ⋅Xr∣ = ∣G∣∣S1∣ + . . . + ∣G∣∣Sr∣

wobei Si die Standuntergruppe derMenge Xi ist, d.h. g ∈ Si bildetXi bijektivnach Xi ab. Da pk−s+1 ∤ (nps) nach 6.7, gibt es mindestens einen Summanden,

etwa ∣G∣∣S1∣

, der nicht durch pk−s+1 teilbar ist. Da pk ∣ ∣G∣, folgt ps ∣ ∣S1∣. Seinun x ∈ X1. Da S1 Standuntergruppe von X1 ist, folgt S1 ⋅ x ⊂ X1. AberRechttranslation mit x ist bijektiv. Es folgt

∣S1∣ = ∣S1 ⋅ x∣ ≤ ∣X1∣ = pS. Also ∣S1∣ = ps.21

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Mit s = k erhalten wir eine Sylowuntergruppe S1 = Uk von G.

Wir wenden unsere Uberlegungen nun auf Uk an mit s = k−1 und erhalten eineUntergruppe Uk−1 der Ordnung pk−1. Durch Abwartsinduktion folgt Teil (1)von 6.7.

Sei nun S eine p-Sylowuntergruppe. Sei nun H < G eine p-Gruppe. Die Zu-ordnung

H ×G/S → G/S, (h, g ⋅ S)↦ h ⋅ g ⋅ S (∗)definiert eine Operation von H auf G/S. Nach 6.3 gilt

∣(G/S)H ∣ ≡ ∣G/S∣ =m /≡ 0 mod p.

Also besitzt diese Operation Fixpunkte, d.h. es gibt eine Nebenklasse g ⋅ Smit h ⋅ g ⋅ S = g ⋅ S fur alle h ∈H. Es folgt

H ⋅ g ⊂H ⋅ g ⋅ S = g ⋅ SH < g ⋅ S ⋅ g−1

(A)Ist H selbst Sylowuntergruppe, so folgt wegen ∣H ∣ = pk = ∣g ⋅ S ⋅ g−1∣, dass

H = g ⋅ S ⋅ g−1

Das beweist (3) und (4).

Fur (2) wenden wir diese Uberlegungen auf H = S an. Wir erhalten

∣G/S∣ ≡ ∣(G/S)S ∣ mod p

und g ⋅ S ∈ (G/S)S ⇐⇒ S = g ⋅ S ⋅ g−1 nach (A)

Aber g ⋅ S ⋅ g−1 = S ⇐⇒ g ∈ NG(S), so dass

∣G/S∣ ≡ ∣(G/S)S ∣ = ∣NG(S)/S∣ /≡ 0 mod p (∗∗)Betrachten wir jetzt die Bahn E von S unter der Konjugationsoperation, alsodie Konjugationsklasse von S. Dann gilt nach 6.6

npdef= ∣E ∣ = ∣G∣∣NG(S)∣ = ∣G/S∣∣NG(S)/S∣ ≡ 1 mod p

wegen (∗∗). Da m = ∣G/S∣ = np ⋅ ∣NG(S)/S∣, folgt np teilt m.

Beim letzten Schritt argumentieren wir im Restklassenkorper modulo p. DieRestklassen von ∣G/S∣ und ∣NG(S)/S∣ sind gleich und von 0-Klassen verschie-den. Die Division im Restklassenkorper ergibt daher die Restklasse von 1. ◻

Fur Anwendungen vermerken wir als Konsequenz aus 6.5 und 6.6.4.

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6.8 Hat eine endliche Gruppe G genau eine p-Sylowuntergruppe S, dannist S Normalleiter.

6.9 Satz: Hat G fur jeden Primteiler p von ∣G∣ genau eine p-Sylowunter-gruppe, dann ist G inneres Produkt seiner Sylowuntergruppen.

Beweis:: Seien p1, . . . , pk die Primteiler von ∣G∣ und S1, . . . , Sk die zugehori-gen Sylowuntergruppen. Durch Induktion nach l zeigen wir, dass

f ∶ S1 × . . . × Sl → G, (x1, . . . , xl)↦ x1 ⋅ . . . ⋅ xl

ein Monomorphismus ist. Da ∣S1 × . . . × Sk∣ = ∣G∣, folgt die Behauptung.

Fur l = 1 ist nichts zu zeigen.

Induktionsschritt von l − 1 nach l: Nach Induktionsannahme ist

U = f(S1 × . . . × Sl−1) = S1 ⋅ . . . ⋅ Sl−1

eine Untergruppe von G isomorph zu S1 × . . . × Sl−1. Da

g ⋅ S1 ⋅ . . . ⋅ Sl−1 ⋅ g−1 = g ⋅ S1 ⋅ g−1 ⋅ g ⋅ S2 ⋅ g−1 . . . g ⋅ Sl−1 ⋅ g−1

= S1 ⋅ S2 ⋅ . . . ⋅ Sl−1,

ist U ⊲ G. Nach 6.8 ist Sl ⊲ G. Weiter ist U ∩Sl Untergruppe von U und vonSl. Da ∣U ∣ und ∣Sl∣ teilerfremd sind, folgt U ∩ Sl = e. Nach 5.6 ist

f ∶ U × Sl → G , (u, x)↦ u ⋅ x

injektiv. ◻

6.10 Satz: Seien p < q Primzahlen und q /≡ 1 mod p, dann ist jede Gruppeder Ordnung pq isomorph zu Z/pq.Beweis:: np = 1 mod p und np ∣ q. Da q prim ist, folgt np = 1 oder np = q.Da aber q /≡ 1 mod p, erhalten wir np = 1, nq ≡ 1 mod q und nq ∣p. Da p < q,folgt nq = 1.Nach 6.9 ist G ≅ Sp × Sq. Weiter gilt Sp × Sq ≅ Z/p × Z/q ≅ Z/p ⋅ q nach 3.15und 4.7. ◻

6.11 Beispiel: Ist G eine Gruppe der Ordnung 45, dann ist G abelsch.

Beweis:: 45 = 32 ⋅ 5n3 ≡ 1 mod 3 und n3 ∣ 5. Es folgt n3 = 1.n5 ≡ 1 mod 5 und n5 ∣ 9. Es folgt n5 = 1.Also G ≅ S3 ×S5. Da ∣S5∣ = 5 ist S5 ≅ Z/5. Da ∣S3∣ = 9, ist S3 nach 6.5 abelsch.Also ist G abelsch. ◻

Der Beweis von 6.11 lasst sich verallgemeinern:

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6.12 Aufgabe: Es seien p < q Primzahlen und G eine Gruppe. Zeigen Sie:G ist abelsch, wenn eine der folgenden Bedingungen erfullt ist:

(1) ∣G∣ = p2 ⋅ q und q /≡ 1 mod p und p2 /≡ 1 mod q

(2) ∣G∣ = p ⋅ q2 und q2 /≡ 1 mod p

(3) ∣G∣ = p2 ⋅ q2 und p2 /≡ 1 mod q und q2 /≡ 1 mod p

Die Bedeutung dieses Resultats liegt im Struktursatz fur endlich erzeugteabelsche Gruppen.

6.13 Struktursatz: Sei G eine endlich erzeugte abelsche Gruppe. Danngilt:

(1) G ≅ Zr × T , r ≥ 0 und T endlich.

(2) Ist pk11 ⋅ . . . ⋅pkss mit p1 < p2 < . . . ps die Primfaktorzerlegung von ∣T ∣, dann

giltT ≅ Sp1 × . . . × Sps

wobei Spi die pi-Sylowuntergruppe von T ist.

(3) Ist S eine abelsche p-Gruppe, ∣S∣ = pk, dann ist S von der Form

S ≅ Z/pr1 × . . . ×Z/prtr1 ≤ r2 ≤ . . . ≤ rt und r1 + r2 + . . . + rk = k.

Teil (2) ist ein Spezialfall von 6.10. Die Beweise der Teile (1) und (3) mussenwir aus Zeitgrunden schuldig bleiben

7 Permutationsgruppen

Wir verwenden die Zykelschreibweise fur Permutationen: Sei [n] ∶1,2, . . . , n und σ ∈ Σn. Ist ⟨σ⟩ die von σ erzeugte Untergruppe von Σn,dann ist ⟨σ⟩ × [n]→ [n], (σk, s)↦ σk(s)eine Operation von ⟨σ⟩ auf [n] und

B(s, σ) ∶= σk(s);k ∈ Z

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ist die Bahn von s unter dieser Operation. Nach (5.8) zerfallt [n] in disjunkteBahnen [n] = B(s1, σ) ⊔ . . . ⊔B(sr, σ).Wir definieren neue Permutationen σ1, . . . , σr aus Σn durch

σi(t) = σ(t), falls t ∈ B(si, σ)t sonst

d.h. σi permutiert die Element aus B(si, σ) wie σ und lasst die ubrigen fest.Es folgt

σ = σ1 σ2 . . . σr.

7.1 Definition: Eine Permutation ϕ ∈ Σn heißt r-Zykel, wenn es eine r-elementige Teilmenge T = t1, . . . , tr von [n] gibt, so dass

ϕ(ti) = ti+1 1 ≤ i ≤ r − 1t1 i = r

und ϕ(s) = s ∀s ∉ T . Wir nennen T den Trager von ϕ. Es gilt

T = t1, ϕ(t1), ϕ2(t1), . . . , ϕr−1(t1).Zwei Zykel heißen disjunkt, falls ihre Trager disjunkt sind.

Wir haben gezeigt

7.2 Satz: Jede Permutation σ ∈ Σn ist eine Komposition disjunkter Zykel.Die Zerlegung ist bis auf Reihenfolge

Aus 7.1 folgt sofort

7.3 Fur disjunkte Zykel ϕ,ψ ∈ Σn gilt ϕ ψ = ψ ϕ.

7.4 Bezeichnung: Ein Zykel ist eindeutig durch seinen zyklisch geord-neten Trager definiert, wobei die Ordnung durch die Abbildungsvorschrift(7.1) gegeben ist. Daher benutzen wir oft den Trager als Bezeichnung fureinen Zykel.

7.5 Beispiele:

(1) σ ∶1 2 3

321ist ein Zykel: σ = (1,3,2) = (3,2,1) = (2,1,3)

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(2) Die Permutation ϕ ∶321 4 8 975 6

2 75 4 8 3 6 1 9

besitzt die Zykelzerlegung ϕ = (1,2,5,8) (3,7,6) (4) (9). Beachte,dass die Permutation (4) und (9) Identitaten sind. Deshalb ist auch dieBeziehungsweise

ϕ = (1,2,5,8) (3,7,6)ublich, d.h. 1-Zykel werden in der Zykelzerlegung oft ignoriert.

7.6 Bezeichnung: Ein 2-Zykel heißt Transposition.

7.7 Satz: Σn wird von der Menge A = (i, i + 1); i = 1 . . . , n − 1 von Trans-position erzeugt, d.h. jede Permutation ist Komposition von Transpositionenaus A.

Beweis:

(i) Jede Permutation ist nach (7.2) Komposition von Zykeln; also genugtes, den Satz fur Zykel (i1, . . . , ik) zu zeigen.

(ii) (i1, . . . , ik) = (i1, ik) (i1, ik−1) . . . (i1, i3) (i1, i2)Also genugt es, den Satz fur beliebige Transpositionen (i, j) und i < jzu zeigen.

(iii) Sei (i, j) Transposition mit i < j. Wir beweisen durch Induktion nachj − i, daß (i, j) Komposition von Permutation aus A ist. Fur j − i = 1ist (i, j) aus A.Induktionsschritt: (i, j) = (i, j − 1) (j − 1, j) (i, j − 1)(j − 1, j) ∈ A, und nach Induktion ist (i, j − 1) Komposition von Trans-positionen aus A.

Wir definieren einen Homomorphismus

f ∶ Σn → ±1, ⋅ ≅ Z/2durch

f(σ) ∶= det(eσ(1), . . . , eσ(n)),wobei ei ∈ Rn der i-te Einheitsvektor ist. Fassen wir (z1, . . . , zn) mit zi ∈ Rn

als Matrix mit den Spaltenvektoren z1, . . . , zn auf, so gilt

(z1, . . . , zn) ⋅ (eσ(1), . . . , eσ(n)) = zσ(1), . . . , zσ(n)).26

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Es folgt

f(σ) ⋅ f(τ) = det(eσ(1), . . . , eσ(n)) ⋅ det(eτ(1), . . . , eτ(n))= det((eσ(1), . . . , eσ(n)) ⋅ (eτ(1), . . . , eτ(n)))= det(eστ(1), . . . , eστ(n)) = f(σ τ)

7.8 Bezeichnung: f(σ) heißt Vorzeichen von σ und wir schreiben sign furf . Eine Permutation σ heißt gerade, falls signσ = 1 und sonst ungerade.

7.9 Folgerung: Eine Permutation ist genau dann gerade, wenn sie sich alsKomposition einer geraden Anzahl von Transpositionen darstellen laßt.

7.10 Definition: An ∶=Kern(sign ∶ Σn → ±1, ⋅) heißt alternierende Grup-

pe von [n].7.11 [Σn ∶ An] = 2. Also An ⊲ Σn.

Wir wollen An naher untersuchen.

7.12 Satz: Fur n ≥ 3 wird An von 3-Zykeln erzeugt. (3-Zykeln sind gerade!)

Beweis:: x ∈ An ist Produkt einer geraden Anzahl x = τ1 σ1 . . . τk σkvon Transposition. Wir untersuchen 3 Falle:

τr = σr ⇐⇒ τr σr = Id ∣Tσr ∩ Tτr ∣ = 2τr σr = (i, j) (i, k) = (i, k, j) ∣Tσr ∩ Tτr ∣ = 1τr σr = (i, j) (k, l) = (j, l, k) (i, k, j) Tσr ∩ Tτr = ∅

Wie kommen nun zur zentralen Aussage uber An.

7.13 Definition: Eine Gruppe G heißt einfach, wenn sie nur die trivialenNormalteiler e und G besitzt.

7.14 Satz: Fur n ≠ 4 ist An einfach.

Da ∣A1∣ = ∣A2∣ = 1 und ∣A3∣ = 3, sind A1,A2,A3 einfach. Fur n > 4 benotigenwir einen Hilfssatz.

7.15 Lemma: Fur n ≥ 5 sind je zwei 3-Zykel (a, b, c) und (i, j, k) in Ankonjugiert, d.h. es gibt ein σ ∈ An, so dass σ (a, b, c) σ−1 = (i, j, k).

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Beweis:: Wahle eine beliebige Permutation π ∈ Σn, so dass π(a) = i, π(b) = k.Dann gilt π (a, b, c) π−1 ∶ i↦ j

j ↦ k

k ↦ i

und t↦ f fur t ∉ i, j, k.Also π (a, b, c) π−1 = (i, j, k). Ist π ∈ An, sind wir fertig. Falls das nicht derFall ist, nehmen wir zwei Elemente s ∗ t ∈ [n] mit s, t ∉ a, b, c. Da n ≥ 5, istdas moglich. Dann ist π (s, t) ∈ An, und es gilt

(π (s, t)) (a, b, c) (s, t) π−1 = π (a, b, c) π−1 = (i, j, k).Also ist σ = π (s, t) das gesuchte Element. ◻

Beweis 7.14: Sei n ≥ 5, H ⊲ An und H ≠ e. Wir mussen zeigen, dassH = An. Dafur genugt es zu zeigen, daß H einen 3-Zykel enthalt: Denn da HNormalteiler ist, liegen nach (7.15) alle 3-Zykel in H. Aus (7.12) folgt dannH = An.Sei σ ≠ id ausH. Dann muß σ mindestens 3 Elemente permutieren, sonst warees einer Transposition (die nicht in An liegt). Betrachte die Zykelzerlegungvon σ.

1. Fall: σ = (a1, . . . , ak) σ mit k > 3, d.h. σ enthalt einen k-Zykel mit k > 3.Dann ist (da Trσ ∩ a1, . . . , ak = ∅).

H ∋ σ (a1, a2, a3) σ−1 (a1, a2, a3)−1´¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¸¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¶∈H, da h⊲An und (a1,a2,a3)∈Ak

= (a1, . . . , ak) (a1, a2, a3) (ak, . . . , a1) (a3, a2, a1)= (a1a4a2)

2. Fall: σ enthalt nur Tranpositionen und 3-Zykel. Da 3-Zykel gerade sind,muß σ eine gerade Zahl von Transpositionen enthalten.

(a) σ enthalt keine Transposition, ist aber nicht selbst 3-Zykel, d.h.

σ = (a1a2a3) (a4a5a6) σ.H ∋ σ (a1a2a4) σ−1 (a1a2a4)−1 =

= (a1a2a3) (a4a5a6) (a1a2a4) (a6a5a4) (a3a2a1) (a4a2a1)= (a1a4a3a5a2)

und wir sind im Fall 1.

(b) σ enthalt mindestens zwei Transpositionen und laßt keine Elemente a5fest:

σ = (a1a2) (a3a4) (a5) σ28

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Dann gilt

H ∋ σ (a1a2a5) σ−1 (a1a2a5)−1= (a1a2) (a3a4) (a1a2a5) (a1a2) (a3a4) (a5a2a1)= (a1a2) (a1a2a5) (a1a2) (a5a2a1) = (a1a2a5)

(c) Besteht σ nur aus 2 Transpositionen, laßt es ein Element fest, da n ≥ 5.Also bleibt der Fall, daß σ mindestens 4 Transpositionen enthalt oder2 Tranpositionen und mindestens 3-Zykel.

Im zweiten Fall zerlegen wir σ

(a1a2) (a3a4) (a5 − a6a7) τ = (a1a2) (a3a4) (a5a6) σ³¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹·¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹µ(a6a7) τ

In beiden Fallen ist σ von der Form

(a1a2) (a3a4) (a5a6) σund σ enthalt nicht a1, . . . , a5. Es folgt: σ vertauscht mit (a1a2a5). Also

H ∋ σ (a1a2a5) σ−1 (a1a2a5)−1= (a1a2) (a3a4) (a5a6) (a1a2a5) (a5a6) (a3a4)(a1a2) (a5a2a1)

= (a1a5) (a2a6) (a3) (a4)Wir sind also im Fall (b). ◻

7.16 Aufgabe: Zeigen Sie, dass das Zentrum Z(Σn) von Σn fur n ≥ 3 nuraus dem neutralen Element besteht.

7.17 Aufgabe: Sei

V4 = e, (12) (34), (13) (24), (14) (23) ⊂ Σ4.

Zeigen Sie:

(1) V4◁Σ4

(2) (2) Σ4/V4 ≅ Σ3

(3) (3) V4 ≅ Z/2 ×Z/2.

29

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8 Auflosbare Gruppen

8.1 Definition: Sei G eine Gruppe

(1) Eine Subnormalreihe ist eine Sequenz

G = G0▷G1▷G2▷ . . .

Die Faktorgruppen Gi/Gi+1 heißen Faktoren der Reihe. Die Anzahl dernicht-trivialen Faktoren heißt Lange der Reihe.

(2) Gilt Gi◁G∀ i, spricht man von einer Normalreihe.

(3) Sind alle Faktoren der Subnormalreihe nicht-trivial und einfach, sprichtman von einer Kompositionsreihe.

8.2 Definition: G heißt auflosbar, wenn G eine endliche Subnormalreihemit abelschen Faktoren besitzt.

8.3 Beispiel: (1) Σ3 hat die Kompositionsreihe

Σ3▷A3▷ edenn Σ3/A3 ≅ Z/2 und A3 ≅ Z/3. Da die Faktoren abelsch sind, ist Σ3

auflosbar.

(2) Σ4 hat die Kompositionsreihe

Σ4▷A4▷ V4▷ ⟨(13) (24)⟩▷ emit den Faktoren

Σ4/A4 ≅ Z/2, A4/V4 ≅ Z/3, V4/⟨τ⟩ ≅ Z/2, ⟨τ⟩/e ≅ Z/2,wobei τ = (13) (24). Da die Faktoren abelsch sind, ist Σ4 auflosbar.

(3) Fur n ≥ 5 hat Σn die Kompositionsreihe (nach (7.14))

Σn▷An▷ emit den Faktoren Σn/An ≅ Z/2, An/e ≅ An. Da An der einzige echteNormalteiler von Σn ist, ist Σn nicht auflosbar.

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(4) n > 1 habe die Primfaktorzerlegung n = p1 ⋅ p2 ⋅ . . . ⋅ pr. Dann ist

Z/n ▷ Z/ np1▷ Z/ n

p1 ⋅ p2▷ . . .

∥ ∥ ∥

⟨x⟩ ⟨xp1⟩ ⟨xp1p2⟩eine Kompositionsreihe der Lange r mit Faktoren isomorph zuZ/p1,Z/p2, . . .

(5) Jede abelsche Gruppe ist auflosbar.

8.4 Konstruktion von Subnormalreihen

Sei G eine Gruppe und G′ = [G,G] die Untergruppe, die von allen Elementeder Form [x, y] ∶= xyx−1y−1erzeugt wird. [x, y] heißt Kommutator (denn x ⋅y = y ⋅x ⇐⇒ [x, y] = 0), und[G,G] Kommutatoruntergruppe von G.

8.5 Aufgabe: Zeigen Sie:

(1) [G,G]◁G(2) G/[G,G] ist abelsch.(3) Sei f ∶ G → H ein Homomorphismus und Bild f abelsch. Dann gilt

Kern f ⊃ [G,G].(4) Ist f ∶ G → H ein Homomorphismus, H abelsch und p ∶ G → G/[G,G]

die Projektion, dann gibt es genau einen Homomorphismus

f ∶ G/[G,G]→H,

so dass f p = f .

8.6 Definition und Satz: Wir definieren induktiv: G(0) = G, G(i+1) =[G(i),G(i)]. Dann ist G = G(0)▷G(1)▷G(2)▷ . . . eine Normalreihe, genanntderivierte Reihe von G.

Beweis: Wir mussen noch zeigen, dass G(i)◁G. Das folgt aus

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8.7 U ◁G⇒ [U,U]◁Gdenn sind x, y ∈ U , also [x, y] ∈ [U,U], so folgt

g[x, y] ⋅ g−1 = gxyx−1y−1g−1

= gxg−1gyg−1gx−1g−1gy−1g−1

= [gxg−1, gyg−1] ∈ [U,U].Da jedes Element in [U,U] Produkt von Elementen dieser Form ist (beachte,dass [x, y]−1 = [y, x]), folgt die Behauptung.

8.8 Satz: G ist genau dann auflosbar, wenn die derivierte Reihe endlich ist,d.h. wenn G(k) = e fur ein k.Beweis: Ist die derivierte Reihe endlich, so ist G wegen (8.5.2) auflosbar. Seiumgekehrt

G = G0▷G1▷ . . .▷Gk = eeine Subnormalreihe mit abelschen Faktoren.

Behauptung: G(i) < Gi (da dann e < G(k) < Gk = e, also G(k) = e,folgt der Satz.)

Beweis: durch Induktion nach i: Fur i = 0 ist das klar.

Sei nun G(i) < Gi. Da Gi/Gi+1 abelsch ist, gilt nach (8.5.3)

Gi+1 = Kern(Gi → Gi/Gi+1) > [Gi,Gi] > [G(i),G(i)] = G(i+1).◻

8.9 Satz: (1) G auflosbar ⇒ jede Untergruppe von G ist auflosbar.

(2) U ◁G. Dann gilt G auflosbar ⇐⇒ U und G/U sind auflosbar.

Beweis: (1) U < G⇒ [U,U] < [G,G]⇒ (induktiv) U (i) < G(i)

(2) “⇒”: G auflosbar ⇒ U auflosbar nach (1).

Ist p ∶ G→ G/U die Projektion und [x ⋅U, y ⋅U] ein Kommutator in G/U , sogilt [x ⋅U, y ⋅U] = [p(x), p(y)] = p([x, y])Also gilt [G/U,G/U] = p([G,G]) und induktiv (G/U)(i) = p(G(i))“⇐”: Seien

U = U0▷U1▷ . . .▷Ur = 1 G/U =K0▷K1▷ . . .▷Kt = 1

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Subnormalreihen von U und G/U mit abelschen Faktoren.

Setzen wir Gi = p−1(Ki), so gilt Ki = Gi/U und Gi+1◁Gi, da Ki+1◁Ki.

Beachte, dass p−1(1) = U , also Gt = U . Damit ist

G = G0▷G1▷ . . .▷Gt = U ▷U1▷ . . .▷Ur = 1

eine Subnormalreihe aus G. Die Quotienten Gt/U1, Ui/Ui=1 sind abelsch. Das-selbe gilt fur

Gi/Gi+1 ≅ (Gi/U)/(Gi+1/U) =Ki/Ki+1.

9 Ringe

9.1 Definition: Ein Ring ist eine Menge R mit zwei Verknupfungen + und ⋅,so dass gilt

(1) (R,+) ist abelsche Gruppe mit neutralem Element 0

(2) (R, ⋅) ist ein Monoid mit neutralem Element 1

(3) Es gelten die Distributivgesetze

a ⋅ (b + c) = a ⋅ b + a ⋅ c, (b + c) ⋅ a = b ⋅ a + c ⋅ a ∀a, b, c ∈ R

Ist (R, ⋅) kommutativ, sprechen wir von einem kommutativen Ring.

Bemerkung: In der Algebra betrachtet man auch Ringe ohne Einselement1.

9.2 Konvention: In dieser Vorlesung verstehen wir unter Ring einen kom-mutativen Ring mit 1.

9.3 Definition: a ∈ (R,+, ⋅) heißt Einheit, wenn a ein rechts- und ein links-inverses Element besitzt (die dann gleich sind). Die Gruppe der Einheitenvon (R, ⋅) wird mit R∗ bezeichnet.

9.4 Definition: Ein Unterring von R ist eine Teilmenge S ⊂ R, so dass Sunter den Verknupfungen + und ⋅ auf R selbst ein Ring ist.

9.5 Sei S ⊂ R, dann ist S genau dann Unterring, wenn

(i) S ≠ ∅

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(ii) x, y ∈ S ⇒ x − y ∈ S und x ⋅ y ∈ S

(iii) 1 ∈ S

9.6 Definition: Seien a, b ∈ R/0 und sei a ⋅ b = 0. Dann heißen a und b

Nullteiler. Besitzt R keinerlei Nullteiler, so heißt R nullteilerfrei.

9.7 Definition: Ein Integritatsring ist ein nullteilerfreier Ring R. Ein RingR, fur den R∗ = R/0 ist, heißt Korper.

9.8 Definition: Eine Abbildung f ∶ R → S heißt Homomorphismus von

Ringen, wenn

f(x + y) = f(x) + f(y) f(x ⋅ y) = f(x) ⋅ f(y) ∀x, y ∈ Rund

f(1R) = 1S9.9 Ist f ∶ R → S ein Ringhomomorphismus und T ⊂ S ein Unterring, dannist f(R) ein Unterring von S und f−1(T ) ein Unterring von R.

9.10 Definition: Sei R ein Ring. Eine Untergruppe U von (R,+) heißt Ideal,wenn gilt: u ∈ U, r ∈ R⇒ r ⋅ u ∈ U .

Ist U ⊂ R ein Ideal, dann gilt fur die ubliche Multiplikation der Nebenklassen

(x +U) ⋅ (y +U) = x ⋅ y + x ⋅U +U ⋅ y +U ⋅U ⊂ x ⋅ y +U +U +U = x ⋅ y +UDa die Nebenklassenax = x +U eine disjunkte Zerlegung von R bilden, wirdjedem Paar (x, y) von Nebenklassen unter der ublichen Multiplikation ein-deutig die Nebenklasse x ⋅ y zugeordnet, denn

x ⋅ y = (x +U) ⋅ (y +U) ⊂ xy +U = x ⋅ yDer folgende Satz ist damit trivial.

9.11 Satz: (1) Ist U ⊂ R ein Ideal in einem Ring R, so ist R/U unter

x + y ∶= x + y x ⋅ y ∶= x ⋅ y

mit x = x +U ein Ring.

(2) Die Projektion p ∶ R → R/U ist ein Ringhomomorphismus.

(3) Jedes Ideal ist Kern eines Ringhomomorphismus’. Umgekehrt ist derKern eines Ringhomomorphismus’ ein Ideal.

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Wir erinnern an die Isomorphiesatze:

9.12 (1) Ist f ∶ R → S ein Ringepimorphismus mit Kern U . Dann istdie Abbildung

J ⊂ S;J Ideal → I ⊂ R; I Ideal , U ⊂ I, J ↦ f−1(J)bijektiv. Also ist jedes Ideal J ⊂ R/U von der Form I/U , wobei I ⊂ Rein Ideal ist, das U enthalt.

(2) Ist f ∶ R → S ein Ringhomomorphismus mit Kern U , dann gibt es genaueinen Ringmonomorphismus f ∶ R/U → S, so dass

Rf

//

p!!CC

CCCC

CCS

R/U ∃∣f

==

Insbesondere gilt: f ∶ R/U ≅ Bild f als Ring.

(3) Sei R ein Ring mit Idealen U ⊂ J ⊂ R. Dann ist J/U ein Ideal von R/Uund (R/U)/(J/U) ≅ R/J

(4) Sind U,J Ideale von R, dann auch U +J , genannt Summenideal von Uund J , und es gilt (U + J)/U ≅ J/U ∩ J

9.13 Aufgabe:

(1) Ist Uα, α ∈ A eine Familie von Idealen in R, dann ist auch ⋂α∈A

Uα ein

Ideal.

(2) Ist J1 ⊂ J2 ⊂ J3 ⊂ . . . eine aufsteigende Kette von Idealen in R, dann ist

auch∞

⋃n=1

Jn ein Ideal in R.

9.14 Definition: Sei A ⊂ R eine Teilmenge. Das kleinste Ideal I(A) von R,das A enthalt, heißt das von A erzeugte Ideal :

I(A) = ⋂U ⊂ R; U Ideal ,A ⊂ UEin Ideal, das von einem einzigen Element erzeugt wird, heißt Hauptideal.Statt I(a) schreiben wir nur (a).

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Wir wollen die Form eines Hauptideals bestimmen: Zunachst enthalt (a)die von a erzeugte zyklische Gruppe < a >= n ⋅ a; n ∈ Z, weiterhin alleKombinationen r ⋅ n ⋅ a. Da 1 ∈ R und damit auch n = 1 + . . .1 ∈ R, sind diesevon der Form r ⋅ a. Also

9.15 (a) = r ⋅ a; r ∈ R = R ⋅ a.9.16 Definition: Ein Hauptidealring oder PID (fur “principal ideal do-main”) ist ein Integritatsring, in dem jedes Ideal ein Hauptideal ist.

9.17 Aufgabe: Sind U,J ⊂ R Ideale, dann definieren wir das Produktideal

U ⋅ J als das von der Menge u ⋅ j;u ∈ U, j ∈ J erzeugte Ideal. Ist K ⊂ R einweiteres Ideal, gilt

(a) U ⋅ J ⊂ U ∩ J

(b) U ⋅ (J +K) = U ⋅ J +U ⋅K, (J +K) ⋅U = J ⋅U +K ⋅U9.18 Beispiel: Der Ring Z ist ein Hauptidealring.

Damit sind die Ideale von Z von der Form (n) mit n ∈ N. Die QuotientenringeZ/(n) sind die Restklassenringe Z/n. Bezeichnet k die Restklasse von k ∈ Zmodulo n, dann gilt

k ∈ (Z/n)∗ ⇐⇒ ggT(k,n) = 1k ∈ Z/n ist Nullteiler ⇐⇒ ggT(k,n) > 1

9.19 Definition: Ein Ring R heißt einfach, wenn 0 und R seine einzigenIdeale sind.

9.20 Definition: Ein Ideal J von R heißt maximal, wenn J ≠ R und ausJ ⊂ U ⊂ R, U Ideal, folgt J = U oder U = R.

Aus (9.12.1) erhalten wir sofort fur Ideale J ≠ R.

9.21 J ⊂ R ist maximal ⇐⇒ R/J ist einfach.

Aus folgenden Grund sind maximale Ideale von Bedeutung.

9.22 Satz: Sei R ein Ring und J ein Ideal. Dann gilt J ⊂ R maximal ⇐⇒R/J ist Korper.

Der Beweis von (9.22) folgt mit (9.21) aus

9.23 Satz: (1) Jeder Korper ist einfach.

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(2) Jeder einfache Ring ist ein Korper.

Beweis:: (1) Sei R ein Korper und J ≠ 0 eine Ideal aus R. Sei x ≠ 0 aus J .Dann ist r = (r ⋅ x−1) ⋅ x ∈ J , also J = R.(2) Sei R ein einfacher Ring und x ≠ 0. Wir mussen zeigen, dass x ein Inversesbesitzt. Sei (x) das von x erzeugte Ideal. Nach (9.15) ist (x) = r ⋅ x; r ∈ R.Da (x) = R, gibt es ein r ∈ R mit r ⋅ x = 1. Also ist x ∈ R∗. ◻

9.24 Beispiel: In Z gilt: m∣n (m teilt n) ⇐⇒ (n) ⊂ (m).Also it (m) genau dann maximal, wenn m prim ist. Wir erhalten

Z/n ist Korper ⇐⇒ n ∈ N ist prim.

Wir schließen mit einer Aufgabe.

9.25 Aufgabe: Zwei Ideale I und J eines Ringes R heißen coprim, wennI + J = R ist.

Zeigen Sie:

(1) Sind I und J1, . . . , Jk Ideale, so dass I und Jl coprim sind fur allel = 1, . . . , k, dann ist I coprim zu J1 ∩ . . . ∩ Jk.

(2) Sind J1, . . . , Jk Ideale in R, dann ist

p ∶ R/ k

⋂i=1

Ji → R/J1 × . . . ×R/Jk, x↦ (p1(x), . . . , (pk(x))ein injektiver Ringhomomorphismus, wobei pi ∶ R → R/Ji die Projekti-on ist.

(3) Sind in (2) die Ideale Ji paarweise coprim, so ist p ein Isomorphismus.

10 Teilerlehre in Ringen

10.1 Definition: Ein Ideal P in einem Ring R heißt Primideal, wenn P ≠ Rund fur Ideale J1, J2 von R gilt: J1 ⋅ J2 ⊂ P ⇒ J1 ⊂ P oder J2 ⊂ P .

10.2 Lemma: Sei P ≠ R ein Ideal von R. Dann sind aquivalent

(1) P ist ein Primideal.

(2) Fur alle a, b ∈ R gilt: a ⋅ b ∈ P ⇒ a ∈ P oder b ∈ P

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Beweis::(1)⇒(2): Sei a ⋅ b ∈ P . Da

(a) ⋅ (b) = R ⋅ a ⋅R ⋅ b = R ⋅ a ⋅ b = (a ⋅ b) ⊂ P,folgt (a) ⊂ P oder (b) ⊂ P und damit a ∈ P oder b ∈ P .(2)⇒(1): Seien A,B Ideale in R mit A ⋅ B ⊂ P . Angenommen A /⊂ P undB /⊂ P , dann gibt es ein a ∈ A/P und ein b ∈ B/P . Da aber a ⋅ b ∈ P , gilt a ∈ Poder b ∈ P , ein Widerspruch. ◻

In Z stimmen die Primideale mit dem maximalen Idealen uberein. Es istdaher zu vermuten, dass beide Begriffe ahnliche Eigenschaften haben undauch in anderen Fallen ubereinstimmen. Wir zeigen als Resultat in dieserRichtung (vgl. 9.22).

10.3 Satz: Ist R ein Ring, so gilt

J ⊂ R ist Primideal ⇐⇒ R/J ist Integritatsring.

Beweis:: “⇒” seien r, s ∈ R/J mit r ⋅s = 0. Dann gilt r ⋅s ∈ J . Also r ∈ J oders ∈ J nach(10.2), d.h. r = 0 oder s = 0. Also ist R/J nullteilerfrei.

“⇐” Sei a ⋅ b ∈ J . Dann gilt 0 = a ⋅ b = a ⋅ b. Also a = 0 oder b = 0, d.h. a ∈ Joder b ∈ J . Nach (10.2) ist J Primideal. ◻

10.4 Folgerung: Jedes maximale Ideal ist prim.

10.5 Definition: Sei R ein Ring, a, b, c ∈ R.

(1) a teilt b, in Zeichen a∣b, wenn es ein x ∈ R gibt, so dass a ⋅ x = b.

(2) a ist assoziiert zu b, in Zeichen a ∼ b, wenn a∣b und b∣a.(3) c heißt prim, wenn c ≠ 0, c ∉ R∗ und aus c∣a ⋅ b folgt, dass c∣a oder c∣b.(4) c heißt irreduzibel , wenn c ≠ 0, c ∉ R∗ und aus c = a ⋅b folgt, dass a ∈ R∗

oder b ∈ R∗.

10.6 In einem Ring gilt

(1) a ∼ b ⇐⇒ (a) = (b)(2) c ≠ 0, c ∉ R∗. Dann gilt: c prim ⇐⇒ (c) ist Primideal.

Beweis::

(1) a ∼ b ⇐⇒ a∣b und b∣a ⇐⇒ (b) ⊂ (a) und (a) ⊂ (b).38

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(2) c prim ⇐⇒ a ⋅ b ∈ (c) ⇒ a ∈ (c) oder b ∈ (c) ⇐⇒ (c) Primideal(10.2).

In Integritatsringen R kann man mehr zeigen. Denn es gilt

10.7 In Integritatsringen R kann man kurzen. D.h. fur x ≠ 0 gilt

a ⋅ x = b ⋅ x ⇐⇒ a = b.

Beweis:: a ⋅ x = b ⋅ x ⇐⇒ (a − b) ⋅ x = 0 ⇐⇒ a − b = 0, da R nullteilerfrei ist.◻

10.8 In einem Integritatsring R gilt

(1) a ∼ b ⇐⇒ ∃u ∈ R∗ mit a = u ⋅ b.

(2) Jedes Primelement ist irreduzibel.

(3) Seien a, b ∈ R. Dann gilt: (a) = R oder (a) = (b)⇒ (b) ⊂ (a) ⇐⇒ a∣b.Ist b irreduzibel, gilt auch die Umkehrung.

Beweis::

(1) “⇐”: a = u ⋅ b⇒ b∣a. Weil auch a ⋅ u−1 = b ist, folgt a∣b und somit a ∼ b.

“⇒”: a ∼ b bedeutet a∣b und b∣a. Also gibt es x, y ∈ R mit a ⋅ x = b undb ⋅ y = a. Es folgt a ⋅ x ⋅ y = b ⋅ y = a. Ist a = 0, folgt b = 0, und u = 1 tut’s.Ist a ≠ 0, konnen wir kurzen und erhalten x ⋅ y = 1, also y ∈ R∗.

(2) Sei c prim und c = a ⋅ b. Dann gilt a ⋅ b ∈ (c), also a ∈ (c) oder b ∈ (c),etwa a ∈ (c). Dann gibt es ein x ∈ R mit a = x ⋅ c = x ⋅ b ⋅ a. Da a ≠ 0,kann man kurzen: 1 = x ⋅ b; also b ∈ R∗.

(3) Der erste Teil ist trivial. Sei b irreduzibel und (b) ⊂ (a). Dann giltb = a ⋅ x fur ein x ∈ R. Es folgt a ∈ R∗ und damit a ∼ 1 nach (1), d.h.(a) = R, oder x ∈ R∗ und damit a ∼ b, d.h. (a) = (b).

10.9 In einem Hauptidealring R gilt fur b ≠ 0.

b irreduzibel ⇐⇒ (b) maximal ⇐⇒ b prim.

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Beweis:: b irreduzibel(10.8.3)⇐⇒ (b) maximal

(10.4)⇐⇒ (b) prim und b ≠ 0

(10.6)⇐⇒

b prim(10.8)⇐⇒ b irreduzibel ◻

Wir wollen jetzt das Problem der einfachen Primfaktorzerlegung angehen.

10.10 Definition: Ein faktorieller Ring (UFD= “unique factorization do-main”) ist ein Integritatsring R, in dem sich jedes a ≠ 0, a ∉ R∗ als Produktvon Primelementen schreiben lasst.

10.11 Satz: In einem faktoriellen Ring R gilt

(1) Jedes irreduzibel Element ist prim.

(2) Ist a ≠ 0, a ∉ R∗, und sind

a = pi ⋅ . . . ⋅ = q1 ⋅ . . . ⋅ qs

zwei Zerlegungen von a in Primelemente, dann ist r = s und nach einerUmnummerierung der qi gibt es zu jedem pi ein ui ∈ R∗ mit qi = ui ⋅ pi.

D.h. die Primfaktorzerlegung von a ist bis auf Reihenfolge und Multi-plikation mit Einheiten eindeutig.

Beweis::

(1) Sei a irreduzibel und p ein Primfaktor von a, also a = p ⋅ x. Dann giltx ∈ R∗, da a irreduzibel und p ∉ R∗ ist. Es folgt a ∼ p, also ist a primnach (10.6).

(2) p1∣q1 ⋅ . . . ⋅ qs. Da p1 prim ist, gibt es ein i, so dass p1∣qi (wende dieDefinition (10.5) induktiv an). Wir nummerieren die qi so um, dassp1∣q1. Da q1 irreduzibel ist und p1 ∉ R∗, folgt aus (10.8.3), dass (p1) =(q1). Also gibt es ein u1 ∈ R∗, so dass q1 = uip1 nach (10.8.1). Es folgt

p1 ⋅ p2 ⋅ . . . ⋅ pr = p1 ⋅ u1 ⋅ q2 ⋅ . . . ⋅ qs

Wir kurzen und erhalten

q2 ⋅ . . . ⋅ pr = (u1 ⋅ q2) ⋅ q3 ⋅ . . . ⋅ qsDa (u1 ⋅ q2) ebenfalls prim ist, konnen wir induktiv fortfahren. Es folgtr = s und die Aussage des Satzes

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Bisher kennen wir keine Beispiele fur ein UFD, es sei denn, wir glauben denin der Schule nie bewiesenen Satz, dass jedes Element aus Z eine eindeutigePrimfaktorzerlegung im obigem Sinne hat. Z.B. gilt

6 = 2 ⋅ 3 = 3 ⋅ 2 = (−2) ⋅ (−3) = (−3) ⋅ (−2)Aus der Einfuhrung in die Algebra wissen wir

10.12 Beispiel: Jeder Hauptidealring ist faktoriell.

Um neue Beispiele zu finden, mussen wir also Hauptidealringe konstruieren.Dazu fuhren wir einen neuen Typ von Ring ein, der Eigenschaften besitzt,die an die ganzen Zahlen erinnern.

10.13 Definition: Ein euklidischer Ring ist ein Integritatsring R mit einerAbbildung

δ ∶ R/0→ N,

so dass

(1) δ(x) ≤ δ(x ⋅ y) ∀x, y ∈ R/0(2) zu b ∈ R/0 und a ∈ R existieren q, r ∈ R, so dass

a = q ⋅ b + r, wobei r = 0 oder δ(r) < δ(b).10.14 Beispiel:

(1) Z mit δ(x) = ∣x∣ ist ein euklidischer Ring.

(2) Der Polynomring K[x] uber einem Korper ist euklidisch mit δ(P ) =gradP .

10.15 Satz: Jeder euklidische Ring R ist ein Hauptidealring.

Beweis: Sei J ≠ 0 ein Ideal in R. Wahle a ∈ J derart, dass δ(a) =minδ(x);x ∈ J/0. Da a ∈ J , folgt (a) ∈ J .Sei umgekehrt x ∈ J beliebig. Da a ≠ 0, gibt es q, r ∈ R mit

x = q ⋅ a + r, wobei r = 0 oder δ(r) < δ(a).r = x − q ⋅ a ∈ J , da x und a aus J sind. Nach Wahl von a, kann daherδ(r) < δ(a) nicht zutreffen. Es folgt r = 0 und damit x ∈ (a). ◻

Die euklidische Ringstruktur hat weitere Vorteile.

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10.16 Satz: In einem euklidischen Ring R gilt

(1) δ(1) ≤ δ(x) ∀x ∈ R/0(2) x ∈ R∗ ⇐⇒ δ(x) = δ(1)

Beweis::

(1) Nach (10.13.1) gilt δ(1) ≤ δ(1 ⋅ x) = δ(x)(2) x ∈ R∗⇒ ∃y ∈ R mit x ⋅ y = 1⇒ δ(1) ≤ δ(x) ≤ δ(x ⋅ y) = δ(1).

Sei umgekehrt δ(x) = δ(1). Dann gibt es q, r ∈ R mit

1 = q ⋅ x + r, wobei r = 0 oder δ(r) < δ(x) = δ(1).Nach (1) ist δ(r) < δ(1) nicht moglich. Also ist r = 0 und q = x−1. ◻

In euklidischen Ringen kann man daruber hinaus großte gemeinsame Teilerauf einfache Weise finden. Wir wollen jetzt, ausgehend von den Voruberlegun-gen zu Anfang des Paragraphen, den Begriff des ggT bzw kgV in beliebigenkommutativen Ringen definieren.

10.17 Definition: Sei R ein Ring und seien a1, . . . , an ∈ R. Wir nennen d ∈ Reinen ggT (a1, . . . , an), wenn(i) d∣ai ∀i(ii) r∣ai ∀i⇒ r∣d

Wir nennen v ∈ R ein kgV (a1, . . . , an), wenn(i) ai∣v ∀i(ii) ai∣r ∀i⇒ v∣r

10.18 Aufgabe:

(1) Sei R ein Ring und seien a1, . . . , an ∈ R. Sei d ein ggT (a1, . . . , an) undv ein kgV (a1, . . . , an). Zeigen Sie:

(i) d′ ist ein ggT (a1, . . . , an) ⇐⇒ d und d′ sind assoziiert.

(ii) v′ ist ein kgV (a1, . . . , an) ⇐⇒ v und v′ sind assoziiert.

(2) Sei R ein Hauptidealring und a1, . . . , an ∈ R. Zeigen Sie

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(i) d ist ggT (a1, . . . , an) ⇐⇒ (d) = (a1) + . . . + (an)(ii) v ist kgV (a1, . . . , an) ⇐⇒ (v) = (a1) ∩ . . . ∩ (an)

Insbesondere gibt es in Hauptidealringen stets großte gemeinsame Teiler undkleinste gemeinsame Vielfache.

10.19 Warnung: In faktoriellen Ringen braucht (10.18.2) nicht zu gelten!Hier haben wir aber eine andere Moglichkeit, den ggT oder das kgV zufinden, eine Moglichkeit, die man in der Schule fur R = Z intensiv nutzt.

10.20 Satz: In einem faktoriellen Ring existieren ggT (a1, . . . , an) undkgV (a1, . . . , an).10.21 Konstruktion von ggT (a, b), kgV (a, b): Seien

a = pri1 . . . prnn und b = ps11 . . . p

snn mit 0 ≤ ri, 0 ≤ si

Primfaktorzerlegungen von a und b. Dann ist

d = pt11 ⋅ . . . ⋅ ptnn mit ti =min(ri, si), i = 1, . . . , n

ein ggT (a, b) undv = pu11 ⋅ . . . ⋅ p

unn mit ui =max(ri, si), i = 1, . . . , n

ein kgV (a, b).Der Beweis ist trivial und der allgemeine Fall ggT (a1, . . . , an) wird entspre-chend behandelt.

10.22 Bemerkung: Aus (10.18) erhalten wir: Ist R ein Hauptidealring undd = ggT (a, b), dann besitzt d eine Darstellung

d = r ⋅ a + s ⋅ b mit r, s ∈ R

Diese Darstellung findet in der Zahlentheorie viele Anwendungen. In euklidi-schen Ringen gibt es konstruktive Verfahren fur das Auffinden solcher Dar-stellungen.

10.23 Der euklidische Algorithmus: Sei R euklidischer Ring .

Sei r0 ∈ R und r1 ∈ R/0. Wir konstruieren induktiv eine Folge

r0, r1, r2, . . . mit δ(r1) > δ(r2) > . . . (∗)43

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durchri−1 = qi ⋅ ri + ri+1 mit ri+1 = 0 oder δ(ri+1) < δ(ri). (∗∗)

Da δ(r1) > δ(r2) > . . ., muss die Folge abbrechen. D.h. es gibt ein n mit

rn ≠ 0, aber rn+1 = 0.

Dann istrn = ggT (r0, r1).

Der Beweis folgt sofort aus (∗∗).Induktiv konstruiert man eine Darstellung(Abwartsinduktion)

rn = ai ⋅ ri−1 + biri ai, bi ∈ R,

beginnend mitrn = rn−2 − qn−1rn−1 aus (∗∗)

Induktionschritt: Sei rn = airi−1 + biriAus (∗∗) erhalten wir ri−2 − qi−1ri−1 = ri. Also

rn = ai ⋅ ri−1 + bi(ri−2 − qi−1ri−1) = biri−2 + (ai − biqi−1)ri−1So gewinnen wir die Darstellung

rn = ggT (r0, r1) = a1r0 + b1r1.10.24 Beispiel: Fur große Zahlen ist (10.23) eine gute Methode, den ggTzu berechnen: r0 = 17640, r1 = 2772

17640 = 6 ⋅ 2772 + 10082772 = 2 ⋅ 1008 + 7561008 = 1 ⋅ 756 + 252756 = 3 ⋅ 252 + 0

Also: 252 = ggT (17640,2772).11 Polynomringe

Aus der Einfuhrung in die Algebra wissen wir

11.1 Satz: Der Polynomring K[X] uber einem Korper K ist euklidisch mitδ(f) = grad f .

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Wir wollen nun Polynomringe uber beliebigen Ringen R studieren.

Fur mathematische Untersuchungen ist folgende Eigenschaft des Polynom-rings von Bedeutung

11.2 Satz: Sei i ∶ R → R[X] der Monomorphismus von Ringen, der r ∈ Rauf das konstante Polynom r ∈ R[X] abbildet. Sei f ∶ R → R′ ein Ringhomo-morphismus in einen kommutativen Ring R′ und z ∈ R′. Dann gibt es genaueinen Ringhomomorphismus h ∶ R[X]→ R′, so dass

(1) h i = f (2) h(X) = z.Beweis: Wir beginnen mit der Eindeutigkeit von h. Ist R ⊂ R[X] der Un-terring der konstanten Polynome und r ∈ R, dann gilt

h(r) = h(i(r)) = f(r) wegen Bedingung (1)h(X i) = zi wegen Bedingung (2)

Es folgt:

h( n

∑i=0

aiXi) = n

∑i=0

h(ai) ⋅ h(X i) = n

∑i=0

f(ai) ⋅ zi (∗)Damit muß h die Form (∗) haben. Offensichtlich erfullt ein solches h dieBedingungen (1) und (2). Wir mussen also nur nachweisen, daß (∗) einenRinghomomorphismus definiert, aber das ist eine einfache Rechnung. ◻

Wir erinnern an die

11.3 Gradformeln: Sei R ein Ring, und seien f, g ∈ R[X]/0. Dann gilt

(1) grad(f + g) ≤max(grad f,grad g)(2) grad(f ⋅ g) ≤ grad(f) + grad(g). Genauer gilt: Sind am bzw. bn die

Leitkoeffizienten von f bzw. g, so folgt

grad(f ⋅ g) = grad f + grad g, falls am ⋅ bn ≠ 0< grad f + grad g, falls am ⋅ bn = 0

Der Beweis von (11.3) ist trivial. Als Folgerung erhalten wir

11.4 Satz: Sei R ein Integritatsring. Dann gilt:

(1) R[X] ist ein Integritatsring, und R[X]∗ = R∗.(2) Ist J ⊂ R ein Primideal, so ist R[X] ⋅ J ein Primideal in R[X].

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Beweis:: (1) folgt aus (11.3).

(2) Die Projektion p ∶ R → R/J definiert einen Ringhomomorphismus

R[X]→ (R/J)[X]mit Kern J ⋅R[X]. Da R/J ein Integritatsring ist, ist auch (R/J)[X] nach(1) ein Integritatsring. Damit ist R[X] ⋅ J nach (10.3) prim. ◻

Zur Erinnerung: r ∈ R heißt Nullstelle des Polynoms f =n∑i=0aiX i ∈ R[X],

wenn f(r) ∶= n∑i=0ai ⋅ ri = 0 ∈ R.

Hierbei benutzen wir, daß jedes Polynom f ∈ R[X] eine Einsetzabbildung

Ef ∶ R → R, r ↦ f(r)definiert. Ef ist i.a. kein Homomorphismus.

Aus der Einfuhrung in die Algebra kennen wir die

11.5 Division mit Rest: Sei R ein Ring, f =n∑i=0aiX i, g =

n∑j=0ajXj ∈ R[X]

mit bm ∈ R∗. Dann gibt es q, r ∈ R[X], so daß

f = q ⋅ g + r mit r = 0 oder grad r < grad g

11.6 Satz: Ist R ein Ring und r ∈ R eine Nullstelle von f ∈ R[X], dann istdas lineare Polynom X − r ein Teiler von f in R[X].11.7 Satz: Ist R ein Integritatsring und f ∈ R[X] ein Polynom von Gradn ≥ 1, dann hat f hochstens n Nullstellen.

Ein einfacher Test fur Nullstellen ist

11.8 Satz von Vieta: Sei R faktoriell und K sein Quotientenkorper (s.

nachster Abschnitt). Sei f =n∑i=0aiX i aus R[X], seien r, s ∈ R teilerfremd,

s ≠ 0 und f ( rs) = 0 in K. Dann gilt:

r ∣ a0 und s ∣ anBeweis::

0 = sn ⋅ f( rs) = n∑

i=0ai ⋅ sn−i ⋅ ri = a0sn + r ⋅

n∑i=1ai ⋅ sn−i ⋅ ri−1

= sn−1∑i=0aisn−i−1 ⋅ ri + anrn

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Da ggT (r, s) = 1, folgt aus der eindeutigen Primfaktorzerlegung r ∣ a0 unds ∣ an. ◻

Mehrfachnullstellen sind in vielen Fragen von Bedeutung.

11.9 Definition: Sei R ein Ring. r ∈ R heißt n-fache Nullstelle von f ∈R[X], falls (X − r)n Teiler von f , aber (X − r)n+1 kein Teiler von f ist. Furn = 1 sprechen wir von einfachen, fur n > 1 von mehrfachen Nullstellen.

Fur die Untersuchung mehrfacher Nullstellen ist die formale Ableitung vonPolynomen von Bedeutung.

11.10 Definition: Sei f =n∑i=0ai ⋅X i ∈ R[X]. Dann heißt

f ′ ∶=n∑i=1

i ⋅ aiXi−1

die Ableitung von f .

11.11 Aufgabe: (Ableitungsregeln) ∀f, g ∈ R[X], ∀r ∈ R gilt

(f + g)′ = f ′ + g′(r ⋅ f)′ = r ⋅ f ′(f ⋅ g)′ = f ′ ⋅ g + f ⋅ g′(fn)′ = n ⋅ fn−1 ⋅ f ′

11.12 Sei a ∈ R und f ≠ 0 aus R[X]. Dann gilt

a mehrfache Nullstelle von f ⇐⇒ f ′(a) = f(a) = 0Beweis:: “⇒” (X − a)n teilt f fur ein n > 1, d.h. f = q ⋅ (X − a)n. Also giltf(a) = 0 und

f ′ = q′ ⋅ (X − a)n + n ⋅ q ⋅ (X − a)n−1Da n − 1 > 0, ist f ′(a) = 0.“⇐” Nach (11.9) ist (X − a) Teiler von f und f ′, d.h. f = g ⋅ (X − a),f ′ = h ⋅ (X − a). Also gilt f ′ = (X − a) ⋅ g′ + g = h ⋅ (X − a). Es folgt (X − a) ∣ g,d.h. g = q ⋅ (X − a). Also f = q ⋅ (X − a)2. ◻

11.13 Satz: Sei K ein Korper und R ein Ring, der K als Unterring enthalt.Dann gilt fur f ∈K[X]:(1) Sind f und f ′ teilerfremd in K[X], dann hat f in R keine mehrfachen

Nullstellen.

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(2) Ist f irreduzibel, so gilt:

f hat keine mehrfachen Nullstellen in R⇐⇒ f ′ ist nicht das Nullpolynom oder f hat keine Nullstelle

Beweis::

(1) Ist ggT (f, f ′) = 1, gibt es g, h ∈ K[X] mit g ⋅ f + h ⋅ f ′ = 1. Da die-se Gleichung auch in R[X] gilt, konnen f und f ′ keine gemeinsamenNullstellen haben. (Hier benutzen wir, daß K[X] euklidisch ist.)

(2) “⇒” Sei a Nullstelle von f . Nach (11.12) ist f ′(a) ≠ 0, also f ′ ≠ 0.“⇐” Da f irreduzibel ist, sind f und f ′ teilerfremd in K[X]. Also hatf nach (1) keine mehrfachen Nullstellen.

Fur unsere spateren Untersuchungen sind Primelemente in R[X] wichtig.Wir wollen eine Methode vorstellen, solche Elemente zu finden.

11.14 Definition: Sei R faktoriell. f =n∑i=0ai ⋅ X i heißt primitiv, wenn

ggT (a0, . . . , an) = 111.15 Satz: Sei R ein faktorieller Ring und K sein Quotientenkorper. Seienf, g ∈ R[X], und sei g primitiv. Ist g ein Teiler von f in K[X], dann ist gein Teiler von f in R[X].Beweis:: Sei f = g ⋅ h in K[X]. Da K der Quotientenkorper ist, gibt es eina ∈ R, etwa das Produkt der Nenner der Koeffizienten, so daß a ⋅ h ∈ R[X].Wir klammern aus a ⋅h den ggT der Koeffizienten aus und erhalten a ⋅h = b ⋅hmit primitivem h. Indem wir gegebenfalls kurzen, durfen wir annehmen, daßggT (a, b) = 1. Dann gilt

a ⋅ f = a ⋅ g ⋅ h = b ⋅ g ⋅ h, ggT (a, b) = 1, g, h ∈ R[X] primitiv

Sei p ∈ R Primteiler von a. Nach (11.4.2) ist p prim in R[X], also Primteilervon b ⋅ g ⋅ h in R[X]. Da g und h primitiv sind, kann p kein Primteiler von goder h sein. Da ggT (a, b) = 1, ist p auch kein Teiler von b. Das ist unmoglich!Es folgt, daß a keine Primteiler besitzt, d.h. a ∈ R∗, und damit h = a−1 ⋅(a⋅h) ∈R[X]. ◻

Die Bedeutung des Satzes liegt in

11.16 Folgerung: Sei R faktoriell und f ∈ R[X] sei primitiv. Sei K derQuotientenkorper von R. Dann gilt

f prim in R[X] ⇐⇒ f prim in K[X]48

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Beweis:: “⇒”: DaK[X] euklidisch ist, genugt es zu zeigen, daß f irreduzibelist. Wir nehmen an, daß f = g ⋅h in K[X], wobei g den Leitkoeffizienten 1 hatund grad g, gradh ≥ 1 ist (ist etwa grad g = 0, so ist g eine Einheit in K[X]).Indem wir g mit einem geeignetem Element a ∈ R multiplizieren, durfen wirannehmen, daß a ⋅ g ein primitives Polynom in R[X] ist (s. Beweis 11.15).Also hat f eine Zerlegung (a−1 existiert in K)

f = (a ⋅ g) ⋅ (a−1 ⋅ h) = g ⋅ hin K[X], wobei f, g ∈ R[X] primitiv sind. Nach (11.16) ist g Teiler von f inR[X], und da grad g < grad f ist, ist f reduzibel. Da f prim und R[X] nach(11.4) ein Integritatsring ist, ist das nach (10.8.2)) unmoglich.

“⇐”: f ∣ g ⋅ h in R[X] ⇒ f ∣ g ⋅ h in K[X] ⇒ f ∣ g oder f ∣ h in K[X](11.16)Ô⇒ f ∣ g oder f ∣ h in R[X]. Also ist f prim in R[X]. ◻

11.17 Beispiel: f = X3 + aX2 + bX + c ∈ Z[X] ist genau dann in Q[X]irreduzibel, wenn f keine Nullstelle in Z hat. Letzteres ist sicher dann derFall, wenn fur jedenTeiler t und c in Z gilt f(t) ≠ 0.Zum Abschluss erinnern wir, ohne den Beweis zu wiederholen, an das

11.18 Einstein’sches Irreduzibilitatskriterium: Sei R ein faktoriellerRing, f = ∑ni=0 aiX i ∈ R[X] ein primitives Polynom vom Grad n > 0. Gibt esein Primelement p ∈ R, so dass p ∤ an, p ∣ ai fur 0 ≤ i < n und p2 ∤ a0, dannist f irreduzibel in R[X].11.19 Beispiel: (1) Ist p ∈ Z prim, dann ist Xn − p irreduzible in Z[X]

und Q[X] fur n > 0.(2) Ist p prim, dann ist

f(X) = 1 +X +X2+ . . . +Xp−1

irreduzibel in Z[X].Beweis:(2) f(X) irreduzibel ⇐⇒ f(X + 1) irreduzibel.Da (X −1) ⋅f(X) =Xp −1, gilt X ⋅f(X +1) = (X +1)p −1 = ∑ni=1 (pi) ⋅X i, also

f(X + 1) = p−1∑i=0

( p

i + 1) ⋅X i.

Aus (11.18) folgt die Irreduzibilitat von f(X + 1). ◻

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12 Lokalisierungen

Fr jeden Ring R wollen wir seinen Quotientenkorper, den Korper seinerBruche, konstruieren. Wir mussen also die multiplikativen Inversen hin-zufugen, die in R fehlen. Die dafur notige Konstruktion fuhren wir in etwasgroßerer Allgemeinheit durch.

Sei S ⊂ R eine Teilmenge. Wir wollen R um die multiplikativen Inversender Elemente von S “erweitern”. Sind x, y ∈ S und haben wir x−1 und y−1,dann haben wir auch (x ⋅ y)−1 = y−1 ⋅ x−1. Wir durfen daher annehmen, dassS multiplikativ abgeschlossen ist.

12.1 Konstruktion: Sei (R,+, ⋅) ein Ring und (S, ⋅) ein Untermonoid von(R, ⋅). Wir definierenS−1R = (R × S)/ ∼

mit der Relation

(r1, s1) ∼ (rs, s2) ⇐⇒ ∃t ∈ S so dass r1 ⋅ s2 ⋅ t = r2 ⋅ s1 ⋅ t.

Behauptung: Dies ist eine Aquivalenzrelation

∼ ist reflexiv: (r, s) ∼ (r, s), denn 1 ∈ S und r ⋅ s ⋅ 1 = r ⋅ s ⋅ 1.∼ ist symmetrisch, da aus r1 ⋅ s2 ⋅ t = r2 ⋅ s1 ⋅ t folgt r2 ⋅ s1 ⋅ t = r1 ⋅ s2 ⋅ t.∼ ist transitiv: (r1, s1) ∼ (r2, s2) und (r2, s2) ∼ (r3, s3). Dann gibt es t1, t2 ∈ Smit

r1 ⋅ s2 ⋅ t1 = r2 ⋅ s1 ⋅ t1 und r2 ⋅ s3 ⋅ t2 = r3 ⋅ s2 ⋅ t2.

Es folgt

r1 ⋅ s3 ⋅ (s2 ⋅ t1 ⋅ t2) = r2 ⋅ s3 ⋅ s1 ⋅ t1 ⋅ t2 = r3 ⋅ s2 ⋅ t2 ⋅ s1 ⋅ t1= r3 ⋅ s1 ⋅ (s2 ⋅ t1 ⋅ t2)

Da s2 ⋅ t1 ⋅ t2 ∈ S, folgt (r1, s1) ∼ (r3, s3).Die Aquivalenzklasse von (r, s) wird suggestiv mit r

sbezeichnet. Wir definie-

ren nunr1

s1⋅r2

s2=r1 ⋅ r2

s1 ⋅ s2

r1

s1+r2

s2=r1 ⋅ s2 + r2 ⋅ s1

s1 ⋅ s2

Man sieht sofort, dass diese Verknupfungen kommutativ sind, falls sie wohl-definiert sind. Fur den Nachweis der Wohldefiniertheit braucht man dahernur zu zeigen:Ist (r1, s1) ∼ (r′1, s′1), dann folgt

(r1 ⋅ r2, s1 ⋅ s2) ∼ (r′1 ⋅ r2, s′1 ⋅ s2) (∗)(r1 ⋅ s2 + r2 ⋅ s1, s1 ⋅ s2) ∼ (r′1 ⋅ s2 + r2 ⋅ s′1, s′1 ⋅ s2) (∗∗)50

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Nach Voraussetzung gibt es ein t ∈ S, so dass r1 ⋅ s′1 ⋅ t = r′

1 ⋅ s1 ⋅ t.

Es folgtr1 ⋅ r2 ⋅ s

1 ⋅ s2 ⋅ t = r′

1 ⋅ r2 ⋅ s1 ⋅ s2 ⋅ t,

also gilt (∗), und(r1 ⋅ s2 + r2 ⋅ s1) ⋅ s′1 ⋅ s2 ⋅ t = r1 ⋅ s2 ⋅ s

1 ⋅ s2 ⋅ t + r2 ⋅ s1 ⋅ s′

1 ⋅ s2 ⋅ t

= r′1 ⋅ s2 ⋅ s1 ⋅ s2 ⋅ t + r2 ⋅ s1 ⋅ s′

1 ⋅ s2 ⋅ t

= (r′1 ⋅ s2 + r2 ⋅ s′1) ⋅ s1 ⋅ s2 ⋅ t,also gilt auch (∗∗).S−1R ist ein Ring, die Axiome verifiziert man durch Nachrechnen. Das neu-trale Element der Addition ist 0

1, das der Multiplikation ist 1

1. Die Elemente

s122

mit s1, s2 ∈ S sind invertierbar: Das Inverse ist s2s1, denn

s1

s2⋅s2

s1=s1 ⋅ s2

s1 ⋅ s2=1

1

denn (s1 ⋅ s2, s1 ⋅ s2) ∼ (1,1), da s1 ⋅ s2 ∈ S.12.2 Satz: Die Abbildung iR ∶ R → S−1R, r ↦ r

1ist ein Ringhomomor-

phismus. Ist R ein Integritatsring und 0 ∉ S, dann ist iR injektiv (also derUbergang von R und S−1R eine Ringerweiterung).

Beweis: iR(r1 + r2) = r1 + r2

1=r1

1+r2

1= iR(r1) + iR(r2)

iR(r1 ⋅ r2) = r1 ⋅ r2

1=r1

1⋅r2

1= iR(r1) + ⋅iR(r2)

iR(1) = 1

1Damit ist iR ein Ringhomomorphismus.

Sei nun iR(r1) = iR(r2), also r11=r2

1. Es gibt also ein t ∈ S, so dass r1 ⋅t = r2 ⋅t.

Ist R ein Integritatsring, gilt die Kurzungsregel. Ist 0 ∉ S, also t ≠ 0, folgtr1 = r2, so das iR injektiv ist. ◻

12.3 Satz und Definition: Ist R ein Integritatsring, dann ist S = R/0ein Untermonoid von (R, ⋅) und S−1R ist ein Korper, genannt Quotien-

tenkorper oder Korper der Bruche von R. Nach (12.2) ist iR injektiv, sodass R als Unterring des Korpers S−1R aufgefasst werden kann. ◻

12.4 Aufgabe: Sei (R,+, ⋅) ein kommutativer Ring und (S, ⋅) ein Untermo-noid von (R, ⋅). Dann gilt:(1) Ist f ∶ R → T ein Ringhomomorphismus in einen beliebigen Ring T , so

daß f(s) ∈ T ∗ fur alle s ∈ S, dann gibt es genau einen Ringhomomor-phimus, f ∶ S−1R → T , so daß f iR = f .

51

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(2) Ist Q(R) ein Ring und jR ∶ R → Q(R) ein Ringhomomorphismus, sodaß jR(s) ∈ (Q(R))∗ fur alle s ∈ S und das Paar (Q(R), jR) die Aussagedes Teils (1) wie (S−1R, iR) erfullt, dann gibt es genau einen Ringiso-

morphismus h ∶ S−1R ≅ Q(R), so daß h iR = jR.

In der Algebra wird die Konstruktion (12.1) auch oft fur Untermonoide S ≠R/0 eingesetzt. Den wichtigsten Fall mochte ich kurz vorstellen.

12.5 Ist P ⊂ R ein Primideal in einem Ring R. Dann ist S ∶= r ∈ R; r ∉ Pein Untermonoid von (R, ⋅).Beweis:: Da P ≠ R, ist 1 ∈ S. Sind x, y ∈ S, so ist x ⋅ y ∈ S. Denn aus x ⋅ y ∈ Pfolgt x ∈ P oder y ∈ P nach (10.2). ◻

12.6 Definition: Sei R ein Ring, P ⊂ R ein Primideal und S ∶= R/P . Dannheißt RP ∶= S−1R Lokalisierung von R an der Stelle P (alle Elemente x ∉ Psind invertierbar gemacht).

12.7 Satz: RP hat genau ein maximales Ideal, namlich das von iR(P ) er-zeugte Ideal.

Beweis::J = [p

s];p ∈ P, s ∈ S = R/P

ist das von iR(P ) erzeugte Ideal. Denn offensichtlich ist J ein Ideal, dasiR(P ) enthalt, und da p

s= 1

s⋅p

1ist, ist p

sin dem von i(P ) erzeugten Ideal

enthalten. Ist rt∉ J , dann ist r ∈ S und r

tist invertierbar mit Inversen t

r. Also

ist J maximal.

Ist umgekehrt I ⊂ RP maximal und rs∈ I, so ist r

s∈ J . Andernfalls ware r ∉ P ,

also rsinvertierbar, aber I enthalt keine invertierbaren Elemente. ◻

12.8 Bemerkung und Definition: Ringe mit genau einem maximalenIdeal spielen in der algebraischen Geometrie eine wichtige Rolle. Sie werdenlokale Ringe genannt.

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Teil II

Korper

13 Algebraische Erweiterungen

In diesem Paragraphen sei K stets ein Korper. Damit ist K[X] euklidisch.13.1 Konstruktion: Sei f ∈K[X] irreduzibel. Dann ist das von f erzeugteIdeal nach (10.9) maximal, also F ∶=K[X]/(f) ein Korper. Die Abbildung

i ∶K ⊂K[X] proj// K[X]/(f) = F

ist ein Homomorphismus von Korpern.

13.2 Jeder Homomorphismus ϕ ∶K Ð→ F von Korpern ist injektiv.

Beweis:: Kernϕ ist ein Ideal. Da ϕ(1) = 1 ist, ist Kernϕ ≠K. Da K einfachist, ist Kernϕ = 0. ◻

Man kann daher K als Unterkorper von F in der Konstruktion (13.1) auf-fassen. Wir sprechen von einer

”Korpererweiterung“.

13.3 Definition: Sind K ⊂ L ⊂ F Korper, heißt K Unterkorper von F , FOberkorper von K und L Zwischenkorper der Korpererweiterung K ⊂ F .Statt K ⊂ F schreiben wir auch ”K/F sei Korpererweiterung”.

Konstruktion 13.1 liefert uns also Korpererweiterungen. Wir konnen abernoch mehr sagen: Da wir K vermoge des Monomorphismus’ i als Unterkorpervon F auffassen, konnen wir jedes g ∈ K[X] auch als Element von F [X]betrachten.

13.4 Sei α die Restklasse von X in K[X]/(f) = F , sei g ∈ K[X] undproj ∶K[X]Ð→ F die Projektion. Dann gilt

(1) proj(g) = g(α)(2) f(α) = 0

Beweis: Sei g = Σni=0ai ⋅X

i. Da proj ein Ringhomomorphismus ist und fura ∈K gilt proj(a) = i(a) = a (nach unserer Definition von K als Unterkorpervon F ), folgt

proj(g) = Σni=0ai ⋅ proj(X)i = Σn

i=0ai ⋅ αi = g(α)

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(2) folgt, da proj(f) = 0. ◻

Damit ist f uber F reduzibel. Indem wir das Verfahren fur die irreduziblenTeiler von f in F [X] fortsetzen, erhalten wir

13.5 Satz: Ist K ein Korper und f ∈K[X], dann gibt es eine Korpererwei-terung K ⊂ F , so daß f uber F in Linearfaktoren zerfallt.

13.6 Definition: Sei f ∈ K[X]. Dann heißt ein Erweiterungskorper K ⊂ FZerfallungskorper von f , wenn f in F [X] in Linearfaktoren zerfallt und eskeinen Zwischenkorper K ⊂ L ⊂ F gibt, so daß L ≠ F und f in L[X] inLinearfaktoren zerfallt.

Mit Zerfallungskorpern werden wir uns im nachsten Abschnitt beschaftigen.

13.7 Definition: Sei K ⊂ F eine Korpererweiterung. α ∈ F heißt algebraischuber K, falls es ein f ≠ 0 in K[X] gibt, so daß f(α) = 0. Gibt es kein solchesPolynom, dann heißt α transzendent uber K. Ist jedes α ∈ F algebraischuber K, heißt K ⊂ F algebraische Erweiterung.

13.8 Bezeichnung: Sei K Unterkorper eines Ringes R und M ⊂ R einebeliebige Teilmenge. Mit K[M] und K(M) bezeichnen wir den kleinstenUnterring bzw. den kleinsten Unterkorper von R, der K und M enthalt.

13.9 Aufgabe: Sei K Unterkorper eines Ringes R. Zeigen Sie:

(1) K[M] existiert, aber K(M) braucht es nicht zu geben.

(2) Ist α ∈ R, dann ist K[α] = a0 + a1α + ⋯ + anαn; n ∈ N, ai ∈ K furi = 0, . . . , n.

(3) Ist R ein Korper, dann existiert K(M). Fur α ∈ R ist dann K(α) derKorper der Bruche von K[α].

Sei F /K Korpererweiterung mit α ∈ F . Betrachte die Einsetzabbildung

Eα ∶K[X]Ð→ F

Σni=0 aiX

i z→ Σni=0 ai ⋅ α

i

Aus 13.7 folgt:

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13.10

α algebraisch uber K ⇐⇒ KernEα ≠ 0α transzendent uber K ⇐⇒ KernEα = 0⇐⇒ Eα ist injektiv.

13.11 Satz: Sei K ⊂ F Korpererweiterung und α ∈ F algebraisch uber K.Dann gibt es genau ein normiertes Polynom f ∈K[X], so daß KernEα = (f).Dieses f ist irreduzibel, und Eα induziert einen Isomorphismus

K[X]/(f) ≅K(α) =K[α].Beweis:: Da α algebraisch ist, ist KernEα ≠ 0, wird also von einem Poly-nom f ≠ 0 erzeugt. Wir durfen annehmen, daß f normiert ist. Angenommen,f ist reduzibel, d.h. f = g ⋅ h mit grad g, gradh ≥ 1, dann gilt

0 = f(α) = g(α) ⋅ h(α),etwa g(α) = 0. Dann ist g ∈ KernEα, also f Teiler von g. Das ist unmoglich,da grad g < grad f .Aus Aufgabe (13.9) folgt, daß Bild Eα = K[α], so daß K[α] ≅ K[X]/(f)nach dem Isomorphiesatz. Da f irreduzibel ist, ist K[X]/(f) ein Korper.Also ist K[α] bereits ein Korper. Es folgt K[α] =K(α). ◻

13.12 Definition: Das eindeutig gegebene Polynom aus Satz 13.11 heißtdas Minimalpolynom von α uber K.

13.13 Zusammenfassung: Sei F /K Korpererweiterung, α ∈ F algebraischuber K. Dann sind fur f ∈K[X] folgende Aussagen aquivalent:

(1) f ist Minimalpolynom von α uber K.

(2) f ist normiert, irreduzibel in K[X] und f(α) = 0.(3) f ist das normierter Polynom kleinsten Grades, fur das f(x) = 0 ist.

(4) f ist normiert, f(α) = 0 und aus g(α) = 0 mit g ∈K[X] folgt f teilt g.

Weiterhin gilt:K[α] =K(α) ≅K[X]∣(f), wobei f das Minimalpolynom von α ist.K[a] ≅Kn mit Basis 1, a, a2, . . . , an−1, falls grad f = n (Beweis s. 13.15).

Ist K ⊂ F Korpererweiterung, dann definieren die Addition und Multiplika-tion in F eine K-Vektorraumstruktur auf F .

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13.14 Definition: dimK F heißt Grad der Korpererweiterung K ⊂ F undwird oft

dimK F = [F ∶K]bezeichnet. Ist [F ∶K] <∞, spricht man von einer endlichen Korpererweite-

rung.

Die Bezeichnung Grad kommt von folgendem Ergebnis

13.15 Satz: IstK ⊂ F Korpererweiterung, α ∈ F algebraisch uberK mit Mi-nimalpolynom f . Dann ist [K(α) ∶ K] = grad f , und B = 1, α,α2, . . . , αn−1ist K-Basis von K(α), wobei n = grad f .Beweis: Nach 13.11 ist jedes x ∈ K[α] = K(α) von der Form x = g(α)mit g ∈ K[X]. Nach dem Divisionsalgorithmus gibt es q, r ∈ K[X], so dassg = q ⋅ f + r mit r = 0 oder grad r < grad f . Es folgt

x = g(α) = q(α) ⋅ f(α) + r(α) = 0 + r(α) = r(α).Ist x ≠ 0, folgt, dass x eine K-Linearkombination von 1, α, . . . , αn−1 ist, weilgrad r < grad f . Damit erzeugt 1, α, . . . , αn−1 denK-VektorraumK(α). DasErzeugendensystem ist linear unabhangig, weil aus

c0 ⋅ 1 + c1 ⋅ α + . . . + cn−1 ⋅ αn−1 = 0 mit ci ∈K

folgt, dass g(α) = 0 fur g = c0 + c1 ⋅X1 + . . . + cn−1Xn−1 ∈ K[X]. Da f dasMinimalpolynom von α ist und grad g < grad f , ist g das Nullpolynom. ◻

13.16 Beispiele: f = X2 + X + 1 ist irreduzibel uber Q, da f uber Z ir-reduzibel ist (s. 11.5 und 11.8). Sei α die Restklasse von X im KorperK = Q[X]/(f). Nach (13.4) und (13.13) ist f das Minimalpolynom von α

uber Q, also K ein 2-dimensionaler Q-Vektorraum mit Basis 1, α, α = XQ[X]/(f) ≅ Q ×Q.

Damit ist die Addition komponentenweise gegeben. Wir bestimmen die Mul-tiplikation, ohne α zu kennen: (a0, a1) und (b0, b1) werden durch die Polynomea0 + a1X bzw. b0 + b1X reprasentiert. Das Produkt wird durch

(a0 + a1X) ⋅ (b0 + b1X) = a0b0 + (a0b1 + a1b0)X + a1b1X2 (∗)reprasentiert. Da f = 0 in Q[X]/(f), ist X2 = −X−1. Damit ist (∗) aquivalentzu

a0b0 + (a0b1 + a1b0) ⋅X − a1b1X − a1b1 = (a0b0 − a1b1) + (a0b1 + a1b0 − a1b1)X.Damit erhalten wir als Multiplikation

(a0, a1) ⋅ (b0, b1) = (a0b0 − a1b1, a0b1 + a1b0 − a1b1).56

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13.17 Aufgabe: Sei K ⊂ F eine Korpererweiterung. Zeigen Sie:

(1) Genau dann gilt [F ∶K] <∞, wenn es eine endliche Menge M ⊂ F vonuber K algebraischen Zahlen gibt, so daß F =K(M).

(2) Ist [F ∶K] <∞, so ist die Korpererweiterung K ⊂ F algebraisch.

13.18 Gradschachtelungsformel:Gegeben seien endliche Korpererweite-rungenK ⊂ L und L ⊂ F . Sei y1, . . . , yk eineK-Basis von L und z1, . . . , zneine L-Basis von F . Dann ist yizj ; i = 1, . . . , k, j = 1, . . . , n eine K-Basisvon F . Insbesondere ist K ⊂ F endliche Korpererweiterung und

[F ∶K] = [F ∶ L] ⋅ [L ∶K].Beweis:: Sei B = yi ⋅ zj ; i = 1, . . . , k; j = 1, . . . , nB erzeugt F als K-Vektorraum:

Sei x ∈ F . Da z1, . . . , zn L-Basis von F ist, gibt es b1, . . . , bn ∈ L, so daßx = Σn

j=1bjzj.

Da y1, . . . , yk K-Basis von L ist, gibt es zu jedem bj Elemente a1j , . . . , akjaus K, so daß

bj = Σki=1aijyi.

Also

x =k∑i=1

n∑j=1

aij ⋅ yizj mit aij ∈K.

B ist linear unabhangig: Seik∑i=1

n∑j=1cijyi ⋅ zj = 0 mit cij ∈ K. Dann gilt 0 =

n∑j=1( k∑i=1cijyi) ⋅ zj mit Σk

i=1cijyi ∈ L. Da z1, . . . , zn uber L linear unabhangig

ist, folgt Σki=1cijyi = 0 fur alle j. Da y1, . . . , yk uber K linear unabhangig

ist, folgt daraus

cij = 0 ∀ i = 1, . . . , k ∀ j = 1, . . . , n.

13.19 Aufgabe: (1) Fur Korper K ⊂ L ⊂ F ist K ⊂ F genau dann einealgebraische Erweiterung, wenn K ⊂ L und L ⊂ F algebraische Erwei-terungen sind.

(2) Sei F /K algebraisch und R ein Ring, so dass K ⊂ R ⊂ F , dann ist Rein Korper.

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13.20 Transzendente Zahlen, ein kurzer Bericht:

z ∈ C heißt transzendent, wenn z uber Q tranzendent ist.

1844 Lionville konstruiert tranzendente Zahlen z.B.∞∑n=0

110n! .

1873 Hermite: e ist transzendent.

1873 Cantor: Es gibt uberabzahlbar viele transzendent Zahlen.

1892 Lindemann: π ist transzendent.

1934 Gelford-Schneider: α,β seien algebraisch uber Q, α ≠ 0,1, β ∉ Q. Dannist αβ transzendent.

Offene Probleme:

(1) Ist Eulers Konstante

γ = limn→∞( n∑k=1

1

k− logn)

transzendent?

(2) Sind e + π und e − π transzendent?

13.21 Die kleinsten Unterkorper:

Sei R ein Ring. Dann gibt es genau einen Ringhomomorphismus

ϕ ∶ Z→ R

gegeben durch n↦ n = 1+1+ . . .+1, n-mal. Der Kern ϕ ist ein Ideal (m) ∈ Z,m ≥ 0.

13.22 Definition: Dieses m ∈ N heißt Charakteristik von R, m = char(R).Um zu betonen, dass (Z/p,+, ⋅) ein Korper ist, bezeichnen wir es mit Fp (hiersteht F fur das englische Wort “field”).

13.23 Satz: Fur einen Korper K gilt:

(1) char(K) ist prim oder 0.

(2) Ist char(K) = 0, so ist Q in eindeutiger Weise Unterkorper von K.

(3) Ist char(K) = p > 0, so ist Fp in eindeutiger Weise Unerkorper von K.

(4) Q bzw. Fp sind dann die kleinsten Unterkorper von K.

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Beweis: Ist char(K) = k ⋅ l mit k, l > 1, dann ist ϕ(k) ⋅ϕ(l) = ϕ(k ⋅ l) = 0. Daϕ(k) ≠ 0 und ϕ(l) ≠ 0, hat K Nullteiler, ist also kein Korper.

Ist char(K) = 0, so ist ϕ injektiv und erweitert nach (12.4) auf eindeutigeWeise zu einem Korperhomomorphismus Q→ K, der nach (9.23) injektiv ist.

Ist char(K) = p, so ist ϕ ∶ Z/Kernϕ = Z/p→K injektiv.

Die Minimalitat folgt aus der Eindeutigkeit von ϕ. ◻

14 Zerfallungskorper und algebraischer Ab-

schluss

In diesem Abschnitt bezeichnen K und F stets Korper.

14.1 Definition: Eine Korpererweiterung F /K heißt einfach, wenn es einα ∈ F gibt, so dass F = K(α). Ein solches α heißt primitives Element dereinfachen Korpererweiterung F /K.

14.2 Satz: Sei K(α)/K einfache Korpererweiterung und ϕ0 ∶ K → F einKorperhomomorphismus. Dann gilt:

(1) Ist α transzendent uber K, dann definiert ϕ↦ ϕ(α) eine Bijektion

Korperhomomorphismenϕ ∶K(α)→ F mit ϕ∣K = ϕ0

≅ x ∈ F ; x ist transzendentuber ϕ0(K)

Insbesondere ist ϕ(α) transzendent uber ϕ0(K).(2) Ist α algebraisch uberK mit Minimalpolynom f ∈K[X], dann definiert

ϕ↦ ϕ(α) eine Bijektion

Korperhomomorphismenϕ ∶K(α)→ F mit ϕ∣K = ϕ0

≅ Nullstellen vonϕ0(f) ∈ (ϕ0K)[X] in F

Insbesondere ist ϕ(α) Nullstelle von ϕ0(f).Beweis: Beachte, dass ϕ0 injektiv ist, also ϕ0(K) isomorph zu K ist. ϕ0(f)erhalt man aus f durch Anwenden von ϕ0 auf die Koeffizienten.

Ist α transzendent, dann ist K[α] ≅ K[X] und K[α] ist der Unterring vonK(α) aller Polynome in der Variablen α. Nach 11.2 gibt es zu jedem x ∈ Fgenau einen Ringhomomorphismus

ϕ0 ∶K[α]→ F mit ϕ0∣K = ϕ0, ϕ0(α) = x.59

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Wir fragen uns nun, wann sich ϕ0 auf den Quotientenkorper erweitern laßt.Nach 14.1 gibt es genau eine solche Erweiterung, falls ϕ0(g) ≠ 0 ∀g ≠ 0 aus

K[α]. Fur g = n∑i=0biαi gilt

ϕ0(g) = n∑i=0

ϕ0(bi) ⋅ xi x = ϕ0(α).Die rechte Seite ist genau dann nie Null fur g ≠ 0, wenn

Evx ∶ (ϕ0K)[X]→ F

injektiv ist, d.h. wenn x transzendent uber ϕ0(K) ist.(2) Sei f =

n∑i=0bi ⋅X i und ϕ ∶K(α) =K[α]→ F eine Erweiterung von ϕ0. Da

0 = ϕ(0) = ϕ( n∑i=0

bi ⋅ αi) = n∑

i=0

ϕ0(bi) ⋅ (ϕ(α))i,ist ϕ(α) Nullstelle von ϕ0(f) ∈ (ϕ0K)[X] in F .Ist umgekehrt x eine Nullstelle von ϕ0(f), dann ist

f ∈ Kern(K[X]→ F ; g(X)↦ (ϕ0(g))(x)).Da f irreduzibel ist, folgt (f) ist der ganze Kern. Wir erhalten also eineAbbildung

K[α] ≅K[X]/(f)→ F, g ↦ g(x), α =X ↦ x.

14.3 Definition: Sei mathcalF ⊂ K[X] eine Menge von Polynomen. SeiF /K eine Korpererweiterung. Wir sagen F zerfallt F , wenn jedes nicht-konstante Polynom f aus F in F [X] ein Produkt von Linearfaktoren ist. IstA ⊂ F die Menge aller Nullstellen aller Polynome aus F und gilt außerdemF =K(A), heißt F Zerfallungskorper von F und wird Zer(F) bezeichnet.Wir wollen uns mit der Existenz und Eindeutigkeit von Zerfallungskorpernbeschaftigen.

Ist F ⊂K[X] eine endliche Menge, dann gibt es nach 13.5 eine Korpererwei-terung F /K, so dass jedes Polynom aus F uber F in Linearfaktoren, zerfallt.Ist A ⊂ F die Menge der Nullstellen dieser Linearfaktoren, dann istK(A) ⊂ Fein Zerfallungskorper von F . Wir erhalten

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14.4 Satz: Ist F ⊂ K[X] endlich, dann existiert ein ZerfallungskorperZer(F).Fur allgemeine F und zur Formulierung der Eindeutigkeit vonZerfallungskorpern empfiehlt es sich, im algebraischen Abschluss vonK zu arbeiten.

14.5 Definition: Ein Korper K heißt algebraisch abgeschlossen, wenn jedesnicht-konstante Polynom aus K[X] in Linearfaktoren zerfallt. Ist F /K eineKorpererweiterung, dann heißt F algebraischer Abschluss von K, falls K ⊂ Falgebraische Erweiterung und F algebraisch abgeschlossen ist. Ein solches Fwird mit K bezeichnet.

14.6 Satz: Jeder Korper K besitzt eine algebraische abgeschlossene Erwei-terung K ⊂ F .

Der Beweis benutzt Zorn’s Lemma, das zum Auswahlaxiom aquivalent ist.Wir erinnern:

14.7 Auswahlaxiom: Sei J ≠ ∅ eine Menge und Mj; j ∈M eine Familievon Mengen Mj ≠ ∅. Dann gibt es eine Auswahlfunktion

f ∶ J →∐j∈J

Mj

mit f(j) ∈Mj .

14.8 Zorn’s Lemma: Sei (M,≤) eine partiell geordnete Menge, so dassjede total geordnete Teilmenge eine obere Schranke besitzt. Dann hat M einmaximales Element.

Wir verwenden Zorn’s Lemma im Beweis von

14.9 Lemma: Sei I ≠ R, I ±R, eine Ideal in einem Ring R. Dann gibt esein maximales Ideal U in R mit I ⊂ U .

Beweis: Sei M die Menge aller Ideale J mit J ≠ R und I ⊂ J . Die InklusionJ1 ⊂ J2 definiert auf M eine partielle Ordnung.

Jede total geordnete Teilmenge Jα;α ∈ A hat in ⋃α∈A

Jα eine obere Schranke.

Also besitzt M ein maximales Element. ◻

Beweis von 14.6: Wir konstruieren eine Korpererweiterung K ⊂K1, so dassjedes nicht-konstante Polynom aus K[X] in K1 eine Nullstelle hat. Fur jedesnicht-konstante p ∈ K[X] wahlen wir eine Unbestimmte Xp und betrachten

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den Polynomring R uber K in den Unbestimmten Xp. Sei J ⊂ R das Ideal,das von den Polynomen p(Xp) erzeugt wird.Behauptung: J ≠ R.Beweis: Angenommen J = R, dann haben wir eine Darstellung der 1

q1 ⋅ p1(Xp1) + . . . + qn ⋅ pn(Xpn) = 1, (∗)wobei qj ein Polynom in den Variablen Xp ist. Nach 13.5 gibt es eineKorpererweiterung K ⊂ E, so dass jedes der Polynome p1(X), . . . , pn(X)in E eine Nullstelle hat, etwa α1, . . . , αn. Setzen wir Xpi = αi und alle ande-ren in (∗) auftretenden Variablen Xp = 0, erhalten wir in E die Gleichung0 = 1, ein Widerspruch.

Da J ≠ R, gibt es nach 14.9 ein maximales Ideal U ⊂ R mit J ⊂ U . Dannist K1 = R/U ein Korper und K ⊂ R → R/U = K1 ist injektiv, so dassK1 Erweiterung von K ist. Jedes Polynom p(X) ∈ K[X] hat die Restklassevon Xp als Nullstelle in K1 (vergl. 13.4). Wir iterieren die Konstruktion underhalten eine Sequenz von Korpererweiterungen.

K ⊂K1 ⊂K2 ⊂ . . .

so dass jedes Polynom uber Ki eine Nullstelle in Ki+1 hat. Dann ist F = ⋃Ki

ein Erweiterungskorper vonK. Ein Polynom f ∈ F [K] hat seine Koeffizientenin einem Ki, liegt also in Ki[X] und hat damit eine Nullstelle in Ki+1, alsoauch in E. Folglich zerfallt f uber F . ◻

14.10 Folgerung: Zu jeder Teilmenge F ⊂ K[X] existiert ein Zerfallungs-korper Zer(F).Beweis: Sei K ⊂ E Korpererweiterung mit algebraisch abgeschlossenen E.Die Polynome aus F zerfallen uber E. Sei A die Menge der Nullstellen dieserPolynome. Dann ist K(A) ⊂ E ein Zerfallungskorper von F . ◻

Der im Beweis von 14.6 konstruierte Korper braucht nicht der algebraischeAbschluss von K zu sein: Wir wissen nicht, dass F /K algebraisch ist.

14.11 Definition und Satz: Sei F /K Korpererweiterung. Dann ist

E = α ∈ F ; α ist algebraisch uber Kein Unterkorper von F , genannt algebraischer Abschluss von K in F .

Beweis: Sind α,β algebraisch uber K, dann ist [K[α,β] ∶ K] < ∞. Nach13.13 und 13.18 ist K[α,β] ein Korper und K ⊂ K[α,β] ist nach 13.17algebraisch. Also sind α ± β, α ⋅ β, α/β ∈K[α,β] algebraisch uber K. ◻

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14.12 Satz: Fur eine Korpererweiterung F /K sind aquivalent

(1) F ist ein algebraischer Abschluss von K.

(2) F/K ist algebraisch und jedes nicht-konstante Polynom p ∈ K[X]zerfallt in F .

(3) F ist eine maximale algebraische Erweiterung von K, d.h. K ⊂ F istalgebraisch und ist F ⊂ E algebraisch, folgt F = E.

Beweis: (1) ⇒ (2): folgt aus der Definition des algebraischen Abschusses.

(2) ⇒ (3): Sei F ⊂ E algebraisch und α ∈ E. Dann gibt es ein f ∈ F [X],f ≠ 0, so dass f(α) = 0 in E. Da aber f bereits uber F zerfallt, ist α ∈ F .(3) ⇒ (1): Sei p ∈ F [X] und E der Zerfallungskorper von p uber F . Dann istF ⊂ E algebraisch, also E = F . Damit zerfallt p in F . ◻

14.13 Satz: Jeder KorperK besitzt einen algebraischen Abschluss. Genauergilt: Ist F /K eine algebraische Korpererweiterung und F algebraisch abge-schlossen, dann ist der algebraische Abschluss E von K in F , K ⊂ E ⊂ F ,ebenfalls algebraisch abgeschlossen und damit ein algebraischer Abschlussvon K.

Beweis: Nach Definition ist E algebraisch uber K. Sei nun p ∈ E[X]. Dannzerfallt p uber F . Sei α ∈ F Nullstelle von p in F . Dann ist E ⊂ E(α)algebraische Erweiterung. Da K ⊂ E ebenfalls algebraisch ist, ist K ⊂ E(α)algebraisch, also α algebraisch uberK und somit α ∈ E. D.h. E ist algebraischabgeschlossen. ◻

Nachdem wir die Existenz von Zerfallungskorpern und algebraischen Ab-schlussen gezeigt haben, beschaftigen wir uns mit deren Eindeutigkeit.

Wir erinnern daran, dass jeder Korperhomomorphismus injektiv ist.

14.14 Definition: Seien E/K und F /K Korpererweiterungen und L einKorper

(1) Sind σ ∶ K → L und τ ∶ E → L Korperhomomorphismen, so dassτ ∣K = σ, nennen wir τ eine Erweiterung von σ.

(2) Ist p = ∑ai ⋅X i ∈ K[X], dann bezeichnen wir ∑σ(ai) ⋅X i ∈ L[X] mitσp oder pσ.

(3) Einen Korperhomomorphismus τ ∶ E → F , fur den τ(α) = α ∀α ∈ Knennen wir K-Homomorphismus oder kurzer K-Morphismus.

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14.15 Aufgabe: Sei σ ∶K → L ein Korperhomomorphismus

(1) Sei p ∈K[X]. Dann ist α ∈K genau dann Nullstelle von p, wenn σ(α)Nullstelle von pσ ist.

(2) Sei Ei; i ∈ I eine Familie von Unterkorpern von K. Mit ⋁Ei bezeich-nen wir den kleinsten Unterkorper von K, der jedes Ei enthalt.

Zeigen Sie: σ(⋁Ei) = ⋁σ(Ei)(3) Sei E ⊂K Unterkorper und α1, . . . , αn ∈K. Dann gilt

σ(E(α1, . . . , αn)) = σ(E)(σ(α1), . . . , σ(αn)) ⊂ L(4) Sei F /K Korpererweiterung, p ∈K[X] und N die Nullstellenmenge von

p in F . Dann permutiert jeder K-Morphismus σ ∶ F → F die Elementevon N .

14.16 Satz: Sei F /K algebraisch und σ ∶ F → F ein K-Homomorphismus.Dann ist σ ein Automorphismus.

Beweis: Wir mussen zeigen, dass σ surjektiv ist. Sei α ∈ F und f das Mi-nimalpolynom von α uber K. Sei N ⊂ F die Nullstellenmenge von f in F .Nach 14.15.4 permutiert σ die Elemente von N . Da α ∈ N , gibt es ein β ∈ N ,so dass σ(β) = α. ◻

14.17 Satz: Sei F /K algebraische Erweiterung. Sei L algebraisch abge-schlossen und σ ∶K → L ein Korperhomomorphismus. Dann kann σ zu einemHomomorphismus τ ∶ F → L erweitert werden. Ist f ∈K[X] das Minimalpo-lynom von α ∈ F und ist β ∈ L Nullstelle von fσ, kann τ so gewahlt werden,dass τ(α) = β.Beweis: Sei A die Menge aller Paare (E, τ), wobei K ⊂ K(α) ⊂ E ⊂ F eineSequenz von Korpererweiterungen und τ ∶ E → L eine Erweiterung von σ ist,so dass τ(α) = β. Nach 14.2 gibt es ein Paar (K(α), τ) in A, also ist A ≠ ∅.Wir definieren eine partielle Ordnung auf A durch

(E1, τ1) ≤ (E2, τ2), falls E1 ⊂ E2 und τ2∣E1 = τ1.

Ist Ei, τi); i ∈ I eine total geordnete Kette in A, dann ist (⋃Ei, τ) mitτ ∣Ei = τi eine obere Schranke. Nach Zorn’s Lemma besitzt A ein maximalesElement (E, τ). Dann gilt E = F , denn sonst gibt es ein γ ∈ F /E. Da γ uberK und damit auch uber E algebraisch ist, konnen wir τ nach 14.2 auf E(γ)erweitern, im Widerspruch zur Maximalitat. ◻

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14.18 Folgerung: Sind E und F algebraische Abschlusse von K, dann gibt

es einen K-Isomorphismus σ ∶ E≅Ð→ F .

Beweis: Nach 14.17 konnen wir die Inklusion K ⊂ F zu einem K-Morphismus σ ∶ E → F erweitern. Da E algebraisch abgeschlossen ist, istauch σ(E) algebraisch abgeschlossen. Da F algebraische Erweiterung von Kist, ist F auch algebraische Erweiterung von σ(E). Es folgt F = σ(E). ◻

Wenden wir uns jetzt wieder Zerfallungskorpern zu.

14.19 Satz: Sei F ⊂ K[X] und seien Z1 und Z2 Zerfallungskorper von Fuber K. Dann gibt es einen K-Isomorphismus σ ∶ Z1 → Z2. Ist τ ∶ Z1 → Z2 einK-Morphismus in den algebraischen Abschluss von Z2, dann ist τ = (Z1) =Z2.

Beweis: Da K ⊂ Z1 algebraisch ist, gibt es nach 14.17 einen K-Morphismusτ ∶ Z1 → Z2. Sei p ∈ F und seien E1(p) ⊂ Z1, E2(p) ⊂ Z2 die Zerfallungskorpervon p in Z1 bzw. Z2.

Ist A ⊂ E1(p) die Nullstellenmenge von p, dann folgt aus 14.15

τ(E1(p)) = τ(K(A)) = τ(K)(τ(A)) =K(τ(A)) = E2(p),da pτ = p ist. Mit 14.15.2 erhalten wir

τ(Z1) = τ(⋁p∈F

E1(p)) = ⋁p∈F

E2(P )) = Z2.

15 Normale Erweiterungen

Ist K ⊂ F algebraisch und ist F nach 14.12 genau dann algebraischer Ab-schluss von K, wenn jedes f ∈ K[X] uber F zerfallt. Schwachen wir dieseBedingung ab, indem wir nur fordern, dass f uber F zerfallt, falls es dorteine Nullstelle hat, erhalten wir Zerfallungskorper.

15.1 Satz: Sei K ⊂ F algebraisch und K ⊂ F ⊂K. Dann sind aquivalent

(1) Es gibt eine Menge F ⊂K[X], so dass F = Zer(F).(2) Jeder K-Morphismus F →K ist ein Automorphismus von F .

(3) Jedes irreduzible Polynom aus K[X], das in F eine Nullstelle hat,zerfallt uber F .

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Beweis: (1) ⇒ (2): Da K = Zer(F), folgt das aus 14.19.(2)⇒ (3): Sei f ∈K[X] irreduzibel und α ∈ F eine Nullstelle von f . Sei β ∈Keine beliebige Nullstelle von f , dann kann nach 14.17 die Einbettung K ⊂Kzu einem K-Morphismus σ ∶ F →K erweitert werden, so dass σ(α) = β. Nach(2) definiert σ eine K-Automorphismus F → F , so dass β ∈ F . Also zerfalltf uber F .

(3) ⇒ (1): F ist der Zerfallungskorper von F = fα ∈ K[X];α ∈ F,

fα ist Minimalpolynom von α. ◻

15.2 Definition: Eine algebraische ErweiterungK ⊂ F , die die aquivalentenAussagen von 15.1 erfullt, heißt normale Erweiterung.

15.3 Beispiel: (1) Jede quadratische Erweiterung ist normal.

(2) Jede der Erweiterungen

Q ⊂ Q(√2) ⊂ Q( 4√2)

ist normal, dagegen Q ⊂ Q( 4√2) nicht, denn Q( 4

√2) enthalt nur die

Nullstellen ± 4√2 des Minimalpolynoms X4 − 2, aber nicht ±i ⋅ 4

√2.

15.4 Satz: Ist F /K endliche normale Erweiterung, dann ist F der Zerfal-lungskorper einer endlichen Familie irreduzibler Polynome in K[X].Beweis: Sei F =K(α1, . . . , αn) und fi das Minimalpolynom von αi. Da F /Knormal ist, zerfallt jedes fi uber F , so dass F = Zerf1, . . . , fn. ◻

15.5 Eigenschaften normaler Erweiterungen:

(1) Ist K ⊂ F normal und K ⊂ E ⊂ F , dann ist auch E ⊂ F normal.

(2) Gegeben sei ein Diagramm von Korpern

K ⊂ E

∩ ∩

F ⊂ L

Ist K ⊂ E normal, dann auch F ⊂ F ∨E

(3) Sei Ei, i ∈ I eine Familie von Zwischenkorpern K ⊂ Ei ⊂ K, so dassK ⊂ Ei, fur alle i ∈ I normal ist. Dann sind auch

K ⊂ ⋂i∈I

Ei und K ⊂ ⋁i∈I

Ei

normal.

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Beweis: (1) Sei F ⊂ K[X], so dass F = Zer(F). Fassen wir F alsTeilmenge von E[X] auf, erhalten wir das Resultat.

(2) Sei E = Zer(F), F ⊂K[X]. Sei N ⊂ E die Menge der Nullstellen derPolynome aus F , so dass E =K(N). Da F ∨E der kleinste Unterkorpervon L ist, der F und E enthalt, gilt F ∨ E = F (N). Damit ist F ∨Eder Zerfallungskorper von F uber F , also F ⊂ F ∨E normal.

(3) Sei σ ∶ ⋁iEi Ð→K ein K-Morphismus. Dann ist auch

σi = σ∣Ei ∶ Ei Ð→K

ein K-Morphismus. Da K ⊂ Ei normal ist, gilt σi(Ei) = Ei. Es folgtσ(⋁iEi) = ⋁i σi(Ei) = ⋁iEiσ(⋂iEi) = ⋂i σi(Ei) = ⋂iEi.

Nach 15.1 sind K ⊂ ⋁iEi und K ⊂ ⋂iEi normal. ◻

15.6 Definition: Sei K ⊂ F ⊂ K eine algebraische Erweiterung. Dernormale Abschluss F nc von F in K ist der kleinste Unterkorper vonK, so dass

(a) F ⊂ F nc

(b) K ⊂ F nc ist normal.

15.7 F nc existiert: Es gilt

F nc = ⋂E; E Korper, F ⊂ E ⊂K,K ⊂ E ist normal.Beweis: Da K ⊂K normal ist, existiert der Schnitt. Der Rest ist klar.

15.8 Aufgabe: Sei K ⊂ F ⊂ K algebraisch mit normalem AbschlussF nc.

Zeigen Sie:

(a) F nc = ⋁σ(F ); σF →K ist K-Morphismus(b) F nc = Zer(F) ⊂ K, wobei F = fα ∈ K[X]; α ∈ F, fα Minimal-

polynom von α.(c) F nc = Zer(F) ⊂ K, wobei F = fα ∈ K[X]; α ∈ B,fα Minimal-

polynom von α und B eine Basis des K-Vektorraumes F ist.

(d) Ist K ⊂ F endlich, dann ist K ⊂ F nc endlich.

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16 Separable Erweiterungen

Sei F /K eine Korpererweiterung und seien f, g ∈ K[X]. Wir wollen nununtersuchen, ob sich der ggT(f, g) andert, wenn wir f und g als Polynomevon F [X] auffassen.16.1 Lemma: Seien f, g ∈ K[X] und dK ∈ K[X], dF ∈ F [X] normiertePolynome, so dass dK = ggT(f, g) in K[X] und dF = ggT(f, g) in F [X].Dann gilt dK = dF .

Beweis: In K[X] gilt (dK) = (f) + (g), alsoK[X] ⋅ dK =K[X] ⋅ f +K[X] ⋅ g.

Es folgtF [X] ⋅ dK = F [X] ⋅K[X] ⋅ dK

= F [X] ⋅K[X] ⋅ f + F [X] ⋅K[X] ⋅ g= F [X] ⋅ f + F [K] ⋅ g

also dK = ggT(f, g) in F [X]. ◻

16.2 Folgerung: Sind f, g ∈ K[X] normiert und irreduzibel, f ≠ g, dannhaben f und g in jeder Erweiterung F von K keine gemeinsame Nullstelle.

16.3 Definition: Wir sagen, f ∈ K[X] hat einfache bzw. mehrfache Null-

stellen, wenn f in einem Zerfallungskorper einfache bzw. mehrfache Nullstel-len hat.

16.4 Lemma: Fur ein normiertes irreduzibles f aus K[X] sind aquivalent

(1) f hat mindestens eine mehrfache Nullstelle.

(2) ggT(f, f ′) ≠ 1.(3) charK = p ≠ 0 und f(X) = g(Xp) fur ein g ∈K[X].(4) f hat nur mehrfache Nullstellen.

Beweis: Wir rechnen in einem algebraischen Abschluß K von K. Sei f =n∑i=0aiX i.

(1) ⇒ (2): Ist a ∈K Mehrfachnullstelle, so ist X − a nach 11.12 Teiler von fund f ′.

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(2) ⇒ (3): Da f irreduzibel und grad(f ′) < grad(f) ist, ist ggT(f, f ′) = 1oder f ′ = 0. Es folgt

0 = f ′ =n∑i=0

ai ⋅ i ⋅Xi−1, d.h. ai ⋅ i = 0 in K ∀i = 0, . . . , n.

Das erreicht man nur, wenn charK = p > 0 und p∣i, falls ai ≠ 0.(3) ⇒ (4): Da charK = p > 0, gilt (X − a)p = Xp − ap. Sei f = g(Xp) undg =∏(X − αi)ri in K[X]. Dann gilt

f =∏(Xp− αi)ri =∏(X − bi)p⋅ri ,

wobei bpi = αi. Die bi existieren inK, da Xp−αi in Linearfaktoren zerfallt, d.h.die p-te Wurzel von αi existiert. Damit hat jede Nullstelle von f mindestensdie Vielfachheit p.

(4) ⇒ (1): Da f normiert und irreduzible ist, ist grad f ≥ 1. Also hat fNullstellen und damit mindestens eine mehrfache Nullstelle. ◻

16.5 Definition: Ein Polynom f ∈ K[X] heißt separabel, wenn seine irre-duziblen Faktoren nur einfache Nullstellen haben. Ist f nicht separabel, istes inseparable.

16.6 Folgerungen und Bezeichnung:

(1) Ist charK = 0, dann ist nach 16.4 jedes Polynom aus K[X] separabel(2) Ist charK = p > 0 und f ∈K[X] normiert, irreduzibel und inseparabel,

gibt es nach 16.4 ein g1 ∈ K[X], mit f(X) = g1(Xp). Da f irreduzibelund normiert ist, ist auch g1 irreduzibel und normiert. Ist g1 insepara-bel, gibt es ein g2 ∈K[X], so dass g1(X) = g2(Xp), also f(X) = g2(Xp2)ist. Wir fahren fort, bis wir ein separables gd ∈K[X] erhalten:Ist f inseparabel, dann gibt es ein separables Polynom g ∈ K[X] mitf(X) = g(Xpd), d > 0. Wir nennen d den Radikalexponenten von f .Ist f separabel, ist sein Radikalexponenten d = 0. In diesem Fall istf = g.

16.7 Definition: Sei K ⊂ F . Wir nennen α ∈ F separabel uber K, falls αuber K algebraisch und sein Minimalpolynom separabel ist. F /K ist separa-ble Erweiterung, wenn jedes α ∈ F separabel uber K ist.

16.8 Satz: Sei F /K algebraisch. Seien σ ∶K → E, τ ∶K → E′ Korperhomo-morphismen (und damit Einbettungen) in algebraisch abgeschlossene KorperE und E′. Dann gilt ∣Eσ(F,K)∣ = ∣Eτ(F,K)∣,

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wobei Eσ(F,K) die Menge der Erweiterungen F → E von σ ist.

Beweis: Ist σ ∶ F → E Erweiterung von σ, dann ist σ(F ) algebraisch uberσ(K) = σ(K), weil F /K algebraisch ist. Also liegt σ(F ) im algebraischenAbschluss von σ(K) in E. Wir durfen daher annehmen, dass E und E′

algebraische Abschlusse von σ(K) bzw. τ(K) sind.σ(K)λ

⊂ E

K ⊂ F

σiiTTTTTTσ

66llllll

τuujjjjjj τ

))RRRRRR

τ(K) ⊂ E′

Der Isomorphismus λ = τ σ−1 ∶ σ(K) → τ(K). kann nach 14.17 zu einemHomomorphismus λ ∶ E → E′ erweitert werden, der ein Isomorphismus istnach der Argumentation im Beweis von 14.18. Damit ist die Abbildung

Eσ(F,K)→ Eτ(F,K), σ ↦ λ σ

bijektiv. ◻

16.9 Definition: Sei F /K algebraisch und σ ∶ K → E eine Einbettung ineinem algebraisch abgeschlossenen Korper. Dann heißt ∣Eσ(F,K)∣ Separabi-litatsgrad von F uber K und wird mit [F ∶K]sep bezeichnet.

16.10 Satz: Sind K ⊂ E ⊂ F algebraisch, dann gilt

[F ∶K]sep = [F ∶ E]sep ⋅ [E ∶K]sep.Beweis: Sei i ∶ K ⊂ E ⊂ F ⊂ F die Inklusion. Ist τ ∈ Eσ(F,K) und λ ∈Eτ(F,E), dann ist λ ∈ Ei(F,K)

K

i >>>

>>>>⊂ E

τ

⊂ F

λ

F

Wir erhalten die Abbildung

∐τ∈Ei(E,K)

Eτ(F,E)→ Ei(F,K)Diese Abbildung ist injektiv, weil verschiedene τ zu verschiedenen λ fuhren.Sie ist auch surjektiv, denn jede Erweiterung λ von i definert durch Ein-schrankung ein τ . Da ∣Eτ1(F,E)∣ = ∣Eτ2(F,E)∣, folgt der Satz. ◻

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16.11 Satz: Sei charK = 0 oder charK = p und K ⊂ K(α) eine einfachealgebraische Erweiterung. Sei f ∈ K[X] das Minimalpolynom von α und d

sein Radikalexponent. Dann gilt

(1) pd ⋅ [K(α) ∶K]sep = [K(α) ∶K](2) Folgende Aussagen sind aquivalent:

(i) α ist separabel uber K

(ii) [K(α) ∶K]sep = [K(α) ∶K](iii) K ⊂K(α) ist separabel.

(Zur Erinnerung: Ist charK = 0, dann ist f separabel und d = 0)

Beweis: (1) Nach 14.2 ist die Anzahl der Erweiterungen von i ∶ K ⊂ K aufK(α) gleich der Anzahl der Nullstellen von f in K. Ist f separabel, hat esgrad(f) verschiedene Nullstellen. Es folgt

[K(α) ∶K]sep = ∣Ei(K(α),K)∣ = grad f = [K(α) ∶K].Hat f den Radikalexponenten d, folgt f(X) = g(Xpd) fur ein separablesg ∈K[X]. Damit hat jede Nullstelle von f die Vielfachheit pd. Es folgt

pd ⋅ [K(α) ∶K]sep = grad f = [K(α) ∶K].(2) f ist genau dann separabel, wenn d = 0 ist. Das beweist die Aquivalenzvon (i) und (ii). Offensichtlich folgt (i) aus (iii). Wir zeigen noch:

(ii) ⇒ (iii): Sei β ∈K(α). Dann haben wir K ⊂K(β) ⊂K(α) und damit

[K(α) ∶K(β)]sep⋅[K(β) ∶K]sep = [K(α) ∶K]sep = [K(α) ∶K(β)]⋅[K(β) ∶K].Da K(α) =K(β)(α), folgt aus Teil (1):[K(α) ∶K(β)]sep teilt [K(α) ∶K(β)] und [K(β) ∶K]sep teilt [K(β) ∶K]

Es folgt [K(β) ∶K]sep = [K(β) ∶K]. Also ist β separabel uber K.

Wir erweitern das Resultat auf endliche Erweiterungen.

16.12 Satz: Fur eine endliche Erweiterung F /K gilt

(1) [F ∶K]sep teilt [F ∶K]71

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(2) Aquivalent sind

(i) Es gibt eine Menge S ⊂ F von uber K separablen Elementen, sodass F =K(S).

(ii) [F ∶K]sep = [F ∶K](iii) F /K ist separabel.

Beweis: (1) Da F /K endlich ist, gibt es uber K algebraische Elementeα1, . . . , αn aus F , so dass F =K(α1, . . . , αn). Fur

K ⊂K(α1) ⊂K(α1, α2) ⊂ . . . ⊂K(α1, . . . , αn) (∗)erhalten wir aus 16.10

[K(α1, . . . , αn) ∶K]sep = n∏i=1

[K(α1, . . . , αi) ∶K(α1, . . . , αi−1)]sep.Damit folgt (1) aus 16.11.1.

(2) (i) ⇒ (ii): Sei S ⊂ F eine Menge von uber K separabelen Elementen,so dass F = K(S). Da F /K endlich ist, durfen wir annehmen, dass F =K(α1, . . . , αn) mit α1, . . . , αn ∈ S. Da αi uber K separabel ist, ist es uberK(α1, . . . , αi−1) separabel. Aus 16.11 folgt

[K((α1, . . . , αi) ∶K(α1, . . . , αi−1)]sep = [K(α1, . . . , αi) ∶K(α1, . . . , αi−1)]und damit [F ∶K]sep = [F ∶K].(ii) ⇒ (iii): Fur β ∈ F betrachten wir K ⊂K(β) ⊂ F . Aus[F ∶K(β)]sep ⋅ [K(β) ∶K]sep = [F ∶K]sep = [F ∶K] = [F ∶K(β)] ⋅ [K(β) ∶K]und Teil (1) folgt [K(β) ∶ K]sep = [K(β) ∶ K]. Nach 16.11 ist β separabeluber K.

(iii) ⇒ (i): Nehme S = F . ◻

Fur unser nachstes Ergebnis verwenden wir ein Resultat, das von eigenstandi-gen Interesse ist.

16.13 Satz: Jede endliche Untergruppe G der multiplikativen Gruppe(K∗, ⋅) ist zyklisch.Beweis: Sei ∣G∣ = pr11 . . . prkk mit p1 < . . . < pk die Primfaktorzerlegung von∣G∣. Da G abelsch ist, ist es das innere Produkt seiner Sylowuntergruppen,d.h. es gibt einen Isomorphismus

α ∶ G ≅ S1 × . . . × Sk; Si pi − Sylowuntergruppe.

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Sei x ∈ G das Urbild von (z1, . . . , zk), wobei zi ∈ Si maximale Ordnungti hat. Ist yi ∈ Si, gilt ord(yi)∣prii und damit ord(yi)∣ti. Es folgt ord(x) =kgV(ord(z1), . . . , (zk)) = t1 ⋅ . . . ⋅ tk = q, und fur jedes y ∈ G gilt ord(y)∣q. Daxq = 1, sind die verschiedenen Elemente 1, x, x2, . . . , xq−1 Nullstellen des Poly-noms Xq − 1. Weitere Nulllstellen kann das Polynom nach 11.7 nicht haben.Ist y ∈ G, so haben wir gesehen, dass ord(y)∣q, also y Nullstelle von Xq − 1ist. Es folgt G = ⟨x⟩. ◻

16.14 Folgerung: Ist F /K Korpererweiterung und F endlich, dann ist F /Keinfach (d.h. es gibt ein α ∈ F , so dass F =K(α)).Beweis: Sei α ∈ F Erzeuger von (F ∗, ⋅), dann ist F =K(α). ◻

16.15 Satz: Sei F = K[α1, . . . , αr] eine endliche Erweiterung von K, undseien α2, . . . , αr (aber nicht notwendige α1) separabel uber K. Dann gibt esein primitives Element γ ∈ F , so dass F =K[γ].Beweis: Fur endliche Korper haben wir das in 16.14 gezeigt. Sei also K

unendlich. Es genugt, den Satz fur r = 2 zu zeigen, der Rest folgt durchInduktion. Sei also F =K[α,β] und β separabel uber K. Seien f und g ausK[X] die Minimalpolynome von α und β. Seien weiterhin

α1 = α, α2, . . . , αs die Nullstellen von fβ1 = β, β2, . . . , βt die Nullstellen von g

in einem algebraischen Abschluß F von F . Da g separabel ist, sind die βi alleverschieden. Damit hat die Gleichung

αi +Xβj = α1 +Xβ1 j > 1

genau eine Losung, namlich X = αi−α1

β1−βj. Da K unendlich ist, gibt es ein c ∈K,

das von allen diesen Losungen verschieden ist, d.h.

αi + cβj ≠ α + cβ fur j ≠ 1.

Behauptung: F =K(γ) mit γ = α + cβ.Beweis: K(γ) ⊂ F =K[α,β].Die Polynome g und f(γ − cX) aus (K[γ])[X] haben β als Nullstelle. β istihre einzige gemeinsame Nullstelle in F , denn fur j > 1 gilt γ − cβj ≠ αi furalle i, d.h. βj ist nicht Nullstelle von f(γ − cX). Also gilt

X − β = ggT(g, f(γ − cX)) in F [X]und damit auch in K[γ][X] nach 16.1. Es folgt, β ∈ K[γ] und damit auchα = γ − cβ ∈K[γ], so dass K[α,β] ⊂K[γ]. ◻

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16.16 Der Beweis zeigt, dass wir im allgemeinen Fall F =K[α1, α2, . . . , αr]ein primitives Element γ der Form

γ = α1 + c2α2 + . . . + crαr ci ∈K

finden konnen.

16.17 Folgerung: Ist char(K) = 0 oder K endlich, dann ist jede endlicheErweiterung K ⊂ F einfach.

Beweis: Ist char(K) = 0, folgt das direkt aus 16.15, weil jedes α ∈ F separabelist. Ist K endlich und K ⊂ F endliche Erweiterung, dann ist auch F endlich,so dass wir 16.14 anwenden konnen. ◻

16.18 Definition: Sei α algebraisch uber K mit Minimalpolynom f . Wirnennen α rein inseparabel uber K, wenn f die Form f = (X −α)n, n ≥ 1 uberseinem Zerfallungskorper hat. Eine Erweiterung F /K heißt rein inseparabel,wenn jedes α ∈ F rein inseparabel uber K ist.

16.19 Beispiel: Sei char(K) = 2 und γ tranzendent uber K. Dann ist γuber K(γ2) rein inseparabel, weil sein Minimalpolynom X2 − γ2 = (X − γ)2ist.

16.20 Definition: Der Inseperabilitatsgrad [F ∶ K]i einer endlichen Erwei-terung K ⊂ F ist

[F ∶K]i = [F ∶K][F ∶K]sep .16.21 Aufgabe: Sei K ⊂ F endliche Erweiterung. Zeigen Sie:

(1) Fur K ⊂ E ⊂ F gilt [F ∶K]i = [F ∶ E]i ⋅ [E ∶K]i(2) K ⊂ F separabel ⇐⇒ [F ∶K]i = 1(3) Sei α ∈ F , char(F ) = p > 0, dann gilt [K(α) ∶ K]i = pd, wobei d der

Radikalexponent von α ist.

(4) Sei char(F ) = p > 0, dann ist [F ∶K]i eine Potenz von p.

Wir wollen nun die rein inseparablen Elemente charakterisieren. Da in Cha-rakteristik 0 alle Polynome separabel sind, haben wir

16.22 Satz: Ist char(K) = 0 und α uber K algebraisch, dann gilt: α reininseparabel uber K ⇐⇒ α ∈K.

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Ist char(K) = p > 0, haben wir

16.23 Satz: Sei α uber K algebraisch mit Radikalexponent d und Minimal-polynom f . Sei p = char(K) > 0. Dann sind aquivalent:

(1) α ist rein inseparabel uber K.

(2) Es gibt ein n ≥ 1, so dass (X − α)n ∈K[X].(3) f = (X − α)pd =Xpd − αp

d.

(4) Es gibt ein β ∈K und ein k ≥ 0, so dass α Nullstelle von Xpk − β ist.

(5) αpk ∈K fur ein k ≥ 0

(6) d ist die kleinste Zahl in N mit αpd ∈K.

Beweis: Nach Definition gibt es ein separables Polynom q ∈ K[X], so dassf = q(Xpd)(1) ⇒ (2): Nach Definition von rein inseparabel erfullt f die Bedingung.

(2) ⇒ (3): Da α Nullstelle von (X − α)n ∈ K[X] ist, folgt f ∣(X − α)n inK[X], also gibt es ein r ≤ n, so dass q(Xpd) = (X −α)r. Ist grad q =m, folgtr =m ⋅ pd, so dass

q(Xpd) = (X − α)m⋅pd = (Xpd− αp

d)m.Es folgt q(X) = (X − αpd)m. Da q separabel ist, folgt m = 1, so dass

f = q(Xpd) =Xpd− αp

d

(3) ⇒ (4): Nehme k = d und β = αpd . Da f ∈K[X], ist β ∈K.

(4) ⇒ (5): Nach Voraussetzung ist αpk− β = 0, also αpk ∈K.

(5) ⇒ (6): g(X) ∶=Xpk − αpk = (X − α)pk ist aus K[X] nach Voraussetzung.

Da g(α) = 0, ist q(Xpd) Teiler von g. Wie im Beweis ((2)⇒ (3)), folgt daraus

f =Xpd− αp

d

,

so dass αpd ∈K. Außerdem folgt d ≤ k. Also ist d die kleinste Zahl k in N, so

dass αpk ∈K.

(6) ⇒ (1): g = (X − α)pd = Xpd − αpd ∈ K[X]. Da g(α) = 0, folgt f ∣g, d.h. f

hat die Form (X − α)n fur ein n ≥ 1. Also ist α rein separabel. ◻

16.24 Aufgabe: Fur eine algebraische Erweiterung K ⊂ F sind aquivalent

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(1) Es gibt eine Menge S ⊂ F von inseparablen Elementen, so dass F =K(S).

(2) [F ∶K]sep = 1(3) K ⊂ F ist rein inseparabel.

Sei K ⊂ F und seien α,β ∈ F separabel uber K Dann ist nach K ⊂ K(α,β)nach 16.12.2 separable Erweiterung. Also sind auch α±β, α ⋅β und fur α ≠ 0auch α−1 separabel uber K. Die Menge F sa der uber K separablen Elementebildt einen Unterkorper von F . Dasselbe gilt fur die Menge F ia der uber Krein inseparablen Elemente von F nach 16.24.

16.25 Bezeichnung: Die Zwischenkorper K ⊂ F sa ⊂ F und K ⊂ F ia ⊂ Fnennt man den separablen bzw. rein inseparablen Abschluss von K in F .

16.26 Satz: Sei F /K algebraische Erweiterung. Dann gilt:

(1) In K ⊂ F sa ⊂ F ist K ⊂ F sa separabel und F sa ⊂ F rein inseparabel.

(2) α ∈ F ⇒ α[F ∶K]i ∈ F sa.

(3) Jeder Korperhomomorphismus σ ∶ F → F ist durch σ∣F sa bestimmt.

Beweis: In Charakteristik 0 gilt der Satz offensichtlich, weil F sa = F . Seialso char(K) = p > 0.(1) Nach Definition ist K ⊂ F sa separabel. α ∈ F habe Radikalexponent d

und Minimalpolynom f = q(Xpd) mit separablem q. Dann ist q Mini-malpolynom von αp

d, also ist αp

d ∈ F sa. Nach 16.23 ist α rein inserabeluber F sa.

(2) Sei α ∈ F wie in Beweis (1). Nach 16.21.3 gilt pd = [K(α) ∶ K]i, alsopd∣[F ∶K]i nach 16.21.1. Wie wir im Beweis (1) gesehen haben, ist αp

d

und damit auch α[F ∶K]i in F sa.

(3) Nach Definition des Separabilitatsgrades ist [F ∶ F sa]sep die Anzahlder Erweiterungen eines Korpermorphismuses σ ∶ F sa → F auf F . DaF sa ⊂ F rein inseparabel ist, ist [F ∶ F sa]sep = 1.

16.27 Folgerung: Ist F /K endliche Erweiterung, dann gilt

[F ∶K]sep = [F sa∶K] und [F ∶K]i = [F ∶ F sa].

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Beweis:

[F ∶K]sep = [F ∶ F sa]sep ⋅ [F sa ∶K]sep = [F sa ∶K]sep[F ∶K]i = [F ∶ F sa]i ⋅ [F sa ∶K]i = [F ∶ F sa]i◻

17 Perfekte Korper

17.1 Definition: Ein Korper K heißt perfekt, wenn jedes Polynom ausK[X] separabel ist.17.2 Satz: K ist genau dann perfekt, wenn jede algebraische ErweiterungK ⊂ F separabel ist.

Beweis: Sei K ⊂ F algebraisch, α ∈ F und f ∈ K[X] das Minimalpolynomvon α. Ist K perfekt, so ist f , also auch α separabel.

Ist umgekehrt jede Korpererweiterung K ⊂ F separabel und f ∈ K[X] irre-duzibel, dann gilt fur jede Nullstelle α von f in K, dass K ⊂K(α) separabelund damit f separabel ist. ◻

17.3 Bezeichnung: (1) Wir setzen Kr = αr;α ∈K fur r ≥ 0.(2) Sei char(K) = p > 0. Dann nennen wir den Korperhomomorphismus

φ ∶K →K, φ(a) = apFrobeniusabbildung.

17.4 Satz: Sei char(K) = p > 0. Dann sind aquivalent

(1) K ist perfekt.

(2) K =Kp.

(3) Die Frobeniusabbildung ist ein Isomorphismus.

Beweis: (1) ⇒ (2): Fur α ∈ K betrachten wir f = Xp − α ∈ K[X]. Fur eineNullstelle β von f in einem Zerfallungskorper gilt βp = α, so dass

f =Xp− βp = (X − β)p.

Also ist β rein inseparabel uber K. Da K perfekt ist, ist β auch separabel.Aus 16.11 und 16.24 folgt [K(β) ∶K] = [K(β) ∶K]sep = 1, also β ∈K. Damitist α ∈Kp.

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(2)⇔ (3): Als Korperhomomorphismus ist φ immer injektiv, und φ ist genaudann surjektiv, wenn K =Kp.

(2) ⇒ (1): Sei f ∈ K[X] irreduzibel, aber nicht separabel. Dann gibt es einPolynom g = ∑ni=0 aiX i ∈K[X], so dass f(X) = g(Xp) nach 16.4. Da K =Kp,ist jedes ai von der Form ai = b

pi mit bi ∈K. Es folgt

f(X) = n∑i=0

ai(Xp)i = n∑i=0

bpi (X i)p = ( n∑

i=0

biXi)p

im Widerspruch zur Irreduzibilitat von f . ◻

17.5 Folgerung: Ist K endlich oder charK = 0, dann ist K perfekt.

Beweis: Ist charK = 0, dann ist K nach 16.6 perfekt. Ist K endlich, charK =p > 0, dann ist die Frobeniusabbildung ein Automorphismus, weil sie injektivist. ◻

17.6 Satz: (1) Ist K ⊂ F algebraisch und K perfekt, dann ist F perfekt.

(2) Ist K ⊂ F endliche Erweiterung und F perfekt, dann ist K perfekt.

Beweis: (1) Sei F ⊂ E eine algebraische Erweiterung, dann ist K ⊂ E alge-braische Erweiterung. Nach 17.2 ist K ⊂ E separabel, also auch F ⊂ E. Nach17.2 ist F perfekt.

(2) Sei charK = p > 0. Sei zunachst F =K(α) und f = ∑ni=0 aiX i ∈K[X] dasMinimalpolynom von α. Dann gilt

0 = ( n∑i=0

aiαi)p = n∑

i=0

apiα

p⋅i.

Also ist der Grad von αp uber Kp hochstens der Grad von α uber K:

[Kp(αp) ∶Kp] ≤ [K(α) ∶K].Da Kp(αp) = (K(α))p =K(α), letzteres weil K(α) nach Voraussetzung per-fekt ist, folgt [K(α) ∶Kp] ≤ [K(α) ∶K].Da aber Kp ⊂K, folgt aus der Gradschachtelungsformel, dass K =Kp.

Also ist K perfekt.

Ist K ⊂ F endliche Erweiterung, gibt es α1, . . . , αn ∈ F , so dass F =K(α1, . . . , αn). Wiederholte Anwendung des vorausgegangenen Argumentsliefert die Aussage. ◻

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17.7 Bemerkung: Die Endlichkeitsbedingung in 17.6.2 ist notwendig, dennK ⊂K ist algebraisch und K ist perfekt, selbst wenn K nicht perfekt ist.

17.8 Definition und Satz: Sei charK = p > 0 und K ein algebraischerAbschluss von K. Dann ist

K1/pk = α ∈K;αpk

∈Kein Unterkorper von K. Weiter gilt

K ⊂K1/p ⊂K1/p2 ⊂ . . .

Der Unterkorper

perf(K) = ∞⋃k=1

K1/pk ⊂K

heißt perfekter Abschluss von K in K.

Der einfache Beweis ist dem Leser uberlassen.

17.9 Satz: Sei charK = p > 0. Dann ist perf(K) der kleinste perfekte Un-terkorper von K, der K enthalt.

Beweis: Sei α ∈ perf(K); dann gibt es ein k ≥ 1, so dass αpk ∈ K. Sei β ∈ K

Nullstelle des Polynoms Xp − α, also βp = α. Dann gilt βpk+1 = αpk ∈ K,

also ist β ∈ perf(K) und folglich (perf(K))p = perf(K). Damit ist perf(K)perfekt. Sei jetzt K ⊂ F ⊂ K und F perfekt. Sei α ∈ perf(K) wie eben, alsoαp

k ∈K ⊂ F . Da F = F pk , gibt es ein β ∈ F mit αpk = βpk . Es folgt

0 = (αpk − βpk) = (α − β)pk .Also α = β und somit α ∈ F , so dass perf(K) ⊂ F . ◻

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Teil III

Galoistheorie

18 Die Galois-Korrespondenz

18.1 Definition: Die Galois-Gruppe einer Erweiterung F /K, bezeichnetGal(F /K), ist die Gruppe der K-Automorphismen F → F , d.h. der Au-tomorphismen σ ∶ F → F mit σ(x) = x ∀ x ∈K.

18.2 Bezeichnung: (1) ZW = ZW(F /K) die Menge der ZwischenkorperK ⊂ E ⊂ F

(2) U = U(F /K) die Menge der Untergruppen von Gal(F /K).(3) Ist L/K Erweiterung, dann ist HomK(F,L) die Menge der K-

Morphismen F → L.

18.3 Ist F /K algebraisch, dann ist Gal(F /K) = HomK(F,E) nach 14.16.

Wir definieren die Abbildungen

Π ∶ ZW // U ∶ Ωoo

durch Π(E) = Gal(F /E) und Ω(H) = FH , wobei

FH = x ∈ F ;σ(x) = x ∀σ ∈Hder Fixkorper von H ist. Wir uberlassen dem Leser den Nachweis, dass FH

ein Zwischenkorper K ⊂ FH ⊂ F ist.

18.4 Bezeichnung: Das Paar (Π,Ω) heißt Galois-Korrespondenz der Er-weiterung F /K.

Ziel dieses Abschnittes ist die Untersuchung der Galois-Korrespondenz.

Wir definieren partielle Ordnungen auf ZW bzw. U durch A ≤ B, falls A ⊂ B.

18.5 Satz: (ZW ,≤) und (U ,≤) sind vollstandige Verbande, d.h. jede Fami-lie von Elementen hat ein Infinum, namlich den Durchschnitt aller Elemente,und ein Maximum, namlich den kleinsten Korper bzw. die kleinste Unter-gruppe, die jeden Korper bzw. jede Untergruppe der Familie enthalt. ◻

18.6 Aufgabe: (1) Π und Ω sind ordnungsumkehrende Abbildungen

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(2) Fur E ∈ ZW gilt

E ≤ Ω Π(E) und Π(E) = Π Ω Π(E)(3) Fur U ∈ U gilt

U ≤ Π Ω(U) und Ω(U) = Ω Π Ω(U)18.7 Die Abbildungen ΩΠ ∶ ZW → ZW und ΠΩ ∶ U → U sind Abschluss-

operationen, d.h. ist cl(E) = Ω Π(E) fur E ∈ ZW , dann gilt

(1) E ≤ cl(E)(2) cl(cl(E)) = cl(E)(3) E ≤ L⇒ cl(E) ≤ cl(L)

und entsprechend fur cl = Π Ω.

18.8 Definition: E ∈ ZW und U ∈ U heißen abgeschlossen, wenn cl(E) =Ω Π(E) = E bzw. cl(U) = Π Ω(U) = U . Die Mengen der abgeschlossenenElemente werde Cl(ZW) bzw. Cl(U) bezeichnet.18.9 Aufgabe: Zeigen Sie, dass Cl(ZW) und Cl(U) vollstandige Verbandesind.

18.10 Satz: Sei F /K algebraisch und K ⊂ L ⊂ E ⊂ F . Dann gilt

(1) [Π(L) ∶ Π(E)] = [Gal(F /E) ∶ Gal(F /L)] ≤ [E ∶ L]sep ≤ [E ∶ L].(2) Ist F /K normal, gilt Gleichheit fur die linke Ungleichung und

ψ ∶Gal(F /L)Gal(F /E) → HomL(E,F ), σ ↦ σ∣E

ist bijektiv.

(3) Ist K ⊂ F normal und separabel, gilt in (1) uberall Gleichheit.

Beweis: (1) Fur σ, τ ∈ Gal(F /L) giltσ∣E = τ ∣E ⇐⇒ τ−1 σ(α) = α ∀α ∈ E ⇐⇒ τ−1 σ ∈ Gal(F /E)

⇐⇒ σ ∈ τ Gal(F /E).

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Also gilt ψ(σ) = ψ(τ) genau dann, wenn σ und τ in derselben Linksneben-klasse von Gal(F /E) liegen. Damit induziert ψ eine Bijektion der Linksne-benklassen von Gal(F /E) in Gal(F /L) und Bild(ψ). Da nun

Bild(ψ) ⊂ HomL(E,F ) ⊂ HomL(E,F ),erhalten wir

[Gal(F /L) ∶ Gal(F /E)] = ∣Bild(ψ)∣ ≤ ∣HomL(E,F )∣ = [E ∶ L]sep(2) Sei jetzt F /K normal. Dann ist nach 15.5 auch F /L normal. Nach 14.17kann jedes σ ∈ HomL(E,F ) zu σ ∈ HomL(E,F ) erweitert werden. Nach 15.1ist σ ∈ Gal(F /L), da F /L normal ist. Da σ(E) ⊂ F , ist σ ∈ HomL(E,F ). Wirerhalten

HomL(E,F ) = HomL(E,F ).Da sich also jedes σ ∈ HomL(E,F ) zu einem σ ∈ Gal(F /L) erweitern lasstund σ = ψ(σ) ist, folgt HomL(E,F ) ⊂ Bild(ψ). Es folgt

Bild(ψ) = HomL(E,F ) = HomL(E,F )und damit [Gal(F /L) ∶ Gal(F /E)] = [E ∶ L]sep.(3) folgt aus 16.12, da auch E ⊂ L separabel ist (ist E ⊂ L nicht endlich, giltauch [E ∶ L]sep =∞, so dass nichts zu zeigen ist.). ◻

Wir wollen das entsprechende Resultat fur Ω beweisen. Dazu benotigen wirnoch

18.11 Lemma von Artin: Sei H < Gal(F /K) Untergruppe. Fur α ∈ F sei

α ∶H → F, σ ↦ σ(α).Dann ist fur α1, . . . , αn ∈ F aquivalent.

(1) α1, . . . , αn sind linear unabhangig uber FH .

(2) α1, . . . , αn sind linear unabhangig im F -Vektorraum Abb(H,F ).Beweis: (2) ⇒ (1): Sei ∑ni=1 ciαi = 0 mit c1, . . . , cn ∈ FH . Dann gilt fur σ ∈H

0 = σ (∑i

ciαi) =∑i

ci ⋅ σ(αi) =∑i

ciαi(σ)Es folgt Σiciαi = 0 und somit ci = 0 fur 1 ≤ i ≤ n.

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(1) ⇒ (2): Sei ∑i xiαi = 0 mit xi ∈ F . Besitzt diese Gleichung eine nicht-triviale Losung, wahlen wir unter diesen eine Losung (c1, . . . , cn) mit maxi-maler Anzahl von Nullen. Durch Umordnen der αi durfen wir annehmen,dass c1 ≠ 0, und durch Multiplikation mit einer Konstanten, dass c1 = 1. Wirerhalten die Gleichung

α1 + c2 ⋅ α2 + . . . + cn ⋅ αn = 0 (A)σ(α1) + c2 ⋅ σ(α2) + . . . + cn ⋅ σ(αn) = 0 ∀σ ∈H (B)

Fur σ = id gilt somit

α1 + c2 ⋅ α2 + . . . + cn ⋅ αn = 0

Da α1, . . . , αn uber FH linear unabhangig sind, gibt es ein ci ≠ 0, das nicht inFH liegt. Durch Umordnen durfen wir annehmen, dass dies cn ist. Wendenwir τ ∈H auf die Gleichung (B) an, erhalten wir

τσ(α1) + τ(c2) ⋅ τσ(α2) + . . . + τ(cn)τσ(αn) = 0 ∀σ ∈H

Da Linkstranslation mit τ bijektiv ist, folgt

λ(α1) + τ(c2) ⋅ λ(c2) + . . . + τ(cn) ⋅ λ(αn) = 0 ∀λ ∈H

und damitα1 + τ(c2)α2 + . . . + τ(cn) ⋅ αn = 0 (C)

Da cn ∉ FH , gibt es ein τ ∈H, so dass τ(cn) ≠ cn. Ziehen wir (B) von (C) ab,erhalten wir (τ(c2) − c2) ⋅ α2 + . . . + (τ(cn) − cn) ⋅ αn = 0.Wir erhalten eine nicht trivale Losung der Ausgangsgleichung mit mehr Nul-len (τ erhalt die 0) im Widerspruch zur Maximalitat. ◻

18.12 Satz: Sei F /K algebraisch und G < H < Gal(F /K) Untergruppen.Dann gilt [Ω(G) ∶ Ω(H)] = [FG ∶ FH] ≤ [H ∶ G].Beweis: Ist [H ∶ G] = ∞, ist nichts zu zeigen. Sei also [H ∶ G] = r < ∞.Seien σ1, . . . , σr Reprasentanten der r Linksnebenklassen von G in H. Seienα1, . . . , αn ∈ FG linear unabhangig uber FH , und wir wollen annehmen, dassn > r. Dann hat das Gleichungssystem

σ1(α1) ⋅ x1 + . . . + σ1(αn) ⋅ xn = 0⋮

σr(α1) ⋅ x1 + . . . + σr(αn) ⋅ xn = 0

83

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eine nicht-triviale Losung (c1, . . . , cn) ∈ F n, also

c1 ⋅ σi(α1) + . . . + cn ⋅ σi(αn) = 0 fur 1 ≤ i ≤ r.

Jedes τ ∈H ist von der Form σi ρ mit ρ ∈ G. Da αi ∈ FG, gilt ρ(αi) = αi. Esfolgt

n∑j=1

cj ⋅ τ(αj) = n∑j=1

cj ⋅ (σi ρ)(αj) = n∑j=1

cj ⋅ σi(αj) = 0oder, in der Bezeichnungsweise von 18.11,

c1 ⋅ α1(τ) + . . . + cn ⋅ αn(τ) = 0 ∀τ ∈H.

Nach 18.11 sind aber α1, . . . , αn ∈ Abb(H,F ) linear unabhangig uber F , einWiderspruch! ◻

18.13 Folgerung: Sei F /K algebraisch. Dann sind

Π ∶ Cl(ZW) //Cl(U) ∶ Ωoo

ordnungsumkehrende Bijektionen, die zueinander invers sind. Weiter gilt furL ≤ E in Cl(ZW) und G ≤H in Cl(U)

[Gal(F /L) ∶ Gal(F /E)] = [E ∶ L][FG ∶ FH] = [H ∶ G]Beweis: Nach Definition gilt ΩΠ(E) = E und ΠΩ(G) = G fur abgeschlos-senes E und G. Fur L ≤ E in Cl(ZW) gilt nach 18.10 und 18.12

[E ∶ L] = [Ω Π(E) ∶ Ω Π(L)] ≤ [Π(L) ∶ Π(E)] ≤ [E ∶ L].Also [E ∶ L] = [Π(L) ∶ Π(E)] = [Gal(F /L) ∶ Gal(F /E)]. Genauso zeigt mandie zweite Gleichung. ◻

18.14 Aufgabe: Zeigen Sie fur E,L ∈ Cl(ZW(F /K)) und G,H ∈Cl(U(F,K))(1) Gal(F /E ∩L) = Sup(Gal(F /E),Gal(F /L))

Gal(F /Sup(E,L)) = Gal(F /E) ∩Gal(F /L)(2) FG∩H = Sup(FG, FH)

F Sup(G,H) = FG ∩ FH

wobei die Suprema in Cl(ZW) bzw. Cl(U) gebildet sind.84

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(3) Sei L ⊂ L′ ⊂ F und L′/L endlich. Dann ist L′ abgeschlossen.Sei U < Gal(F /K) eine endliche Untergruppe, dann ist U abgeschlos-sen.

Folgerung 18.13 wirft die Frage auf, welche Zwischenkorper von F /K undwelche Untergruppen von Gal(F /K) abgeschlossen sind. Damit beschaftigenwir uns im nachsten Abschnitt.

19 Galois-Erweiterungen

19.1 Definition: Eine Galois-Erweiterung ist eine normale, separable Er-weiterung.

Aus den Ergebnissen der Paragraphen 15 und 16 folgt

19.2 Satz: (1) Sei K ⊂ E ⊂ F . Ist K ⊂ F Galois, dann auch E ⊂ F .

(2) Gegeben sei ein Diagramm von Korpern

K ⊂ E

∩ ∩

F ⊂ L

Ist K ⊂ E Galois, dann auch F ⊂ E ∨ F .

(3) Gegeben seien ZwichenkorperK ⊂ Ei ⊂ F , i ∈ I. Ist jedesK ⊂ Ei Galois,dann sind auch K ⊂ ⋁iEi und K ⊂ ⋂iEi Galois (s. 15.5).

19.3 Satz: Sei F /K algebraisch.

(1) Ein Zwischenkorper E ist genau dann abgeschlossen, wenn E ⊂ F Ga-lois ist.

(2) Ist L in K ⊂ L ⊂ E ⊂ F abgeschlossen, dann ist auch E abgeschlossen.

(3) Aquivalent sind

(i) K ist abgeschlossen.

(ii) K ⊂ F ist Galois.

(iii) ZW(F /K) = Cl(ZW(F /K)).Fur den Beweis von Teil (1) zeigen wir zunachst:

19.4 Satz: Sei F /K normal und G = Gal(F /K). Dann gilt

85

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(1) FG =Kia

(2) In K ⊂Kia ⊂ F ist K ⊂Kia rein inseparabel und Kia ⊂ F separabel.

Beweis: (1) Sei α ∈ FG und f ∈K[X] sein Minimalpolynom. Sei β ∈K eineNullstelle von f . Nach 14.17 gibt es eine Erweiterung σ ∶ F →K der InklusionK ⊂ K, so dass σ(α) = β. Wir durfen annehmen, dass F ⊂ K. Nach 15.1 istσ ∈ Gal(F /K), so dass σ(α) = α, also α = β. Damit hat f nur eine Nullstelle,so dass α rein inseparabel ist. Es folgt α ∈Kia.

Ist umgekehrt α ∈Kia, dann gilt σ(α) = α fur σ ∈ G, da σ die Nullstellen desMinimalpolynoms von α permutiert (14.15). Also ist α ∈ FG.

(2) Nach Definition ist K ⊂ Kia rein inseparabel. Sei α ∈ F und f sei Mini-malpolynom uber Kia = FG. Seien β1, . . . , βn die verschiedenen Nullstellenvon f in F und g = ∏n

i=1(X − βi) ∈ F [X]. Da σ ∈ G die βi permutiert, folgtgσ = g. Also liegen die Koeffizienten von g in FG. Da grad g ≤ grad f undg(α) = 0, folgt f = g, d.h. f ist separabel. ◻

Beweis von 19.3: Ist E ⊂ F normal und separabel, gilt mit G = Gal(F /E)nach 19.4

Ω Π(E) = FG = Eia = E,

so dass E abgeschlossen ist.

Sei umgekehrt E abgeschlossen, sei α ∈ F mit Minimalpolynom f ∈ E[X]vom Grad n. Da E ⊂ E(α) endlich und E abgeschlossen ist, ist E(α) nach18.14 abgeschlossen, so dass nach 18.13

n = [E(α) ∶ E] = [Gal(F /E) ∶ Gal(F /E(α))].Seien σ1, . . . , σn Reprasentanten der Linksnebenklassen von Gal(F /E(α)) inGal(F /E).Behauptung: τ ∈ σi Gal(F /E(α)) ⇐⇒ τ(α) = σi(α).Beweis: Sei τ = σi ρ mit ρ ∈ Gal(F /E(α)). Dann gilt τ(α) = σi(ρ(α)) =σi(α), weil α ∈ E(α) und E(α) der Fixkorper von Gal(F /E(α) ist.Sei umgekehrt τ(α) = σi(α) und ρ = σ−1i τ , so dass ρ(α) = α. Jedes x ∈ E(α)ist von der Form x = x0 + x1α + . . . + xn−1αn−1 mit xi ∈ E.Da ρ ∈ Gal(F /E) folgt

ρ(x) = n−1∑j=0

ρ(xj) ⋅ ρ(α)j = n−1∑j=0

xj ⋅ αj = x

Also ist ρ ∈ Gal(F /E(α)) und somit τ = σi ρ ∈ σi Gal(F /E(α)).86

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Es folgt, die Bahn von α unter der Operation von Gal(F /E) hat genau n

Elemente. Da die Galoisgruppe die Nullstellen von f permutiert, mussen dasdie Nullstellen von f sein, die somit alle verschieden sind. Also ist f separabelund hat alle Nullstellen in F . Es folgt E ⊂ F ist separabel und normal.

Das beweist (1) und die Aquivalenz von (3(i)) und (3(ii)).

Die Aquivalenz aller Aussagen von (3) folgt, weil K ⊂ F genau dann Galoisist, wenn E ⊂ F Galois ist fur alle K ⊂ E ⊂ F nach 19.2.

Genauso folgt (2) aus (1).

19.5 Bemerkung: (1) Ist F /K algebraisch, dann ist F abgeschlossen, daF = F id und Gal(F /F ) = id.

(2) Ist E ein abgeschlossener Zwischenkorper von F /K, so gilt

[F ∶ E] = [Gal(F /E) ∶ Gal(F /F )] = ∣Gal(F /E)∣.Ist F /K endlich, gilt auch die Umkehrung von 19.5.2: Wir zeigen

19.6 Satz: Fur eine endliche Erweiterung F /K gilt

(1) Ein Zwischenkorper E ist genau dann abgeschlossen, wenn

[F ∶ E] = ∣Gal(F /E)∣.(2) Aquivalent sind

(i) F /K ist Galois.

(ii) K ist abgeschlossen.

(iii) Alle Zwischenkorper von F /K sind abgeschlossen.

(iv) [F ∶ E] = ∣Gal(F /E)∣ fur alle Zwischenkorper E.

(v) [F ∶K] = ∣Gal(F /K)∣Beweis: (1) Wir mussen die Umkehrung von 19.5.2 zeigen. Sei G =Gal(F /E). Aus [F ∶ E] = ∣Gal(F /E)∣ folgt mit 18.10 und 18.12

[F ∶ E] = ∣Gal(F /E)∣ = ∣Gal(F /E) ∶ Gal(F /F )∣≤ [F id ∶ FG] ≤ [F ∶ E],

weil Gal(F /F ) = id und E ⊂ FG. Da alles endlich ist, folgt E = FG, d.h. Eist abgeschlossen.

(2) folgt aus (1) und 19.3. ◻

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19.7 Folgerung: Ist F /K endlich, sind alle Untergruppen von Gal(F /K)abgeschlossen, und ein Zwischenkorper E ist genau dann abgeschlossen, wennE ⊂ F Galois ist. Ist insbesondere K ⊂ F Galois, sind alle Zwischenkorperabgeschlossen.

Beweis: Es bleibt nur der Gruppenteil zu zeigen,. id = Gal(F /F ) ist ab-geschlossen. Da Gal(F /K) endlich ist, ist jede Untergruppe nach 18.14 ab-geschlossen. ◻

19.8 Bemerkung: Ist K ⊂ F beliebige Galois-Erweiterung, dann ist nichtjede Untergruppe von Gal(F /K) abgeschlossen.19.9 Aufgabe: Sei F ein Korper, H eine Untergruppe von Aut(F ). ZeigenSie:

(1) FH ⊂ F ist Galois.

(2) Ist H abgeschlossen bzgl. der Erweiterung FH ⊂ F , dann gilt H =Gal(F /FH).

Ist K ⊂ E ⊂ F und F /K normal, dann ist F /E normal, aber E/K brauchtnicht normal zu sein. Die Galois-Gruppen geben Auskunft, wann auch K ⊂ Enormal ist.

19.10 Satz: Sei K ⊂ E ⊂ F gegeben.

(1) K ⊂ E normal ⇒ Gal(F /E)◁Gal(F /K).(2) Ist K ⊂ F normal, E ⊂ F Galois und Gal(F /E)◁Gal(F /K), dann ist

auch K ⊂ E normal.

(3) Ist F /K Galois, dann gilt

K ⊂ E normal ⇐⇒ Gal(F /E)◁Gal(F /K)(4) Sind E/K und F /K normal, dann ist

ψ ∶ Gal(F /K)→ Gal(E/K), σ ↦ σ∣Eein Epimorphismus mit Kern Gal(F /E), so dass

Gal(E/K) ≅ Gal(F /K)Gal(F /E) .

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Beweis: (1) Sei τ ∈ Gal(F /K) und σ ∈ Gal(F /E). Nach 15.1 definiert τ eineAutomorphismus von E, so dass τ(E) ⊂ E. Es folgt τ−1 σ τ(x) = x fur allex ∈ E, also τ−1 σ τ ∈ Gal(F /E), d.h. Gal(F /E)◁Gal(F /K.

(2) Sei α ∈ E und f ∈ K[X] sein Minimalpolynom. Sei β ∈ F eine weitereNullstelle von f . Nach 14.17 gibt es einen K-Morphismus σ ∶ F → F mitσ(α) = β. Da F /K normal ist, ist σ ∈ Gal(F /K) nach 15.1. Ist nun τ ∈Gal(F /E), gilt σ−1 τ σ = τ ′ ∈ Gal(F /E). Es folgt

τ(β) = τ σ(α) = σ τ ′(α) = σ(α) = β.Damit liegen die Nullstellen von f im Fixkorper von Gal(F /E). Da E ⊂ FGalois ist, ist E abgeschlossen (19.3), also ist E der Fixkorper von Gal(F /E),d.h. f zerfallt in E. Damit ist K ⊂ E normal.

(3) folgt aus (1) und (2), denn ist F /K Galois, dann auch F /E (19.2).

(4) Sei σ ∈ Gal(F /K). Da E/K normal ist, ist σ∣E ∈ Gal(E/K) nach 15.1, sodass ψ, wie angegeben, definiert ist. Offensichtlich ist ψ ein Homomorphis-mus. ψ ist surjektiv: Sei τ ∈ Gal(E/K). Nach 14.17 kann

Eτ→ E F

zu einem K-Morphismus σ ∶ F → F erweitert werden. Da F /K normal ist,ist σ ∈ Gal(F /K), und ψ(σ) = τ . Weiter gilt

σ ∈ Kernψ ⇐⇒ σ∣E = id ⇐⇒ σ ∈ Gal(F /E).◻

19.11 Folgerung: Sei K ⊂ F endliche Galois-Erweiterung mit Galois-Gruppe G. Seien U,V < G Untergruppen, so dass U ◁ V . Dann ist F V ⊂ FU

Galois und Gal(FU/F V ) ≅ V /U .Beweis: Nach 19.3 sind FU ⊂ F und F V ⊂ F Galois mit Galois-Gruppen Ubzw. V , weil U und V als endliche Untergruppen von G abgeschlossen sind.Da U ◁ V , ist F V ⊂ FU Galois mit Galois-Gruppe Gal(FU/F V ) ≅ V ∣U . ◻

19.12 Definition: Sei K ⊂ F Galois-Erweiterung und K ⊂ E ⊂ F ein Zwi-schenkorper. Der Galois-Abschluss E von E in F ist der kleinste Unterkorpervon F , der E enthalt und fur den K ⊂ E Galois ist.

Da K ⊂ F Galois ist, existiert E nach 19.2 immer:

E = ⋂L;E ⊂ L ⊂ F, K ⊂ L Galois.Nach 19.10 ist K ⊂ L genau dann Galois, wenn Gal(F /L)◁Gal(F /K). SeiH = Gal(F /E) und G = Gal(F /K). Nach Aufgabe 18.14 ist Gal(F /E) dergroßte abgeschlossene Normalteiler von G, der in H enthalten ist.

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19.13 Aufgabe: Sei H Untergruppe der Gruppe G. Dann ist ⋂g∈G gHg−1

der großte Normalteiler von G, der in H enthalten ist.

Ist K ⊂ F endlich, sind alle Untergruppen von Gal(F /K) abgeschlossen, undwir erhalten

19.14 Satz: Ist K ⊂ F endliche Galois-Erweiterung mit Galois-Gruppe G =σ1, σ2, . . . , σn und ist K ⊂ E ⊂ F ein Zwischenkorper, dann ist

E =n

⋁i=1

σi(E) ⊂ Fder Galois-Abschluss von E in F .

Ist insbesondere E =K[α1, . . . , αk], dann ist

E =K[A]mit A = σi(αj); i = 1, . . . , n; j = 1, . . . , k.Beweis: Sei H = Gal(F /E). Dann gilt FH = E. Weiter gilt Gal(F /σ(E)) =σ ⋅H ⋅ σ−1, denn σ ⋅H ⋅ σ−1 ⊂ Gal(F /σ(E)) und

∣Gal(F /σ(E))∣ = [F ∶ σ(E)] = [F ∶ E] = ∣H ∣ = ∣σ ⋅H ⋅ σ−1∣.Sei N = ⋂ni=1 σi ⋅H ⋅ σ−1i , dann ist

E = FN =n

⋁i=1

F σiHσ−1

i =n

⋁i=1

σi(E),weil im endlichen Fall alle Untergruppen von G und alle Zwischenkorperabgeschlossen sind. ◻

20 Die Galois-Gruppe eines Polynoms

20.1 Definition: Sei f ∈K[X]. Die Galois-Gruppe GalK(f) von f ist defi-niert als

GalK(f) = Gal(Zer(f)/K).Sei

f = gr11 ⋅ . . . ⋅ grnn

eine Faktorisierung von f in Potenzen verschiedener irreduzibler Polynomein K[X], dann ist Zer(f) auch Zerfallungskorper von

g = g1 ⋅ g2 ⋅ . . . ⋅ gn.

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20.2 K ⊂ Zer(f) ist genau dann separabel und damit Galois, wenn jedesgi separabel ist. Ist insbesondere f separabel, dann ist K ⊂ Zer(f) endlicheGalois-Erweiterung.

Sind α1, . . . , αk ∈ Zer(f) die Nullstellen von f , gilt Zer(f) = K(α1, . . . , αk).Damit ist σ ∈ GalK(f) eindeutig seine Permutation der Nullstellen festgelegt.Wir erhalten

20.3 Die Abbildung

ϕ ∶ GalK(f)→ Σk, k = Anzahl der verschiedenen Nullstellen von f

die σ ∈ GalK(f) die Permutation der Nullstellen zuordnet, ist ein Monomor-phismus von Gruppen (ϕ hangt von der Anordnung der Nullstellen ab).

20.4 Sei f = p ⋅ q ∈ K[X], gradp > 0. Dann gilt K ⊂ Zer(p) ⊂ Zer(f). DaZer(f)/K und Zer(p)/K nach 15.1 normal sind, erhalten wir aus 19.10.4

GalZer(p)(f) ◁ GalK(f)GalK(p) ≅ GalK(f)

GalZer(p)(f)Hat f ∈K[X] n verschiedene Nullstellen, ist GalK(f) eine Untergruppe vonΣn. Wir wollen jetzt untersuchen, wann GalK(f) bereits in An liegt. Dabeihilft die Diskriminante.

f ∈K[X] habe die Nullstellen α1, . . . , αn in Zer(f), aufgelistet in ihrer Viel-fachheit.

20.5 Bezeichnung: (f) = ∏i<j(αi − αj). Dann heißt

D(f) =(f)2 =∏i<j

(αi − αj)2Diskriminante von f .

20.6 D(f) ≠ 0 ⇐⇒ f hat nur einfach Nullstellen⇐⇒ f ist separabel und hat nur einfache Faktoren in seiner

Primfaktorzerlegung⇒ K ⊂ Zer(f) ist endliche Galois-Erweiterung

Wir wollen annehmen, dass D(f) ≠ 0. Dann ist f separabel und K ⊂ Zer(f)Galois. Da σ ∈ GalK(f) die Nullstellen von f permutiert, erhalten wir

σ((f)) = signσ ⋅ (f).91

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Es folgtσ(D(f)) =D(f),

so dass D(f) ∈K. 1. Fall: char(K) = 2.Dann ist σ((f)) = (f) fur alle σ ∈ GalK(f), so dass (f) im FixkorperK von GalK(f) liegt.2. Fall: char(K) ≠ 2(i) Falls (f) ∈K, gilt σ((f)) =(f) fur alle σ ∈ GalK(f). Damit muss σeine gerade Permutation sein.

(ii) Falls (f) ∉ K, muss GalK(f) ungerade Permutationen enthalten. Ausder nachsten Aufgabe folgt, dass ∣GalK(f)∣ gerade ist und die Halfte seinerElemente gerade Permutationen sind. Wir identifizieren GalK(f) mit seinemBild in Σn unter ϕ. Ist G = An ∩GalK(f), dann ist FG ⊂ Zer(f) Galois mitGalois-Gruppe G nach 19.3 und 19.7. Wir erhalten nach 19.6

[Zer(f) ∶ FG] = ∣G∣ = 1

2∣GalK(f)∣ = 1

2[Zer(f) ∶K].

Es folgt [FG ∶ K] = 2. Da D(f) im Fixkorper K von GalK(f) ist, ist X2 −

D(f) ∈ K[X] das Minimalpolynom von (f), so dass [K((f)) ∶ K] = 2.Da K((f)) ⊂ FG, folgt FG =K((f)). Damit ist K((f)) der Fixkorperder geraden Permutationen in GalK(f).20.7 Aufgabe: Sei U < Σn eine Untergruppe, die eine ungerade Permutati-on enthalt. Dann ist ∣U ∣ gerade und ∣U ∩An∣ = 1

2∣U ∣.

Wir fassen zusammen

20.8 Satz: Fur f ∈K[X] mit grad(f) = n gilt

(1) D(f) = 0 ⇐⇒ f hat Mehrfachnullstellen.

(2) D(f) ≠ 0 und char(K) = 2 ⇒ (f) ∈ K, aber GalK(f) braucht nichtUntergruppe von An zu sein.

(3) D(f) ≠ 0 und char(K) ≠ 2. Dann gilt

(i) Hat D(f) eine Quadratwurzel in K, dann ist GalK(f) vermoge ϕeine Untergruppe von An.

(ii) Hat D(f) keine Quadratwurzel in K, dann enthalt GalK(f) je zurHalfte gerade und ungerade Permutationen der Nullstellen von f .Weiterhin ist K(√D(f)) der Fixkorper von GalK(f) ∩An.

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20.9 Bemerkung: Sei charK = 2 und seien t1, . . . , tn transzendent uber K,so dass jedes ti transzendent uber K(t1, . . . , ti−1, ti+1, . . . , tn) ist. Sei

f =∏n

i=1(X − ti).

Dann ist GalK(f) = Σn.

Auf den Beweis verzichten wir aus Zeitgrunden.

Zum Abschluss dieses Abschnitts wollen wir die Galois-Gruppen quadrati-scher Polynome bestimmen: Sei

f =X2+ bX + c = (X − α) ⋅ (X − β).

Dann gilt

b = −α − β c = α ⋅ β

D(f) = (α − β)2 = α2 − 2αβ + β2 = b2 − 4αβ = b2 − 4c

Fall D(f) = 0: Dann ist α = β und

f = (X − α)2 =X2− 2αX + α2 ∈K[X],

also 2α ∈ K und α2 ∈ K. Ist char(K) ≠ 2 oder K perfekt, ist α ∈ K (furchar(K) = 2 folgt das aus 17.4).

Da wir nur eine Nullstelle haben, ist GalK(f) = id.Fall D(f) ≠ 0: Hier ist α ≠ β. Ist α ∈ K, dann ist f reduzibel und folglichauch β ∈K. In diesem Fall GalK f = id.Sind α,β ∉K, dann ist GalK(f) ≅ Z/2 erzeugt von σ mit σ(α) = β.Ist char(K) ≠ 2, gilt

α,β =−b ±√D(f)

2.

Also liegen α,β genau dann in K, wenn D(f) eine Quadratwurzel in K

besitzt.

20.10 Satz: Sei f ∈K[X], grad(f) = 2(1) Ist D(f) = 0, dann gilt

(i) GalK(f) = id.(ii) f hat eine doppelte Nullstelle α.

(iii) Ist char(K) ≠ 2 oder K perfekt, dann ist α ∈K.

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(2) Ist D(f) ≠ 0, hat f zwei verschiedene Nullstellen, die entweder beidein K liegen oder beide nicht in K liegen.

(i) Liegen beide in K, ist f reduzibel und GalK(f) = id.(ii) Liegen beide nicht in K, ist f irreduzibel und GalK(f) ≅ Z/2,

erzeugt von σ ∶ α ↦ β.

(3) Ist char(K) ≠ 2, hat jede quadratische Erweiterung K ⊂ F die FormF =K(√γ) fur ein γ ∈K.

21 Zyklotomische Erweiterungen

21.1 Definition: Ein primitive n-te Einheitswurzel in einem Korper K istein Element der Ordnung n in (K∗, ⋅). Eine n-te Einheitswurzel ist ein Ele-ment a ∈K mit an = 1. Man nenntK ⊂ Zer(Xn−1) zyklotomische Erweiterung

von K.

21.2 Die Menge µn(K) der n-ten Einheitswurzel von K ist eine endlichezyklische Untergruppe von (K∗, ⋅) und ∣µn(K)∣ teilt n.Beweis: µn(K) ist die Menge der Nullstellen von Xn − 1 in K und daherendlich. 1 ∈ µn(K) und mit x, y ist auch x−1 und xy in µn(K). Also istµn(K) eine Untergruppe von (K∗, ⋅). Nach 16.13 ist µn(K) zyklisch. Ist aein Erzeuger, gilt an = 1, so dass ∣µn(K)∣ = ord(a) Teiler von n ist. ◻

21.3 Satz: Sei K ein Korper der Charakteristik 0 oder p, wobei p ∤ n. SeiF = Zer(Xn − 1). Dann gilt

(1) F enthalt eine primitive n-te Einheitswurzel und µn(F ) = Z/n.(2) Ist ζ n-te primitive Einheitswurzel, so gilt F =K[ζ].(3) F /K ist Galois und die Abbildung

ψ ∶ Gal(F /K) Ð→ ((Z/n)∗, ⋅)σ z→ i, falls σ(ζ) = ζ i

ist ein Monomorphismus.

Beweis: (1) f = Xn − 1 hat nur einfache Nullstellen, weil f ′ = nXn−1 und nwegen p ∤ n invertierbar ist. Also enthalt F genau n verschiedene Einheits-wurzeln. Nach 21.2 ist µn(F ) ≅ Z/n und jeder Erzeuger von Z/n entsprichteiner primitiven n-te Einheitswurzel.

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(2) K[ζ] enthalt ganz µn(F ). Es folgt K[ζ] = F .(3) Sei ζ primitive n-te Einheitswurzel. Alle anderen primitiven n-ten Ein-heitswuzeln sind dann von der Form ζ i mit ggT(i, n) = 1, d.h. i ∈ (Z/n)∗.Ein Automorphismus σ ∈ Gal(F /K) muss primitive n-te Einheitswurzeln aufprimitive n-te Einheitswurzeln abbilden. Also ist σ(ζ) = ζ i mit i ∈ (Z/n)∗ undτ σ(ζ) = τ(ζ i) = (τ(ζ))i = ζj⋅i, falls τ(ζ) = ζj. Also ist ψ ein Homomorphis-mus.

ψ(σ) = 1 ⇐⇒ σ(ζ) = ζ ⇐⇒ σ = id,

da auch σ∣K = id und F von K und ζ erzeugt wird. ◻

21.4 Beispiel: (1) K = C. Dann ist F =K, also Gal(F /K) = id.(2) K = R und n > 2. Dann ist F = C, ∣Gal(C/R)∣ = [C ∶ R] = 2, also

Gal(C/R) = Z/2 erzeugt von σ ∶ C→ C, σ(x + iy) = x − iy.In beiden Fallen ist ψ nicht surjektiv.

21.5 d∣n⇒Xd − 1∣Xn − 1.

Denn aus n = k ⋅ d folgt

Xn− 1 = (Xd)k − 1 = (Xd

− 1) ⋅ (Xd(k−1)+Xd(k−2)

+ . . . +Xd+ 1).

Wir suchen nun nach dem Minimalpolynom einer primitiven Einheitswurzel.21.5 legt nahe, folgende Polynome zu betrachten.

21.6 Definition: Die Polynome Φn = ∏(X − ζ), das Produkt lauft uber dien-ten primitiven Einheitswurzeln ζ, heißen n-te Kreisteilungspolynome.

21.7 (1) gradΦn = ϕ(n) = ∣(Z/n)∗∣(2) Xn − 1 = ∏

d∣nΦd

(3) Der Leitkoeffizient von Φn ist 1.

21.8 Beispiel: Φ1 = X − 1Φ2 = (X2 − 1)/(X − 1) =X + 1Φ3 = (X3 − 1)/Φ1 =X2 +X + 1Φ4 = (X4 − 1)/Φ1 ⋅Φ2 = (X4 − 1)/(X2 − 1) =X2 + 1

Sei F der Zerfallungskorper von Xn − 1. Nach Definition ist Φn ∈ F [X]. DieBeispiele lassen aber vermuten, dass Φn ∈ Z[X], falls charF = 0, bzw. inFp[X], falls charF = p.

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21.9 Lemma: Φn ∈ Z[X] in Charakteristik 0

Fp[X] p > 0

Beweis: Es genugt, Charakteristik 0 zu behandeln. Reduzieren wir mod p,erhalten wir den zweiten Teil. Den ersten Teil zeigen wir durch Induktionnach n ∶ Φ1 ∈ Z[X] und hat Leitkoeffizient 1.

Induktionsschritt: Sei g = ∏d∣nd≠n

Φd. Dann gilt Xn − 1 = g ⋅Φn nach 21.7.

Nach Induktion ist g ∈ Z[X] und hat Leitkoeffzient 1 ∈ Z∗. Daher konnen wirden Divisionalalgorithmus in Z[X] anwenden und erhalten Φn ∈ Z[X] mitLeitkoeffzient 1. ◻

21.10 Lemma: Sei K ein Korper der Charakteristik 0 oder p mit p ∤ n. Seiζ primitive n-te Einheitswurzel in einer Erweiterung L von K. Dann sindaquivalent

(1) Φn ist irreduzibel in K[X].(2) [K[ζ] ∶K] = ϕ(n)(3) ψ ∶ Gal(K[ζ]/K)→ (Z/n)∗ aus 21.3 ist ein Isomorphismus.

Beweis: ζ ist Nullstelle von Φn. Sei f der normierte irreduzible Faktor vonΦn, der ζ als Nullstelle hat. Dann ist f das Minimalpolynom von ζ. Es gilt

[K[ζ] ∶K] = ϕ(n) ⇐⇒ grad f = ϕ(n) ⇐⇒ f = Φn

⇐⇒ ∣Gal(K[ζ]/K)∣ = ϕ(n) ⇐⇒ ψ ist bijektiv.

21.11 Satz: Φn ist irreduzibel in Q[X].Beweis: Sei f ein irreduzibler Faktor von Φn. Wir zeigen

(1) ζ Nullstelle von f ⇒ ζ i Nullstelle von f ∀i mit ggT(i, n) = 1.Das genugt, denn jede primitive n-te Einheitswurzel ist von der Form ζ i mitggT(i, n) = 1. Wir erhalten also f = Φn.

Um (1) zu zeigen, genugt der Nachweis von

(2) ζ Nullstelle von f ⇒ ζp Nullstelle von f , falls p prim, p ∤ n. Denn i aus (1)ist ein Produkt i = p1, . . . , pk solcher Primzahlen. Durch iteriertes Anwendenvon (2) (ersetze ζ durch ζp1⋯pk) erhalt man (1).

Sei also Φn = f ⋅ g mit f, g ∈ Z[X] und ζ Nullstelle von f . Angenommen ζp

ist nicht Nullstelle von f , dann ist es Nullstelle von g, so dass g(ζp) = 0.

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Insbesondere ist ζ Nullstelle von g(Xp). Da f das Minimalpolynom von ζ

ist, folgt f ∣g(Xp), d.h.g(Xp) = f ⋅ h

in Z[X] (Der Leitkoeffizient von f ist 1, so dass wir in Z[X] durch f divi-dieren konnen). Die Gleichungen

Φn = f ⋅ g g(Xp) = f ⋅ hgelten auch uber Fp nach Reduktion mod p. Sei g = ∑pi=0 aiX i. Dann giltmod p

g(X)p = ( p∑i=0

aiXi)p = r∑

i=0

apiX

ip =r∑i=0

ai(Xp)i = g(Xp)Es folgt (g(X))p = f ⋅ h in Fp[X].Da Fp[X] euklidisch ist, konnen wir beide Seiten eindeutig in Primfaktorenzerlegen. Ist u ∈ Fp[X] ein Primfaktor von f , so ist u auch Teiler von g.Es folgt u2∣Φn in Fp[X]. Insbesondere hat Φn in seinem Zerfallungskorperuber Fp[X] mehrfache Nullstellen. Wie wir aber im Beweis von 21.3 gesehenhaben, hat Xn − 1 und damit auch Φn nur einfache Nullstellen. ◻

21.12 Satz: Der Fall Charakteristik p ∤ n:

21.13 Beispiel: Φ4 ist reduzibel in F5[X], denn in FE[X] giltX2+ 1 = (X + 3) ⋅ (X + 2).

Das Beispiel zeigt, dass Φn uber Fp reduzibel sein kann.

Sei ζ primitive n-te Einheitswurzel und f ∈ Fp[X] das Minimalpolynom vonζ. Da Φn(ζ) = 0, folgt f ∣Φn.

21.14 Satz: Sei p prim, p ∤ n und sei e = ord(p) in (Z/n)∗. Dann hat jeder

irreduzible Faktor f von Φn in Fp[X] den Grad e. Also hat Φn genau ϕ(n)e

irreduzibel Faktoren und [Fp[ζ] ∶ Fp] = e.Beweis: Sei ζ primitive n-Einheitswurzel, F = Fp[ζ] ist der Zerfallungskorpervon Φn nach 21.3. Sei f das Minimalpolynom von ζ, grad f = m. Dann giltdimFp

(F ) = grad f =m, also ∣F ∣ = pm.

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Damit ist ζ Nullstelle von Xpm −X (s. Einfuhrung in die Algebra), so dassζp

m−1 = 1. Da ord(ζ) = n in F ∗, folgt n∣pm − 1, also

pm ≡ 1 mod n.

Da p ∤ n, ist p ∈ (Z/n)∗. Sei e = ord(p) in (Z/n)∗. Dann folgt

e∣m, pe ≡ 1 mod n, ζpe

= ζ (∗)letzteres, weil pe ≡ 1 mod n und ζn = 1.Nach 13.15 ist 1, ζ, ζ2, . . . ζm−1 eine Basis von F . Sei y ∈ F ∗ ≅ Z/pm − 1 einErzeuger und

y =m−1∑i=0

ciζi ci ∈ Fp.

seine Darstellung als Linearkombination der Basiselemente. Dann gilt

ype

= (m−1∑i=0

ci ⋅ ζi)p

e

=m−1∑i=0

cpe

i ⋅ ζipe =

m−1∑i=0

ci ⋅ ζi = y

weil cp = c in Fp nach dem kleinen Fermat’schen Satz und ζpe = ζ. Es folgt

ord y = pm − 1∣pe − 1, also e =m wegen (∗)Also hat f den Grad e. ◻

21.15 Beispiel: ord5 in (Z/4)∗ ist 1 und ϕ(4) = 2. Also zerfallt Φ4 in zweiirreduzible Faktoren uber F5.

22 Zyklische Erweiterungen

22.1 Definition: Eine zyklische Erweiterung ist eine Galois-ErweiterungK ⊂ F , so dass Gal(F /K) zyklisch ist.

Sei b ∈K. Wir wollen den Zerfallungskorper Z von Xn − b studieren.

22.2 Konvention: Ist char(K) = p > 0, setzen wir stets voraus, dassggT(p, n) = 1.Nach 21.3 ist Xn−1 separabel. Ist α Nullstelle von Xn−b und ζ eine primitiven-te Einheitswurzel, dann sind

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22.3 α, ζ ⋅ α, ζ2 ⋅ α, . . . , ζn−1 ⋅ α

die Nullstellen von Xn = b, denn

(ζk ⋅ α)n − b = ζn⋅k ⋅ αn − b = αn − b = 0.Es folgt

Z = Zer(Xn− b) =K(α, ζ).

Wir haben Korpererweiterungen

K ⊂K(ζ) ⊂K(α, ζ) = Zer(Xn− b).

Die erste Erweiterung ist zyklotomisch. Wir wollen die zweite Erweiterungstudieren.

Wir nehmen daher ab jetzt an, dass K eine primitive n-te Einheitswurzel ζenthalt. Dann ist

K ⊂K(α) = Zer(Xn− b) = Z

Galois, und σ ∈ Gal(Z/K) ist eindeutig durch σ(α) festgelegt. Da σ dieNullstellen von Xn − b permutiert, gilt

σ(α) = ζk(σ) ⋅ α mit k(σ) ∈ Z/n.Da ζ ∈K, gilt fur σ, τ ∈ Gal(Z/K)

(σ τ)(α) = σ(τ(α)) = σ(ζk(τ) ⋅ α) = ζk(τ) ⋅ σ(α) = ζk(τ) ⋅ ζk(σ) ⋅ αDamit definiert σ ↦ ζk(σ) einen Monomorphismus

Gal(Z/K)→ µn.

Da µn zyklisch ist, ist Gal(Z/K) zyklisch und

∣Gal(Z/K)∣ = [K(α) ∶K] teilt n.Wir erhalten

22.4 Satz: EnthaltK eine primitive n-te Einheitswurzel und ist b ∈K, dannist die Galoisgruppe G = GK(Xn − b) zyklisch und ∣G∣ teilt n.Ziel der Restes dieses Abschnitts ist der Beweis des folgenden Klassifikati-onssatzes.

22.5 Satz: Sei K ein Korper, der eine n-te primitive Einheitswurzel ζenthalt. Dann sind aquivalent

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(1) K ⊂ F ist zyklisch vom Grad d∣n.(2) F = K(α), und das Minimalpolynom von α ist Xd − c mit c ∈ K und

d∣n.(3) F ist Zerfallungskorper eines irreduziblen Polynoms Xd − c mit c ∈ K

und d∣n.(4) F =K(α), wobei α Nullstelle eines Polynoms Xn − b mit b ∈K ist.

(5) F ist der Zerfallungskorper eines Polynoms Xn − b mit b ∈K.

Beweis: Nach Voraussetzung enthalt K die primitive d-te Einheitswurzel ζk,wobei n = k ⋅ d. Das impliziert (2) ⇐⇒ (3) und (4) ⇐⇒ (5):

Denn ist α ∈ F Nullstelle von Xd − c und η = ζk, dann sind

α, η ⋅ α, . . . , ηd−1 ⋅ α aus F

nach 22.3 alle Nullstellen von Xd − c, und entsprechendes gilt fur die Aqui-valenz (4) ⇐⇒ (5).

(2) Ô⇒ (4): Sei F = K(α) mit α wie in (2), dann gilt αd = c ∈ K. Da d∣n,gibt es ein k ∈ N mit n = k ⋅ d. Es folgt b ∶= ck ∈K und αn = ck = b. Also ist αNullstelle von Xn − b ∈K[X].(4) Ô⇒ (2): Nach 22.3 ist

α, ζ ⋅ α, . . . , ζn−1 ⋅ α aus F

die Liste aller Nullstellen von Xn−b. Sei f das Minimalpolynom von α. Dannist f Teiler von Xn − b und d = grad f teilt n. Die d Nullstellen von f sind inder Liste enthalten. Ihr Produkt hat die Form ζ l ⋅αd. Da dieses Produkt derkonstante Term von f ist, ist αd ∈K. Es folgt f =Xd − αd.

(5) Ô⇒ (1) folgt aus 22.4

(1) Ô⇒ (2): Sei F /K zyklisch vom Grad d∣n. Sei G = ⟨σ⟩ = Gal(F /K). DaF /K Galois ist, ist ord(σ) = d. Fur α ∈ F gilt

αd ∈K = FG ⇐⇒ αd = σ(αd) = (σ(α))d ⇐⇒ ( α

σ(α))d

= 1 (∗)Sei n = k ⋅ d. Dann ist η = ζk ∈ K eine primitive d-te Einheitswurzel. Findenwir ein α ∈ F , so das α

σ(α) = η, dann ist (∗) erfullt, also αd ∈K. Es folgt, dass

α Nullstelle von Xd − αd ∈ K[X] ist. Das Minimalpolynom f teilt Xd − αd.Die Elemente

α, σ(α), . . . , σd−1(α)100

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sind Nullstellen von f , da G die Nullstellen von f permutiert. Nun gilt σ(α) =η−1 ⋅ α, also σk(α) = η−k ⋅ α, so dass diese Nullstellen alle verschieden sind.Damit hat f den Grad d, so dass f =Xd − αd. Wir erhalten (2) mit c = αd.Es bleibt also, α ∈ F zu finden, so dass α

σ(α) = η.

Da η ∈K, gilt σk(η) = η, also∏τ∈G

τ(η) = η∣G∣ = ηd = 1.Damit gibt es nach dem folgenden Satz mit β = η ein solches α. ◻

22.6 Hilbert Theorem 90: Sei F /K eine endliche zyklische Erweiterungmit Galois-Gruppe G = ⟨σ⟩. Dann gilt fur β ∈ F

∃α ∈ F ∗ mit β =α

σ(α) ⇐⇒ ∏τ∈G τ(β) = 1.Der Beweis bedarf einiger Vorbereitungen.

22.7 Definition: Sei F /K eine endliche Galois-Erweiterung mit Galois-Gruppe G. Die Norm-Abbildung der Erweiterung ist definiert durch

NF /K ∶ F →K, α ↦∏τ∈G

τ(α).22.8 (1) NF /K(α) ∈K fur alle α ∈ F .

(2) NF /K(α) = α∣G∣ fur alle α ∈K.

(3) NF /K ∶ (F ∗, ⋅)→ (K∗, ⋅) ist ein Homomorphismus.

Beweis: Sei α ∈ F ∗, dann gilt fur σ ∈ G = Gal(F /K)σ(NF /K(α)) =∏

τ∈G

σ τ(α) =∏τ∈G

τ(α) = NF /K(α).Also ist NF /K(α) ∈ FG =K. Da τ(α) ≠ 0 fur α ∈ F ∗, folgt NF /K(α) ∈K∗.NF /K(α ⋅ β) =∏

τ∈G

τ(α) ⋅ τ(β) =∏τ∈G

τ(α) ⋅∏τ∈G

τ(β) = NF /K(α) ⋅NF /K(β).Ist α ∈K, gilt τ(α) = α fur τ ∈ G, so dass NF /K(α) = α∣G∣. ◻

Beweis von 22.6 ⇒: Sei α = β ⋅ σ(α). Dann gilt

∏τ∈G

τ(α) = NF /K(α) = NF /K(β) ⋅NF /K(σ(α))= NF /K(β) ⋅ ∏

τ∈Gτ(σ(α)) = NF /K(β) ⋅NF /K(α).

Es folgt NF /K(β) = 1. ◻

Die andere Richtung bedarf auch einiger Vorbereitung.

101

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22.9 Satz: (Artin, vergl. 18.11) Sei M ein Monoid und K ein Korper. SeiF eine Menge von verschiedenen Homomorphismen f ∶M →K∗. Dann ist Flinear unabhangig im K-Vektorraum Abb(M,K).Beweis: Seien f1, . . . , fn ∈ F verschiedenen. Wir wollen annehmen, wir habeneine nicht-triviale Gleichung

α1 ⋅ f1 + . . . + αn ⋅ fn = 0 (A)mit αi ∈K. Unter allen diesen Gleichungen wahlen wir eine mit der minimalenAnzahl von αi ≠ 0. Indem wir die Summanden mit αi = 0 weglassen, durfenwir annehmen, dass (A) eine solche Gleichung ist mit αi ≠ 0 fur i = 1, . . . , n.Da f1 ≠ fn, gibt es eine x ∈M mit f1(x) ≠ fn(x). Fur y ∈M haben wir

α1 ⋅ f1(x ⋅ y) + . . . + αn ⋅ fn(x ⋅ y) = 0α1 ⋅ f1(x) ⋅ f1(y) + . . . + αn ⋅ fn(x) ⋅ fn(y) = 0 (B)

Aus (A) erhalten wir durch Multiplikation mit f1(x)α1 ⋅ f1(x) ⋅ f1(y) + . . . + αn ⋅ fn(x) ⋅ fn(y) = 0 (C)

(B)-(C) ergibt

α2 ⋅ (f2(x) − f1(x)) ⋅ f2(y) + . . . + αn ⋅ (fn(x) − f1(x)) ⋅ fn(y) = 0.Da dies fur alle y ∈M gilt und da αn ⋅ (fn(x) − f1(x)) ≠ 0, erhalten wir einenicht-triviale Gleichung kurzerer Lange

α2 ⋅ (f2(x) − f1(x)) ⋅ f2 + . . . + αn(fn(x) − f1(x)) ⋅ fn = 0ein Widerspruch. ◻

Beweis von 22.6⇐: Sei [F ;K] = d und NF /K(β) = 1. Wir suchen ein α ∈ F ∗

mit β ⋅ σ(α) = α. Dazu betrachten wir die Homomorphismen

τk ∶ F → F, 0 ≤ k ≤ d

τ0 = id und τk = β ⋅ σ(β) ⋅ σ2(β) ⋅ . . . ⋅ σk−1(β) ⋅ σk fur 0 < k ≤ d.Dann gilt

τk+1 = β ⋅ (σ ⋅ τk) fur 0 ≤ k ≤ d − 1.

Da σ0, σ1, . . . , σd−1 verschiedene Homomorphismen F ∗ → F ∗ sind und

τ = τ0 + τ1 + . . . + τd−1

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eine F -Linearkombination von σ0, σ1, . . . , σd−1 ist, ist τ ≠ 0 nach 22.9.

Da τd = NF /K(β) ⋅ σd = 1 ⋅ id = τ0, folgtβ ⋅ (σ τ) = τ1,+τ2 + . . . + τd = τ.

Da τ als Abbildung τ ∶ F ∗ → F von 0 verschieden ist, gibt es ein γ ∈ F ∗, sodass α ∶= τ(γ) ≠ 0. Fur dieses α gilt

β ⋅ σ(α) = β ⋅ σ(τ(γ)) = τ(γ) = α.

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Teil IV

Anwendungen

23 Losbarkeit polynomialer Gleichungen

Sei f ∈ K[X] ein Polynom. Wir fragen uns, ob es eine”Formel“ fur die

Losungen der polynomialen Gleichung

f(x) = 0gibt, so dass die Losungen durch iteriertes Wurzelziehen berechnet werdenkonnen. Das bekannteste Beispiel ist die Losungsformel fur

x2 + px + q = 0,

namlich

x1/2 = −p

√p2

4− q.

23.1 Definition: Die Gleichung f(x) = 0 heißt auflosbar und f ein auflosba-

res Polynom, wenn es einen Turm von Korpern

K =K0 ⊂K1 ⊂ . . . ⊂Km

gibt, so dass

(i) Ki =Ki−1[αi] mit αmi

i ∈Ki−1 fur ein mi ∈ N

(ii) f zerfallt uber Km.

23.2 Erlauterung: Ki entsteht aus Ki−1 durch Adjunktion einer mi-tenWurzel wegen (i). Wegen (ii) liegen die Nullstellen von f in Km, lassen sichdaher als Ausdrucke darstellen, in denen nur Elemente aus K und iterierteWurzeln der αi auftreten.

23.3 Theorem: (Galois 1832) Sei charK = 0 und f ∈ K[X]. Dann gilt: fist genau dann auflosbar, wenn die Galoisgruppe GalK(f) von f auflosbarist. (Daher der Begriff “auflosbare Gruppe“).

Wir benotigen zwei Hilfssatze.

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23.4 Lemma: Sei F /K eine Korpererweiterung und f ∈ K[X] ⊂ F [X].Dann ist GalF (f) Untergruppe von GalK(f).Beweis: Sei Z ′ der Zerfallungskorper von f uber F , so dass GalF (f) =Gal(Z ′/F ). Seien α1, . . . , αn die Nullstellen von f in Z ′. Dann ist Z =K[α1, . . . , αn] der Zerfallungskorper von f uber K. Ein Element σ ∈ GalF (f)permutiert die αi und lasst F fest. Es folgt σ(Z) ⊂ Z. Die Abbildung

ψ ∶ GalF (f)Ð→ GalK(f) σ ↦ σ∣Zist ein Monomorphismus, denn ψ(σ) = id genau dann, wenn σ∣Z, also auchσ die αi fest lasst. Aber dann ist σ = id. ◻

23.5 Lemma: Ist G eine endliche auflosbare Gruppe, dann besitzt G eineSubnormalreihe

G = G0▷G1▷ . . .▷Gk = emit zyklischen Faktoren Gi/Gi+1.

Beweis: G besitzt eine Subnormalreihe

G =H0▷H1▷ . . .▷Hr = emit abelschen Faktoren Hi/Hi+1. Es genugt zu zeigen, dass wir

Hi▷Hi+1

zu einer Subnormalreihe

Hi =Kq ▷K1▷ . . .▷K0 =Hi+1

mit zyklischen Faktoren verfeinern konnen. Als endliche abelsche Gruppe istHi/Hi+1 ≅ Z1 × . . . ×Zq, wobei jedes Zi zyklisch ist

e◁Z1◁Z1 ×Z2◁Z1 ×Z2 ×Z3◁ . . .◁Z1 × . . . ×Zq

ist eine Normalreihe mit zyklischen Faktoren. Sei

p ∶Hi Ð→Hi/Hi+1 ≅ Z1 × . . . ×Zq.

Sei Kj = p−1(Z1 × . . . ×Zj). Da Z1 × . . . ×Zj ◁Z1 × . . . ×Zq, ist Kj ◁Hi. Wirerhalten eine Subnormalreihe der gewunschten Form, denn

Kj/Kj−1 ≅Kj/Hi+1 /Kj−1/Hi+1 ≅Z1 × . . . ×Zj

Z1 × . . . ×Zj−1≅ Zj.

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Beweis 23.3: Sei G = GalK(f) auflosbar. Wir wollen zeigen, dass f auflosbarist.

Sei n = ∣G∣ und ζ eine primitive n-te Einheitswurzel. Sei F =K[ζ]. Nach 23.4ist H = GalF (f) Untergruppe von G und daher nach 8.9 ebenfalls auflosbar.Nach 23.5 gibt es eine Subnormalreihe

H = Gm▷Gm−1▷ . . .▷G0 = emit zyklischen Faktoren Gi/Gi−1. Sei Z der Zerfallungskorper von f uber Fund sei Fi = ZGi . Wir erhalten einen Turm von Korpern

K ⊂ F = Fm ⊂ Fm−1 ⊂ . . . ⊂ F0 = Z. (∗)Nach 19.11 ist Fi+1 ⊂ Fi Galois mit zyklischer Galois-Gruppe Gi+1/Gi, alsoeine zyklische Erweiterung. Da nach der Gradschachtelungsformel d = [Fi ∶Fi+1] ein Teiler von [Z ∶ F ] = ∣H ∣ und ∣H ∣ Teiler von ∣G∣ = n ist, ist d = [Fi ∶Fi+1] ein Teiler n. Aus 22.5 folgt, dass Fi = Fi+1(α) mit αd ∈ Fi+1 ist. DaF =K[ζ] und ζn = 1, ist (∗) der gesuchte Turm von Korpern.

Sei nun umgekehrt f auflosbar. Wir wollen zeigen, dass G auflosbar ist. Nach8.9 genugt es zu zeigen, dass G Faktorgruppe einer auflosbaren Gruppe ist.Nach 19.10 reicht es, eine Galois-Erweiterung K ⊂ E mit auflosbarer Galois-Gruppe Gal(E/K) zu finden, so dass f uber E zerfallt, denn dann enthaltE einen Zerfallungskorper Z von f , so dass K ⊂ Z ⊂ E, und nach 19.10 ist

GalK(f) = Gal(Z/K) ≅ Gal(E/K)Gal(E/Z) .

Da f auflosbar ist, zerfallt f in einer Erweiterung K ⊂ Km von K mit fol-genden Eigenschaften

(1) Km =K[α1, . . . , αm](2) Zu jedem αi gibt es ein ri ∈ N, so dass αrii ∈K[α1, . . . , αi−1]

Nach 16.17 ist K ⊂Km einfach, d.h. es gibt ein γ ∈Km, so dass Km =K[γ].Sei g ∈K[X] das Minimalpolynom von γ und sei F ein Zerfallungskorper vong⋅(Xn−1), wobei n = r1⋅r2⋅. . .⋅rm. Wir durfen annehmen, dassKm =K[γ] ⊂ F .Sei G = σ1 = id, σ2, . . . , σk = Gal(F /K) und ζ ∈ F eine primitive n-teEinheitswurzel. Wir wahlen E als Galois-Abschluss von Km[ζ] in F . Danngilt nach 19.14

E =K[ζ, α1, . . . , αm, σ2(α1), . . . , σ2(αm), . . . , σk(α1), . . . , σk(αm)]106

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Wir adjungieren diese Elemente nacheinander an K und erhalten so einenTurm

K ⊂K[ζ] ⊂K[ζ, α1] ⊂ . . . ⊂K ′ ⊂K ′′ ⊂ . . . ⊂ E (∗∗)Dabei entsteht K ′′ aus K ′ durch Adjunktion eines σi(αj). Daσi(αj)rj = σi(αrjj ) ∈ σi(K[α1, . . . , αj−1]) =K[σi(α1), . . . , σi(αj−1)] ⊂K ′,

adjungieren wir die rj-te Wurzel eines Elementes aus K ′.

Da n = r1 ⋅ r2 ⋅ . . . ⋅ rm, enthalt K ′ eine rj-te primitive Einheitswurzel w.

K ′′ ist der Zerfallungskorper von Xri − (σi(αj))rj , denn σi(αj) ist eine Null-stelle inK ′′, die ubrigen sind von der Form wtσi(αj) ∈K ′′. Damit istK ′ ⊂K ′′

Galoiserweiterung. Nach 22.4 ist die Galoisgruppe zyklisch. Auch K ⊂ K[ζ]ist Galois mit Galoisgruppe (Z/n)∗ nach 21.10. Die Galois-Korrespondenzubertragt (∗∗) in einem Turm von Untergruppen

Gal(E/K) = G0 > G1 > . . . > G′ > G′′ > . . . > id.DaK ⊂K[ζ] undK ′ ⊂K ′′ Galois sind, folgt aus 19.10, dass G0▷G1 und G′▷G′′ mit G0/G1 ≅ Gal(K[ζ]/K) abelsch und G′/G′′ ≅ Gal(K ′′/K ′) zyklisch.Also ist Gal(F /K) auflosbar. ◻

23.6 Folgerung: Sei charK = 0 und f ∈ K[X] von Grad ≤ 4. Dann ist fauflosbar.

Beweis: Sei grad f = n und seien α1, . . . , αk die verschiedenen Nullstellenvon f in seinem Zerfallungskorper. Dann gilt k ≤ n. Nach 20.3 ist GalK(f)Untergruppe von Σk. Nach 8.3 ist Σk und damit GalK(f) fur k ≤ 4 auflosbar.◻

23.7 Satz: Fur n ≥ 5 gibt es Polynome f ∈ Q[X], die nicht auflosbar sind.

Es genugt, ein nicht auflosbares Polynom f vom Grad 5 zu finden. Denn mul-tiplizieren wir f mit einem beliebigen Polynom g vom Grad n > 0, erhaltenwir ein Polynom vom Grad n + 5, und es gilt nach 20.4

GalQ(f) = GalQ(f ⋅ g)GalZ(f ⋅ g) ,

wobei Z der Zerfallungskorper von f uber Q ist. Nach 8.5 ist dann auch f ⋅ gnicht auflosbar.

23.8 Satz: Sei p prim und f ∈ Q[X] irreduzibel vom Grad p. Hat f in C

genau zwei nicht-reelle Nullstellen, dann ist GalQ(f) ≅ Σp. Insbesondere istf fur p ≥ 5 nicht auflosbar.

107

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Fur den Beweis benotigen wir

23.9 Lemma: Sei p prim. Dann wird Σp von einer beliebigen Transpositionτ = (i, j) und einem beliebigen p-Zykel σ = (i1, . . . , ip) erzeugt.Beweis: Indem wir gegebenfalls umnummerieren, durfen wir annehmen dassτ = (1,2). Weiter schreiben wir σ so, dass 1 an der ersten Stelle steht σ =(1, i2, . . . , ip). Da p prim ist, ist ⟨σk⟩ = ⟨σ⟩ fur 1 ≤ k ≤ p−1. Fur ein geeignetesk gilt σk(1) = 2. Es genugt zu zeigen, dass σ′ = σk und τ ganz Σp erzeugen.Aber σ′ = (1,2, j3, . . . , jp). Indem wir j3, . . . , jp umnummerieren, genugt es zuzeigen, dass (1,2) und ρ = (1,2,3, . . . , p) ganz Σp erzeugen. Nun gilt

ρ τ ρ−1 = (2,3), ρ2 τ ρ−2 = (3,4), . . . , ρk τ ρ−k = (k + 1, k + 2)Aber die Elemente (i, i + 1), i = 1, . . . , p − 1 erzeugen Σp nach 7.7. ◻

Beweis 23.8: Sei Z ⊂ C der Zerfallungskorper von f und G = GalQ(f). Seiα ∈ Z eine Nullstelle von f . Da f irreduzibel ist, ist [Q[α] ∶ Q] = p. DaQ ⊂ Q[α] ⊂ Z, folgt p teilt [Z ∶ Q] = ∣G∣. Nach den Sylowsatzen enthalt G einElement der Ordnung p. Fassen wir G als Untergruppe von Σp auf, enthaltG somit einen p-Zykel.

Ist σ die komplexe Konjugation, dann vertauscht σ die beiden nicht-reellenNullstellen von f und lasst die ubrigen Nullstellen fest. Also ist σ ein Au-tomorphismus σ ∶ Z → Z und liegt in G. Damit enthalt G ein Element derOrdnung 2, d.h. eine Transposition.

Aus dem Lemma folgt, dass G = Σp. ◻

23.10 Beispiel: f =X5 − 6X + 3

3 teilt 6 und 3 und 32 teilt nicht 3. Damit ist f nach Eisensteins Kriterium

irreduzibel. Die Ableitung f ′ = 5X4−6 hat die reellen Nullstellen ± 4

√65. Damit

hat f hochstens zwei lokale Extrema. Da

f(−2) = −17 f(0) = 3 f(1) = −2 f(2) = 23hat f genau 3 reelle Nullstellen und damit genau 2 nicht-reelle (f hat alsirreduzibles Polynom aus Q[X] nur einfache Nullstellen). Es folgt: GalQ(f) ≅Σ5.

24 Konstruktion mit Zirkel und Lineal

24.1 Definition: Gegeben sei eine PunktmengeM der Ebene E. Wir sagenM ′ entsteht aus M durch einen Elementarschritt, wenn M ′ =M ⊔a, wobeia der Schnittpunkt

108

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(1) zweier verschiedener Geraden durch jeweils zwei Punkte aus M

(2) einer Geraden durch zwei Punkte von M mit einem Kreis um einenPunkt von M mit dem Abstand zweier Punkte aus M als Radius

(3) zweier solcher Kreis

ist.

z ∈ E heißt aus M mit Zirkel und Lineal konstruierbar, wenn es eine endlicheKette von Mengen M = M1 ⊂ M2 ⊂ . . . ⊂ Mr gibt mit z ∈ Mr und Mi+1 ausMi durch einen Elementarschritt entsteht.

Wir betrachten nur Mengen M mit mindestens zwei Elementen. Wir nenneneines der Elemente 0 und ein anderes 1 und identifizieren dadurch E mit demKorper C der komplexen Zahlen, also M ⊂ C.In der Einfuhrung in die Algebra wurde bereits gezeigt.

24.2 Satz: Fur die Menge KM der aus M konstruierbaren Elemente aus Cgilt:

(1) KM ist Unterkorper von C

(2) z ∈KM ⇒ z ∈KM

(3) z ∈KM ⇒√z ∈KM

24.3 Bezeichnung: Fur M ⊂ C ist M = z; z ∈M.Die folgenden beiden Ergebnisse wurden ebenfalls in der Einfuhrung in dieAlgebra gezeigt:

24.4 Satz: Sei M ⊂ C, 0,1 ∈ M . Sei K = Q(M ∪M) ⊂ C. Dann gilt: z ∈ Cist genau dann mit Zirkel und Lineal aus M konstruierbar, wenn es Korper

K = L0 ⊂ L1 ⊂ L2 ⊂ . . . ⊂ Lm ⊂ C

gibt, so dass z ∈ Lm und [Li ∶ Li−1] ≤ 2 fur i = 1, . . . ,m. ◻

24.5 Satz: SeienM und K wie in 24.4. Ist z ∈ C ausM konstruierbar, danngilt [K(z) ∶K] = 2t fur ein t ∈ N.Als Anwendungen wurde gezeigt (z.T. in Ubungsaufgaben)

24.6 Satz: (1) Die Quadratur des Kreises mit Zirkel und Lineal ist nichtmoglich.

109

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(2) Die Wurfelverdopplung ist mit Zirkel und Lineal nicht moglich, d.h. dieKantenlange eines Wurfel von doppeltem Volumen lasst sich nicht ausder Kantenlange des gegebenen Wurfels konstruieren.

(3) Der Winkel von 60 lasst sich nicht mit Zirkel und Lineal dritteln.

(4) Enthalt die Primfaktorzerlegung von n eine Primzahl, die keine Fer-mat’sche Primzahl ist, dann lasst sich das regulare n-Eck nicht mitZirkel und Lineal konstruieren.

(Zur Erinnerung: Die Zahl Fn = 22n+ 1 heißt n-te Fermat’sche Zahl. Ist Fn

prim, heißt Fn Fermat’sche Primzahl.)

In diesem Paragraphen wollen wir auf die Winkeldrittelung und die Konstruk-tion des regularen n-Ecks naher eingehen. Wir beginnen mit der Drittelungrationaler Winkel α = m

n⋅ 2π mit m ∈ Z und n ∈ N/0 .

In unseren Uberlegungen spielt die Euler’sche ϕ-Funktion eine große Rolle

ϕ ∶ N→ N, ϕ(n) = ∣k ∈ N/0;k ≤ n,ggT(k,n) = 1∣.Insbesondere gilt

ϕ(n) = ∣(Z/n)∗∣.Ist n = pr11 ⋅ p

r22 ⋅ . . . ⋅ p

pkk die Primfaktorzerlegung von n mit p1 < p2 < . . . < pk,

dann ist nach dem chinesischen Restsatz

Z/n ≅ Z/pr11 × . . . ×Z/prkkals Ring, und damit

(Z/n)∗ ≅ (Z/pr11 )∗ × . . . × (Z/prkk )∗.Es folgt

ϕ(n) = ϕ(pr11 ) ⋅ . . . ⋅ ϕ(prkk ).Nun ist fur p prim

ϕ(pr) = ∣k ∈ N/0;k ≤ pr, p ∤ k∣.Sei 0 < k ≤ pr. Dann ist k genau dann durch p teilbar, wenn

k ∈ p,2p,3p, . . . , pr−1 ⋅ p.Es folgt

ϕ(pr) = pr − pr−1 = (p − 1) ⋅ pr−1.Wir erhalten

110

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24.7 Sei n = pr11 ⋅ . . . ⋅ prkk die Primfaktorzerlegung von n. Dann gilt

ϕ(n) = k∏i=1

(pi − 1) ⋅ pri−1 = n ⋅ k∏i=1

(1 − 1

pi).

24.8 Satz: Ein rationaler Winkel mn⋅ 2π kann genau dann mit Zirkel und

Lineal gedrittelt werden, wenn 3 ∤ n ist.

Beweis:: Sei ω = cos(mn2π) + i sin(m

n2π) und ζ = cos(2π

n) + i sin(2π

n), also

ω = ζm. Wir mussen ω1

3 aus M = 0,1, ω konstruieren.α =

m

n⋅ 2π

ω

ω1

3

αα3

Da ggT (m,n) = 1 ist, ist ω primitive n-te Einheitswurzel. Es folgt Q(M) =Q(ω) = Q(ζ). Da ζ = ζn−1 ∈ Q(ζ), ist Q(M) = Q(M ∪M). Ist 3∣m, so ist

ω1

3 = ζm3 aus Q(M) konstruierbar.

Ist 3 ∤m, so ist ggT (m,3n) = 1. Da ζ 1

3 primitive (3n)-te Einheitswurzel ist,

ist auch ω1

3 eine primitive (3n)-te Einheitswurzel. Also ist ω1

3 genau dann

aus Q(M) konstruierbar, wenn ζ 1

3 aus Q(ζ) konstruierbar ist. AusQ ⊂ Q(M) = Q(ζ) ⊂ Q(ζ 1

3 )erhalten wir [Q(ζ 1

3 ) ∶ Q] = [Q(ζ 1

3 ) ∶ Q(ζ)] ⋅ [Q(ζ) ∶ Q].Ist ϕ die Euler’sche Phi-Funktion, ubersetzt sich diese Gleichung in

k ∶= [Q(ζ 1

3 ) ∶ Q(ζ)] = ϕ(3n)ϕ(n) .

Sei n = 3r ⋅l und 3 ∤ l. Dann gilt ϕ(n) = ϕ(3r) ⋅ϕ(l) und ϕ(3n) = ϕ(3r+1) ⋅ϕ(l),so dass

k =ϕ(3r+1)ϕ(3r) = 2 r = 0

3 r > 0,

111

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denn ϕ(pr) = (p − 1) ⋅ pr−1 fur jede Primzahl p.

Da Q(ζ) = Q(M ∪M) ist, folgt aus 24.4, dass ω1

3 genau dann aus 0,1, ωkonstruiert werden kann, wenn r = 0 ist. ◻

Wenden wir uns jetzt der Konstruktion regularer n-Ecke zu.

24.9 Bemerkung: Es gilt folgende Verallgemeinerung von Satz 24.8: Sei pprim. Dann kann ein rationaler Winkel m

n⋅ 2π genau dann mit Zirkel und

Lineal durch p geteilt werden, wenn p eine Fermat’sche Primzahl ist undp ∤ n.

Die Notwendigkeit dieser Bedingung folgt wie im Beweis von 24.8. BeimBeweis, dass diese Bedingung auch hinreichend ist, kann man wie im Beweisvon 24.12 vorgehen.

Wenden wir uns jetzt der Konstruktion regularer n-Ecke zu.

24.10 Aufgabe: (1) Ist das regulare n-Eck konstruierbar, dann ist auchdas regulare (2s ⋅ n)-Eck mit s ∈ N konstruierbar.

(2) Ist n = k ⋅ l mit k, l > 2 und ist das regulare n-Eck konstruierbar, dannist auch das regulare k-Eck und l-Eck konstruierbar.

(3) Sind das regulare k-Eck und das regulare l-Eck konstruierbar, und istggT(k, l) = 1, dann ist das regulare (k ⋅ l)-Eck konstruierbar.

Also genugt zu untersuchen, wann das regulare pk-Eck konstruiert werdenkann, wobei p > 2 eine Primzahl ist.

24.11 Aufgabe: Ist p eine Primzahl der Form p = 2s + 1, dann ist p eineFermat’sche Primzahl.

24.12 Satz: (Carl Friedrich Gauß, 1777-1855) Das regulare n-Eck ist genaudann mit Zirkel und Lineal konstruierbar, wenn n = 2s ⋅ p1 ⋅ . . . ⋅ pk, wobei piverschiedene Fermat’sche Primzahlen sind.

Beweis: Sei n = pk11 ⋅. . .⋅pktt die Primfaktorzerlegung von n. Das regulare n-Eck

ist genau dann konstruierbar, wenn jedes regulare (pkii )-Eck konstruierbar ist.Wir fragen uns also:

Wann ist das regulare pk-Eck, p prim, konstruierbar?

Sei ζ = cos (2πpk) + i sin (2π

pk). Wir mussen ζ aus Q konstruieren. Da

[Q(ζ) ∶ Q] = ϕ(pk) = (p − 1) ⋅ pk−1112

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nach 21.10 und 21.11 muss (p − 1) ⋅ pk−1 eine Potenz von 2 sein nach 24.5.Wir erhalten

Notwendige Bedingung:

(i) p = 2 oder

(ii) p > 2, k = 1, p − 1 = 2s, d.h. p = 2s + 1.

Dies ist nach 24.11 die Bedingung des Satzes.

Die Bedingung ist auch hinreichend: Nach 21.3 ist Q(ζ)/Q Galois-Erweiterung. Die Galoisgruppe G ist eine 2-Gruppe, da

∣G∣ = [Q(ζ) ∶ Q] = 2s.Nach den Sylowsatzen gibt es einen Turm von Untergruppen

id = U0 < U1 < . . . < Us = G

mit ∣Ui∣ = 2i. Damit erhalten wir Zwischenkorper

Q = Q(ζ)G ⊂ Q(ζ)Us−1 ⊂ . . . ⊂ Q(ζ)U0 = Q(ζ),und nach 18.13 und 19.6 gilt

[Q(ζ)Ui ∶ QUi+1] = [Ui+1 ∶ Ui] = 2.Nach 24.4 ist ζ aus Q konstruierbar. ◻

Fermat vermutete 1650, dass alle Fermat’schen Zahlen prim sind. Das istrichtig fur F0 = 3, F1 = 5, F2 = 17, F3 = 257, F4 = 65537, aber F5 = 641⋅6700417,wie Euler 1732 zeigte.

Außer F0, . . . , F4 sind keine weiteren Fermat’schen Primzahlen bekannt.

24.13 Kurze Geschichte der Konstruktionen:

Euklid (∼325-265 v.Chr.) kannte die Konstruktionen von Dreieck, Quadratund regularem 5-Eck.

Erchinger konstruierte auf der Basis der Ergebnisse von Gauß um 1800 herumdas regulare 17-Eck.

Richelot und unabhangig davon Schwendenwein konstruierten gegen 1890 das257-Eck.

Hermes beschaftigte sich um 1900 ganze 10 Jahre lang mit der Konstruktiondes 65537-Ecks, fuhrte sie aber nicht durch.

Bishop hat 1978 die Konstruktion computerisiert.

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25 Einfache Erweiterungen

In 16.15 und dessen Beweis (s. 16.16) haben wir gezeigt

25.1 Satz: Ist F = K[α1, α2, . . . , αr] endliche Erweiterung von K und sindα2, . . . , αr separabel uber K, dann gibt es ein

γ = α1 + c2α2 + . . . + crαr mit ci ∈K,

so dass F =K[γ].Wie findet man ein solches primitives Element γ? Wir zeigen

25.2 Satz: Sei K ⊂ F = K[α1, α2, . . . , αr] eine endliche Galois-Erweiterung(insbesondere sind alle αi separabel uber K), und sei

γ = α1 + c2α2 + . . . + crαr mit ci ∈K.

Gilt fur alle σ ≠ id aus Gal(F /K), dass σ(γ) ≠ γ, dann ist γ primitiv, d.h.F =K[γ].Beweis: K ⊂ K(γ) ⊂ F . Nach 19.6 ist K(γ) Fixkorper einer Untergruppevon Gal(F /K). Da aber id der einzigeK-Automorphismus ist, der γ festlasst,folgt K(γ) = F id = F . ◻

25.3 Beispiel: Q ⊂ Q[√2,√3].dimQQ[√2,√3] = 4, denn X2 − 2 ist das Minimalpolynom von

√2 uber Q,

und X2 − 3 das Minimalpolynom von√3 uber Q[√2] (warum?). Da beide

Polynome in Q[√2,√3] zerfallen und separabel sind, ist Q ⊂ Q[√2,√3]Galois. Die Galoisgruppe G ist

G = ⟨σ⟩ × ⟨τ⟩ ≅ Z/2 ×Z/2mit σ(√2) = −√2 τ(√2) =√2

σ(√3) = √3 τ(√3) = −√3γ =√2 +√3 ist primitiv, denn

σ(γ) = −√2 +√3 ≠ γ

τ(γ) = √2 −√3 ≠ γ

σ τ(γ) = −√2 −√3 ≠ γ.

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26 Der Fundamentalsatz der Algebra

Wir wollen in diesem Abschnitt den Fundamentalsatz der Algebra bewei-sen. Bis heute ist kein rein algebraischer Beweis bekannt. In unserem Beweismachen wir Anleihen aus der Analysis, die aber von sehr elementarem Cha-rakter sind: Sie folgen direkt aus dem Zwischenwertsatz, der allerdings dasVollstandigkeitsaxiom voraussetzt.

26.1 Anleihen aus der Analysis:

(1) Zu a ≥ 0 aus R existiert√a ∈ R.

(2) Jedes Polynom f von ungeradem Grad hat eine reelle Nullstelle.

26.2 Theorem: C ist algebraisch abgeschlossen.

Beweis: C ist der Zerfallungskorper von X2 + 1 ∈ R[X]. Sei i Nullstelle vonX2+1, so dass C = R[i]. Nach 14.12 genugt es zu zeigen, dass jedes f ∈ R[X]uber C in Linearfaktoren zerfallt.

Behauptung: Sei z = a + bi ∈ C, a, b ∈ R. Dann existiert√z in C.

Beweis: Nach Anleihe 26.1 existieren

c = ±

√a +√a2 + b2

2d = ±

√−a +

√a2 + b2

2

c2 − d2 = a, (2cd)2 = b2. Wir wahlen die Vorzeichen von c und d so, dass cdund b dasselbe Vorzeichen haben. Dann gilt

(c + di)2 = c2 − d2 + 2cdi = a + bi = z.Sei nun f ∈ R[X] und Z der Zerfallungskorper von f ⋅ (X2 + 1). Wir mussenzeigen, dass Z ⊂ C. Da charR = 0, ist f ⋅(X2+1) separabel. Also ist R ⊂ Z eineGaloiserweiterung. Sei G die Galoisgruppe und H < G eine 2-Sylowgruppe.

Sei L = ZH . Dann gilt nach Theorem 19.6

[G ∶H] = [ZH∶ ZG] = [L ∶ R].

Also ist dimRL ungerade. Nach 16.15 gibt es ein α ∈ L mit L = R[α].Der Grad des Minimalpolynoms g von α ist ungerade; damit hat das Mini-malpolynom eine reelle Nullstelle. Da g irreduzibel ist, ist es linear. Es folgtL = R und damit G =H.

Da R ⊂ C ⊂ Z, ist Gal(Z/C) eine 2-Gruppe. Angenommen Gal(Z/C) ≠ id,dann besitzt Gal(Z/C) nach den Sylowsatzen eine Untergruppe N vom Index

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2. Der Korper ZN hat damit den Grad 2 uber C, d.h. ZN = C[β], wobei βNullstelle eines quadratischen Polynoms in C[X] ist. Nach Behauptung 1liegen diese Nullstellen bereits in C, so dass ZN = C, ein Widerspruch zudimCZN = 2. Es folgt Gal(Z/C) = id und damit Z = C. ◻

26.3 Folgerung: (1) C ist der algebraische Abschluss von R

(2) Der Korper A der algebraischen Zahlen ist ein algebraischer Abschlussvon Q.

Beweis: (1) folgt direkt aus der Definition des algebraischen Abhschlusses.

(2) folgt aus 14.11 und 14.12. ◻

Teil V

Anhang

27 Der Basissatz fur abelsche Gruppen

Ziel des Anhangs ist der Beweis des folgenden Satzes:

27.1 Basissatz fur abelsche Gruppen: Eine endlich erzeugte abelscheGruppe ist ein Produkt zyklischer Gruppen. Genauer gibt es ein r ∈ N undZahlen τ1, . . . , τk ∈ N/0, so dass

G ≅ Zr ×Z/τ1 ×Z/τ2 × . . . ×Z/τk,wobei τ1∣τ2∣ . . . ∣τk.27.2 Lemma: Ist ϕ ∶ G→H ein Epimorphismus von Gruppen mit Kern Kund sind K und H endlich erzeugt, dann ist auch G endlich erzeugt.

Beweis: Sei K = ⟨A⟩ und H = ⟨B⟩. Zu jedem b ∈ B wahlen wir ein c ∈ G mitϕ(c) = b.G zerfallt in Aquivalenzklassen x = x ⋅K. Drucke x als Produkt von b’s ausB aus; sei y ∈ G das entsprechende Produkt der c. Dann ist y ⋅K = x ⋅K, weilx = y. Also ist jedes Element aus g als Produkt von Elementen aus C undaus A (und deren Inversen) darstellbar, d.h.

G = ⟨A ∪B⟩ mit ∣A ∪B∣ = ∣A∣ + ∣B∣.◻

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27.3 Lemma: Jede Untergruppe U von Zn hat ein Erzeugendensystem mithochstens n Elementen.

Beweis: Induktion nach n.

Jede Untergruppe von Z wird von einem Element erzeugt.

Induktionsschritt: Sei U Untergruppe von Zn. Betrachte

Z // Znp

// // Zn−1

∪ ∪

Up

// // V

p(x1, . . . , xn) = (x2, . . . , xn) hat KernZ. Sei V = p(U) und p = p∣U ∣. Dann istKernp = Z ∩ U . Da V von hochstens n − 1 und Z ∩ U von hochstens einemElemente erzeugt wird, wird U nach 27.2 von hochstens n−1+1 = n Elementenerzeugt. ◻

Sei nun G eine abelsche Gruppe, erzeugt von g1, . . . , gn ∈ G. Dann ist

ZnϕÐ→ G,

definiert durch ϕ(ei) = gi, surjektiv, wobei ei = (0,0, . . . ,1,0, . . . ,0). Dannwird Kernϕ = K ⊂ Zn nach 27.3 von m Elementen k1, . . . , km mit m ≤ nerzeugt.

Seid ∶ Zm Ð→ Zn

definiert durch ei ↦ ki ∈K ⊂ Zn. Wir erhalten eine sog. exakte Sequenz.

ZmdÐ→ Zn

ϕÐ→ GÐ→ 0

d ist bzgl. der Standardbasen durch eine (n ×m)-Matrix M(d) mit Koeffi-zienten aus Z gegeben. Wir wollen M(d) durch Zeilen- und Spaltentransfor-mationen diagonalisieren: Sei

(1) Sei F nij die Matrix, die aus der Einheitsmatrix En durch Vertauschen

der i-ten mit der j-ten Zeile entsteht.

(2) Gni die Matrix, die aus En durch Multiplikation der i-ten Zeile mit -1

entsteht.

(3) Enij(r), die Matrix, die aus En dadurch entsteht, dass auf Position (i, j),

i ≠ j, die 0 durch r ∈ Z ersetzt wird.

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Da det(F nij) = −1, det(Gn

i ) = −1 und det(Eij(r)) = 1, haben diese Matrizenganzzahlige Inverse und definieren Isomorphismen

Zn Ð→ Zn.

27.4 Lemma: Sei M eine (n ×m)-Matrix. Dann gilt

(1) M ⋅ Fmij entsteht aus M durch Vertauschen von i-ter und j-ter Spalte

(2) F nij ⋅M entsteht aus M durch Vertauschen von i-ter und j-ter Zeile

(3) M ⋅Gmi entsteht aus M durch Multiplikation der i-ten Spalte mit -1.

(4) Gni ⋅M entsteht aus M durch Multiplikation der i-ten Zeile mit -1.

(5) M ⋅Emij (r) entsteht ausM durch Addition der r-fachen der i-ten Spalte

zur j-ten

(6) Enij(r) ⋅M entsteht aus M durch Addition der r-fachen der j-ten Zeile

zur i-ten

Beweis von 27.1:Wir bringen durch Zeilen- und Spaltenoperationen unsereMatrix M(d) = (aij) auf die Form

⎛⎜⎜⎜⎜⎜⎜⎜⎝

τ1

BBBB

BBBB

BB

0

0τk

_____

0 0

⎞⎟⎟⎟⎟⎟⎟⎟⎠mitτ1∣τ2∣ . . . ∣τk

Ist M(d) = (0) sind wir fertig. Sonst bringen wir sie in die Form

C =

⎛⎜⎜⎜⎜⎜⎝

τ1

0 . . . 0______

0

⋮ (dij)0

⎞⎟⎟⎟⎟⎟⎠, so dass τ1∣dij ∀i, j

und iterieren.

Durch Zeilen- und Spaltenvertauschen erreichen wir, dass a11 ≠ 0 und vonminimalem positiven Betrag ist.

Gibt ein a1j, so dass a11 ∤ a1j , teilen wir mit Rest

a1j = q ⋅ a11 + r1

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Dann ziehen wir das a11-fache der ersten Spalte von der j-ten ab und tauschendie erste mit der j-ten Spalte. Wir erhalten eine neue Matrix (bij) mit 0 <∣b11∣ = ∣r1∣ < ∣a11∣.Wir fuhren den entsprechenden Prozess fur die erste Zeile durch und iterierensolange, bis das neue a11 alle anderen a1j teilt.

Dann ziehen wir geeignete Vielfache der ersten Spalte von den ubrigen ab umin der ersten Zeile, außer an Position (1,1) Nullen zu erzeugen.Entsprechendverfahren wir mit der ersten Spalte.

Wir erhalten eine Matrix der Form C ohne die Zusatzbedingung. Gibt esein dij, so dass c11 ∤ dij addieren wir die i-te Zeile zur ersten und beginnenwieder wie oben.

Wir fahren fort, bis wir die gewunschte Form D haben.

D = A ⋅M ⋅B A ∈Mn,n(Z), B ∈Mm,m(Z)Wir erhalten

Zm

M //

≅ B−1

Znϕ

//

≅ A

G

ψ

ZmD // Zn

p// Zn/BildD =H

wobei ψ(g) = A(z) mit ϕ(z) = g.ψ ist wohldefiniert: Denn sei ϕ(z1) = ϕ(z2), also z1 = z2 + kmit k ∈ Kernϕ,folgt

A(z1) = A(z2 + k) = A(z2) +A(k)Dann ∃w ∈ Zm mit M(w) = k. Es folgt A ⋅M(w) =D ⋅B−1(w) also

A(k) =D ⋅B−1(w) = 0.Da A und B−1 Isomorphismen sind, ist ψ ein Isomorphismus. Es folgt

G ≅ Z/τ1 ⊕Z/τ2 ⊕ . . .⊕Z/τm ⊕Zn−m.

(Es kann sein, dass einige der τi = 0 sind.)

27.5 Bemerkung: Der Beweis des Basissatzes macht nur vom euklidischenRestesatz Gebrauch und lasst sich daher verbatim auf Moduln uber euklidi-schen Ringen ubertragen. Die einzige Anderung ist, dass man Matrizen Gn

i (c)zulasst, die aus En durch Multiplikation der i-ten Zeile mit einer Einheit centsteht.

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Wir erhalten dann folgenden Satz:

27.6 Satz: Sei R ein euklidischer Ring und M ein endlich erzeugter R-Modul. Dann gibt es ein r ∈ N und Elemente q1, . . . qk in R, so dassq1∣ q2∣ . . . ∣qk, sowie einen R-linearen Isomorphismus

M ≅ Rr⊕R/(q1)⊕ . . .⊕R/(qk)

27.7 Bemerkung: Satz 27.6 gilt auch fur Hauptidealringe, der Beweis istaber komplizierter.

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