Kosmische Strahlung und ausgedehnte Luftschauer · Anderson und Millikan mit einer Nebelkammer das...

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Fortgeschrittenenpraktikum f¨ ur Bachelorstudenten der Physik Kosmische Strahlung und ausgedehnte Luftschauer Januar 2018 Voraussetzungen Kosmische Strahlung Photomultiplier NIM-Elektronik ˇ Cerenkov-Effekt Versuchsziel Elektronikaufbau Detektor-Charakterisierung Koinzidenzlangzeitmessung Absorptionsmessung Winkelmessung

Transcript of Kosmische Strahlung und ausgedehnte Luftschauer · Anderson und Millikan mit einer Nebelkammer das...

Fortgeschrittenenpraktikum fur Bachelorstudenten der Physik

Kosmische Strahlung und ausgedehnte Luftschauer

Januar 2018

Voraussetzungen

• Kosmische Strahlung

• Photomultiplier

• NIM-Elektronik

• Cerenkov-Effekt

Versuchsziel

• Elektronikaufbau

• Detektor-Charakterisierung

• Koinzidenzlangzeitmessung

• Absorptionsmessung

• Winkelmessung

Inhaltsverzeichnis

Inhaltsverzeichnis

1. Vorwort 3

2. Geschichte 4

3. Theorie 53.1. Kosmische Strahlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 53.2. Atmospharische Schauer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6

3.2.1. Atmosphare . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 63.2.2. Reaktion mit der Atmosphare . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6

3.3. Akzeptanz und Messrate . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 93.3.1. Myonenfluss auf Meereshohe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9

3.4. Der Cerenkov-Effekt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12

4. Aufbauten 154.1. Uberblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 154.2. Photomultiplier . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 164.3. Verstarkung des PMT-Pulses . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 184.4. NIM-Bauteile . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 194.5. Koinzidenzschaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 204.6. USB DAQ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 214.7. Poisson-Statistik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 224.8. Crate-Ansicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 224.9. Umgang mit dem Oszilloskop . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25

5. Versuchsdurchfuhrung 275.1. Grundaufbau . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 275.2. Vormessungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 305.3. Koinzidenzmessung und Fluss . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 315.4. Messung der Winkelabhangigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 315.5. Einfluss der Abschirmung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 325.6. Auswertung der Messdaten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 32

A. Pierre Auger Observatorium 34A.1. Ultra-hoch-energetische kosmische Strahlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 34A.2. Das Pierre Auger Observatorium . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 35A.3. Geplantes Upgrade . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 37

B. IceCube 38B.1. Nachweis von Neutrinos . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 38B.2. IceCube Neutrino Observatorium . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 40B.3. Nachweis extraterrestrische Neutrinos . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 42

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1. Vorwort

Ziel dieses Praktikumsversuchs ist die Messung kosmischer Strahlung unter Ausnutzung des Cerenkov-Effekts. Hierbei soll der Umgang mit Teilchendetektoren und der zugehorigen Messelektronik erlernt wer-den. Daruber hinaus soll ein Grundverstandnis in den Gebieten kosmischer Strahlung und ausgedehnterLuftschauer entwickelt werden.

Am ersten Messtag soll sich mit der Elektronik und den Messmethoden vertraut gemacht und einigeKalibrationsmessungen durchgefuhrt werden. Hieran schließen sich uber Nacht und am nachsten Tag ver-schiedene Messungen und Versuchsszenarien wie z.B. die Messung des Zusammenhangs von Zenitwinkelund Myonrate an.

Dieser Versuch reiht sich grundsatzlich in andere Versuche zur Teilchenphysik im Rahmen des Fortge-schrittenenpraktikums ein, stellt jedoch den derzeit einzigen dar, welcher wie das Pierre Auger-Observatoriumin Argentinien oder Super-Kamiokande in Japan speziell den Cerenkov-Effekt zum Teilchennachweisnutzt, anstatt auf teure Szintillationsmaterialien zuruckzugreifen.

Von besonderem Interesse an diesem Versuch ist die Messung kosmischer Myonen. Hier ergibt sich eineder seltenen Situationen, in denen unmittelbar der Einfluss der speziellen Relativitatstheorie zu Tagetritt.

Durch ihre kurze mittlere Lebensdauer von τµ = 2.2µs bedingt, wurden Myonen klassisch nach nichteinmal 700 m zerfallen. Erst die relativistische Zeitdilatation sorgt dafur, dass viele Myonen vor demZerfall Kilometer weit fliegen und so schließlich am Erdboden messbar sind.

Abbildung 1.1.: Skizze der durch kosmische Strahlung induzierten Sekundarstrahlung eines ausgedehntenLuftschauers. Qualitativ konnen die Schauerkomponenten in eine elektromagnetische,eine hadronische und eine myonische Komponente unterteilt werden [6].

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Kapitel 2. Geschichte

2. Geschichte

Anfang des 19. Jahrhunderts, kurz nach der Entdeckung der Radioaktivitat, wurden unterschiedliche Ver-suche unternommen, die durchdringende, ionisierende Strahlung auf der Erde zu untersuchen. Mithilfe vonElektrometern und Nebelkammern konnte die Strahlungsintensitat indirekt quantifiziert werden. Elektro-meter nutzen hierzu die unterschiedliche Leitfahigkeit von Luft bei verschieden intensiver, ionisierenderStrahlung. Bei Nebelkammern bilden sich Kondensationskeime in einem ubersattigten Gasgemisch an– durch Strahlung ionisierten – Molekulen, wodurch die Teilchenspur sichtbar wird. Dies erlaubt daruberhinaus aus dem Spurverlauf qualitative Ruckschlusse auf die Teilchenart zu ziehen.

Die vorherrschende Vorstellung war, dass radioaktive Teilchen in der Erdkruste (und einige wenige inder Atmosphare) allein die bis dahin gemessene Strahlung erzeugten, die in zunehmender Hohe, wievon Rutherford mit abschirmenden Materialien getestet, absorbiert werden sollte. Diese Annahme wurdezunachst 1910 durch den Physiker Theodor Wulf qualitativ bestatigt. In einem Experiment auf demEifelturm maß er - mithilfe eines Zweifadenelektrometers - ungefahr eine Halbierung der Ionisationsratezwischen Bodenhohe und Turm (etwa 300 m). Diese Absorption entsprach qualitativ der Erwartung furerddominierte Strahlung, tatsachlich jedoch hatte man eine starkere Abschwachung erwartet. Zwei Jahrespater, 1912, unternahm der osterreichische Physiker Viktor Hess einen Ballonflug mit Elektrometern zurMessung der Ionisationsrate in großeren Hohen.

Hierbei stieg er bis 5000 m auf und maß ab 1500 m tatsachlich wieder einen Anstieg der Ionisationsra-te. Aus dem ansteigenden Verlauf folgerte er, dass die Quelle der von ihm gemessenen Strahlung nichtterrestrisch sein konnte und

”taufte“ diese

”kosmische Strahlung“. Fur ihre Entdeckung wurde er 1936

mit dem Nobelpreis der Physik ausgezeichnet. Tatsachlich maß Hess die Sekundarstrahlung, ionisierendeStrahlung aus Luftschauern, die durch den Aufprall hochenergetischer, kosmischer Strahlung auf die At-mosphare entstehen (vergleiche Abb. 1.1). Dies wurde klar, nachdem der Physiker Johann Pfotzer 1936,bei Ballonflugen in sehr großen Hohen, ein Strahlungsmaximum in etwa 15 km Hohe ausmachen konnte.Sieben Jahre zuvor hatten Bothe und Kohlhorster bereits versucht, in Koinzidenzmessungen mit Blei-und Goldabsorbern die Natur der Strahlung zu ermitteln, wobei sie feststellten, dass das Durchdringungs-vermogen viel hoher als das von Gammastrahlung war. Es musste sich also um andersartige Strahlunghandeln. Tatsachlich sind Myonen geladene Teilchen der Leptonen-Familie und nicht Photonen. Sie ent-stehen hauptsachlich beim Zerfall von Pionen und Kaonen, welche wiederum Reaktionsprodukte aus derWechselwirkung der hochenergetischen kosmischen Primarstrahlung mit der Atmosphare sind. Die inAbb. 1.1 dargestellten Zerfalle sind schematisch zu verstehen, tatsachlich bilden sich je nach Energiedes auslosenden Primarteilchens große Schauerkaskaden mit resultierenden Luftschauerradien mehrererKilometer.

In diesen Jahren unternahm zudem A.H. Compton weltweit diverse Expeditionen zur Messung von Kor-relationen zwischen der Strahlungsintensitat und den Ortskoordinaten. Hierbei entdeckte er einen Zusam-menhang zwischen den Aquipotentiallinien des Erdmagnetfelds und der gemessenen Intensitat, worauser schloss, dass es sich bei der Primarstrahlung um geladene Teilchen handeln musste. 1930 entdecktenAnderson und Millikan mit einer Nebelkammer das Positron (Anderson erhielt dafur den Nobelpreis imJahre 1936). 1937 entdeckten Anderson und Neddermayer schließlich das Myon.

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3. Theorie

3.1. Kosmische Strahlung

Kosmische Strahlung (KS ) besteht aus geladenen Teilchen, die innerhalb der Milchstraße oder auch au-ßerhalb erzeugt und auf hohe Energien beschleunigt werden. Die Erde wird von diesen Teilchen permanentbestrahlt. Wenn ein energiereiches Teilchen der KS in die Atmosphare eindringt, entstehen bei der Kolli-sion mit einem Stickstoff- oder Sauerstoffatom neue Teilchen, die sich wegen der hohen Ursprungsenergiein Richtung des Primarteilchens weiterbewegen und ihrerseits wechselwirken oder zerfallen, sodass sichein ausgedehnter Luftschauer bildet. Einige Sekundarteilchen erreichen den Erdboden und konnen dortdetektiert werden. Bis in die zweite Halfte des 20. Jahrhunderts war die KS die einzige Moglichkeit, umhochenergetische Teilchenphysik zu betreiben und neue Elementarteilchen zu entdecken.

Die primare Strahlung kann bis etwa 100 TeV mit Ballon- und Satellitenexperimenten direkt gemessenwerden. Da die Rate der Teilchen stark abnimmt, ist man ab dieser Energie auf große Nachweisflachenund lange Messzeiten angewiesen. Dies wird durch erdgebundene große Experimente realisiert, die durchMessung der Sekundarteilchen auf indirekte Weise die KS nachweisen.

Was kann man bei der Messung der Myonen auf der Erde herausfinden?

PeV EeV

ATIC

PROTON

Auger SD 2008

HiRes I

HiRes-MIA

Tibet Asg (SIBYLL 2.0)KASCADE-Grande (prel.)KASCADE (SIBYLL 2.0)KASCADE (QGSJET 01)

RUNJOB HiRes II

Equivalent c.m. energy (GeV)√spp

Energy (eV/particle)

HERA (γ - p)RHIC (p-p)

LHC (p-p)Tevatron (p-p)

1019

Sca

led

flux

E2.

5 J

(E)

(m

-2 s

ec-1 s

r-1 e

V1

.5)

1017

1018

1016

1015

1014

1013

1013

1014 1015 1016 1017 1018 1019 1020

102 103 104 105 106

1012

J(E)∝E−γ

TeV

whereby γ ≈ 2.7 – 3.0 galactic

extra-galactic

Knee1 particle

per m² & year

Ankle1 particle

per km² & year

Abbildung 3.1.: Das Spektrum der KS. Die differentielle Teilchenflussdichte als Funktion der Energie [21].Fur die bessere Darstellung des Spektrums wurde die Flussdichte mit E2.5 multipliziert.

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Kapitel 3. Theorie

3.2. Atmospharische Schauer

Die Wechselwirkung der primaren KS mit den Atomkernen der Atmosphare erzeugt eine Teilchenkaskadeaus einer Vielzahl von Sekundarteilchen, die sich in drei Komponenten unterteilen lassen: hadronische,elektromagnetische und myonische. Die Form und die Zusammensetzung des Schauers, sowie Anzahl derSekundarteilchen hat einen stochastischen Charakter, der Durchschnitt ist aber von der Energie und Artdes Primarteilchens sowie Dichteprofil der Atmosphare abhangig. Das Projekt mit der großten Nachweis-flache zur Untersuchung von hochstenergetischen KS ist das Pierre-Auger-Observatorium, bestehend auseinem Array von Wasser-Cerenkov-Detektoren und Fluoreszenzteleskopen (fur Interessierte: Im AnhangA und B findet man eine nahere Erlauterung, wie beim Pierre-Auger-Observatorium und beim Neutrino-Observatorium IceCube kosmische Teilchen mittels des Cerenkov-Effekts nachgewiesen werden und wiesodiese beiden Experimente so wichtig sind fur das Fachgebiet der Astroteilchenphysik).

3.2.1. Atmosphare

Die ersten Wechselwirkungspartner der KS auf der Erde sind die Atomkerne der oberen Atmosphare. DieDichte der Atome und entsprechend die Wechselwirkungswahrscheinlichkeit andert sich mit der Hohe. DasDichteprofil in geringer Hohe kann aus der barometrischen Hohenformel wie folgt approximiert werden:

ρ(h) = ρ0 · exp

(− h

h0

), (3.1)

mit ρ0 ' 1.35 kg/m3, h0 ' 7.25 km und h Meereshohe in km. Eine fur die atmospharischen Schauerrelevante Große ist die sogenannte atmospharische Tiefe X:

X(h) =

∞∫h

dh ρ(h) = ρ0h0 · exp

(− h

h0

)(3.2)

Die Atmosphare hat eine mittlere Tiefe von etwa 1030 g/ cm2. Fur homogene Stoffe gilt X = ρ · h, soentsprechen ca. 90 cm Blei oder 10 m Wasser derselben Tiefe.Der lokal herrschende atmospharische Druck kann auch naherungsweise in die atmospharische Tiefe um-gerechnet werden: p

hPa = Xg/ cm2 · g

m/ s2 · 0.1, mit Fallbeschleunigung g ' 9.81 m/ s2.

3.2.2. Reaktion mit der Atmosphare

Die Teilchenschauer werden in hadronische, elektromagnetische, myonische und Neutrino-Komponentenje nach Teilchensorte und Reaktionsmechanismus, wie in Abbildung 3.2 dargestellt, unterteilt.

Hadronische Kaskade

Die am haufigsten auf die Atmosphare treffenden Teilchen sind Protonen. Sie wechselwirken bei einemStoß mit den Luftatomkernen inelastisch unter Bildung von hochenergetischen Kernfragmenten, Pionen,Kaonen, Protonen, Neutronen und anderen baryonischen Sekundarteilchen, oder uber Ionisationsprozesse.Dabei verliert das Primarteilchen einen Großteil der Energie an die Sekundarteilchen in inelastischenStoßen. Die Entwicklung der Kaskade hangt von da an von einer Vielzahl von Prozessen ab. Die stabilenTeilchen propagieren weiter, bis sie einen Wechselwirkungspartner treffen, wofur die Wahrscheinlichkeitin der nach unten immer dichteren Atmosphare steigt. Die instabilen Teilchen, vor allem Kaonen undPionen, konnen außerdem unterwegs zerfallen.

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3.2. Atmospharische Schauer

Abbildung 3.2.: Die wichtigsten Prozesse der Teilchen in Luftschauern. Bei Neutrinos ist die Ladungspa-ritat vernachlassigt [13].

Wichtigste Zerfallsprozesse sind (νl− Neutrino, νl+ Antineutrino ):

π0 → γ + γ

π± →µ± + νµ∓

K± →µ± + νµ∓

µ± → e± + νe∓ + νµ±

Im Durchschnitt bilden sich ≈ 90% Pionen und ≈ 10% Kaonen. Geladene Pionen und Kaonen zerfallenzu Myonen und Neutrinos, die praktisch nicht mehr zur Kaskade beitragen. Neutrale Pionen zerfallenquasi instantan in Photonen und tragen damit maßgeblich zur Bildung der elektromagnetischen Kaskadebei.

Elektromagnetische Kaskade

Die bereits erwahnten Elektronen der primaren KS, sowie die in hadronischen Kaskaden entstandenenElektronen und Positronen, verlieren in der Atmosphare ihre Energie. Die dominanten Prozesse sindIonisation, Annihilation des Positrons und Bremsstrahlung. Die dabei entstehenden Photonen ubernehmeneinen großen Anteil der Energie. Die energiereichen Photonen wechselwirken oberhalb einiger MeV meistin Form von Paarerzeugung. Dabei bilden sich ein Elektron und ein Positron, die zu gleichen Teilen dieEnergie des Photons tragen.

Die beiden Prozesse gehen in einander uber und bilden so die elektromagnetische Kaskade, wie in Ab-bildung 3.3 dargestellt. Sie kann sowohl durch ein Elektron, als auch ein Photon induziert werden. Inseltenen Fallen kann eine harte Wechselwirkung mit einem Luftatomkern eine hadronische Subkaskadewieder induzieren.

Myonen und Neutrinos

Instabile Teilchen der hadronischen Komponente – meist Pionen – zerfallen in dunneren Atmospharen-schichten ehe sie wechselwirken konnen. So entstehen Myonen und Neutrinos in großer Hohe, wobei dieNeutrinos den Kaskadenprozess verlassen, da sie große Materialtiefen ohne Wechselwirkung durchdringenkonnen [5]. Die Myonen wechselwirken im Vergleich zu anderen Schauerkomponenten selten.

Die Zusammensetzung und Geometrie des Schauers andert sich mit der Hohe uber dem Meeresspiegel.

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Kapitel 3. Theorie

Absorber (Luft)

e-

e-e -

e+

e+e+

e+

e-

e-e-

e-

e+

e-e+

γ

γγ

γ

γ

γ

γ

γγ

e- e-

γγ

Z(p+e-

1. 2. 3. 4. 5.Kaskade

)

Abbildung 3.3.: Schematische EM-Kaskade.

γ

γ

Ze+ e−

e−

e

γ

Ze+

e+

e−

Abbildung 3.4.: Feynman-Graphen der (a) Bremsstrahlung und (b) Paarproduktion bei einer EM-Kaskade.

Obwohl unter den Teilchen mit Energien kleiner als 1 GeV die Myonen die meisten sind, erreichen auchTeilchen aus den hadronischen und elektromagnetischen Komponenten die Detektoren [1], sodass die ge-messene Myonrate ohne Unterscheidung der Teilchensorte im Bereich von wenigen Prozent uberschatztwerden kann. Die Schauerfront besitzt bei der Ankunft am Boden eine sehr geringe Dicke in der Großen-ordnung von einem Meter und eine energieabhangige horizontale Ausdehnung. Bei hochsten Energien derPrimarteilchen kann diese viele hundert Meter erreichen, wie in der Abbildung 3.5 dargestellt ist.

Abbildung 3.5.: Simulationen der ankommenden Teilchen am Pierre-Auger-Observatorium. Es sind (a)Teilchenspuren und (b) die Schauerfront dargestellt. Einzelne Bodendetektoren sind imDreiecksmuster mit der Seitenlange von 1.5 km angeordnet [15][16].

Myon-Zerfall

Die Strahlung auf Meereshohe besteht ab einigen GeV uberwiegend aus Myonen [1]. Wie in dem Ab-schnitt 3.2.2 angefuhrt, zerfallt ein Myon stets in ein Elektron oder Positron und zwei Neutrinos, mit denFeynman-Diagrammen in Abbildung 3.6.

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3.3. Akzeptanz und Messrate

µ−

W −

µν

eνe− W + e+

µν

µ +

Abbildung 3.6.: Feynman-Graphen des Zerfalls von einem (a) negativen und (b) einem positiven Myon.

Die mittlere Lebensdauer der Myonen betragt τµ ' 2.197·10−6 s, die von Licht in dieser Zeit zuruckgelegteWegstrecke betragt cτ ' 659 m. Dass die Myonen trotzdem einige Kilometer der Atmosphare durchdrin-gen konnen, ist relativistisch zu erklaren. Wegen der Zeitdilatation muss bei einer Geschwindigkeit nahec z.B. v ' 0.998 · c die Strecke mit Lorenzfaktor γ gewichtet werden:

s = v · τ · γ = v · τ · 1√1−

(vc

)2 ' 10.5 km ,

so zerfallt ein Teil der Myonen erst nah am Boden. Aus der Zeitmessung der Elektronen- und Positro-nensignale von im Aufbau gestoppten Myonen kann die Lebensdauer der Myonen bestimmt werden, wasz.B. im Versuch 11 des Laborpraktikums im Masterstudiengang durchgefuhrt wird.

3.3. Akzeptanz und Messrate

Die Besonderheiten der Geometrie und des Messverfahrens des Aufbaus mussen ausreichend beruck-sichtigt werden, um eine zufriedenstellende Interpretation der Messwerte zu ermoglichen. Insbesonderewerden Formeln fur die geometrische Akzeptanz und integrale Intensitat der Myonen ausgearbeitet.

3.3.1. Myonenfluss auf Meereshohe

In Experimenten zur Messung der atmospharischen Myonen wird das Spektrum des differentiellen Teil-chenflusses haufig als Messergebnis angegeben [3],[2]. Der Fluss ist definiert als

dp(p, θ) =

dn(p, θ)

dΩ dp dS dt,

mit Teilchenimpuls p(

[p] = GeVc

c:=1→ GeV)

, Raumwinkel Ω ([Ω] = sr), Flache S ([S] = m2) und Zeit

t ([t] = s ≡ Hz−1).

Die Myonen, die die Erdoberflache erreichen, sind uber ein anderes Impulsspektrum (Abb. 3.7) verteilt,als die Primarteilchen. Das Spektrum der vertikalen Myonen ist nahezu flach um 1 GeV, fallt zwischen10 GeV und 100 GeV in Ubereinstimmung mit dem primaren Protonspektrum ab (siehe Abschn. 3.1 Abb.3.1), und fallt oberhalb von 100 GeV noch starker ab, da die Wechselwirkungen hochenergetischer Pionengegenuber dem Pionzerfall dominieren und somit weniger Myonen produziert werden.

Die integrale Intensitat, die fur Detektoren wichtig ist, lasst sich daraus uber Gl. (3.5) berechnen. Umdie atmospharische Tiefe X des Messortes zu berucksichtigen, wird die folgende Gleichung verwendet [1]:

φStandort

φMeereshohe= exp

(−X − 1030 g cm−2

630 g cm−2

)(3.3)

Im niederenergetischen Bereich schwankt das Myonspektrum stark mit dem Primarspektrum der KS. DieProtonen wechselwirken mit dem Sonnenwind und den Magnetfeldern, sodass bei starker Sonnenaktivitatweniger Primarteilchen gemessen werden. Das Magnetfeld der Erde beeinflusst ebenfalls den Fluss der KS,der geomagnetische Standort der Messung muss daher berucksichtigt werden. Des weiteren beeinflussen

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Kapitel 3. Theorie

dϕ/d

p∙[m

2∙s

∙sr∙

GeV

]

1e-05

0.0001

0.001

0.01

0.1

1

10

p/[GeV]0.1 1 10 100 10001000

Hebbeker and Timmermans (2001) De, Ghosh and Das (1974)

Abbildung 3.7.: Das Spektrum der Myonen am Boden. Die differentielle Teilchenflussdichte als Funktionder Energie. Kombination von zwei Fits des niederenergetischen [2] und des hochenerge-tischen [3] Bereichs, die innerhalb der angegebenen Unsicherheiten kompatibel sind.

die Luftdruckschwankungen die Schauerentwicklung und die Anzahl der am Erdboden ankommenderMyonen. Fur Prazisionsmessungen mussen diese und viele andere Storfaktoren berucksichtigt, oder derMessbereich sorgfaltig ausgewahlt werden.

Beim Durchlauf der Myonen durch die Materie werden diese Teilchen uber Ionisations- und Strahlungs-verluste gebremst. Fur die Myonen mit Energien unter einigen hundert GeV kann der Verlust uber eineWegstrecke x in einem Material mit Dichte ρ gut genahert werden [1] uber:

dE

dX=

dE

dx

1

ρ= 2.0

MeV cm2

g(3.4)

Grundsatzlich kann ein Teilchen nur ab einem bestimmten Minimalimpuls Cerenkov-Licht erzeugen undim gegebenen Detektor registriert werden.Um den Anteil nicht abgebremster Myonen im Medium abzuschatzen, wird das Spektrum, je nach Absor-berdicke, an der maximal abgegebenen Energie gekappt. In der Forschung wird das Spektrum mit Hilfevon Monte-Carlo-Simulationen (z.B Geant4) ermittelt.

Welchen Einfluss auf den Myonenfluss hat die Tatsache, dass das Physikzentrum etwa200 m uber Meeresspiegel liegt?Gibt es andere Faktoren, die die zu messende Rate beeinflussen?

Kanonischer Raumwinkel und Akzeptanz

Der Fluss der Myonen auf dem Boden hangt im Allgemeinen stark vom Impuls und dem Zenitwinkel θab [3]. Die Zenitwinkelabhangigkeit [9] von φ kann fur Winkel unter 70 angegeben werden als

dp(p, θ) =

dp(p) · cosn(θ) .

Die Rate eines Detektors mit der sensitiven Flache S, der geometrischen (d.h. raumlichen) AkzeptanzA = Ω · S und minimalen Impulsschwelle pmin lasst sich berechnen als

f =

∞∫pmin

dpdφ

dp(p)

︸ ︷︷ ︸φ⊥(0)

∫S

dS

∫Ω

dΩ cosn(θ)

︸ ︷︷ ︸=:Γ

, (3.5)

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3.3. Akzeptanz und Messrate

wobei φ⊥(0) der integrale vertikale Fluss ist und mit Γ die gewichtete geometrische Akzeptanz bezeich-net wird. φ⊥(0) und Γ konnen naherungsweise faktorisiert und somit separat betrachtet werden. Diegemessene Rate eines Detektors ergibt sich also naherungsweise aus dem Produkt des integralen ver-tikalen Myonfluss mit der gewichteten geometrischen Akzeptanz. Der integrale vertikale Myonfluss istunabhangig vom Detektor. Die gewichtete geometrische Akzeptanz hangt vom Aufbau ab und soll nunnaher betrachtet werden.

Der Raumwinkel ist definiert als das Verhaltnis der Teilflache einer Kugel und des Quadrats des Radiusder Kugel.

a

ΩdΩ = da

r2

Abbildung 3.8.: Geometrische Anschauung zur Definition des Raumwinkels [11].

Wegen da = dϕr dθ r sin θ auf der Oberflache der Kugel lasst sich der Raumwinkel in Kugelkoordinatendarstellen als:

dΩ := dϕ dθ sin θ (3.6)

Damit ergibt sich fur die gewichtete geometrische Akzeptanz:

Γ =

∫S

dS

∫Ω

dΩ cosn (θ) (3.7)

Zunachst soll der einfache Fall eines flachen kreisformigen Detektors mit Radius R, betrachtet werden,der einen Offnungswinkel ω um den Zenit betrachtet. Dann erhalt man:

Γ =πR2

2π∫0

ω/2∫0

dθ sin (θ) cosn (θ) (3.8)

=πR2 · 2π · 1

n+ 1

[1− cosn+1

(ω2

)](3.9)

Fur einen solchen Detektor, der den gesamten Halbraum (ω = 180) abdeckt, kann die Rate pro Flachemit φ⊥(0) ≈ 70 m−2 s−1 sr−1 fur Myonen uber 1 GeV mit n = 2 gut abgeschatzt werden:

f

S=

φ⊥(0) · ΓS

=70 · 2π

3

1

s m2≈ 0.88

1

min cm2∼ O

(1

min cm2

)(3.10)

Fur allgemeine Detektoranordnungen, vor allem fur die gleichzeitige Messung mit mehreren ausgedehntenDetektoren, kann die gewichtete geometrische Akzeptanz nicht trivialerweise berechnet werden. Unter derAnnahme, dass der abgedeckte Raumwinkel klein ist und sich der Myonfluss innerhalb des Bereichs nurvernachlassigbar andert, kann die gewichtete Akzeptanz vereinfacht werden:

Γ (θ) = cosn (θ) ·∫S

dS

∫Ω

︸ ︷︷ ︸=:A(θ)

(3.11)

In Anbetracht der sonstigen Genauigkeiten im Rahmen dieses Versuchs, ist diese Naherung hier zulassig.Fur komplexe Detektoranordnungen ist dieses Integral nicht analytisch losbar. Typischerweise werdendann Monte-Carlo-Simulationen durchgefuhrt, um die geometrische Akzeptanz A zu bestimmen.

In Abbildung 3.9 ist das Ergebnis einer solchen Monte-Carlo-Simulation fur zylindrische Detektoren miteiner Hohe von 15 cm, einem Radius von 6.5 cm und einem vertikalen Abstand d in Abhangigkeit desZenitwinkels gezeigt. Der Zenitwinkel wird durch Verschieben eines Zylinders in der horizontalen erzeugt.

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Kapitel 3. Theorie

0 10 20 30 40 50 60 70

Zenitwinkel /

0.0000

0.0002

0.0004

0.0006

0.0008

0.0010

0.0012

Akze

pta

nz

/m

2sr

d = 56.5 cm d = 79.5 cm

Abbildung 3.9.: Die zenitwinkel-abhangige geometrische Akzeptanz fur zwei ubereinander angeordneteZylinder mit Radius 6.5 cm, Hohe 15 cm und vertikalem Abstand der Zylinderzentren d.

In den Formeln ebenfalls nicht berucksichtigt sind gegebenenfalls von Einfallswinkel und Position im De-tektor abhangige Detektionseffizienzen. Eine Berucksichtigung ist im Rahmen dieses Praktikumsversuchsnicht moglich.

Welche Rate erwartet man etwa fur eine 1 Liter-Wasserkugel? (vgl. Sek.3.3.1 Gl.(3.10))

3.4. Der Cerenkov-Effekt

Wenn geladene Teilchen ein Medium durchqueren und sich dabei schneller als die Ausbreitungsgeschwin-digkeit von Licht im Medium bewegen, so kommt es zum Cerenkov-Effekt. Das Teilchen polarisiert dieMolekule des Mediums und regt sie zur Emission von Licht an (Abb. 3.10).

Abbildung 3.10.: Polarisierung der Molekule des Mediums, links destrukive Interferenz, rechts konstruk-

tive Uberlagerung bei Geschwindigkeiten großer der Mediumlichtgeschwindigkeit, mit v- Teilchengeschwindigkeit, c0 - Lichtgeschwindigkeit, n - Brechungsindex des Mediums[6].

Fur Geschwindigkeiten kleiner der Mediumlichtgeschwindigkeit kommt es im Mittel zur destruktiven In-terferenz, oberhalb dieser kritischen Geschwindigkeit ergibt sich ein Cerenkov-Lichtkegel aus konstruktivuberlagerten Wellen (vgl. Huygens Konstruktion in Abb. 3.11).

Der Offnungswinkel dieses Kegels θ wird Cerenkovwinkel genannt und hangt dabei von v (also auch von

12

3.4. Der Cerenkov-Effekt

0c tn

v t⋅

γ

γ

µ +

Abbildung 3.11.: Cerenkov-Kegel bei erfullter Cerenkov-Bedingung, die resultierende Wellenfront (durch-gezogene Linien) lasst sich leicht geometrisch ermitteln.

β - relativistischen Geschwindigkeit) und n ab:

cos(θ) =1

βn=c0vn

(3.12)

Somit ist die Cerenkov-Bedingung :

β >1

n⇔ E >

mTeilchen√1− n−2

(3.13)

Ist diese Bedingung erfullt, so emittiert ein Teilchen in erster Naherung Photonen pro Wellenlangenbereichdλ und Wegstrecke dx gemaß der Frank-Tamm-Formel (Abbildung 3.14 , [1] - schwarze Kurve):

dNγdxdλ

=2παz

λ2

(1− 1

(n(λ) · β)2

), (3.14)

wobei z betragsmaßig die Ladung des Teilchens in Vielfachen der Elementarladung bezeichnet und es sichbei α um die Sommerfeldsche Feinstrukturkonstante handelt. Cerenkov-Strahlung liefert ein kontinuier-liches Spektrum, wobei die Intensitat zu hoheren Frequenzen hin ansteigt (siehe schwarze Kurve in Abb.3.12). Die typischen Wellenlangen liegen daher im Bereich von Ultraviolett bis Blau (optisch).

Warum verwendet man haufig Wasser?Welche Eigenschaften der Teilchen kann man mit Cerenkov-Effekt im Allgemeinen bestim-men?

Durch den Cerenkov-Effekt werden im Wellenlangenintervall 300..600 nm – nach Berucksichtigung allerVerlustprozesse und Effizienzen in den in diesem Versuch verwendeten Detektoren – effektiv etwa 28Photonen pro cm Wegstrecke, die das Teilchen im Wasser zurucklegt, detektiert (Integral der schraffiertenFlache in Abb. 3.12).

Zusatzfrage: Myonen welcher Anfangsenergie konnen 100 cm Beton durchdringen und Cerenkovlichtim Wasser erzeugen?

13

Kapitel 3. Theorie

Abbildung 3.12.: Effektiv detektierte Photonen bei den eingesetzten Wasser-Cerenkov-Detektoren.

14

4. Aufbauten

Es gibt bei diesem Praktikumsversuch zwei Aufbauten: T20-1 und T20-2. Mit beiden werden die gleichenMessungen durchgefuhrt, jedoch sind die Aufbauten nicht genau identisch und daher mussen sowohl beider Einstellung der Messelektronik als auch bei der Auswertung verschiedene Aspekte beachtet werden.Ziel dieses Versuches ist die Messung atmospharischer Myonen.

4.1. Uberblick

Der Grundaufbau des Experiments besteht aus zwei Cerenkov-Detektoren, einem Standard NIM-Cratemit Auswertungselektronik, einem PC mit USB-Anbindung an die Crateelektronik sowie einem ublichen4-Kanal-Oszilloskop (siehe Abb. 4.1). Alle Komponenten sind mobil auf einem Rollwagen angebracht,welcher von zwei Personen problemlos bewegt und platziert werden kann. Als Cerenkov-Detektor wirdjeweils eine handelsubliche Kaffeekanne verwendet, die mit destilliertem Wasser gefullt ist und mit einemLichtsensor - einem Photomultiplier - ausgelesen wird.

Abbildung 4.1.: Komponenten des Aufbaus.

Abbildung 4.2.: Ein Versuchswagen mit NIM-Crates, (und hier 3) Detektoren, PC und Oszilloskop.

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Kapitel 4. Aufbauten

4.2. Photomultiplier

Photomultiplier dienten lange Zeit als wesentliches Standardbauelement fur Teilchendetektoren in derAstro- und Teilchenphysik. Obschon heutzutage zunehmend Halbleiterdetektoren eingesetzt werden, wer-den klassische PMTs noch immer vielerorts verwendet. Erzeugen Teilchen bei Materiedurchgang Photo-nen, konnen diese mit einem PMT registriert werden.

Abbildung 4.3.: Stark vereinfachtes Schema der Arbeitsweise von Dynodenstufen, als Sekundarelektro-nenvervielfacher [8].

Bei einem PMT handelt es sich um eine Elektronenrohre, bestehend aus Photokathode und Dynodenstu-fen. Trifft ein Photon die Photokathode, schlagt es ein Elektron aus dem Kathodenmaterial aus (Pho-toeffekt). Dieses sogenannte Photo-Elektronen wird anschließend in Dynodenrichtung beschleunigt unddort vervielfacht (Abb. 4.3), wodurch ein messbarer Strompuls entsteht. Dabei sind PMTs nicht nurmachanisch empfindlich (Galskolben mit teils filigranen Dynodenstrukturen) sondern konnen auch (beiangelegter Betriebsspannung) durch große Lichtmengen – und dadurch große Strome – beschadigt oderzerstort werden.

Die Effizienz (Quantenausbeute) des PMTs ist maßgeblich von der eingestrahlten Wellenlange des Lichtsabhangig und kann durch gezielte Optimierung der Photokathode an den angestrebten Wellenlangenbe-reich angepasst werden. Typisches Material fur eine Photokathode, mit Sensitivitat im oberen UV-Bereichbis mittleren optischen Spektrum, ist eine

”Bi-Alkali“ genannte Mischung aus Antimon und verschiedenen

Alkalimetallen.

Wie Abbildung 4.4 zu entnehmen ist, liegt die Quanteneffizienz selbst im sensitivsten Bereich in derGroßenordnung 20-30%; es wird also nur fur jedes dritte bis vierte Photon ein Sekundarelektron erzeugt.In weniger sensitiven Bereichen ist die Ausbeute noch geringer.

PMTs sind nicht absolut effizient; warum eignen sie sich trotzdem als Detektoren?

Es lasst sich leicht uberschlagen, dass der erzeugte Strom der Photoelektronen winzig ist (zum Beispielin der Großenordnung 1 nA, variiert stark mit nPhotoelektronen und ∆t ) und entsprechender Verstarkungbedarf. Diesen Zweck erfullen die Dynodenstufen. Die Photoelektronen aus der Kathode werden zu einerDynode hin beschleunigt, wo sie weitere Elektronen ausschlagen. Diese werden zu einer weiteren Dynodehin beschleunigt und schlagen dort wiederum weitere Elektronen aus. Dieser Vorgang wird wiederholt bissich eine hinreichend große Elektronenkaskade gebildet hat, um einen stabilen Signalpuls zu erzeugen.Die Verstarkung hangt also sehr von der Anzahl verwendeter Dynodenstufen ab. Typisch sind PMTs mit9 bis 12 Dynodenstufen (Abb. 4.5). Mit den hier verwendeten Photomultipliern werden so Verstarkungenvon 105 bis 106 erreicht.

Damit die Elektronen wie angestrebt die Dynodenstufen durchlaufen, mussen letztere gestaffelt auf immerhoherem elektrischen Potential liegen. Um dies zu erreichen, liegt eine Hochspannungsquelle am PMTan, die uber Spannungsteiler (Reihe von Widerstanden in Abb. 4.5) die Potentiale fur die Dynodenbereitstellt. Das Signal kann an der Anode und teilweise zusatzlich auch mit niedrigerer Vertarkung an derletzten Dynode abgegriffen werden. Da die Verstarkung abhangig von der jeweiligen Beschleunigung derElektronen (also den anliegenden Potentialdifferenzen) ist, fuhren zu hohe Spannungen zur Verstarkung

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4.2. Photomultiplier

Abbildung 4.4.: Typische Quanteneffizienz eines PMTs mit Bi-Alkali-Kathode, nach [10].

thermisch angeregter Elektronen und damit zu verstarktem Rauschen, Sattigungseffekten und moglicherZerstorung des PMTs. Ist die Verstarkung hingegen zu niedrig, konnen die Pulse nicht mehr vom Rauschenunterschieden werden. Dementsprechend ist erst der Arbeitspunkt des verwendeten PMTs zu bestimmen.Typische Betriebsspannungen fur PMTs liegen im Bereich einiger 100 V bis zu einigen kV und sind starkvom verwendeten Modell abhangig.

Abbildung 4.5.: Ersatzschaltbild eines PMTs, mit d1 bis d12 sind die 12 Dynodenstufen gekennzeichnet,unterhalb befinden sich die Widerstande der Spannungsteiler, Z-Dioden zur Spannungs-begrenzung und die Kondensatoren zur Stabilisierung der Dynodenspannungen.

Im verwendeten Aufbau ist der PMT (Photomultipliertube) auf der Kanne verschraubt und reicht in denoberen Bereich des Kanneninnenraums (Abb. 4.6, Bereich 3), mit Gesichtsfeld in Richtung Wasservolu-men. An seinem anderen Ende befindet sich die Basisplatine mit Spannungsteiler (Abb. 4.6, Bereich 2)und ein Vorverstarker (Abb. 4.6, Bereich 1). Die Kanne ist bundig mit destilliertem Wasser befullt undder gesamte Apparat abgeklebt, um Eindringen von Umgebungslicht zu vermeiden. Zusatzlich existieren

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Kapitel 4. Aufbauten

Dunkelboxen um Lichteinschlusse soweit es geht zu minimieren. Am oberen Ende des PMTs befindetsich ein Anschluss zur Versorgung mit Hochspannung, ein Anschluss fur die Spannungsversorgung desVorverstarkers, sowie ein Signalausgang mit LEMO 00-, bzw. BNC-Buchse.

Abbildung 4.6.: Schnittfoto des Originaldetektors[4]:1) Vorverstarker2) Basisplatine3) Photomultiplier4) Kanneninnenraum

Abbildung 4.7.: Schematischer Aufbau einesDetektors.blabblabblabblabblab

4.3. Verstarkung des PMT-Pulses

Auch nach der intrinsischen Verstarkung im PMT sind die erzeugten Pulse fur viele Anwendungen immernoch zu klein. Deswegen werden haufig weitere Verstarker nach dem PMT eingesetzt (wenn sie direkt amPMT angebaut sind, werden sie haufig als

”Vorverstarker“ bezeichnet). Durch die Verstarkung wird sowohl

der Einfluss von nach dem Verstarker auftretenden Rauschbeitragen minimiert, als auch die Signalhohe anden Dynamikbereich von Signalempfangern (etwa Diskriminatoren) angepasst. Durch Verstarker kann (jenach Typ) nicht nur eine lineare Erhohung der Signalamplitude erfolgen, sondern auch die Signalpolaritatund (gewollt oder ungewollt) die Signalform verandert werden.

Die im Aufbau T20-1 verwendeten Vorverstarker erzeugen sowohl positive als auch sehr lange (mehrereµs) Pulse. Da beides fur die Weiterverarbeitung eher ungunstig ist, werden zusatzliche CANBERRAVerstarker eingesetzt, die das Signal wieder invertieren und die Pulse verkurzen und ihre Amplitudeerhohen (Verstarkung & Shapingzeit sinnvoll einstellen, am Oszilloskop beobachten), bevor das Signalweitergeleitet wird.

Die Vorverstarker in den fur T20-2 eingesetzten PMTs erzeugen direkt verwertbare nagative Ausgangspul-se mit Amplituden von einigen 100 mV und einer Pulsbreite von etwa 20− 40 ns.

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4.4. NIM-Bauteile

4.4. NIM-Bauteile

Der NIM (Nuclear Instrumentation Module) Standard ist der”erste und einfachste Standard in der

Nuklear- und Hochenergiephysik“ [7]. Dieser Standard definiert Modulabmessungen, Betriebsspannun-gen und Anschlusse von sogenannten NIM-Modulen, die in einem NIM-Einschubrahmen (Engl.: Crate)betrieben werden konnen. Es existieren eine Vielzahl von Verstarkern, Diskriminatoren, Spannungsver-sorgungen, Koinzidenzen, Timern, u.s.w., die diesem Standard folgen. Auch der gegebene Aufbau ist ausverschiedenen NIM-Modulen, teilweise hergestellt an der RWTH-Aachen, teilweise von Großherstellernwie Philips Scientific, zusammengesetzt.

Ebenfalls im NIM-Standard definiert sind Steckanschlusse fur Koaxialkabel (LEMO 00) und Logikpegelfur digitale Signale. Ein schneller NIM-Puls (Fast-negative NIM Logic) ist, wie in Tabelle 4.1 nachzulesen,als Strompuls an 50 Ω definiert. Gelegentlich werden jedoch auch andere außerhalb des NIM-Standardsweit verbreitete Logikpegel (z.B. (LV)TTL 1: +3.3V/+5V, 0: 0V) verwendet, was dann haufig zu Proble-men im Zusammenspiel verschiedener Module fuhrt und den Einsatz von Logikpegelwandlern erfordert.

Ausgangsstrom Spannung an 50 Ω

Logische 0 −1 mA bis +1 mA 0 V

Logische 1 −14 mA bis −18 mA −0.8 V

Tabelle 4.1.: Fast-negative NIM Logic.

Abbildung 4.8.: Beispielhafter NIM-Puls. Abbildung 4.9.: Beispiel von Dampfungs- und Di-spersionseffekte auf einen vormalsrechteckigen NIM-Puls.

Lichtsensor Verstärker Diskriminator Zähler

Detektor

Abbildung 4.10.: Vereinfachtes Schema des Signalgangs.

In diesem Versuch wird der analoge Signalpuls in einem Diskriminator des Typs Philips Scientific

NIM Modell 704 oder NIM Modell 715 zu einem binaren NIM Signal umgewandelt und im weiteren

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Kapitel 4. Aufbauten

Verlauf nur noch mit digitalen Signalen gearbeitet. Mit einer Stellschraube kann eine beliebige Auslose-schwelle zwischen 10 mV und 1 V gewahlt werden, bei deren Uber- oder Unterschreiten durch einenEingangspuls der Diskriminator einen NIM Puls (-0,8V bzw. -1,6 V wenn nicht ordungsgemaß mit 50 Ωterminiert wird) mit einer sogenannten Gate-Breite τ von 2 ns bis 100 ns erzeugt. Diese Zeit τ mussfur den Versuch gemessen und berucksichtigt werden. Bei dem Aufbau T20-1 wird das Einstellen dermaximalen Gatelange stark empfohlen.Der weitere Signalweg hangt von der beabsichtigten Messung ab. Bei vielen Messungen wird zum Beispieldie Koinzidenzschaltung mehrerer Kannen benotigt. Der Aufbau der Crateelektronik ist unten in Abb.4.15 bzw. Abb. 4.17 ersichtlich.

Das Hochspannungs-Modul (HV-Modul) ist fur jeden Detektor seperat vorhanden oder es liegt ein Dual-HV-Modul vor. Dies liegt vor allem daran, dass die Detektoren im Allgemeinen unterschiedliche Arbeits-punkte bzw. Arbeitsplateaus besitzen. Die Elektronik wird durch eine angehangte Lufterplatte gekuhlt.Es ist darauf zu achten, bei Betrieb der Elektronik stehts die Kuhlung einzuschalten, da sich im dichtgepackten Crate sonst Temperaturstaus entwickeln konnten. Wahrend einer Messung sollte die Kuhlungnicht ein- oder ausgeschaltet werden, da der entstehende Storpuls in unmittelbarer Crate-Nahe sonstFehlereignisse provoziert.

4.5. Koinzidenzschaltung

Bei Koinzidenzmessungen wird das Diskriminatorsignal zweier oder mehrerer Quellen gekoppelt ausge-wertet (vergl. Abb. 4.11). Dazu werden die NIM-Pulse der Diskriminatoren in einer Koinzidenzstufekombiniert. Fur diesen Zweck wird ein an der RWTH entwickeltes Modul benutzt. Bei zwei gleichzeitigaktiven Eingangen (in diesem Fall zwei Ausgangspulse der Diskriminatoren) wird ein NIM-Puls definierterLange am Ausgang ausgegeben.

Abbildung 4.11.: Vereinfachtes Schema des Signalgangs in Koinzidenzschaltung.

Wird das Koinzidenzzeitfenster (Gate τ) fur die Signalquellen hinreichend klein gewahlt (im gegeben Falldurch geeignete Pulslangen der Diskriminatoren) mussen beide Detektoren quasi gleichzeitig anschlagen,um ein Ereignis zu erzeugen. Dies ist nur der Fall wenn ein schnelles Teilchen hintereinander beide Kan-nen durchquert, ein Storpuls (etwas uber das Stromnetz oder auch durch die Luft) beide Dikriminatorenzum Fehlauslosen bewegt oder zufallig zwei thermische Elektronen ein uberlappendes Signal auslosen(proportional zu Gatelange, Einzelrate). Gewunscht sind naturlich nur Ereignisse erster Art. Gelingt esdie anderen entsprechend zu unterdrucken, erlaubt die Messung in Koinzidenz sehr viel zuverlassigereRatenbestimmung als mit einem einzelnen Detektor, da die Wahrscheinlichkeit fur

”doppelte“ Fehlereig-

nisse sehr viel kleiner ist. Analog kann durch Hinzufugen eines dritten oder vierten Detektors die Guteder Messung weiter gesteigert werden, sofern diese zur Verfugung stehen.

Ein Nachteil dieser Schaltung liegt in der Begrenzung auf einen kleinen Raumwinkelbereich, wenn mitkleinen, autarken Detektoren gearbeitet wird (vergleiche mit einem Großdetektor, mit mehreren PMTs).Dies muss durch geeignete Berechnung der Akzeptanz bei der Ratenbestimmung berucksichtigt werden.Bei anderen Messungen, wie der Abhangigkeit des Myonflusses vom Zenitwinkel oder den Dampfungsei-genschaften von Materie auf den Myonfluss, ist die Einschrankung auf feste Raumwinkelbereiche kleiner2π hingegen erwunscht; hier ist Messung in Koinzidenz praktisch die einzige Moglichkeit zur Messrea-lisierung. Die einzelnen oder in Koinzidenz gemessenen Signale werden von einem Zahler (CanberraNIM Model 512) registriert. Dieser verfugt uber zwei Eingangskanale, die zum Beispiel unterschiedlicheDiskriminator-Schwellen oder verschieden hohe Koinzidenzkaskaden uberwachen konnen.

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4.6. USB DAQ

Wie sollte qualitativ die Abhangigkeit der Koinzidenzrate von den Einzelfrequenzen abhangen?Wie kann man eine relative Effizienz der Detektoren bestimmen?

Storungen

Ein kleiner Detektor, wie die verwendeten Kannen, der auf jegliches Szintillationsmaterial verzichtet undnur Cerenkov-Photonen erzeugt, liefert mit einem regularen PMT vergleichsweise kleine Ausgangspulse.So ist es eine besondere Herausforderung das Signal storungsfrei zu ubermitteln.Doch selbst wenn Storungen wie Kabeldampfung und Signaldispersion keine Probleme bereiten wurden,besteht eine grundsatzliche Herausforderung bei einer solchen Versuchsanordnung: Die Einkopplung elek-tromagnetischer Storungen. Dies geschieht im Wesentlichen auf zwei Arten: Elektromagnetische Wellen,die in antennenartigen Kabelenden im Aufbau Spannungen induzieren, und Schwankungen im Versor-gungsnetz des Aufbaus.Storpulse dieser Art, zum Beispiel verursacht durch einen Schaltvorgang im Nachbarlabor oder durch Mo-bilfunkgerate, konnen durchaus gangige Diskriminatorschwellen ubersteigen und so Fehlsignale auslosen.Aufgrund der vergleichsweise geringen Messraten kann so eine Messung leicht verfalscht werden, da schondas einschalten einer Lampe in der Nahe bis zu 300 Fehlereignisse produziert. Konnen derlei Sprunge beikurzen Messungen auch noch erkannt werden, so ist dies bei Langzeitmessungen praktisch ausgeschlos-sen. Daher sollte darauf geachtet werden, dass keine elektronischen Gerate wie Handys direkt neben demCrate verwendet werden.

Abbildung 4.12.: Eingekoppelte Storung (Mehrfachausschlag).

Fangen die Detektoren ein Storsignal wie in Abb. 4.12 auf, so kann dieses nach der Messung aufgezeigtund quantifiziert werden. Dafur wird das Signal zusatzlich zur NIM - Elektronik von einem zweiten,PC-gestutzten Zahler aufgezeichnet. Dieser versieht die Signale mit einem Zeitstempel und stellt sie ineinzelnen Zeitbins da. So konnen einzelne Ausreißer gefunden werden.

Was sollte man beim Umgang mit analogen Pulsen beachten?Was konnte Storungen bzw. falsche Signale verursachen?

4.6. USB DAQ

Der Versuchsaufbau verfugt uber eine PC-Anbindung via USB-Interface (Abb. 4.13). Das Kontrollpro-gramm Akademy bundelt zahlreiche Ein- und Auslesefunktionen (Abb. 4.14).Zunachst erlauben mehrere Anzeigen die simultane Auslese und Nachkontrolle der Diskriminatorschwel-len der einzelnen Kannen , womit der Einsatz eines Multimeters entfallt. Andere Gerate ohne direkteAusgabedisplays, wie zum Beispiel eine Hochspannungsversorgung, konnen so ebenfalls ausgelesen undprotokolliert werden. Ein Zahler ermoglicht die gebinnte Ratenaufnahme und Protokollierung in beliebi-gen Zeitintervallen, was eine zeitaufgeloste Messung erlaubt. Der Zahlereingang erwartet dabei im AufbauT20-2 positive Logikpegel, es ist deshalb ein Logikpegelwandler zur Konversion der NIM-Pulse zu ver-wenden.

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Kapitel 4. Aufbauten

Abbildung 4.13.: NI Data Acquisiti-on Box mit USB-Anbindung.

Abbildung 4.14.: Bildschirmfoto vom Labview-Interface.

Im Versuch treten Spannungen in den Großenordnung mV, V und kV auf; woher kommendiese Unterschiede und in welchem Versuchsteil finden sich welche Spannungen?

4.7. Poisson-Statistik

Mit Hilfe des USB-DAQ kann eine genaue Statistik uber die gemessenen Signale gesammelt werden. DiePoisson-Wahrscheinlichkeit beschreibt seltene unabhangige Ereignisse fur ein konstantes Zeitintervall. Diediskrete Dichte wird mit folgender Gleichung ermittelt:

P (X = k) =λk

k!· e−λ , (4.1)

mit der Anzahl der Signale k, und dem charakteristischen Parameter λ. Fur den Mittelwert der Verteilunggilt µ = λ, ebenso gilt fur die Standardabweichung σ2 = λ.

Welche Große ist Poisson-verteilt? Warum? Wie kann man darauf basierend den relativenstatistischen Fehler angeben?

4.8. Crate-Ansicht

Beide Aufbauten enthalten standardmaßig ein oder mehrere Hochspannungsmodule zum Betreiben derPMTs und einen Diskriminator fur das Umwandeln des Signalpulses in einen NIM-Puls mit gleichzeitigemEinstellen einer Schwellenspannung. Zusatzlich gibt es eine Koinzidenz, einen Dual Counter und die USB-DAQ.

Der Aufbau von T20-1 (siehe Abb. 4.15 und Abb. 4.16) enthalt als Besonderheit zwei Amplifier Modulevon CANBERRA. Zum einen wird damit der PMT-Puls invertiert, verstarkt und in der Form angepasst(verkurzt). Zum anderen wird aber auch der Vorverstarker des PMTs mit Niederspannung versorgt. DerVerstarkungsfaktor muss vor dem Versuch sinnvoll eingestellt werden.

Beim Aufbau von T20-2 (siehe Abb. 4.17) und Abb. 4.18 ist keine weitere Verstarkung notwendig, da dasPMT-Signal bereits ausreichend in der PMT-Fassung vorverstarkt wurde.

22

4.8. Crate-Ansicht

2-Kan

al-HV

- Ve

rsorgu

ng

US

B - D

AQ

- Inpu t

Diskrim

inato r

Verstä

rker

Verstä

rker

Koinzi d

enz

hler

Lüfter

Abbildung 4.15.: Foto und Schema der Hardware im Crate des Aufbaus T20-1.

Hochspannung

Hochspannung

Lichtsensor

Lichtsensor Vorverstärker

Vorverstärker

Spannung 12 V

Spannung 12 V

Verstärker

Verstärker

Diskriminator Koinzidenz

USB-DAQ

Zähler

Abbildung 4.16.: Schema der endgultigen Schaltung des Aufbaus von T20-1.

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Kapitel 4. Aufbauten

Abbildung 4.17.: Foto und Schema der Hardware im Crate des Aufbaus T20-2.

Hochspannung

Hochspannung

Lichtsensor

Lichtsensor Vorverstärker

Vorverstärker

Spannung 6 V

Spannung 6 V

Diskriminator Koinzidenz

USB-DAQ

Zähler

Pegelwandler

Abbildung 4.18.: Schema der endgultigen Schaltung des Aufbaus von T20-2.

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4.9. Umgang mit dem Oszilloskop

4.9. Umgang mit dem Oszilloskop

Dieses Kapitel ist eine kleine Erinnerung, was die wichtigsten Einstellungen bei einem Oszilloskop sind,um die Arbeit wahrend dieses Praktikumsversuchs hoffentlich etwas zu erleichtern.Zunachst sollte man sich immer im klaren sein, welche Pulsform (Hohe, Breite, ...) man betrachtet. Zumanderen sollte das Signal an den Eingangen mit 50 Ohm terminiert sein, um ein moglichst schone Formzu erhalten.

Das Oszilloskop wird nun passend zum erwarteten Signal eingestellt.

Abbildung 4.19.: 4-Kanal-Oszilloskop, dargestellt wird in Kanal 1 ein NIM-Puls (Hohe −0.8 V, Lange∼ 75 ns).

• Einstellung der einzelnen Kanale:Durch das Drucken des Channel Menus kann die Darstellung jedes Kanals ein- und ausgeblendetwerden.Die Position des Nulllevels eines jeden Kanals kann nach oben bzw. unten verschoben werden.Die angezeigte Spannung muss der Pulshohe angepasst werden - die Skalierung andert das Span-nungsintervall, welches durch die Hohe eines jeden Kastchens im Bildschirm angezeigt wird. ImFoto stellt jedes Kastchen in y-Richtung also 500 mV dar.

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Kapitel 4. Aufbauten

• Das betrachtete Zeitintervall:Das angezeigte Zeitintervall muss der Pulslange angepasst werden - die Skalierung andert das Zei-tintervall, welches durch die Lange eines jeden Kastchens im Bildschirm angezeigt wird. Im Foto(Abb. 4.19) stellt jedes Kastchen in x-Richtung also 50 ns dar.

• Triggern:Man triggert auf einen Kanal, wenn dieser Kanal auslost, werden auch alle anderen angezeigtenKanale gleichzeitig ausgelesen, so konnen auch Koinzidenzen betrachtet werden.Auswahl des Kanals, auf den man triggert; Einstellung der Schwelle; Einstellung, ob auf fallendeoder steigende Flanke getriggert wird.Der Triggerzeitpunkt kann in gewissem Rahmen verschoben werden und so das Signal eine Zeitvor oder nach dem Trigger betrachtet werden (der eigentliche Triggerzeitpunkt muss nicht immersichtbar sein). Immer am Anfang: SetToZero.Im Foto (Abb. 4.19) wird auf die fallende Flanke des Kanal 1 getriggert. Der Trigger wird ausgelost,sobald der Puls die Schwelle −200 mV unterschreitet.

• Nachleuchten:Hilfreich ist es auch das Nachleuchten unter Display zu aktivieren. Dies steuert, wie lange die Spurim Display angezeigt wird. Das Einstellen einer langen Nachleucht-Zeit erleichtert das Betrachtenvon Koinzidenzen.

Achtung!! Viele lernen den Trick beim Oszilloskop immer zuerst Autoset zu drucken, um die Grundein-stellung des Oszilloskops wiederherzustellen. Dies aktiviert aber beim verwendeten 4-Kanal-Oszilloskopeine interne Verstarkung von 10x in der Spannung, was haufig zu Verwirrung fuhrt! Daher mit Vorsichtbenutzen.

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5. Versuchsdurchfuhrung

Vorversuche (Kap. 5.2)

• Hochspannunsverhalten der PMTs und geeignete Diskriminatorschwellen

• Methodisches Ermitteln der geeigneten HV-Einstellungen der jeweiligen Detektoren und der zu-gehorigen Diskriminatoreinstellugen

• Rate gegen HV und korrespondierende Rate gegen Diskriminatorspannung fur alle verwendetenDetektoren

• Wie hangen Rate und Spannung zusammen, wie ist der Verlauf und warum?

Koinzidenzschaltung und Flussmessung (Kap. 5.3)

• Welcher Fluss wird gemessen? Was wird erwartet?

Zenitwinkelabhangigkeit des Myonflusses (Kap. 5.4)

• Messung der Myonrate in Koinzidenz gegen den Zenitwinkel.

Messung der Myon-Abschirmung (Kap. 5.5)

• Wie stark ist die Abschirmung, was wird qualitativ erwartet?

Fur diesen Versuch sollte ein USB-Stick fur die Messdaten mitgebracht werden!

5.1. Grundaufbau

Zunachst ist der Versuch korrekt aufzubauen und anzuschließen. Bevor fortgefahren wird, sollte derAufbau vom Stromnetz getrennt werden, ausserdem sollten die Hauptschalter ausgeschaltet sein. Diesebefinden sich an der Steckdosenleiste am Wagenrand, sowie rechts unten an den Crates. Es konnen alleunnotigen Lemo-Kabel entfernt werden.

Jede benotigte Detektorkanne wird mit einem roten HV-Kabel an jeweils eine Hochspannungsversorgungangeschlossen, wenn das noch nicht der Fall ist.

ACHTUNG:DIE PMTS IN DEN KANNEN IN AUFBAU T20-1 NICHT UBER 1.5 kV /

IN AUFBAU T20-2 NICHT UBER 2 kV BETREIBEN.

Es ist vorher zu prufen, dass keine Hochspannungseinheit zu hoch eingestellt ist und erst dann das Kabelanzuschliessen. Eine

”Leerlauf“-Spannung von 1 − 1.5 kV vertragt sich mit den verwendeten Detekto-

ren und ist unproblematisch. Alle Kabel mit Versorgungsspannungen nur im ausgeschalteten Zustandverbinden oder trennen.

DIE IM PRAKTIKUM VERWENDETEN PHOTOMULTIPLIER UNTERSCHEIDEN SICHMITUNTER DEUTLICH BEZUGLICH DER MAXIMALEN SPANNUNG, ANDERE PMTS

VERTRAGEN Z.B. NUR 400 V.

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Kapitel 5. Versuchsdurchfuhrung

Der Vorverstarker der Kannen (T20-1) benotigt zusatzlich eine Niedervoltspannungsversorgung von±12 V.Der Anschluss hierfur befindet sich auf der Ruckseite der CANBERRA Amplifier (Model 2022).Der Vorverstarker der Kannen (T20-2) benotigt zusatzlich eine Niedervoltspannungsversorgung von ±6 V.Das Kabel dafur verfugt uber einen viereckigen, dreipoligen Anschluss an der Kanne (T20-2) und mussin das kleine Verteiler-Modul, das mit dem Rand des Crates verbunden ist, gesteckt werden.

Das Signal wird auf Detektorseite an dem jeweiligen LEMO bzw. BNC-Anschluss abgenommen. Ggf. sindLemo-BNC Adapter notwendig. Optimalerweise sollten alle Detektoren mit Signalkabeln gleicher Langeangeschlossen werden um bei kommenden Messungen systematische Laufzeitunterschiede zu vermeiden.

Der Aufbau wird nun mit dem Stromnetz verbunden (Netzstecker) und der Hauptschalter an der Steckdo-senleiste eingeschaltet. Nun kann auch der PC/Monitor sowie die Crates eingeschaltet werden. Da haufigder DUAL-Counter benotigt wird, empfiehlt es sich zunachst geeignete Messparameter einzustellen (insb.Messzeit, als Threshold fur NIM-Pulse sind -250 mV standardmaßig eingestellt) und diese eventuell als

”Preset“ zu speichern. Die Menufuhrung ist etwas komplizierter als die Bedienung der anderen Module,

es empfiehlt sich mitunter ein Blick in die Bedienungsanleitung: Wichtigste zu uberprufende Einstel-lungen sind die korrekte Zeiteinheit (Sekunde/Minute), die erwartete Polaritat der ankommenden Pulse(Positiv/Negativ) und die Messzeit.

Am PC ist das Messprogramm Akademy zu starten. Dieses Labviewbasierte Interface erlaubt es, Betriebss-pannungen etc. einzulesen und stellt somit ein erweitertes Bedienfeld zum Crate dar. Die Bedienung istintuitiv gehalten; sollten keine Daten ausgegeben werden, gilt es zu prufen, ob das USB-Kabel angeschlos-sen ist und ob die jeweilige Datenquelle an dem USB-Modul angeschlossen ist.

Fur die folgenden Versuche werden die Signalkabel falls notig an den Verstarker angeschlossen (nur furAufbau T20-1 notig) und dessen Ausgang an den Diskriminator weitergefuhrt. Nicht benutzte Ausgangesollten mit 50 Ohm Wiederstanden terminiert werden um Kabelreflexionen zu vermeiden (siehe Bild 5.1).

Abbildung 5.1.: Beispiel der Terminierung eines nicht verwendeten Ausganges mittels eines 50 OhmWiderstandes.

Die verstarkten Signale werden am Diskriminator jeweils an der”IN“-Buchse angeschlossen. An den

Stellschrauben rechts daneben kann die Schwelle sowie die Ausgangspulsbreite eingestellt werden. DieAusgange mit Verbindungsstrich sind gekoppelt. Am besten werden getrennte Ausgange verwendet undder jeweils andere wiederum mit 50 Ohm terminiert. Die Ausgange mit Querstrich geben ein invertiertesSignal aus.

Die nun vorliegende Konfiguration findet sich in den meisten folgenden Versuchen wieder, da das Signalim Prinzip immer als NIM-Puls diskriminiert wird. Zu Diagnosezwecken kann es jedoch hilfreich sein das(un)verstarkte Signal direkt an den Eingang des Oszilloskops anszuschließen. Auch hier ist es wichtig dasSignal mit 50 Ohm zu terminieren, bzw. das Oszilloskop entsprechend zu konfigurieren, um das Signalkorrekt zu erhalten.

Es ist eine gute Idee vor Beginn der Versuche ein wenig die Spannungen und Schwellen zu variieren unddie Reaktion an Oszilloskop, PC und Crate zu beobachten, um ein Gefuhl fur das Verhalten der Geratezu bekommen.

28

5.1. Grundaufbau

Hinweise:

• T20-1: keine HV uber 1500 V fahren, HV langsam hoch und runter fahren, erst nach dem Herun-terfahren an-/abstecken und allgemein ist Vorsicht beim Umgang mit Hochspannung geboten.

• T20-2: keine HV uber 2000 V fahren, HV langsam hoch und runter fahren, erst nach dem Herun-terfahren an-/abstecken und allgemein ist Vorsicht beim Umgang mit Hochspannung geboten.

• T20-1: Der Arbeitsbereich der PMTs liegt zwischen 0.5− 1.2 kV.

• T20-2: Der Arbeitsbereich der PMTs liegt zwischen 1− 1.7 kV.

• Vergleichbarkeit der Schaltungskonfiguration und der Messungen beachten!

• offene Eingangskanale des Verstarkers sollten terminiert werden (50 Ohm).

• Y-Stecker sind praktisch, aber fuhren zu Reflexionen und Signalabschwachung.

• Signale nicht doppelt verstarken.

• insb. bei Koinzidenz: Die Signale erleiden im Kabel etwa 1 ns Verzogerung pro 20 cm Kabellange.

• Amplifier und andere Module verzogern ebenfalls den Signalgang (ggf. am Oszilloskop prufen).

•”Presets“ erleichtern die Bedienung des Counters erheblich bei haufigem ein und ausschalten (einen

Tutor fragen).

• Das Programm AKaDeMy muss uber den Doppelpfeilknopf eingeschaltet werden. So kann unter an-derem eine Messung schnell neugestartet werden.

• Sollte die USB-Software absturzen (Schalten der Lufter kann dies verursachen), kann das Aus-und Wiedereinstecken des USB-Steckers das System resetten, ein Testpanelfenster erscheint beierfolgreichem Neustart.

• Die Hochspannung nicht auf VMAX stellen, da hierbei ggf. die Maximalbetriebsspannung der De-tektoren uberschritten werden kann.

• Bei Hochspannungsversorgungen mit analogen Anzeigen kann die HV via dem MessprogrammAkademy uber USB ausgelesen. Bei allen anderen Hochspannungen wird die HV uber das jewei-lige Digitaldisplay der Spannungsversorgungs-Module ausgelesen.

• Niemals die Kannen selbst offnen!!

Was tun bei ... ? :

• T20-1: Mein PMT-Arbeitsbereich liegt ausserhalb der Norm.Pruf nach, ob die eingestellte Verstarkung (coarse gain) am Amplifier sinnvoll mit deiner Diskrimi-natorschwelle abgestimmt ist (Uberprufung am Oszilloskop). Wenn die Verstarkung zu klein gewahltist, muss man die Spannung am PMT zu weit hochdrehen, um ein Signal zu erhalten. Ist die Kanneordentlich abgedunkelt?

• T20-1: Ich erhalte keine Koinzidenzen.Pruf nach, ob fur beide Kannen die jeweils gleichen Kabellangen und Gate-Zeiten verwendet wurden!Wird die gleiche Verstarkung benutzt? Schaue dir hintereinander alle Signale vom PMT, Verstarkerund Diskriminator von beiden Kannen gleichzeitg am Oszilloskop an. Wo sieht man Koinzidenzen?Sehen die Pulsformen gleich aus fur beide Kannen?

• T20-2: Mein PMT zeigt keine Einzelrate.Ist die Kanne ordentlich abgedunkelt? Ist die Diskriminatorschwelle sinnvoll eingestellt (Vergleichmit PMT-Puls am Oszilloskop)?

• T20-2: Ich erhalte keine Koinzidenzen.Pruf nach, ob fur beide Kannen die jeweils gleichen Kabellangen und Gate-Zeiten verwendet wurden!Schaue dir hintereinander alle Signale vom PMT, Verstarker und Diskriminator von beiden Kannengleichzeitg am Oszilloskop an. Wo sieht man Koinzidenzen? Sehen die Pulsformen gleich aus furbeide Kannen?

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Kapitel 5. Versuchsdurchfuhrung

5.2. Vormessungen

Das Verstarkungsverhalten eines Photomultipliers hangt stark von der gewahlten Hochspannung ab. Istdiese zu klein, findet keine hinreichende Verstarkung statt, auch das Rauschen ist entsprechend klein;ist sie zu groß, dominiert das Rauschen des PMT das Messbild, dafur nimmt die Sensitivitat fur kleineSchwankungen der Diskriminatorschwelle ab, was insbesondere bei der Koinzidenzmessung mit kleinenSchwellen von Vorteil ist. Wie in Abb. 5.3 deutlich zu erkennen ist, reichen bei kleinen Schwellen schonleichte Abweichungen der Schwelle, um die Signalrate massiv zu beeinflussen.

Abbildung 5.2.: Beispielhafter Verlauf vonDetektorraten gegen dieHochspannung bei einerfesten Messschwelle.

Abbildung 5.3.: Beispiel der Detektorratengegen Diskriminatorspan-nung bei fester Hochspan-nung.

Fur die Hochspannungseinstellung findet sich im Allgemeinen ein linearer Plateaubereich (in geeigne-ter Auftragung), der sich zur Messung anbietet. Beim Festlegen der Spannung muss ein Kompromissaus mangelnder Sensitivitat, Rauschen und hoher Schwellenabhangigkeit eingegangen werden. Je nachMessaufbau konnen sich hierbei unterschiedliche Einstellungen anbieten; das Plateau bietet jedoch eingutes Ausgangsintervall (Abb. 5.2). Die verwendeten PMTs durfen keinesfalls mit Spannungen uber1500 V (T20-1) / 2000 V (T20-2) betrieben werden. Es sei daran erinnert, dass diese Maximalspan-nung von Gerat zu Gerat variiert und durchaus stark abweichen kann. In anderen Versuchen des Prakti-kums werden beispielsweise auch Photomultiplier verwendet, die etwa mit nur maximal 400 V Spannungbetrieben werden durfen. Es ist folglich unerlasslich, sich vor dem Durchfahren der Intervalle mit denBetriebsparametern der Gerate auseinander zu setzen.

Die erste Messung besteht daher in der Ermittlung des Spannungsplateaus fur beide Detektoren. Hierzuist eine geeignete Diskriminatorschwelle festzulegen, fur den 10 − 1000 mV Diskriminatorbereich bietensich 400 mV an. Wahrend der Messung darf diese naturlich nicht verandert werden.Da die Messrate zu einer gegebenen Diskriminatorschwelle wiederum von der gewahlten Hochspannungabhangt, sollte man sich vorab Gedanken machen, welche Hochspannungs- und Schwellenintervalle beimgegebenen Aufbau in Betracht kommen. Sinnvoll ist daher sich den Eingangspuls in den Diskriminatorauf dem Oszilloskop anzuschauen.Im Folgenden sollen beide Parameter dann probeweise iterativ abgetastet werden. Sind geeignete Bereichegefunden worden, sollen beide Messkurven durchfahren werden, so dass schließlich ein Spannungs-plateau fur jeden Detektor und eine Diskriminator-Kurve (Rate gegen Schwelle) fur jedenDetekor vorliegen.

Anhand der Spannungsplateaus kann eine geeignete Spannung fur die einzelnen Kannen ausgewahltwerden (Hinweis: Messung in der Mitte des Plateus stabilisiert die Rate, da die HV-Raten-Abhangigkeit(Abb. 5.2) abflacht, das Rauschen der einzelnen Detektoren steigt dabei jedoch weiterhin leicht an). Eskonnen so auch die Fehler abgeschatzt werden.

Alle Messungen sind mit Wasser durchzufuhren. DIE KANNEN DURFEN NICHT AUFGE-SCHRAUBT WERDEN! Fur das Protokoll sind die Graphen, wie oben, mit statistischem und sys-tematischem Fehler anzufertigen. Hinweis: Der statistische Fehler ist sehr stark von der Detektionsrateabhangig.

Es soll uberpruft werden, dass einzelne Ereignisse unabhangig sind und daher der Poisson-Verteilunggehorchen. Dazu sollen ein einzelner Detektor und eine Koinzidenzschaltung mit Hilfe von dem ProgrammAkademy in einem sinnvollen Zeitintervall vermessen werden.

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5.3. Koinzidenzmessung und Fluss

Uber Nacht soll die Myonrate mit Detektoren in senkrechter Anordnung und Koinzidenz-schaltung (siehe Kapitel Koinzidenzmessung) gemessen werden, nicht vergessen diese nochzu starten!

5.3. Koinzidenzmessung und Fluss

Mit einer Koinzidenzschaltung von zwei Detektoren kann ein Großteil des Rauschens eliminiert werden.Daher ist es moglich, eine recht geringe Diskriminatorschwelle fur jede Kanne zu wahlen, so dass dieRate noch nicht durch Rauschen dominiert ist, aber eine moglichst hohe Einzelrate des Detektors erzieltwerden kann.

Fur verschiedenartige Detektoren kann die Koinzidenzrate zu den Einzelraten jedes Detektors in Verhalt-nis gesetzt werden. Dazu wird die Diskriminatorschwelle eines Detektors in sinnvollen Intervalen variiert,Einzelrate von diesem Detektor gemessen und anschließend die Schwelle eines zweiten Detektors (z.B. in-dem die Vorbereitungsmessung der Diskriminatoren mitgenutzt wird) so angepasst, dass die zweite Ratemit der Ersten ubereinstimmt. Es ist zu beachten, dass Signale verschiedene Verdrahtungswege zuruck-legen, sodass im ungunstigen Fall zwei Signale von einem Teilchen in der Koinzidenz nicht gleichzeitigankommen und nicht zeitgleich eintreffen. Es ist mit den Delay-Modulen (bei T20-2) und einem Oszillo-skop (bei beiden Aufbauten) sicherzustellen, dass die Gate- und Delay-Zeiten sinnvoll gewahlt sind.Dann erst kann die Koinzidenzrate ermittelt und analysiert werden. Fur weitere Informationen sieheKapitel Theorie/Koinzidenzschaltung.

Es soll eine Kurve Koinzidenzrate gegen Einzelrate aufgenommen und mit Fehlern versehenwerden. Der Verlauf der gemessenen Kurve soll qualitativ erklart werden. Es ist zu beachten, dassPraktikumsraum im 1.OG unter einer baulich bedingten Betonabschirmung liegt.

Die Rate der zufalligen Koinzidenzen aus zwei Zufallsprozessen mit Frequenzen den mittleren Raten f1

und f2 und Gate-Zeiten τ1 und τ2 wird wie folgt abgeschatzt:

fZufall = (τ1 + τ2)f2f1. (5.1)

Der Aufbau der eigentlichen Koinzidenzschaltung ist recht einfach. Die Ausgangssignale aus dem Diskri-minator werden in der rosafarbenen Koinzidenzstufe an eine Dreiereinheit angesteckt. Die grune LED zurrechten zeigt jeweils an, welche Kanale verwertet werden. Das Ausgangssignal unten rechts ist dann je-weils wieder ein NIM-Puls, der wie die Pulse aus dem Diskriminator an den Zahler weitergegeben werdenkann. Durch unsachgemaße Behandlung kann die Koinzidenzstufe leicht beschadigt werden. Um die kor-rekte Funktion sicherzustellen, sollte letztere vor Versuchsbeginn mit identischen Signalen auf Funktiongetestet werden.

Wie kommt die Formel fur Zufallskoinzidenzen (5.1) zu Stande? Ab welchen Einzelfrequen-zen tragen die Zufallskoinzidenzen deutlich zur wahren Rate bei?

5.4. Messung der Winkelabhangigkeit

Um die Winkelabhangigkeit des Myonenflusses zu ermitteln, wird einer von zwei Detektoren, im verti-kalen Abstand h, in eine Richtung entlang der Breite b verschoben und dabei die Koinzidenzrate furverschiedene Zenitwinkel θ gemessen (siehe Abb. 5.4). Auch hier andert sich die Schaltung des Aufbausnicht mehr. Es soll die Zenitwinkelabhangigkeit φ(p, θ) ' φ(p)⊥ · cos(θ)n untersucht werden. Dazu kanndie Nachtmessung des vertikalen Flusses mitverwendet werden. Man berucksichtige, dass der Abstandzwischen den beiden Detektoren sich fur unterschiedliche Winkel andert. Die Messung sollte wenigstensvier Stutzstellen enthalten. Es empfiehlt sich im Vorhinein bzw. beim Messen zu durchdenken, wievielMesszeit notwendig ist, um einen sinnvollen Kompromiss aus statistischem Fehler und Messdauer zuerhalten.

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Kapitel 5. Versuchsdurchfuhrung

5.5. Einfluss der Abschirmung

Bei der Abschirmungsvermessung soll der Wagen im Turm 28 des Physikzentrums in verschiedenen Stock-werken aufgebaut und die vertikale Koinzidenzrate gemessen werden. Dafur stehen jeweils zwei Kannenubereinander. Zusatzlich sind die Deckenmaße zu ermitteln. Die Dichte von Beton betragt ungefahrρ ' 2.3 g

cm3 [1]. Die gemessene Rate soll gegen die Betondicke und die Materialtiefe aufgetragen unddiskutiert werden. Der Aufbau unterscheidet sich nicht wesentlich von der Koinzidenzmessung. Es ist zubeachten, wohin das Gesichtsfeld der gekoppelten Detektoren gerichtet ist. Wie auf Abbildung 5.4 zuerkennen ist,

”blicken“ die Kannen in eine massive Betonsaule, wenn sie zu nah an tragenden Wanden

stehen. Hier ist ein Kompromiss aus Abstand zur Wand und Platzbedarf des Aufbaus zu machen. Bittenicht den ganzen Turm blockieren! Ausserdem sollte darauf geachtet werden, dass andere nicht uber dasStromkabel stolpern.

Abbildung 5.4.: Versuchsaufbau zur Messung der Winkelabhangigkeit (links). Schematische Darstellung

von der Uberschneidung des Sichtkegels mit den Decken und einer Wand (rechts).

5.6. Auswertung der Messdaten

Ein USB-Stick fur die Messdaten sollte mitgebracht werden, die Auswertung erfolgt in einem Programmder Wahl.

Messwerte und Ergebnisse sind mit systematischem sowie statistischem Fehler anzugeben.

Im Protokoll muss sich mindestens das Folgende finden:

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5.6. Auswertung der Messdaten

• Je ein Graph Messrate gegen Diskriminatorschwelle fur die verwendeten Detektoren

• Je ein Graph Messrate gegen Hochspannung fur die verwendeten Detektoren

• Graph zur Poisson-Statistik der Einzelrate und der Koinzidenzrate

• Graph Koinzidenzrate gegen Einzelrate

• Graph Messrate gegen Zenitwinkel mit erwartetem Verlauf

• Graph Messrate gegen Abschirmung mit erwartetem Verlauf

Alle Graphen sind mit statistischem und systematischem Fehler zu versehen und ihr Verlauf zu diskutie-ren. Die Graphen Rate gegen Abschirmung und Rate gegen Winkel sollen ausserdem mit den theoretischerwarteten Werten verglichen werden. Eventuelle Abweichungen vom erwarteten Verlauf sollen diskutiertwerden.

HINWEIS: DIE BEIDEN VERSUCHSAUFBAUTEN SIND NICHT IDENTISCH UND DIE GEMES-SENEN RATEN KONNEN DAHER STARK VONEINANDER ABWEICHEN!

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Anhang A. Pierre Auger Observatorium

A. Pierre Auger Observatorium

A.1. Ultra-hoch-energetische kosmische Strahlung

Die geladenen, niederenergetischen Teilchen der kosmischen Strahlung werden auf ihrem Weg in Ma-gnetfeldern vielfach abgelenkt und treffen daher isotrop auf die Erde, d.h. aus der Einfallsrichtung derTeilchen kann nicht auf ihre Quellen zuruckgeschlossen werden.

Der Nachweis der Teilchen der ultra-hoch-energetischen Strahlung (geladene Teilchen mit Energien vonuber 1018 eV) wurde jedoch eine Rekonstruktion der Herkunftsrichtung erlauben. Zusammen mit der Mes-sung der Elementzusammensetzung und des Energiespektrums konnen so Ruckschlusse auf die Quellender kosmischen Strahlung gezogen werden.

Die energiereichsten Teilchen, die bisher nachgewiesen wurden, hatten eine Energie von 1020 eV. So etwasdurfte es nach konservativen physikalischen Abschatzungen gar nicht geben, weil man keine uberzeu-genden Quellen in unserer kosmischen Nachbarschaft kennt, und weil die Teilchen aus allen Richtungenmit ungefahr der gleichen Haufigkeit zu kommen scheinen, was fur sehr weit entfernte Quellen spricht.Hierzu gibt es zwar diverse Kandidaten - doch aus so großen Distanzen durften die Teilchen gar nichtmit den gemessenen 1020 eV zu uns gelangen. Das verbietet eine theoretische physikalische Grenze, derGZK-cutoff.

Die Existenz der hochenergetischen Teilchen wirft daher eine Reihe von wissenschaftlichen Fragen auf(Zusammenfassung [18]):

• Woher kommt diese Strahlung und woraus besteht sie?

• Was sind ihre Quellen und wie werden die Elementarteilchen zu solch hohen Energien beschleunigt?

• Wie breitet sich die kosmische Strahlung durch das interstellare Medium bis zur Erde aus?

• Werden die Eigenschaften der Strahlung dabei verandert?

• Was sind die hochsten in der kosmischen Strahlung vorkommenden Energien?

Da die Rate der kosmischen Strahlung, die bei den hochsten Energien die Erde erreicht, so niedrig ist

1 Teilchen pro Jahrhundert und km2

braucht man riesige Detektorfelder auf der Erdoberflache, um eine ausreichende Statistik zu erhalten.

Abbildung A.1.: Ist dies eine Quelle der hochstenergetischen Teilchen der kosmischen Strah-lung? Stilisiertes Bild eines Aktiven Galaktischen Kerns. Bild von ESA/ChristopheCarreau/ATG medialab.

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A.2. Das Pierre Auger Observatorium

A.2. Das Pierre Auger Observatorium

Das Pierre Auger Observatorium ist das momen-tan großte und genaueste Experiment zur Mes-sung der kosmischen Strahlung.Erstmalig kommt bei dieser Anlage eine Hybrid-Technik zur Messung von Luftschauern zum Ein-satz, d.h. Luftschauer werden sowohl mit einemOberflachen-Detektorfeld (SD) als auch mit op-tischen Teleskopen (FD) nachgewiesen. Die si-multane Messung von Luftschauern mit beidenNachweismethoden reduziert sehr stark die Un-sicherheiten der Messung.Mit den 1600 Oberflachendetektoren, 5 Te-leskopgebauden und einer Flache von etwa3000 m2 (Abb. A.2) sind Messungen bis inden Bereich der hochstenergetischen kosmischenStrahlung moglich.Das Experiment ist in der Pampa Argentiniens,nahe der Stadt Malargue, stationiert.Von dort aus spannt sich in nordliche Richtungdas Netz der Oberflachendetektoren im Abstandvon jeweils 1.5 km auf.

Abbildung A.2.: Skizze des Pierre Auger Observa-toriums. Die grauen Punkte stel-len die einzelnen Tanks des Ober-flachendetektors dar, die farbigenLinien kennzeichnen die Sichtfelderder optischen Teleskope.

Der Oberflachendetektor des Pierre Auger Ob-servatoriums besteht aus insgesamt 1600 mithochreinem Wasser gefullten Wasser-Cerenkov-Tanks (Abb. A.3, [19]). Jeder Tank hat eineGrundflache von 10 m2 und 120 cm Hohe undbeinhaltet somit 12 Tonnen Wasser. Da dieLichtgeschwindigkeit in Wasser langsamer ist alsim Vakuum, konnen die dort eindringenden Teil-chen Cerenkov-Licht erzeugen. Zur Messung desCerenkov-Lichts sind in jedem der Tanks zweihochsensible Photomultiplier angebracht. AlleTanks sind autonome Stationen, die durch Son-nenenergie betrieben werden und ihr Signal uberKommunikationsantennen weiterleiten.Mit den Wasser-Cerenkov-Tanks des Ober-flachendetektors besitzt das Pierre Auger Obser-vatorium ein Instrument, das es erlaubt in nahe-zu 100% der Zeit zu messen.Grundsatzlich gibt es zwei Modi, wann die Da-ten der Wasser-Cerenkov-Tanks gespeichert wer-den. Einmal im Hybrid-Modus zusammen mitdem Fluoreszenzdetektor und zum anderen imStandalone-Modus, wenn drei unterschiedlicheTanks auf einem kleineren Gebiet ein Signal er-kennen. Beide Modi erlauben eine besonders gu-te Richtungsrekonstruktion.

Abbildung A.3.: Skizze des Wasser-Cerenkov-Tanksverwendet am Pierre Auger Ob-servatoriums. Das Cerenkov-Lichtswird von zwei Photomultiplierndetektiert.

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Anhang A. Pierre Auger Observatorium

In funf Gebauden am Rand des Detektorfelds beobachten ingesamt 27 Fluoreszenzteleskope in klarendunklen Nachten (15% der Messzeit) den Himmel uber dem Detektorfeld. Wahrend mit den Tanks dieTeilchenverteilung von Luftschauern auf der Erdoberflache gemessen wird, kann anhand der Leuchtspurdie Entwicklung der Teilchenzahl entlang der Schauerbahn durch die Atmosphare rekonstruiert werden.Dies ist moglich, da die geladenen Teilchen des Schauers die Stickstoffmolekule in der Luft zur Emissionvon ultraviolettem Fluoreszenzlicht anregen, welches anschliessend mit der hochempfindlichen Optik derFluoresenzteleskope nachgewiesen werden kann. Hierzu wird das einfallende Licht auf einer grossen Spie-gelflache von etwa 12 Quadratmetern gesammelt, auf eine Kamera mit 440 Photomultipliern gebundeltund dort nachgewiesen. Die Ergebnisse der Fluoreszenzteleskope erlauben die beste Energiebestimmungeines Ereigniss und dienen daher u.a. auch zur Energiekalibration des gesamten Experiments.

Fur die Interpretation der Daten ist die Kenntnis der Fluoreszenzrate von Luft und der atmosharischenBedingungen beim Detektor sehr wichtig. Die hierfur benotigten Daten werden in zusatzlichen Messungengewonnen.

Eine Zusammenfassung des Zusammenspiels beider komplementaren Detektionsmechanismen ist in Ab-bildung A.4 aufgezeichnet.

Das Pierre Auger Observatorium hat mit dieser Methode der Messung von ausgedehnten Luftschauernbereits viele wichtige Erkenntnisse uber die kosmische Strahlung gewonnen [20]. Die wohl wichtigste ist derNachweis des theoretisch vorhergesagten Abfalls des Flusses der kosmischen Strahlung zu den hochstenEnergien hin (siehe Abbildung 3.1).Aber auch z.B. bei der Untersuchung der extra-galaktischen Magnetfelder hat man viel dazu gelerntund die Modelle immer weiter verfeinert. Dies erlaubt nun viele Verbesserungen in den Simulationen derTeilchenpropagationen von der Quelle zur Erde, was sehr wichtig ist fur die Suche nach den Quellen derkosmischen Strahlung.

Oberflächen-Detektor (SD)

1.5 km

Spiegel

Kamera

Fluoreszenz-Detektor (FD)

Primärteilchen

Schauerfront

Schauerachse

Θ

Fluoreszenzlicht (früh)Fluoreszenzlicht (spät) 30°

einige km

Abbildung A.4.: Detektionsprinzipien am Pierre Auger Observatorium in Argentinien. Der Oberflachen-Detektor und der Fluoreszenz-Detektor vermessen bereits erfolgreich Luftschauer, diedurch die kosmische Strahlung induziert wird. Der Oberflachen-Detektor vermisst dieTeilchenverteilung am Boden und der Fluoreszenz-Detektor den Schauerverlauf durchdie Atmosphare.

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A.3. Geplantes Upgrade

In Abbildung A.5 ist das Schauer-Ereignis201100102713 vom 1. Februar 2011 zu sehen. Eshandelt sich um ein Hybrid-Ereignis mit einerEnergie von E ' 6·1018 eV, welches von Fluores-zenzteleskopen im Teleskopgebaude Loma Ama-rilla und sieben Tanks des Oberflachendetektorsgesehen wurde. Die rote (FD) und die blaue Li-nie (SD) spiegeln die rekonstruierte Richtungdes Schauers wider. Die Linien ausgehend vomFluoreszenzteleskop zeigen den zeitlichen Ver-lauf des ankommenden Fluorenszenzlichtes an.Die Große der Kreise am Boden verdeutlicht, wieviel Energie in den getroffenen Tanks des Ober-flachendetektors deponiert wurde.

Abbildung A.5.: Schauer-Ereignis am Pierre Au-ger Observatorium.

A.3. Geplantes Upgrade

Um eine noch bessere Untersuchung des Luftschauers zu erreichen, arbeitet das Pierre Auger Observa-torium daran, zusatzlich die myonische Komponente separat zu bestimmen. Mit dem geplanten Upgradeder Anlage, wollen die Wissenschaftler am Pierre Auger Observatorium kunftig die prazise Zahl der Myo-nen ermitteln. Die Installation eines zusatzlichen Myon-Detektors wurde es erlauben, die Eigenschaftendes Primarteilchens fur jeden einzelnen Schauer zu bestimmen: beispielsweise ein schwerer oder leichterAtomkern, ein Proton oder ein Gammaquant. Heute ist eine Aussage dazu nur auf statistischer Basismoglich.

Dies wurde erlauben, dass fur jede Teilchenart Ankunftsrichtungen und Energien separat untersucht wer-den konnen. Der Abfall der Teilchenzahl der ankommenden kosmischen Strahlung zu hohen Energienlasst sich somit ebenfalls getrennt nach Teilchenart betrachten:Es gibt verschiedenen Modelle, die uns von der Elementarteilchenphysik vorhergesagt sind und diesenAbfall erklaren, konnen. Die beiden allgemein bevorzugten Theorien sind der GZK-cutoff, d.h. die Wech-selwirkung der kosmischen Strahlung mit der kosmischen Hintergrundsstrahlung, oder das Erreichen dermaximalen Energie, die die Beschleuniger der kosmischen Strahlung aufbringen konnen.

Diese Modelle konnten nach dem Upgrade effizient uberpruft und auf die Vorhersagen fundamentalerPhysik getestet werden, welche uns mit Beschleunigern auf der Erde auf lange Zeit unzuganglich bleiben.Gelingt dies, erhalten wir wertvolle Informationen uber die Beschleunigungsmechanismen und Quellender kosmischen Strahlung.

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Anhang B. IceCube

B. IceCube

In diesem Kapitel werden sowohl die prinzipielle Nachweismethode fur Neutrinos als auch der Aufbauund die Funktionsweise des Neutrinodetektors IceCube kurz erlautert.

B.1. Nachweis von Neutrinos

Neutrinos sind elektrisch neutrale Elementarteilchen und gehoren zu der Familie der Leptonen. Im Stan-dardmodell der Teilchenphysik existieren drei Neutrino-Flavors: das Elektron-, das Myon- und das Tau-Neutrino. Sie unterliegen nur der schwachen Wechselwirkung1 und haben einen sehr geringen Wirkungs-querschnitt. Deshalb passieren sie Materie nahezu ungehindert. Sie sind somit exzellente Boten der ener-giereichsten Ereignisse im Weltall, denn anders als Licht konnen sie muhelos aus extrem dichten Umge-bungen wie etwa dem Inneren von kosmischen Teilchenbeschleunigern entkommen und werden auf ihremWeg zur Erde nicht durch Magnetfelder abgelenkt.

Wenn Neutrinos mit Materie, genauer gesagt einem Kern N , wechselwirken, kann dies uber zwei grund-legende Prozesse geschehen:

Zum einen kann ein Neutrino uber einen neutralen Strom mit dem Kern interagieren, das bedeutet beider Reaktion wird ein Z0-Eichboson ausgetauscht und das Neutrino bleibt erhalten. Es entsteht bei dieserWechselwirkung als Reaktionsprodukt eine hadronische Kaskade X:

ν +N → ν +X (B.1)

Zum anderen kann ein Neutrino uber den Austausch eines W±-Eichbosons in ein Lepton l des gleichenFlavors umgewandelt werden. Bei dieser Wechselwirkung uber einen geladenen Strom wird ebenfalls einehadronische Kaskade erzeugt:

ν +N → l +X (B.2)

Eine Detektion des geladenen Leptons ist uber Cerenkov-Strahlung moglich, welche von dem Lepton beiseinem Flug durch das Detektormaterial emittiert wird.Aus der Detektion der Cerenkov-Photonen mit optischen Sensoren konnen Energie und Richtung desLeptons rekonstruiert werden. Bei hohen Energien ist die Richtung des geladenen Leptons mit der desNeutrinos korreliert. Somit konnen aus der Detektion des Leptons Ruckschlusse auf die ursprunglichenNeutrinoeigenschaften gezogen werden.

Grundsatzlich konnen alle drei Leptonen-Flavors zur Detektion verwendet werden, jedoch eignen sichbesonders Myonen fur eine gute Richtungs-, bzw. Spurrekonstruktion. Myonen erzeugen lange Spurenim Detektor (siehe Abbildungen B.1, B.2), da sie eine relativ hohe Masse und eine lange Lebensdauerhaben. Elektronen hingegen werden nahezu direkt wieder absorbiert, da sie viel starker mit den Atomenwechselwirken (siehe Abbildungen B.3, B.4). Tauonen losen zwar sehr helle, aber auch sehr kurze Kas-kaden aus. Sie zerfallen wegen ihrer hohen Masse schnell und besitzen somit nur eine kurze Spur (sieheAbbildungen B.5, B.6).

Nicht nur das geladene Lepton, sondern auch die Kaskaden erzeugen Cerenkov-Licht. Sie gleichen jedochpunktformigen Lichtquellen und enthalten keine Richtungsinformationen mehr. Aus diesem Grund liegtdas hauptsachliche Augenmerk bei einem Neutrinodetektor auf dem Nachweis des entstandenen Leptons.

1Die Gravitation kann wegen der geringen Masse der Neutrinos vernachlassigt werden.

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B.1. Nachweis von Neutrinos

Abbildung B.1.: Signatur eines Myonneutrinos, dasausserhalb des Detektors wechsel-wirkt [23]. Das entstandene My-on hinterlasst eine deutliche Spurdurch den Detektor. Die grauenPunkte stellen optischen Moduledar.

Abbildung B.2.: Signatur eines 3 PeV Myonneu-trinos in IceCube [23]. Das ent-standene Myon besitzt eine Ur-sprungsenergie von 1.6 PeV und inder Mitte des Detektors noch eineEnergie von 300 TeV. Die Farbenverdeutlichen die zeitliche Reihen-folge der getroffenen optischen Mo-dule (rot - fruh, blau - spat).

Abbildung B.3.: Signatur eines Elektronneutrinos[23]. Das entstandene Elektronwird direkt wieder absorbiert undproduziert sowohl eine hadronische(gelb) als auch eine elektromagne-tische (blau) Kaskade. Die grau-en Punkte stellen optischen Modu-le dar.

Abbildung B.4.: Signatur eines 3 PeV Elektrons inIceCube [23]. Die Farben verdeut-lichen die zeitliche Reihenfolge dergetroffenen optischen Module (rot- fruh, blau - spat). Die grauenPunkte stellen die restlichen opti-schen Module dar.

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Anhang B. IceCube

Abbildung B.5.: Signatur eines Tauneutrinos [23].Das entstandene Tau zerfallt di-rekt wieder und produziert eine ha-dronische (gelb) Kaskade.

Abbildung B.6.: Simulierte Signatur eines 583 TeVTauneutrinos in IceCube [23]. DasEreignis zeigt die charakteristische“double bang” Struktur. Die Far-ben verdeutlichen die zeitliche Rei-henfolge der getroffenen optischenModule (rot - fruh, blau - spat).Die grauen Kreise stellen die Punk-te der hadronischen Wechselwir-kungen dar.

B.2. IceCube Neutrino Observatorium

Abbildung B.7.: Skizze eines optischen Modulsvon IceCube.

Das IceCube Neutrino Observatorium befindet sicham geographischen Sudpol und verwendet das meistklare antarktische Eis als Detektormaterial. Es istdas derzeit grosste Neutrinoteleskop und besitzt eininstrumentiertes Volumen von ungefahr 1 km3.Im Volumen befinden sich 5160 optische Sensoren,die sogenannten digital optical modules (DOMs,Skizze siehe Abbildung B.7), in einer Tiefe von1450 m bis 2450 m. Diese sind vertikal in einemAbstand von 17 m an 86 Strings befestigt. DerAbstand zwischen den Strings betragt ungefahr120 m. Alle optischen Sensoren beinhalten einenPhotomultiplier, dessen Daten uber eine DAQ (dataacquisition) erfasst und ausgelesen werden.Die fur die Strings notwendigen Locher wurdenmit Hilfe von 80 bis 90 heissem Wasser in dieinsgesamt 3 km dicke Eisschicht gebohrt.

Mit diesem Aufbau (siehe Abbildung B.8 sammelt IceCube Informationen uber astrophysikalische Neu-trinos in einem Energiebereich von ' 100 GeV bis hin zu einigen PeV. Die Detektion ist jedoch von derQualitat des Eises abhangig und wird somit vom sogenannten dust layer, eine sich in 2100 m befinden-de Staubschicht, beeinflusst. In der Staubschicht wird Cerenkov-Licht absorbiert und steht daher zurDetektion nicht mehr zur Verfugung, d.h. es gehen Informationen verloren.

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B.2. IceCube Neutrino Observatorium

Die grosste Untergrundquelle fur den Detektor sind atmospharische Myonen, die nicht aus einer Neutrino-wechselwirkung, sondern aus kosmischen Schauern (siehe Kapitel 3.2) entstehen. Fur eine Verringerungdieses Untergrundes kann man sich zunutze machen, dass Neutrinos nur schwach wechselwirken. Siekonnen somit in grosserer Zahl die Erde, im Gegensatz zu anderen Teilchen, ungehindert durchqueren.Die Erde dient als Filter fur atmospharische Myonen aus der nordlichen Hemisphare. Wenn Neutrinos imDetektorvolumen mit einem Kern wechselwirken, zeigen die Myonen-Spuren in die nahezu gleiche Rich-tung wie das ursprungliche Neutrino. Alle optischen Module an den Strings blicken daher in Richtungdes Erdmittelpunktes. Uber diese Methode wird unter anderem nach extraterrestrischen Neutrinoquellenim Bereich der Nordhalbkugel gesucht.

Um eine Unterscheidung der Signal- und Untergrund-Myon-Ereignisse aus der Sudhalbkugel zu erlauben,mussen zusatzliche Kriterien verlangt werden. Fur den Nachweis extraterristischer Neutrinos verlangtIceCube daher fur ein Signal-Ereignis, dass dies im Detektor selbst startet und hochenergetisch seinmuss. Atmospharische Neutrinos wurden immer Spuren aufweisen, die bereits vor dem Eintritt in denDetektor bestanden.

Abbildung B.8.: Schematische Seitenansicht des IceCube Neutrino Observatorium. Gekennzeichnet sindIceTop (Detektor fur Luftschauer), der IceCube Detektor und DeepCore (eine Nieder-energieerweiterung von IceCube). Bild von der IceCube Collaboration.

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Anhang B. IceCube

B.3. Nachweis extraterrestrische Neutrinos

Den ersten Hinweis auf extraterrestrische Hochenergie-Neutrinos lieferte im April 2012 die Entdeckungder beiden bis dahin energiereichsten Neutrino-Ereignisse: Ernie und BertDie vertiefte Suche, deren Ergebnisse jetzt vorgestellt wurden ([22], [24]), forderte weitere 26 Ereignissemit Energien oberhalb von 30 TeV zutage - deutlich mehr als das, was man fur in der Erdatmosphareerzeugte Neutrinos erwartet.

In Abbildung B.9 werden die Daten mit den Erwartungen aller Untergrunden z.B. fur atmospharischeMyonen verglichen. Eine Abweichung vom erwarteten Untergrund zu hohen Energien hin ist deutlich zuerkennen. Dies mussen also extraterristische Neutrino-Ereignisse sein.

Eine raumliche oder zeitliche Haufung der 28 Ereignisse, die auf eine bestimmte kosmische Quelle hin-deuten wurde, konnten bisher noch nicht feststellen, dazu ist die Anzahl noch zu klein (siehe AbbildungB.10). Eine erhohte Statistik in den kommenden Jahren und eine gemeinsame Analyse mit den Experi-menten der kosmischen Strahlung, wie z.B. dem Pierre Auger Observatorium, werden jedoch die Auswahlan Quellkandidaten starker einschranken.

Abbildung B.9.: Gezeigt ist die deponierte Ener-gie aller hochstenergetischstenNeutrino-Ereignisse gemessen vonIceCube uber 622 Tage [24]. DieAnzahl der Ereignisse werden mitden theoretischen Vorhersagen desUntergrundes verglichen. Deutlichist eine Abweichung vom Unter-grund zu hohen Energien hin: DerNachweis von extraterristischenNeutrinos.

Abbildung B.10.: Himmelskarte der hochstenerge-tischsten detektierten Neutrino-Ereignisse im aquatorialenKoordinatensystem [24]. DiePluszeichen (+) kennzeichnenKaskaden-Ereignissen, die Kreu-ze (x) Myon-Spur-Ereignisse.Die graue Kurve verdeutlicht dieLage der galaktischen Ebene.

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Literaturverzeichnis

Literaturverzeichnis

[1] Review of Particle Physics, C. Amsler et al., Physics Letters B667, 1 (2008)

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