Kultur in Ungarn
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! Was wird von Ihnen, also den Aus-
wrtigen mtern und Ihren Botschaf-
ten im Land untersttzt und warum?
EEKK:: sterreich legt regelmig zu-
letzt 2011 ein umfassendes Aus-
landskonzept fest, das weltweit gltig
ist und als Basis fr die Arbeit der
sterreichischen Kulturforen welt-
weit dient. Die dort genannten
Schwerpunkte knnen jedoch auf
unterschiedliche Weise und dem je-
weiligen Land entsprechend inter-
pretiert werden. Mit unserem derzei-
tigen Budget veranstalten wir ber
das sterreichische Kulturforum
(KF) etwa 140 Projekte im Jahr, in
einigen ungarischen Stdten in
Kooperation mit sterreich-Lek-
toren (die vom sterreichischen
Austauschdienst AD) finanziert
werden und vier sterreich-Biblio-
theken, die dem sterreichischen
Auenministerium unterstehen. Es
ist in meinen Augen praktisch, dass
das KF von einem Diplomaten ge-
leitet wird, der die finanziellen
Mittel, Kontakte und Projekte in einer
Hand behlt und so besser planen
kann. Auch knnen wir den Begriff
Kultur sehr weit auffassen. Seminare
und Workshops mit politischen
Themen oder Untersttzung von
Wissenschaft und Forschung gehren
ebenfalls zu unserem Leitungs-
spektrum.
RRDD:: Die Kulturaktivitten Deutsch-
lands werden im Gegensatz zu s-
terreich nicht direkt vom Auswr-
tigen Amt gesteuert und gefrdert,
sondern laufen ber die Mittler
Goethe Institut, das Institut fr Aus-
landsbeziehungen (ifa) und den
Deutschen Akademischen Austausch-
dienst (DAAD). Die Botschaft steuert
Frdermittel bei oder untersttzt
punktuell Ausstellungen wie zum
Beispiel Made in Wonderland, die
noch bis Ende des Monats luft (Die
BZ berichtete). Die Vertretung
wirkt eher im Bereich der Regie-
rungskontakte, im Stiftungsrat der
Andrssy Universitt und im Deutsch-
Ungarischen Bildungszentrum.
DDHH:: Auch die Schweiz hat nicht di-
rekt ein Kulturbudget fr die Bot-
schaften. Fr jedes Projekt muss ich
einen Antrag beim Auswrtigen Amt
oder bei Stiftungen wie Pro Helvetia
stellen. Auch gibt es ein Kompetenz-
zentrum fr Kulturauenpolitik, bei
dem ich anfragen kann.
Zu unserem festen Programm geh-
ren zweimal pro Jahr Gastvortrge
an der Andrssy Universitt und in
der schweizerischen Residenz, regel-
mige Lesungen und Konzerte.
Groe eigene Rumlichkeiten haben
wir im Gegensatz zum sterreichi-
schen Kulturforum nicht, deswegen
behelfen wir uns mit ungarischen
Partnern, die diese zur Verfgung
stellen. So konnten langjhrige Ko-
operationen und gemeinsame Pro-
jekte entstehen. Jedoch ist es der
Schweiz auch wichtig, alle Sprachen
ihres Landes im Ausland zu vertre-
ten und zu untersttzen. Aus diesem
Grund sind die Projekte, die wir fr-
dern auch sehr unterschiedlich.
Jedoch planen wir nicht unbedingt
selbst, sondern bekommen viele
Anfragen, auf die wir reagieren.
Kooperationen sind in der Vergan-
genheit zum Beispiel mit dem ster-
reichischen Kulturforum, dem
Franzsischen und Italienischen
Institut entstanden, und im Moment
tragen wir auch die laufende Aus-
stellung St. Gallen Adventures im
Museum fr Schne Knste mit.
(Die BZ berichtete Nr.13)
! Welchen Stellenwert nimmt fr Sie
die deutsche Sprache in Ungarn ein?
EEKK:: Ich denke, Deutsch ist sehr
wichtig in Ungarn und meiner Mei-
nung nach kulturell und historisch
ein bestimmendes und verbindendes
Element.
DDHH:: Dem kann ich nur zustimmen,
obwohl ich auch das Gefhl habe,
dass Englisch immer mehr an Ge-
wicht gewinnt, besonders bei den
Jugendlichen. Es ist ein Muss.
RRDD:: Es ist eben so, dass Deutsch nicht
in Konkurrenz zu Englisch steht, denn
letzteres brauchen wir immer. Deutsch
und andere Sprachen nicht unbedingt.
Jedoch muss ich betonen, dass ich da-
von sehr beeindruckt bin, wie viele
Menschen in Ungarn Deutsch spre-
chen, noch dazu sehr gut. Die ge-
wachsenen Kulturbeziehungen zwi-
schen Ungarn und den deutschspra-
chigen Regionen, die Frau Kornfeind
bereits angesprochen hat, die auf
Sprache basieren, sind sehr alt und
vielfltig, sie transportieren Ge-
schichte. Deswegen ist Deutsch trotz
allem kein Selbstzweck.
EEKK:: Die ungarische Sprache hat
mitunter in Satzaufbau und Struktur
gewisse hnlichkeiten mit dem
Deutschen. Ich denke aber nicht,
dass wir bei Sprachen in Hierarchien
denken sollten. Natrlich ist Eng-
lisch eine Basis und wichtig fr alle
Belange, die mit dem Ausland zu tun
haben. Sprachen lernen sollte man
jedoch in erster Linie fr die Sprache
an sich.
Zustimmendes Nicken in der Runde.
! Das heit, Deutsch ist beliebt in Ungarn?
EEKK:: Auf jeden Fall. Wir machen das
an der Beliebtheit unserer Sprach-
kurse, der Deutschen und den ster-
reichischen Schulen in Budapest und
den zweisprachigen Schulen allge-
mein fest. Jedoch mussten wir auch
erkennen, dass an den Universitten
weniger Germanistik studiert wird
und es eher um die gesprochene
Sprache und nicht um Literatur und
Struktur geht.
RRDD:: Das Interesse nimmt merklich
zu, und die Nachfrage steigt. Wir se-
hen das zum Beispiel an den Schulen
der Partnerschafts-Initiative (PASCH),
an denen die Schler ein deutsches
Sprachdiplom erhalten knnen.
! Sie sind unterschiedlich lange in
Budapest. Was hat sich seit Ihrem
Amtsantritt verndert?
RRDD:: Nun, bei mir nicht viel. Ich bin
seit Herbst 2011 hier und konnte
seitdem noch keine besonderen
Vernderungen feststellen. Die Kul-
turbeziehungen werden durch ihre
Stabilitt und langjhrigen Verbin-
dungen getragen, auch wenn sich
das Umfeld ndert. Gerusche aus
der politischen Ecke berhren den
Kulturraum kaum. Lnder sollten sich
kennen. Man investiert durch die
Pflege der kulturellen Beziehungen
in die Zukunft, das kann ber politi-
sche Differenzen hinweghelfen.
EEKK:: Zuerst ist zu sagen, dass fr
Diplomaten ein Regierungswechsel,
wie er 2010 geschehen ist, immer
Herausforderungen wegen der da-
mit verbundenen personellen Vern-
derungen in sich birgt. Es entsteht
dadurch ein neues Umfeld, das neue
Kontakte und Inhalte mit sich
bringt. In manchen Bereichen muss
man sich auf eine neue Partner-
schaftssuche begeben, wobei man ei-
ne gemeinsame Basis schaffen sollte.
Bis man wei, was die andere Seite
will und in welcher Form eine Zu-
sammenarbeit fr beide Seiten loh-
nend ist, knnen in der Projektarbeit
manchmal Jahre vergehen.
DDHH:: Ich denke es gibt keine groen
Unterschiede, die gleichen Festivals
mit den gleichen Organisatoren.
Jedoch wird es mit dem Budget im-
mer schwieriger und dieser Punkt
kann nicht auer Acht gelassen wer-
den. Auch mssen wir fter mit
nichtstaatlichen Sponsoren zu-
sammenarbeiten als frher.
RRDD:: Die Budgetschwierigkeiten und
die damit zusammenhngenden
Umstrukturierungen werden auf
lange Sicht bestimmt zu neuen Part-
nern fhren.
EEKK:: Aber dieser Prozess ist auch
nichts Ungewhnliches.
! Wie meinen Sie das?
EEKK:: Die Umstrukturierungen wer-
den auch durch die wirtschaftliche
Situation Ungarns bestimmt. hnli-
ches sieht man auch in sterreich.
Vieles, was in der Vergangenheit fi-
nanzierbar war, kann nicht mehr
aufrechterhalten werden. Ich denke
da vor allem an die groe Dichte
kultureller Einrichtungen in Buda-
pest. Da muss es wohl Vernde-
rungen geben, obwohl natrlich der
umfassende Erhalt der vielfltigen
Kultursttten wnschenswert wre.
RRDD:: Ein Staat muss in erster Linie
seine Institutionen am Leben erhal-
ten. Viele nichtstaatliche Akteure
hngen von ihnen ab.
! Wie schtzen Sie die momentane
Situation in Ungarn ein?
RRDD:: Die Medienaufmerksamkeit,
die Ungarn im Moment aus politi-
schen Grnden bekommt, ist gro
und das Ausland ist nicht ber alles
gut unterrichtet. Das mag auch an
der Zeitnot der Journalisten liegen,
ist aber auf jeden Fall bedauerlich.
Die Dichte der Kontakte ist an sich
gar nicht so schlecht, aber sie schei-
nen nicht immer genutzt zu werden.
Auf der Projekt- und Arbeitsebene
bin ich eigentlich zufrieden. Man
muss aber immer darauf achten, dass
die wichtigen Akteure des deutschen
und ungarischen Kulturlebens tat-
schlich und nicht nur vermeintlich
miteinander in Verbindung stehen
und Gesprche initiieren, die uns
weiterbringen.
EEKK:: Es gibt irgendwo einen Um-
bruch im Land. Auch macht dieser
Zwang zur Vernderung zum Teil
traurig, denn ein kompletter Neu-
start ist nicht immer das Beste. Ich
beobachte, dass in letzter Zeit eini-
ge Knstler ins Ausland gegangen
sind, wegen der schlechten wirt-
schaftlichen Situation in Ungarn.
Auerdem ist die alternative Kul-
turszene weniger sichtbar als noch
vor einiger Zeit.
Momentan wird in wirtschaftlicher
und politischer Hinsicht nicht nur in
Ungarn, sondern in ganz Europa
viel ber die Krise gesprochen. Kri-
sen bieten jedoch auch eine
Mglichkeit fr neue Impulse und
Aktivitten, die einen Nhrboden
fr mehr Kultur schaffen.
RRDD:: Es muss hinzugefgt werden,
dass sich auch Identitt und Identi-
ttsfindung im Wandel befinden.
Der Raum der Kultur ist weiter als
die Rume der Politik und der EU,
er wird aber durch diese beeinflusst.
Entwicklungsprozesse und Vernde-
rungen finden immer statt, es wre
auch langweilig, wenn dem nicht so
wre. Wir erleben im Moment
Gott sei Dank spannende Zeiten.
! Also fhrt die politische Krise zur
Kulturkrise?
RRDD:: Die Krise der ffentlichen
Haushalte beschrnkt sich ja nicht
auf Ungarn, sondern ist in der gan-
zen EU zu spren. Es ist eine sehr
komplexe Welt, in die alles gehrt,
was im Kulturraum gespielt, ge-
schrieben, gehrt und gedacht wird.
Es ist die Aufgabe der Botschaft, die
Verbindungen zwischen Behrden
und Regierungen aufrechtzuerhal-
ten. Kultur ist eigentlich Privat-
sache. Zwar gehrt die Besetzung
der Posten, die Steuerung und
Finanzierung noch zur Politik, aber
die Ausfhrung sollte nicht in den
Hnden von politischen Krften lie-
gen. Denn bei den Inhalten kann
man es eh nie allen recht machen.
Das ist unmglich. Fr die einen ist
etwas avantgardistisch, fr die ande-
ren angestaubt. Kultur ist eine Reise,
die vom Staat nur initiiert und nicht
fr Mediengutwetter missbraucht
werden sollte.
EEKK:: Da muss ich ein wenig wider-
sprechen. Kultur frdern ist ein Aus-
druck der Politik. Nicht unbedingt
eine Einmischung, aber ein Signal,
dass Kultur ein wichtiges politisches
Anliegen darstellt. Es werden damit
Ziele und Mglichkeiten im breiten
Umfang praktisch festgelegt. Die
Frage ist nur, wer diese Handlungs-
rume wie absteckt.
Kultur sollte frei sein und Unterstt-
zung von allen Seiten bekommen,
was in Mitteleuropa durch das Feh-
len von groen, flchendeckenden
privaten Frderern etwas kompli-
zierter ist als in Westeuropa.
RRDD:: Genau an dieser Schwche des
Mzenatentums muss gearbeitet
werden.
! Lohnt sich Kulturarbeit?
EEKK:: Wir stellen bei den Projekten
keinen unmittelbaren Kosten-Nut-
zen-Plan auf. Also kann man das
nicht so einfach beantworten.
DDHH:: Stimmt. Und ein greres Publi-
kum bedeutet auch nicht mehr Nutzen.
EEKK:: Natrlich hoffen wir immer
darauf, dass viele Leute zu unseren
Veranstaltungen kommen und an
unseren Projekten teilnehmen, manch-
mal werden wir enttuscht, andere
Male, wie bei der Wittgenstein-
Reihe auch angenehm berrascht.
Vorher kann man das nie wissen.
Aber auch wir mssen unsere
Projekte evaluieren, ob eben damit
das Ziel, das wir uns gesetzt haben,
erreicht wurde oder eben nicht, was
falsch gelaufen ist und so weiter. Es
ist manchmal eine mhselige Arbeit,
weil die Kriterien fr die Bewertung
oft nicht wiedergeben knnen, was
ein Programm wirklich gebracht hat.
In der Kulturarbeit zeigt sich das
auch manchmal zeitverschoben.
DDHH:: Aber es ist schon toll, wenn das
Publikum sich austauscht, zu einem
Dialog findet und sich neue Kon-
takte ergeben.
RRDD:: Kulturarbeit kann gelegentlich
sehr politische Auswirkungen ha-
ben. Ich denke, dass die guten Bezie-
hungen und die historische
Verbindung zwischen Ungarn und
Deutschland zur damaligen ungari-
schen Grenzffnung und zur Deut-
schen Vereinigung beigetragen ha-
ben. Ein weiteres Beispiel ist die
Untersttzung der Deutsch-Unga-
rischen Minderheit. Diese Hilfe hat
sich im Laufe der Zeit verndert,
war aber seit dem Zweiten Welt-
krieg und den Vertreibungen immer
prsent. Die Frderung der Deut-
schen Bhne Ungarns hat zwar kei-
ne Ausstrahlung auf ganz Ungarn
und ist auch kein Einstieg in das
ungarische Theaterleben, knnte je-
doch zu vermehrter Zusammen-
arbeit von Deutschen und Unga-
rischen Bhnen fhren. Die Finan-
zierung von Projekten und Pro-
grammen hat immer eine gnstige
Ausstrahlung und Wirkung auf die
Umwelt.
! Was knnen Sie also persnlich mit
Ihrer Arbeit bewirken?
EEKK:: Wie schon gesagt, sollten
Nachbarn sich kennen, das gelingt
besonders ber kulturelle Aktivi-
tten. Durch die gemeinsame Ge-
schichte, geographische Nhe,
Kultur- und Studentenaustausch-
programme knnen Unterschiede
und Gemeinsamkeiten entdeckt
und gepflegt werden. Projekte, die
wir frdern und untersttzen, sol-
len zum Nachdenken anregen.
Deswegen versuchen wir in vielen
Bereichen Impulse zu setzen, um
die Weiterentwicklung der kultu-
rellen Beziehungen zu unterstt-
zen.
DDHH:: Fr die Schweiz ist es ein An-
liegen, seine eigene spezifische Kul-
tur in Ungarn bekannter zu machen,
und das soll durch regen Austausch
erreicht werden. Dadurch entstehen
neue Kontakte, die wieder zu neuen
Projekten fhren knnen. Wir versu-
chen jetzt auch unsere Krfte zu
bndeln und erarbeiten gerade mit
dem KF und dem Goethe Institut
eine gemeinsame Filmwoche im
Herbst. Auch ist es uns wichtig, die
alternative Kunst weiter zu unter-
sttzen.
RRDD:: Spannungen, die ja schon vor-
her angesprochen wurden, existieren
eigentlich in jeder Gesellschaft. Mit
meiner Arbeit mchte ich einen
Beitrag zu mehr Dialog im Land leisten.
EEKK:: Was mir letztens positiv aufge-
fallen ist, ist die Tatsache, dass in
Ungarn drei deutschsprachige Kul-
turinstitute ttig sind und der Markt
trotzdem fr alle drei gro genug ist.
Das habe ich in dieser Form noch
nirgendwo erlebt.
IINNEESS GGRRUUBBEERR
8 BUDAPESTER ZEITUNG FFEEUUIILLLLEETTOONN 20. - 26. APRIL 2012 NR. 16 9
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Fr die Schweiz ist es einAnliegen, seine eigenespezifische Kultur inUngarn bekannter zu machen, und das solldurch regen Austausch er-reicht werden. Dadurchentstehen neue Kontakte,die wieder zu neuenProjekten fhren knnen.
Dra Hambuch
Jedoch muss ich betonen, dass ich davonsehr beeindruckt bin, wieviele Menschen in UngarnDeutsch sprechen, nochdazu sehr gut.
Raymond Dequin
Jedoch mussten wir aucherkennen, dass an denUniversitten wenigerGermanistik studiert wirdund es eher um die ge-sprochene Sprache undnicht um Literatur undStruktur geht.
Elisabeth Kornfeind
BZ
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