Krimi Leseprobe "Elche morden nicht"

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    Leseprobe

    Elche morden nicht

    Henry Sebastian Damaschke

    1. Auflage

    ISBN-13: 978-1-50108-268-9

    Korrektorat & Layout: Petra Schmidt; www.lektorat-ps.com

    Umschlaggestaltung: H.-S. Damaschke; www.sheep-black.com

    Bildrechte: Shutterstock 174880115, 88055587

    Verlag: Create Space Independent Publishing Platform

    Printed in Germany by Amazon Distribution GmbH, Leipzig

    2014 by Henry-Sebastian Damaschkewww.henry-sebastian-damaschke.com

    Die Buch- und Cover-Rechte liegen beim Autor.

    Das Werk ist urheberrechtlich geschtzt.Jede Verwertung und Vervielfltigung auch auszugsweise ist nur mit

    ausdrcklicher schriftlicher Genehmigung des Autors gestattet.Alle Rechte, auch die der bersetzung des Werkes, liegen beim Autor.

    Zuwiderhandlung ist strafbar und verpflichtet zu Schadenersatz.

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    ccccccccccccccccccccKapitel

    enrik hatte lange berlegt, ob er diesen Wegnun gehen sollte. Frher hatte er nie gezgert,er war immer sehr spontan und konsequent

    seine Wege gegangen. Nur diesmal war alles so ganzanders. Klar, er hatte frher auch bei seinen Wegen im-mer die Menschen in seinem Umfeld bercksichtigt undwar meistens sehr nachsichtig gewesen; er tat seltenDinge, die andere bewusst verletzen sollten, aber diesesMal schien es ihm egal. Er wirkte mde und abgespannt.

    Er wollte blo weg. Weg von dem Terror seiner Ex-Partnerin, weg von seiner Befindlichkeit, weg von neuaufkommenden, groen Emotionen. Weg von der Nhe

    des Gefhls zu sich. Was hatte er sich dabei nur gedacht,sich einfach zu verlieben? Hatte er berhaupt gedacht?Er hasste sich bei dem Gedanken, seinen Mund nicht ge-halten zu haben und einfach , wie konnte er nur

    Ach, zum Teufel, dachte er. Die Karre war nun eh vlligim Dreck.

    Er sah traurig aus, aber die Wrfel waren gefallen.

    Tief in seinem Herzen hatte er keine Optionen mehr. Erwusste es und es war sowieso gerade alles egal. Er dach-te grimmig: Eines Tages werde ich vermutlich alle Weisheitender Welt aufgeschrieben haben und dann in die nchste Rie-

    sendummheit rennen. Er hatte viele Weisheiten aufge-schrieben und war gerade dabei, in eine Riesendumm-heit zu rennen, aber darber machte er sich nicht wirk-

    lich Sorgen.D c

    H

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    Er hatte alles gepackt fr seine Reise, die ihn in denNorden fhren wrde. Warum gerade nach Norden, erhtte auch eine warme Region whlen knnen? Er dach-

    te an Dubai.Dubai die Stadt der Superlative.Das berhmte Burj Al Arab, in der Presse als einziges

    7-Sterne-Hotel der Welt gefeiert, die weltgrte Ski-Halle, mitten in der Wste mit einer gesamten Schneefl-che von 22.500 m2 Wie knnte es da anders sein, alsdass das mit Abstand hchste Gebude gerade im Bau

    stand?Auen verspiegelte Wolkenkratzer, im Inneren nach

    Themen angelegte Shoppingcenter, dominiert von klin-genden Namen wie Gucci, Prada, Chanel.

    Hier ist man jemand. Oder eben nicht.In ersterem Fall ist die Chance sehr gro, einer der

    insgesamt 53.000 US-Dollar-Millionre zu sein, die lautAngaben des World Wealth Report hier leben. Haupt-schlich Emirate, was die Zahl noch mehr ins Licht stellt,da die Bevlkerung Dubais zu rund 85 % aus Ausln-dern besteht. Einheimische und hochqualifizierte wieauch wohlkonstituierte Arbeitsmigranten auf der einen,indonesische Hausmdchen, die fr rund 100 Euro im

    Monat 16 Stunden tglich arbeiten ohne freie Tage oderWochenenden, versteht sich , auf der anderen Seite.Seit dem lfund 66 boomt die Wirtschaft.Glamour und Luxus haben Einzug gehalten in die

    ehemals kleine Ansiedlung von Fischern und Perlentau-chern am Persischen Golf. So entstand eine Oase desformenreichen Materialismus mitten in der Wste. Eine

    strahlende Glimmerwelt des Seins und Scheins.Und alles, was glnzt, ist aus echtem Gold, auch die

    Sterne.

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    Dem gegenber standen: die Gre, die Weite, dieStille. Ein Land aus Wasser, Wald und Stein. Das nrd-

    lichste Europas, dahinter kommt nur noch die Arktis.Berhmt fr seine eindrucksvollen Fjordlandschaften,bekannt fr Eis und Schnee.

    Norwegen ist etwas anders. Und anders als Dubai al-lemal. Auf Rollrasen und rund um die Uhr bewssertePalmenparks trifft man hier selten. Oslo hat weder eineMall of the Emirates noch liegen knstlich erschaffene

    Luxusinseln vor seiner Kste im Meer.Oslo ist pur. Ohne Schnickschnack. In jeder Hinsicht.Glserne, stets wie frisch polierte Hochhausfronten

    sucht man hier vergebens, denn Oslo ist keine Haupt-stadt, die einen mit ihren Sehenswrdigkeiten erschlgt.Eher zeichnet sich Oslo durch einen eklatanten Mangelan Eiffeltrmen, Big Bens und Towern aus. Doch wennman sich Oslo vom Meer her nhert, geht einem dasHerz auf, ob der unsagbaren Ausblicke, die der Fjord mitseinen wilden, zerklfteten Naturschauspielen bietet.

    Msste man nach Paris durch einen hundert Kilome-ter langen Fjord, wrden einem all die Sehenswrdigkei-ten auch eher bertrieben vorkommen.

    Wie die Stadt generell, so ist auch die Architektur. Purund ohne Schnickschnack nmlich.Den Besucher begrt am Hafen das Rathaus. Ein

    klotziger Backsteinbau, dessen realsozialistische Aus-strahlung nicht ansatzweise vermuten lsst, dass darinalljhrlich am 10. Dezember, dem Todestag Alfred No-bels nmlich, der Friedensnobelpreis verliehen wird.

    Die Stadt, auf den ersten Blick, ist grau und ohneHerausragendes. Jedoch scheint jeder eingeladen, dergewillt ist, einen Moment zu verweilen, die wundersame

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    Leichtigkeit und die zarte Harmonie, mit der diesesLand erfllt zu sein scheint, zu erfassen. Auch die Men-schen , berall trifft man auf herzliche, hilfsbereite

    Leute, aber doch mit einer gewissen freundlichen Zu-rckhaltung. In jedem Fall unaufdringlich.D c

    Wie kommt es nun, dass diese beiden, absolut gegen-stzlichen Stdte hier aufeinandertreffen?

    Nun, er hatte die anfangs zweifelhafte Freude, beideim krzesten Abstand zueinander zu bereisen. Damals,

    dachte er und schmunzelte.So wechselte er dann ganz dezent die klimatischen

    Verhltnisse, den Kontinent, tauschte Kultur und Land,Ethnie und Zeitzone. Tauschte Mittleren Osten gegenden hohen Norden.

    Mag dies als Grund fr die Verbindung dieser beidenStdte auch etwas zufallsgesteuert oder willkrlich wir-ken, auch, da jeder Versuch eines Vergleichs unmglichscheint, so hatte ihn diese Verbindung zwar auch erst beinherer berlegung, dann jedoch gnzlich in Verz-ckung versetzt.

    Gegenstzlicher geht es kaum.Konsumausgerichtete Wstenmetropole dort und die

    ruhige, skandinavische Khle hier.Er war froh ber den Lauf, den die Dinge damals ge-nommen hatten. Froh, dieser Stadt entgangen zu sein. Imbrigen konnte er Hitze noch nie leiden, er war eher dernordische Typ.

    Einer Stadt, von deren acht kulturellen Hhepunktensiebeneinhalb Luxushotels sind, dessen Scheich geschtz-

    te 1,5 Milliarden US-Dollar in den Bau eines weiterensteckt Nun ja, die 10.000 m2Blattgold fr die Verzie-

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    rungen selbigen Hotels werden sich wohl auch ein we-nig zu Buche geschlagen haben

    Er entging einer Stadt, in der man zweimal tglich zu

    den Hauptverkehrszeiten fr je drei Stunden im Stausteht, weil die schlecht ausgebauten Buslinien das Arme-Leute-Image tragen und jedes bessere Dienstmdchenmit dem Taxi fhrt.

    Er entging einem Land, in dem Wasser teurer ist alsBenzin.

    Und mag Dubai auch noch so schillern und funkeln,

    dafr geht die Sonne in Oslo niemals unter, zumindestim Sommer nicht, und auch das langweiligste Wikin-germuseum war ihm lieber als die kitschigen, durchge-stylten Einkaufszonen.

    Und wie Goethe schon sagte: Was glnzt, ist fr denAugenblick geboren! Und er musste es schlielich wis-sen.

    So wird wohl Oslo als letztes untergehen , weil ech-te Sterne eben doch unersetzlich sind, und Oslos Him-mel ist voll davon.

    D c

    Genau dahin sollte seine Reise gehen und von da ausweiter nach Bergen, der Hafenstadt mit dem wunder-

    barsten Flair der Welt, dem Fischmarkt und den einfa-chen und frhlich wirkenden Leuten. Er besa in derNhe seit vielen Jahren eine kleine Blockhtte, und ge-nau in die zog es ihn. Er wollte eigentlich mit dem Mo-torrad von Oslo nach Bergen frher war er immer sogereist , aber er hatte sich anders entschieden und wr-de von Oslo nach Bergen fliegen. Das war nicht so an-

    strengend fr ihn und von dort aus wrde er dann miteinem Gelndewagen zu seiner Htte aufbrechen.

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    Ulf und Ole, seine alten Norweger, wie er sie liebevollnannte, hatten schon alles fr ihn vorbereitet. Er freutesich auf die beiden und ihre Familien, die sich in seiner

    Abwesenheit um das kleine Anwesen kmmerten, dasdirekt an einem Fjord lag, eingebettet in Felsen, umge-ben von Bumen und einer sprlichen und doch ppigwirkenden Vegetation.

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    Elche, dachte er und unwillkrlich zog ein Lcheln insein Gesicht. Diese urwchsigen Tiere mit ihren lustigen Nasen

    und ihren wunderschnen Augen.Dazu sahen sie immer einwenig verschmitzt aus. In seinem Herzen war er schonlange selbst ein Elch geworden.

    Er erinnerte sich an seine erste Begegnung mit einem.Es war um fnf in der Frh an dem Fjord gewesen. DerElch hatte dagestanden und getrunken. Bis zum Brust-korb hatte er im Wasser gestanden und Henrik hatte nurerahnen knnen, wie gro er wirklich gewesen war.

    Er hatte sich langsam genhert und ihn genauer ange-schaut. Dieser sanft wirkende Riese hatte seinen Kopfgehoben und in seine Richtung geschaut. Er und derElch, der Elch und er. Blicke waren getauscht wordenund einen Moment hatte es so ausgesehen, als ob der

    Elch gelchelt htte. Das war der Moment gewesen, wozwischen ihm und diesen Tieren eine unglaubliche Liebeentstanden war. Henrik grinste bei der Erinnerung unddachte an seine Blockhtte, einen Ort der Ruhe, desRckzuges und Ankerplatzes fr seine Trume. Trume,ging es ihm wehmtig durch den Kopf.

    Dort konnte er jedenfalls in Ruhe schreiben, fernab

    der Welt.Henrik war Schriftsteller geworden, nachdem er sei-

    nen Beruf aufgegeben hatte. Sein erster Infarkt hatte ihn

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    damals dazu gezwungen. Er konnte die stressigen Tagein der Klinik nicht mehr durchhalten und so machte eraus seinem Hobby einen Beruf. Er begann, Krimis zu

    schreiben und das tat er erfolgreich, wie fast alles in sei-nem Leben, denn er tat es mit groer Liebe.Er bentigte aber Orte der Ruhe, um arbeiten zu kn-

    nen, um seine Gedanken zu bndeln und seinen Ideenfreien Lauf zu lassen.

    So war es frher zumindest und heute brauchte er ei-nen Ort der Zuflucht, um in Ruhe die Dinge fr sich zum

    Abschluss zu bringen.D c

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    ccccccccccccccccccccKapitel 2

    r brach auf. Ein Freund brachte ihn zum Airport.Die beiden schwiegen fast die ganze Fahrt. Ob siesich je wiedersehen wrden, war ungewiss. Bei-

    de wussten das, aber sie schwiegen. Sie erreichten nachzwanzig Minuten den Airport.

    Achim half beim Ausladen des Gepcks, gemeinsamgingen sie zum Gate. Henrik gab das Gepck auf, schau-te auf seine Uhr und sagte dann:

    Na, ein wenig Zeit habe ich ja noch.Achim nickte und sah ihn an. Sie waren sich seit Jah-

    ren vertraut, irgendwann waren sie schlielich Freundegeworden. Er schaute ebenfalls auf die Uhr, es wurde

    langsam Zeit zum Check-in. Achim umarmte Henrik mitden Worten:Komm gesund wieder, alter Norweger.Dies war jedoch nur eine Phrase und beide wussten

    das. Diese so ungleichen Freunde, die eine ganze MengeGegenstzliches verband.

    Es wird Zeit, flsterte Henrik und nahm seine Ta-

    sche.Er winkte lssig zum Abschied und ging in Richtung

    Gate, ohne sich umzudrehen. Er sprte den Blick desFreundes im Rcken.

    Einen Moment dachte er an seine Tochter. Einen Mo-ment dachte er auch an sie und sprte, dass auch sie ihnletztlich verstehen wrde, auch wenn ihre Begegnung

    nur kurz und intensiv gewesen war. Sie war ihm mch-tig ins Herz geraten und genau das htte auf gar keinenFall passieren drfen. Warum zu diesem Zeitpunkt? Er

    E

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    schttelte den Kopf und ging in Richtung Gate. Aus demKopf bekam er sie raus, aber aus seinem Herzen?

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    Er lchelte freundlich, als er eincheckte und das Boar-ding begann. Er mochte diese leichte Betriebsamkeit, beider immer alles wie am Schnrchen klappte. Er nahm inder Maschine Platz, die ihn nach Hamburg und dannweiter in sein so geliebtes Oslo bringen wrde. Er ent-spannte ein wenig, seine Gesichtszge wirkten nichtmehr so hart und wild entschlossen. Seine Augen sahen

    traurig aus, sonst blitzten sie immer. Er war mde undfhlte sich leer.

    Anstrengende Monate lagen hinter ihm. Monate, diesein Leben vllig auf den Kopf gestellt hatten, die letzt-lich auch ? Er hielt inne und wischte sich ber dieStirn, so als wolle er die trben Gedanken beiseite wi-schen. Er wollte die Dinge nicht zu Ende denken. Zu ofthatte er sie durchdacht und dieses lstige Grbelmonsterin seinem Kopf schien ihm unertrglich.

    D c

    Ohne dass er es bemerkte, hatte sich ein lterer Herrneben ihn gesetzt. Henrik schaute auf das Rollfeld, seineGedanken waren bei ihr und sein Blick wurde wieder

    traurig. Er war verliebt in sie, aber genau das durfte janicht sein.Es war vllig sinnlos, murmelte er in sich hinein.Das Leben war nicht fair, aber was hatte er denn er-

    wartet? Dass einfach mal alles problemlos sein wrde?Nein, sein Leben hatte immer kompliziert zu sein, sokompliziert, wie er eben war. Es schien so, als ob es da

    oben einen gab, der immer von ihm das Optimum for-dern wrde.

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    Ja, und meine Frau ist schon vorgeflogen. Ich hattehier noch was zu erledigen und jetzt wollen wir ganz indiesem wundervollen Land leben, sozusagen bis zum

    Rest unserer Tage.Henrik lchelte noch immer. Es wirkte wie eingefro-ren, denn seine Augen, die sonst immer lachten, lachtennun nicht.

    Und Sie? Was bringt Sie in dieses wundervolleLand?

    Mich ? Ich bin auf der Flucht, entfuhr es Henrik

    ganz unwillkrlich.Aber Sie haben keine Bank ausgeraubt?Henrik lachte.Nein, das nicht.Gustav schaute Henrik an.Ja, das nahm ich auch nicht an. Ich beobachte Sie

    schon eine Weile. Wovor laufen Sie davon?Vor mir, vor der Liebe, vor meiner Angst, vor der

    Unsicherheit des Seins, vor meiner Krankheit. Vorvielen Dingen eben, aber am meisten wohl vor mir.

    Gustav schaute ihn lchelnd an.So schlimm?Noch viel schlimmer, entfuhr es Henrik.

    Gustav begann zu lachen:Na, na, so dramatisch kann es doch gar nicht sein.Noch dramatischer, lachte nun auch Henrik.Was ist denn passiert?Oh je, wenn ich das mal wsste. Es passierte einfach

    so, vllig unkontrollierbar und vllig ohne Absicht.So was passiert immer so, erwiderte Gustav. Und

    wieso mssen Sie da fliehen?Weil es sinnlos ist und ich zudem erkrankt bin und

    mich wahrscheinlich bis auf die Knochen blamiert habe.

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    Weil ich alles Gute und Positive vermutlich in den Orkusgejagt habe.

    Gustav lachte.

    Junger Mann, ich bin sicherlich gut 25 Jahre lter alsSie, ich bin auch schon davongelaufen, viele Jahre sogar,aber gendert hat sich erst etwas in meinem Leben, alsich stehen blieb. Als ich begann, die Dinge und michauszuhalten. Nachdem ich erkennen musste, dass mansich mit allem, was einen ausmacht, immer und berallmit hinnimmt. Erst da wurde ich wirklich glcklich ...

    Meine langjhrige Ehe begann mit einem Riesenstreitund wir haben uns ein halbes Jahr nicht gesehen. Damalsbin ich auch davongelaufen, aber ich konnte sie nichtvergessen und sie konnte mich auch nicht vergessen.

    Und wie haben Sie sie dann wiedergefunden?Gustav entgegnete schmunzelnd:Dafr hat einer da oben gesorgt und natrlich habe

    ich stets behauptet, dass es ein Zufall gewesen sei, wh-rend meine Frau von Schicksal spricht. Sie hat mir ver-ziehen und glauben Sie mir, das war mir eine Lehre.

    Was haben Sie denn getan?Na ja, es hatte mit der Wahrheit zu tun und ich habe

    nicht mal direkt die Unwahrheit gesagt, sondern ledig-

    lich Dinge verschwiegen, sodass es zu Halbwahrheitenkam. Und glauben Sie mir, junger Mann, ich bin durchdie Hlle gegangen, aber danach habe ich nie wiederwas verschwiegen, geschweige denn gelogen. MeineFrau ist das sturste Frauenzimmer, das Sie sich vorstel-len knnen.

    Henrik lachte und sagte:

    Das ist sie auch und das wird sie mir nie verzeihen.Na, na, junger Mann, man soll nie nie sagen und

    Frauen ticken ganz anders als wir.

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    Ja, wie Zeitbomben oder schlummernde Vulka-ne.

    Henrik schaute in das freundliche und von Lachfalten

    sowie dem Leben gezeichnete Gesicht. Die wachen blau-en Augen sprhten vor Lebensfreude.Wir sind sehr glcklich geworden.Glck ist nur der Moment zwischen zwei Ungl-

    cken, flsterte Henrik leise.Er schaute nachdenklich.Das stimmt in gewisser Weise, junger Mann, aber

    was wren wir ohne Unglcke? Wir wrden das Glckgar nicht erkennen. Nur reines Glck wre doch auchnicht so ganz das, was wir vom Leben erwarten. Und soein richtiger Krach belebt das Leben doch auch, umsoschner sind die Vershnungen.

    Na ja, seufzte Henrik, aber manchmal kommt esschon knppeldick, und wenn man sich dann noch dazubenimmt wie ein Elefant im Porzellanladen, dann ist esperfekt.

    Auch das vergeht, lchelte Gustav. Es wird immerund berall mit Wasser gekocht. Und letztlich: Hat siedenn gesagt, dass Sie sich blamiert htten? Hat sie Siedenn ausgelacht?

    Nein, hat sie nicht. Das wrde sie niemals tun.Na, dann kann es ja auch nicht so dramatisch gewe-sen sein.

    Sie sagte nur, sie sei berfordert und dass es wohlschlimm bei mir sein msste und sie gerade andere Din-ge machen msste, was ja auch stimmte.

    Gustav lachte und entgegnete:

    Immerhin schaffen Sie es, eine Frau zu berfordern.Das schafft auch nicht jeder.

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    Henrik schmunzelte und dachte an die vielen Mailsund an den schnen Nachmittag, den sie vor der Abreisezusammen verbracht hatten.Mich muss man sich erst ein-

    mal nervlich leisten knnen, dachte Henrik. Er war ebenkompliziert.Ich zum Beispiel habe Flugangst und jedes Mal,

    wenn ich in so eine Kiste steige, dann ist das ein wahrerAlbtraum fr mich. Da ich aber nicht anders zu meinemLieblingsland gelange, vor allem mit einer Zeitersparnis,berwinde ich diese Angst und unterhalte mich dann

    gerne, so vergeht diese Angst und die Zeit.Henrik lchelte und dachte unwillkrlich an seine

    Tochter Seine Gesichtszge nahmen einen hartenAusdruck an und seine Augen lachten nun gar nichtmehr, wie sie es sonst immer bei ihm taten.

    Gustav, ich kann Sie beruhigen: Bevor Sie mit einemFlieger abstrzen, wrden Sie im Lotto gewinnen. Gus-tav lachte und Henrik stimmte in sein frhliches Lachenscheinbar ein. Nur bei Henrik klang es sarkastisch, als ersagte: Das Fahren mit Autos ist viel gefhrlicher.

    Wo geht es denn hin in Norwegen?, fragte Gustavnach einer kurzen Weile.

    Erst einmal nach Oslo, da werde ich bernachten

    und dann wollte ich eigentlich mit dem Motorrad nachBergen, durch den norwegischen Sommer, aber dasschaffe ich nicht von meiner Gesundheit her. Ich werdealso von Oslo nach Bergen fliegen und dann mit einemMietwagen zu meiner Htte aufbrechen.

    Sie haben da eine Htte?Ja, ich habe sie vor vielen Jahren von meinem Freund

    vererbt bekommen. Lars hat mir diesen Ort der Ruhe,Stille und einen Ankerplatz fr Trume geschenkt.

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    Das ist ein wunderschnes Geschenk, grinste Gus-tav. Es muss ein wirklich guter Freund gewesen sein.

    Ja, das war er, flsterte Henrik. Er dachte an Lars,

    den er durch Zufall war es denn Zufall? vor vielenJahren getroffen hatte, der dann auf so grausame WeiseOpfer eines Mordes geworden war. Lars ist Pastor ge-wesen und ist von einer Gruppe fehlgeleiteter Jugendli-cher umgebracht worden, in seiner eigenen Kirche.

    Mord , fast sein ganzes Leben hatten ihn Mordeund deren Aufklrung beherrscht: in der Rechtsmedizin,

    bevor er ausgestiegen war und als Schriftsteller zu arbei-ten begonnen hatte, und selbst da hatten ihn Morde im-mer noch weiter beschftigt.

    Gustav durchbrach seinen Gedanken mit der Frage:Ist Ihnen nicht gut, Sie sehen auf einmal so blass

    aus?Doch, alles ist in Ordnung. Ich dachte gerade nur an

    meinen Freund. Wo geht denn Ihre Reise hin?, fragteer hflichkeitshalber, denn seine Gedanken weilten ganzwoanders.

    Ich werde in Oslo von meiner Frau abgeholt unddann reisen wir auch weiter nach Bergen und von dortaus nach Stavanger.

    Das kenne ich auch, sagte Henrik lakonisch undstrich sich dabei ber seinen Bart. Eine schne Stadt, ichhabe sie vor Jahren einmal besucht.

    Sie mssen uns dort unbedingt besuchen kommen,lachte Gustav.

    Gerne, wenn es sich ergibt, erwiderte Henrik, denner wusste nur zu gut: Wenn er erst einmal in Bergen bei

    seinen Freunden angekommen war, dann wrde er dortunter Beschlag genommen werden. Ulf und Ole, ihreFrauen Marit und Vicky, dann deren Kinder und vor al-

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    lem Thor, dieser Riesenkter, von dem keiner wusste,wo vorne war, der Henrik aber vom ersten Moment derBekanntschaft an adoptiert hatte. Er lchelte und schaute

    in den Nachthimmel.Gustav las derweil die Zeitung und Henrik schautegedankenverloren in die Nacht. Kln lag hinter ihm unddamit schon ein Teil seines Problems.

    Kurz vor der Landung in Hamburg bemerkte Gustav:Na, gleich haben wir die erste Etappe geschafft.Henrik schaute noch immer aus dem Fenster. Er fhl-

    te sich mde und leer.Ja, wir haben es gleich geschafft, sagte er leise und

    schaute nachdenklich auf das sich nhernde Hamburg.Die Maschine setzte auf und rollte langsam aus. Hen-

    rik schnappte seine Tasche und schaute auf die Uhr, eineStunde hatten sie hier nun Aufenthalt und Gustav schlugvor, Kaffee zu trinken und eine Kleinigkeit zu essen.Henrik stimmte zu und beide verlieen die Maschine inRichtung Gate. In der Flughalle gingen sie zielstrebig aufeine Caf-Bar zu. Sie setzten sich und bestellten einenKaffee.

    Henrik schaute sich in der Caf-Bar um. Er beobachte-te Leute immer gerne und gerade auf Flughfen mochte

    er das. Wo sie wohl herkamen, wohin ihre Wege fhr-ten ?Ein immerwhrendes Kommen und Gehen, dachte Henrik.Er fand Flughfen interessant. Das war ganz eigenar-

    tig, diese Atmosphre hatte etwas. Er mochte die Anzei-gentafeln, die zeigten ihm, wie klein die Welt doch war.Er dachte an seine Tochter. Sie kannte wohl alle Flugplt-

    ze der Welt. Er bedauerte es, dass er sie so selten gesehenhatte, aber sie hatte diesen Weg gewhlt und er hatte sieletztlich ermutigt und dann ziehen lassen. So, wie er im-

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    mer alle Menschen hatte gehen lassen, wenn sie gehenwollten. Nur ihren letzten Weg, den hatte sie bestimmtnicht gehen wollen.

    Loslassen war wohl das Geheimnis seines Lebens.Gustav schlug vor, noch ein paar Zeitungen vor demWeiterflug zu erwerben. Oslo war noch weit. Henriknickte und sah auf die Uhr. Er trank noch einen Whisky.

    Junger Mann, Sie scheinen wirklich gerade sehr un-geduldig zu sein.

    Henrik nickte und dachte: Wenn du wsstest, wie sehr

    ich hier weg will. Nur noch die Ruhe der Natur und der Berge,der Fjorde und der Elche.Innerlich grummelte er: Verflucht,warum in drei Teufels Namen denke ich stndig an diese

    Frau? Man muss es doch mit Vernunft regeln knnen!Er, derWissenschaftler, der die Vernunft in Person war.

    Gustav grinste ihn an.Na, diese Dame muss ja was Besonderes sein.Henrik guckte ber seinen Brillenrand.Nein, gar nicht. Sie ist kompliziert und sie hat den

    Ruf, eine arrogante Schnepfe zu sein.Gustav lachte herzlich.Das kann man gar nicht glauben.Stimmt auch nicht, lachte Henrik nun auch. Sie ist

    eigentlich ein Goldstck, auf das man besser htte acht-geben mssen.Sie zahlten und gingen zu einem Zeitungsstand. Jeder

    erwarb einige Zeitungen und Henrik entschied sich freinige Fachzeitungen.

    Pathologie heute. Er war viele Jahre Rechtsmedizi-ner gewesen und hatte so manchen Tter berfhrt, und

    das nicht nur im kriminellen Sinne. Auch Viren knnenTter sein, hatte einmal einer seiner Professoren geu-ert. Aber all sein Wissen ber Medizin und Biologie

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    konnten ihn selbst nicht retten, auch das wusste er nurzu genau. Ihn konnte nur noch ein Wunder retten. UndWunder waren gerade aus, oder wenn, dann trafen sie

    andere.Er klemmte sich die Zeitungen unter den Arm undwartete auf Gustav, der noch zahlte. Sie gingen in Rich-tung Gate B, um dort zu boarden.

    Henrik war mde und erschpft. Dieser Zustandstellte sich in der letzten Zeit hufiger ein. Er war froh,als er sich in den Sitz setzen konnte; ein leichter Schwei-

    film hatte sich auf seiner Stirn gebildet.Gustav schaute ihn besorgt an und fragte:Ist Ihnen nicht gut?Henrik schttelte den Kopf und sagte:Nein, es ist schon alles in Ordnung.Gustav schaute besorgt in das Gesicht von Henrik.

    Dieser, in seinen Augen junge Mann schien irgendwieerkrankt zu sein und es musste etwas Ernsteres sein.

    Was machen Sie eigentlich beruflich?, fragte Gustav.Ich war fast 20 Jahre Rechtsmediziner, jetzt schreibe

    ich Bcher.Sie schreiben?Ja, ich schreibe Bcher.

    Und was?Meistens Krimis. Hin und wieder auch andere Genres.Das klingt spannend. Woher nehmen Sie die Ideen?Na ja, das meiste ist schon Fiktion, aber hin und

    wieder flieen immer mal eigene Anteile und Erlebnisseein.

    Das klingt nach einer interessanten Mischung.

    Ja, meinte Henrik, die Mischung macht doch im-mer den Unterschied.

    Warum schreiben Sie eigentlich?, entfuhr es Gustav.

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    Henrik begann zu lachen. Das war die Frage, die manihm schon 100.000-mal gestellt hatte.

    Das werde ich immer wieder gefragt und kann es

    nicht wirklich beantworten. Einmal habe ich gesagt:Man knnte mich genauso gut fragen, warum ich atme.Ich schreibe, weil ich es muss, will, kann, darf , weil esmeine Art ist, mich auszudrcken, zu sprechen, zukommunizieren, mich bemerkbar zu machen, zu disku-tieren, zu erinnern, zu trumen. Es gibt so vielerleiGrnde, dass ich wirklich nicht die eine einzige Antwort

    wei. Im Grunde msste ich das Zitat cogito, ergo sum(ich denke, also bin ich) abwandeln in scribo, ergo sum(ich schreibe, also bin ich).

    Gustav schmunzelte.Ich bin Journalist.Daher also diese Frage.Die beiden Mnner lachten, als der Flieger abhob und

    sie geradewegs nach Oslo flog, in das Land, das Henrikliebte und in dem jetzt zu Mitternacht noch die Sonnescheinen wrde.

    Henrik begann in seiner Zeitung zu blttern. Er wollteein wenig lesen. Gustav beobachtete ihn und bemerkte:

    Ach, Sie auch?

    Wie ich auch?Na, von hinten nach vorne.Henrik schaute ihn ernst an und sagte:Schon seit Jahren mache ich das so.Gustav grinste und erklrte dann lakonisch:Ich mache es schon immer so. Schlagzeilen sind nie

    so wichtig, die frdern nur die Verkaufszahlen oder die

    Auflage. Wichtiger sind die kleinen Artikel, die sind oftdie echten Informationen und die stehen meistens hin-ten.

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    Henrik war verblfft, so hatte er das noch nicht gese-hen. Er vertiefte sich wieder in seine Zeitung. Er las ei-nen spannenden Artikel ber Morde mittels Gift: Gibt

    es das perfekte (Mord-)Gift? Henrik wusste so ziemlichalles ber Gifte, aber er htte einen Teufel getan, diesesWissen preiszugeben. Es gab schon genug unentdeckteMorde.

    Mord gilt in allen Rechtsordnungen als gravierendsteStraftat gegen das Leben eines Menschen. Eine nicht mitdem Leben zu vereinbarende Verletzung. Er schttelte

    den Kopf. Was fr eine Formulierung und wie oft hatteer sie diktiert. Wie einfach aus Herrn Meier eine mir vorge-legte Leiche Nr. 10109 wird, dachte er. In der Umgangs-sprache unterschied man nicht immer genau zwischenMord und Totschlag. Es wurde verwssert, durch dieEinflsse von Krimis und Polizeiserien. Sprachlich wur-de der Begriff dadurch verwischt, der juristische Termi-nus Second Degree Murder vllig sinnentstellendbersetzt. Manchmal wurde auch die fahrlssige Ttungals Mord missverstanden, besonders dann, wenn bei ei-nem Krimi eine Tat vertuscht wurde oder aber am Endeder Tter breit dargestellt wurde, aber die Auflsung derBestrafung offen blieb.

    Henrik hing seinen Gedanken nach. Er stellte sich dieFrage, ob er jemals zum Mrder werden knnte. In Ge-danken und auf dem Papier konnte er es, er tat ja fastnichts anderes, aber im realen Leben?

    Nein, das wrde er nicht knnen, jedenfalls nicht ein-fach so.

    Dieser Gedanke faszinierte Henrik. Er hatte immer er-

    folgreich auf dem Papier gemordet, aber wre er selbstfhig? Er hatte viele Leichen auf seiner Tabula gehabt,viele Mrder gesehen, sie entlarvt und letztlich dazu

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    beigetragen, dass sie nicht so schnell wieder aus dem Ge-fngnis kamen. Der Gedanke, ob er real morden knnte,fesselte ihn. Seine Exfrau, ja, die htte er morden knnen,

    aber irgendwie war die es nicht wert gewesen.Er verwarf diesen Gedanken. Er wrde nur auf demPapier morden knnen, denn Gewalt war nicht seinsund vor allem nie eine Lsung.

    D c

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    ccccccccccccccccccccKapitel 3

    nktlich setzte der Flieger um 23 Uhr in Oslo auf;es war taghell. Mitternachtssonne. Gustav und ercheckten aus. Am Gate wartete Gustavs Frau, die

    ihrem Mann zuwinkte. Henrik verabschiedete sich vonGustav, der allerdings darauf bestand, dass er ihm seineFrau vorstellen drfe. Henrik gab nach, er wollte nichtunhflich erscheinen. Gustav stellte ihm seine FrauGundula vor. Henrik reichte ihr die Hand und lcheltesie an.

    Sind Sie nicht der Krimiautor Henrik Fels? Henriknickte und lchelte. Ich bin Fan Ihrer Bcher, keinermordet so schn wie Sie.

    Henrik lachte gut gelaunt.Nur auf dem Papier, gndige Frau, erwiderte ercharmant. Aber jetzt muss ich zu meinem Hotel. Ichwnsche einen angenehmen Abend und Gustav, ichdenke, wir telefonieren und treffen uns zum Angeln.

    Das hatten sie so besprochen.Gustav nickte und man reichte sich die Hand.

    Henrik nahm sein Gepck und ging in Richtung Aus-gang. Er wollte nur noch schnell in sein Hotel, denn amnchsten Morgen ging sehr frh sein Flieger nach Ber-gen, wo Ole ihn abholen wrde.

    Ole und Ulf waren seit fast 15 Jahren seine Freunde,beide arbeiteten bei der Mordkommission in Bergen undsie hatten schon so manche gute Vorlage fr seine Ro-

    mane geliefert. Er freute sich auf seine Freunde, die erschon lange nicht mehr gesehen hatte. Er hatte langeberlegt, ob er ihnen von seiner erneuten Erkrankung

    P

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    erzhlen sollte. Es wrde sich vermutlich nicht verheim-lichen lassen.

    Henrik betrat das Flughafenhotel und ging zur Rezep-

    tion. Er checkte ein und nahm seinen Zimmerschlssel.Eigentlich wollte er noch etwas essen, aber er war zumde und so ging er in sein Zimmer. Er duschte und liesich auf das Bett fallen. Er schlief sofort ein. Sein FreundGlenfiddich verhalf ihm dazu, es war seine Lieblingssor-te Whisky.

    Er wurde geweckt durch das Klingeln seines Handys.

    Er hatte die Weckfunktion eingeschaltet, damit er seinenFlug nach Bergen nicht versumte. Er sprang aus demBett, tief und traumlos hatte er geschlafen. Er duschte,zog sich schnell an und packte seine Sachen zgig zu-sammen. In Gedanken war er schon in Bergen. Er freutesich auf seine Freunde und er wollte endlich zur Ruhekommen.

    Wenn er auch nur in Anstzen geahnt htte, was ihmin den nchsten Wochen alles bevorstehen wrde, wreer vermutlich lieber umgekehrt. Gut, dass niemand indie Zukunft blicken kann.

    Henrik eilte zur Rezeption und beglich die Rechnung,ohne das Frhstck eingenommen zu haben. Er hatte

    wie immer keinen wirklichen Hunger. Frher hatte erausgedehnte Frhstcke geliebt, aber auch da war er in-zwischen weiter. Alles Zeitverschwendung, dachte er. EinBrtchen unterwegs wrde auch reichen. Er beeilte sich,das Gate zu erreichen, er war spt dran. Da erblickte erGustav, der ihm zuwinkte, und Henrik lachte. Er freutesich, Gustav so schnell wiederzusehen.

    Sie mssen sich beeilen!, rief Gustav ihm zu.Henrik lachte und winkte. Im Flugzeug setzte er sich

    schnell auf seinen Platz.

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    Gustav und seine Frau saen in der anderen Reiheund er beobachtete diese beiden so glcklichen Men-schen. Schn, dass es so etwas noch gibt, dachte er. Er selbst

    hatte sich immer eine glckliche Beziehung gewnscht,in der Vertrauen und Freiheit geprgt von Liebe im Vor-dergrund stehen wrden, aber das war ihm wohl nichtvergnnt. Er schaute aus dem Fenster auf die Landebahnund eine Trne rollte ber seine Wange. Er wrde sie niewieder sehen. Er wischte sie verstohlen weg. Mnnerweinen nicht, dachte er. Auch so ein gesellschaftlicher

    Schwachsinn eigentlich. Mnner haben so oder so zu sein.Erhatte seine Tochter jedenfalls nie rollenkonform erzogen,so etwas hielt er fr Schwachsinn. Kinder musste man inerster Linie zu Menschen erziehen, die fhig waren, sichund damit auch andere zu lieben. Die Herz und Mitge-fhl besaen. Welch Ironie.

    Die Maschine begann zu rollen. Er sah rber zu Gus-tav, der seine Frau anlchelte. Ein schnes Paar. Henriksann ber die letzten 20 Monate in seinem Leben nach,die ihn so verndert hatten. Viele Dinge hatte auch erfalsch gemacht, das wusste er, aber er war nie bewusstunfair gewesen. Nur dieses eine Mal. Und dann auchnoch an der falschen Stelle. Er wusste ja nicht wirklich,

    was sie dachte oder nicht dachte. Er wusste eigentlichwenig ber sie, aber war das wichtig? Wenn das Gefhlstimmte? Die ersten fnf Sekunden

    Er verdrngte diese Gedanken und widmete sich sei-ner Zeitung. Er war so vertieft in den Artikel, dass ernicht einmal mitbekam, dass die Maschine in Bergenzum Landeanflug ansetzte. Die Flugbegleiterin berhrte

    sanft seine Schulter und bat ihn, sich anzuschnallen. Erblickte auf und lchelte. Er kam der Aufforderung sofortnach und steckte die Zeitung in seine Tasche.

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    Die Maschine landete pnktlich und Henrik, dersonst immer gerne zgig die Maschine verlie, blieb ei-nen Moment sitzen. Die meisten Passagiere verlieen

    den Flieger schnell, aber er wollte sich von Gustav nochverabschieden. Als er rber zu der Sitzreihe schaute, warsie leer. Henrik sah, dass sich Gustav mit seiner Frauschon fast am Ausgang befand. Gustav schaute zu ihmund er schaute zu Gustav, sie lchelten sich zu und Hen-rik hob die Hand zum Gru. Es sollte das letzte Mal ge-wesen sein, dass Henrik Gustav gesehen hatte. Henrik

    fand, dass er einen sehr sympathischen Reisegefhrtengehabt hatte und natrlich wrde er ihn anrufen und mitihm angeln gehen. Dass er ihn unter ganz anderen Um-stnden wiedersehen wrde, konnte keiner ahnen.

    Henrik ging nun auch in Richtung Ausgang und freu-te sich auf seine Freunde. Ole oder Ulf, einer wrde ihnabholen. Nach zehn Minuten befand Henrik sich in derFlughalle, niemand schien da zu sein. Nun ja, ein paarMinuten knnte er ja warten, sonst wrde er den Miet-wagen alleine abholen und zu seiner Htte fahren.

    Vermutlich war den beiden was dazwischen gekom-men. In dem Moment sprang Henrik etwas von hintenan; er zuckte zusammen und drehte sich um. Thor, der

    Hund von Ulf, sprang vor Freude an ihm hoch. Er um-armte den riesigen Hund, der schon fast menschlicheZge hatte.

    Thor, alter Norweger!, entfuhr es Henrik, als ihndann auch schon Marit lachend umarmte.

    Schn, dass du da bist. Ulf und Ole konnten leidernicht, eine schreckliche Mordserie erschttert unsere Ge-

    gend.Hallo Marit, sagte Henrik und erwiderte die Um-

    armung. Ich habe es flchtig gelesen. In der Tageszei-

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    tung, aber du weit ja, mein Norwegisch reicht geradeaus, um nicht zu verhungern.

    Ich wei, Henrik. Es wird Zeit, dass du es besser

    lernst, alter Tiefstapler.In diesem Leben nicht mehr.Ach komm, das schaffst du auch noch, mit deinem

    Perfektionismus.Dein Wort in Gottes Ohr, aber ich glaube, mit unse-

    rem Englisch kommen wir auch ganz gut weiter.Marit lachte und beide holten Henriks Gepck ab.

    Nun erzhl mal, wie war dein Flug und wie geht es dir?Der Flug war angenehm und wie es mir geht, ms-

    sen wir doch nicht errtern, oder?Nein, nicht wirklich, antwortete Marit. Die Er-

    krankung ist also zurck?Ja, das auch.Der Stress, Henrik, das hast du immer gewusst.Er nickte beilufig.Ja, ich habe es immer gewusst und es war mir immer

    bewusst.Marit schaute nachdenklich den Freund an.Na ja, hier kannst du dich jetzt erst einmal erholen,

    in deiner Htte ist alles vorbereitet. Ole und Ulf haben

    gestern noch Holz gehackt, Vicky und ich haben alleseingekauft, und wenn du was brauchst oder dir etwasfehlen sollte, dann knnen wir gerne morgen gemeinsamnach Bergen fahren. Du willst doch mit Sicherheit sooder so auf den Fischmarkt am Hafen.

    Henrik freute sich. Wie gut sie ihn kannte. Er nickteund sagte:

    Na sicher, Marit, keine Frage.

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    lichen Wohnraum mit einem offenen Kamin, darangrenzten eine behagliche Wohnkche, ein Schlafraumund ein kleines Bad. Es roch nach Holz. Das liebte er an

    diesen Blockhusern. Holz war ein wundervolles Mate-rial; es lebte und belebte die Umgebung.Marit hatte alles fr ihn vorbereitet und sie hatte nichts

    vergessen. Sogar an eine Flasche Single Malt hatte sie ge-dacht. Marit sah ihn lchelnd an und umarmte ihn, denlangjhrigen Freund. Henrik schaute sie an und sagte:

    Danke fr alles.

    Marit erwiderte sehr bedchtig und leise:Gib niemals auf, steh das durch. Du bist gut, du hast

    die Power, das Herz und den Mut. Glaub an dich selbst,trau es dir zu, bleib nicht einfach stehen! Irgendwiewirds immer weitergehen.

    Er nickte.Recht hast du, Marit. Und darum ruhe ich mich jetzt

    auch ein wenig aus. Er dachte: Ich habe auch keine Wahl.Ich werde es durchstehen bis zum Ende, aber er schwieg. Erwollte alleine sein, seine Gedanken und Gefhle sortie-ren und einfach an den Fjord, zu seinem Bootssteg, andem er immer gute Gedanken fand.

    Henrik packte seine Sachen aus und Thor beobachtete

    ihn. Thor und er , das war gleich der Beginn einer gro-en Freundschaft gewesen. Dieser Hund hatte an Henrikeinen Narren gefressen.

    Ja, gleich, Thor. Lass mich eben auspacken und michumziehen, dann gehen wir beide an den Fjord. Thorbellte leise, so, als htte er es verstanden. Henrik zog sichum, tauschte Jeans gegen Trackinghosen und Business-

    Hemd gegen Holzfller-Hemd. So, mein lieber Thor,auf geht es nun. Lass uns zu unserem Lieblingsplatzaufbrechen. Thor bellte und es klang irgendwie frh-

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    lich. Henrik lchelte und klopfte diesen groen Hund.Du freust dich wenigstens ber mich.

    Henrik und Thor liefen den leicht abfallenden Hang

    hinunter bis zum Steg. Henrik setzte sich auf den Stegund zog die Trackingschuhe aus. Er lie die Beine imWasser baumeln und Thor sprang gleich ganz rein. Die-ser Hund liebte das Schwimmen.

    Henrik beobachtete Thor und schaute in die zerklfte-ten Felsen, die den Fjord umgaben. Frher war er dortimmer geklettert. Sein Blick wurde ein wenig melancho-

    lisch. Frher , das war noch gar nicht so lange her. Erhatte es geliebt, seine physischen Grenzen zu spren, sowar er in einem guten Kontakt mit sich selbst geblieben.

    Schon frh hatte er das Klettern begonnen. Erst warenes Bume, dann Kletterwnde, dann ging es in die Berge.Er hatte diesen extremen Sport geliebt.

    Thor kam von seinem kleinen nassen Ausflug zurckund schttelte sich. Er tat das so dezent, dass Henrikkomplett durchnsst war, aber das strte ihn nicht. Thorwar schlielich ein Freund. Und Freunde durften einigesbei ihm. Er strich sanft ber das nasse Fell von Thor.

    Na, war das Schwimmen schn? Thor bellte. Wasmeinst du, sollen wir mal klettern gehen? Thor klffte

    und es klang wie ein Nein. Na gut, dann nicht, danngehen wir wohl besser mal zurck, kochen uns einen Teeund machen uns etwas zu essen.

    Thor war begeistert. Henrik wollte sich gerade erhe-ben, da sauste der Hund los und begann, wie verrcktzu bellen. Er rannte den kleinen Hgel hinauf und waraus Henriks Blickfeld verschwunden.

    Henrik zog seine Schuhe an und folgte dem Gebell,das immer drohender und lauter klang.

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    Nach etwa sieben Minuten hatte er Thor ausgemacht,der bellend und knurrend vor einem Gestrpp stand.Was war das? Es sah aus wie ein Stofffetzen. Henrik n-

    herte sich vorsichtig und dann sah er dort einen Men-schen liegen, der schwer verletzt schien. Er nherte sichrasch, beugte sich runter und drehte den Mann vorsich-tig um.

    Henrik erschrak und erkannte sofort, dass dieserMensch tot war: Sein ganzer Brustkorb war berst mitMesserstichen.

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    Weitere Infos und andere Werke des Autors unter:

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