Kritik der reinen Vernunft

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KantKritik der reinen Vernunft Critique of pure reason

Transcript of Kritik der reinen Vernunft

  • 3.^ Of^CP

    3 T1S3 Gn3M72 7

  • Immanuel ^ant

    Smtliche Werke

    Herausgegeben

    von

    O. Bck. P. Gcdan, W. Kinkel,J H. V. Kirchmann, K. Vorlnder,F. M. Schiele, Th. Valentiner

    Erster Band

    Kritik der reinen Vernunft

    Leipzig

    Verlag von Felix Meiner

  • '6^

    IMMANUELKANTKRITIK DER

    REINEN VERNUNFTNEU HERAUSGEGEBEN VONTHEODOR VALENTINER

    MIT SACHREGISTER

    ELFTE,

    MIT DER ZEHNTEN GLEICHLAUTENDEAUFLAGE

    DER PHILOSOPHISCHEN BIBLIOTHEK BAND 37LEIPZIG 1919 / VERLAG VON FELIX MEINER

  • /93.Z

    ' Vi

    Druck von C. Gruinbach in Leipzig

  • Vorwort zur zehnten Auflage.

    Dem Wunsche des Verlegers, der neuen Auflagevon Kants Kritil^ der reinen Vernunft ein Register

    beizugeben, bin ich um so lieber gefolgt, als ich wei,

    wie sehr ein solches dazu dienen l^ann, das Verstndnis

    des schv/ierigen Werkes zu erleichtern. Kant hatseine eigene Sprache; und wenn er auch fast jedenBegriff, der fr das Verstehen seines Systems von

    Bedeutung ist, irgendwo erklrt und durch den Zu-sammenhang, in den er ihn hier und da bringt, deutlichmacht, so sind doch die fr die Erklrung des Be-griffes wichtigen Stellen nicht immer da, wo sie derLeser wnscht. Das beigegebene Sachregister mchtehierin dem Leser zur Hand gehen und, wenn mglich,auf diese Weise mit als Kommentar fr das Studiumvon Kants Hauptwerk dienen. Demgem ist die Aus-wahl der Begriffe, sowie der Stellen, die aufgenommenwurden, getroffen. Dementsprechend ist aber auchdie Ordnung, die in der Gruppierung der angefhrtenErklrungen innerhalb der einzelnen greren Artikelvorgenommen wurde. Hierbei wurde tunlichst nachfolgendem Schema verfahren: An erster Stelle wurdeangefhrt, was der betr. Begriff bei Kant allgemeinbedeutet oder bezeichnet. Danach folgte ein Beispiel,das dazu diente, die allgemeine Bedeutung im einzelnenoder an einem konkreten Falle zu erlutern. An dritterStelle wurde die psychologische, logische, transscenden-

  • ^ Vorwort zur zehnten Auflage.

    tale, metaphysische Erklrung angefhrt, die Kantirgendwo zu dem Begriffe gibt. Und zuletzt wurdensekundre Merkmale oder besondere Anwendungs-weisen des Begriffes aufgefhrt. Natrlich konnte nur

    in beschrnktem Umfange nach diesem Schema ver-fahren werden. Damit fr den Leser das lstige Auf-schlagen zitierter Stellen wegfllt, wurden fast allewichtigeren Stellen mit vollem Wortlaut wiedergegeben.Den meisten Lesern ist nach meiner Meinung damitmehr gedient, als wenn eine groe Zahl von Parallel-stellen nur zahlenmig aufgefhrt werden.

    Wertvolle Dienste leistete rxiir bei Herstellung des

    Sachregisters das bekannte Vorlndersche Register zu

    Kants Kritik der reinen Vernunft, das besonders fr

    die philologische Kantforschung unentbehrlich bleibenwird.

    Bremen, Juni 1913.

    Dr. Th. Valentiner.

  • Aus dem Vorwort zur neunten Auflage.

    Herr Dr. Valentiner hat den ganzen Text derachten Auflage noch einmal der sorgfltigsten Durch-sicht unterzogen, und eine nicht unerhebliche Zahlvon Verbesserungen in dieser neunten Auflage ist dieFi-ucht seiner Mhe. Soweit ntig und soweit an-gngig, sind dabei wichtige Textnderungen aus Erd-manns neuebter Edition (Ak." in der von derBerliner Akademie veranstalteten Kant-Ausgabe be-rcksichtigt worden, nicht ohne das, was LudwigGoldschmidt gegen sie eingewendet hat, mit zuRate zu ziehen.

    Leipzig, Dezember 1905.

    Die Verlagsbuchhandlung,

    Aus dem Voi^ort zur achten Auflage.

    Da Erdmann schon in den frheren Auflagenseiner Ausgabe smmtliche derzeit bekannten Ver-besserungsvorschlge mit Nennung sowohl der Emen-datoren als auch der Herausgeber, welche die Aende-rungen aufgenommen hatten, bercksichtigt hat, sohabe ich mich von Anfang an darauf beschrnkt, vonden in den Apparaten und Anmerkungen der Ausgaben,sowie in lteren Abhandlungen gegebenen kritischenBemerkungen nur eine grssere Auswahl zu ver-zeichcen. Dabei habe ich mich begngt, nur denNamen dessen, der die Aenderung zuerst vorgeschlagenhat, zu nennen. Vollstndiger bercksichtigt wurdendie bei Uebernahme der Revision gerade erschienenenkritischen Beitrge von Wille und Vaihinger (im

  • IV Vorwort.

    i. Bd. der Kantstudien) und die eich in der damalsneuesten Auppnhe von Vorlnder findenden Aende-ruiigen des Oirinaltexles. Eine Collation des Vor-lnder'schen Textes habe ich au? dem Gi-unde vor-irenonimen, um mit den sprachlichen Modern isirungenfier neuesten Herausgeber bekannt zu werden und'lieselben, wo es thunlich chien, in der vorliegendenAusgabe zu verwerten.

    Zu Grunde gelegt ist dem Druck die zweite Aus-^ahe der Kiitik der reinen Vernunft von 1787. DieAbweicliiiiigen dieses Grundtextes von dem Texte derersten Ausgabe (ersch. 1781) finilon sich in den An-merkungen und Beilagen verzeichnet. Dabei war ichbemht, Varianten der beiden Originaltexte auch daanzugeben, wo es sieh nur um Verschiedenheit einesWortes oder einer Form handelte. Nicht erwhntwurde

    :

    1) wenn ein in der ersten Ausgabe nicht gesperrtes\7ort in der zweiten gesperrt war oder umgekehrt;

    2) orthographische Verschiedenheit (z. B. sollnent ' soiite, nennt; Eine, Selbst eine, selbst);

    3) Verschiedenartigkeit der Interpunktion;

    4) eine sprachliche Differenz von geringer Be-deutung (z.B. denen ?.Innern den Mnnern; geltenvor gelten fr u. hnl.),

    Abv;eichungen, welche in der Kehrbach^schen Aus-gabe, am vollstndigsten in dem Anhang zur lnftenAuflage der Ausgabe von Erdmann gegeben sind.

    Hinsichtlich der Behandlung des Originaltexteshabe ich dahin gestrebt, die altertmliche Sprache,insbesondere die Kant'schen Eigenthuilichkeiten, dieoft mit den syntaktischen Regeln unserer Gram-matik unvereinbar sind, mglichst zu bewahren. Alsleitend galt mir daher der Grundsatz, nur da vonden vorgeschlagenen Vernderungen Gebrauch zumachen, wo es die Gltte erforderte und durcheine kleine Aenderung das Verstand niss erleichtertwurde.

    Ob in vielen FlUii Druckfehler resp. Versehendes Abschreibers oder Spracheigenthmlichkeiten den

  • Vorwort. V

    orsten Aupj^aben anhaften (hinsichtlich der Spracii-gewohnheiten Kants vergleiche mmi die in dem Erd-mann'schen Anhang an vielen Stellen eingestreutenBemerkungen), ist und bleibt schwer zu entscheiden.Ich mchte mir nicht erlauben, in solche Fragenschon jetzt einzugreifen und will auch hier nur an-geben, welche Gesichtspunkte mir bei der Ausgabemassgebend w^aren. Und ohne die Frage nach dereinen oder anderen Seite zu berhren, kann manin der Hauptsache folgende Rubriken festhalten:

    1) Hufig weicht in den Originaltexten ein Pro-nomen in Genus oder Numerus von dem Substantivab, auf das es sich grammasch bezieht, z.B.

    S.364 Z. 34 ff. zum Gebrauche anzuwenden;welches-, wenn e.s"

    S. 365 Z.lSff. Ebenso kann das Subjectihr eigen Dasein nicht bestimmen"

    S. 560 Z. 36ff. Das dritte vereinigt jene beiden,indem sie vorschreibt"

    S. 656 Z. 5ff. Folgen ..... zu diesem

    Hielt ich in diesen und hnlichen Fllen eineAenderung fr erforderlich, so wurde andererseits dieursprngliche Lesart beibehalten, wenn eine demSinn nach passende Ergnzung zu dem Pronomennahelas, z. B.

    S. 641 Z. 28 ff. einen einzigen G

  • VT Vorwort.

    S. 683 Z. 7 ff. andere BediDgungen kenne, die . .

    .

    fhre"

    im Genus z.B. S. 453 Z. 37 weil sie solche nichtals BcHngung vorausgesetzt (bat), sondern (weilsolche) nur hinzugesetzt wird."

    3) Statt eines zu erwartenden Singulars findet sichlue Pluralform eines Substantivs resp. umgekehrt^ z. B.

    S. 28 Z. 1 9 mit den ersten Gedanken" st mitdem "

    S. 88 Z. 16/7 so vieler synthetischer Erkenntnissa priori" tt. Erkenntnisse a priori"

    i) Strungen im Tempus und Modus des Verbumssind nicht selten:

    z. B. S. 279 Z. 20/1 wird nichts gegeben, was . .

    .

    knne."

    S. 296 Z. 26 erschienen** st. erscheinen"

    S. 466 Z. 14 5 mithin angenommen werdenQjsste. Es wrde" ^t

    musste. Es wurde"

    5) Es sind fters ein oder mehrere Woite weg-gelassen, die wir nicht missen knnen;

    z. B. S. 516 Z. 15ff*. da dieser Vorzug nur denanalytischen (Stzen) zukommt."

    S. 457 Z. 8/9 der Erscheinungen (als Dingtn) ansich selbst"

    S.466 Z.31ff.467Z.l indem (wir), so wie wir...blieben, eben so hatten."

    S. 213 Z. 9 ff. dass der Verstand... (anticij-irf nknne;) und es ist"

    Die Einsetzung des fehlenden Wortes imterbliebin Fllen, wo es leicht aus dem Zusammenhang er-gnzt werden konnte:

    z. B. S. 467 Z. 25, 6 der Causalverbindung sowohlals der (Vtrbindung) des Nothwendigen"

    S. 124 Z. 1 ff. welche uns Gegenstnde darbietetund (uns) unterrichten kann."

    S. 548 Z. 27,8 wenn ihre Bedeuliing verkannt(wird) und i^ie genon:mrn werden,"

  • Vorwort vrr

    6) Andererseits finden sich hie und da sog. Ditto-graphieeu und berflssige Worte:

    z.B. S. 25 Z. 15/6 dass er, um zu wissen,[er] der Saclie"

    S. 366 Z. 17ff. Gleichwohl wird hiedurch[hiebei] nicht das mindeste verloren"

    S. 656 Z. llff. wenn es darum zu thun ist, [um]etwas zu beweisen."

    Da ein grosser Theil der bisher gemachten Ver-besserungsvorscbige einen dieser 6 Punkte trifft, soglaube ich auf eine weitere Zusammenstellung indieser Richtung verzichten zu drfen, obgleich sichunschwer noch einige Punkte mehr aufstellen liessen.Kam es mir doch nur darauf an, fr schwerwiegendereAenderungen, welche sich bisweilen im Sinne desoben ausgesprochenen Grundsatzes empfahlen, Belegebez. Beispiele zu geben.

    Hieran reihen sich folgende einfachere Aende-rungen, die ich in dem Originaltexte vornahm:

    1) Dem heutigen Sprachgebrauche wurden an-gepasst Formen wie:

    siebet, lset, zugehet, anschauet (3. pers. praes.),eingerumet, angeschauet, erfllet, gebauet (part.);nachahmete, gehrete, bestimmete, correspondirete,beruhete, stellete (3. pers. des ind. u. conj. impf.) Idealis?/i, Prosyllogis/w, Geschfte (nom. u. acc. sg.)

    ;

    Axiomen, Organe?*, Sinnew (plur.) die beidebrige Analogien, alle sinnliche Anschauungen, die-selbe (pl.); ein vollstndig System, anderer denken-de Wesen klresten, vielfarbiges; bekmmt;zusammenhangenden; ausgedruckt Erawgniss;Kwssen (st. Kissen); onerachtet; (al3-)denn weit-lufge, schiefwinklic^e eriodert] womach imletzter Falle, einen besonder Theil, nichts amdres.

    2) Die neuere Orthographie wurde angewandt aufSchreibungen wie:

    bei/, zwei/te, hleyerne, mancherlei/, me;i/nen, frei/-lieh, se^/n, gedei/lichen tat-tologisch, Propdeu-tik nemlich, vorsetzlich, anderwerts, Herzehlung;Erfahrungsgrnze gleichwo/, wo/, allm7ig; ver-

  • V Ti Vorwort.

    lhre, au?raa7?,len, uii^est/irt, Rt/jsel gesamten,vortre/Tich ; besch//'ligt vernio/7t, maniii(/mal Ciper, Ci'itik, a])odictisch, Punct; Pocey nichts wiigewhnliches, etwas usseres; anfangs,E'rstlich, um ^-lller willen viel mehr (st. viel-mehr) eben so (st. ebenso), so bald (st. sobald).3) Hinsichtlich der Interpunktion wurden nach dem

    Vorgange der Herausgeber berflssige Kommata zumgrossen Tbeil weggelassen; fr Kolon oder Semikolonwuide oft (z.B. vor dass") ein Komma gesetzt

    Zu den genannten kommen noch einige leichtere,meist sprachliche Aenderungen, zu denen die ur-sprngliche Form resp. Lesart in der alten Schreib-weise in [ ] unter dem Texte gegeben ist. Hier glaubteich auf Nennung des ersten Correctors verzichten zudrfen, und mchte ich nur hervorheben, dass ichmich da, wo nur bei genauer Kenntniss des Sprach-gebrauchs entschieden werden kann, ob das Kant'scheseyn" einem seien" oder sind" entspricht, fastdurchweg Erdmann angeschlossen habe.

    In allen Fllen ist eine gleichrassige bezw. con-eequente Durchfhrung mir usserst schwer, ja un-mglich geworden. Ich hofie aber, durch obige An-fhrungen die wesentlichen Punkte zum Ausviruckgebi?cht zu haben. Doch mchte ich noch auf dieSchwierigkeit in dieser Hinsicht hinweisen, die mirdurch den verfrhten Abdruck der ersten Bogen er-wachsen ist. Ich habe an manchen Regeln der Gleich-mssigkeit wegen festhalten mssen, die ich genderthaben wrde, wenn der Druck erst nach vollkommenerVollendung und Durcharbeitung der Druckvorlagehtte beginnen knnen. Indessen war durch meinesonstige Pflicht der Druck zeitweise schon derartig'verz()gert worden, dass ich die Geduld des HerriiVerlegers nicht in noch hherem Masse in Anspruchnehmen durfte.

    Was die Anmorkunt.en betri't, so drfte durchdas Vorige das Wesentlichste gesagt sein; fr dieBequemlichkeit des Lesers stelle ich die Erklrungder Bezeichnungen an dieser Steile bcrtichtlicbzusammen.

  • Vorwort. rx

    Es bedeutet:

    erste Ausg. die erste Ausgabe der Kritik der reinenVernunft, ersch. 1781.

    zweite Ausg. die zweite Ausgabe der Kr. d. r. V.,ersch. 1787.

    Orig. die Originalausgaben der Kr. d. r. V., d. idie erste und die zweite bez. diejenige dieserbeiden Ausgaben, in der die betr. Stelle steht.

    N. . No. . . der Nachtrge zu Kants Kr. d. r. V." hsg.von Erdmann (1881), in denen die Textvernde-rungen abgedruckt und behandelt sind, die Kantselbst in sein Handexemplar der Kr. d. r. V. ein-getragen hat.

    Mellin die Berichtigungen, welche G. S. A. Mellinin den Marginalien und Kegister zu Kant's Kr.d. r. V." (Zllichau 1794) gegeben hat. (EinenAuszug derselben nebst einigen Ergnzungen giebtder neue Herausgeber der genannten Schrift:L. Goldschmidt, Gotha 1900, S. 160.)

    Grillo das Druckfehlerverzeichniss Grillo's im Phi-losophischen Anzeiger" der Annalen der Philo-sophie und des philosophischen Geistes" (L. H.Jakob, Halle), 37. 40. Stck v. Sept. 1795.

    5. Aufl. die 5. Auflage der Kr. d. r. V., ersch. 1799.

    U. eine mir noch unbekannte alte Hand, welchein die auf der Leipziger Universittsbibliothekbefindliche Originalausgabe (1787) hinein corrigirtund geschrieben hat.

    Schopenhauer die Verbesserungsvorschlge vonSchopenhauer (zuerst verwerthet in der Ausgabevon Rosenkranz).

    Rosenkranz die Ausgabe von Rosenkranz, 1838(2. Bd. aus I. Kant's smmtl. Werke).

    Hartenstein die Hartenstein'schen Ausgaben derKr. d. r. V. (bez. di o eine oder andere derselben)

    :

    2.Bu.: I. Kant's smmtl. Werke, 1838.Separatausgabe von 1853.3. Bd.: I. Kaut's siumtl. Werke, 1867

  • X Vorwort.

    V. Kirrhmann die 1. Auflage der Kirchraann'schenAusgabe der Kr. d. r. V. von 1868 bezvv. die 7. kaumvernderte von 1891, die mir als Manuscript vorlag.

    Frederichs Fr. Frederichs Der phaenomenaleIdealismus Berkeley's und Kant's" (Schulprogr.),Berlin 1871.

    V. Leclair A. v. Leclair's Kritische Beitrge zurKategorienlehre KantV, Prag 1877 S. 104/5.

    Kehrbach die Ausgabe von Kehrbach in derReclam'sehen niversalbibliothek, 2. Aufl., 1878.

    Vaihinger (Com 1 ..) Vaihinger's Commentar zu

    Kant's Kr.d.r.V. Bd. I, 1881 S. .

    .

    Laas Laas' Idealismus und Positivismus, 3 Bnde,1879 bis 1884 (die zu S. 84 Z. 13 herangezogeneStelle steht Bd.IU S.330 anm. 7).

    Paulsen textkritische Vorschlge Paulsen'a (in denErdmann'schen Ausgaben),

    Erdmann die 4. Auflage von Erdmann's Ausgabeder Kr.d.r.V., 1889.

    Adickes Adickes' Ausgabe der Kr. d. r. V., 1889.Wille die in den Philosophischen Monatsheften",

    Bd. XXVI (1890) S. 399 ff. vorgetragenen Verbesse-rungsvorschlge Wille's.

    Vaihinger (Com II ..) Bd. II 1892 . .. des oben

    genannten Commentars.

    Vorlnder Vorlnder's Ausgabe der Kr.d.r.V., 1899.Wille (C.) No. .. der Conjekturen zu Kant's Kr.

    d.r.V." von Wille in den Kantstudien 4. Bd. 1900S. 311 ff

    Wille (XK..) No. .. der Neuen Konjekturen zuKant's Kr.d.r.V." von Wille a.a.O. S. 448 ff.

    Vaihinger (Kg ..) No. . . der Siebzig textkritischen

    Randglossen zur Analytik" von Vailiinger a. a. O.S. 4 52 ff.

    Wille^ (Tf.) No. . . von Wille's Bemerkungen bereinige Textfchler in Kant's Widerlegung desIdealismus" Kuutstud. 5. Bd. 1901 S. 123/4.

  • Vorwort. XI

    Erdmann * die 6. Aufl. von Erdmann's Ausgabeder Kr.d.r.V. 1900.

    Erdinann(5^ die 6. Aufl. der genannten Ausgabein UeDereinstimmung mit der 4. von demselbenHerausgeber.

    Erdmann* (A.): ? Erdmann bezeichnet in demAnhang" zur fnften Auflage seiner Ausgabedie mit ? versehene bez. zuletzt genannte Lesartals nicht ausgeschlossen.

    eorr. hat verbessert

    del. hat gestrichen,

    add. hat zugefgt.

    *) Anmerkungen Kant's.a) b) u. s. w. die der vorliegenden Auegabe bei-

    gefgten Anmerkungen.

    Femer bedeuten die [..] Randziffern die Seiten-

    zahlen der Originalausgaben (der ersten Ausg. nurfr diejenigen Abschnitte, die sich in der zweitennicht finden). Der Anfang der Originalseite ist, wenner nicht mit dem Anfang der betr. Zeile zusammen-fllt, durch einen senkrechten Strich nach dem letztenWort der vorhergehenden Seite gekennzeichnet.

    Hinsichtlich der usseren Anordnung der Ausgabesei noch erwhnt, dass ich dahin trachtete, sie derzu Grunde gelegten mglichst conform zu gestalten;die Seiten- und Kapitelberschriften, Schlusszeichenu. dergl. sind derselben genau angepasst.

    Leipzig, im Mrz 1901.

    Theodor Valentiner.

    Kaot, Kricik 4er reicea Veriiuaft.

  • lahaltsverzeichDiss.

    Zuei^unf 1%Vonrde zur ersten Ausgabe 13Vorrede lur zweiten Ausgabe 22Einleitung*) 4771

    I. Von dem ntersehiede der reinen und empirischenErkenntniss ^

    n. Wir sind im Besitze gewisser Erkenntnisse a priori,und selbst der gemeine Verstand ist niemals ohnesolche . 48

    III. Die Philosophie bedarf einer Wissenschau, welche dieMglichkeit, die Principien und den Umfang allerErkenntnisse a priori bestimme h2

    IV. Von dem Unterschiede analytischer und synthetischerUrtheile 55

    V. In allen theoretischen Wissenschaften der Vernunftsind synthetische Urtheile a priori als Principienenthalten 5

    VI. Allgemeine Aufgab der reinen Vernunft . . 63Vn. Idee und Eintheilung einer besonderen Wissenschaft,

    unter dem Namen einer Kritik der reinen Vernunft 67

    I. Transscendentale Elementarlehro. . 73591

    Erster Tlieil. Die transscendentale Aesthetik . . 75105Einleitung. 1 7S1. Abschn. Von dem Rume. 2,3 782. Abschn. Von der Zeit. 47 .86Allgemeine Anmerkungen zur transseendentalen Am

    thetik. 8 .... ...96a) Ein Inhaltsverzeichniss zur Kritik der reinen Vernunft

    von dem Umhange wie das nachstehende findet sich erst in der4. Auflage (1794); die zweite Ausg. hat barhnupt keiaes, dasdar ersten folgt als Beilage III im Anhang.

    1*

  • 4 InhaltsverzeichniBS.

    Zweiter ThelL Die transsoendentale Logik . . . 108501Einleitung. Idee einer transsondentalen Logik . 106116

    I. Von der Logik berhaupt 103

    IL Von der transscendentalen Logik HOIII. Von der Eintheilung der allgemeinen Logik in Aji-

    lytlk und Dialektik 111IV. Von der Eintheilung der transscendentalen Logik in

    die transscendentale Analytik und Dialektik . . 115

    Erst Abtheilunsr. Die transscendentale Analytik 117813

    ET8ts Buch. Die Analytik der Begriffe 118177

    l.Hauptst Von dem Leitfaden der Entdeckung alUrreinen Verstandesbegriffe 119

    1. Ab sehn. Von dem logischen Verstandesgebraucheberhaupt 120

    2, Abschn. Von der logischen Function des Ver-standes in Urtheilen. 9 122

    8. Abschn. Von den reinen Verstandesbegriffen oderKategorien. 1012 127

    1. H au p 1 8 1. Von der Deduction der reinen Verstandes-begriffe 138

    1. Abschn. Von den Principien einer transscenden-talen Deduction berhaupt. 13 138

    Uebergang zur transscendentalen Deduction derKategorien. 14 146

    2. Abschn. Transscendentale Deduction dr reinenVerstandesbegriffe. 1527 14

    Zweites Bach. Die Analytik der Grundstze (transscen-dentale Doctrin der Urtheilskraft) 177318

    Einleitung. Von der transscendentalen Urtheils-kraft berhaupt 179

    l.Hauptst. Von dem Schematismus der reinen Ver-standesbegriffe 182

    2. Haupts t. System aller Qrunds&tze des reinen Ver-standes 100

    1. Abschn. Von dem obersten Grundstze aller ana-lytischen Urtheile 198

    2 Abschn. Von dem obersten Grundsatz aller syn-thetischen Urtheile 194

    8. Abschn. Systematische Vorstellung aller synthe-tischen Grundstze des reinen Verstandes ... 198

    1) Axiome der Anschauung 2022) Anticipatlonen der Wahrnehmung 8063) Analogien der Erfahrung 214

  • iDhaltsverzeichnisB. 5

    Erste Analoj^e Grundsatz der Beharrlichkeitder Substanx 219

    Zweite Analogie. Grundsatz der Zeltfolge nachdem Gesetze der Causalitt 335

    Dritte Analogie. Grundsatz des Zugleichseinsnach dem Gesetze der Wechselwirkung oderGemeinscliaft 242

    4) Die Postulate des empirischen Denkens berhaupt 249Widerlegung des Idealismus 255

    Allgemeine Anmerkung zum System der Grundstze 2653. Haupt st. Von dem Grunde der Unterscheidung

    aller Gegenstnde berhaupt in Fhaenomena undNoumena 270

    Anhang. Von der Amphibolie der Reflexionsbegriffe 290Anmerkung zur Amphibolie der Eeflexionsbegriffe 296

    Zweite Abtheilungf. Di traniscendentale Dialektik. 314591Einleitung 314326I. Vom transscendentalen Schein tl4

    11. Von der reinen Vernunft, als dem Sitz dei transscii-dentalen Scheins 818

    A. Von der Veraunft berhaupt 318B. Vom logischen Gebrauche der Vernunft .... 821C. Von dem reinen Gebrauche der Veraunft .... 322

    Erstes Buch. Von den Begriffen der reinen Vernunft 3263471, Ab sehn. Von den Ideen berhaupt 8273. Ab sehn. Von den transscendentalen Ideen

    .. .

    8343. Abschn. System der transscendentalen Ideen

    . . 342

    Zweites Bnch. Von den dialektischen Schlssen der reinenVeruunft 347591

    1. Hauptst. Von den Paralogismen der reinen Vernunft Z4SWiderlegung des Mendelssohnschen Beweises der Be-

    harrlichkeit der Seele 8SiAllgemeine Anmerkung, den Uebergang von der rt*

    tionalen Psychologie zur Kosmologie betreffend. 369

    2. Hauptst. Die, Antinomie der reinen Vernunft.

    .372

    1. Abtchn. System der kosmologischen Ideen.

    . . 8759. Abschn. Antithetik der reinen Vernunft ... 384

    Erste Antinomie 388Zweite Antinomie 394Dritte Antinomie 402Vierte Antinomie 410

    3. Abschn. Von dem Interesse der Vernunft beidiesem ihrem Widerstreite 418

  • InhftJtsverzeichniB.

    4. Abs eh m, V^n den transscendentalen Anfgabea drreinen Vernunft, in lo fern sie Bchlpchterdings

    mssen aufgelst werden knnen 4286, Ab sehn. Skeptisch Vorstellung der kofmolo-

    gischen Fragen durch alle vier transscendentalenIdeen 434

    6. Abschn. Der transscendentale Idealismus, alsder Schlssel zu Auflsung der kosmologischenDialektik 438

    7. Abschn. Kritische Entscheidung des kosmolo-gischen Streit der Vernunft mit sich selbst . . 443

    8. Abschn. Regulatives Princip der reinen Vernunftin Ansehung der kosmologischen Ideen .... 451

    0. Abschn. Von dem empirischen Gebrauche deregulativen Princips der Vernunft in Ansehungaller kosmologischen Ideen 456

    I. Auflsung der kosmologischen Idee von derTotalitt der Zusammensetzung der Erschei-nungen zu einem Weltganzen 458

    II. Auflsung der kosmologischen Ide von derTotalitt der Theilung eines gegebenen Gangenin der Anschauung 462

    Schlussanmerkung und Vorerinnerung .... 465III. Auflsung der kosmologischen Idee von der

    Totalitt der Ableitung der Weltbegebenheitenaus ihren Ursachen 469

    Mglichkeit der Causalitt durch Freiheit ... 473Erluterung der kosmologischen Idee einer

    Freiheit 476

    rV. Auflsung der kosmologischen Idee von derTotalitt der Abhngigkeit der Erscheinungen,ihrem Dasein nach berhaupt ...... 467

    Bchlussanmerkung zur ganzen Antinomie

  • iBhaltsverzeichnisB. 7

    5.Abshii. Von der Unmglichkeit tints kosnielo-giscben Beweises vom Dasein Gotte 620

    Entdeckung und Erklrung des dialeictischen ScheinsIn allen iransscendentalen Beweise vom Daseineines nothwendigen Wesens 628

    0. Ab sehn. Von der Unmglichkeit des physiko-theologischen Beweises 633

    7. Abschn. Kritik aller Theologie aus speculatiyenFrincipien der Vernunft 540

    Anhang zur transscendentalen Dialektik 513Von dem regulativen Gebrauch der Ideen der

    reinen Vernunft 548Von der Endabsicht der natrlichen Dialektik dormenschlichen Vernunft . 567

    n. Transscendcntale Methodenlehre . 503703

    Einleitung .595Erstes Haoptst. Di Disciplin der reinen Vernunft . 506

    1. Abschn. Die Disciplin der reinen Vernunft imdogmatischen Gebrauche . 599

    9. Abschn. Die Disciplin der reinen Vernunft in An-sehung ihres polemischen Gebrauchs .... 618

    Von der Unmglichkeit einer skeptischen Befriedi-gung der mit sich selbst Teruneinigten reluenVernunft 633

    S. Ab sehn. Die Disciplin der reinen Vernunft inAnsehung der Hypothesen 641

    i. Abschn. Di Disciplin der reinen Vernunft uiAnsehung ihrer Beweis 850

    Zweites Hauptst. Der Kanon der reinen Vernunft 659~-7031. Abschn. Von dem letzten Zwecke des reinen Ge-

    brauchs unserer Vernunft 6613. Abschn. Von dem Ideal des hchsten Guts . . 6663. Abschn. Vom Meinen, Wissen und Glauben . . 677

    Drittes Hauptst. Die Architektonik der reinen Vernunft 685Viertes Hauptst. Die Geschichte der reinen Vernunft . 699

    Beilagren ans der ersten Ausgrabe , 703769

    Beilag' Z. Der Deduction der reinen Verstandesbegriffezweiter und dritter Abschnitt 705729

    3. Abschn. Von den Grnden % priori zur Mglich-keit der Erfahrung 706

  • g Inhaltsverzeichniss.

    3. Abschn. Von dem Verhiltnisse des Verstandes zuGegenstnden berhaupt und der Mglichkeit,diese a priori zu erkennen 719

    Summarische Vorstellung der Richtigkeit dieserDcduction der reinen Verstandesbegriffe .... 728

    Beilag-e ZI. Zu dem Hauptstck von den Paralogismender reinen Vernunft 729769

    Erster Paralogismus: der Substantialitt .... 729

    Zweiter Paralogismus: der Simplicitt 731

    Dritter Paralogismus: der Personalitt 739

    Vierter Paralogismus: der Idealitt 742

    Betrachtung ber die Summ der reinen Seelen-Ichre 752

    Beilage III. Inhaltsverzeichniss 769

    Verbesserungen 770

  • Kritikder

    reinen Vernunft

    von

    Immanuel Kant,Professor In Knigsberg,

    der KnJgl. Akademie der Wisseusehaften in BerliaMltgUed.

    Zweite hin und wieder verbessert Auflage.)

    1787.

    a) Der Text der ersten Ausgabe von 1781 Itt, eoirelt ef ab-deicht, in Noten und Zustzen beigefgt.

  • 10

    Baco de Vcrulamio.

    Instauratio magna. Praefatio.

    De nobis ipsis silemus: De re autem, qnae a^tnr,pctimus: ut homines eara non Opinionem, sed Opus essecogitent; ac pro certo habeant, non Scctae nos alicuius,aut Placiti, sed utilitatis et araplitudinis humanae fun-damenta moliri. Deinde ut suis commodis aequi *) incommune consulant *) et ipsi in partem veniant. Prae-terea ut beno sperent, neque Instaurationem nostram ntquiddam infinitum et ultra mortale fingant, et animocoDcipiant; quum revera sit infiniti erroris finis et ter-minus legitimus.'')

    r) Kant bat hier einige Zwischenstze Bacons weggelaMen.b) Dieses Motto fehlt in der ersten Aasgabe, die deatscbe

    ebersetzung lautet

    :

    Bacon Ton Ternlam.Instanratio magna. Vorrede.

    Von mir selbst schweige ich ; betreffs des Gegenstandes aber,am den es sich handelt, bitte ich , dass man ihn nicht als eineblosse Meinung, sondern als ein wichtiges Werk auffasse undberzeugt sei, dass ich dabei nicht die Grundlegung einer Sekteoder einer beliebigen Meinung, sondern die der menschlichenWohlfahrt beabsichtige. Ferner mge man , eingedenk deeigenen Vorteils fr das allgmeine Beste raten undpersnlich sich beteiligen. Auch mge man getrosten Mute seinund sich meine Instauratio nicht als etwas Endloses und ber-menschliches Torstellen und denken; da sie doch in W^ahrheiti?ii Ende und dio richtige Grenz eines unendlicbn Irrtums iti.

  • 11

    Sr. Exeellenz,

    dem

    Knig 1. Staats minister

    Eieilierrn von Zedlitz.

    Gndiger Herr!

    Den Wachsthum der Wissenschaften an seinem Theilt

    befrdern, beisst an Ew. Excellenz eigenem Interesse

    arbeiten; denn dieses ist mit jenen, nicht bloss durch den

    erhabenen Posten eines Beschtzers, sondern durch das

    viel vertrautere*) eines Liebhabers und erleuchteten Kennen,

    innigst verbunden. Deswegen bediene ich mich auch dei

    einigen Mittels, das gewissermassen in meinem Vermgen

    ist, meine Dankbarkeit fr das gndige Zutrauen zu be-

    a) In einem Briefe Kant's an Biester, datirt vom 8. JnnI 1781findet sich folgende hierher bezgliche Stelle: Unter den Fehlem,ich weiss nicht ob des Drucks oder meines Abschreibers, ver-driesst mich der vorzglich, der selbst in der Zuschrift begangenworden 1 Es solte nmlich in der sechsten Zeile heissen: Durchdas viel vertrautere Verhltnis/' Kant's ges. Sehr. hsg. v. d.Kgl. Preuss. Akad. d. Wiss. Bd. X. Zweite Abt. Briefwechsel,Bd. I ersch. Berlin 1900, p. 256.

  • 12

    zeigen, womit Ew. Excel lenz mich beehren, al knne)

    ich zu dieser Absicht etwas beitragen.

    Demselben gndigen Augenmerke, dessen Ew. Ex-

    cellenz die erste Auflage dieses Werks gewrdigt haben,

    widme ich nun auch diese zweite und hiemit zugleich^)

    alle brige Angelegenheit meiner literarischen Bestimmung,

    und bin mit der tiefsten Verehrung

    Ew. Excellenz

    oDtortlinig gehorsamsterDiener

    Knigsbergden 23sten April 1787.o) Immanutl Kant.

    a) Erste Ansg. kSnnte"b) statt: Demselben gndigen ungleich" steht in

    der ersten Aasg&be: ,,Wen das specnlative Leben vergngt, demist, unter massigen Wnschen, der Beifall eines aufgeklrten,gltigen Richters eine krftige Aufmunterung eq Bemhungen,deren Nutzen gross . obzwar entfernt ist , und daher von ge-meinen A\igon gnzlich verkannt wird.

    Kinem Solchen und Dessen gndigem Augenmerke widme ichnun diese Schrift und, Seinem Schutze," u. s. w.

    o) Erste Ausg. Knigsberg den 29 8ten Mrz 1781."

  • 13

    Vorrede.*) il)ie menschliche Vernunft hat das besondere Schicksalin einer Gattung ihrer Erkenntnisse: dass sie durchFragen belstigt wird , die sie nicht abweisen kann ; dennsie sind ihr durch die Natur der Vernunft selbst aufge-geben, die sie aber auch nicht beantworten kann; denn siebersteigen alles Vermgen der menschlichen Vernunft

    In diese Verlegenheit gerth sie ohne ihre Schuld.Sie fngt von Grundstzen an, deren Gebrauch imLaufe der Erfahrung unvermeidlich und zugleich durchdiese hinreichend bewhrt ist. Mit diesen steigt sie 10(wie es auch ihre Natur mit sich bringt) immer hher,zu entfernteren Bedingungen. Da sie aber gewahr wird, Udass auf diese Art ihr Geschft jederzeit unvollendetbleiben msse, weil die Fragen niemals aufhren, sosieht sie sich genthigt, zu Grundstzen ihre Zufluchtzu nehmen, die allen mglichen Erfahrungsgebrauchberschreiten und gleichwohl so unverdchtig scheinen,dass auch die gemeine Menschenvemunft damit im Ein-verstndnisse steht. Dadurch aber strzt sie sich inDunkelheit und Widersprche, aus welchen sie zwar ab- 20nehmen kann, dass irgendwo verborgene Irrthmer zum Grundeliegen mssen, die sie aber nicht entdecken kann, weildie Grundstze, deren sie sich bedient, da sie ber dieGrenze aller Erfahrung hinausgehen, keinen Probirsteinder Erfahrung mehr anerkennen. Der Kampfplatz dieserendlosen Streitigkeiten heisst nun Metaphysik.

    Es war eine Zeit, in welcher sie die Knigin allerWissenschaften genannt wurde, und wenn man denWillen fr die That nimt, so verdiente sie, wegender vorzglichen Wichtigkeit ihres Gegenstandes, aller- 80dings diesen Ehrennamen. Jetzt bringt es der Modetondes Zeitalters so mit sich, ihr alle Verachtung zu beweisenund die Matrone klagt, Verstssen und verlassen, wie

    a) Dies Vorrede zur ersten Ausgabe vom Jfthr 1781 hatKant bei der zweiten Ausgabe weggelassen,

  • 14 Vorrede.

    III Hecuba: modo maxima rerum, tot generis natisquepotens nnnc tralior exul, inops*) Oy/r/. Metam.

    Anrnglich war ihre Herrschaft unter der Ver-waltung der Dogmatiker, despotisch. Allein, weil dieGesetzgebung noch die Spur der alten Barbarei ansich hatte, so artete sie durch innere Kriege nach undnach in vllige Anarchie aus und die Skeptiker, eineArt Nomaden, die allen bestndigen Anbau des Bodensverabscheuen, zertrennten von Zeit zu Zeit die brger-

    10 liehe Vereinigung. Da ihrer aber zum Glck nurwenige waren, so konnten sie nicht hindern, dass jenesie nicht immer aufs neue, obgleich nach keinemunter sich einstimmigen Plane, wieder anzubauen ver-suchten. In neueren Zeiten schien es zwar einmal, alssollte allen diesen Streitigkeiten durch eine gewissePhysiologie des menschlichen Verstandes (von demberhmten Locke) ein Ende gemacht und die Recht-mssigkeit jener Ansprche vllig entschieden werden;es fand sich aber, dass, obgleich die Geburt jener vor-

    20 gegebenen Knigin aus dem Pbel der gemeinen Erfahrungabgeleitet wurde und dadurch ihre Anmassung mit Rechthtte verdchtig werden mssen, dennoch, weil diese Genea-logie ihr in der That flchlich angedichtet war, sie ihre

    IV Ansprche noch immer behauptete, wodurch alles wiederumin den veralteten wurmstichigen Dogmatismus unddaraus in die Geringschtzung verfiel, daraus man dieWissenschaft hatte ziehen wollen. Jetzt, nachdem alleWege (wie man sich berredet) vergeblich versucht sind,herrscht eberdruss und gnzlicher Indifferentis-

    30 mus, die Muttor des Chaos und der Nacht, in Wissen-schaften, aber doch zugleich der Ursprung, wenigstemdas Vorspiel einer nahen Umschaffung und Aufklrungderselben, wenn sie durch bel angebrachten FleLssdunkel, verwirrt und unbrauchbar geworden.

    Es ist nmlich umsonst, Gleichglt igkeit in An-sehung solcher Nachforschungen erknsteln zu wollen,deren Gegenstand der menschlichen Natur nicht gleich-gltig sein kann. Auch fallen jene vorgeblichen In-differentisten, so sehr sie sich auch durch die Ver-

    ) Noch vor kurzfm die Mcljtijrste von Allen und Hrrschrindnrch so Tlle Schwiegershne und Kinder werde iohJeUt demVaterlaade eutrlttsen uAd biUflo fortgefhrt.

  • Vorrede, 15

    nderung der Schulsprache in einem populren Toneunkenntlich zu macheu gedenken, wofera sie nur beralletwas denken, in metaphysische Behauptungen unver-meidlich zurck, gegen die sie doch so viel Verachtungvorgaben. Indessen ist diese Gleichgltigkeit, die sichmitten in dem Flor aller Wissenschaften ereignet undgerade diejenigen trifft, auf deren Kenntnisse, wenn der-gleichen zu haben wren, man unter allen am wenigsten VVerzicht thun wrde, doch ein Phnomen, das Auf-merksamkeit und Nachsinnen verdient. Sie ist offenbar 10die Wirkung nicht des Leichtsinns, sondern der ge-reiften Urtheilskraft*) des Zeitalters, welches sichnicht lnger durch Scheinwissen hinhalten lsst undeine Auflorderung an die Vernunft, das beschwerlichstealler ihrer Geschfte, nmlich das der Selbsterkenntnissaufs neue zu bernehmen und einen Gerichtshof einzusetzen,der sie bei ihren gerechten Ansprchen sichere, da^^^egenaber alle grundlosen Anmassungen, nicht durch Macht- VTSprche, sondern nach ihren ewigen und unwandel-baren Gesetzen, abfertigen knne, und dieser ist kein anderer 20als die Kritik der reinen Vernunft selbst.

    Ich verstehe aber hierunter nicht eine Kritik derBcher und Systeme, sondern die des Vernunftvermgensberhaupt, in Ansehung aller Erkenntnisse, zu denen sie,unabhngig von aller Erfahrung, streben mag,

    '^j Man hrt hin und wieder Klagen ber Seicbtigkoit derDenkungsart unserer Zeit und den Verlall grndlicher Wisse;i-scbaft. Allein ich sehe nicbt, dass die, deren Grund gut go^legt ist, als Mathematik, Naturlehre u. s. w. diesen Vorwurfim mindesten verdienen , sondern vielmehr den alten Ruhm derGrndlichkeit behaupten, in der letzteren aber sogar bertreflFon.Eben derselbe Geist wrde sich nun auch in anderen Artenvon Erkenntniss wirksam beweisen, wre nur allererst fr diBerichtigung ihrer Principleu gesorgt worden. In Ermanglungderselben sind Gleichgltigkeit und Zweifel und endlich, strengeKritik, vielmehr Beweise einer grndlichen Denkungsart. UnserZeitalter bt das eigentliche Zeitalter der Kritik, der sichailes unterwerfen muss. Keligion, durch ihre H eiligkeit, undGesetzgebung durch ihre Majestt, wuileu sich gemeinigiichderselben entziehen. Aber alsdann erregen sie gerechten V^er-dacht wider sich und knnen auf unverstellte Achtung nichtAnspruch machen, di die Vernunft nur denijeaigen bewilligt,was ilir freie and tTentlieii Prfung hat aushalten knnen.

  • 16 Vorrede.

    mithin die Entscheidung der Mglichkeit oder Unmglich-keit einer Metaphysik berhaupt und die Bestimmungsowohl der Quellen, als des Umfanges und der Grenzenderselben, alles aber aus Principien.

    Diesen Weg, den einzigen, der brig gelassen war,bin ich nun eingeschlagen und schmeichle mir, aufdemselben die Abstellung aller Irrungen angetroffenEU haben, die bisher die Vernunft im erfahrungsfreienGebrauche mit sich selbst entzweit hatten. Ich bin

    10 ihreu Fragen nicht dadurch etwa ausgewichen, dassich mich mit dem Unvermgen der menschlichen Ver-nunft entschuldigte; sondern ich habe sie nach Prin-cipien vollstndig specificirt und, nachdem ich denPunkt des Missverstandes der Vernunft mit ihr selbst

    VU entdeckt hatte, sie zu ihrer vlligen Befriedigung auf-gelst. Zwar ist die Beantwortung jener Fragen garnicht so ausgefallen, als dogmatisch schwrmende Wiss-begierde entarten mochte; denn die knnte nicht andersals durch Zauberkrfte, darauf ich mich nicht verstehe,

    SO befriedigt werden. Allein, das war auch wohl nichtdie Absicht der Naturbestimmung unserer Vernunft;und die Pflicht der Philosophie war: das Blendwerk,das aus Missdeutung entsprang, aufzuheben, sollte auchnoch soviel gepriesener und beliebter Wahn dabei zunichte gehen. In dieser Beschftigung habe ich Aus-fhrlichkeit mein grosses Augenmerk sein lassen undich erkhne mich zu sagen, dass nicht eine einzigemetaphysische Aufgabe sein msse, die hier nicht auf-gelst, oder zu deren Auflsung nicht wenigstens der

    80 Schlssel dargereicht worden. In der That ist auchreine Vernunft eine so vollkommene Einheit: dass, wenndas Princip derselben auch nur zu einer einzigen allerder Fragen, die ihr durch ihre eigene Natur aufgegebenBind, unzureichend wre, man dieses immerhin nur weg-werfen knnte, weil es alsdann auch keiner der brigenmit vlliger Zuverlssigkeit gewachsen sein wrde.

    Ich glaube, indem ich dieses sage, in dem GesichteVlli des Le?ors einen mit Verachtung vermischten Unwillen

    ber, dem Anscheine nach, so ruhmredige und un-40 bescheidene Ansprche wahrzunehmen, und gleichwohl

    Bind sie ohne Vergleichung gemssigter, als die, einesjedn Verfassers des gemeinsten Programms , der darin

  • Torrede. 1?

    etwa die einfaclie Natur der Seele, oder die Noth-wendigkeit eines ersten Weltanfanges zu beweisen vor-giebt. D^n dieser macht sich anheischig, die mensch-liche Erkenntniss ber alle Grenzen mglicher Er-fahrung hinaus zu erweitern, wovon ich demthig ge-stehe: dass dieses mein Vermgen gnzlich bersteige,an dessen Statt ich es lediglich mit der Vernunft selbstund ihrem reinen Denken zu thun habe, nach derenausfhrlicher Kenntniss ich nicht weit um mich suchendarf, weil ich sie in mir selbst antreifo und wovon mir 10auch schon die gemeine Logik ein Beispiel giebt, dasasich alle ihre einfachen Handlungen vllig und syste-matisch aufzhlen lassen; nur dass hier die Frage auf-geworfen wird, wie viel ich mit derselben, wenn miraller Stoff und Beistand der Erfahrung genommen wird,etwa auszurichten hoffen drfe.

    So viel von der Vollstndigkeit in Erreichungeines jeden, und der Ausfhrlichkeit inErreichungaller Zwecke zusammen, die nicht ein beliebiger Vor-satz, sondern die Natur der Erkenntniss selbst uns auf- 20giebt, als der Materie unserer kritischen Untersuchung.

    Noch sind Gewissheit und Deutlichkeit zwei IXStcke, die die Form derselben betreffen, als wesent-liche Forderungen anzusehen, die man an den Ver-fasser, der sich an eine so schlpfrige Unternehmungwagt, mit Recht thun kann.

    Was nun die Gewissheit betrifft, so habe ich mirselbst das Urtheil gesprochen: dass es in dieser Arton Betrachtungen auf keine Weise erlaubt sei, zumeinen und dass alles, was darin einer Hypothese 80nur hnlich sieht, verbotene Waare sei, die auch nichtfr den geringsten Preis feil stehen darf, sondernsobald sie entdeckt wird, beschlagen werden muss.Denn das kndigt eine jede Erkenntniss, die a priorifeststehen soll, selbst an: dass sie fr schlechthinnothwendig gehalten werden will, und eine Bestimmungaller reinen Erkenntnisse a priori noch viel mehr, diedas Richtmass, mithin selbst das Beispiel aller apo-diktischen (philosophischen) Gewissheit sein soll. Obich nun das, wozu ich mich anheischig mache, in 40diesem Stcke geleistet habe, das bleibt gnzlich demrthee des Lesers anheimgestellt , weil es dem Ver-

    Kant, Kritik der reinen Vemtmft. 2

  • 18 Vorrede.

    fasser nur geziemt, Grnde vorzulegen, nicht aber berdie Wirlv'ung derselben bei seinen Riclitem zu urtheilen.Damit aber nicht etwas unschuldigerweise an der Schw-

    X chung derselben Ursache sei, so mag es ihm wohl erlaubtsein, diejenigen Stellen, die zu einigem Misstrauen Anlassgeben knnten, ob sie gleich nur den Nebenzweck an-gehen, selbst anzumerken, um den Einfluss, den auch nurdie mindeste Bcdonklichkeit des Lesers in diesem Punkteauf sein rtheil, in Ansehung des Hauptzwecks, haben

    10 mchte, bei Zeiten abzuhalten.Ich kenne keine Untersuchungen, die zur Er-

    grndung des Vermgens, welches -wir Verstand nennen,und zugleich zur Bestimmung der Eegeln und Grenzenseines Gebrauchs, wichtiger wren, als die, welche ichin dem zweiten Hauptstcke der transscendentalen Ana-lytik, unter dem Titel der Deduction der reinenVerstandesbegriffe, angestellt habe; auch habensie mir die meiste, aber, wie ich hoffe, nicht unver-goltene Mhe gekostet. Diese Betrachtung, die etwas

    20 tief angelegt ist, hat aber zwei Seiten. Die eine be-zieht sich auf die Gegenstnde des reinen Verstandes,und soll die objective Gltigkeit seiner Begriffe a prioridarthun und begreiflich machen ; eben darum ist sieauch wesentlich zu meinen Zwecken gehrig. Die an-dere geht darauf aus, den reinen Verstand selbst, nachseiner lglichkeit und den Erkenntnisskrften, auf

    XI denen er selbst beruht, mithin ihn in subjectiver Be-ziehung zu betrachten und, obgleich diese Errterungin Ansehung meines Hauptzwedcs von grosser Wichtig-

    30 keit ist, so gehrt sie doch nicht wesentlich zudemselben; weil die Hauptfrage immer bleibt, was undwie viel kann Verstand und Vernunft, frei von allerErfahrung, erkennen und nicht, wie ist das Ver-mgen zu denken selbst mglich? Da das letzteregleichsam eine Aufsuchung der Ursache zu einer ge-gebenen Wirkung ist, und insofern etwas einer Hypo-these Aehnliches an sich hat, (ob es gleich, wie ichbei anderer. Gelegenheit zeigen werde, sich in derThat nicht so verhlt), so scheint es, als sei hier der

    40 Fall, da ich mir die Erlaubniss nehme, zu meinen,und dem Leser also auch freistehen msse, anders zumeinen. In Betracht dessen muss ich dem Leser mit

  • Vorwde. \9

    der Erinnerung zuvorkommen: dass, im Fall meinesubjective Deduction nicht die ganze Ueberzeugung , dieich erwarte, bei ihm gewirkt hctte, doch die objective,um die es mir hier vornehmlich zu thun ist, ihre ganzeStrke bekomme, wozu allenfalls dasjenige, was Seite 92bis 93 gesagt wird*), allein hinreichend sein kann.

    Was endlich die Deutlichkeit betrifft, so hat derLeser ein Recht, zuerst die discursive (logische)Deutlichkeit, durch Begriffe, dann aber auch XIIeine intuitive (sthetische) Deutlichkeit, durch 10Anschaunngen, d. i. Beispiele oder andere Erlute-rungen in concreto zu fordern. Fr die erste habe ichhinreichend gesorgt. Das betraf das Wesen meinesVorhabens, war aber auch die zufllige Ursache, dassich der zweiten, obzwar nicht so strengen, aber dochbilligen Forderung nicht habe Genge leisten knnen.Ich bin fast bestndig im Fortgange meiner Arbeitunschlssig gewesen, wie ich es hiemit halten sollte.Beispiele und Erluterungen schienen mir immer nthigund flssen daher auch wirklich im ersten Entwrfe an 20ihren Stellen gehrig ein. Ich she aber die Grssemeiner Aufgabe und die Menge der Gegenstnde, wo-mit ich es zu thun haben wrde, gar bald ein und, daich gewahr ward, dass diese ganz allein, im trockenen,bloss scholastischen Vortrage, das Werk schon genugausdehnen wrden, so fand ich es unrathsam, es durchBeispiele und Erluterungen, die nur in populrerAbsicht nothwendig sind, noch mehr anzuschwellen,zumal diese Arbeit keineswegs dem populren Gebraucheangemessen werden knnte und die eigentlichen Kenner 80der Wissenschaft diese Erleichterung nicht so nthighaben, ob sie zwar jederzeit angenehm ist, hier abersogar etwas Zweckwidriges nach sich ziehen konnte.Abt Terrassen sagt zwar: wenn man die Grsse HI'eines Buchs nicht nach der Zahl der Bltter, sondernnach der Zeit misst, die man nthig hat, es zu ver-stehen, so knne man von manchem Buche sagen: dasses viel krzer sein wrde, wenn es nicht e

    a) Nmlich der ersten Ausg.; die beieichnete Stolle selbstist der Uebergang zur transscendentalen Deduction der Kate-gorien" und steht in d. zweit. Ausg. auf S. 124126.

    2*

  • 2% Vorfddo.

    kurz wre. Andererseits aber, wenn man auf dieFasslichkcit eines weitlufigen, dennoch aber in einem*)Princip zusammenhngenden Ganzen speculativer Erkennt-niss seine Absiebt richtet, knnte man mit eben so gutemRechte sagen: manches Buch wre viel deut-licher geworden, wenn es nicht so gar deut-lich htte werden sollen. Denn die Hlfsmittelder Deutlichkeit helfen^) zwar in T heilen, zerstreuenaber fters im Ganzen, indem sie den Leser nicht

    10 schnell genug zur Ueberschauung des Ganzen gelangenlassen und durch alle ihre hellen Farben gleichwohldie Artikulation, oder den Gliederbau des Systems rer-kleben und unkenntlich machen , auf den es doch umber die Einheit und Tchtigkeit desselbtn urthoilen zuknnen, am meisten ankommt.

    Es kann, wie mich dnkt, dem Leser zu nicht ge-ringer Anlockung dienen, seine Bemhung mit der desVerfassers, zu vereinigen, wenn er die Aussicht hat,ein grosses und wichtiges "Werk, nach dem vorgelegten

    XJV Entwrfe, ganz und doch dauerhaft zu vollfhren. Nunist Metaphysik, nach den Begriffen, die wir hier davongeben werden, die einzige aller Wissenschaften, die sicheine solche Vollendung und zwar in kurzer Zeit, und mitnur weniger, aber vereinigter Bemhung, versprechendarf, so dass nichts fr die Nachkommenschaft brigbleibt, als in der didaktischen Manier alles nach ihrenAbsichten einzurichten, ohne darum den Inhalt im min-desten vermehren zu knnen. Denn es ist nichts alsdas Inventarium aller unserer Besitze durch reine

    30 Vernunft, systematisch geordnet. Es kann uns hiernichts entgehen, weil, was Vernunft gnzlich aus sichselbst hervorbringt, sich nicht verstecken kann, sondernselbst durch Vernunft ans Licht gebracht wird, so-bald man nur das gemeinschaftliche Princip desselbenentdeckt hat. Die vollkommene Einheit dieser Art Er-kenntnisse, und zwar aus lauter reinen Begriffen, ohnedass irgend etwas von Erfahrung, oder auch nur be-sondere Anschauung, die zur bestimmten Erfahrungleiten sollte, auf sie einigen Einfluss habsn kann, sie l er-

    a) im" 8t. in inem" t. Kirchmaiiu.b) Oritf. fhUn'' orr. Harteusliii.

  • Vorrcd. 21

    weitem mnd n Teruiehien, macht*) (Mose unbecMngte Voll-stndigkeit nicht allein thimlich, sondern auch nothwendig,Tecum hubita etnoris, quam sit tibi curla supeUex.^) Persius.

    Ein solches System der reinen (spoculativen) Ter- XVnunft hoffeich unter dem Titel: Metaphysik der Natur,selbst zu liefern, welches, bei noch nicht der Hlfteder Weitlufigkeit, dennoch ungleich reicheren Inhalthaben soll, als hier die Kritik, die zuvrderst dieQuellen und Bedingungen ihrer Mglichkeit darlegenmusste, und einen ganz verwachsenen Boden zu reinigen 10und zu ebnen nthig hatte. Hier erwarte ich an meinemLeser die Geduld und Unparteilichkeit eines Richters,dort aber die Willfhrigkeit und den Beistand einesMithelfers; denn, so vollstndig auch alle Principienzu dem System in der Kritik vorgetragen sind, so ge-hrt zur Ausfhrlichkeit des Systems selbst doch noch,dasses auch an keinen abgeleiteten Begriffen mangle,die man a priori nicht in Ueberschlag bringen kann,sondern die nach und nach aufgesucht werden mssen,imgleichen, da dort die ganze Synthesis der Begriffe er- 20schpft wurde, so wird berdem hier gefordert, dass eb^ndasselbe auch in Ansehung der Analysis geschehe,welches alles leicht und mehr Unterhaltung als Arbeit ist.

    Ich habe nur noch einiges in Ansehung des Drucksanzumerken. Da der Anfang desselben etwas versptetwar, so konnte ich nur etwa die Hlfte der Aushnge-bogen zu sehen bekommen, in denen ich zwar einige, den XTTi^jnn aber nicht verwirrende, Druckfehler antreffe, ausserdemjenigen, der S. 379. Zeile 4) von unten vorkommt,da speci fisch anstatt skeptisch ge^^sen werden musa. 80Die Antinomie der reinen Vernunft, von Seite 425 bis461 *), ist so, nach Art einer Tafel , angestellt , dass alleswas zur Thesis gehrt, auf der linken, was aber zurAntithesis gehrt, auf der rechten Seite immer fortluft,welches ich darum so anordnete, damit Satz und Gegen-satz desto leichter miteinander verglichen werden knnte.

    a) Orig. machen" corr. Hartenstein.b) Sieh dich in deiner eigenen Behausung um, und du wirst

    erkennen, wie einfach dein Inventarium ist.c) s. die 2. Bei!a

  • Vorredevn zur zweiten Auflage.*)

    Ob die Bearbeitung der Erkenntnisse, die um Yer-nunftgeschfte gehren, den sicheren Gang einer Wissen-schaft gehe oder nicht, das lsst sich bald aus demErfolg beurtheilen. Wenn sie nach viel gemachtenAnstalten und Zurstungen, sobald es zum Zweckkommt, in Stecken gerth, odei-, um diesen zu erreichen,fters 'vrieder zurckgehen und einen andern Weg ein-schlagen muss; imgleichen wenn es nicht mglich ist,die verschiedenen Mitarbeiter in der Art, wie die ge-

    10 meinschaftliche Absicht verfolgt werden soll, einhelligzu machen; so kann man immer berzeugt sein, dassein solches Studium bei weitem noch nicht den sicherenGang einer Wissenschaft eingeschlagen, sondern einblosses Herumtappen sei, und es ist schon ein Verdienstum die Vernunft, diesen Weg wo mglich ausfindig zumachen, sollte auch manches als vergeblich aufgegebenwerden mssen, was in dem ohne Ueberlegung vorhergenommenen Zwecke enthalten war.

    VIII Dass die Logik diesen sicheren Gang schon von20 den ltesten Zeiten her gegangen sei, lsst sich daraus

    ersehen, dass sie seit dem Aristoteles keinen Schrittrclrwrts hat thun drfen, wenn man ihr nicht etwadie Wegschaffung einiger entbehrlicher Subtilitten,oder deutlichere Bestimmung des Vorgetragenen alsVerbesserungen anrechnen will, welches aber mehr zurEleganz , als zur Sicherheit der Wissenschaft gehrt.Merkwrdig ist noch an ihr, dass sie auch bis jetzt

    a) Vom Jahre 1787.

  • Vorrede zur zweiten Auflage. 28

    Keinen Schritt vorwilrts hat tlmn knnen, und also allemAnsehen nach geschlossen und vollendet zu sein scheintDenn, wenn einige Neuere sie dadurch zu erweiterndachten, dass sie theils psychologische Kapitel vonden verschiedenen Erkenntnisskrften (der Einbildungs-kraft, dem Witze), theils metaphysische ber denUrsprung der Erkenntniss oder der verschiedenen Artder Gewissheit nach Verschiedenheit der Objecto (demIdealismus, Skepticismus u. s. w.) theils anthropo-logische von Vorurtheilen (den Ursachen derselben 10und Gegenmitteln) hineinschoben, so rhrt dieses vonihrer Unkunde der eigenthmlichen Natur dieser Wissen-schaft her. Es ist nicht Vermehrung, sondern Verun-staltung der Wissenschaften, wenn man ihre Grenzen ineinander laufen lsst; die Grenze der Logik aber istdadurch ganz genau bestimmt, dass sie eine Wissenschaftist,

    I

    welche nichts als die formalen Regeln alles Denkens ix(es mag a priori oder empirisch sein, einen Ursprungoder Object haben, welches es wolle, in unserem Gemthezufllige oder natrliche Hindernisse antreffen) ausfhr- 20lieh darlegt und strenge beweist.

    Dass es der Logik so gut gelungen ist, diesen Vor-theil hat sie bloss ihrer Eingeschrnktheit zu verdanken,dadurch sie berechtigt, ja verbunden ist, von allenObjecten der Erkenntniss und ihrem Unterschiede zuabstrahiren, und in ihr also der Verstand es mit nichtsweiter, als sich selbst und seiner Form, zu thunhat. Weit schwerer musste es natrlicher Weise frdie Vernunft sein, den sicheren Weg der Wissenschafteinzuschlagen, wenn sie nicht bloss mit sich selbst, 30sondern auch mit Objecten zu schaffen hat; daher jeneauch als Propdeutik gleichsam nur den Vorhof derWissenschaften ausmacht, und wenn von Kenntnissen dieEede ist, man zwar eine Logik zur Beurtheilung derselbenvoraussetzt, aber die Erwerbung derselben in eigentlichund objectiv so genannten Wissenschaften suchen muss.

    Sofern in diesen nun Vernunft sein soll, so mussdarin etwas a priori erkannt werden, und ihre Erkennt-niss kann auf zweierlei Art auf ihren Gegenstand be-zogen werden, entweder diesen und seinen Begriff 40(der anderweitig gegeben werden muss) bloss zu | be- Xstimmen, oder ihn auch wirklich zu machen..

  • 24 Vorrede

    Die trte ist theoretische, die ndere praktitoheErkenntniss der Vernunft. Von beiden muss derreine Theil, so viel oder so wenig er auch enthaltenmag, nmlich derjenige, darin Vernunft gnzlich a prioriihr Object bestimmt, vorher allein vorgetragen werden,und dasjenige, was aus anderen Quellen kommt, damitnicht vermengt werden; denn es giebt ble Wirthschaft,wenn man blindlings ausgiebt, was einkommt, ohnenachher, wenn jene in Stecken gerth, unterscheiden

    10 zu knnen, welcher Theil der Einnahme den Aufwandtragen knne, und von welchem*) man denselben be-schneiden muss.

    Mathematik und Physik sind die beiden theo-retischen Erkenntnisse der Vernunft, welche ihre Ob-jecto a priori bestimmen sollen, die erstere ganz rein,die zweite wenigstens zum Theil rein, dann aber auch nachMassgabe anderer Eikenntnissquellen als der der Vernunft.

    Die Mathematik ist von den frhesten Zeiten her,wohin die Geschichte der menschlichen Vernunft reiclit,

    20 in dem bewundernswrdigen Volke der Griechen densicheren Weg einer Wissenschaft gegangen. Alleinman darf nicht denken, dass es ihr so leicht geworden,wie der Logik, wo die Vernunft es nur mit sich selbst

    XI zu thun hat, jenen kniglichen Weg zu treffen, | odervielmehr sich selbst zu bahnen; vielmehr glaube ich,dass es lange mit ihr (vornehmlich noch unter denAegyptem) beim Herumtappen geblieben ist, und dieseUmnderung einer Kevolution zuzuschreiben sei, dieder glckliche Einfall eines einzigen IFannes in einem

    30 Versuche zu Stande brachte, von welchem an dioBahn, dio man nehmen musste, nicht mehr zu ver-fehlen war, und der sichere Gang einer Wissenschaftfr alle Zeiten und in unendliche Weiten eingeschlagenund vorgezeichnet war. Die Geschichte dieser Revolutionder Denkart , welche viel wichtiger war , als dio Ent-deckung dos Weges um das berhmte Vorgebirge, unddes Gicldichen, der sie zu Stande brachte, ist unsnicht aufbehalten. Doch beweist die Sa.ij^e, welcheDiogenes der Laertier uns berliefert, der von den

    40 kleinsten, und, nach dem gemeinen Urthcil, gar nicht

    ) Orig. walcber" porr. Erdmaim.

  • iir zweitea Anflftge. 96

    einmal eines Beweises bcnthigteu , Elementen der geo-metrischen Demonstrationen den angeblichen Erfindernennt, dass das Andenken der Vernderung, die durchdie erste Spur der Entdeckung dieses neuen Weges be-wirkt wurde, den Mathematikern usserst wichtig ge-schienen haben msse, und dadurch unvergesslich ge-worden sei. Dem ersten, der den gleichschenkligen*)Triangel demonstrirte (er mag nun Thaies oderwie man will geheissen haben,) dem ging ein Lichtauf; denn er fand, dass | er nicht dem, was er in der xilFigur sah^), oder auch dem blossen Begriffe derselbennachspren und gleichsam davon ihre Eigenschaftenablernen, sondern durch das, was er nach Begriffenselbst a priori hineindachte und darstellte (durch Con-struction), hervorbringen*') msse, und dass er, um sicheretwas a priori zu wissen, der^) Sache nichts beilegenmsse, als was aus dem nothwendig folgte, was erseinem Begriffe gemss selbst in sie gelegt hat.

    Mit der Naturwissenschaft ging es weit langsamerzu, bis sie den Heeresweg der Wissenschaft traf; denn 20es sind nur etwa anderthalb Jahrhunderte, dass derVorschlag des sinnreichen Bacovon Verulam dieseEntdeckung theils veranlasste, theils, da man bereitsauf der Spur derselben war, mehr belebte, welche ebensowohl durch eine schnell vorgegangene Revolution derDenkart erklrt werden kann. Ich will hier nur die

    *) Orig. gleichseitigen"; doch vgl. von Kirchmanns Phil.Bihl. 60. Bd., p. 455 u. 456, Kant' z\reiten Brief an Schta:Wenn Sie eine Recension dieser zweiten Auflag zu ver-anstalten nthig finden, so bitte ich gar sehr, einen mirUnangenehmen Fehler der Abschrift darin bemerken zu lassen,tingelhr auf folgende Art: In der Vorrede S. XI, Z. 3 von untenist ein Schreibfehler anzutreffen, da gleichseitiger Triangelstatt gleichschenklichter (Euclid. Elem. Lib. I. prop. 5) ge-setzt worden."

    b) [Orig. Pahe'l

    c) Orig. ,,sondern durch das darstellte, (durch Con-struetion) hervorliringen' ; Erdmann ergnzt zu hervorbringenseinen Gegenstand allererst" und stellt (w.o.) das Komma um;U., Hartenstein,,.,., (durch Construction) sie hervorbringen'';Adickea ,,sondern das . ..." ergn?;: ihre Eigenschaften

    d) [Orig. er der"]

  • 25 Vorrede

    Naturwissenschcaft, so fern sie auf empirische Piincipiengegrndet ist, in Erwj^ung ziehen.

    Als Galilei seine Kugeln die schiefe FLache miteiner von ihm selbst gewhlten Schwere herabrollen,oder Tor ri colli die Luft ein Gewicht, was er sichzum voraus dem einer ihm bekannten Wassersulegleich gedacht hatte, tragen Hess, oder in noch spterer

    XIII Zeit Stahl Metalle in Kalk und diesen wiederum | inMetall verwandelte, indem er ihnen etwas entzog und

    10 wiedergab*); so ging allen Naturforschern ein Lichtauf. Sie beo;riffen, dass die Vernunft nur das einsieht,was sie selbst nach ihrem Entwrfe hervorbringt, dasssie mit Principion ihrer Urtheile nach bestndigen Ge-setzen vorangehen und die Natur nthigen msse aufihre Fragen zu antworten, nicht aber sich von ihr alleingleichsam am Leitbande gngeln lassen msse ; denn sonsthngen zufllige, nach keinem vorher entworfenenPlane gemachte Beobachtungen gar nicht in einemnothwendigen Gesetze zusammen, welches doch die

    20 Vernunft sucht und bedarf. Die Vernunft muss mitihren Principien, nach denen allein bereinkommendeErscheinungen fr Gesetze gelten knnen, in einerHand, und mit dem Experiment, das sie nach jenenausdachte, in der anderen, an die Natur gehen, zwarum von ihr belehrt zu werden, aber nicht in der Quali-tt eines Schlers, der sich alles vorsagen lsst, was

    der Lehrer will, sondern eines bestallten Richters, derdie Zeugen nthigt, auf die Fragen zu antworten, dieer ihnea vorlegt. Und so hat sogar Physik die so

    30 vortheilhafte Revolution ihrer Denkart lediglich demXIV Einfalle zu verdanken, demjenigen, | was die Vernunft

    selbst in die Natur hineinlegt, gemss, dasjenige in ihrzu suchen (nicht ihr anzudichten), was sie von dieserlernen muss, und wovon sie fr sich selbst nichts wissenwrde. Hicdurch ist die Naturwissenschaft allererst inden sicheren Gang einer Wissenschaft gebracht worden,da sie so viel Jahrhunderte durch nichts weiter als einblosses Herumtappen gewesen w^ar.

    XIII *) Ich folge hier nicht genau dem Faden der Geschichteder Experimontalmethode, deren erste Anfnge auch nicht wohlbehinnt sind.

  • aur z^dtan Auflage. 27

    Der Metaphysik, einer ganz iaolirton speculativenVernunfterkenntniss , die sicli gnzlich ber Erfahrungs-belehrung erhebt, und zwar durch blosse Begriffe (nichtwie Mathematik durch Anwendung derselben auf An-schauung), wo also Vernunft selbst ihr eigener Schlersein soll, ist das Schicksal bisher noch so gnstig nichtgewesen, dass sie den sicheren Gang einer Wissen-schaft einzuschlagen vermocht hctte; ob sie gleichlter ist, als alle brigen, und bleiben wrde, wenngleich die brigen insgesammt in dem Schlnde einer 10alles vertilgenden Barbarei gnzlich verschlungenwerden sollten. Denn in ihr gerth die Vernunft con-tinuirlich in Stecken, selbst wenn sie diejenigen Ge-setze, welche die gemeinste Erfahrung besttigt, (wiesie sich anmasst) a priori einsehen will. In ihr mussman unzhlige Male den Weg zurck thun, weil manfindet, dass er dahin nicht fhrt, wo man hin will,und was die Einhelligkeit ihrer Anhnger in Be-hauptungen betrifft, so ist sie noch so w^eit davon entfernt, XVdass sie vielmehr ein Kampfplatz ist, der ganz eigent- 20lieh dazu bestimmt zu sein scheint, seine Krfte imSpielgefechte zu ben, auf dem noch niemals irgendein Fechter sich auch den kleinsten Platz hat er-kmpfen und auf seinen Sieg einen dauerhaften Besitzgrnden knnen. Es ist also kein Zweifel, dass ihrVerfahren bisher ein blosses Herumtappen, und, wasdas Schlimmste ist, unter blossen Begriffen, gewesen sei.

    Woran liegt es nun, dass hier noch kein sichererWeg der Wissenschaft hat gefunden werden knnen?Ist er etwa unmglich? Woher hat denn die Natur 80unsere Vernunft mit der rastlosen Bestrebung heim-gesucht, ihm als einer ihrer wichtigsten Angelogcnheitonnachzuspren? Noch mehr, wie wenig haben wir Ur-sache, Vertrauen in unsere Vernunft zu setzen, wennsie uns in einem der wichtigsten Stcke unserer Wiss-begierde nicht bloss verlsst, sondern durch Vorspiege-lungen hinhlt und am Ende betrgt! Oder ist erbisher nur verfehlt; welche Anzeige knnen wir benutzen,um bei erneuertem Nachsuchen zu hoffen, dass wirglcldicher sein werden, als andere vor uns gewesen sind ? 40

    Ich sollte meinen, die Beispiele der Mathematikund Naturwissenschaft, die durch eine auf einmal 1 zu XVI

  • 21 Torrtle

    Stande gebrachte Eeroltition das geworden sind, waasie jetzt sind, wren*) merkwrdig genug, um dem wesent-lichen Stcke der Umnderung der Denkart, dieihnen so vortheilhaft geworden ist, nachzusinnen, undihnen, so viel ihre Analogie, als Vernunfterkenntnisse,mit der Metaphysik verstattet, hierin wenigstens zumVersuche nachzuahmen. Bisher nahm man an, alleunsere Erkenntniss msse sich nach den Gegenstndenrichten; aber alle Versuche ber sie a priori etwas

    10 durch Begriffe auszumachen, wodurch unsere Erkennt-niss erweitert wrde, gingen unter dieser Voraus-setzung zu nichte. Man versuche es daher einmal, obwir nicht in den Aufgaben der Metaphysik damit besserfortkommen, dass wir annehmen, die Gegenstnde mssensich nach unserem Erkenntniss richten, welches soschon besser mit der verlangten Mglichkeit einer Er-kenntniss derselben a priori zusararaonstimmt, die berGegenstnde, ehe sie uns gegeben werden, etwas fest-setzen soll. Es ist hiemit ebenso, als mit den") ersten

    20 Gedanken des Kpern ikus bewandt, der, nachdem e*mit der Erklrung der Himmelsbewegungen nicht gutfort wollte, wenn er annahm, das ganze Sternenheerdrehe sich um den Zuschauer, versuchte, ob es nichtbesser geUngen mchte, wenn er den Zuschauer sichdrehen , und dagegen die Sterne in Ruhe Hess. In der

    XVII Metaphysik kann man | nun, was die Anschauung derGegenstnde betrifft, es auf hnliche Weise versuchen.Wenn die Anschauung sich nach der Beschaffenheitder Gegenstnde richten msste, so sehe ich nicht ein,

    30 wie man a priori von ihr etwas wissen knne; richtetsich aber der Gegenstand (als Object der Sinne) nachder Beschaffenheit unseres Anschauungsvermgens, sokann ich mir diese ?>Iglichkcit ganz wohl vorstellen.Weil ich aber bei diesen Anschauungen, wenn sie Er-kenntnisse werden sollen, nicht stehen bleiben kann,sondern sie als Vorstellungen auf irgend etwas alsGegenstand beziehen und diesen durch jene bestimmenmuss, so kann ich entweder annehmen, die Begriffe,wodurch ich diese Bestimmung zu Stande bringe, richten

    a) [Orig. wre"]b) Erdmann ,,dom*

  • aur zweiten Auflage. 29

    ich auch nach dem Gegenstnde, und dann bin ichwiederum in derselben Verlegenheit, wegen der Art,^vie ich a priori hievon etwas wissen knne; oder ichnehme an, die Gegenstnde oder, welches einerlei ist,die Erfahrung, in welcher sie allein (als ge-gebene Gegenstnde) erkannt werden, richte sich nachdiesen Begriffen, so sehe ich sofort eine leichtere Aus-kunft, weil Erfahrung selbst eine Erkenntnissart ist,die Verstand erfordert, dessen Regel ich in mir, nochehe mir Gegenstnde gegeben werden, mithin a priori 10voraussetzen muss, welche in Begriffen a priori aus-gedrckt Avird, nach denen sich also alle Gegenstndeder Erfahrung | nothwendig richten und mit ihnen XVIIIbereinstimmen mssen. Was Gegenstnde betrifft, so-fern sie bloss durch Vernunft und zwar nothwendig ge-dacht, die aber (so wenigstens, wie die Vernunft siedenkt) gar nicht in der Erfahrung gegeben werdenknnen, so werden die Versuche sie zu denken (denndenken mssen sie sich doch lassen,) hernach einenherrlichen Probirstein desjenigen abgeben, was wir als 20die vernderte Methode der Denkangs;irt annehmen,dass wir nmlich von den Dingen nur das a priori er-kennen, was wir selbst in sie legen.*)

    Dieser Versuch gelingt nach Wunsch, und verspricht

    *) Diese dem Naturforscher nacligealirate Methode besteht XVIIJalso darin: die Elemente der reinen Vernunft in dem zu suchen,was sich durch ein Experiment besttigen oderwiderlegen las st. Nun lsst sich zur Prfung der Stzeder reinen Vernunft, vornehmlich wenn sie ber alle Grenzemglicher Erfahrung hinaus gewagt werden, kein Experiment mitihren Objecteu machen (wie in der Naturwissenschaft): alsowird s nur mit Begriffen und Grundstzen, die wir apriori annehmen, thunlich sein, indem man sie nmlich soinrichtet, dass dieselben Oegenstnde einerseits als Gegenstnde der Sinne | und des Verstandes fr die Erfahrunp;, XIXandererseits aber doch als Gegenstnde, die man bloss denkt,allenfalls fr die isolirte und ber Erfahrungsgrenze hinaus-gtrebende Vernunft, mithin von zwei verschiedenen Seiten be-trachtet werden knnen. Findet es sich nun

    ,dass , wenn mau

    die Ding aus jenem doppelten Gesichtspunkte betrachtet, Ein-stimmung mit dem Princip der reinen Vernunft stattfinde, beieinerlei Gesichtspunkt aber ein unvermeidlicher Widerstreitder Vernunft mit sich selbst entspringe, so entscheidet das Ex-peiiinaMt ftlr die Richtigkeit jeuer nterscheidujjg.

  • 30 Vorrede

    der Metaphysik in ihrem ersten Theile, da sie sichnmlich mit Begriffen a priori beschftigt, davon diecorrespondirenden Gegenstnde in der Erfahrung jenen

    XIX angemessen gegeben werden knnen, den j sicheren Gangeiner Wissenschaft. Denn man kann nach dieser Ver-nderung der Denkart die Mglichkeit einer Erkennt-niss a priori ganz wohl erklren, und, was noch mehrist, die Gesetze, welche a priori der Natur, als demInbegriffe der Gegenstnde der Erfahrung, zum Grunde

    10 liegen, mit ihren genugthuendon Beweisen versehen,welches beides nach der bisherigen Verfahrungsart un-mglich war. Aber es ergiebt sich aus dieser Deduc-tion unseres Vermgens a priori zu erkennen, im erstenTheile der Metaphysik ein befremdliches und demganzen Zwecke derselben, der den zweiten Theil be-schftigt, dem Anscheine nach sehr nachtheiliges Ro-sultat, nmlich dass wir mit ihm nie ber die Grenzemglicher Erfahrung hinauskommen knnen, welchesdoch gerade die wesentlichste Angelegenheit dieser

    XX Wissenschaft ist Aber hierin | liegt eben das Experi-ment einer Gegenprobe der Wahrheit des Resultatsjener ersten Wrdigung unserer Vemunfterkenntniss apriori, dass sie nmlich nur auf Erscheinungen gehe.die Sache an sich selbst dagegen zwar als fr sichwirklich, aber von uns unerkannt, liegen lasse. Denndas, was uns nothwendig ber die Grenze der Erfah-rung und aller Erscheinungen hinaus zu gehen treibt,ist das Unbedingte, welches die Vernunft in denDingen an sich selbst nothwendig und mit allem Recht

    30 zu allem Bedingten, und dadurch die Reihe der Be-dingungen als vollendet verlangt. Findet sich nun, wennman annimt, unsere Erfahrungserkenntniss richte sichnach den Gegenstnden als Dingen an sich selbst, dassdas Unbedingte ohne Widerspruch gar nicht ge-dacht werden knne; dagegen, wenn man annimt,unsore Vorstellung der Dinge, wie sie uns gegebenwerden, richte sich nicht nach diesen, als Dingen ansicii selbst, sondern diese Gegenstnde vielmehr, alsErscheinungen, richten sich nach unserer Vorstellungs-

    40 art, der Widerspruch wegfalle; und dass folglichdas Unbedingte nicht an Dingen, sofern wir sie kennen,(sie uns gegeben werden ,) wohl aber an ihnen , so-

  • zur aweiten Auflage. Sl

    fern wir sie nicht keniieu, als Sachen an sich selbst,angetroffen werden msse: so zeigt sich, dass, was wiranfangs nur zum Versuche annahmen, gegrndet | sei.*) XXINun bleibt uns immer noch brig, nachdem der specu-lativen Vernunft alles Fortkommen in diesem Feldedes Uebersinnlichen abgesprochen worden, zu versuchen,ob sich nicht in ihrer praktischen Erkenntniss Datafinden, jenen transscendenten Vernunftbegriff dos Un-bedingten zu bestimmen, und auf solche Weise, demWunsche der Metaphysik gemss, ber die Grenze 10aller mglichen Erfahrung hinaus mit unserem, abernur in praktischer Absicht mglichen Erkenntnisse apriori zu gelangen. Und bei einem solchen Verfahrenhat uns die speculative Vernunft zu solcher Erweiterungimmer doch wenigstens Platz verschafft, wenn sieihn gleich leer lassen musste, und es bleibt uns alsonoch unbenommen, ja wir sind gar dazu durch sie auf-gefordert, ihn durch

    |praktische Data derselben, wenn XXII

    wir knnen, auszufllen.**)

    *) Dieses Experiment der reinen Vernunft hat mit dem der XXIChemiker"), welclies sie manchmal den Versuch der Re-duetion, im Allgemeinen aber das synthetische Ver-fahren nennen, viel Aehnliches. Die Analysis des Meta-physikers schied die reine Erkenntniss a priori in zwei sehrungleichartige Elemente, nmlich die der Dinge als Er-scheinungen, und dann der Dinge an sich selbst. Die Dialektikverbindet beide wiederum zur Einhelligkeit mit der noth-wendigen Vernunftidee des Unbedingten und findet, dassdiese Einhelligkeit niemals anders, als durch jene Unter-scheidung herauskomme, welche also die wahre ist.

    **) So verschafften die Centralgesetze der Bewegung der XXIIHimmelskrper dem, was Kopernikus, anfanglich nur alsHypothese annahm, ausgemachte Gewissheit und bewiesen zu-gleich die unsichtbare, den Weltbau verbindende Kraft (derNewtonischen Anziehung), welche auf immer unentdecktgeblieben wre, wenn der erstere es nicht gewagt htte, aufeine widersinnische, aber doch wahre Art, die beobachtetenBewegungen nicht in den Gegenstnden des Himmels, sondernin ihrem Zuschauer zu suchen. Ich stelle in dieser Vorrededie in der Kritik vorgetragene

    ,

    jener Hypothese analogische,Umnderung der Denkart auch nur als Hypothese auf, ob siegleich in der Abhandlung selbst aus der Beschaffenheit

    ft) [Orig. Chymiker"]

  • SS Vorrede

    In jenem Versuche, das bisherige Vorfahren derMetaphysik umzundern, und dadurch**), dass wir nachdem Beispiele der Geometer und Naturforscher einegnzliche Revolution mit derselben vornehmen, bestehtnun das Geschft dieser Kritik der reinen spekulativenVernunft. Sie ist ein Tractat von der Methode, nichtein System der Wissenschaft selbst; aber sie verzeichnetgleichwohl den ganzen mriss derselben sowohl,*') in

    XXIII Ansehung ihrer Grenzen, als auch | den ganzen inneren10 Gliederbau derselben"). Denn das hat die reine speku-

    lative Vernunft Eigenthmlichcs an sich, dass sie ihrigen Vermgen, nach Verschieueuheit der Art, wiesie sich Objecto zum Denken whlt, ausmessen, undauch selbst die mancherlei Arten , sich AufM'aben vor-zulegen, vollstndig vorzhlen, und so den ganzen Vor-riss zu einem System der Metaphysik verzeichnen kannund soll; weil, was das erste betrifft, in der Erkennt-niss a priori den Objecten nichts beigelegt werdenkann, als was das dunkcnde Suhject aus sich selbst

    20 hernimt , und, was das zweit anlangt, sie in An-sehung der Erkenntnissprincipien eine ganz abgeson-derte, fr sich bestehende Einheit ist, in welcher einjedes Glied, wie in einem organisirten Krper, um alleranderen und alle um eines willen da sind, und keinPrincip mit Sicherheit in einer Beziehung genommenwerden kann, ohne es zugleich in der durch-gngigen Beziehung zum ganzen reinen Vernunft-gebrauch untersucht zu haben. Dafr aber hat auch dieMetaphysik das seltene Glck, welches keiner anderen

    30 Vernunftwissenschaft, die es mit Objecten zu thun hat,(denn die Logik beschftigt sich nur mit der Formdes Denkens berhaupt,) zu Theil werden kann, dasa,

    unserer Vorstellungen von Raum iiud Zeit und den Elemdutsr-begrifFen des Verstandes, nicht hypothetisch, sondern apodiktiichbewieitn wird, um nur die ersten Versuche einer solchen Um-Ituderung, weh he allenjal liypothetisch sind, bemerklich au machen.

    tt) flier scheinen etwa die Wort ihr den icheren Ganginer Wissenschaft zu geben" ausgefallen zu bein, (vjjl. S. 22 Z. 2,S. 27 Z. 7, S. :?0 Z. 4 u. .) Erdmann.

    b) i. d. Orig. steht das Komma vor,

    .sowohl") Erdmann ,,di ganzen inneren Gliodorbau* dei selben."

  • zur zweiten Auflage. t$

    wenn sie durch diese Kritik in den sicheren Gangeiner Wissenschaft gebracht worden, sie das ganzeFeld der fr sie gehrigen Erkenntnisse vllig befassenund also ihr Werk vollenden und fr die Nachwelt, XXIVals einen nie zu vermehrenden Hauptstuhl, zum Ge-brauche niederlegen kann, weil sie es bloss mit Prin-cipien und den Einschrnkungen ihres Gebrauchs zuthun hat, welche durch jene selbst bestimmt werden.Zu dieser Vollstndigkeit ist sie daher, als Grundwissenschaft,auch verbunden, und von ihr muss gesagt werden knnen: 10nil actum reputans, st quid superesset agendum*).

    Aber was ist denn das, wird man fragen, fr einSchatz, den wir der Nachkommenschaft mit einer solchendurch Kritik geluterten, dadurch aber auch in einenbeharrlichen Zustand gebrachten Metaphysik, zu hinter-lassen gedenken? Man wird bei einer flchtigen TJeber-sicht dieses Werks wahrzunehmen glauben, dass derNutzen davon doch nur negativ sei, uns nmlich mitder speculativen Vernunft niemals ber die Erfahrungs-grenze hinaus zu wagen, und das ist auch in der That 20ihr erster Nutzen. Dieser aber wird alsbald po-sitiv, wenn man inne wird, dass die Grundstze, mitdenen sich speculative Vernunft ber ihre Grenzehinauswagt , in der That nicht Erweiterung,sondern, wenn man sie nher betrachtet, Verengungunseres Vemunftgebrauchs zum unausbleiblichen Erfolghaben, indem sie wirklich die Grenzen der Sinnlichkeit,zu der sie eigentlich gehren,

    iber alles zu erweitern XXV

    und so den reinen (praktischen) Vernunftgebrauch garzu verdrngen drohen. Daher ist eine Kritik, welche 30die erstere einschrnkt, sofern zwar negativ, aber,indem sie dadurch zugleich ein Hinderniss, welchesden letzteren Gebrauch einschrnkt oder gar zu ver-nichten droht, aufhebt, in der That von positivemund sehr wichtigem Nutzen, sobald man berzeugt wird,dass es einen schlechterdings nothwendigen praktischenGebrauch der reinen Vemuntt (den moralischen) gebe,in welchem sie sich unvermeidlich ber die Grenzender Sinnlichkeit erweitert, dazu sie zwar von der spe-

    a) Sie hlt noeh nicht ttlr gethan, so laug noch etwas zuthun brig ist.

    Kant, Kritik der reinen Vernunft. w

  • ^ Vorrede

    culativen keiner Beihlfe bedarf, dennoch aber widerihre Gegenwirkung gesichert sein muss, um nicht inWiderspruch mit sich selbst zu gerathen. DiesemDienste der Kritik den positiven Nutzen abzusprechen,wre eben so viel, als sagen, dass Polizei keinen posi-tiven Nutzen schaffe, weil ihr Hauptgeschft doch nurist, der Gewaltthtigkeit, welche Brger von Brgernzu besorgen haben, einen Riegel vorzuschieben, damitein jeder seine Angelegenheit ruhig und sicher treiben

    10 knne. Dass Raum und Zeit nur Formen der sinn-lichen Anschauung, also nur Bedingungen der Existenzder Dinge als Erscheinungen sind, dass wir ferner keineVerstandesbegriffe, mithin auch gar keine Elemente zur

    XXVI Erkenntniss der Dinge haben, als sofern | diesen Be-griffen correspondirende Anschauung gegeben werdenkann, folglich wir von keinem Gegenstande als Dingean sich selbst, sondern nur sofern er*) Object der sinn-lichen Anschauung ist, d. i. als Erscheinung, Erkennt-niss haben knnen, wird im analytischen Theile der

    20 Kritik bewiesen; woraus denn freilich die Einschrnkungaller nur mglichen speculativen Erkenntniss der Ver-nunft auf blosse Gegenstnde der Erfahrung folgtGleichwohl wird, welches wohl gemerkt werden muss,doch dabei immer vorbehalten, dass wir eben dieselbenGegenstnde auch als Dinge an sich selbst, wenn gleichnicht erkennen, doch wenigstens mssen denkenknnen*). Denn sonst wrde der ungereimte Satz

    XXVII daraus folgen, dass Erscheinung | ohne etwas wre, was

    *) Einen Gegenstand erkennen, dazu wird erfordert, dassich seine Mglichkeit (es sei nach dem Zeugniss der Er-fahrung aus seiner Wirklichkeit, oder a priori durch Vernunft)beweisen knne. Aber denken kann ich, was ich will, wennich mir nur nicht selbst widerspreche, d. i. wenn mein Begriflfnur ein mglicher Gedanke ist, ob ich zwar dafr nicht stehenkann, ob im Inbegriffe aller Mglichkeiten diesem auch einObject corrospondire oder nicht. Um einem solchen Begriffeaber objective Gltigkeit (reale Mglichkeit, denn die ersterewar bloss die logische) beizulegen, dazu wird etwas mehr er-fordert. Diesps Melirore aber braucht eben nicht in theorotischen Erkenntuissquellen gesucht zu werden, es kuuu auch inpraktisclien liegen.

    a) Orig. os" corr. Erdmann.

  • sur zweiten Auflage. SS

    da erscheint. Nun wollen wir annehmen, die durchunsere Kritik nothwendig gemachte Unterscheidung derDinge als Gegenstande der Erfahrung, von eben den-selben als Dingen an sich selbst, wre gar nicht ge-macht, so msste der Grundsatz der Causalitt undmithin der Naturraechanismus in Bestimmung derselbendurchaus von allen Dingen berhaupt als wirkendenUrsachen gelten. Von eben demselben Wesen also,z. B. der menschlichen Seele, wrde ich nicht sagenknnen, ihr Wille sei frei, und er sei doch zugleich 10der Naturnothwendigkeit unterworfen, d. 1. nicht frei,ohne in einen offenbaren Widerspruch zu gerathen;weil ich die Seele in beiden Stzen in eben der-selben Bedeutung, nmlich als Ding berhaupt (alsSache an sich selbst) genommen habe, und, ohne vor-hergehende Kritik, auch nicht anders nehmen konnte.Wenn aber die Kritik nicht geirrt hat, da sie das Ob-ject in zweierlei Bedeutung nehmen lehrt, nm-lich als Erscheinung, oder als Ding an sich selbst;wenn die Deduction ihrer Verstandesbegriffe richtig ist, 20mithin auch der Grundsatz der Causalitt nur aufDinge im ersten Sinne genommen, nmlich sofern sieGegenstnde der Erfahrung sind, geht, eben dieselbenaber nach der zweiten Bedeutung ihm nicht unterworfensind, so wird eben derselbe Wille in der | Erscheinung XXVIII(den sichtbaren Handlungen) als dem Naturgesetzenothwendig gemss und sofern nicht frei, und dochandererseits, als einem Dinge an sich selbst angehrig,jenem nicht unterworfen, mithin als frei gedacht, ohnedass hiebei ein Widerspruch vorgeht. Ob ich nun 80gleich meine Seele, von der letzteren Seite betrachtet,durch keine speculative Vernunft (noch weniger durchempirische Beobachtung,) mithin auch nicht die Frei-heit als Eigenschaft eines Wesens, dem ich Wirkungenin der Sinnenwelt zuschreibe, erkennen kann, darumweil ich ein solches seiner Existenz nach, und dochnicht in der Zeit, bestimmt erkennen msste, (welches,weil ich meinem Begriffe keine Anschauung unterlegenkann, unmglich ist,) so kann ich mir doch die Frei-heit denken, d. i. die Vorstellung davon enthlt wenig- 40stens keinen Widerspruch in sich, wenn unsere kri-tische Unterscheidung beider (der sinnlichen und intellec-

    8*

  • 86 Vorrd

    tuellen) VorstoUungsartcn und die davon herrhrendeEinschniulamg der reinen Verstandesbegriffe, mithinauch der aus ihnen fiiessenden Grundsatze, statt hatGesetzt nun, die Moral setze nothwendig Freiheit (imstrengsten Sinne) als Eigenschaft unseres Willens vor-aus, indem sie praktische in unserer Vernunft liegendeursprngliche Gnmdstze als Data derselben a priori

    XXIX anfuhrt, die ohne Voraussetzung der Freiheit | schlechter-dings unmglich wren, die speculative Vernunft aber

    10 htte bewiesen, dass diese sich gar nicht denken lasse,80 muss nothwendig jene Voraussetzung, nmlich diemoralische, derjenigen weichen, deren Gegentheil einenoffenbaren Widerspruch enthalt, folglich Freiheit undmit ihr Sittlichkeit (denn deren Gegentheil enthltkeinen Widerspruch, wenn nicht schon Freiheit voraus-gesetzt wird,) dem Natur mechanismus den Platzeinrumen. So aber, da ich zur Moral nichts weiterbrauche, als dass Freiheit sich nur nicht selbst wider-spreche, und sich also doch wenigstens denken lasse,

    20 ohne nthig zu haben, sie weiter einzusehen, dass siealso dem Xaturmechauismus eben derselben Handlung(in anderer Beziehung genommen) gar kein Hindernissin den Weg lege: so behauptet die Lehre vou^) der Sitt-lichkeit ihren Platz, und die Naturlehre auch den ihrigen,welches aber nicht stattgefunden htte, wenn nichtKritik uns zuvor von unserer unvermeidlichen Unwissen-heit in Ansehung der Dinge an sich selbst belehrt,und alles, was wir theoretisch erkennen knnen, aufblosse Erscheinungen eingeschrnkt htte. Eben diese

    80 Errterung des positiven Nutzens kritischer Grundstzeder reinen Vernunft, lsst sich in Ansehung des Begriffsvon Gott und der einfachen Natur unserer Seeley.eigen

    , die ich aber der Krze halber vorbeigehe. IchXXX kann also | Gott, Freiheit und Unsterblichkeit

    zum Behuf des nothwendigen praktischen Gebrauchsmeiner Vernunft nicht einmal annehmen, wenn ichnicht der speculativen Vernunft zugleich ihre An-massung berschwenglicher Einsichten benehme,weil sie sich, um zu diesen zu gelangen, solcher Grund-

    40 Btze bedieuu mus>s, die, indem sie in der That blois

    ) [vou" tLU i d. Orig.J

  • iLT aiToiten Auflajt. 17

    auf Gc^^enstTide iriglicher Erfahrung reichen, wennsie gleichwohl auf das angewandt werden, was nichtin Gegenstand der Erfahrung sein kann, wirklich diesesjederzeit in Erscheinung verwandeln, und so alle prak-tische Erweiterung der reinen Vernunft frunmglich erklren. Ich musste also das Wissen auf-heben, um zum Glauben Platz zu bekommen, und*) derDogmatismus der Metaphysik, d.i. das Vorurtheil, inihr ohne Kritik der reinen Vernunft fortzukommen, istdie wahre Quelle alles der Moralitt widerstreitenden 10Unglaubens, der jederzeit gar sehr dogmatisch ist. Wenn es also mit einer nach Massgabe der Kritik derreinen Vernunft abgefassten systematischen Metaphysikeben nicht schwer sein kann,, der Nachkommenschaftein Vermchtniss zu hinterlassen, so ist dies kein frgering zu achtendes Geschenk; man mag nun blossauf die Kultur der Vernunft durch den sicheren Gangeiner Wissenschaft berhaupt, in Vergleichung mit demgrundlosen Tappen und leichtsinnigen

    iHerumstreifen XXXI

    derselben ohne Kritik sehen, oder auch auf bessere 20Zeitanwendung einer wissbegierigen Jugend, die beimgewhnlichen Dogmatismus so frhe und so viel Auf-munterung bekommt, ber Dinge, davon sie nichts ver-steht, und darin sie, so wie niemand in der Welt,auch nie etwas einsehen wird, bequem zu yerntinfteln,oder gar auf Erfindung neuer Gedanken und Meinungenauszugehen, und so die Erlernung grndlicher Wissen-schaften zu verabsumen; am meisten aber, wenn manden unschtzbaren Vortheil in Anschlag bringt, allenEinwrfen wider Sittlichkeit und Eeligion auf sokra- 30tische Art, nmlich durch den klarsten Beweis derUnwissenheit der Gegner, auf alle L^nftige Zeit einEnde zu machen. Denn irgend eine Metaphysik istimmer in der Welt gewesen, und wird auch wohl ferner,mit ihr aber auch eine Dialektik der reinen Vernunft,weil sie ihr natrlich ist, darin anzutreffen sein. Es istalso die erste und wichtigste Angelegenheit der Philo-sophie, einm.al fr allemal ihr dadurch, dass man dieQuelle der Irrthmer verstopft, allen nachtheiligen Ein-fluss zu benehmen. 40

    a) Es soll statt und" wobl denn" ll^^ssen. Erdtnana.

  • 38 Vorrede

    Bbi dieser wiciitigen Vernderung im Felde derWi'^senschaften , und dem Verluste, den speculativeVernunft an ihrem bisher eingebildeten Besitze erleiden

    XXXII inu.ss, bleibt dennoch alles mit der allgemeinen | mensch-lichen Angelegenheit, und dem Nutzen, den die Weltbisher aus den Lehren der reinen Vernunft zog, indemselben vortheilhaften Zustande, als es jemalen war,und der Verlust trifft nur das Monopol der Schulen,keineswegs aber das Interesse der Menschen. Ich

    10 frage den unbiegsamsten Dogmatiker, ob der Beweisvon der Fortdauer unserer Seele nach dem Tode ausder Einfachheit der Substanz, ob der von der Freiheitdes "Willens gegen den allgemeinen Mechanismus durchdie subtilen, obzwar. ohnmchtigen Unterscheidungensubjectiver und objectiver praktischer Nothwendigkeit,oder ob der vom Dasein Gottes aus dem Begriffe einesallerrealsten Wesens, (der Zuflligkeit des Vernder-lichen, und der Nothwendigkeit eines ersten Bewegers,)nachdem sie von den Schulen ausgingen, jemals haben

    20 bis zum Publikum gelangen und auf dessen Ueberzeu-gung den mindesten Einfluss haben knnen? Ist diesesnun nicht geschehen, und kann es auch, wegen derUntauglichkeit des gemeinen Menschenverstandes zu sosubtiler Speculation, niemals erwartet werden; hat viel-mehr, was das erstere betrifft, die jedem Menschenbemerkliche Anlage seiner Natur, durch das Zeitliche(als zu den Anlagen seiner ganzen Bestimmung unzu-lnglich) nie zufrieden gestellt werden zu knnen, dieHoffnung eines knftigen Lebens, in Ansehung des

    XXXIII zweiten die blosse | klare Darstellung der Pflichten imGegensatze aller Ansprche der Neigungen das Bewusst-sein der Freiheit, und endlich, was das dritte an-langt, die herrliche Ordnung, Schnheit und Frsorge,die allerwrts in der Natur hervorblickt, allein denGlauben an einen weisen und grossen Welturheber,die sich aufs Publikum verbreitende Ueberzeugung, so-fern sie auf Vornunftgrunden beruht, ganz allein be-wirken mssen: so bleibt ja nicht allein dieser Besitzungestrt, sondern er gewinnt vielmehr dadurch noch

    40 an Ansehen, dass die Schulen nunmehr belehrt wer-den, sich keine hhere und ausgebreitetere Einsicht ineinem Punkte anzumassen, der die allgemeine mensch-

  • zur zweiten Auflage. 89

    liebe Angelegenheit betrifft, als diejenige ist, zu derdie grosse (fr uns acbtungswrdigste) Menge aucheben so leicht gelangen kann, und sich also auf dieKultur dieser allgemein fasslichen und in moralischerAbsicht hinreichenden Beweisgrnde allein einzuschrn-iven. Die Vernderung betrifft also bloss die arrogan-ten Ansprche der Schulen, die sich gerne hierin (wiesonst mit Kecht in vielen anderen Stcken) fr diealleinigen Kenner und Aufbewahrer solcher Wahrheitenmchten halten lassen, von denen sie dem Publikum 10nur den Gebrauch mittheilen, den Schlssel derselbenaber fr sich behalten (quod mecum nescit, solus vultscire videri). Gleichwohl ist doch auch fr einenbilligeren Anspruch des speculativen Philosophen ge- XXKIVsargt. Er bleibt immer ausschliesslich Depositr einerdem Publikum ohne dessen Wissen ntzlichen Wissen-schaft, nmlich der Kritik der Vernunft; denn die kannniemals populr werden, hat aber auch nicht nthig,es zu sein; weil, so wenig dem Volke die fein gespon-nenen Argumente fr ntzliche Wahrheiten in den Kopf 20wollen, eben so wenig kommen ihm auch die eben sosubtilen Einwrfe dagegen jemals in den Sinn; dagegen,weil die Schule, so wie jeder sich zur Speculation er-hebende Mensch, unvermeidlich in beide gerth, jenedazu verbunden ist, durch grndliche Untersuchung derRechte der speculativen Vernunft einmal fr allemaldem Scandal vorzubeugen, das ber kurz oder langselbst dem Volke aus den Streitigkeiten aufstossen muss,in welche sich Metaphysiker (und als solche endlichauch wohl Geistliche) ohne Kritik unausbleiblich ver- 30wickeln, und die selbst nachher ihre Lehren verflsclien.Durch diese kann nun allein dem Materialismus, Fa-talismus, Atheismus, dem freigeisterischen Un-glauben, derSchwrmerei und dem*) Aberglauben,die allgemein schdlich werden knnen, zuletzt auchdem Idealismus und Skepticismus, die mehr denSchulen gefhrlich sind und schwerlich ins Publikumbergehen knnen, selbst die Wurzel abgeschnittenwerden. Wenn Regierungen | sich ja mit Angelegen- XXXVheiten der Gelehrten zu befassen gut finden, so wrde 40

    [dorn'* fehlt i. d. Orig.]

  • 40 Vorrcd

    es ihror weisen Frsorg-e fr Wissenschaften sowohlals Menschen weit gemsser sein, die Freiheit einersolchen Kritik zu begnstigen, wodurch die Vernunft-bearbeitungen allein auf einen festen Fuss gebrachtwerden knnen , als den lcherlichen Despotismus derSchulen zu untersttzen, welche ber ffentliche Gefahrein lautes Geschrei erheben, wenn man ihre Spinne-weben zcrreisst, von denen doch das Publikum niemalsNotiz genommen hat, und deren Verlust es also auch nie

    10 fhlen kann.Die Kritik ist nicht dem dogmatischen Verfah-

    ren der Vernunft in ihrem reinen Erkenntniss als Wissen-schaft entgegengesetzt, (denn diese mnss jederzeit dog-matisch, d. i. aus sicheren Principien a priori strengebeweisend sein), sondern dem Dogmatismus d. i,der Anmassung, mit einer reinen Erkenntniss aus Be-griffen (der philosophischen), nach Principien, so wiesie die Vernunft lngst im Gebrauche hat, ohne Erkun-digung der Art und des Rechts, wodurch =') sie dazu ge-

    20 langt ist, allein fortzukommen. Dogmatismus ist alsodas dogmatische Verfahren der reinen Vernunft, ohnevorangehende Kritik ihres eigenen Vermgens.Diese Entgegensetzung soll daher nicht der geschwtzi-gen Seichtigkeit, unter dem angemasston Namen der