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NomosLehrbuch

Grundlagen des Rechts

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3. Auflage

Krüper [Hrsg.]

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ISBN 978-3-8487-2870-1

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Nomos

NomosLehrbuch

Grundlagen des Rechts3. Auflage

Prof. Dr. Julian Krüper [Hrsg.]

Prof. Dr. Susanne Augenhofer, LL.M., Humboldt-Universität Berlin | Prof. Dr. Andreas Funke, Universität Erlangen-Nürnberg | Prof. Dr. Katrin Gierhake, Universität Regensburg | Prof. Dr. Julian Krüper, Universität Bochum | Prof. Dr. Michael Lindemann, Universität Bielefeld | Prof. Dr. Bettina Noltenius, Universität Bochum | Prof. Dr. Mehrdad Payandeh, LL.M., Bucerius Law School, Hamburg | Prof. Dr. Giesela Rühl, LL.M., Universität Jena | Dr. Sebastian Roßner, M.A., Univer sität Düsseldorf | Prof. Dr. Heiko Sauer, Universität Bonn | Reg.-Dir. Dr. Stephan Schuster-Oppenheim, Düsseldorf | Ass. Prof. Dr. Peter Stegmaier, Universiteit Twente | Prof. Dr. Dr. Markus Thiel, Fachhoch-schule für öffentliche Verwaltung NRW, Köln

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3. Auflage 2017© Nomos Verlagsgesellschaft, Baden-Baden 2017. Gedruckt in Deutschland. Alle Rechte, auch die des Nachdrucks von Auszügen, der fotomechanischen Wiedergabe und der Übersetzung, vorbehalten.

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

ISBN 978-3-8487-2870-1 (Print)ISBN 978-3-8452-7270-2 (ePDF)

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Vorwort zur 3. Auflage

Grundlagen der Rechtswissenschaft haben Konjunktur. Als die erste Auflage dieses Bu-ches vor gut fünf Jahren erschien, deutete sich die Renaissance des Grundlagendiskur-ses in der Rechtswissenschaft erst an. Seither hat die Diskussion um den Stellenwertvon Grundlagen in der juristischen Ausbildung, nicht zuletzt durch das Wissenschafts-ratspapier von 2012 zu den „Perspektiven der Rechtswissenschaft in Deutschland“,Aufwind erfahren. Auch die positive Resonanz, die Herausgeber und Autoren von Stu-dierenden wie Kolleginnen und Kollegen auf die Vorauflagen dieses Buches erfahrenhaben, bestätigt dies. Dem Ziel einer Aufwertung der Grundlagenfächer im Jurastudi-um fühlt sich auch die dritte Auflage dieses Gemeinschaftswerkes verpflichtet, dem wireine wohlwollende Aufnahme wünschen. Über Anregungen, Kritik und Lob freuensich die Kolleginnen und Kollegen Autoren und der Herausgeber gleichermaßen. Alldies kann gerichtet werden an [email protected].

Bochum, Juni 2016 Julian Krüper

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Inhaltsübersicht

Vorwort zur 3. Auflage 5

Für wen dieses Buch geschrieben ist, wie und warumTeil 1

Theoretische GrundlagenfächerTeil 2

Rechtsphilosophie§ 1 21Katrin Gierhake

Rechtstheorie§ 2 45Andreas Funke

Recht und Normativität aus soziologischer Perspektive§ 3 67Peter Stegmaier

Geistesgeschichtlich-historische GrundlagenfächerTeil 3

Allgemeine Staatslehre§ 4 91Mehrdad Payandeh

Annäherung an die Rechtsgeschichte§ 5 108Bettina Noltenius, Sebastian Roßner, Stephan Schuster

Verfassungsgeschichte§ 6 112Sebastian Roßner

Privatrechtsgeschichte§ 7 135Stephan Schuster-Oppenheim

Deutsche Strafrechtsgeschichte§ 8 156Bettina Noltenius

Methodische GrundlagenfächerTeil 4

Juristische Methodenlehre§ 9 176Heiko Sauer

Rechtsvergleichung§ 10 197Susanne Augenhofer

Ökonomische Analyse des Rechts§ 11 223Giesela Rühl

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Neuere GrundlagenfächerTeil 5

Recht und Sprache§ 12 244Markus Thiel

Recht und Neurowissenschaften§ 13 260Michael Lindemann

Kulturwissenschaftliche Analyse des Rechts§ 14 276Julian Krüper

Stichwortverzeichnis 295

Inhaltsübersicht

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Inhalt

Vorwort zur 3. Auflage 5

Für wen dieses Buch geschrieben ist, wie und warumTeil 1AdressatenkreisI. 17Wie die Beiträge geschrieben sindII. 17Warum Grundlagenfächer sich immer mehr lohnenIII. 19

Theoretische GrundlagenfächerTeil 2Rechtsphilosophie§ 1 21

EinführungA. 21Rechtsphilosophische GrundströmungenB. 22

Das gute Leben in der Polis (Aristoteles, 387–322 v. Ch.)I. 22Recht aus dem Willen Gottes (Thomas von Aquin, 1224–1274)II. 25Recht als Mittel der Friedenssicherung (Thomas Hobbes, 1588–1679)III. 27Nutzenmaximierung und Recht – der Utilitarismus(Jeremy Bentham, 1748‑1832 und John Stuart Mill, 1806–1873)

IV.30

Rechtslehre aus Freiheit (Immanuel Kant, 1724–1804)V. 31Rechtssystem als Reich der verwirklichten Freiheit(Georg Wilhelm Friedrich Hegel, 1770–1831)

VI.34

Moderne Theorie der Gerechtigkeit (John Rawls, 1921–2002)VII. 37Aktuelle Fragen der RechtsphilosophieC. 39

Wiederholungs- und Vertiefungsfragen 41

Rechtstheorie§ 2 45EinleitungA. 45

Zum Begriff der RechtstheorieI. 45Geschichtliche EntwicklungII. 46

Frühphase1. 47Reife Phase2. 48Konsolidierung3. 49

Begriff und Geltung des Rechts als die Grundfragen der RechtstheorieB. 50Das Kernproblem der Rechtstheorie: rechtliche Normativität erklärenI. 50Zwei LösungenII. 51

Hans Kelsen1. 51H. L. A. Hart2. 53Fazit3. 54

Recht und Moral: Das MauerschützenproblemIII. 54VertiefungC. 56

Theorie der RechteI. 56Der Stufenbau der RechtsordnungII. 58

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Normentheorie: Die Unterscheidung von Regeln und PrinzipienIII. 60Rechtstheorie als Rechtsphilosophie?IV. 61Wiederholungs- und Vertiefungsfragen 64

Recht und Normativität aus soziologischer Perspektive§ 3 67Einführung: Der soziale Wandel des RechtsA. 67Grundlagen: Recht und Normativität als Gegenstand der SoziologieB. 68

Wie Soziologie dazu ansetzt, Phänomene der sozialen Welt zu rekonstruierenI. 69Normativität und RechtII. 72Relationen zwischen Soziologie und JurisprudenzIII. 73

Vertiefung: Recht und NormativitätC. 78Die gesellschaftliche Konstruktion von NormativitätI. 78Technik/Wissenschaft, Regieren/Governance – Belastungstests fürs RechtII. 83Für eine neugierige Soziologie des NormativenIII. 86Wiederholungs- und Vertiefungsfragen 89

Geistesgeschichtlich-historische GrundlagenfächerTeil 3Allgemeine Staatslehre§ 4 91

Einleitung: Was heißt und zu welchem Ende studiert man AllgemeineStaatslehre?

A.91

Das Phänomen der StaatlichkeitI. 91Allgemeine Staatslehre als rechtswissenschaftliche DisziplinII. 91Das Erkenntnisinteresse der Allgemeinen StaatslehreIII. 93

Hauptteil: Grundfragen der Allgemeinen StaatslehreB. 93Entstehung und Entwicklung des modernen StaatesI. 94Begriff und Wesen des StaatesII. 95

Die Erforderlichkeit einer Definition des Staates1. 95Die Drei-Elemente-Lehre2. 96

Das Staatsvolka) 96Das Staatsgebietb) 97Die Staatsgewaltc) 97Insbesondere: Staatsgewalt und Souveränitätd) 98

Theorien vom Staat – am Beispiel des Richtungsstreits der WeimarerStaatslehre

3.99

Rechtfertigung des Staates und StaatszweckeIII. 100Modelle der Rechtfertigung des Staates1. 100Zwecke und Aufgaben des Staates2. 102

Staatsformen und RegierungsformenIV. 102Ausblick: Staatslehre im Zeitalter der Europäisierung und GlobalisierungC. 104

Internationalisierung und EuropäisierungI. 104Übertragung staatstheoretischer Konzepte auf die überstaatliche Ebene?II. 105Auswirkungen auf das Konzept der StaatlichkeitIII. 105Wiederholungs- und Vertiefungsfragen 106

Inhalt

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Annäherung an die Rechtsgeschichte§ 5 108Rechtsgeschichte als Bestandteil des Studiums der RechtswissenschaftA. 108Aufgabe und Methode der RechtsgeschichteB. 108Rechtsgeschichte im europäischen KontextC. 110

Verfassungsgeschichte§ 6 112Verfassungsgeschichte als ThemaA. 112Überblick der Verfassungsgeschichte in Europa und NordamerikaB. 113

Entstehung des verfassungsfähigen Staates: Säkularität und SouveränitätI. 113Investiturstreit1. 113Reformation2. 114Eine neue Idee vom Staat: Das Souveränitätsdenken3. 115Westfälischer Frieden4. 115Die Großen Revolutionen5. 116

Amerikanische Revolutiona) 116Französische Revolutionb) 116

Volkssouveränität, Demokratie und ParlamentII. 117Evolution der politischen Praxis: Das Parlament in England1. 118

Magna Chartaa) 118Bill of Rightsb) 118

Eine revolutionäre Lösung des Legitimationsproblems: Die Idee derVolkssouveränität

2.119

Amerikanische Revolution3. 120Stamp Act Congressa) 120Unabhängigkeitserklärungb) 120

Französische Revolution4. 121Persönliche Freiheit, Rechtsstaatlichkeit und GewaltenteilungIII. 122

Die Entwicklung in England1. 123Magna Chartaa) 123Habeas Corpus Akteb) 123Bill of Rightsc) 123

Sicherheit durch Binnendifferenzierung des Staates: Gewaltenteilung2. 123Amerikanische Revolution3. 124

Virginia Declaration of Rightsa) 124Unabhängigkeitserklärungb) 124Bill of Rights (USA)c) 125

Französische Revolution4. 125Erklärung der Menschen- und Bürgerrechte 1789a) 125Erklärung der Menschen- und Bürgerrechte 1793b) 125

Der Weg in die verfassungsgeschichtliche GegenwartC. 126Entwicklung in Deutschland bis 1949I. 126

Reaktion und Frühkonstitutionalismus: Eine verfassungsgeschichtlicheÜbergangszeit

1.126

Verfassung des Deutschen Reichs von 18492. 126Entwicklung bis Weimar3. 127Weimarer Reichsverfassung4. 128Nationalsozialismus5. 129Nachkriegszeit: Entstehen neuer Ordnungen6. 130

Inhalt

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Das GrundgesetzII. 131Verfassung für EuropaIII. 132Wiederholungs- und Vertiefungsfragen 133

Privatrechtsgeschichte§ 7 135EinleitungA. 135Die historischen Wurzeln des deutschen PrivatrechtsB. 136

Das älteste Privatrecht der GermanenI. 136Die germanischen Stammesrechte des Frühen Mittelalters (5.–9. Jhdt.)II. 137Das universelle Recht der römischen KircheIII. 138Die Wiederbelebung des römischen Rechts (12./13. Jhdt.)IV. 139

Die Wiederentdeckung der Digesten1. 139Die wissenschaftliche Durchdringung des römisch-kanonischen Rechts2. 140Die dogmatischen Leistungen der Glossatoren und Kommentatoren3. 141

Die Aufzeichnung des germanisch-deutschen Gewohnheitsrechts imMittelalter

V.142

Die Rezeption des römisch-kanonischen Rechts in Deutschland (14.–16. Jhdt.)VI. 143Nach der Rezeption: Das Privatrecht in der frühen Neuzeit (16.–18. Jhdt.)VII. 144

Die Verwissenschaftlichung des Privatrechts und der Rechtspflege im16. Jhdt.

1.144

Der „Usus modernus pandectarum“ (17./18. Jhdt.)2. 145Eine neue Zeit: Vernunftrecht und erste Kodifikationen (17./18. Jhdt.)3. 146

Vom Naturrecht zum Vernunftrechta) 146Die Vernunftrechtskodifikationenb) 147

Entstehung, historische Entwicklung und Zukunft des bürgerlichen PrivatrechtsC. 148Die Entstehung des bürgerlichen Privatrechts (19. Jhdt.)I. 148

Der Kodifikationsstreit1. 148Historische Rechtsschule und Pandektenwissenschaft2. 148Die Kodifikation des Privatrechts in Deutschland3. 149

Die Bewährungsprobe des bürgerlichen Privatrechts (20. Jhdt.)II. 150Der Praxistest1. 150Das Privatrecht in der Zeit des Nationalsozialismus2. 150Die Zeit nach 19453. 150

Die Zukunft des Privatrechts im europäischen Kontext (21. Jhdt.)III. 151Wiederholungs- und Vertiefungsfragen 153

Deutsche Strafrechtsgeschichte§ 8 156EinleitungA. 156Überblick über die Entwicklungen der Strafrechtspflege und ihrer Wissenschaftin Deutschland

B.157

Frühes Mittelalter bis zur RezeptionI. 158Die Rezeption und das gemeine RechtII. 160

„Constitutio Criminalis Bambergensis“ und die „Constitutio CriminalisCarolina“

1.160

Strafrecht im Absolutismus2. 161Carpzov als „Begründer einer deutschen Rechtswissenschaft“3. 162

Die AufklärungIII. 162

Inhalt

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Die Bedeutung des Natur- und Vernunftrechtdenkens für die Bestimmungdes Strafrechts

1.162

Entwicklungen des Strafrechts in Preußen bis zum Reichsstrafgesetzbuchvon 1871

2.165

Entwicklungen im Strafprozessrecht3. 167Der PositivismusIV. 167Strafrecht im NationalsozialismusV. 169Strafrecht in der Deutschen Demokratischen RepublikVI. 171Strafrecht der Bundesrepublik DeutschlandVII. 171ZusammenfassungVIII. 172

Die Europäisierung des StrafrechtsC. 173Wiederholungs- und Vertiefungsfragen 174

Methodische GrundlagenfächerTeil 4Juristische Methodenlehre§ 9 176

EinführungA. 176Wesen und Aufgabe der juristischen MethodenlehreI. 176Standort und Stellenwert der juristischen MethodenlehreII. 177

GrundlagenB. 178Was kann die juristische Methodenlehre leisten?I. 178

Der schwierige Weg zum Recht1. 178Der schwierige Weg zur Methodik2. 180Folgerungen für die Leistungsfähigkeit der juristischen Methodenlehre3. 180

Woher kommen die methodischen Standards?II. 181Die Bedeutung von Hermeneutik und Sprachwissenschaft1. 181Der Savigny’sche Kanon der Auslegungsmethoden2. 183Die verfassungsrechtliche Relevanz des Savigny’schen Auslegungskanons3. 183Der rechtliche Rahmen der Methodenlehre: Methode und Verfassung4. 184

VertiefungC. 185Methodische Standards der NormauslegungI. 185

Rahmensetzung durch Wortsinn: die grammatische Auslegung1. 185Zwischen Kontextualisierung und Einheitspostulat: die systematischeAuslegung

2.186

Geschichte und Genese: die historische und die genetische Auslegung3. 187Zwecksetzung des Gesetzgebers: die teleologische Auslegung4. 187

Die Grundsatzkontroverse: objektive oder subjektiveZweckbestimmung?

a)187

Die Ermittlung der gesetzgeberischen Zwecksetzungb) 189Höherrangiges Recht und Norminterpretation: die Konformauslegung5. 189Zur Rangfolge der Auslegungsmittel6. 190

Methodische Standards der RechtsfortbildungII. 191Problemstellung: Bedürfnis und Befugnis zur richterlichenRechtsfortbildung

1.191

Gesetzeskorrekturen2. 191Gesetzesergänzungen3. 193

Inhalt

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SchlussbemerkungIII. 194Wiederholungs- und Vertiefungsfragen 195

Rechtsvergleichung§ 10 197EinführungA. 197

Was ist RechtsvergleichungI. 197Abgrenzung zu anderen RechtsgebietenII. 198

Grundbegriffe der RechtsvergleichungB. 200GeschichteI. 200Funktionale RechtsvergleichungII. 202

Definition1. 202Mikro- und Makrovergleichung2. 203

Schwierigkeiten bei der RechtsvergleichungIII. 204Praktische HerangehensweiseIV. 205

Aufbau des Vergleichs1. 205Wahl der zu vergleichenden Rechtsordnungen2. 205

Bedeutung und Anwendungsbereiche der RechtsvergleichungV. 206Erkenntnisgewinn und Ausbildung1. 206Gesetzgebung (legistische Rechtsvergleichung)2. 207Rechtsprechung (Auslegung und Lückenfüllung)3. 208Rechtsvereinheitlichung (Modellgesetze)4. 209Praxis5. 211Hilfswissenschaft oder Wissenschaft?6. 212

VertiefungC. 212RechtskreislehreI. 212

Allgemeines1. 212Common Law und civil law2. 215

Kritik an der funktionalen MethodeII. 217Wiederholungs- und Vertiefungsfragen 218

Ökonomische Analyse des Rechts§ 11 223EinführungA. 223GrundlagenB. 224

Theoretische KonzepteI. 224Ökonomische Verhaltensmodelle1. 224

Die neo-klassische Ökonomika) 225Die Neue Institutionenökonomikb) 225Die Verhaltensökonomikc) 226

Ökonomische Bewertungskriterien2. 227Das Pareto-Kriteriuma) 227Das Kaldor-Hicks-Kriteriumb) 228

Praktische BedeutungII. 229Ökonomische Verhaltensmodelle1. 230Ökonomische Bewertungskriterien2. 231

VertiefungC. 234Der Schutz des Verbrauchers im VertragsrechtI. 235

Marktversagen und Informationsasymmetrien1. 235

Inhalt

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Screening und Signaling2. 236Aufklärungspflichten und zwingendes Recht3. 237

Die Haftung für Schäden im DeliktsrechtII. 237Sorgfaltsniveau und Verschuldenshaftung1. 238Aktivitätsniveau und Gefährdungshaftung2. 239

Wiederholungs- und Vertiefungsfragen 240

Neuere GrundlagenfächerTeil 5Recht und Sprache§ 12 244

Einführung – „Recht und Sprache“ als ForschungsgebietA. 244Recht und Sprache als KulturelementeI. 244Die Bedeutung der Sprache im RechtII. 245„Recht und Sprache“ als wissenschaftliche DisziplinIII. 246

Problemkreise von Recht und SpracheB. 248Das Recht der SpracheI. 248„Verständlichkeit“ des RechtsII. 248

Die juristische Fachsprache1. 248Bedeutung der „Verständlichkeit“ des Rechts2. 249„Verständlichkeit“ als Problem von Mehrdeutigkeit und Komplexität?3. 250Sprachliche „Offenheit“ als Funktionsbedingung des Rechts4. 251Auslegung5. 252

Recht und Sprache in der juristischen AusbildungIII. 254Vertiefung: Recht in der Literatur – Recht als LiteraturC. 255

Wiederholungs- und Vertiefungsfragen 257

Recht und Neurowissenschaften§ 13 260EinleitungA. 260Die Herausforderung des Rechts durch die NeurowissenschaftenB. 261

Empirische Erkenntnisse der Hirnforschung und ihre DeutungI. 261Die Schuldtheorien des StrafrechtsII. 264

Der pragmatisch-soziale Schuldbegriff1. 264Das funktionale Schuldverständnis der positiv-generalpräventivbegründeten Straftheorie

2.266

Der Schuldbegriff der Vereinigungslehre3. 268Zwischenergebnis4. 269

Warum wir nicht aufhören müssen (und können), von Freiheit undVerantwortung zu sprechen

C.270

Wiederholungs- und Vertiefungsfragen 272

Kulturwissenschaftliche Analyse des Rechts§ 14 276Einführung: Die kulturelle (Un-)Abhängigkeit des RechtsA. 276Grundlagen: Recht als Gegenstand der KulturwissenschaftenB. 277

Kulturwissenschaft als WissenschaftsdisziplinI. 277Der KulturbegriffII. 279

Dimensionen des Kulturbegriffs1. 279

Inhalt

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Recht als Kultur2. 280Felder der kulturwissenschaftlichen Analyse – des RechtsIII. 281

Der linguistic turn1. 281Beispiele zur Anschlussfähigkeit kulturwissenschaftlicher Ansätze in derRechtswissenschaft

2.282

Verfassungslehre als Kulturwissenschaft3. 284Vertiefung: Recht zwischen Rationalität und ArchaikC. 284

Recht als Forschungsfeld der KultursemiotikI. 284Ritualität und Performativität im gerichtlichen VerfahrenII. 286

Die ‚Stimme‘ der Rechtsprechung1. 287Ritualität und Liminalität des gerichtlichen Verfahrens2. 289

Wiederholungs- und Vertiefungsfragen 291

Stichwortverzeichnis 295

Inhalt

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Theoretische Grundlagenfächer

Rechtsphilosophie

Katrin Gierhake

„Sapere aude!

Habe Mut, dich deines eigenen Verstandes zu bedienen!“Immanuel Kant

Einführung

Die Rechtsphilosophie beschäftigt sich mit der „Begründbarkeit des Geltungsan-spruchs des (…) faktisch geltenden (positiven) Rechts“.1 Während Rechtshistorikersich bemühen, die Entstehungsgeschichte von Recht zu erforschen (vgl. §§ 5 – 8) undRechtssoziologen beobachten, wie das Recht in einer Gesellschaft tatsächlich ist (vgl.§ 3), während Rechtswissenschaftler (i.e.S.) systemimmanent, d. h. im Rahmen des gel-tenden Rechts argumentieren, suchen Rechtsphilosophen nach den tieferen Gründenfür die Geltung von Recht, insbesondere für seine Verbindlichkeit dem einzelnen Sub-jekt gegenüber, und sie suchen nach den Kriterien „guten Rechts“. Diese Suche ist not-wendig, weil der kritisch-vernünftige Geist eines jeden einzelnen Subjekts früher oderspäter nach der Berechtigung der zwangsbewehrten Verbindlichkeit des Rechts fragt.Fragen wie „Warum darf die Rechtsgemeinschaft mich zu einem bestimmten Verhaltenzwingen?“ oder „Warum darf sie mir bei Strafe ein bestimmtes Verhalten verbieten?“müssen vernünftig beantwortet werden können, wenn das Recht und seine Durchset-zungsinstitutionen nicht bloß faktische Macht, sondern gerechte, vernünftige Regelndes Zusammenlebens darstellen sollen.

Die Rechtsphilosophie ist damit ein Grundlagenfach des Rechts im wortwörtlichenSinne: Sie beschäftigt sich mit der Grundlegung bzw. den Gründen des geltendenRechts. Dabei haben sich im Laufe der Jahrhunderte unterschiedliche Begründungsan-sätze entwickelt, die jeweils in einem bestimmten historischen und kulturellen Zusam-menhang entstanden sind und dementsprechend vielgestaltig sind: Die Philosophie ist„ihre Zeit in Gedanken erfasst“, so schreibt G. W. F. Hegel (1770–1831) in der Vorre-de zu seinen Grundlinien der Philosophie des Rechts.2

Die Suche nach den Kriterien guten Rechts für eine menschliche Gemeinschaft kanndeshalb nicht unter vollkommener Abstraktion von der jeweiligen Gestalt der Gesell-schaft, der in ihr üblichen Lebensformen und Grundüberzeugungen, ihrer historischenEntwicklung, ihren geographischen, kulturellen und religiösen Besonderheiten erfol-gen. Insofern setzt jedes Nachdenken über die Güte des Rechts an Vorgefundenem an,und der Denkende – selbst schließlich immer „Kind seiner Zeit“ – muss eine Verbin-dung herstellen zwischen dem empirisch Gegebenen und dem rechtlich Gesollten.

Teil 2

§ 1

A.

1 Ganslandt, Enzyklopädie, Stichwort „Rechtsphilosophie“, S. 511.2 Hegel, Grundlinien, S. 26.

§ 1

Katrin Gierhake 21

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Dies vor Augen, könnte zunächst der Eindruck entstehen, dass es unendliche viele,gleichermaßen gültige Rechtsphilosophien gibt, die je nach der historischen und kultu-rellen Ausgangssituation des Nachdenkenden zu unterschiedlichen Ergebnissen kom-men. Die Folge wäre ein Meer von „relativen Wahrheiten“, die gleichberechtigt neben-einander stünden. Beispielsweise würde eine Rechtsordnung, in der die Sklavenhaltunganerkannt wird, unterschiedslos neben einer auf dem Menschenrecht der Freiheit grün-denden Gesellschaft stehen. Allein der Schluss von der Empirie bzw. den geltendenRechtsregeln auf das rechtlich Gesollte ermöglichte keine qualitative Differenzierungdieser Rechtssysteme.

Soll aber der Anspruch der Rechtsphilosophie auf allgemeingültige Aussagen über dieGüte von Recht erfüllt werden, muss es neben der gedanklichen Aufnahme von Vor-findlichem noch etwas anderes geben. Dieses „Andere“ muss universal gültig, also ge-rade unabhängig von der Mannigfaltigkeit der Empirie sein, und es muss ermöglichen,das „Gesollte“ in allgemeiner, gedanklich zwingender Weise auszuweisen. Auf der Su-che nach diesem universalen Prinzip ist die Philosophie schon früh auf die menschlicheVernunft gestoßen. Allerdings ist „die Vernunft“ in der Tradition der Philosophie inverschiedenen Gestalten aufgetreten (so zum Beispiel in den Grundformen der theoreti-schen und praktischen Vernunft) und auch der Maßstab des Vernünftigen hat sich inden großen Philosophieentwürfen stetig gewandelt.3

Wird nun nach allgemeingültigen Prinzipien des Rechts gesucht, so ist es die praktischeVernunft, die befragt werden muss. Denn der Begriff der „praktischen Vernunft“ stehtfür den Anspruch des Menschen, „sein Handeln an allgemeinen Grundsätzen zu orien-tieren und gemäß der Weisung allgemeinverbindlicher Normen begründen und recht-fertigen zu können“.4 Die praktische Vernunft sucht nach einer Antwort auf die Frage,wie der Mensch sein Leben gestalten soll, was also das gute und das rechtlich richtigeHandeln ausmacht.

Im Folgenden werden ausgewählte Positionen der Geschichte der praktischen Vernunftvorgestellt. Dabei zeigt sich, dass bei allen Unterschieden die Frage nach dem richtigenHandeln und spezifisch für das Recht die Frage nach dem gerechten Handeln im Mit-telpunkt der Überlegungen stehen.5 In einer Kurzdarstellung wie der in diesem Kapitelkann es nur darum gehen, einige dieser Grundgedanken vorzustellen, den Leser zumweiteren Nach-Denken anzuregen und sein kritisches Bewusstsein gegenüber dem gel-tenden Recht zu schärfen.

Rechtsphilosophische Grundströmungen

Das gute Leben in der Polis (Aristoteles, 387–322 v. Ch.)

Aristoteles beginnt seine Überlegungen in der Nikomachischen Ethik mit folgendemSatz: „Jedes praktische Können und jede wissenschaftliche Untersuchung, ebenso allesHandeln und Wählen strebt nach einem Gut, (…).“6 Damit ist bereits ein wesentlicher

B.

I.

3 Vgl. Mittelstraß, Enzyklopädie, Stichwort „Vernunft“, S. 519 und Gronke, Metzler Lexikon, Stichwort „Ver-nunft“, S. 650, 651.

4 Prechtl, Metzler Lexikon, Stichwort „Vernunft, praktische“, S. 652.5 Dass es eine moderne Tendenz zur „Abwanderung der Rechtsphilosophie in gerechtigkeitsfreie Nebengebie-

te“ gibt, hat Braun eindrucksvoll gezeigt und zu Recht kritisiert (Braun, Rechtsphilosophie, S. 13–57). KurzerÜberblick zu den Gerechtigkeitstheorien bei Seelmann/Demko, Rechtsphilosophie, §§ 7 und 8.

6 Aristoteles, Nikomachische Ethik, Buch I, 1, 1094a. Vgl. zu diesem Werk auch die Beiträge in: Höffe (Hrsg.),Aristoteles/Nikomachische Ethik.

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Grundzug dieses Denkens benannt, nämlich dass alle menschliche Praxis nach einembestimmten „Gut“ strebt, sich also an ihm ausrichtet und von dieser Ausrichtung herihre Bestimmung erfährt. Das „Gut“ ist dabei das „Ziel, zu dem alles strebt“, mensch-liches Wirken wird insofern stets als zielgerichtet begriffen. Auf der Suche nach der Be-stimmung möglicher menschlicher Ziele differenziert Aristoteles im Folgenden nacheinem „Endziel, das wir um seiner selbst willen erstreben“7 und übrigen Zielen, dienur in Richtung auf dieses Endziel gewollt werden. Das „Endziel“ stellt für ihn dasoberste Gut dar, an dem sich die Lebensführung des Einzelnen, aber auch die der ge-samten Polis-Gemeinde, ausrichtet.

In einem nächsten Schritt macht Aristoteles sich daran, dieses oberste Gut in seinemWesen zu erfassen; er formuliert die Frage: „Was ist das Ziel der Staatskunst und wel-ches das höchste von allen Gütern, die man durch Handeln erreichen kann?“8 DieAntwort gibt er sogleich: „Das Glück“ (eudaimonia) sei es, wonach alle strebten, darinseien sich „fast alle einig“ und man setze gemeinhin gutes Leben und gutes Handelnmit Glücklichsein in eins.9

Allerdings sei nun wiederum fraglich, was das „Wesen des Glücks“ ausmache, und ermeint, dass die Antwort auf diese Frage durchaus unterschiedlich ausfallen kann, jenachdem, wer befragt werde: „Die Menge“ stelle sich eher „etwas Handgreifliches undAugenfälliges darunter vor, z. B. Lust, Wohlstand, Ehre: jeder etwas anderes.“10 „DerDenker“ jedoch gehe das Problem wissenschaftlich an und suche nach einer allgemei-nen Bestimmung dessen, was das Glück ist: Sicherlich sei es jeweils anders bei jederHandlung und jedem praktischen Können: „ein anderes in der Heilkunst, in der Feld-herrnkunst, in den übrigen Künsten“.11 Aber das eigentliche Gut eines jeden müsse dassein, um dessentwillen alles andere unternommen wird; ihm gelte das gesamte Han-deln des Menschen. Das Glück sei ein solches Gut, das „rein für sich erstrebenswert istgegenüber dem, das Mittel zu einem anderen ist“, und insofern sei das Glück „voll-kommen schlechthin“.12

Im Fortgang seiner Überlegungen bemüht sich Aristoteles um eine noch deutlichere Be-stimmung dessen, was Glück ist. Dafür sei es hilfreich, sich zu vergegenwärtigen, wel-ches die dem Menschen – im Gegensatz zu anderen Lebewesen – eigentümliche Leis-tung sei:13 Jedenfalls nicht die bloße Funktion des Lebens, wie Ernährung und Wachs-tum, denn die sei auch den Pflanzen eigen; ferner sei es auch nicht das Leben als Sin-nesempfindung, die wir gemeinsam haben mit „Pferd, Rind und jeglichem anderen Le-bewesen“. Es bleibe schließlich nur das Leben als Wirken des rationalen Seelenteils.14

Dieser Seelenteil sei anzusehen „teils als Gehorsam übend gegenüber dem Rationalen,teils als das rationale Element besitzend und geistige Akte vollziehend.“15 Was er mitdem dem Menschen eigentümlichen Leben meine, sei daher das „eigenständige Tätig-sein“, also das Leben als „wache Geistestätigkeit“.16

7 Aristoteles, Nikomachische Ethik, Buch I, 1, 1094a.8 Aristoteles, Nikomachische Ethik, Buch I, 2, 1095a.9 Ebenda. Zum Glücksbegriff bei Aristoteles siehe Ackrill, Eudaimonia, S. 39ff. und Wolf, Aristoteles’ ‚Nikoma-

chische Ethik’, S. 23–56.10 Ebenda.11 Aristoteles, Nikomachische Ethik, Buch I, 5, 1097a.12 Aristoteles, Nikomachische Ethik, Buch I, 5, 1097a – 1097b.13 Aristoteles, Nikomachische Ethik, Buch I, 6, 1097b.14 Aristoteles, Nikomachische Ethik, Buch I, 6, 1098a.15 Ebenda.16 Dirlmeier, Anmerkungen, Buch I, 14,3 (S. 279).

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Aristoteles zieht daraus folgenden Schluss: „Das oberste dem Menschen erreichbareGut stellt sich dar als ein Tätigsein der Seele im Sinne der ihr wesenhaften Tüchtig-keit.“17 Diese Aristotelische Vorstellung von „Glück“ lässt sich am ehesten im Sinneeines „erfüllten Lebens“ verstehen; es geht ihm nicht um einen kurzen, vergänglichenMoment des Glücks, den es zu erhaschen gilt, und auch nicht um die Anhäufung be-stimmter Güter oder Fähigkeiten. Er meint, dass der Glückselige in der „Betätigungsittlicher Trefflichkeit“ ganz „besonders tief und unablässig den Sinn seines Lebens“erfüllt.18 An anderer Stelle fasst er zusammen: „Jeder erreicht soviel Glück, wie er cha-rakterliche Vorzüglichkeit und Vernunft besitzt und im Einklang damit handelt.“19

Das so umschriebene Glück ist nach Aristoteles ein „Gemeingut für viele, denn allensteht die Möglichkeit dazu offen, wenn sie nur in bestimmter Weise lernen und sichsorgfältig bemühen – (…).“20 Aus seiner Sicht konsequent ist es deshalb, wenn dasGlück nicht nur das leitende Gut für den Einzelnen, sondern auch das für das Gemein-wesen ist, und er zudem davon ausgeht, dass es auch nur in einem Gemeinwesen zuverwirklichen ist („denn der Mensch ist von Natur bestimmt für die Gemein-schaft“).21,22 Nach Aristoteles ist der Mensch also schon von Natur aus ein politischesWesen und nur in der „Polis, in dem institutionalisierten Zusammenleben mit Freienund Gleichen, kommt dem Einzelnen seine in der Natur angelegte Bestimmung alsMensch zu.“23 Er ist angewiesen auf die durch Sitte, Gesetz und übereinstimmendesLebensziel verbundene Gemeinschaft in der Polis, um ein glückliches, vollkommenesLeben führen zu können.24 Gedanklicher Ausgangspunkt dieser Überlegung ist dieÜberzeugung, dass „Menschsein und Bürgersein, rechtlich-politische Ordnung undsittliche Lebensweise in einer guten Polis ineins zusammenfallen. (…).“25

Richtmaß für eine gute Polis-Gemeinde ist also für Aristoteles, ob in ihr die Bedingun-gen für ein erfülltes Leben verwirklicht werden. Er definiert das „gerechte Handeln“(„in einer Hinsicht“, es gibt also auch noch eine andere – Anm. der Verf.)26 als eines,„welches den Zweck hat, das Glück sowie dessen Komponenten für das Gemeinwesen

17 Aristoteles, Nikomachische Ethik, Buch I, 6, 1098a. (Hervorhebung der Verf.). Vgl. zum Begriff der „Tüchtig-keit“ auch Buch I, 13, 1102b ff. und Buch II. 5, 1106b: Die sittliche Tüchtigkeit entfalte sich auf dem Gebietder irrationalen Regungen und des Handelns, wobei das „Zuviel ein Fehler ist und das Zuwenig getadeltwird, das Mittlere aber ein Treffen des Richtigen ist und gelobt wird.“ Die sittliche Tüchtigkeit sei eine „Artvon Mitte, insofern sie eben wesenhaft auf das Mittlere abzielt“. (Buch II. 5, 1106b). Vgl. ferner Buch II. 6,1107a.

18 Vgl. Buch I, 11, 1100b. Siehe zudem Ackrill, Eudaimonia, S. 44.19 Aristoteles, Politik, Buch VII, 1, 1323b.20 Aristoteles, Nikomachische Ethik, Buch I, 10, 1099b.21 Aristoteles, Nikomachische Ethik, Buch I, 5, 1097b: In diesem Halbsatz zeigt sich die für Aristoteles typische

Verknüpfung von Ethik und Politik besonders deutlich.22 Vgl. dazu Höffe, Einführung, S. 17. Aristoteles schreibt: Das „Leben, das mit charakterlicher Vorzüglichkeit

geführt wird, (…) ist sowohl individuell für jeden Einzelnen als auch gemeinschaftlich für die Staaten dasbeste.“ Politik, Buch VII, 1, 1323b, 1324a.

23 So in Abgrenzung zu Hobbes Geismann/ Herb, Hobbes über die Freiheit, Einleitung, S. 11. Vgl. zudem Höffe,Grundaussagen, S. 13–23.

24 Vgl. Geismann/Herb, Hobbes über die Freiheit, Einleitung, S. 12. Siehe auch Welzel, Naturrecht, S. 31.25 Bien, Gerechtigkeit, S. 135, 136.26 Der Begriff der Gerechtigkeit wird von Aristoteles in zweierlei Weisen ausgearbeitet. Die erste betrifft die

Gerechtigkeit „im allgemeinen Sinn“ (von dieser ist im vorliegenden Text die Rede), die zweite diejenige „imspeziellen Sinn“. Unter die letztere fallen die beiden berühmten Gerechtigkeitsformen der ausgleichendenGerechtigkeit (iustitia commutativa) und der Verteilungsgerechtigkeit (iustitia distributiva). Vgl. zu dieserEinteilung und näher zu den einzelnen Konzeptionen der Gerechtigkeit Wolf, Aristoteles’ ‚NikomachischeEthik’, S. 93–115; siehe auch unten Fn. 44. Überblick bei Horn, Rechtswissenschaft und Rechtsphilosophie,Rn. 262 ff.

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hervorzubringen und zu erhalten“.27 Der Begriff der Gerechtigkeit wird hier in konse-quenter Anlehnung an die geschilderte ethische Grundbestimmung des Menschen, demStreben nach Glück, eingeführt. Gerechtigkeit in diesem Sinne sei „Trefflichkeit invollkommener Ausprägung“, sie gelte als der oberste unter den Vorzügen des Charak-ters. Ihre Besonderheit bestehe darin, dass sie auf den anderen bezogen ist: Derjenige,der die Gerechtigkeit als vollkommene Trefflichkeit verwirkliche, tue dies nicht nur fürsich selbst, sondern auch für den anderen.28

Bedeutsam ist dabei auch, dass Aristoteles die Gerechtigkeit29 nur in der staatlichenPolis-Gemeinde verwirklicht sieht, denn „das Recht ist die Ordnung der staatlichenGemeinschaft, Gerechtigkeit aber bestimmt die Entscheidung darüber, was rechtmäßigist.“30

Aristoteles hat hiermit zwei entscheidende Punkte für das Verständnis von Recht undGerechtigkeit herausgearbeitet, die seitdem unübergehbar im rechtsphilosophischenDenken verankert sind:

n Erstens stellt sich das Problem gerechten Handelns immer nur innerhalb menschli-cher Gemeinschaften und als Problem des Umgangs der Menschen miteinander.

n Zweitens ist die „Gerechtigkeit“ ein Maßstab, der an das Handeln in Bezug auf dieGemeinschaftlichkeit angelegt werden kann und muss: Eine gute Rechtsgesellschaftmuss sich am Maßstab der Gerechtigkeit messen lassen.

Für Aristoteles liegt dieser Maßstab in der Verwirklichung von Grundbedingungen, dieein „gutes Leben“ (im Sinne eines dem Glück zustrebenden Lebens) für alle Bürger er-möglichen. Der Staat hat deshalb nicht nur eine den Bedürfnissen seiner Bürger ent-sprechende Lebensorganisation zu leisten, sondern auch besondere Anstalten dafür zutreffen, „die Bürger zu formen, d. h. sie gut zu machen und fähig zu edlem Han-deln“.31 Staatskunst umfasst also nach Aristoteles auch die Erziehung und Bildung derBürger.32

Auch die Aristoteles nachfolgenden Rechtsphilosophen haben ihr Denken an der Fragenach der Gerechtigkeit in einer menschlichen Gemeinschaft ausgerichtet. Wenn auchihre Antworten auf die Fragen, was unter Gerechtigkeit zu verstehen ist, wie eine guteGesellschaft auszusehen hat und wie sie herzustellen ist, nicht identisch mit denen desAristoteles sind (dazu sogleich), so lässt sich doch sagen, dass er eine Grundlage gelegthat, die bis heute im rechtsphilosophischen Denken präsent ist.

Recht aus dem Willen Gottes (Thomas von Aquin, 1224–1274)33

Thomas von Aquin hat die Philosophie des Aristoteles gründlich studiert, in jahrelan-ger Arbeit kommentiert34 und ihre Grundaussagen für das Denken seiner eigenen Zeit,dem vom christlichen Glauben an die zentrale Stellung Gottes geprägten Mittelalter,

II.

27 Aristoteles, Nikomachische Ethik, Buch V, 3, 1129b.28 Vgl. Aristoteles, Nikomachische Ethik, Buch V, 3, 1130a.29 Inhaltlich wird Gerechtigkeit hier als „Wahrung von Gleichheit gegenüber dem Mitmenschen“ verstanden;

alles Gerechte sei ein Gleiches. Vgl. dazu oben Fn. 26 und Welzel, Naturrecht, S. 34, 35.30 Aristoteles, Politik, Buch I, 2, 1253a. In diesem Zusammenhang findet sich also schon die Unterscheidung

von gerechtem und gesetztem Recht; vgl. ders., Nikomachische Ethik, Buch V, 10, 1134b.31 Aristoteles, Nikomachische Ethik, Buch I, 10, 1099b.32 Siehe dazu Aristoteles, Politik, Buch VIII.33 Guter erster Überblick bei Horn, Rechtswissenschaft und Rechtsphilosophie, Rn 288–310.34 Vgl. Forschner, Thomas von Aquin, S. 26.

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weiterentwickelt. Aus der Beschäftigung mit der antiken Philosophie einerseits und derTradition der christlichen Lehre anderseits erwuchs für ihn das Bedürfnis, das Denkenmit dem Glauben zu verknüpfen.35 Sein gesamtes Werk ist von dem Anliegen geprägt,„Widersprüche seiner Zeit aufzuheben (…), die etwa zwischen Evangelium und aristo-telischer Philosophie, traditioneller christlicher Weisheit und natürlicher, rationalerWissenschaft aufgebrochen waren,“ und „in seinem philosophischen Verständnis vonSittlichkeit und Recht eigenständige praktische Philosophie und religiöse Bindung desHandelns an göttliche Gebote sowie vom Gesetzgeber gesetztes menschliches Rechtund die Gehorsamspflicht gegenüber geoffenbartem göttlichen Recht miteinander zuvermitteln und zu versöhnen.“36

Dieses Anliegen durchzieht das Werk von Thomas von Aquin wie ein roter Faden; inseinen Überlegungen zum Recht37 zeigt sich das Problem, vor das er sich gestellt sah,in besonderer Deutlichkeit, musste er doch das Verhältnis von göttlicher zur weltlichenAutorität bestimmen und damit auch das göttliche Gesetz mit den Gesetzen in Ein-klang bringen, die die Vernunft den Menschen aufgegeben hat.

Thomas von Aquin unterscheidet drei Arten von Gesetzen:38

n Erstens, das ewige Gesetz (lex aeterna), das er als Gesetz der göttlichen Weltregie-rung bzw. der Schöpfungsordnung Gottes begreift: Alles in der Welt habe durchGott seinen festen Platz und seine feste Zweckbestimmung in dem großen Zweckge-füge der Welt. Die Hinneigung zur Verwirklichung des „Guten“ sei den Dingendurch dieses Gesetz eingeprägt; an ihm hätten alle Geschöpfe teil und seien ihm un-terworfen, der Mensch sogar in zweierlei Weise: Einerseits durch seine natürlichenNeigungen, andererseits aber auch durch das Vermögen, das seine spezifische Naturausmache, nämlich seine Vernunft.39

n Zweitens, das natürliche Gesetz. Nach der Idee vom Naturgesetz (lex naturalis) er-hält die menschliche Vernunft das oberste Prinzip des Handelns, nämlich: das sitt-lich Gute zu tun und das Böse zu lassen, von Gott eingegeben, wodurch der Menschan der lex aeterna teilnimmt.40 Die praktische Vernunft erkenne dank ihrer göttli-chen Herkunft ihre Aufgabe, eine „gute Ordnung des menschlichen Lebens und Zu-sammenlebens einzurichten“, wobei sich die Vernunft dann im individuellen undgesellschaftlichen Leben in die Praxis umsetzt und so der Mensch in seiner sittlichenAutonomie sich eine vernünftige Ordnung selbst einrichtet.41 Die Vernunft gibt da-bei laut Thomas vor, dass das Gemeinwesen auf das gemeinsame Glück bzw. aufdas Gemeinwohl hingeordnet sein muss und dass das gemeinsame Ziel das durchFrieden gesicherte gute Leben aller (communis hominum salus) ist.42

35 Vgl. Pieper, Scholastik, S. 161 f.36 Oeing-Hanhoff, Phil. Jahrb. 82 (1975), 10.37 Hauptwerke: Summa Theologica (insbes. die Bände 13 und 18), Über die Herrschaft vom Fürsten.38 Vgl. dazu Kluxen, Philosophische Ethik, S. 230–241. Thomas unterscheidet genau genommen im Gesetzes-

traktat vier, eigentlich sogar fünf Arten von Gesetzen: Ewiges, natürliches, menschliches und göttliches Ge-setz, wobei das göttliche Gesetz in das alte Gesetz (das, was im alten Testament offenbart ist) und in dasneue Gesetz (das neue Testament) aufgeteilt ist.

39 Siehe Welzel, Naturrecht, S. 58, 59.40 Siehe dazu und zum Folgenden Oeing-Hanhoff, Phil. Jahrb. 82 (1975), 21–23; vgl. auch nochmals Welzel,

Naturrecht, S. 59.41 Oeing-Hanhoff, Phil. Jahrb. 82 (1975), 21–23.42 Oeing-Hanhoff, Phil. Jahrb. 82 (1975), 19; die Parallele zu Aristoteles wird an dieser Stelle der Argumentati-

on besonders deutlich.

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n Drittens, das gesetzte (positive), menschen-gemachte Gesetz (lex humana), welchesdas natürliche Gesetz für die alltäglichen Rechtsfragen zu konkretisieren und zu er-gänzen hat. Dieses positive Gesetz darf dem natürlichen nicht widersprechen, esmuss im Gegenteil sogar aus ihm ableitbar sein, damit es Gesetzeskraft entfaltet.

Schon anhand dieser Dreiteilung wird deutlich, wie Thomas von Aquin den Zusam-menhang von göttlicher und menschlicher Ordnung denkt: Die von Gott gegebenemenschliche Vernunft ist das „Bindeglied“ zwischen dem göttlichen Weltregierer undden Menschen. Sie ermöglicht es, dass die Menschen Gut von Böse scheiden und ihrLeben gemäß dieser Einsicht einrichten können; sie gibt ihnen die Grundprinzipienihres Zusammenlebens vor, die die Menschen dann in eigener Verantwortung (vorGott) in ihr Leben umzusetzen haben.

Der Begriff der Gerechtigkeit taucht bei Thomas von Aquin auf der Ebene des Natur-gesetzes auf, also als eine Frage menschlicher Vernunft. Das menschen-gemachte Ge-setz hat sich an ihr zu orientieren. Widerspricht es ihr jedoch, so spricht Thomas ihmsogar die Qualität als Gesetz ab, es handle sich dann bloß noch um eine „Gesetzesver-kehrung“ (legis corruptio).43 Die Gerechtigkeit ordne den Menschen in seiner Bezie-hung zum anderen und richte seine Akte auf das Gemeinwohl aus.44

Auch Thomas von Aquin ist also der Überzeugung, dass die Gerechtigkeit demmenschlichen Gesetz als Maßstab dienen muss. Ihre Kriterien seien der menschlichenVernunft zugänglich, welche ihrerseits göttlichen Ursprungs ist. Inhaltlich ähnelt dieGerechtigkeitsvorstellung von Thomas der des Aristoteles insofern, als beide von derAusrichtung der Rechtsordnung am Gemeinwohl ausgehen und insofern den Maßstabguten Rechts in der Hinordnung zum Wohl der Gemeinschaft finden.

Recht als Mittel der Friedenssicherung (Thomas Hobbes, 1588–1679)

Hobbes bricht radikal mit der aristotelischen und der mittelalterlichen Tradition derRechtsbegründung, sowohl im Hinblick auf die Methode der philosophischen Argu-mentation45 als auch im Hinblick auf die inhaltliche Ausgangsthese, der Mensch seivon Natur aus auf die Gemeinschaft angelegt:46 Er bemüht sich um eine „streng wis-senschaftliche“ (d. h. bei ihm an die Argumentationsstrukturen der Naturwissenschaf-ten angelehnte) Begründung von Recht und Staat, und er geht im Unterschied zu sei-nen Vorgängern nicht davon aus, dass der Mensch schon von Natur aus ein Gemein-schaftswesen ist und zum Staat in einem natürlichen, ursprünglichen Verhältnis steht;nicht die „Polis ist für ihn das Ursprüngliche, sondern der Einzelne noch diesseits alljener spezifischen Gesellschaftsbeziehungen, in die Aristoteles den Menschen von Na-tur aus eingelassen sah.“47

III.

43 Vgl. Welzel, Naturrecht, S. 59 und Oeing-Hanhoff, Phil. Jahrb. 82 (1975), 20.44 von Aquin, Summa Theologica, Bd. 18, II., qu. 58, 5. Die Formen der ausgleichenden und austeilenden Ge-

rechtigkeit kann Thomas im Grundsatz schon aus der Lehre des Aristoteles übernehmen (vgl. dazu schonFn. 26); beide begreifen die ausgleichende Gerechtigkeit als diejenige, die sich zwischen Privatpersonen beideren gegenseitigen Handlungen herzustellen hat (i. S. einer Tauschgerechtigkeit) und die austeilende alsdiejenige, die zwischen der Gemeinschaft und dem Einzelnen bestehen muss (als Verteilungsgerechtig-keit). Vgl. für Aristoteles: Nikomachische Ethik, Buch V, 5, 1131a und für Thomas: Summa Theologica, Band18, II., qu. 61, 1.

45 Dazu Höffe, Wissenschaft, S. 34–39.46 Vgl. Geismann/Herb, Hobbes über die Freiheit, Einleitung, S. 10ff.47 Ebd., S. 12.

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Ihren Ausgang nimmt die Hobbessche Rechts- und Staatsbegründung48 im menschli-chen Streben nach Selbsterhalt.49 Die Natur habe die Menschen hinsichtlich ihrer kör-perlichen und geistigen Fähigkeiten so gleich geschaffen, „dass trotz der Tatsache, dassbisweilen der eine einen offensichtlich stärkeren Körper oder gewandteren Geist alsder andere besitzt, der Unterschied zwischen den Menschen alles in allem doch nichtso beträchtlich ist, als dass der eine auf Grund dessen einen Vorteil beanspruchenkönnte, den ein anderer nicht ebenso gut für sich verlangen dürfte.“50 Und wenn dann„zwei Menschen nach demselben Gegenstand streben, den sie jedoch nicht zusammengenießen können, so werden sie Feinde und sind in Verfolgung ihrer Absicht, diegrundsätzlich Selbsterhaltung und bisweilen nur Genuss ist, bestrebt, sich gegenseitigzu vernichten oder zu unterwerfen.“51 Für dieses Problem kollidierender Interessengibt es nach Hobbes in dem von ihm so genannten Naturzustand keine prinzipielleAuflösung. Mit dem Naturzustand meint Hobbes einen Zustand der Menschen ohnejede institutionalisierte politische Ordnung, einen „Zustand der Menschen außerhalbder bürgerlichen Gesellschaft“.52 In diesem Zustand herrsche ein ständiger Krieg allergegen alle und wegen der Gleichheit der Kräfte der Menschen sieht Hobbes auf Dauerkeine Möglichkeit, wie sie diesen „ewigen Krieg“ überleben sollen; im Naturzustandwürden sie sich bis ins Unendliche gegeneinander aufreiben. Hobbes lässt sich deshalbvon der Annahme leiten, dass die „Überwindung des Naturzustandes mit dem Ziel derSchaffung von Sicherheit – insbesondere für das Leben des Einzelnen – (…) das höchs-te Ziel der Menschen“53 ist.

Dieses Ziel sieht Hobbes dadurch erreicht, dass die Menschen in einen staatlichen Zu-stand treten, in dem eine übergeordnete Macht – die Staatsmacht – ihre Sicherheit ga-rantiert. Die Überwindung des Kriegszustandes könne nur dann gelingen, wenn eine„sichtbare Gewalt“ die Menschen „im Zaume“ hält und durch „Furcht vor Strafe“zur „Erfüllung ihrer Verträge und (zur) Beachtung der natürlichen Gesetze“ nötigt.54

Diese Macht werde dadurch begründet, dass jeder Mensch mit den jeweils andereneinen Vertrag schließt, durch den er sein natürliches Recht, sich selbst zu regieren,einem einzelnen Menschen oder einer Gruppe von Menschen unter der Bedingungüberträgt, dass auch jeder andere in gleicher Weise verfährt (vgl. dazu auch § 4,Rn 5).55 Bei Hobbes soll also durch eine radikale Unterwerfung aller Individuen unterdie Staatsmacht vollständige Rechtssicherheit und Frieden gewährleistet werden.56

Hobbes’ Gedankengang ist revolutionär vor allem dadurch, dass er „das Individuumals solches als den einzig möglichen Ausgangspunkt aller denkbaren Philosophie“ an-

48 Wichtigste Werke: Leviathan oder Stoff, Form und Gewalt eines kirchlichen und bürgerlichen Staates(1651), Vom Menschen/ Vom Bürger (1642).

49 Vgl. Höffe, Wissenschaft, S. 33.50 Hobbes, Leviathan, 13. Kap., S. 94.51 Hobbes, Leviathan, 13. Kap., S. 94, 95.52 Hobbes, Vom Bürger, 1. Kap., S. 75. Vgl. auch Eggers, Naturzustandstheorie, S. 28.53 So die Formulierung von Murmann in seiner strafrechtlichen Schrift Die Selbstverantwortung des Opfers

im Strafrecht (2005), S. 23.54 Hobbes, Leviathan, 17. Kap., S. 131.55 Hobbes, Leviathan, 17. Kap., S. 134. Dazu auch Murmann, Die Selbstverantwortung des Opfers im Straf-

recht, S. 21, 22.56 Vgl. Fetscher, Einleitung, XXVI. Siehe ferner für eine gute Zusammenfassung der Hobbesschen Grundge-

danken Braun, Rechtsphilosophie, S. 187ff.

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setzte. Für das moderne Denken ist es seither unhintergehbar das einzelne Subjekt, dasals Bezugspunkt für Recht und Gesetzgebung angesehen wird.57

Allerdings ist Hobbes’ Begründung eines (all)mächtigen Staates zum Zwecke desSelbsterhaltes trotz ihrer Stringenz auch vielfach kritisiert worden. Entscheidender An-satzpunkt einer Fundamentalkritik ist, dass das Ziel der Schaffung von Sicherheit unddie bei Hobbes damit einhergehende Etablierung einer äußeren absoluten Macht die„inhaltliche Ausgestaltung (der) Rechtsordnung gegenüber deren Ordnungsfunktion inden Hintergrund treten“58 lässt und dass sich der das rechtsphilosophische Denkenbisher als Leitgedanken prägende Aspekt der Gerechtigkeit hinter dem Aspekt der Si-cherheit verliert.59

Die totale Auslieferung der einzelnen Bürger an die staatliche Übermacht vermag die-ser Kritik zufolge keine Lösung für das Problem dauerhafter Organisation friedlicherKoexistenz der Menschen zu bieten: Das Modell von Hobbes greife erstens schon anseiner Basis zu kurz: Nicht bloß der Erhalt des Lebens überhaupt, sondern der Erhalteines spezifisch menschlichen Lebens müsse Ziel der Staatsgründung sein; und diesesspezifisch Menschliche liege in der Fähigkeit zur Selbstbestimmung des Einzelnen, inseiner Freiheit.60 Außerdem sei zwar mit Hobbes’ Begründung der Notwendigkeit desStaates im Kern Richtiges benannt, aber die Ausgestaltung der Staatsmacht bei Hobbesals absolute und ungeteilte Souveränität gegenüber ihren Bürgern erweise sich gegen-über „dem Ziel, der Sicherung freier Selbsterhaltung, (…) als grundsätzlich dysfunktio-nal“.61 Denn durch die Auslieferung des Einzelnen an eine omnipotente Staatsmachtsei dessen Sicherheit zumindest dieser Macht gegenüber gerade nicht gewährleistet,sondern ihr im Gegenteil auf Gedeih und Verderb ausgesetzt.

Diese beiden Kernargumente gegen Hobbes – die Selbstbestimmung des Einzelnen alsVoraussetzung und Zweck des Staates sowie eine normative Beschränkung der Staats-macht gegenüber dem Einzelnen aus dessen eigenem Recht – führen beinahe zwangs-läufig in die Richtung einer Hobbes zeitlich nachfolgenden Rechtsphilosophie, inner-halb derer gerade diese Anforderungen an eine „gute“ Staatskonzeption berücksichtigtund zum entscheidenden Leitgedanken werden: Die Rede ist von der Rechtsphiloso-phie Kants.

Bevor darauf eingegangen wird, soll aber noch kurz eine an Hobbes anschließende, inder alltäglichen Rechtspraxis sehr wirkmächtige philosophische Strömung vorgestelltwerden, die vor allem (aber nicht nur) im angelsächsischen Denken bis heute kaum anBedeutung eingebüßt hat – der Utilitarismus.

57 Siehe Willms, Angst, Freiheit, Leviathan, S. 82. Vgl. auch Harzer, Naturzustand, S. 26 ff. Zur Überwindung derfür „zwei Jahrtausende gültigen (platonisch-)aristotelischen Tradition durch die Hobbessche Staatskon-struktion“ auch Höffe, Widersprüche, insbes. S. 114 und 121 und Geismann/Herb, Hobbes über die Freiheit,Einleitung, S. 9–16.

58 Murmann, Die Selbstverantwortung des Opfers im Strafrecht, S. 23. Dazu auch Maier, Stichwort „Hobbes“,Klassiker, Bd. 1, S. 351 ff., insbes. S. 374: „Nicht aus seiner Wahrheitsfülle und Gerechtigkeit lebt dieser deusmortalis, sondern allein aus seinem ebenso unerschütterlichen wie inhaltslosen Vorhandensein; dieses le-gitimiert ihn; auf faktische Macht gründet sich Gesetz und Ordnung: Auctoritas non veritas facit legem.“Vgl. zudem S. 364.

59 Zu weiteren Kritikpunkten siehe Mahlmann, Rechtsphilosophie und Rechtstheorie, § 3, Rn 7.f.60 In diesem Sinne Bartuschat, Anthropologie und Politik, insbes. S. 35ff. Siehe auch Geismann, Der Staat 21

(1982), 168–172.61 Höffe, Wissenschaft, S. 31.

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Page 24: Krüper [Hrsg.] Krüper Grundlagen des Rechts · I. Das gute Leben in der Polis (Aristoteles, 387–322 v. Ch.) 22 II. Recht aus dem Willen Gottes (Thomas von Aquin, 1224–1274)

Nutzenmaximierung und Recht – der Utilitarismus(Jeremy Bentham, 1748‑1832 und John Stuart Mill, 1806–1873)

Aus utilitaristischer Sicht wird die Güte einer Handlung nach der Nützlichkeit ihrerFolgen beurteilt. Die anthropologische Grundlage dafür stellt das natürliche Strebennach Lust und Vermeidung von Unlust dar.62 Die Utilitaristen meinen, dass menschli-ches Handeln an der möglichst großen Erfüllung menschlicher Bedürfnisse und Interes-sen ausgerichtet sei und dass die größtmögliche Befriedigung dieser Bedürfnisse gleich-zeitig auch das größte Glück der Menschen herbeiführe. Gut seien Handlungen alsodann, wenn sie die Tendenz haben, Glück zu befördern, während sie moralischschlecht seien, wenn sie zu Leiden führen.63 Dabei wird unterstellt, dass sich die Be-dürfnisbefriedigung hinsichtlich ihrer Lustquantität und -qualität unterscheiden undeindeutig bestimmen lässt64 und dass im Lustgewinn tatsächlich die Beförderung desmenschlichen Glücks liege: Glück sei die maximale Gesamtlustbilanz, d. h. die miteiner Handlung verbundene gesamte Lust, vermindert um die mit ihr insgesamt ver-knüpfte Unlust.65

Die Utilitaristen übertragen nun den Gedanken des Nützlichkeitsprinzips konsequentauch auf Fragen des Rechts. Eine gute Rechtsordnung zeichnet sich nach ihnen da-durch aus, dass in ihr das „größte Glück der größten Zahl ihrer Bürger“ verwirklichtwerde; die Aufgabe des Staates wird dementsprechend in der Beförderung des Glücksder Gesellschaft gesehen, nach Bentham näher beschrieben als der „Genuss von Freu-den, die Sicherheit vor Leiden.“66 Diese Aufgabe müsse der Staat durch Bestrafungund Belohnung seiner Bürger erfüllen. Dabei bleibt Richtmaß der Sanktionen, ob mitihnen eine Besserstellung, eine Glücks-Maximierung für die Mehrheit der Bürger ver-bunden ist, auch wenn im Einzelfall dafür das Glück einer Minderheit oder einer Ein-zelperson minimiert wird. Hier zeigt sich ein gewichtiger Kritikpunkt gegen die Über-tragung des utilitaristischen Handlungsprinzips auf die Ebene des Rechts: Der Utilita-rismus vermag es als Rechtsprinzip nicht, etwa die Unterdrückung einer Minderheit imStaat oder eine das fundamentale Recht des einzelnen Subjekts verletzende staatlicheMaßnahme auszuschließen, wenn durch sie nur das Kollektivwohl gesteigert werdenkann.67 Das Kriterium, dem Einzelnen in einem fundamentalen Sinne gerecht zu wer-den und überhaupt die Frage, ob eine staatliche Handlung gerecht ist, taucht bei einerUntersuchung, die allein auf die Nützlichkeit abstellt, entweder gar nicht mehr aufoder wird jedenfalls auf den reinen Nützlichkeitsaspekt reduziert.68

IV.

62 Vgl. Prechtl, Metzler Lexikon, Stichwort „Utilitarismus“, S. 623; ferner Bentham, Principles, Ch. I, S. 11–16(deutsche Fassung bei Höffe, Utilitaristische Ethik/Texte, S. 35 ff.).

63 Vgl. Mill, Das Nützlichkeitsprinzip, abgedruckt in: Höffe, Utilitaristische Ethik/Texte, S. 59 ff., 60.64 Auf das Problem der Messbarkeit von Glück hat vor allen Bentham hingewiesen und sich um einen rationa-

len Beurteilungsmaßstab bemüht. Als Merkmale eines möglichen Maßstabs hat er herausgearbeitet: (1)Die Intensität des aus der Handlungsfolge zu erwartenden Lustgewinns, (2) die Dauer und den Grad derWahrscheinlichkeit, mit der der Lustgewinn zu erwarten ist, (3) die zeitliche und räumliche Nähe des Ein-treffens der Folgen und (4) ob noch sekundäre Handlungsfolgen (positive oder negative) zu erwarten sind(so Prechtl, Metzler Lexikon, Stichwort „Utilitarismus“). Kritisch zum sog. hedonistischen Kalkül (Formulie-rung der Maßeinheiten für Lust) Höffe, Theorie des Glücks, S. 131 ff.

65 Höffe, Theorie des Glücks, S. 127, 128.66 Bentham, Principles, Ch. VII, S. 1, 74.67 Vgl. Höffe, Theorie des Glücks, S. 151 ff.68 Dazu Höffe, Schwierigkeiten des Utilitarismus, S. 295 ff.

Teil 2 Theoretische Grundlagenfächer§ 1

30 Katrin Gierhake

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