KulturGut Wuerzburg N°10

68
Kultur Gut Magazin für die Kulturregion Würzburg Ausgabe 10 Oktober 2012 | | | Meins! Über die Freiheit des Urheberrechts | Tanzen ohne Ton? Was die GEMA Gebühren für Würzburg bedeuten | Sampling: Wir falten große Architektur zusammen

description

KulturGut Würzburg : Magazin für die Kulturregion Würzburg

Transcript of KulturGut Wuerzburg N°10

  • KulturGutMagazin fr die Kulturregion Wrzburg

    Ausgabe

    10Oktober 2012

    | | |

    Meins! ber die Freiheit des Urheberrechts | Tanzen ohne Ton? Was die GEMA Gebhren fr Wrzburg bedeuten | Sampling: Wir falten groe Architektur zusammen

  • EXPOCAMP 97877 Wertheim Hymerring 1 Tel. 0 93 42/93 51 500 www.moebel-schott.de

    www.rolf-benz.com

    Neuheit Rolf Benz SCALA. Mastbe setzen.

    ROLF BENZ MEETS CARAVANING IM

    Die etwas andere Inspiration:

    13. Okt.bis9. Nov.

  • Wem gehrt, was wir schaffen:und wer bezahlt dafr?

    Editorial

    4, 3 Millionen Deutsche wurden im letzten Jahr wegen Urhe-berrechtsverletzungen gergt. Die GEMA erhht ihre Gebh-ren. Clubbesitzer rechnen schon die Lasten aus, whrend-dessen fliet der Datenstrom ungemindert weiter. Der Ruf nach Kontrolle wird lauter, der Widerstand dagegen wchst parallel. Die Zahl der legalen wie illegalen Downloads steigt und die Parteien stehen sich unvershnlich gegenber. Zwischendurch wird das Recht der Knstler auf das eige-ne Werk in Frage gestellt und auch schon mal die Neidde-batte um diejenigen gefhrt, die es mit ihrer Kunst zu be-trchtlichem Vermgen gebracht haben. Die anderen, die noch am Anfang der Karriere stehen oder nicht so erfolg-reich sind, haben von der GEMA nichts zu erwarten, drfen aber auch nicht mitreden und frchten um ihre Chancen im Wettbewerb - sie haben nichts zu verlieren.

    Das klingt nach? Genau dem Dilemma, das es ist: Zu viele Themen werden gleichzeitig diskutiert, zu viele Interes-

    sengruppen stehen sich gegenber. Die Debatte um Urhe-berrechte ist aber nur dann zu lsen, wenn die Komplexe einzeln angegangen werden. Die Reform der GEMA bei-spielsweise, die berfllig wre. Die Frage nach legalen Sha-ring-Modellen, und die Frage danach, wie Knstler gerecht entlohnt werden knnen einer Welt, die ihre Werke immer schneller kopiert, verteilt, sampelt. Mit diesen Fragen ha-ben wir uns in der aktuellen Ausgabe beschftigt. Illustriert haben wir unsere Titelstrecke diesmal mit gewagten Spie-gelungen das ungewhnliche Titelbild zeigt die von Zaha Hadid geplante Erweiterung des Fraunhofer Instituts.

    Wir wnschen Ihnen wie immer eine interessante und auch vergngliche Lektre und laden wir Sie wie immer auf unsere Website www.kulturgut-wuerzburg.de

    Iris WredeChefredakteurin

    KulturGut 10 | Seite 3 | Wrzburg

    KulturGut | Editorial | Inhalt | Titelthema | Bhne | Musik | Kunst | Literatur | Film | Stadt | Wissenschaft | Interkultur | Service

    EXPOCAMP 97877 Wertheim Hymerring 1 Tel. 0 93 42/93 51 500 www.moebel-schott.de

    www.rolf-benz.com

    Neuheit Rolf Benz SCALA. Mastbe setzen.

    ROLF BENZ MEETS CARAVANING IM

    Die etwas andere Inspiration:

    13. Okt.bis9. Nov.

  • KulturGut 10 | Seite 4 | Wrzburg

    8

    Inhalt

    6

    22

    14

    17

    32

    10

    30

    KulturGut | Editorial | Inhalt | Titelthema | Bhne | Musik | Kunst | Literatur | Film | Stadt | Wissenschaft | Interkultur | Service

    20

    26

  • KulturGut 10 | Seite 5 | Wrzburg

    3 Editorial

    4 Inhalt

    6 Titelthema | Originalitt 2.0: Kunst aus zweiter Hand

    8 Titelthema | Freibeutergedanken. Die seltsame Logik der Abgreif-Kunstfreunde

    10 Titelthema | Der Anwalt rt: Richtiges Verhalten beim Download

    14 Titelthema / Open Access? Auf zum Wettbewerb der Publikationssysteme!

    17 Titelthema | Vom Hrer betrachtet wird alles recht einfach

    20 Titelthema | GEMA-Wirkungen auf das kulturelle Leben von Wrzburg

    22 Theater | Mainfrnkische Theaterwerkstatt: Behindertenarbeit in der Frankenhalle?

    26 Theater | Hchster Feinsinn im Kunstkeller

    28 Theater | Termine

    30 Musik | Konzerte statt Platten: So lebt es sich von Popmusik

    32 Musik | Chre fr die deutschen Cowboys. Interdisziplinre Musikforschung in Wrzburg

    36 Musik | Termine

    38 Kunst | Klangmetze: Die Autoinduktive musiziert dreidimensional

    40 Kunst | Kultur-Frderpreistrgerin Katrin Heyer: Das Bro leuchtet wie eine Bhne

    42 Kunst | Termine

    44 Literatur | Am Anfang stand der Rhythmus: Die Lyrikerin Kornelia Koepsell

    46 Literatur | Die Ethik des Kommunikationsdesigns

    49 Literatur | Termine

    50 Film | Michael Dees komponiert fr Dokus und Thriller

    52 Film | Termine

    53 Stadt | Termine

    54 Stadt | Frischer Wind fr das Mainfrnkische Museum

    56 Stadt | 2012: 40 Jahre Europastadt. Was heit das?

    58 Stadt | Hier fngt der Skulpturenweg an

    59 Wissenschaft | Termine

    60 Wissenschaft | Open Access II: Digitales Publizieren und Studieren an der Wrzburger Uni

    62 Interkultur | Schon wieder Holocaust? Zur Urauffhrung Refi dim Junction

    65 Interkultur | Termine

    66 Zum Schluss | Impressum

    38 40

    60

    50

    KulturGut | Editorial | Inhalt | Titelthema | Bhne | Musik | Kunst | Literatur | Film | Stadt | Wissenschaft | Interkultur | Service

    44 46

    54

    62

    56 58

  • KulturGut 10 | Seite 6 | Wrzburg

    KulturGut | Editorial | Inhalt | Titelthema | Bhne | Musik | Kunst | Literatur | Film | Stadt | Wissenschaft | Interkultur | Service

    Originalitt 2.0: Kunst aus zweiter HandDie Kulturtechnik des Sampling stellt die Frage nach knstlerischer Originalitt auf den Kopfvon Christian Neubert

    + Clyde Stubblefield ist einer der bekanntesten Musiker der Welt. Al-lerdings kennt ihn kaum jemand namentlich. Der US-Amerikaner war lange Zeit Drummer der James Brown Band und gilt als der meist-gesampelte Musiker berhaupt. Sampling bedeutet, aus einem bestehenden Werk einen Teil heraus-zunehmen, um es auf kreative Weise weiter zu verarbeiten, einzu-binden, Neues zu schaffen. Es ist eine Methode, die vorrangig in der Musik eine Rolle spielt, aber auch in anderen Gattungen, z. B. gleich bei Woody Allens Regiedebt. Bei Auftritten des gefeierten Pianisten Francesco Tristano. In Herta Mllers Buch Die blassen Herren mit den Mokkatassen, das ausschlielich aus Textzitaten besteht. In der bil-denden Kunst bei Ursus Wehrli, der das Inventar populrer Gemlde in Ordnung bringt er sortiert das Gemalte nach Form, Gre und Farbe und nennt das auf diese Weise entstandene Werk aufgerum-te Kunst.Als Kulturtechnik ist Sampling etabliert und geachtet, aber auch um-stritten. Wer seine Samples nicht aus dem ffentlichen Raum in Form von Vogelstimmen o. . zieht, sondern aus den Werken Dritter, verletzt Urheberrechte. Das Thema wird nicht erst seit Sven Regeners Wut-Interview im Mrz 2012 mit dem Bayerischen Rundfunk, sondern seit der technischen Mglichkeit des verlustfreien Reproduzierens hei diskutiert. Und das vollkommen zu Recht: Selbstverstndlich haben Kulturprodukte, egal ob physisch greifbar oder nicht, einen Wert. Es ist traurig, dass mit der Loslsung knstlerischer Produkte von ihrem Trger, wie es heute mglich ist, die Achtung vor Kunst und Kultur verloren geht.

    Diffizile FragenEntsprechend verlangt die technische Reproduzierbarkeit nach Re-geln. Regeln, die auch ber die Methode des Sampling entscheiden. So mssen Knstler, die Versatzstcke aus anderen Werken fr die ei-gene Weiterverarbeitung nutzen wollen, sich das Recht dafr einho-len. Das ist im Allgemeinen mit der Zahlung eines gewissen Betrags verbunden. Klingt logisch. Doch so einfach, wie es sich hier darstellt, ist es im Zweifelsfall nicht. Was ist z. B. mit einem Turntablism-Knst-ler, der einen einzelnen Ton hernimmt, um ihn mit seinen Instru-menten Plattenspielern und Mixer zu variieren und zu verfrem-den? Es ist mig, diesen Ton einem bestimmten Knstler zuordnen zu wollen zahllose andere Musiker haben mit demselben Instrument dieselbe Note gespielt und irgendwo festgehalten, was allein schon

    Indiz dafr ist, dass wir uns in einer Referenzkultur befinden, in der al-les Bestehende auf bereits Geschaffenem aufbaut. Dieser Aspekt ist bei Sample-Knstlern zwar offensichtlich, er gilt allerdings universell. Nicht umsonst knnen wir manche Gitarrenriffs als funky identifizie-ren oder einem Song Blues zusprechen.Dies sind jedoch nicht vorrangig die Fragen, die viele Knstler insbe-sondere solche mit kleinem Publikum davon abhalten, die Verwen-dung von Sample-Material auch anzumelden. Vielmehr sind es Fragen des Geldes. Etablierte Plattenfirmen verlangen fr die Verwendung von Auszgen aus den Stcken der Knstler, die bei ihnen unter Ver-trag stehen, horrende Summen Betrge, die von vielen Weiterverar-beitern niemals umgesetzt werden. Der eigentliche Knstler, um des-sen Werk es geht, bleibt bei solchen Verhandlungen oft auen vor.Die entscheidende Frage fr die Praxis lautet: Wann verliert ein gesampeltes Element innerhalb eines neuen Sinnzusammenhangs seinen Eigenwert? Oder: Wann gewinnt eine Collage einen so groen eigenen Wert, dass sie den sthetischen Reiz der verwendeten Einzel- emente verblassen lsst? Solange das Neue vom Alten substanziell profitiert, sollte das Sampeln lizenzpflichtig sein. Fragt sich, wie gut-achtende Kunstexperten ihre Grenzziehungen begrnden sollen. Hier knnten die Kulturwissenschaften mal wirklich Gutes fr die Kultur-produzenten und -verteiler leisten, wenn sie Kriterien fr Originalitt 2.0 erarbeiteten.

    Gutes EndeClyde Stubblefield hat fr die Zweitverwendung seiner Musik bri-gens nie etwas gesehen sein Schlagzeugspiel gehrt den Nachlass-verwaltern von James Brown. Dieser Umstand hat gewisse Vertreter fr eine freie Sampling-Kultur, die sich Copyright Criminals nennen, dazu veranlasst, ihn ins Studio zu bitten, um seine alten Patterns neu einzuspielen. Nun knnen Sample-Knstler auf ihn und nicht auf James Brown als Quelle ihrer Inspiration verweisen. Stubblefield freut sich darber sehr, obwohl er kein Interesse an Profit bezeugt. Ihm geht es um respektvollen Umgang mit seinem Werk.

    Info: Illustrationen Die Foto-Arbeiten zum Schwerpunktthema schuf Benjamin Brckner.

  • Foto: Benjamin Brckner

  • KulturGut 10 | Seite 8 | Wrzburg

    KulturGut | Editorial | Inhalt | Titelthema | Bhne | Musik | Kunst | Literatur | Film | Stadt | Wissenschaft | Interkultur | Service

    FreibeutergedankenDie seltsame Logik der Abgreif-Kunstfreundevon Joachim Fildhaut

    + Im Sommer lieen sich die unterfrnkischen Piraten vom Urheber-rechtsbeauftragten ihrer Partei, Bruno Kramm, coachen. Von der In-formationsflut, die der talentierte Performer im Congress Centrum Wrzburg auf die Nachwuchspolitiker niedergehen lie, rckte die Be-zirksgruppe anschlieend zwei Aspekte besonders und besonders waghalsig in den Vordergrund. Den unterfrnkischen Piraten gefllt die so genannte Hammond-Stu-die, nach der der Kauf von CDs und DVDs bei hherer Filesharing-Rate zunehme. Das Argument pldiert zunchst einmal fr Harmonie zwischen den Tauschbrsen und der Kulturgter-Industrie, indem es beide begtigt: Wenn Fans Musikstcke und Filme im Netz gratis be-schnuppern knnen, dann kaufen sie auch. Eine Lockerung von Nut-zungsrechten schadet den Rechtsinhabern also gar nicht sondern im Gegenteil!Allerdings kann man diese Schlussfolgerung nicht ernsthaft aus dem Material ziehen, das Robert Hammond von der North Caroline State University im Mai dieses Jahres verffentlichte. Der untersuchte nm-lich nicht das freie Lauschen freier www-Brger in Napster-Nachfol-ge-Netzen, sondern einen absolut kontrollierten und daher legalen Datentausch, nmlich die gezielten Vorabverffentlichungen von Mu-sikalben zu Marketingzwecken. Und Hammond fand heraus, dass sol-ches funktioniere. Mehr noch: Begnstigt wrden dabei etablierte und beliebte Knstler, nicht jngere und kleinere.

    Bessere Chancen fr teure StarsWenn unsere Piraten in der deutschen Urheberrechtsdebatte mit der Hammond-Studie winken, dann empfehlen sie der Musikindustrie, sie sollten verstrkt Werke ihrer Umsatztrger vor der offiziellen Verf-fentlichung gratis ins Netz setzen, Neulinge, Kroppzeug und Gedns aber weiterhin so stiefmtterlich behandeln wie gewohnt, denn denen ntzt auch Reklame in legalen Tauschbrsen nichts. Dazu kann man nun stehen, wie man will, juristische Fragen werden von diesen Ein-sichten schlicht nicht berhrt.

    Anders steht es um die zweite Beobachtung, die sich die Piraten zuei-gen machten. Eine Untersuchung aus dem Jahr 2008 habe herausge-funden, dass aktuell nur grob fnf bis zehn Prozent der Schpfungen kommerziell erhltlich sind. Die restlichen 90 Prozent sind nicht zu-gnglich, nicht einmal fr die Erschaffer, da sich ein kommerzieller Ab-satz nicht mehr lohnen wrde, die Rechte jedoch weiterhin bei den Verwertern liegen.

    Verschleudern der VergessenenAngesichts der Mglichkeiten im Netz sollte der Kunstfreund aus die-sem Fakt schlieen: Weil digitale Verffentlichungen nicht von Aufla-genhhen abhngen, bieten sie den Rechteinhabern vllig neue Kal-kulationen, die auch fr die Urheber eine Handvoll Dollar abwerfen knnen. So wohl klingt Zukunftsmusik.Der Pirat denkt anders. Wenn es keine radikale Fehlinterpretation ist, besagt der unterfrnkische Verweis auf die vier Jahre junge US-ame-rikanische Statistik: Ladet rauf, runter, tauscht und kopiert: Es wird ja niemand geschdigt! Vor allem deswegen nicht, weil die Kultur-Frei-beuter doch keinerlei finanzielle Interessen hegen! Es ist ja eh im Prin-zip fast alles gratis.

    Warun nicht gleich Finderlohn? Mit nur noch etwas weniger Recht kann der virtuelle Raubkopierer von z. Z. nicht vermarkteten Werken dann eigentlich auch gleich Fin-derlohn verlangen. Man versetze sich in die Lage eines Fotografen, dessen Bilder pltzlich auf Gratis-Postkarten auftauchen und unter Liebhabern kursieren. Wrde ein Verlag daran verdienen, knnte der Urheber sich an ihm schadlos zu halten versuchen; er bekme wieder einen Marktwert, kann ein Comeback planen Nicht so bei Kunstpi-raterie, die den materiellen Wert ihrer Vorlagen grundstzlich in Fra-ge stellt. Emotionen wie Hilflosigkeit und Wut wren dem Fotografen leicht nachzusehen. Und vielleicht auch der Griff zum Enterhaken.

  • Foto: Benjamin Brckner

  • KulturGut 10 | Seite 10 | Wrzburg

    KulturGut | Editorial | Inhalt | Titelthema | Bhne | Musik | Kunst | Literatur | Film | Stadt | Wissenschaft | Interkultur | Service

    Internet und geistiges EigentumDownload aus dem Internet was ist erlaubt, was verboten?von Werner Nied

  • + Das Internet bietet unzhlige Mglichkeiten zum Download von Da-teien, aber auch Gefahren, weil nicht alles aus dem Internet legal und umsonst heruntergeladen werden kann. Welche Filme, Musiktitel oder Fotos legal herunter- oder welche ins Internet gestellt, d. h. hochge-laden, werden drfen, ist nicht einfach zu beantworten. Generell gilt, dass fremde Filme, Musiktitel oder Fotos, ohne die entsprechenden Rechte zu haben, nicht ins Internet gestellt werden drfen, auch nicht, wenn diese selbst zuvor legal oder ber sogenannte Tauschpro-gramme (dann illegal) heruntergeladen worden sind. Wie schnell diese Grenze berschritten werden kann, zeigt ein weit verbreitetes Alltagsbeispiel. Wer ber Internetplattformen wie ebay oder amazon ein Handy o. dgl. privat zum Verkauf anbietet und ein ALTERA Senioren-Domizil Wertheim

    Willy-Brandt-Strae 297877 Wertheim

    09342-9350-3 (Fax: /-499)[email protected] www.altera-domizil.de

    Fhlen Sie sich dabei im ALTERA Senioren-Domizil Wertheim stets sicher und umsorgt.

    Gerne Infos und Besichtigungen zu jeder Zeit!

    Wir sind fr unsere Nchsten da.

    Dank und Freude 2012Senioren - Domizi l GmbH

    Hier fi nden Sie ein zeitgemes Wohnen

    Hier erleben Sie Qualitt und Individualitt

    Fr Jedermann mit und ohne Handicap

    Sie sind bei uns im Mittelpunkt

    In einer zwischenmenschlichen Atmosphre

    Genieen Sie unser tgliches Angebot anfrischen Speisen und Getrnken

    Ein Wohlfhleffekt mit vielen Ereignissen

    Wir freuen uns auf das Zusammensein

    Ihr ALTERA - Team

    Foto: Benjamin Brckner

  • KulturGut 10 | Seite 12 | Wrzburg

    KulturGut | Editorial | Inhalt | Titelthema | Bhne | Musik | Kunst | Literatur | Film | Stadt | Wissenschaft | Interkultur | Service

    Info: Der Wrzburger Rechtsanwalt Werner Nied ist u. a. spezialisiert auf Urheberrecht und Fragen der Vergtung von Nutzungsrechten, zum Beispiel an die GEMA.

    Foto dieses Handytyps, das ein anderer ins Netz gestellt hat, einfach bernimmt, verletzt dessen Rechte. Dieses fremde Foto darf nicht fr den privaten Verkauf bernommen und ins Internet gestellt wer-den. Fremde Fotos drfen auch nicht einfach auf die eigene Home-page gestellt werden.

    Was knnte eine rechtswidrige Datei sein?Der Download (nicht aber der Upload) fremder Fotos, Lieder oder Filme fr ausschlielich private Zwecke ist dann nicht verboten, wenn er keinerlei Erwerbszwecken dient und die ins Internet gestellte Vorla-ge nicht offensichtlich rechtswidrig hergestellt worden ist. Wenn die Vorlage, die man selbst aus dem Internet runterladen mchte, offen-sichtlich rechtswidrig ins Internet gestellt worden ist, darf man diese nicht auch nicht fr private Zwecke herunterladen. Hat man ber eine Tauschbrse z. B. ein Lied oder ein Film auf seinen Rechner heruntergeladen, stellt man oft schon whrend des Down-loads dieses Lied oder den Film ber die Tauschbrse anderen gleich-zeitig wieder zur Verfgung (Upload), ohne dass man hiervon Kennt-nis hat. Da das Hochladen mittels Tauschbrse ins Internet gestellter fremder Dateien absolut verboten ist es liegt eine offensichtlich rechtswidrig hergestellte Vorlage vor , ist das Herunterladen dieser Datei auch nicht erlaubt, selbst wenn es rein privaten Zwecken dient.Oft ist es nicht eindeutig, wann was erlaubt oder offensichtlich rechts-widrig ins Internet gestellt worden ist, so dass es sich empfiehlt, auf Nummer Sicher zu gehen und Filme, Fotos oder Musiktitel von lega-len Anbietern gegen Entgelt aus dem Internet zu beziehen. Ein Musik-titel kostet zirka 90 Cent. Diese Investition sollte schon mglich sein, anstatt sich der Gefahr des illegalen Downloads/Uploads mit den da-mit zusammenhngenden teuren Abmahnkosten von Rechtsanwlten auseinandersetzen zu mssen.

    Der 200-Euro-SongGerichte haben mittlerweile Personen, die mittels einer Tauschbrse Musiktitel illegal ins Internet gestellt haben, bis zu 150 Euro Schaden-ersatz pro Musiktitel (folglich das 150-Fache der Kosten, das ein Mu-siktitel beim legalen Erwerb gekostet htte) verurteilt. Das OLG Kln hat in einem aktuellen Urteil vom 23. 3. 2012 sogar einen Betrag von 200 Euro Schadensersatz pro Musiktitel anerkannt. Hinzu kommen noch die Gerichts- und Rechtsanwaltskosten.Zwar hat der Gesetzgeber 2008 die anwaltlichen Abmahnkosten bei ei-ner erstmaligen Abmahnung und bei einer nur unerheblichen Rechts-verletzung auf 100 Euro gedeckelt. Die Frage, was eine unerhebliche Rechtsverletzung ist, wird aber von den Gerichten hchst unter-schiedlich bewertet. Die meisten Gerichte sind der Meinung, dass durch das Ins-Internet-Stellen fremder Dateien, z. B. eines Musiktitels, dieser dann weltweit zur Verfgung steht und schon deswegen keine unerhebliche Rechtsverletzung vorliegt. Die Abmahnkosten sind dann nicht auf 100 Euro begrenzt, sondern um ein Vielfaches hher.

    Anti-Software-SoftwareIch empfehle keine Tauschbrsen-Software auf den PC zu installieren, weil die Gefahr des illegalen Uploadens fremder Inhalte einfach zu gro ist. Oft kann ein Song nur aus dem Internet downgeloadet wer-den, wenn zuvor die entsprechende Software installiert worden ist. Noch whrend des Installierens der Software und des Downloadens wird der Musiktitel wieder anderen zur Verfgung gestellt, ohne dass man es bemerkt. Die Musik- und Filmindustrie hat wiederum eine ei-gene Software entwickelt, die im Internet nur nach solchen illegalen Uploads ber Tauschprogramme sucht die Erfolgsquote, erwischt zu werden, ist sehr hoch.

    Warum das deutsche Urheberrecht in Ordnung istDas Urheberrechtsgesetz versucht das Spannungsfeld zwischen dem Kulturschaffenden und dem Interessenten auszugleichen. Zu diesem Zweck hat sich das deutsche Urheberrecht im Prinzip bewhrt, weil es insbesondere das geistige Eigentum des Urhebers schtzt. An die-sem Punkt ist eine Reform wenig sinnvoll. In der politischen Debat-te werden letztlich vor allem populistische Parteieninteressen wie die der Piraten oder Interessen von Lobbyisten verfolgt, die immer zu La-sten der Urheber gehen. Es sollte jedem klar sein, dass derjenige, der z. B. einen Song geschrieben, und die Musikgruppe, die den Song ein-gespielt hat, dieses nicht fr jedermann umsonst gemacht hat, son-dern seinen Lebensunterhalt damit bestreiten will. Warum soll des-halb (wie es weit verbreitet ist) im Internet alles umsonst sein? Wenn Sie, verehrter Leser dieses Artikels, einen Film, einen Song, ein Buch geschrieben oder ein Foto ins Netz gestellt haben, mchten Sie doch auch nicht, dass Ihr Schaffensprodukt fr jedermann zur Verfgung steht und jeder machen kann, was er will.Die Konsumenten mssten rechtlich mehr informiert sein und auch eine einheitliche Rechtsprechung wrde viele Probleme lsen. Wir warten sehnschtig auf ein BGH-Urteil, das Klarheit in Fllen schafft, wann z. B. ein Vater als PC-Anschlussinhaber fr illegale Down- und Uploads seiner Kinder haftet oder in einer Studentenwohngemein-schaft, wo ein Student PC-Anschlussinhaber ist und die anderen Studenten ber WLAN Zugriff zu diesem PC haben. Haftet dann der PC-Anschlussinhaber auch fr das illegale Verhalten seines Studien-kollegen?Das Urheberrechtsgesetz msste dabei nicht vllig neu konzipiert oder sogar wie manche wollen ganz abgeschafft werden. Das be-stehende Urheberrechtsgesetz sieht bereits ein ausgewogenes Ver-hltnis zwischen den Urhebern und den Nutzern vor.

  • KulturGut 10 | Seite 13 | Wrzburg

    KulturGut | Editorial | Inhalt | Titelthema | Bhne | Musik | Kunst | Literatur | Film | Stadt | Wissenschaft | Interkultur | Service

    von Kurt Niederhausen

  • KulturGut 10 | Seite 14 | Wrzburg

    Auf zum Wettbewerb der Publikationssysteme!Creative Commons und Open Access aus juristischer Sichtvon Prof. Dr. Olaf Sosnitza

  • KulturGut 10 | Seite 15 | Wrzburg

    + Creative Commons (CC) wurde 2001 in den USA als gemeinntzige Organisation gegrndet. Grundgedanke der Bewegung ist, einen gr-eren Bestand an frei verfgbaren Inhalten zum gegenseitigen Nut-zen der Beteiligten gerade im Internet zu schaffen. Dazu werden vier Grundformen von Lizenzen zur Verfgung gestellt, zwischen denen der Urheber auswhlen kann: Attribution: Nutzungsrechteinrumung gegen Verpflichtung zur Namensnennung, Share Alike: Nutzer verpflichtet sich, die Verffentlichung von Bear-

    beitungen seinerseits nur unter CC-Bedingungen vorzunehmen, Non Commercial: Keine Erlaubnis zur kommerziellen Weiterverwen-

    dung und

    No Derivative Works: Der Urheber behlt sich das Bearbeitungsrecht vor.

    Einen besonderen Schub hat die internationale Entwicklung dadurch bekommen, dass man sich entschloss, die Lizenzbedingungen an das jeweilige nationale Recht anzupassen. Deutschland war das vierte Land, in dem die CC-Lizenzen in nationales Recht berfhrt wurden. Parallel zu CC in den USA hat sich auch in Deutschland eine Open-Access-Bewegung entwickelt. Im Oktober 2003 unterzeichneten nam-hafte Forschungsinstitutionen sowie die Hochschulrektorenkonferenz und der Wissenschaftsrat die so genannte Berliner Erklrung ber den offenen Zugang zu wissenschaftlichem Wissen. Ziel dieser Er-

    Foto: Benjamin Brckner

  • KulturGut 10 | Seite 16 | Wrzburg

    KulturGut | Editorial | Inhalt | Titelthema | Bhne | Musik | Kunst | Literatur | Film | Stadt | Wissenschaft | Interkultur | Service

    Info: Prof. Dr. Olaf Sosnitza ist Lehrstuhlinhaber fr Brgerliches Recht, Handelsrecht, Gewerblichen Rechtsschutz und Urheberrecht an der Universitt Wrzburg. Der obenstehende Text vereint Auszge aus seinem Aufsatz Google Book Search, Creative Commons und Open Access Neue Formen der Wissensvermittlung in der digitalen Welt?, erschienen in Rechtswissenschaft 3/2010, S. 225-246. Wir danken der Nomos Verlagsgesell-schaft fr die Abdruckgenehmigung.

    klrung ist die Frderung und Durchsetzung des Prinzips des offenen Zugangs. Open-Access-Verffentlichungen sollten danach originre wissenschaftliche Forschungsergebnisse ebenso umfassen wie Ur-sprungsdaten, Metadaten, Quellenmaterial und digitale Darstellungen von Bild- und Graphik-Material. Zum einen gewhren die Urheber und Rechteinhaber allen Nutzern unwiderruflich das freie, weltweite Zu-gangsrecht zu diesen Verffentlichungen und erlauben ihnen, diese Verffentlichungen in jedem beliebigen digitalen Medium und fr jeden verantwortbaren Zweck zu nutzen, zu kopieren sowie Be-arbeitungen davon zu erstellen, sofern die Urheberschaft korrekt an-gegeben wird. Zum andern ist Voraussetzung, dass eine vollstndige Fassung der Verffentlichung mindestens in einem wissenschaftli-chen Archiv hinterlegt wird. Im Rahmen der Allianz-Aktivitten sollen Anreizkonzepte entwickelt werden, um die einzelnen Wissenschaftler dazu zu bewegen, Publi-kationen als Erstverffentlichungen unmittelbar frei zugnglich zu machen oder aber ihre Forschungsergebnisse zumindest nach einer Verffentlichung in den klassischen Medien zustzlich ber Publikati-onsserver verfgbar zu machen. Dazu wollen die Wissenschaftsorga-nisationen im Zuge einer zuknftigen Novellierung des Urheberrechts darauf dringen, dass den Autoren eine Art unabdingbares Zweitver-ffentlichungsrecht eingerumt wird. In einer ergnzenden Erklrung wurde 2009 klargestellt, dass sich die Forderung nach entgeltfreier Pu-blikation ausschlielich auf Forschungsergebnisse beziehe, die durch den Einsatz ffentlicher Mittel erarbeitet wurden, und daher keines-falls etwa belletristische Schriften erfasse, aus deren Verwertung Au-toren ihren Lebensunterhalt bestreiten.

    Vorteile und KritikpunkteOpen Access hat unbestreitbar eine Reihe von Vorteilen fr die beteili-gten Interessengruppen. Der einzelne Autor hat die Mglichkeit, seine Forschungsergebnisse schneller und kostengnstiger als ber einen klassischen Verlag publik zu machen. Fr die Nutzer ist die schnelle und kostenfreie Verfgbarkeit des Wissens ein erheblicher Vorteil. Da-mit einher geht ein gesellschaftlicher Nutzen fr die Allgemeinheit ins-gesamt, da Wissen auf breiter Basis leichter zugnglich wird, doppelte Forschung und somit Ressourcenverschwendung vermieden werden kann und auf diese Weise der Fortschritt generell gefrdert wird.Allerdings: Bevor frei zugngliche elektronische Archive und Zeit-schriften keine wissenschaftliche Reputation erworben haben, werden renommierte Forscher eher davon absehen, ihre Forschungsergeb-nisse dort zu publizieren; umgekehrt wird es fr solche Archive und Zeitschriften schwierig, sich einen entsprechenden Ruf aufzubauen, wenn keine renommierten Forscher gewonnen werden knnen. Ge-gen Open Access wird des Weiteren das Problem der Textverantwor-tung angefhrt: Wissenschaftliche Verffentlichungen verlangen nach einem Autor, der als Person die Verantwortung fr seinen Text trgt. Ebenso wenig von der Hand zu weisen sind Fragen der Sicherheit und der Technik. Dies beginnt mit dem Problem der Langzeitarchivierung: Welche Folgen hat eventueller Datenverlust? Und wie wird das Sys-tem gegen Datenangriffe von auen durch Hacker geschtzt? Schlie-lich wird eine Entindividualisierung der Autorschaft befrchtet. Da Open Access im Sinne der CC-Lizenz Abwandlungen bzw. Bearbei-tungen des Werkes erlaubt, solange nur die Urheberschaft korrekt an-gegeben wird, fhre die Namensnennung womglich dazu, dass dem

    Autor solche Inhalte zugerechnet werden, die vom Bearbeiter stam-men und mit denen der Autor nicht einverstanden ist.Ob es sich dabei um echte Gefahren oder vielleicht doch nur um un-vermeidbare Schwierigkeiten bei der Etablierung eines neuen Sys-tems im Sinne von Kinderkrankheiten handelt, ist nicht einfach ab-zuschtzen. So kann man darauf vertrauen oder hoffen, dass sich die Technik etwa zur Langzeitarchivierung oder zur Erkennung von Plagi-aten fortentwickeln wird, oder man kann dem pessimistisch gegen-berstehen. Da bietet sich als Ausweg nur ein Wettbewerb der Systeme an: Wer auf Open Access vertraut, der mag seine Publikationen ent-sprechend einstellen und freigeben, wer sich dem nicht anzuschlieen vermag, der kann weiterhin dem klassischen Verlag die Treue halten. Um eine strkere Nutzung von Open Access zu ermglichen, sind ei-ne Reihe von rechtspolitischen Vorschlgen gemacht worden. Diese reichen von der ausdrcklichen Aufnahme einer urheberrechtlichen Anbietungspflicht ber ein zwingendes Zweitverwertungsrecht bis hin zur generellen Ausnahme von mit ffentlichen Geldern gefrderten Publikationen vom Urheberrecht. Der dritte Vorschlag ist der radi-kalste Weg: Sollten ffentlich finanzierte Forschungsergebnisse als f-fentliche Gter definiert und damit von vornherein vom Urheberrecht ausgenommen werden? Allerdings drfte dieser Weg kaum mit den bisherigen Grundstzen des Urheberrechts und mit internationalen Vorgaben vereinbar sein.

    FazitDie digitale Revolution und das Internet bieten die Chance, Wissen in bisher nie dagewesenem Ausma zugnglich zu machen und dadurch wiederum zustzliches Wissen zu generieren. Flchendeckend und zum Wohle aller kann dies aber nur mit und nicht gegen die beteilig- ten Akteure geschehen. Open Access steht vor der Herausforderung, die richtige Balance zwischen den Interessen der Allgemeinheit und der betroffenen Autoren und Verlage zu finden. Vor dem Hintergrund ungelster technischer Probleme und der Entwicklungsoffenheit (wis-senschafts-)kultureller Gewohnheiten sollte der Systemwettbewerb zwischen klassischer Publikation und Open Access die Zukunft be-stimmen. Dabei wird das Urheberrecht seiner Rolle als Schutz und Motor des geistigen Eigentums auch in einer digitalen Welt grundstz-lich gerecht. Jedoch zeigt die Globalisierung der wirtschaftlichen Vor-gnge strker als bisher die Notwendigkeit auf, zu einer weiteren in-ternationalen Vereinheitlichung der rechtlichen Rahmenbedingungen zu gelangen.

  • KulturGut 10 | Seite 17 | Wrzburg

    KulturGut | Editorial | Inhalt | Titelthema | Bhne | Musik | Kunst | Literatur | Film | Stadt | Wissenschaft | Interkultur | Service

    + Herr S. aus W. untermalt sein Amateurvideo mit aktuellem Pop und stellt es auf einer sozialen Plattform ins Internet. K. aus H. macht seinen Web-Freunden per Soundfile Singles eines vergessenen Coun-try-Sngers der 1960er Jahre zugnglich. Das Duo F. mixt Stadtge-rusche, selbstgenerierte Klnge und Zitate von Rock-CDs. Auch diese Klangcollagen kann jeder Mensch aus dem Netz fischen.

    Joachim Fildhaut: Wie kommen die Urheber an Geld, wenn ihre Werke von jedermann vervielfltigt werden knnen? Die derzeit oft gehrte Antwort, Die kriegen kein Geld, fhrt bemerkenswerte Be-grndungen auf nach kurzer Prfung allesamt Unfug.

    Christian Neubert: Ja, das kann ich nur unterschreiben. Die Technik erlaubt nun mal praktisch kostenlose Verfielfltigung. Daraus abzulei-ten, das Original sei nichts mehr wert, ist bedauerlicher Unsinn. Es ist aber gleichermaen Unsinn, dass bloes Kopieren juristisch auf glei-che Weise behandelt wird wie der kreative Prozess des Sampelns, bei dem man sich ein Stckchen aus einem vorhandenen Werk heraus-pickt, um unter Einbezug von etwas Altem Neues zu schaffen.

    Fildhaut: Solange man strikt von der Produktion aus urteilt, mssen Juristen und Interessengruppen wohl jegliches verwendete Material gleichermaen schtzen. Aus der Perspektive der Rezeption ist das viel einfacher: Wenn ein gesampeltes Musikelement nicht wiederzuer-kennen ist, hat der Urheber kein Recht mehr dran. Dagegen: Wenn der Hrer seinen Spa eher an den geremixten Originalen als am Remix hat, dann wird gelhnt.

    Neubert: Dazu lohnt sich ein Blick in die Vergangenheit: Mitte der Ach-tiger bis in die Neunziger hinein wurden Platten verffentlicht, die auf-grund der Virtuositt im Umgang mit Zitaten als bahnbrechend gel-ten. Samples aus Musik, die bis dahin als unvereinbar galt, wurden zu etwas zusammengefhrt, das es noch nicht gegeben hat und ent-sprechend Originalittscharakter aufwies. Der Hauptreiz fr den H-rer ist dabei der neue Kontext, in dem etwas Altbekanntes stattfindet wenn das gesampelte Versatzstck berhaupt identifiziert werden kann. Sich sampletechnisch bei vielen Quellen zu bedienen war da-

    mals ein Verkaufsargument. Heute ist dieser Praxis ein Riegel vorge-schoben. Platten, wie sie damals rausgebracht wurden, knnen heute rein rechtlich nicht mehr verffentlicht werden. Trotzdem geschieht es im musikalischen Underground noch stndig.

    Fildhaut: Das klingt, als httest du Angst, dass deine alten HipHop-Platten konfisziert wrden, weil auf denen nicht alles urheberrechts-konform zugeht.

    Neubert: Sorgen mache ich mir eher wegen der Neuerscheinungen. Der US-amerikanische Musiker Jaime Meline sagt, dass er inzwischen sehr bedchtig mit dem Einsatz von Samples umgehe wenn ihm je-mand den Ursprung eines verwendeten Samples nachweisen kn-ne, dann htte er schlechte Arbeit geleistet. hnlich uert sich auch Hank Shoklee, der an vielen Produktionen, die vor gut 20 Jahren fr ihre Innovation gefeiert wurden, mitgewirkt hat. Wenn er heute Musik produziere, dann so, dass sich die Rechtsanwlte der groen Musik-verlage die Zhne daran ausbeien wrden, wenn sie ihm die Quellen seiner Samples nachweisen wollten. Dies geschieht parallel zu dem Phnomen, dass Welthits schamlos ausgeschlachtet werden, um neue Welthits zu kreieren kein Pro-blem, wenn man als Band bei einem groen Label unter Vertrag ist, da man sich zum einen preiswert aus dem Back-Katalog des eigenen Ver-lags bedienen kann und zum anderen die Infrastruktur des Verlags es erlaubt, Musik wie einen Hollywood-Blockbuster zu produzieren: Man gibt Unmengen an Geld aus, um noch mehr Geld zu verdienen.

    Fildhaut: Das sind aber eher Ausnahmeflle: groe Hits, viel Geld, geregelte Vertrge. Demgegenber sind Millionen Hobbyknstler im Web 2.0 unterwegs, basteln Filmchen zu ihrer Lieblingsmusik und zh-len stolz, wie oft sie angeklickt werden. Tendenziell gerecht, dass die entsprechenden Plattformen mittlerweile Pauschalabgaben an Ver-wertungsgesellschaften abfhren. Und technisch faszinierend, dass die betroffenen, verwerteten Knstler auch individuell lizensiert wer-den knnten: Der Videovertoner zahlt eine Gebhr gestaffelt nach der Hhe der Clickrate! Die knstlerischen Werkstoffe, die er verwendet, kosten eben genauso Geld, wie ein Maler fr seine lfarben zu lhnen

    Vom Hrer betrachtet wird alles recht einfachKulturGut Mitarbeiter Christian Neubert und Joachim Fildhaut errtern Restprobleme der Nutzung geschtzter Kunstwerke

  • KulturGut 10 | Seite 18 | Wrzburg

    KulturGut | Editorial | Inhalt | Titelthema | Bhne | Musik | Kunst | Literatur | Film | Stadt | Wissenschaft | Interkultur | Service

    hat. Bei stmperhaften Urlaubsfilmen, von Pink Floyd vertont, mag unser Vergleich mit der bildenden Kunst darauf hinauslaufen, als ob der Maler mit sndteuren Kobalt-Pigmenten und Blattgold auf einem selbstlaubgesgten Schlsselbrett pinselte. Wenn dem Hobbyregis-seur ein paar Dollar Lizenzen zu viel sind, dann soll er die Finger da-von lassen.

    Neubert: Vielleicht sollte er das wirklich. Wenn er allerdings nicht die Finger davon lsst, dann kann ich mich dennoch an dem Bild erfreuen, fr dessen Entstehung der Maler das Risiko eingegangen ist, Kobalt und Blattgold zu klauen.

    Fildhaut: Du meinst, du bewunderst den, der aus Leidenschaft zum Verbrecher wird?

    Neubert: Kunst ist doch hufig ein doppelbdiges Spiel. Der Street-Artist Banksy war solange nur ein Verbrecher, ein Vandale, bis er auf einmal der weltberhmte Knstler war, der er heute ist weil ihn die Rezeption dazu gemacht hat. Und Werner Herzog hat mal gesagt, dass du, wenn es dir wichtig ist, einen Film zu drehen, im Zweifelsfall eine Kamera klauen und an dem Ort, an dem du drehen willst, einbrechen sollst. Aber zurck zur Musik: Die meisten Knstler verdienen nur ein paar hundert Dollar durch Albumverkufe und gehen einer nicht-knstlerischen Arbeit nach, um ihre Kunst zu finanzieren. Die fragen erst gar nicht nach, weil sie berechtigterweise von einer horrenden Forderung ausgehen, die sie nicht stemmen knnen und weil gleich-zeitig das Risiko, ertappt zu werden sehr gering ist. Dass diese Art von Vergehen sozusagen gang und gbe ist, weist deutlich darauf, dass auf juristischer Ebene etwas schief luft.

    Fildhaut: Dann bist du sicher dafr, dass Abgaben fr Disk-Jockeys nicht pauschal entrichtet werden, sondern exakt nach dem, was der Knabe so zusammengemixt hat.

    Neubert: Die Playlist-berwacher knnen unmglich nachtrglich ein DJ-Set analysieren, in dem stndig mehrere Musikstcke parallel lau-fen, die ganze Nacht lang.

    Fildhaut: Die sind nur zu faul dazu oder finden die Verwaltungsarbeit uncool. Was die DJs von ihren Laptops verwenden, lsst sich doch am Ende der Nacht sogar automatisch auf einer Excel-Tabelle ausdrucken. Fr eine punktgenaue Abrechnung kreativer Leistungen auch und gerade im Internet gibt es brauchbare Software in Hlle und Flle.

    Neubert: Die Praxis hakt leider sehr: In Deutschland betrachtet die GE-MA in 120 ausgewhlten Locations die gespielte Musik als reprsenta-tiv und fhrt entsprechend Geld an Verlage und Knstler ab. Dadurch werden millionenschwere Populrmusiker noch um weitere Millionen schwerer, wohingegen unbekannte Knstler, deren Musik in kleinen Szenelokalen gespielt wird, um ihr Geld gebracht werden.

    Fildhaut: Bei allem Reformbedarf der Abrechnungsmodi: Wenn wir eine gerechte Lsung suchen, drfen wir uns nicht davon beir-ren lassen, dass Millionre anteilig mehr von ihr profitieren als arme Schlucker. Momentan gehen die Urheber bei vielen Grauzonen-Verf-fentlichungen leer aus. Eine nderung dieser Lage soll ja nicht gleich eine Robin-Hood-mige Umverteilung mit sich bringen.

    Neubert: Vielleicht ist die Frage ja auch eine andere, nmlich diese: Wie kann jemand Eigentmer eines Tones sein? Der Blues-Musiker Muddy Waters hat in einem Interview mal erklrt, er habe sich fr ei-nen Song soundtechnisch bei einem gewissen Robert Johnson be-dient und dieser habe den Sound von den Baumwollfeldern aufge-griffen.

  • Foto: Benjamin Brckner

  • KulturGut 10 | Seite 20 | Wrzburg

    Laden dicht?Die geplante GEMA-Reform und ihre mglichen Auswirkungen auf das kulturelle Leben in Wrzburgvon Daniel Staffen-Quandt

    + Allein beim Klang dieses Akronyms stellen sich bei vielen Diskobe-treibern und Konzertveranstaltern schon die Zehenngel hoch: GEMA. Die Gesellschaft fr musikalische Auffhrungs- und mechanische Ver-vielfltigungsrechte sorgt mit ihrer geplanten Tarifreform, gelinde ge-sagt, fr Verstimmung. Auch in Wrzburg. Nur: Offen will kaum einer ber die GEMA schimpfen, schlielich ist sie Monopolist, von Gerich-ten wird sie als quasistaatliche Institution betrachtet und sitzt so meist am lngeren Hebel. Nur einer poltert richtig los. Wolfgang Weier, Sprecher der Diskothek Airport in der Gattinger Strae, lsst kein gutes Haar an der GEMA und ihrer Tarifreform und rechnet vor: Derzeit bezahle das Airport im Jahr rund 25.000 Euro GEMA-Gebhren, mehr als 2000 Euro im Mo-nat. Nach geplanter Reform seien es zwischen 190.000 und 390.000 Euro jhrlich, sagt Weier: Je nachdem, welchen der vielen GEMA-Rechner man verwendet. Doch selbst im besten Fall stehe das Air-port vor dem Aus.

    Colakisten aus der GroraumdiskoLaut elektronischem Bundesanzeiger macht die Air Diskothekenbe-triebs-GmbH zwar jedes Jahr ein ordentliches Plus. Bei 200.000 Eu-ro plus X liegt der berschuss seit vielen Jahren. Damit knnten wir freilich die gestiegenen GEMA-Gebhren bezahlen, sagt Weier je-denfalls, wenn der Worst-Case nicht eintrete. Von was dann aller-dings Reparaturen oder auch neue Technik bezahlt werden sollen, ist unklar. Das Dach muss gemacht werden, das kostet alleine 350.000 Euro, rechnet Weier weiter.Ein Einzelschicksal, knnte man meinen. Eine Diskothek am Stadt-rand, die nicht profitabel genug ist, um endlich GEMA-Gebhren in fairer Hhe zu bezahlen. So sieht es nmlich die Gesellschaft selbst. Im Zuge der Reform sollen aus derzeit elf Tarifen zwei werden, mit allerhand Ausnahmeregeln. Etwa 60 Prozent der gebhrenpflichtigen Veranstaltungen werden zum Teil erheblich gnstiger oder kosten genauso viel wie bisher. Teurer werde es fr hochpreisige Events so-wie fr Clubs und Diskos.

    Andreas Eder vom Zauberberg sagt, nach ersten Recherchen steige die GEMA-Gebhr fr den Club um das Sechs- bis Siebenfache pro Jahr. Das ist wirtschaftlich fr uns kaum tragbar, betont er. Die GE-MA hingegen moniert, dass Clubs und Diskotheken bislang lcherlich wenig fr die Musiknutzung bezahlen, ohne diese Musik aber gar kei-ne Geschftsgrundlage htten: Teilweise zahlen Diskos und Clubs nur 20 bis 30 Euro pro Nacht an die GEMA den Gegenwert von zwei, drei Kisten Cola. Eine solche Einschtzung kommt bei Diskobe-treibern nicht gut an. Eder kennt keinen Club, wo das tatschlich so ist. Die GEMA nutze ihre Monopolstellung rcksichtslos aus. Und Wolfgang Weier vom Airport rumt ergnzend ein: Klar, wir htten auch bei einer Erhhung von 50 Prozent arg gesthnt aber das jetzt ist ein letztes Japsen ums berleben.

    36.000 Euro fr GratisfestivalBeide fordern eine Konkurrenz fr die GEMA, so wie in anderen Ln-dern. In den USA zum Beispiel htten Musikunternehmer die Wahl zwischen mehreren Anbietern, die Gebhren fr die Urheberrechte eintreiben. Mit der bisherigen GEMA-Diskopauschale habe man gut leben knnen, dass diese Praxis nun einseitig von der GEMA aufge-kndigt werde und so massive Mehrkosten mit sich bringe, sei voll-kommen inakzeptabel. Aber es ist typisch GEMA, sagt Weier.Anders als die kommerziellen Anbieter halten sich die Festivalbetrei-ber in Wrzburg mit Kritik zurck. Und auch das hngt mit der Mo-nopolstellung der GEMA zusammen, sagen sie hinter vorgehaltener Hand viele haben Deals mit der GEMA. Das macht vorsichtig. Fast alle knnten sich weder ihren regulren aktuellen noch einen neuen Tarif leisten. Das Umsonst & Draussen etwa bezahlt derzeit fr vier Tage Festival rund 5000 Euro, aber auch nur, weil die Hrtefallrege-lung angewendet wurde.Bis vor kurzem berechneten sich die GEMA-Tarife fr Festivals nach der Zahl der Besucher und dem Eintritt. Weil das Wrzburger U & D eintrittsfrei ist, wurde aus 60.000 Besuchern quasi rckwrts eine Quadratmeterzahl errechnet, auf deren Grundlage dann wieder eine

  • KulturGut 10 | Seite 21 | Wrzburg

    Duggen, der auch Vorsitzender des U & D-Vereins ist, prognostiziert, dass es mit den neuen Tarifen der GEMA nur dann ein Umsonst & Draussen mehr geben wird, wenn die Hrtefallregelung greift. Nicht, weil man keine Lust habe, Geld fr die Urheberrechte zu bezahlen, sondern weil man gar nicht knne. Das Festival macht keinen Gewinn. Wenn wir mal 4000 Euro Plus pro Jahr machen, ist das toll, dann war super Wetter, so Duggen. Damit knne man die GEMA-Mehrkosten nicht auffangen. Andere Veranstalter eintrittsfreier Festivals holen wegen der ge-planten GEMA-Tarifreform zu einem Rundumschlag gegen die Orga-nisation aus: Wir machen das, was die GEMA laut Satzung eigentlich tun sollte: Nachwuchsfrderung, betont einer, der nicht genannt wer-den will. Kostenlose Festivals bten Nachwuchsknstlern eine Bh-ne, diese zerstre man mit den geplanten neuen Tarifen. Die GEMA sollte lieber mal ihre eigene Satzung erfllen, da steht Nachwuchs-frderung explizit drin. Dass gerade nicht-kommerziellen Veranstal-tungen durch die geplante Tarifreform das Aus drohe, sei einfach nicht fair, findet Duggen. Von den nderungen wren auch andere Freiluft-Events wie das STRAMU oder das Stadtfest betroffen. Auch bei den dortigen Veranstaltern ist das Verstndnis ber das Vorgehen der GE-MA verhalten. Ob durch die neuen Tarife der Forstbestand der Veran-staltungen bedroht ist, kann noch niemand abschtzen.Die eine Wahrheit gibt es bei der Diskussion wahrscheinlich nicht, die GEMA zu Beginn der Debatte noch sehr leise und zurckhaltend schlgt inzwischen jedenfalls auch schrille Tne an. Sie wirft den Club- und Disco-Betreibern sowie deren Verbnden wie etwa dem DEHOGA vor, mit falschen und extremen Rechenbeispielen Stimmung gegen die Tariflinearisierung zu machen. Fakt allerdings ist: Die neuen Tarife entstanden hinter verschlossenen Tren, Auenstehende waren nicht beteiligt. Und das sorgt anders als die GEMA beteuert nicht nur bei gewerblichen Musikunternehmern fr Sorgenfalten, sondern auch bei Musik- und Schtzenvereinen. Denn auch ein Volksfest mit Blasmusik unterliegt der Gebhrenpflicht. Die Schtzenvereine etwa frchten, dass mit den neuen Tarifen Kostensteigerungen von bis zu 300 Pro-zent auf sie zukommen. Fr viele Vereine wrde das bei Schlechtwet-ter und wenigen Festbesuchern die Zahlungsunfhigkeit bedeuten.

    Foto: Benjamin Brckner

    Summe X errechnet wurde bisher eben rund 5000 Euro. Nach den neuen Tarifen wrden daraus mindestens 20.000 Euro und mehr, wenn die Hrtefallklauseln pltzlich nicht mehr angewendet werden. Fr den schlimmsten Fall haben die U & D-Macher 36.000 Euro GEMA-Gebhren ausgerechnet. Das wrde dem Festival den Todessto ver-setzen auer es fnde sich ein Sponsor bereit, diese Summe fr die GEMA aufzubringen. Doch daran glaubt beim Trgerverein des Um-sonst & Draussen niemand.

    Ein Konzerttag sind zehn TanznchteViele Kulturschaffende monieren, trotz neuer Tarifstruktur bleibe eine schreiende Unverhltnismigkeit: Eine gewerbliche Disko zahlt momen-tan 25.000 Euro jhrlich ein viertgiges Umsonst-Festival 5000. Knf-tig knnten daraus 390.000 gegenber 36.000 Euro werden, statt einem Fnftel immerhin etwa ein Zehntel eine Differenzierung zwischen kom-merziellen oder ehrenamtlichen Veranstaltern fehlt jedoch weiterhin.Dass bei der GEMA nicht alles rund luft, rumen auch Insider ein. Ein groes rgernis ist etwa seit jeher der Verteilungsschlssel, also wel-cher Urheber welchen Anteil der eingetriebenen Gebhren erhlt. Offen sagen will es niemand, aber das hochkomplexe Verteilungsverfahren begnstigt stets die groen Unterhaltungsmusiker, also die Bohlens und Siegels dieser Welt. Denn alle Gebhren, die sich nicht klar einem Urhe-ber zuordnen lassen, kommen in einen groen Topf und werden verteilt.

    Der Willkr Tr und TorDas Problem sind aber nicht die neuen Tarife an sich, sondern die Macht der GEMA berhaupt, sagt Ralf Duggen, Vorsitzender des Dachverbandes der freien Kulturtrger in Wrzburg. Er kenne Klagen vieler Kulturschaffender, die der GEMA Beliebigkeit vorwerfen. Heu-te sagen sie, die Hrtefallklausel wird sicher angewendet, auch wenn die Mitarbeiter das offiziell gar nicht drfen. Drei Monate spter kurz vor der Veranstaltung wei keiner was davon. Das ist das Gegenteil von Planungssicherheit

  • KulturGut 10 | Seite 22 | Wrzburg

    KulturGut | Editorial | Inhalt | Titelthema | Bhne | Musik | Kunst | Literatur | Film | Stadt | Wissenschaft | Interkultur | Service

    Mainfrnkische TheaterwerkstattEinzigartig: Frankenhalle als Modell fr bundesweit einmalige Behindertenarbeitvon Joachim Fildhaut / Fotos: Andreas Grasser

    + Es wre ein kleiner Schritt in Richtung auf eine groe Vision, sagt Werner Sendner, Geschftsfhrer der Mainfrnkischen Werksttten. Seine Vision heit Inklusion Bedingungen schaffen, in denen kein Unterschied zwischen Menschen mit und ohne Behinderung gemacht werden muss. Als kleinen Schritt hierzu planen die Mainfrnkischen Werksttten eine Kooperation mit dem Mainfranken Theater. Doch was auf diesem Themenfeld klein und was gro ist, das changiert je nach Perspektive. Eine Zusammenarbeit der beiden Einrichtungen schafft zwar keine ganze inkludierende Gesellschaft, setzt aber durch-aus groe Mastbe. Einen bundesweit einmaligen Konzeptansatz nennt Sendner sein Angebot an die Stadt Wrzburg. Und Stefan Merk, Leiter des Theater Augenblick und somit eines Teils der Mainfrn-kischen Werksttten, begeistert sich: Das wrde berall Schlagzei-len machen! Fr die Wrzburger besonders interessant: Schauplatz des Geschehens ist die Frankenhalle, deren Baulast geringfgig, aber doch merklich erleichtert wird.

    Erhebliche Erleichterung der BaulastDoch zunchst: Was ist das Einmalige an der Konstellation? Partner A, die Mainfrnkischen Werksttten mit dem Theater Augenblick, brin-gen als groe Seltenheit auf deutschem Boden ein Ensemble von acht geistig behinderten hauptberuflichen Schauspielern und vier Tnzern mit. Das Theater Augenblick ist eins der wenigen Theater in Deutsch-land, das einzige in Bayern, bei denen Menschen mit geistiger Behin-derung seit 14 Jahren dem Beruf als Schauspieler nachgehen knnen. Sie selbst entwickeln die Theaterstcke mit. Andere Truppen an Be-hindertenwerksttten agieren meist nur im Freizeitbereich; dort wird die knstlerische Bettigung nicht als Arbeitszeit angerechnet. Und wenn Theatergruppen mit geistig behinderten Schauspielern mit an-deren Bhnen kooperieren, dann seltenst mit Stadt- oder Staatsthe-atern, sondern mit Privatbhnen. Stefan Merk kennt einige solcher Konstellationen aus Berlin und Hamburg. Eine dauerhafte Kooperati-

    Schon fr sich allein ist das Ensemble der Mainfrnkischen Werksttten hier in Koproduktion mit dem Tanzraum ein Unikum. Aus der Zusammenarbeit mit einem Kommunaltheater

  • on mit einem Theater der ffentlichen Hand gibt es nicht, meist geht es ber Gastspiele oder einzelne Projekte nicht hinaus. Die Wrzbur-ger hingegen denken auf mehreren Ebenen eine dauerhafte Koopera-tion mit Partner B an.Und die geht so: Die Mainfrnkischen Werksttten mssen erwei-tern. Von den 560 Beschftigten in den Industriegebieten oberhalb der Nrnberger Strae (und in angemieteten Husern wie in Gerbrunn) arbeiten 60 auf berbelegten Posten. Jetzt haben die Frderstel-len diesen Bedarf bewilligt. Diplom-Kaufmann Sendner mchte aber nicht fr alle fnf Dutzend Mitarbeiter neue Einsatzorte auf der Gr-nen Wiese schaffen. 20 Leute sieht er lieber in Ganztagsbetreuung an der Frankenhalle, wenn das Mainfranken Theater fertig saniert ist. Die Stadtbhne will nmlich fr ihren bergangsbetrieb auf den Platz der ehemaligen Stallungen hinter der Halle vier wrfelfrmige Werkstatt-gebude zu setzen. Wenn sie ihren Hauptspielbetrieb wieder an die Ludwigstrae zurckverlegt, knnte einer dieser Kuben frei werden.

    knnten ganz neue Qualitten von Interaktion erwachsen.

  • KulturGut 10 | Seite 24 | Wrzburg

    KulturGut | Editorial | Inhalt | Titelthema | Bhne | Musik | Kunst | Literatur | Film | Stadt | Wissenschaft | Interkultur | Service

    Die Mainfrnkischen Werksttten bieten sich hier als Nutzer an. Aus der rumlichen Nhe kann sich Inklusion entwickeln, sagt Werner Sendner. So kann er sich vorstellen, dass seine Leute die Pausenbe-wirtung, den Garderobendienst oder die Reinigung bernehmen. Ste-fan Merk wei aus dem Augenblick: Das ist fr unsere Besucher eine wichtige Erfahrung, dass Menschen mit geistiger Behinderung ganz selbstverstndlich als Kartenabreier arbeiten und in der Pau-se Getrnke ausschenken. Im Unterschied zu seinem 99-Sitze-Haus wrden in der Frankenhalle aber gleich mehrere Hundert Gste am Abend solche Eindrcke sammeln.

    Kunst kennt keine BehinderungDie Gro-Klein-Frage ist auch hier Teil des Problems und Teil der Lsung. Das Theater Augenblick hat einen schnuckeligen Saal im In-dustriegebiet Ost, aber wenn nur knapp 100 Tickets verkauft werden knnen, lassen sich Gast-Ensembles kaum fi nanzieren. Auerdem brauchen auswrtige Knstler Platz und wollen sich nicht stndig an den Bhnenaufbauten aus der laufenden Augenblick-Produktion stoen. Und noch einen Nachteil der gegenwrtigen Adresse fhrt Merk an: Die Strae Im Kreuz liegt nicht gerade an einer Kulturmei-le der Stadt Wrzburg. Das sind alles gute Grnde um den Finger zu heben: Wre in der Frankenhalle nicht auch Platz fr eine Probebhne des Augenblick-Ensembles? Wenn das Mainfranken Theater nach der Renovierung des Stammhauses nmlich auch einen Dauerbetrieb an der Veitshchheimer Strae genehmigt bekommt, dann knnte diese Raumkapazitt in der Frankenhalle als Nebenspielsttte, als Kammer dienen. Ein Foyer, zwei Bhnen, erwrmt sich Stefan Merk bei dem Gedanken, dass das Theater Augenblick in dieser Konstella-tion nicht mehr als Behindertenbhne, als Teil der Mainfrnkischen

    Werksttten, sondern als inklusiver Bestand der Frankenhalle wahrge-nommen wrde. Sein Chef Sendner frchtet dabei nicht ums Image: Es ist okay, wenn Werkstatt als eigenstndig sichtbarer Bereich auf-gelst wird, sieht er diese Dynamik ganz auf Linie der Inklusion.Am meisten erfreut den knstlerischen Leiter die Aussicht, dass sei-ne Spieler und das Kommunal-Ensemble ja im selben Haus eine gleiche Arbeit machen und es auch zu einem Austausch von Regis-seuren, Schauspielern und Handwerkern kommen kann. Bisweilen ar-beitet das Theater Augenblick schon heute mit externem Personal. So wird die kleine Kompanie fr Tanztheater ebenso wie die Clowns-gruppe von Gsten trainiert. Ein Merk-Satz bndelt die Aktiva: Kunst kennt keine Behinderung.

    Die drei Vorteile fr die Stadt und ihr TheaterAls Gewinn des Mainfranken Theaters und der Kommune summieren die beiden: 1.) Die Stadt hat einen Nachnutzer fr den vierten Pavillon-bau hinter der Frankenhalle. 2.) Die Mainfrnkischen Werksttten be-teiligen sich an den laufenden Betriebskosten der Frankenhalle, falls das Mainfranken Theater diese Immobilie nach der Renovierung des Stammhauses dauernd bespielt. 3.) Wrzburg hat ein Vorzeigeprojekt, mit dem es im ganzen deutschsprachigen Raum Furore machen kann.

    Eine Idee entstandEine Kooperatioin fgt sich in den kommunalen Aktionsplan Inklusi-on, mit dem Wrzburg laut Pressesprecherin Claudia Penning-Lother als eine der ersten Kommunen in Bayern auch eine Vorreiterrolle ein-

    Das Augenblick erprobt Tanztheater zur Talentfrderung.

    Well

    nes

    s- u

    nd Ko

    smetikoase Salzsee

    Therm

    al-Badehallen Sa

    unal

    andsc

    haft

    Wasser, Wrme, Wohlgefhl!

    jetzt schon an

    weihnachten

    denken

    und einen erho

    lsamen

    Thermen-Gutschein

    verschenkenFranken-Therme Bad Windsheim GmbHErkenbrechtallee 10 D-91438 Bad Windsheim Telefon 0 98 41 / 40 30 0 Fax 0 98 41 / 40 30 10E-Mail: [email protected] Internet: www.franken-therme.net ffnungszeiten tglich von 9.00 bis 22.00 Uhr

    Ihr Hoch-Gefhl

    12_0727_entw02_RZ.indd 1 13.08.12 10:51

  • KulturGut | Editorial | Inhalt | Titelthema | Bhne | Musik | Kunst | Literatur | Film | Stadt | Wissenschaft | Interkultur | Service

    nehmen knnte. Die allererste Idee sah noch nicht so weittragend aus. Stefan Merk hatte sie: Wie wre es, wenn das Mainfranken The-ater whrend seiner Sanierung einen Teil des Kammer-Programms in das Theater Augenblick auslagerte? Eine gnstige Stunde, diesen Vorschlag zu unterbreiten, kam im November 2011, als Merk und sei-ne Truppe im Groen Haus an der Ludwigstrae die Kulturmedaille der Stadt erhielten. Merk kam ins Gesprch mit dem Intendanten Her-mann Schneider, der zwar nicht davon angetan war, sein Publikum in die Gewerbezone auszusiedeln, aber mit der Gegenfrage konterte: Was knnte man denn gemeinsam in der Frankenhalle auf die Beine stellen?Inzwischen reiften nicht nur die Detailberlegungen. Freistaat und Bund genehmigten auch bereits die Frderung von 60 Betreuungsplt-zen, von denen 20 an der Frankenhalle angesiedelt werden knnten. Was genau hier gearbeitet werden soll, wird sich auch am Bedarf des Mainfranken Theaters ausrichten.

    Etwas anders wollen die Mitarbeiterpltze des knstlerischen Perso-nals kalkuliert werden. Hintergrund: Fr einen Arbeitsplatz wird tat-schlich ein Platzbedarf errechnet. Ein geistig behindertes Werkstatt-mitglied braucht im Schnitt zwischen 20 und 25 Quadratmeter. Ist seine Ttigkeit jedoch schauspielerisch, so entfllt auf jeden Mimen auch ein Platzbedarf von mehreren Quadratmetern fr den Zuschau-erraum, fr Erschlieungswege des Publikums etc. Diese Flchen sind nicht frderfhig. Bei den Mainfrnkischen Werksttten ist man sich jedoch sicher, Spender und Sponsoren fr die Einrichtung zu fi nden. Zudem bringen die Werksttten nicht zuletzt durch den Betrieb Im Kreuz viel Expertise mit, wie Rumlichkeiten beispielsweise durch bewegliche Wnde multifunktional so eingesetzt werden knnen, dass sie dank einer ihrer Nutzungen wieder zuschussfhig sind.

    LINK: | www. theater-augenblick.de

    Well

    nes

    s- u

    nd Ko

    smetikoase Salzsee

    W

    ell

    Therm

    al-Badehallen Sa

    unal

    andsc

    haft

    Wasser, Wrme, Wohlgefhl!

    jetzt schon an

    weihnachten

    denken

    und einen erho

    lsamen

    Thermen-Gutschein

    Thermen-Gutschein

    Thermen-Gutschein

    Thermen-Gutschein

    Thermen-Gutschein

    Thermen-Gutschein

    Thermen-Gutschein

    Thermen-Gutschein

    Thermen-Gutschein

    Thermen-Gutschein

    Thermen-Gutschein

    Thermen-Gutschein

    Thermen-Gutschein

    Thermen-Gutschein

    Thermen-Gutschein

    Thermen-Gutschein

    Thermen-Gutschein

    Thermen-Gutschein

    verschenkenFranken-Therme Bad Windsheim GmbHErkenbrechtallee 10 D-91438 Bad Windsheim Telefon 0 98 41 / 40 30 0 Fax 0 98 41 / 40 30 10E-Mail: [email protected] Internet: www.franken-therme.net ffnungszeiten tglich von 9.00 bis 22.00 Uhr

    jetzt schon an

    weihnachten

    denken

    jetzt schon an

    weihnachten

    denken

    jetzt schon an

    weihnachten

    denken

    Thermen-Gutschein

    Thermen-Gutschein

    Thermen-Gutschein

    Thermen-Gutschein

    Thermen-Gutschein

    Thermen-Gutschein

    Thermen-Gutschein

    Thermen-Gutschein

    Thermen-Gutschein

    Thermen-Gutschein

    Thermen-Gutschein

    Thermen-Gutschein

    Thermen-Gutschein

    Thermen-Gutschein

    Thermen-Gutschein

    Thermen-Gutschein

    Thermen-Gutschein

    Thermen-Gutschein

    Thermen-Gutschein

    Thermen-Gutschein

    Thermen-Gutschein

    Thermen-Gutschein

    Thermen-Gutschein

    Thermen-Gutschein

    Thermen-Gutschein

    Thermen-Gutschein

    Thermen-Gutschein

    Thermen-Gutschein

    Thermen-Gutschein

    Thermen-Gutschein

    Thermen-Gutschein

    Thermen-Gutschein

    Thermen-Gutschein

    Thermen-Gutschein

    Thermen-Gutschein

    Thermen-Gutschein

    Thermen-Gutschein

    Thermen-Gutschein

    Thermen-Gutschein

    Thermen-Gutschein

    Thermen-Gutschein

    Thermen-Gutschein

    Thermen-Gutschein

    Ihr Hoch-Gefhl

    Thermen-Gutschein

    Thermen-Gutschein

    Thermen-Gutschein

    Thermen-Gutschein

    Thermen-Gutschein

    Thermen-Gutschein

    Thermen-Gutschein

    Thermen-Gutschein

    Thermen-Gutschein

    Thermen-Gutschein

    Thermen-Gutschein

    Thermen-Gutschein

    Thermen-Gutschein

    Thermen-Gutschein

    Thermen-Gutschein

    Thermen-Gutschein

    Thermen-Gutschein

    Thermen-Gutschein

    Thermen-Gutschein

    Thermen-Gutschein

    12_0727_entw02_RZ.indd 1 13.08.12 10:51

  • KulturGut 10 | Seite 26 | Wrzburg

    KulturGut | Editorial | Inhalt | Titelthema | Bhne | Musik | Kunst | Literatur | Film | Stadt | Wissenschaft | Interkultur | Service

    Hchster Feinsinn im ParterreEin Besuch im Kunstkeller der Petrichevsvon Manfred Kunz / Foto: Benjamin Brckner

    + Ein Theater im innerstdtischen Niemandsland zwischen Semmel-strasse und der Verkehrsdrehscheibe Berliner Ring: In der Kroatengas-se 20 ist mit dem Kunstkeller ein Zimmertheater zuhause, das nicht nur wegen seiner intimen Gre zu den auergewhnlichsten Bh-nen Wrzburgs gehrt.Vom ersten Augenblick an, mit dem Betreten des knapp 30 Quadrat-meter kleinen Bhnen- und Zuschauerzimmers ist der Besucher ge-packt von der Aura dieses Raums. Annherungsweise lsst sie sich durch die Worte freundlich, herzlich, offen, harmonisch, familir um-schreiben der Besucher ist nicht zahlender Kulturkonsument, son-dern Gast, die Neugier und das gemeinsame Interesse an Theater und knstlerischem Austausch schlagen sofort die Brcke zwischen Dar-stellern und Zuschauern: In den Sinn kommen einem solche nahezu aus der Zeit gefallenen Begriffe wie Leidenschaft, Begeisterungsfhig-keit und Enthusiasmus fr die Verbindung von darstellender, bilden-der und akustischer Kunst. Man muss nicht regelmiger Premieren-Gast sein, um zu spren, dass dieser Anspruch im Kunstkeller gelebte Wirklichkeit ber den Vorstellungsabend hinaus ist.

    Ein Ensemblename wird Programm Kopf und Herz, Seele und Motor der Bhne sind die studierte Slawi-stin Lilia Petrichev als Regisseurin und ihr Mann Wladimir, der fr die Bhnenbilder und die Gestaltung der Plakate und Programm-hefte verantwortlich ist. Nach ihrer Arbeit mit dem Studentenensem-ble der Slawisten war Petrichev einige Jahre als Regieassistentin am Mainfrankentheater engagiert. Mit einer bunt zusammen gewrfelten Truppe des dortigen Uni-Clubs, Mitgliedern der Slawisten-Bhne und freien Amateuren startete sie im Mai 2004 ihre erste eigene Inszenie-rung in Norbert Bertheaus Theater Ensemble: Vaclav Havels Die Ver-suchung, die auch zum Namen des Ensembles wurde: Theater als Versuchung, als Herausforderung fr Krper und Geist. Nach einigen weiteren Gastproduktionen war der logische nchste Schritt eine ei-gene Bhne fr Die Versuchung: Der Kunstkeller war geboren. Zu-nchst fr ein Jahr in tatschlichen Kellerrumen am Rntgenring 4, nach einem Hochwasserschaden und einem heimatlosen Jahr dann

    Grnderpaar mit Sohn Evgeni und Technik-Allrounder Braumandl.

  • KulturGut | Editorial | Inhalt | Titelthema | Bhne | Musik | Kunst | Literatur | Film | Stadt | Wissenschaft | Interkultur | Service

    seit 2007 am jetzigen, ebenerdigen Standort in der Kroatengasse 20, wo je nach Produktion zwischen 20 und 40 Besucher Platz finden.Um die beiden und die dritte Sule, Johann Braumandl als tech-nischen Allround-Meister, gruppiert sich eine Gemeinschaft von Bh-nenenthusiasten, fr die Lilia Petrichev im Gesprch wie selbstver-stndlich den Begriff Familie verwendet: Wir alle teilen nicht nur die Begeisterung fr das Theater, sondern leben den Gedanken der Bhnenfamilie auch in unserem Alltag, etwa durch gemeinsame Vor-stellungsbesuche in anderen Stdten, Gesprchsrunden oder einfach nur, indem wir zusammen kochen oder grillen. Dieser im Alltag prak-tizierte Team-Geist ist die Basis fr das gegenseitige Vertrauen, das wir bei den Proben und Auffhrungen ineinander haben, versucht Petrichev das Geheimnis der Versuchung zu erklren. Und wir zah-len kein Geld, im Gegenteil; immer wieder legen die Darsteller zusam-men, um aufwndigere Bhnenbilder oder technische Anschaffungen zu finanzieren.

    Die Wrzburger Tschechow-SchuleSo entsteht bei nahezu jeder Inszenierung groe Kunst. Bhnenkunst, die einem stringenten sthetischen Konzept folgt, das sich um Anton Tschechow als Fixstern gruppiert. Bis auf den im November folgenden Onkel Wanja hat Die Versuchung bisher alle groen Stcke des Begrnders der Dramatik des 20. Jahrhunderts auf die Bhne ge-bracht. Die inhaltliche Tiefe der Stcke, das Ausloten der Dimensi-onen menschlicher Beziehungen machen Tschechow zu meinem ab-

    InfoS: Aktuell im Spielplan: Anton Tschechow, Auf der groen Strae. Letzte Vorstellungen am 4., 5. und 6. Oktober. Nchste Premiere: Anton Tschechow, Onkel Wanja, Mitte/Ende November. In Vorbereitung fr das nchste Jahr sind Stcke von Ivan Bunin, Fjodor Dostojewski und Anton Tschechow. Kunstkeller Wrzburg, Kroatengasse 20, 97070 Wrzburg, Tel. (0931) 3590764, Mobil: (0162) 5634996. | www.kunstkeller-wuerzburg.de

    soluten Lieblingsautor, mit dem ich mich jeden Tag in irgendeiner Form beschftige, begrndet die Regisseurin ihre Leidenschaft fr den notorischen Wahrheitssucher und psychologischen Realisten. Von ihm ist es nicht weit zu den anderen Hausautoren, Strindberg, Ibsen, Sartre und Genet, oder zum Abstrusen und Abgrndigen eines Daniil Charms oder Eugene Ionesco. Deren Bhnentexte, inszeniert mit penibler Genauigkeit im sprach-lichen Ausdruck und Perfektion im szenischen Detail, gespielt von Theaterenthusiasten, denen der Teamgedanke allabendliche Selbst-verstndlichkeit ist, markieren auf jeden Fall die zukunftsfhigere Sei-te der Wrzburger Theaterlandschaft. Denn hheres Niveau mit unbe-zahltem Engagement ist kaum vorstellbar.

  • KulturGut 10 | Seite 28 | Wrzburg

    | Termine |

    weitere Informationen: www.kulturgut.wuerzburg.de

    ++++++++++++++++++++++++

    Lachdichter6. Oktober, 20.15 Uhr, BockshornWie jeder Siegfried hat auch Zimmerschied eine verletzbare Stelle: Geschichten, fr die es Bilder braucht, Film- und Fernsehideen. Immer wider besseres Wissen lsst er sich auf Redakteure und andere Quotenverwalter ein und schreibt Exposes, Treatments und Drehbcher. Riesenministranten entstehen, Derrickmutanten, triebgesteuerte Mofa-wallfahrten und geschichtsverlustige Schankkellner. Doch dann: zu poetisch, zu aggressiv, zu mund-sprachlich, zu wenig Lachdichte. Dieses Geschick trieb das Programm hervor.| www.bockshorn.de

    ++++++++++++++++++++++++

    Macbethab 14. Oktober, 19.30 Uhr, Mainfranken TheaterGiuseppe Verdis Oper unter Leitung von Enrico Calesso hat zwei bekannte Gste fr die optische Einrichtung, und im Genre des hochdramatischen, finsteren Musiktheaters sagen wir umso lauter Ja zu ihnen: Regisseur Stephan Suschke lie seine Schauspieler schon zu oft die Text-Zeilenenden mitsprechen, verstndniserschwerende Pausen machen. Bei den Arien drfte ihm dieser Manieris-mus verwehrt sein. Und Momme Rhrbein lsst viel-leicht allzu habituell Bhnenbilder aus teils blanken, teils schwarz gestrichenen Tischlerplatten sgen zu Macbethens schottischen Hochlndern drfte das sehr gut passen.| www.theaterwuerzburg.de

    | Theater |

    ++++++++++++++++++++++++

    11. Improtheaterfestival23. bis 28. Oktober, verschiedene Spielsttten16 Shows in sechs Tagen auf sieben Bhnen verzeich-net das Programm auf der untenstehenden Website, ber die dieses Jahr erstmals der komplette Vorver-kauf abgewickelt wird. Andere Neuheiten stammen vorzugsweise aus Nordamerika, dem Schwerpunkt-land des Fests und der ganzen knstlerischen Be-wegung. Ein neues Format aus New York ist zu be-gutachten (Formate sind die Rahmen, in denen die Improvisationen ablaufen) sowie Improknstler Amy Shostak aus Kanada. Der gehrt auch dem eigens zu-sammengestellten Festival-Ensemble an. Fr neuen deutschen Input sorgt die Mnchner Sngerin Karin Krug mit ihren Songs from History. Und dann gibt es noch einen Abend im Zeichen des Chansons.| www.improtheaterfestival.de

    ++++++++++++++++++++++++

    Grnde und Abgrnde: Verdis Macbeth27. Oktober, 15 bis 22 Uhr, Palliativ-Akademie des JuliusspitalsDomschule und Mainfranken Theater bereiten grnd-lichst auf die abendliche Auffhrung der Oper vor. Aspekte des Verhaltens von Individuen gegenber Mchtigen diskutieren die Teilnehmer mit GMD Enrico Calesso, dem Philosophen am Wrzburger Dirigentenpult, und Prof. Dr. Thomas Weier, theolo-gischer Ethiker aus Bamberg. Am Diskussionshori-zont taucht die Frage der Rechtfertigung des Tyran-nenmords auf. Anmeldung Tel. (0931) 38664500.| www.domschule-wuerzburg.de

    Fake it!29. Oktober bis 4. November, Tanzspeicher u. a. Die 7. Wrzburger Biennale fr zeitgenssischen Tanz, Tanzlandschaft 2012, geht wieder an unge-whnliche Spielorte, um hchst niveauvolle Tanz- und Performance-Kunst zu prsentieren. Das Motto Fake it! gibt u. a. einen Hinweis auf das neue Werk von Thomas K. Kopp, gegenwartsmoment work 5. Auerdem geht das Festivalprojekt room service nach dem groen berregionalen Erfolg 2008 und 2010 in die dritte Runde: In einem Hotel-Zimmer trifft der Zuschauer auf den/die PerformerIn und erlebt eine Vorstellung ganz fr sich allein. Die Lan-ge Nacht des Wrzburger Tanzes vereint Arbeiten der Compagnie des Mainfranken Theaters mit freien Choreographen. Gastspiele: Die Berliner Performe-rin Antonia Baehr bringt Lachen auf die Bhne, loops and breaks von Julia Schwarzbach aus Wien involviert die Zuschauer spielerisch in das Bhnen-geschehen. | www.tanzspeicherwuerzburg.de

    ++++++++++++++++++++++++

    Die kleine Entfhrung aus dem Serailab 2. November, 19 Uhr, Theater am NeunerplatzEiniger Tiefsinn lsst sich in Mozarts Entfhrung hineinlegen, aber viel Action herausholen. Das tun die Regisseure aus Spa an der Geschichte. Erhard und Hermann Drexler haben ein groes Ensemble zusammengestellt teilweise selbst produziert oder angeheiratet. Richtiger Operngesang wird erklingen, und dazu ein Orchester mit sage und schreibe drei (3) Musikern. | www.neunerplatz.de

    KulturGut | Editorial | Inhalt | Titelthema | Bhne | Musik | Kunst | Literatur | Film | Stadt | Wissenschaft | Interkultur | Service

  • KulturGut 10 | Seite 29 | Wrzburg

    weitere Informationen: www.kulturgut.wuerzburg.de

    | Termine |

    KulturGut | Editorial | Inhalt | Titelthema | Bhne | Musik | Kunst | Literatur | Film | Stadt | Wissenschaft | Interkultur | Service

    | Theater |

    ++++++++++++++++++++++++

    Komm und geh ein Stck mit mirab 9. November, 19.30 Uhr, Theater AugenblickEin Dreivierteljahr lang sammelten acht Tnzer und ihre Choreographin Lisa Kuttner Bhnenszenen, um den Alltag zu beschreiben. Das hat einen hohen Wie-dererkennungswert. Vor allem aber wird bspw. der zweimaltgliche Vorgang des Zhneputzens durch den Zeit-Hcksler gedreht. Im Tanztheater hngt die Szenenfolge nicht mehr von der Frage ab: Wann mssen Essensreste entfernt werden? Jetzt kommt es beim Nacheinander der Bilder vielmehr darauf an, ob sich die Tnzer im Akt vorher harmonisch mitein- ander bewegten oder ganz im Gegenteil ob sie gegeneinander aufgestellt waren und losgezogen sind. Auf der Bhne werden Zhne dann geputzt, wenn Armbewegungen und gebleckte Gebisse am besten in die Gesamtkomposition passen. In Kon-sequenz enthebt eine solche Serialisierung das Ge-schehen der gleichmig linear verlaufenden Zeit und macht es zu Kunst. Denselben fundamentalen Effekt haben Leitmotive, die den Zuschauer fragen lassen: Machen die das jetzt, weil wir einen neu-en Tag auf der Bhne haben, oder sind wir in eine Zeitschlaufe geraten, in der sich Vergangenes wider-spiegelt? Die Antwort lautet auch hier: Ist Kunst. | www.theater-augenblick.de

    ++++++++++++++++++++++++

    Andreas Giebel16. November, 20.15 Uhr, BockshornSeine medienkritische Kabarettnummer Notdurft- komparsen lehrt einen wichtigen neuen Blick auf politische Talkshows. Giebel fhrt aus, dass und wa-rum die Talk-Gste immer Windeln tragen und was

    sie tun, wenn sie ausnahmsweise einmal schweigen und einen entspannten Gesichtsausdruck annehmen. hnlich indirekt wie dieses Stckchen zielen viele Einmanndramolettchen des bayerischen Kabaret-tisten vom grotesk verzerrten Alltagsleben ins reale Soziale.| www.bockshorn.de

    ++++++++++++++++++++++++

    Der Gott des Gemetzelsab 10. Januar, 20 Uhr, Theater EnsembleZwei Paare versuchen, sich vernnftig und gtlich ber eine Schlgerei ihrer jungen Shne zu einigen - eine Chemiekatastrophe nicht nur im psychologisch bertragenen Sinn. Whrend das Gruppengesprch zackig entgleitet, muss einer der Vter zu allem Unglck auch noch per Handy einen Werksunfall vertuschen. Uwe Dietrich fhrt Regie ber Yasmina Rezas zweiten Welterfolg, besetzt waren bei Redak-tionsschluss Dagmar Schmau, Michael Vlkl und Mike Smauley. Weitere Stcke zur neuen Spielzeit: Zeugin der Anklage von Agatha Christie, Die Po-lizei von Sawomir Mrozek, Die fetten Jahre sind vorbei nach dem gleichnamigen Film und Kleine Eheverbrechen, die Gedchtnisverlust-Plotte von ric-Emmanuel Schmitt.| www.theater-ensemble.net

    ++++++++++++++++++++++++

    Molly Eyreab 10. Januar, 20 Uhr, Mainfranken TheaterJrgen R. Weber bernimmt gern Regie, Bhnen-bild und Kostme. Nun zudem eine Urauffhrung. Autorin Tamsin Walkers collagierte Molire-Figuren zu unserer Zeitgenossin Molly Eyre: Ehekrach,

    Schaffenskrise, aber dann Beitritt zu einem Mtter-kollektiv, das den Kindergarten renoviert. Aus den Lebenslufen ihrer Mitstreiterinnen will Molly ihr nchstes Theaterstck verfassen. - Regisseur Weber vergrtzte im letzten Jahr im Groen Haus manchen Operettenfreund mit seiner Inszenierung der Lu-stigen Witwe. Er hatte hier viel Schwung aus seiner Arbeit fr Telenovelas eingebracht. Der passt sicher glatter zu dieser Produktion.| www.theaterwuerzburg.de

    ++++++++++++++++++++++++

    Der Volksfeindab 19. Januar, 19.30 Uhr, Mainfranken TheaterEin Einzelner gegen die ffentliche Meinung, die es vorher so gut mit ihm meinte das Thema muss in der Mediengesellschaft nicht gro aktualisiert wer-den. Zur Regie holt man Grazyna Kania, die bereits fr den Deutschen Theaterpreis nominiert war. Sie arbeitet gern mit sehr wenig Requisiten und Bh-nenbild, eine Tendenz, der die Ausstatterin Malve Lippmann mit ihren bisweilen geometrisch geraster-ten, bisweilen grotesken Entwrfen sicher gut nach-kommt. | www.theaterwuerzburg.de

    ++++++++++++++++++++++++

    Der Herr Karlab 26. Januar, 20 Uhr, WerkstattbhneStephan Ladnar, schon desfteren bestaunt als groes Talent im Pool der innerwrzburger Wan-derschauspieler, lsst den Opportunisten Karl sein Leben erzhlen. Whrend Herrn Karl jedwede Selbst-kritik abgeht, untersteht Herr Stephan der Regie des Hausherrn Wolfgang Schulz. | www.werkstattbuehne.com

  • KulturGut 10 | Seite 30 | Wrzburg

    KulturGut | Editorial | Inhalt | Titelthema | Bhne | Musik | Kunst | Literatur | Film | Stadt | Wissenschaft | Interkultur | Service

    + Die groe Mehrheit der Knstler, die hierzulande erfolgreich Mu-sik machen, verdient ihren Lebensunterhalt mhsam. Das Geschft ist etwas fr Dickbrettbohrer. Drei Musiker aus dem Raum Wrzburg schildern, wovon sie leben und was sich in den vergangenen Jahren verndert hat. Da ist Markus Rill, Jahrgang 1970, aufgewachsen bei Aschaffenburg. Er hat sich nach seinem Sozialkunde- und Englisch-studium lange berlegt, ob ich ganz auf die Musik-Karte setzen soll, erinnert er sich heute. Inzwischen ist Rill ein erfolgreicher Songwriter, seine Songs verkaufen sich auch in den USA. Er entschied sich trotz-dem gegen ein Leben nur von der Musik. Heute arbeitet er als freier Journalist und verdient dadurch einen guten Teil seines Lebensunter-halts.Ich kenne viele Kollegen, die nur von der Musik leben. Damit sie ir-gendwie ber die Runden kommen, spielen sie nebenbei in Cover- und Hochzeitsbands oder geben Gitarrenunterricht, sagt er. Das sei zwar respektabel, aber ich wollte bei meiner Musik keine Kompromisse machen. Auch das stndige Leben auf Tour kam fr den Familienva-ter nicht in Frage: Da kann man nicht im VW-Bus leben. Trotzdem ist Markus Rill vom Selbstbild her Musiker, betont er. Auch wenn allei-ne davon zu leben sehr schwer ist: Von einem Konzert bleiben einem am Ende vielleicht 50 Euro, der Rest geht fr die Unkosten drauf. Fr ihn sind deshalb die Platten- und CD-Verkufe nach Konzerten sehr wichtig. Das ist dann das, wovon man eher leben kann, wenngleich die Hauptintention bei der Produktion von Tontrgern natrlich nicht ist, das vor allem als Einnahmequelle zu sehen. Denn: Nur durch die Verffentlichungen werde ich berhaupt national und internatio-nal gebucht. Beides bedingt sich: Ohne Platten keine Auftritte, aber ohne Plattenverkufe nach den Konzerten ist das berleben schwie-rig. Das ist keine neue Situation, findet Rill, an diesem Zustand ha-be sich in den letzten sechs, sieben Jahren kaum etwas verndert.

    Kunst mit mglichst wenig KompromissenAuch fr Carolin und Andreas Obieglo bedingen sich Plattenverkufe und Konzerte gegenseitig. Das Ehepaar ist besser bekannt als Carolin No, Sngerin Carolin kommt ursprnglich aus Waldbttelbrunn in-zwischen lebt und arbeitet das Duo jedoch in Berlin-Neuklln. Nach einem schnen Konzert ist ein guter Zeitpunkt, um CDs oder DVDs an-zubieten, findet Carolin. Mit den Albenverkufen nach den Auftritten lieen sich auch niedrigere Gagen auffangen. Die beiden knnen erst seit kurzem ausschlielich von ihrer Musik leben und das auch nicht jeden Monat gleich sorgenfrei. Nach wie vor ist das Musiker-paar der Meinung, die richtige Wahl getroffen zu haben.Eine Tatsache scheint zeitlos, sagt Andreas: Wenn man seine ei-genen knstlerischen Vorstellungen ohne allzu viele Kompromisse verfolgt, ist es nie leicht, von der eigenen Musik zu leben. Natrlich ist schon der Weg in die Professionalitt nicht leicht. Aber die paar

    Steinchen auf diesem Abschnitt sind nichts gegen die Brocken, die man auf- und wegrumen muss, wenn man sich fr diesen Weg ent-schieden hat. Die Mischkalkulation aus Konzerten und Plattenver-kufen funktioniert nur, weil sie nicht die falschen Vertrge mit den falschen Leuten unterzeichnet haben; die Musikbranche ist in dieser Hinsicht offenbar immer noch ein gefhrliches Pflaster. Und ein un-gewisses obendrein. Carolin No gehen davon aus, dass in 20 Jah-ren kaum noch physische Tontrger verkauft werden. Es bleibt also spannend.

    Niedliche Tier-ShirtsDas sieht auch Martin Achter so. Seit knapp 20 Jahren macht er Mu-sik in verschiedenen Rockbands zwischen Schweinfurt und Wrzburg und kam so zeitweise semiprofessionell in ganz Deutschland he-rum. Die Diskussionen ber wirtschaftliche Fragen, auch unter Ama-teuren, haben in dieser Zeit stark zugenommen, sagt er. Auch die Hobbymusiker und Semiprofessionellen htten es zu spren bekom-men, dass man Platten einfach kopieren kann, die Verkufe sanken drastisch. Achter spielt bei Life of an Owl, allerdings nur in seiner Freizeit. Hauptberuflich verdient auch er sein Geld als Journalist als Wirt-schaftskorrespondent bei einer Nachrichtenagentur in Frankfurt. Ach-ter hat sich gegen ein ausschlieliches Dasein als Profimusiker ent-schieden. Ihm geht es seit jeher vor allem um den Spa an der Musik, nicht ums Geldverdienen. Wenn man das allerdings muss, seien Auf-tritte die beste Mglichkeit. Nicht wegen der Gagen, rumt er ein. Son-dern wegen des Zugangs zum Publikum, das T-Shirts und Buttons kauft, vielleicht aber auch Tontrger. Weil aber immer mehr Bands live spielen wollen, um ein bisschen (mehr) Geld zu verdienen, wer-de die Luft insgesamt dnner. Und: Marketing-Aspekte nehmen heu-te schon bei Amateuren eine wichtige Rolle ein zum Beispiel bei der Namensgebung. Mit Tierbegriffen im Namen lassen sich leichter T-Shirts mit ansprechenden Motiven drucken, mit denen die Bands Geld verdienen knnen, sagt Achter. Frher sei diese Energie und Kreati-vitt direkt in die Musik geflossen, das zeigt mir, wie sehr sich da was verndert hat.Abseits von Merchandising-Produkten hat auch Markus Rill noch ei-ne musikalische Einnahmequelle. Als Komponist und Texter kommt er mehrere Male im Jahr in den Genuss einer GEMA-Ausschttung kurzum: er bekommt Geld dafr, dass seine Musik im Radio und Fern-sehen gesendet wurde oder andere Musiker und Bands seine Songs gespielt haben. Das empfindet Rill immerhin als schnen warmen Regen.

    Konzerte statt Platten So lebt es sich von Popmusikvon Daniel Staffen-Quandt

    LINKS: | www.makusrill.net

    | www.lifeofanowl.de | www.carolin.no

  • Foto: Benjamin Brckner

  • KulturGut 10 | Seite 32 | Wrzburg

    KulturGut | Editorial | Inhalt | Titelthema | Bhne | Musik | Kunst | Literatur | Film | Stadt | Wissenschaft | Interkultur | Service

    + Vor zwei Jahren bekam die Wrzburger Uni ein Archiv geliehen das fr Chorforschung. Zeit fr eine Bilanz, oder? Oder sind Chre in-tellektuell uninteressant? Kmmert deren Erforschung niemanden au-erhalb des Deutschen Chorverbands, der in diesem Jahr seinen 150. Geburtstag feiert? Er tats mit dem Titel Vom Freiheitskampf zur Freizeitgestaltung. Die Stichwrter betonen die Relevanz der Chorforschung unberhrbar, erinnern an die politische Rolle gemeinschaftlichen Singens zur Mitte des 19. Jahrhunderts parallel zum teutschen Turnerwesen ebenso wie daran, dass sich speziell an Laienchren mentalittsgeschichtlich und soziologisch einiges ablesen lassen drfte. Kurz: Das Festmotto stellt in vier Wrtern klar, dass in einem Archiv fr Chorforschung ein Wissenschaftsfeld fr inhaltlich aufwhlende interdisziplinre Re-cherchen ruhen drfte.

    Vom Freiheitskampf zur Freizeitgestaltung hie nun zumal eine Ausstellung in der Frankfurter Paulskirche, mithin an der allerersten Adresse demokratischer Erinnerungskul-tur. Und organisiert wurde sie vom Wrzburger Institut fr Musikfor-schung an der Domerschulstrae gegenber der Alten Universitt. Dass die Leitung beim Lehrstuhl fr Musikpdagogik lag, passt durch-aus zum Chorwesen. Schlielich geht es der Fachpdagogik darum, Musikgeschichte zu vermitteln. Und da eignet sich das Ausstellung-machen und Katalogtexten hervorragend als praktische bung fr Studierende.Nach Wrzburg kam das Archiv ganz einfach: Sein Trger ist der oben genannte Deutsche Chorverband bzw. die Stiftung Dokumentations- und Forschungszentrum des Deutschen Chorwesens, deren wissen-schaftlicher Leiter Wrzburgs Musikpdagogik-Lehrstuhlinhaber Prof. Friedhelm Brusniak ist. Mit Sitz im Sngermuseum Feuchtwangen liegt die Stiftung nicht allzu fern von Mainfranken. Das Museum wie-derum ist der Nachfolger des Deutschen Sngermuseums, das Ende des Zweiten Weltkriegs im Nrnberger Katharinenkloster ausgebombt wurde. Der ausgelagerte oder sonstwie gerettete Bestand von 3000 Exponaten bildet nun eins der zwei Konvolute im eingangs gemel-deten Archiv fr Chorforschung.

    Diese Nrnberger Sammlung war nun ausgesprochen prominent be-stckt. 1925 gegrndet, legten die Nationalsozialisten nach der ber-nahme ihren Ehrgeiz darein, dass hier jeder deutsche Komponist und Schriftsteller, der mit Chorliedern in Verbindung stand, mit einem Au-tographen prsentiert werde. Dieses Unterfangen trieben sie sehr weit in die kulturgeschichtlichen Verstelungen hinein. Hlderlin, wegen der Reinheit seiner Ideale einer ihrer Helden, war vertont worden? Ei-

    Chre fr die deutschen CowboysWrzburgs Musikforscher vermessen ein Feld fr interdisziplinre Kulturgeschichtsschreibungvon Joachim Fildhaut / Foto: Allie Caulfield

    Warten auf Musik: So kennt man die Nrnberger Katharinenruine vom Bardentreffen. Bis 1945 st ellten die Nazis hier unter den Reichskleinodien auch wertvollste Noten-Originale aus.

  • KulturGut 10| Seite 33 | Wrzburg

    ne Handschrift von ihm musste her und kam her. Die Einheit von Volk und Staat im Lied zu dokumentieren mochte auf Marbach-Niveau betrieben worden sein. Nach dem Ende des Tausendjhrigen Reichs sickerten die Reste der Nrnberger Sngermuseum-Sammlung an vier verschiedenen Standorten aus dem Bewusstsein der Deutschen komplett heraus. Wer etwas ausleiht, tut das selten ganz uneigennt-zig. Die Stiftung stellte ihr Material denn auch einer wissenschaftli-

    Warten auf Musik: So kennt man die Nrnberger Katharinenruine vom Bardentreffen. Bis 1945 st ellten die Nazis hier unter den Reichskleinodien auch wertvollste Noten-Originale aus.

    KUNSTHALLE%Lange Strae 3574523 Schwbisch Hall Fon +49 791 94672-0 www.kunst.wuerth.com

    Alle Aktivitten der Kunsthalle Wrth sind Projekte der Adolf Wrth GmbH & Co. KG.

    {}

    Marc Quinn, A

    AA GTATA

    GGCAG

    , 200

    9, Sam

    mlung

    Wrth, Inv. 135

    83, Foto: Ulrich G

    hezzi, M

    arc Quinn, 2

    012

    Menschenbilder im Fokusder SammlungWrthKunsthalle Wrth,Schwbisch Hall28. September 2012 bis 2. Juni 2013Tglich 11 bis 18 UhrEintritt frei

    Zur Ausstellungerscheint ein reich bebilderterKatalog im Swirido Verlag.

    VonKopfbisFu

    27. & 28. Oktober 2012jeweils 19 Uhr im Felix-Fechenbach-Haus

    Jarrett Brndl Freeman Feith LBBB Klingeberg

    VVK Falkenhaus, Neuer Weg www.jazzini-wuerzburg.de.

    28. JA

    ZZFE

    STIV

    AL

    der

    Ja

    zzin

    itia

    tive

    W

    rzb

    urg

    e.V

    .

  • KulturGut 10 | Seite 34 | Wrzburg

    KulturGut | Editorial | Inhalt | Titelthema | Bhne | Musik | Kunst | Literatur | Film | Stadt | Wissenschaft | Interkultur | Service

    chen Auswertung zur Verfgung, von der sie selbst in aller Zukunft profitiert, zunchst einmal ganz sicher von den neuen Inhaltsverzeich-nissen des Archivs. Zudem ging ein Wrzburger Forschungsprojekt der Frage nach, wieviel von der Nrnberger Autographensammlung wohl wirklich verschwand. Ab 2010 sahen Studierende akribisch die Zeitschriften des Deutschen Sngerbunds Vorlufer des heutigen Chorverbands auf Meldungen ber Sammlungs-Neuzugnge durch.

    Verbrannte Sammlung erschlossenSo ermglichen die zwei Forschungsjahre festzustellen, was genau damals verloren ging neun Zehntel der Originalnoten und Dichter-worte! Aber, hebt Projektleiter Brusniak die Hand: Jetzt wissen wir zum ersten Mal, wonach wir suchen mssen. Hat man doch die Er-fahrung gemacht, dass nicht alles verloren Geglaubte tatschlich ver-brannte. Musterbeispiel: Ein Bibliotheksmitarbeiter bildet aus den Bestnden einen Handapparat, der andernorts aufgestellt ist, als der Lwenanteil der Bcher in Flammen aufgeht. In Nachlssen knnten

    Mit der Erschlieung des Archivs fr Chor forschung begann eine Publikationsreihe im Wrzburger Verlag Knigshausen & Neumann. Prof. Friedhelm Brusniak gab Felix Mendelssohn Bartholdys Vertonung des Rckert-Gedichtes Ersatz fr Unbestand im Deutschen Musenalmanach von 1840 heraus.

    heute noch bedeutende Teilbestnde schlummern. Weitere Exponate knnen als Leihgaben drauen gewesen sein. Und einige frhere Stifter mgen wegen der Kriegswirren ihre Exponate zurckerbeten haben.Die erste systematische Bestandsaufnahme der Autographensamm-lung frderte sogar handschriftliche, nicht vervielfltigte und seit ih-rem Entstehen nicht mehr aufgefhrte Kompositionen zutage! So erklang mittlerweile E. T. A. Hoffmanns mit einer unbekannten Pri-vatsammlung verschollen geglaubter Serapionswalzer. Nun befl-gelt die Mglichkeit einer Ersteinspielung nicht nur die Karriere von Musikern und Verlegern. Wenn knapp 200 Jahre nach ihrem Entste-hen die Klavierstcke von Soireen der Romantik wieder wahrnehm-bare Gestalt annehmen, dann bekommt der Hrer einen neuen, un-mittelbaren Zugang zur Salonkultur jener Epoche. Wir ffnen auch mit solchen Funden ein Zeitfenster zu faszinierenden Kulturbildern, umreit es Prof. Friedhelm Brusniak, der sein Tun auch als musika-lische Volksbildung begreift und wei: Die Freude der Menschen an solchen Blicken ist heute sehr gro.

  • KulturGut 10| Seite 35 | Wrzburg

    Hochromantisch: Neue NotenBrusniak erlutert die Relevanz der Sichtung: Der Nrnberger Be-stand ist jetzt so weit aufgearbeitet, dass wir den Antrag auf ein For-schungsprojekt stellen knnen. All das spielt sich nicht allein hinter dicken Universittsmauern und in Tonstudios ab. Eine Bundestagsab-geordnete hat sich bereits so weit in die Materie gearbeitet, dass sie sich auf politischer Ebene fr die Fortsetzung des Begonnenen einset-zen kann. Mglicherweise bleibt die Leihgabe auch ber die angepeil-ten zwei Jahre hinaus in Wrzburg.

    Das zweite Dreitausend3000 Handschriften und Briefe, Erstausgaben, Fotos und andere Quel-len des deutschen Chorwesens verwaltet die Stiftung. Zufllig ge-nausoviele Bcher, Zeitschriften und Musikalien bilden ein zweites Konvolut der Feuchtwangener, darunter sehr viele Festschriften von Chren und Vereinen aus den 150 Jahren des Deutschen Snger-bunds. Diesem Dachverband in der alten Heimat schickten Auswande-rer oft und gern ihre Jubilumsschriften. Zehn Jahre Sangeslust in Te-xas das waren noch Traditionen! Manches Schmuckstck illustriert reich und farbig die Kulturprgungen in deutschen Kolonien und das weltweite Netzwerk, das der Sngerbund interkontinental knpfte. Hier liegt ein Schatz fr biographische Forschungen, sind diese Schrif-ten teilweise doch mit einer Akribie verfasst, die uns staunen lsst, bemerkt Prof. Brusniak. Und nicht nur die berseeische Alltags- und Kulturgeschichte profitiert von der Bibliothek. Im Inland stellt sich bei-spielsweise die spannende Frage nach dem Verhltnis von brger-lichen Liedertafeln, Bauern-, Frauengesangsvereinen und Arbeiter-chren. Die Geschichten von Fusionen (vor allem von gescheiterten Fusionen) und Spaltungen (gelungenen) zeigen, mit welch harten Bandagen Snger kmpfen und intrigieren konnten. Da kann man verstehen lernen, welche Triebkrfte in der Gesellschaft wirken, sin-niert der Musikpdagoge und fragt: Wie wird Kultur gestaltet? Da tun sich ganz neue Forschungsfelder auf. Bzw. werden weie Flecken der Forschungslandschaft sichtbar gemacht. So erscheint die Geschich-te der Sngerkriege vorzugsweise als eine der Sieger, nmlich der mnnlichen Liedertafeln. Die beherrschten die berlieferung zu Un-gunsten der Arbeitersngerbewegung, des Chorwesens auf dem Land und in der DDR. Und: Frauen durften frher keine Vereine grnden. Deswegen ist die Historie des weiblichen Gruppengesangs in keinen Vereinsschriften berliefert. Das Bedrfnis nach Informationen be-steht jedoch. Im Institut fr Musikforschung treffen laut Brusniak im-mer mehr Anfragen aus der Gender-Forschung ein.Und auch die Paulskirchenausstellung, basierend auf zahlreichen zu-vor unausgewerteten Quellen, richtete sich nicht nur in die Vergan-genheit. Jede der zehn Tafeln zur 150-jhrigen Geschichte deutschen Singens behandelt ein Gegensatzpaar von Begriffen, die es politisch in sich haben: Offenheit & Ideologie ebenso wie Freiheit & Un-terdrckung. Ausstellungsbesucher vom Fach waren von der nicht-chronologischen Schautafel-Folge angetan. Sie interessierten sich nicht nur dafr, die Ausstellung zu bernehmen, sondern besonders fr die Methode, fr