Kriminalpädagogisches Gerichtsprojekt JVA Rosdorf Abt. Offener Jugendvollzug Göttingen...
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KriminalpädagogischesGerichtsprojekt
JVA RosdorfAbt. Offener Jugendvollzug Göttingen
GESELLSCHAFT MACHT PRÄVENTIONLandespräventionsrat Niedersachsen
29. Oktober 2008, Hannover
Kathrin OhlemacherMarion BaptistJürgen Holze
Dr. Bettina Reinhold-Hurley
EinleitungKriminalpädagogisches Gerichtsprojekt
Abteilung offener Jugendvollzug der JVA Rosdorf (Göttingen)
jugendliche und heranwachsende Inhaftierte (14-25 J.), die erstmals zu Jugendstrafe bis max. 3 ½ Jahren verurteilt worden sind
überwiegend aufgrund von Eigentums- und Körperverletzungsdelikten, Verstöße gegen BtmG
EinleitungKriminalpädagogisches Gerichtsprojekt
Konzept der Abteilung II:
binnendifferenzierte multiprofessionelle Behandlung
(Methodik und Intensität richtet nach Deliktstruktur und Strafzeit)
Nachsorgende Betreuung über Kooperationsvereinbarungen mit verschiedenen Institutionen
EinleitungKriminalpädagogisches Gerichtsprojekt
Allgemeine Ziele in der Arbeit mit den Jugendlichen:
Erzieherische Befähigung zu straffreiem Leben
über Bildungsangebote zur Berufsfindung Erlernen einer Tagesstruktur (z.B. regelmäßige Arbeit)
Ausübung sinnvoller Freizeitkultur (z.B. Sport)
Erlernen sozial angemessenen Verhaltens (z.B. Gruppenaktivitäten)
Auseinandersetzung mit der eigenen Straffälligkeit, Erkennen von Verantwortlichkeit, Erproben alternativer Verhaltensweisen (z.B. Einzelgespräche, Bezugspersonen, Projekte)
Kriminalpädagogisches Gerichtsprojekt
Von der Idee zum Projekt!!! Wie Verantwortungsübernahme erlernen? Wie Unrecht erkennen und trotzdem nicht auf der
„Anklagebank“ verhaften?
! Sich selbst spielerisch in der Gruppe in eine neue/alte Rolle versetzen
! Neue Verhaltensweisen erproben in geschütztem Raum
! Gerechte Konsequenzen für Fehlverhalten entwickeln, um normgerechtes Verhalten zu verinnerlichen
Kriminalpädagogisches Gerichtsprojekt (KPGP)
Von der Idee zum Projekt!!!„Die Jugendlichen erlernen, wie eine
Gerichtsverhandlung aufgebaut ist bzw. abläuft und warum das Einhalten der Form so wichtig ist. Sie
sollen die Justiz als ein Organ kennen lernen, welches Recht (Gerechtigkeit) schafft und
[gesellschaftlich akzeptierte] Lösungen sucht. Sie erlangen ein positives Bild von Recht und Gesetz.“
(Baptist, 2007)
Konzept - KPGP
Konzeptionalisierung und Beginn des ersten Durchlaufs mit Fachpersonal 2005
Interdisziplinäres Behandlungskonzept (Jugendrichterin, Staatsanwalt, Rechtsanwalt, Diplomsozialpädagogen,
Jurastudentin, Diplompsychologin)
Gruppenbehandlungsmaßnahme (10Teilnehmer)
Dauer: ca. 5 Monate (ca. 40 Stunden)
Rollenspiel (fiktive und reale Gerichtsverhandlungen)
Ablauf des Projektes
1. Schriftliche Bewerbung2. Vorgespräch3. Themenabende4. Besuch realer Gerichtsverhandlungen5. Vorbereitung einer Verhandlung mit Unterstützung von Fachpersonal (z.B. Richterin,
Staatsanwalt) 6. Begleitende Einzel- und Gruppengespräche7. Verhandlungsproben8. Verhandlung im Rollenspiel (Videoaufzeichnung)9. Verhandlung eines realen Falles in der JVA10. Nachgespräche und Auswertung
Ablauf des Projektes
1. BewerbungVoraussetzung: mind. 12 monatige Haftstrafe
Bewerbungsfragebogen, Einverständniserklärung
2. VorgesprächEinzelgespräch mit Interviewfragen wie z.B.„Was ist für Dich Recht/Unrecht?“„War Deine eigene Gerichtsverhandlung gerecht?“„In welchen Situationen fühlst Du Dich wiederholt
ungerecht behandelt?“
Ablauf des Projektes
3. Themenabende
2-3 Sitzungen zu Rechtskundeunterricht, allgemeine Diskussion; Erfahrungsberichte des Opferhilfebüros
4. Besuch realer Gerichtsverhandlungen
Ablauf einer Verhandlung als Zuschauer erleben
5. Vorbereitung einer Verhandlung mit
Unterstützung von Fachpersonal (z.B. Richterin,
Staatsanwalt);
Ablauf des Projektes
6. Begleitende Einzelgespräche mit Pädagogen zur Klärung persönlicher Fragen und inhaltlicher Bedeutung der eigenen Rolle
7. Verhandlungsproben
fiktive Verhandlung: realitätsnaher konstruierter Fall im Rollenspiel nachgestellt, um Ablauf zu erlernen
reale Verhandlung: aktuell sich tatsächlich in der JVA ereigneter Fall mit wirklichen Konsequenzen für Angeklagten
Ablauf des Projektes
8. Verhandlung im Rollenspiel
Videoaufzeichnung zur Auswertung und Selbstanalyse
9. Nachgespräche und Auswertung
Gemeinsames Gruppengespräch aller Mitwirkenden
Kritik/Lob
Einzelgespräch: Reflektion eigenen Verhaltens mit jeweiliger Fachperson und Pädagogen
Interviewfragen aus Vorgespräch mit
Bezugsetzung zu diesem
Modalitäten
Jeder mitwirkende Inhaftierte erhält zwei Rollen (Haupt- und Nebenrolle)
Teilnahme wirkt sich auf Sport-Freizeit- Benotung aus
Im fiktiven Fall ist der Angeklagte ein Mitarbeiter des Projektes
Evaluation jedes Mitarbeiters über Angaben zu Gesamteindruck und Verhalten der Inhaftierten
Erfahrungen
Wie erlebten die Mitwirkenden das Projekt?
Erfahrungsbericht
der MitarbeiterInnen
Überlegungen zur Wirkungsweise
Hat eine solche Gruppenmaßnahme einen (nachhaltigen) Effekt
- auf das Ausmaß an Selbstreflektion
- auf normorientierte Einstellungen und Verhalten ?
Lassen sich erwünschte pädagogische Ziele über diese Art der Wissensvermittlung und des realen (Gruppen-) Trainings erzielen?
Methode - KPGP
Wissensvermittlung (Rechtskunde) Auseinandersetzung mit Fragen der Rechts- philosophie Erlernen der Arbeitsweisen von Prozessbeteiligten Rollenspiel Gruppenarbeit, Gruppendiskussionen Selbstreflektion (Videoaufzeichnung)
Lernplattform, um eigenes Verhalten zu reflektieren und neue Verhaltensweisen auszuprobieren
Methode sozialen Lernens
Behandlungsziele
Auseinandersetzung mit (eigener/n) Straftat(-en)
Verantwortungsübernahme (Erlernen von
Verhaltenskonsequenzen)
Verinnerlichung sozial akzeptierter Normen
Vermehrte Perspektivenübernahme
insbesondere die des Opfers
Veränderte Einstellung zur Justiz und ihre
Handlungsweisen Rechtsbewusstsein günstig
beeinflussen
Evaluation
Wissenschaftliche Begleitung
Kontrollgruppendesign (N=38):
18 Projektteilnehmer und 20 Kontrollgruppenteilnehmer
prä-post Vergleich:
direkt vor Projektbeginn und 5 Wochen nach Ende des Projekts
Evaluation Erfassung mittels vier standardisierten Fragebögen: Variablen in den Bereichen:
VerantwortungsübernahmeNormorientierungSelbstbild
zusätzlich Führung während der Haft: mittels interner Führungsbenotung (Gefangenenakten)
Beurteilungsfragebogen der Teilnehmer
Beobachterrating der Mitarbeiter jeden Teilnehmers („Der Teilnehmer wirkte auf mich motiviert, unbeeindruckt etc.“) auf sechsstufiger Skala
Evaluation - Ergebnisse
Zusammengefasst: Im statistischen Vergleich zeigten sich keine bedeutsamen
Unterschiede hinsichtlich der erfassten Parameter zwischen Kontroll- und Teilnehmergruppe
Allgemein positive Veränderungen im Haftverlauf zu erkennen: bezüglich Führung, Aspekte des Selbstwirksamkeitserlebens und Selbstbilds, Verantwortungsübernahme
allgemeine Hafteffekte
Was bedeutet das?
Evaluation - Ergebnisse
1. Problem
Grundsätzliche Probleme der Evaluation:
Gruppengröße (z.B. wegen drop-outs)
Feldforschung vor allem „Rauschen“
Finden geeigneter Kontrollprobanden
fehlende geeignete Fragebögen
Erfassung von Prozessen vs. Status
Evaluation - Ergebnisse
2. ProblemForschung im Strafvollzug generell:Effekte sozialer ErwünschtheitPrisionisierungseffekte (allg. Hafteffekte)Fehlen geeigneter ErhebungsinstrumenteFehlende Motivation („Zwangskontext), Bildung für
spezifische Maßnahmen zumeist Messung der Rückfallrate nach Entlassung
(längere Zeiträume)
Evaluation - Ergebnisse
3. Problem
Erfassung pädagogischer Ziele (Lerneffekte, Sozialverhalten etc.) mittels psychologischer Erhebungsinstrumente:
Es ergeben sich Probleme in der Konzeptionalisierung, in der Methodik, in der Methode und der Messbarkeit von Wirkung
Spezifika einer jugendlichen Klientel (z.B. Entwicklungsprozesse, Anwendung erzieherischer Methoden)
Evaluation - Ergebnisse
4. ProblemVorgehen: Projektplanung und Durchführung, Überlegungen zur
Wirkweise, Evaluation (prozessorientiert, „Draufpressen“ psychologischer Maße)
d.h. Wirksamkeit des Projekts kann nicht in Frage gestellt werden, solange von Schwierigkeiten in der psychologischen Übersetzung auszugehen ist
psychologische/pädagogische Veränderungen hängen nur schwach mit Rückfallwahrscheinlichkeit zusammen
prognostischer Wert von gängigen Maßen (z.B. Einstellungs-veränderungen)
Ausblick (I)
Was bleibt?grundsätzlich positive Resonanz auf das Projekt durch die
Teilnehmer (vor allem in Bezug auf die Auseinandersetzung mit der eigenen Straftat)
Sozialer Lerneffekt:Zitat eines JVA-Mitarbeiters: „[der soziale Lerneffekt ]ist meiner Meinung nach die wichtigste
Voraussetzung, die bei der Arbeit mit jungen Menschen eine positive/gewünschte Verhaltensänderung hervorrufen kann. Der von mir so genannte „Lerneffekt“ ist kein wünschenswertes Ziel, sondern ein klar erkennbares Ergebnis des Gerichtsprojektes, welches allein schon Grund genug ist hier bald weiterzumachen.“
Ausblick (II)
Tendenziell abnehmendes Rechtfertigungsverhalten der teilnehmenden Inhaftierten (Projektgruppe)
hohes ehrenamtliches Engagement der Mitarbeiter Projekt wird als sinnvoll erachtet;
multimodale Intervention mit hoher Handlungsorientierung
Ausblick (III)
Was kann am Projekt noch verbessert werden?
Abläufe stärker standardisieren und routinieren
Weniger einsichts- stärker handlungsorientiert arbeiten
Identifizierung mit Rolle individuell verstärken (weniger Formalität, mehr reale Fälle um Ausmaß persönlicher Prozessbeteiligung zu erhöhen)
Projektmodule fortlaufend kritisch prüfen (z.B. bei Überforderungscharakter)
Ausblick (IV)Wie kann zukünftig die Wirksamkeit einer
Maßnahme erfasst werden?
Theoretische Fundierung von Maßnahmen, Ableitung von Wirkmodellen
An Strafgefangenen normierte und standardisierte Testverfahren (sprachliche, kognitive Besonderheiten)
Erfassung von weiteren Merkmalen (z.B. Empathiefähigkeit)
Legalbewährung berücksichtigen
Pädagogische Evaluationen (z.B. qualitative Forschung)
Fragen und Anregungen
Zeit für Fragen und Anregungen von Ihnen an uns!
Wir danken für Ihre Aufmerksamkeit!