Kundensegmentierung - University of St. Gallen

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Kundensegmentierung S. Gronover, V. Bach Bericht Nr.: BE HSG/CC CRM/12 Lehrstuhl: Prof. Dr. H. Österle Version: 1.0 Datum: 31.03.2000 Universität St. Gallen - Hochschule für Wirtschafts-, Rechts- und Sozialwissenschaften (HSG) Institut für Wirtschaftsinformatik Müller-Friedberg-Strasse 8 CH-9000 St. Gallen Tel.: ++41 / 71 / 224 2420 Fax: ++41 / 71 / 224 2777 Prof. Dr. A. Back Prof. Dr. H. Österle (geschäftsführend) Prof. Dr. R. Winter

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Kundensegmentierung

S. Gronover, V. BachBericht Nr.: BE HSG/CC CRM/12Lehrstuhl: Prof. Dr. H. ÖsterleVersion: 1.0Datum: 31.03.2000

Universität St. Gallen -Hochschule für Wirtschafts-, Rechts-und Sozialwissenschaften (HSG)

Institut für WirtschaftsinformatikMüller-Friedberg-Strasse 8CH-9000 St. GallenTel.: ++41 / 71 / 224 2420Fax: ++41 / 71 / 224 2777

Prof. Dr. A. BackProf. Dr. H. Österle (geschäftsführend)Prof. Dr. R. Winter

Inhalt ii

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Inhaltsverzeichnis

1 Einleitung........................................................................................................................1

2 Der Nutzen von Kundensegmentierungsstrategien im Bankensektor ......................2

3 Kundendatenbank als Voraussetzung für die Kundensegmentierung .....................5

3.1 Analyse der unterschiedlichen Informationstypen......................................................5

3.2 Analyse der unterschiedlichen Informationsquellen ...................................................6

4 Qualitative Kundensegmentierungsverfahren ............................................................8

4.1 Darstellung unterschiedlicher Segmentierungskriterien .............................................8

4.2 Soziodemographische Kundensegmentierung – Fallbeispiel....................................13

5 Verfahren zur Kundenbewertung..............................................................................14

5.1 Unterschiedliche Methoden der Kundenbewertung..................................................15

5.1.1 Eindimensionale Ansätze ...................................................................................17

5.1.2 Mehrdimensionale Verfahren .............................................................................19

5.2 Kundenwertanalyse – Fallbeispiel Teil A .................................................................20

5.2.1 Attraktivitätsanalyse ...........................................................................................21

5.2.2 Ertragsanalyse.....................................................................................................25

5.2.3 Portfolioanalyse ..................................................................................................27

5.3 Customer-Value-Costing – Fallbeispiel Teil B.........................................................30

5.3.1 Life-Cycle-Costing nach Majoritätssegmenten ..................................................30

5.3.2 Life-Cycle-Matrix...............................................................................................31

6 Kundensegmentierung mit Data Mining Methoden.................................................34

6.1 Prozess und Methoden des Data Mining...................................................................35

6.1.1 Der Data Mining Prozess....................................................................................35

Inhalt iii

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6.1.2 Aufgaben und Methoden im Data Mining..........................................................37

6.2 Kundensegmentierung bei Banken mit Hilfe von Data Mining – Praxisbeispiel .....40

6.2.1 Datenbasis...........................................................................................................41

6.2.2 Data Mining mit der Clusteranalyse...................................................................44

6.2.3 Interpretation und Evaluation .............................................................................48

7 Schlussbetrachtung......................................................................................................51

Literatur.................................................................................................................................54

Kundensegmentierung in der Praxis 1

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1 Einleitung

Bereits Anfang der achtziger Jahre fanden Peters & Waterman auf der Suche nach Spitzen-

leistungen „in der Nähe zum Kunden“ einen wesentlichen unternehmerischen Erfolgsfaktor.

Kundennähe steht mittlerweile im Mittelpunkt vieler strategischer Überlegungen, „denn am

Ende ist es immer der Kunde, der durch seine Kaufentscheidung über den Erfolg oder Miss-

erfolg eines Unternehmens am Markt entscheidet“ [Herp 1990, S. 76]. Oft enden solche

Überlegungen dann in den falsch verstandenen Bemühungen, jede Kundenbeziehung auf-

recht zu halten.

Statt dessen muss es aber darum gehen, nur die „wertvollen“ Kunden aus Anbietersicht zu-

frieden zu stellen. Um nach dieser Maxime handeln zu können, müssen zum einen geeignete

Verfahren entwickelt und angewandt werden, um den Wert einer Geschäftsbeziehung über

den Lebenszyklus hinweg zu ermitteln. Zum anderen müssen Wege gefunden werden, den

„attraktiven“ Kunden enger und langfristig an das Unternehmen zu binden.

Kunden verlangen immer individuellere Produkte, wie im Rahmen von Kundenzufrieden-

heitsuntersuchungen beobachtet wurde. Konnten früher grosse Kundenkreise mit weitgehend

standardisierten Leistungsangeboten zufrieden gestellt werden, müssen Produkte oder

Dienstleistungen heutzutage immer kundenspezifischer ausgestaltet sein. Der Einsatz unter-

nehmerischer Ressourcen darf nicht einseitig im Hinblick auf steigende Kundenzufriedenheit

gesehen werden, sondern viel stärker als bisher müssen auch die Kundenprofitabilität und der

Kundenwert reflektiert werden. Vor dem Hintergrund begrenzter unternehmerischer Res-

sourcen wird deutlich, dass ein zunehmender Anteil kundenindividueller Leistungen entspre-

chend kundenspezifische Kosten verursacht und diese zielgerichtet eingesetzt werden müs-

sen.

Grundvoraussetzung sowohl für die Kundensegmentierung als auch für das Angebot kun-

denindividueller Leistungen ist eine umfangreiche Datenbank, die möglichst umfassend rele-

vante und aktuelle Daten über Kunden, Interessenten und ehemalige Kunden vorhält. Das

Management solcher Datenbanken wird als Customer Profiling bezeichnet [ECC 1999]. Ziel

des Customer Profiling ist es, den richtigen Kunden zum richtigen Zeitpunkt mit den richti-

gen Argumenten zu konfrontieren.

Kundensegmentierung in der Praxis 2

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Im Rahmen des vorliegenden Arbeitsberichtes werden verschiedene Verfahren der Kunden-

segmentierung und Kundenbewertung vorgestellt und unterschiedliche Werkzeuge näher

erläutert.

Anhand einer aktuellen Untersuchung soll der Nutzen von Massnahmen zur Kundensegmen-

tierung illustriert werden (Kapitel 2 ). Ausgangspunkt für die konzeptionellen Darstellungen

sind grundsätzliche Überlegungen bezüglich Kundendatenbanken (Kapitel 3). Diese bilden

die Voraussetzung für die erfolgreiche Kundensegmentierung. Es lassen sich drei verschie-

dene Arten von Segmentierungsmethoden identifizieren. Zum einen gibt es traditionelle

Methoden der Kundensegmentierung, die bislang vor allem zur Strukturierung von Kunden-

clustern im Massenmarkt eingesetzt wurden (Kapitel 4). Daneben existieren Verfahren, die

Kundenbestände quantitativ, anhand ökonomischer Grössen, unterteilen (Kapitel 5). Diese

beiden Gruppen von Segmentierungsverfahren versuchen, ausgehend von logischen Zusam-

menhängen, Kundengruppen festzulegen und zu bewerten. Einen anderen Weg verfolgt das

Data Mining, das versucht, vorher unbekannte nützliche Zusammenhänge aus Daten zu ex-

trahieren (Kapitel 6). In der Schlussbetrachtung werden die Ergebnisse des Berichtes zu-

sammengefasst, und es wird ein Ausblick auf zukünftige Entwicklungen gegeben (Kapitel 7).

2 Der Nutzen von Kundensegmentierungsstrategien im Bankensektor

Eine Studie über die Kreditvergabe an mittelständische Unternehmen in den USA und in

Deutschland hat ergeben, dass amerikanische Banken wesentlich gezielter versuchen ihre

Gewinne zu erhöhen, indem sie Segmentierungsstrategien entwickeln, welche die Ertrags-

potenziale unterschiedlicher Kundengruppen berücksichtigen. Der Vergleich, der vom Natio-

nal Institut of Economic and Social Research in London und der Fachhochschule für Wirt-

schaft und Technik in Berlin durchgeführt wurde, belegt, dass amerikanische Banken ihre

Arbeitsorganisation und Geschäftsprozesse stärker an einer Kundensegmentation ausrichten

als deutsche Banken [vgl. im Folgenden Keltner/Wagner/Mason 1999] und im Vergleich

ihren Verdienst um nahezu 60 Prozent pro Beschäftigungsstunde steigern.

Die Untersuchung wurde auf die Kreditvergabe an mittelständische Unternehmen beschränkt,

um nationale Unterschiede besser analysieren und bereinigen zu können. Das betrachtete

Marktsegment der mittelständischen Unternehmen eignete sich für diesen Vergleich beson-

ders gut, da das Produktspektrum und die Anzahl der Banken in diesem Segment vergleich-

bar sind. Ziel des Projekts war ein Vergleich der Organisation der Kreditvergabe und der

Kundendatenbanken als Voraussetzung für die Kundensegmentierung 3

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daraus resultierenden Erträge unter Berücksichtigung von Subsegmenten innerhalb des Mit-

telstandsmarktes. Insgesamt wurden 17 Banken in den USA und 16 Banken in Deutschland

mittels der Matched-Plant-Methode1 untersucht.

Bei den amerikanischen Banken der Stichprobe war eine klare Zuteilung der Kunden auf

einzelne Segmente festzustellen, die sich hinsichtlich der bankinternen Arbeitssituation, der

Intensität der Kundenbetreuung und der Organisation des Kreditentscheidungsprozesses sig-

nifikant unterschieden. Die Vertriebsstrategie im Marktsegment der kleinen Unternehmen

des Mittelstandes könnte durch den Begriff der Massenbetreuung charakterisiert werden. Die

Geschäftsorganisation war dabei streng kostenorientiert, das Angebot auf standardisierte

Produkte beschränkt, und für Kreditentscheidungen bis 200.000 DM wurden häufig aus-

schliesslich Scoring-Programme eingesetzt.

Im mittleren Kundensegment werden neben den standardisierten Leistungen einige kunden-

spezifische Produkte angeboten. Der Kundenbetreuer kümmerte sich nur um eine be-

schränkte Zahl von Kunden (im Durchschnitt 50) und baute detaillierte Kenntnisse über die

Geschäftssituation der einzelnen Unternehmung auf. Falls ein Unternehmen spezielle Pro-

dukte nachfragt, greift der Kundenbetreuer auf die Unterstützung von Produktexperten zu-

rück, die ihm zur Seite stehen.

Für das Segment der grossen, mittelständischen Kunden haben amerikanische Banken einen

dritten Vertriebsweg entwickelt. Diese fragen häufig kundenindividuelle Lösungen nach.

Anstelle eines einzigen Kundenbetreuers wird jedem Kunden ein Team aus einem Kunden-

betreuer, einem Finanzexperten und einem Produktexperten zugeordnet. Die Teammitglieder

arbeiten zusammen, um die Produktbedürfnisse zu identifizieren und ein kundenspezifisches

Produktbündel zusammenzustellen. Dabei trägt der Kundenbetreuer die Verantwortung für

die gesamte Beziehung zum Unternehmen. Um eine intensive Betreuung gewährleisten zu

können, kümmert sich ein Team um etwa 15 Kunden, denen jeweils relativ viel Zeit gewid-

met wird.

Neben den Unterschieden in der Arbeitsorganisation läuft auch der Kreditentscheidungspro-

zess anders ab. Die Analyse ergab, dass amerikanische Banken auf grössere Kreditanträge

1 Im Rahmen der Matched-Plant-Methode werden Filialen ähnlicher Grösse mit ähnlicher Kundenstruktur ver-

glichen [Daly/Hitchens/Wagner 1985]

Kundendatenbanken als Voraussetzung für die Kundensegmentierung 4

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mehr als dreimal so viel Zeit verwenden wie auf kleine. Der bedeutendste Unterschied liegt

im Zeitaufwand für die Phase der Unternehmensbewertung.

Im Vergleich zu den amerikanischen nutzen die deutschen Banken die Differenzierung in

Arbeitsorganisation, Kundenbetreuungsintensität und Gestaltung des Kreditentscheidungs-

prozesses aus der Kundensegmentierung weniger. Der Abwicklungsprozess für alle drei

Kundensegmente weist eine relativ ähnliche Organisation auf.

Das Marktsegment der kleinen mittelständischen Firmen lässt sich in zwei Bereiche unter-

teilen. Ein Teil wird meist zusammen mit den Privatkunden in der Filiale betreut. Obwohl in

diesem Bereich schon mit Scoring-Modellen zur Entscheidung von Kreditanträgen experi-

mentiert wurde, verbleibt das endgültige Votum beim Berater.

Ebenso wenig differenzieren die deutschen Banken bei den Kunden des oberen Marktseg-

mentes. Nur eine der untersuchten Banken wendet hier ein Teamkonzept an. Dementspre-

chend variiert die Zahl der Kundenbetreuer in den drei Marktsegmenten wenig (mittleres

Segment 89 Kunden; oberes Segment 77 Kunden). Eine Selektion von Prioritätskunden im

oberen Marktanteil und eine entsprechend intensive Betreuung hat sich noch nicht durchge-

setzt.

Auch die für einen Kreditantrag aufgewandte Zeit differiert zwischen dem oberen und dem

mittleren Teilsegment nur gering. Während amerikanische Banken für die Bewertung von

grossen mittelständischen Unternehmen mehr als dreimal soviel Zeit investieren wie bei

mittelgrossen Firmen, benötigen deutsche Banken bei der grossen Kreditanfrage nur knapp

doppelt so viele Stunden wie für die kleinen mittelständischen Unternehmen.

Es ist zu vermuten, dass die Unterschiede im Umfang der Kundensegmentierung ein Schlüs-

selfaktor für die Erklärung der Differenz des finanziellen Erfolges in diesem Geschäftsfeld

zwischen den Banken beider Länder sind. Die Ergebnisse der Studie decken sich in wesentli-

chen Zügen mit den Daten des gesamten Bankgewerbes beider Länder und zeigen einen be-

trächtlichen Vorsprung der amerikanischen Banken.

Durch die Anpassung der Vertriebswege an die Produktbedürfnisse der verschiedenen Ziel-

gruppen versuchen amerikanische Banken ihre Erträge zu erhöhen. Einerseits verbessern sie

durch Rationalisierung das Ertragspotenzial kleiner Firmenkunden. Andererseits bieten sie

für Unternehmen des oberen Segmentes eine sehr intensive Betreuung, um das entsprechend

hohe Ertragspotenzial auszuschöpfen. Aus den aufgezeigten Ergebnissen lässt sich ableiten,

Kundendatenbanken als Voraussetzung für die Kundensegmentierung 5

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dass deutsche Banken dazu übergehen müssen, das Ertragspotenzial der einzelnen Kunden-

gruppen stärker ins Blickfeld zu rücken und, aufbauend auf diesen Erkenntnissen, spezielle

Geschäftsprozesse und Arbeitsorganisationen zu implementieren.

3 Kundendatenbank als Voraussetzung für die Kundensegmentierung

Voraussetzung für eine erfolgreiche Kundensegmentierung ist die Akquisition umfassender

Daten über einzelne Kunden. Je länger und je intensiver die Beziehung mit einem Kunden

ist, desto detaillierter sind die gewonnenen Daten und desto genauer kann ein passendes

Kundenprofil daraus abgeleitet werden (vgl. Abb. 3-1). Entscheidend ist dabei aber nicht die

Fülle der Informationen, sondern vielmehr deren inhaltliche und datentechnische Verknüpf-

barkeit sowie deren handlungsorientierter Problembezug [Bergheimer 1991, S. 228].

PotentielleKunden

FrühereInteressenten

Interessenten Neukunden Stammkunde Fürsprecher Partner

Kundenprofil

Inaktive und ehemaligeKunden

Abb. 3-1: Zusammenhang zwischen Kundenentwicklung und Kundenprofil[in Anlehnung an Kotler 1997, S. 48]

3.1 Analyse der unterschiedlichen Informationstypen

Die in Datenbanken verfügbaren Informationstypen lassen sich grundsätzlich in vier Daten-

kategorien einteilen [ähnlich auch Wilde/Schweiger 1993, S. 101; Link/Hildebrandt 1994, S.

108f, Pucky 1999]:

• Grunddaten enthalten die üblichen demographischen und postalischen Daten eines Kun-

den bzw. Interessenten.

• Deskriptionsdaten umfassen alle Daten, die zum einen die bisherige Geschäftsbeziehung

mit dem Unternehmen widerspiegeln (Kaufhistorie, Konditionen etc.); zum anderen Be-

schreibungsmerkmale, die geeignet sind, den Kunden im Hinblick auf sein zukünftiges

Kaufverhalten zu beurteilen (Produktausstattung etc.).

Kundendatenbanken als Voraussetzung für die Kundensegmentierung 6

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• Aktions- und Reaktionsdaten (auch Kontaktdaten) dokumentieren die bisher bei den Ziel-

personen realisierten Kontakte (Aktionen) und dadurch hervorgerufene Reaktionen.

Ein Vergleich mit dem tatsächlich genutzten Informationsspektrum zeigt, dass oft nur ein

Bruchteil der relevanten und verfügbaren Daten verwendet wird. Hippner/Wilde [1997, S.

10f] stellen fest, dass sich beispielsweise viele Datenbanken auf die Dokumentation der akti-

ven Kunden beschränken. „Potentielle Kunden (als Basis für Neukundengewinnungsaktio-

nen) oder ehemalige Kunden (als Potential für Altkundenreaktivierungsprogramme) werden

teils gar nicht, teils mit nur lückenhaften oder obsoleten Daten geführt. Auch liegen aus frü-

heren Kundenkontakten oft wichtige Erkenntnisse über Preis- und Servicesensibilität, Pro-

dukt- und Markenaffinität oder Innovationsfreudigkeit der Kunden vor, finden jedoch selten

den Weg in die Kundendatenbank.“

3.2 Analyse der unterschiedlichen Informationsquellen

Kundenprofil

Reaktiondaten

Aktionsdaten

DeskriptionsdatenGrunddaten

KundenaktionMarktforschung

KundenclubsAussendienst

KundendienstWeb-Zugriffe

Listbroker

Online-DB

Abb. 3-2: Zusammenhang zwischen Datentypen und Informationsquellen

Für den Aufbau der Datenbasis stehen unterschiedlichste Datenquellen zur Verfügung (vgl.

Abb. 3-2). Man unterscheidet dabei, ob die Daten in Unternehmen selbst erhoben oder ob sie

von externen Quellen bezogen werden.

Kundeninformationen fallen in verschiedenen Unternehmensbereichen an und müssen kon-

sequent bereichsübergreifend erfasst und in die Datenbank eingespielt werden. Interne In-

formationsquellen tragen im Wesentlichen zum Aufbau der Datenbasis bei. Nachfolgend

werden die wichtigsten internen Informationsquellen dargestellt:

Kundendatenbanken als Voraussetzung für die Kundensegmentierung 7

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• Der Kundenberater/Aussendienst erhält aufgrund seines persönlichen Kontaktes eine

Fülle von Informationen über den Kunden und dessen Umfeld. Mit Hilfe eines elektroni-

fizierten Beraterarbeitsplatzes bzw. eines Aussendienstinformationssystems können

wichtige Daten erfasst und in eine zentrale Datenbank eingespielt werden.

• Daneben erhalten auch Servicemitarbeiter, wie bspw. der technische Kundendienst oder

Mitarbeiter im Call-Center, die Gelegenheit, wertvolle Informationen über den Kunden

zu generieren (z.B. Produktzufriedenheit). Diese Mitarbeiter sollten deshalb nicht nur für

die Abwicklung oder den Support eingesetzt werden, sondern auch als „Marktforscher“

betrachtet werden.

• Kundenreaktionsdaten geben Aufschluss über das Verhalten und die Interessen der Kun-

den. Anhand von Responseanzeigen, Reaktionen auf Marketingaktionen, Reklamationen,

Freundschaftswerbungen oder Kundenclubs kann das Unternehmen wertvolle Daten ge-

nerieren.

• Die Auswertung von Kundenaktivitäten, wie beispielsweise das Einkaufsverhalten, die

Art und Weise der Geschäftsabwicklung, das Zahlungsverhalten oder die Wahl der Kon-

ditionen, kann Auskunft über unterschiedliche Präferenzen und individuelle Situationen

liefern. Auch Navigationsmuster innerhalb von Internetseiten können spezifische Interes-

sen des Kunden aufzeigen.

• Im Rahmen eigener Marktforschungsprojekte werden von den meisten Unternehmen in

mehr oder weniger regelmässigen Abständen Kundendaten erhoben, die Erkenntnisse für

die Kundensegmentierung liefern.

Externe Informationsquellen eröffnen der Unternehmung die Möglichkeit, die Marktabde-

ckung der Datenbasis sowie die Qualität und Quantität der Informationen erheblich zu ver-

bessern. Wichtige externe Informationsquellen sind:

• Listbroker sind Unternehmen, die sich auf die Vermietung oder den Verkauf von Adress-

listen mit qualifizierten Merkmalen, wie bspw. Weinbesteller oder Fotoartikelkäufer spe-

zialisiert haben. Durch Abgleich derartiger Adresslisten mit der eigenen Kundendaten-

bank können wertvolle Zusatzinformationen über Kunden und Interessenten gewonnen

werden.

Kundendatenbanken als Voraussetzung für die Kundensegmentierung 8

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• Mit der Hilfe von Online-Datenbanken können beispielsweise dort abrufbare Markt- und

Brancheninformationen über Segmentierungsmerkmale auf individuelle Kundenadressen

übertragen werden. Dies kann insbesondere im Business-to-Business Geschäft zu erhöh-

ter Kundentransparenz und somit zu einem effektiveren Kundendialog führen.

Es können noch weitere externe Informationsquellen gefunden werden, wie bspw. Telefon-

bücher, Vornamentypologien oder Verbandsinformationen, die zu einer erhöhten Kunden-

transparenz beitragen.

4 Qualitative Kundensegmentierungsverfahren

Ein entscheidender Wettbewerbsfaktor ist die Fähigkeit, den Markt zu seinen Gunsten zu

segmentieren und somit attraktive Kunden mit hohem Potenzial von weniger attraktiven

Kunden zu trennen und ein gezieltes Marketing oder eine massgeschneiderte Produktpolitik

den einzelnen Segmenten zukommen zu lassen. Kundendaten sind erst dann sinnvoll nutzbar,

wenn leistungsfähige Methoden zur Verfügung stehen, die in der Lage sind, das Informati-

onspotenzial der Datenbanken auszuschöpfen.

In folgenden Abschnitt werden verschiedene Kriterien der Kundensegmentierung vorgestellt

und deren Vorteile und kritische Faktoren erläutert (Abschnitt 4.1). Hierbei handelt es sich

vor allem um qualitative Segmentierungskriterien, die schon seit längerem zur Segmentie-

rung von Massenmärkten eingesetzt werden und heute in der Praxis weit verbreitet sind. An-

schliessend wird die soziodemographische Segmentierung anhand eines Fallbeispiels aus

dem Bankensektor erläutert (Abschnitt 4.2).

4.1 Darstellung unterschiedlicher Segmentierungskriterien

Im Folgenden werden unterschiedliche Segmentierungskriterien vorgestellt sowie deren Be-

deutung und Einsetzbarkeit für die Kundensegmentierung erläutert [vgl. hierzu Meffert 1995,

S. 104ff]. Dabei handelt es sich um:

• Geographische Segmentierungskriterien

• Soziodemographische Segmentierungskriterien

• Quantitativ-ökonomische Segmentierungskriterien

• Segmentierung nach dem Lebenszykluskonzept

Qualitative Kundensegmentierungsverfahren 9

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• Segmentierungskriterien des beobachtbaren Kaufverhaltens

• Psychographische Segmentierungskriterien

• Segmentierung nach der Risikopräferenz

Geographische Segmentierungskriterien

Geographische Segmentierungskriterien teilen die Märkte in Länder, politisch-administrative

Regionen, Städte oder in andere Agglomerationsräume ein. Diesen liegt die Annahme zu-

grunde, dass sich hinter den geographischen Segmentierungskriterien oft eine Reihe weiterer

Merkmale wie Sprache, Kultur, Religion etc. verbergen. Ein spezieller Segmentierungsansatz

im Bereich der geographischen Ansätze ist die mikrogeographische Segmentierung [Wilde

1996, S. 153]. Deren Grundgedanke ist, dass Menschen mit ähnlichem Lebensstil und ähnli-

chen Konsumgewohnheiten sich häufig an bestimmten Wohnorten konzentrieren. Die mikro-

geographische Segmentierung berücksichtigt neben den geographischen Merkmalen zusätz-

lich auch demographische, infrastrukturelle, psychographische und steuerliche Aspekte für

die Bildung von Wohngebiet- und Regionaltypologien, die dann als Indikator für die Struktur

der Kundenbedürfnisse und das Kundenverhalten herangezogen werden. Diese Daten sind

relativ einfach zu beschaffen und werden vor allem in der Konsumgüterindustrie eingesetzt.

Die Segmentierung nach Märkten und Kunden ist eine in der Praxis häufig anzutreffende

Lösung. Geographische Segmentierungskriterien können zwar erste Anhaltspunkte über

mögliche Unterschiede im Kundenverhalten geben, allerdings haben sie im Bezug auf den

Einsatz von Marketing nur eine beschränkte Aussagekraft. Der mikrogeographische Seg-

mentierungsansatz weist aufgrund der Verwendung einer Vielzahl unterschiedlicher Seg-

mentierungskriterien eine deutlich höhere Vernetztheit auf. Es lassen sich aus Merkmalen

wie der Bausubstanz oder der Bevölkerungsdichte in einem Wohnviertel Ansätze für das

Marketing ableiten, allerdings sind weitere Kriterien zur inhaltlichen Vertiefung notwendig.

Soziodemographische Segmentierungskriterien

Soziodemographische Segmentierungskriterien orientieren sich an sozialen oder demogra-

phischen Merkmalen. Dies sind beispielsweise das Geschlecht, das Alter, der Zivilstand oder

der Beruf. Soziodemographische Segmentierungskriterien sind praxisorientiert, anwendungs-

freundlich und können erste Hinweise auf ein mögliches Kaufverhalten geben. Allerdings ist

ihre Aussagekraft ohne weitere Segmentierungskriterien eher niedrig.

Qualitative Kundensegmentierungsverfahren 10

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Quantitativ-ökonomische Kriterien

Quantitativ-ökonomische Kriterien umfassen beispielsweise Einkommen und Vermögen. Sie

gehören im Bereich der Banken und Versicherungen zu den am häufigsten verwendeten

Segmentierungskriterien. Auch diese Art von Kriterien sind einfach zu handhaben. Diesen

liegt die Annahme zugrunde, dass Kunden mit bestimmtem Einkommen und bestimmten

Vermögensverhältnissen ähnliche Bedürfnisse haben. Im Zuge einer immer individuelleren

Kundenansprache reicht dieses Kriterium nicht mehr aus.

Segmentierung nach dem Lebenszykluskonzept

Das Lebenszykluskonzept ist eine Kombination aus soziodemographischen und quantitativ-

ökonomischen Segmentierungsansätzen. Segmentierungskriterium ist beispielsweise eine

Kombination aus Alter, Beruf und antizipiertem Vermögen. Das Lebenszykluskonzept geht

davon aus, dass der Mensch während seines Lebens bestimmte Lebensabschnitte durchläuft

und dass sich sein Verhalten und seine Bedürfnisse in den einzelnen Lebensabschnitten ver-

ändern [Wentland 1993, S. 60]. Das Konzept selbst ist in seiner Form verständlich und ein-

fach anwendbar. Insbesondere für Unternehmen mit einem fokussierten Marktauftritt ist das

Lebenszykluskonzept eine mögliche Segmentierungsform [Hagander 1995, S. 7]. Allerdings

hängen die Bedürfnisse und das Verhalten eines Kunden mit Variablen wie Anzahl der Kin-

der oder Höhe der Erbschaft zusammen. Ungenauigkeiten ergeben sich vor allem dann, wenn

zusätzliche Ereignisse wie Krankheit, Scheidung oder eine zeitliche Verschiebung des Le-

benszyklus dessen Aussagekraft relativieren.

Segmentierungskriterien des beobachtbaren Kaufverhaltens

Segmentierungskriterien des beobachtbaren Kaufverhaltens beruhen auf in der Vergangen-

heit liegenden Daten. Diese können in dienstleistungsbezogene, kommunikationsbezogene,

preisbezogene und einkaufsstättenbezogene Kriterien eingeteilt werden. Sie stellen die Wahl

der Dienstleistungen, den Wert und die Nutzungsintensität in den Vordergrund. Das Nach-

frageverhalten kann beispielsweise anhand der Anlage- und Produktpräferenzen, des Trans-

aktionsverhaltens, des Preisverhaltens und der Nutzung bestimmter Absatzkanäle durch die

Kunden bestimmt werden. Die Fortschritte in der Informationstechnologie stellen die rele-

vanten Daten auf vergleichsweise kostengünstige und einfache Weise zur Verfügung. Aller-

dings ist zu beachten, dass es sich dabei um vergangenheitsbezogene Daten handelt und dass

nur Aussagen über bereits bestehende Kundenkontakte gemacht werden können. Eine Aus-

Qualitative Kundensegmentierungsverfahren 11

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wertung des beobachteten Kaufverhaltens liefert aber Hinweise auf mögliche Motive, Ein-

stellungen und Bedürfnisse. Im Allgemeinen spielen die Segmentierungskriterien vor allem

im operativen Marketing eine Rolle.

Psychographische Segmentierungskriterien

Psychographische Ansätze umfassen Motive, Einstellungen und Bedürfnisse. Ansätze sind

dabei beispielsweise die Benefit-Segmentation, die sich am vom Kunden erwarteten Nutzen

orientiert oder die Segmentierung nach Risikopräferenzen. Ausgangspunkt psychographi-

scher Segmentierungen sind vertiefte kosten- und zeitaufwendige Marktforschungsprojekte.

Die Ergebnisse sind je nach Fragestellung differenzierte Aussagen zum Kundenverhalten, zur

Kundenmotivation und –einstellung und zu Bedürfnissen. Für das operationale Marketing

sind sie von grosser Bedeutung, allerdings ist zu beachten, dass diese aufgrund von Um-

welteinflüssen und sich ändernden Bedürfnissen im Zeitlauf instabil sind.

Segmentierung nach der Risikopräferenz

Segmentierungen nach Risikopräferenzen sind eine Untergruppe der psychographischen

Segmentierungskriterien. Die Segmentierung kann u.a. vorgenommen werden nach der Risi-

koneigung, der Risikofähigkeit, nach der Desasterwahrscheinlichkeit oder nach dem Invest-

mentstil [Verwilghen 1997, S. 27ff]. Es lassen sich dabei zwei Gruppen von Segmentierun-

gen erkennen. Zum einen wird nach der Risikopräferenz des Kunden und zum anderen nach

dem Risiko der Produkte differenziert. Interessant für die hier skizzierte Fragestellung ist die

Risikopräferenz des Kunden, die im Zeitverlauf relativen Schwankungen unterliegen kann

und die von der individuellen finanziellen Situation, dem Anlagezweck und von unterschied-

lich attraktiven Anlagealternativen abhängt.

Qualitative Kundensegmentierungsverfahren 12

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Segmentierungs-verfahren

Ausrichtung Stärke Schwäche

GeographischeSegmentierung

• Strategisch• Grobsegmentie-

rung

• Stabilität• Praxisorientierung• Ressourcen- und

Wettbewerbsorientiert

• Geringe Relevanz desNachfrageverhaltens

• Niedrige Aussagekraftfür den Einsatz im Mar-keting-Mix

Soziodemographi-sche Segmentie-rung

• Grob-/Fein-segmentierung

• Praxisorientierung• Aussagekraft für diffe-

renziertes segmentspe-zifisches Marketing

• Gefahr der Fehlinter-pretation

Quantitativ-ökonomischeSegmentierung

• Strategisch• Grobsegmentie-

rung

• Praxisorientiert• Aussagekraft für diffe-

renziertes segmentspe-zifisches Marketing

• Geringe Relevanz desNachfrageverhaltens

Lebenszykluskon-zept

• Feinsegmentie-rung

• Praxisorientiert• Aussagekraft für diffe-

renziertes segmentspe-zifisches Marketing

• Komplexe Datenbasis• Gefahr der Fehlinter-

pretation

BeobachtbaresKaufverhalten

• Feinsegmentie-rung

• Praxisorientiert• Aussagekraft für diffe-

renziertes segmentspe-zifisches Marketing

• Vergangenheitsorientie-rung

• Gefahr der Fehlinter-pretation

PsychographischeSegmentierung

• Produkt- undFeinsegmentie-rung

• Hohe Aussagekraft fürsegmentspezifischesMarketing

• Gefahr der Fehlinter-pretation

• Problem der Instabilität

Risikopräferenz• Strategisch• Feinsegmentie-

rung

• Produktdifferenzie-rung

• Gefahr der Fehlinter-pretation

• Problem der InstabilitätAbb. 4-1: Zusammenfassung der Segmentierungskriterien [Emödi 1999, S. 129]

In Abbildung 4-1 wurden die einzelnen Segmentierungskriterien mit ihren Stärken und

Schwächen zusammengefasst. Für die feine Markt- und Kundensegmentierung müssen ver-

schiedene Segmentierungskriterien miteinander kombiniert werden, ausserdem ist zu beach-

ten, dass sich einzelne Markt- und Kundensegmente im Zeitlauf dynamisch verhalten. Eine

geeignete Zusammenstellung unterschiedlicher Kriterien kann nur an einer konkreten Situa-

tion vorgenommen werden.

Qualitative Kundensegmentierungsverfahren 13

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4.2 Soziodemographische Kundensegmentierung – Fallbeispiel

Das vorliegende Fallbeispiel bezieht sich auf eine Untersuchung von Küspert [1992], der mit

Hilfe der Clusteranalyse1 eine Kundensegmentierung für den Private Banking Bereich einer

Universalbank durchführte.

Küspert untersuchte in einem ersten Versuch mittels Clusteranalyse kundenspezifische Va-

riablen wie Alter, Geschlecht, Familienstand, Lebensverhältnisse, regionalspezifische Varia-

blen wie Gemeindegrössen, Bundesland und produktspezifische Variablen wie Privatkonto,

Sparkonto, Depot, Kreditkonto etc. Dieser erste Versuch führte zu dem Ergebnis, dass durch

die Verwendung zu vieler unterschiedlicher Variablen eine eindeutige Klassifizierung der

Kunden mit Hilfe der Clusteranalyse nicht mehr möglich war.

In einem zweiten Ansatz beschränkte sich Küspert auf die Zuordnung von Kunden auf eine

bestimmte Lebensphase. Das Lebenszykluskonzept beruht auf der Zusammenfassung mehre-

rer demographischer Einzelkriterien, um zwischen den Gruppen deutlichere Unterschiede

hervortreten zu lassen.

Hierzu wählte Küspert eine zweistufige Vorgehensweise: Zunächst sollten die Kundengrup-

pen „Vermögende“, „Selbstständige“ sowie „Schüler/Studenten/Auszubildende“ selektiert

werden. Als Selektionskriterien wurden demzufolge Alter, Beruf, Einkommen und Pro-

duktnutzung gewählt. Den drei Kundengruppen konnten 40% der Stichprobe zugeordnet

werden. In der zweiten Stufe wurde für die verbleibenden 60 % nach den Kriterien Alter,

Familienstand, Zahl und Alter der Kinder sowie Lebensverhältnissen eine Clusteranalyse

durchgeführt. Somit konnten fünf weitere Segmente gefunden werden; dinks (double income

no kids), Singles, Familien in der Frühphase, Familien in der Mittelphase und Familien in der

Spätphase.

Die so gebildeten insgesamt acht Cluster wurden hinsichtlich ihrer unterschiedlichen Pro-

duktnutzung und Produktpräferenzen im Vergleich zum Durchschnitt untersucht. Dabei lies-

sen sich für das Marketing aufschlussreiche Informationen generieren. Es konnte beispiels-

1 Mit der Clusteranalyse werden Verfahren beschrieben, die der Datenstrukturierung dienen. Die Clusteranalyse

findet insbesondere dann Anwendung, wenn eine Reihe von Merkmalen verschiedener Objekte (Kunden)vorliegen und die Objekte nach Merkmalsausprägungen gruppiert werden sollen. Die Einteilung der Objektein Klassen oder Cluster erfolgt aufgrund der Ähnlichkeit zwischen den Objekten innerhalb der Klassen. Da-bei soll die Ähnlichkeit zwischen den Objekten eines Clusters möglichst gross und die zwischen zwei Clu-stern möglichst gering sein [Backhaus/Erichson/Plinke/Weiber 1990, S. 115ff.].

Qualitative Kundensegmentierungsverfahren 14

© HSG / IWI / CC CRM / SGR

weise nachgewiesen werden, dass das Cluster „dinks“ insgesamt eine überdurchschnittliche

Produktnutzung aufweist und Privatkredite ebenfalls überdurchschnittlich beansprucht wer-

den. Bei den Vermögenden und Selbständigen war der Anteil an Postscheckkonten über-

durchschnittlich hoch, was auf ein erhöhtes Preisbewusstsein schliessen lässt.

Doch zur Bildung von strategischen Geschäftsfeldern reicht diese Segmentierung noch nicht

aus. Hierzu sind, wie Küspert selbst darstellt, noch eine Reihe weiterer Schritte notwendig,

welche u.a. die Kundengruppen hinsichtlich des Potenzials, der Konkurrenzsituation oder

ihres Deckungsbeitrages klassifizieren.

Die dargestellte Fallstudie von Küspert macht deutlich, dass eine Segmentierung basierend

auf soziodemographischen Kriterien mit Schwierigkeiten verbunden ist. Dazu zählten zum

Beispiel die Abgrenzung der einzelnen Gruppen zueinander, die immer willkürlich getroffen

werden muss. Aufgrund der Vielzahl der Eigenschaften, die einen Kunden charakterisieren,

sind Überschneidungen der Segmente unvermeidlich. Ist ein Kunde einem Cluster zugeord-

net, so können demographische Einzelkriterien, die den Lebenszyklus der Kunden auch cha-

rakterisieren, verloren gehen. Darüber hinaus sagt bspw. die Variable „Einkommen“, die das

Segment der Vermögenden abgrenzt, nur bedingt etwas über das tatsächlich vorhandene

Vermögen aus. All diejenigen Personen, die zwar über ein geringes Einkommen verfügen,

aber ansonsten ein beträchtliches Vermögen haben, werden ignoriert. Auch die Segmentie-

rung nach dem Vermögen, das ein Kunde bei einer Bank anlegt, ist eine kritische Grösse. Da

gerade heutzutage der Trend eher zu Mehrbankverbindungen geht, reicht dieses Kriterium

nicht mehr aus.

Neben den möglichen Überschneidungen und Unschärfen macht die Clusterbildung keinerlei

Aussagen über die Profitabilität der Kunden in den einzelnen Segmenten. Es wird lediglich

vermutet, dass Kunden mit einem hohen Einkommen oder Vermögen die rentableren Kunden

sind. Ferner lässt auch die Segmentierung nach Lebensphasen grosse Unterschiede in der

Profitabilität der Kunden innerhalb eines Segmentes zu.

5 Verfahren zur Kundenbewertung

Die im Folgenden systematisierten und dargestellten Konzepte zur Kundenbewertung sind

klar abzugrenzen von den zuvor behandelten Marktsegmentierungsansätzen, die insbesonde-

Verfahren zur Kundenbewertung 15

© HSG / IWI / CC CRM / SGR

re zur Differenzierung in Massenmärkten eingesetzt werden. Grundsätzlich können einige

dieser Kriterien auch für die Beurteilung der Kundenwertigkeit herangezogen werden. Vor

allem zur Vorab-Segmentierung der Kundengruppen sind diese Kriterien relevant. Cornelsen

[1998, S. 2] bezeichnet den Kundenwert als ein spezifisches Mass für die ökonomische Be-

deutung von Kunden aus Anbietersicht, d.h. deren direkten und indirekten Beitrag zur Errei-

chung der wertbezogenen Ziele einer anbietenden Unternehmung. Als direkter Beitrag zum

Kundenwert wird bspw. das Umsatzpotenzial des Kunden bezeichnet. Unter einem indirekten

Beitrag zum Kundenwert werden sog. vor-ökonomische Kundenpotenziale zusammenge-

fasst, wie das Cross-Selling-Potenzial, das Informationspotenzial oder das Referenzpotenzial.

Das Cross-Selling-Potenzial ist ein Mass, ob und ggf. wie weit eine bestehende Geschäftsbe-

ziehung auf andere Produkte eines Anbieters ausgeweitet werden kann. Das Informationspo-

tenzial beschreibt die Gesamtheit innovativer und nutzbarer Informationen, die ein Anbieter

von Kunden erhält und die entsprechend zur Verbesserung der Produktqualität beitragen. Das

Referenzpotenzial bezeichnet den Beitrag des Kunden, durch verbalen Austausch mit mehre-

ren Personen konkrete Informationen über einen Anbieter bzw. dessen Angebotsleistung aus-

zutauschen.

5.1 Unterschiedliche Methoden der Kundenbewertung

Rentabilitätskriterien orientieren sich am ökonomischen Prinzip, durch die Konzentration der

Kräfte die Ressourcen und die Fähigkeiten eines Unternehmens gezielt einzusetzen. Voraus-

setzung hierfür ist eine detaillierte Deckungsbeitragsrechnung, welche die Rentabilität ein-

zelner Kunden bzw. Kundengruppen offen legt. Dabei werden unternehmensinterne Kosten-

komponenten kundenorientierten Ertragskomponenten gegenübergestellt. Während die zuvor

erwähnten Segmentierungskriterien für alle Unternehmen einer Branche gleichermassen gel-

ten, spielen bei den Rentabilitätskriterien interne Rahmenbedingungen und Kostenstrukturen

eine grosse Rolle. Beispielsweise mag für ein Unternehmen ein bestimmtes Segment sehr

attraktiv sein, während es für einen Konkurrenten keine hohe Priorität geniesst und vernach-

lässigt wird. Die Rentabilität ist ein Gradmesser für den unternehmerischen Erfolg. Der

Rentabilitätsorientierung muss somit eine hohe Bedeutung eingeräumt werden. Einer Studie

von PriceWaterhouse [1996, S. 20] zufolge berücksichtigen im Bankenbereich weniger als

25% der Banken das Segmentierungskriterium „Client profitability“. Kunden mit niedrigem

Deckungsbeitrag sollen zu Kundengruppen zusammengefasst werden, die entweder rentabili-

siert oder abgestossen werden.

Verfahren zur Kundenbewertung 16

© HSG / IWI / CC CRM / SGR

Eine Stufe weiter gehen wettbewerbsorientierte Segmentierungskriterien, die das Verhältnis

von Investitionen und Aufwand in den Mittelpunkt der Überlegungen stellen. Dabei werden

die notwendigen Kosten für die Ausweitung des Marktanteils den zusätzlichen Erträgen ge-

genübergestellt. Diese gehen von einem ähnlichen Denkansatz aus wie die rentabilitätsorien-

tierten Segmentierungskriterien, wobei die Erfolgsaussicht in die Segmentierung einbezogen

wird, insofern als die aktuellen bzw. potenziellen Wettbewerbsverhältnisse eine mitbestim-

mende Rolle spielen [Bernet 1996, S. 208f]. Dieser Ansatz entstammt der Überlegung, dass

die vorhandenen Ressourcen noch nicht einmal dazu ausreichen, alle mit hoher Priorität de-

klarierten Segmente umfassend und effizient zu bearbeiten. Diese Segmente müssen somit

nochmals unterteilt werden, diesmal nach den Chancen und Risiken, denen sich ein Unter-

nehmen in einem Markt aussetzt.

Das Unternehmen soll somit seine Ressourcen dort konzentrieren, wo a) eine optimale Stück-

Rendite bzw. ein optimaler Stück-Deckungsbeitrag erzielt werden kann und b) die wettbe-

werbsstrategischen Rahmenbedingungen sich dergestalt präsentieren, dass die Marktchancen

eines Unternehmens als überdurchschnittlich gut eingeschätzt werden können.

Krafft/Albers [1999] versuchen unterschiedliche Verfahren zur Kundenbewertung zu syste-

matisieren. Dazu dient zum einen die Art und Anzahl der zugrundeliegenden Dimensionen,

d.h. ob ein oder mehrere Kriterien in die Bewertung des Kunden einfliessen. Zum anderen

werden Bewertungsansätze danach typisiert, ob sie einzelne Kunden separat (individuell)

oder aber spezifische Gruppen gemeinsam (kumuliert) bewerten (vgl. Abb. 5-1).

Zuordnung

Bewertung

IndividuelleDarstellung

KumulierteDarstellung

Eindimensional

• QualitativeSegmentierung

• Kundendeckungs-beitrags-Rechnung

• Customer LifetimeValue

• QualitativesRanking allerKunden

• ABC-Analyse

Mehrdimensional• Scoring-Ansätze• Radarchart

(je Kunde)

• Scoring-Portfolio• Klassisches

Kunden-Portfolio

Abb. 5-1: Ansätze zur Bewertung von Kunden [Krafft/Albers 1999, S. 3]

Verfahren zur Kundenbewertung 17

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5.1.1 Eindimensionale Ansätze

Kundensegmentierungsverfahren auf der Basis eines Kriteriums bieten den Vorteil, dass mei-

stens auf direkt verfügbare Daten des Rechnungswesens aufgebaut werden kann. Aufgrund

ihrer einfachen Handhabung sind diese Verfahren in der Praxis auch relativ weit verbreitet.

Zu den individuellen eindimensionalen Verfahren zählt das in der Industrie und im Dienstlei-

stungsbereich häufig anzutreffende Verfahren der Qualitativen Segmentierung. Zu diesen

Ansätzen gehört bspw. die Einteilung der Kunden in Lead User, strategische Kunden oder

auch Innovatoren. Charakteristisch für diese Art der Verfahren ist die Einteilung der Kunden

nach vorwiegend subjektiven Beurteilungskriterien, vor allem nach der individuellen Intuiti-

on der Kundenbetreuer. Selten erfolgt eine monetäre Konkretisierung. Trotz dieser Willkür

erfreuen sich qualitative Segmentierungen grosser Beliebtheit. Die Einteilung der Kunden in

diese Gruppen erfolgt überwiegend vor oder mit dem ersten Geschäftsabschluss, deshalb ist

dieses Verfahren als Ex-Ante-Segmentierung zu bezeichnen.

Zu den quantitativen, eindimensionalen Verfahren auf der Ebene einzelner Kunden zählen

insbesondere die Kunden-Deckungsbeitragsrechnung und der Customer-Lifetime-Value-

Ansatz.

Voraussetzung für eine aussagekräftige Kunden-Deckungsbeitragsrechnung ist eine Organi-

sation von Kosten und Erlösen nach beliebigen Absatzmengen (Aufträge, Distributionskanä-

le, Kunden, Produkte oder Regionen) im Sinne einer zweckneutralen Grundrechnung. Die

technischen Voraussetzungen sind durch moderne, multidimensionale Datenbanken gegeben,

allerdings ist eine sachgerechte Aufteilung oft ein innerbetriebliches und kostenrechnungs-

technisches Problem. Die Aussagekraft der Kunden-Deckungsbeitragsrechnung liefert nur

für die Einzelfallrechnung sinnvolle Ergebnisse. Neue Möglichkeiten bieten sich durch die

Prozesskostenrechnung, wenn statt der sonst üblichen produktbezogenen Prozesse einzelne

Kundenbeziehungen als Bezugsgrösse gewählt werden. Dadurch wird das Defizit der Kun-

den-Deckungsbeitragsrechnung, dass umfassende Gemeinkosten nicht in das Kalkül einbe-

zogen werden, durch die in der Prozesskostenrechnung übliche Vollkostenbetrachtung teil-

weise behoben. Obwohl prozessbezogene Informationen aufgrund der Verbreitung von Sy-

stemen wie SAP/R3 oder BAAN zunehmend in den Unternehmen vorhanden sind, werden

die Möglichkeiten einer kundenbezogenen Prozesskostenrechnung noch kaum genutzt

[Krafft 1999, S. 4].

Verfahren zur Kundenbewertung 18

© HSG / IWI / CC CRM / SGR

Der Customer-Lifetime-Value-Ansatz stellt eine Dynamisierung der kundenbezogenen Er-

folgsrechnung über die Totalperiode der Geschäftsbeziehung dar. Würden unter der Prämisse

vollkommener Information nicht nur über bisherige, sondern auch über zu erwartende Ein-

und Auszahlungen Erkenntnisse vorliegen, könnte eine Optimierung anhand der Kundenle-

benszykluswerte auf Basis der dynamischen Investitionsrechnung stattfinden. Realistischer-

weise ist aber von erheblichen Schätzungenauigkeiten auszugehen, so dass es nicht verwun-

derlich ist, dass sich die Customer-Lifetime-Analyse noch nicht einmal im Business-to-

Business Bereich etabliert hat. Als Alternative versucht Cornelsen [1998; ähnliche Ergebnis-

se auch in Bliemel/Eggert 1999] im Rahmen langfristiger Kundenwertmodelle den Grad der

Kundenzufriedenheit als Indikator für die Stabilität der Kundenbeziehung zu werten.

Die bereits beschriebenen qualitativen Einschätzungen individueller Geschäftsbeziehungen

können auch Grundlage für ein qualitatives Ranking aller Kunden sein. Dabei werden alle

potenziellen Kunden hinsichtlich eines Kriteriums in eine Rangfolge gebracht. Auf Basis

dieser Kunden-Rangliste können z.B. die vermeintlich interessantesten Kunden im Rahmen

von verkaufsfördernden Massnahmen intensiv besucht werden. Auch hier gelten die weiter

oben aufgeführten Kritikpunkte.

Der gesamte Kundenbestand kann auch quantitativ im Rahmen einer ABC-Analyse anhand

des Umsatzes pro Kunde segmentiert werden. Da Kundenumsätze direkt dem Rechnungswe-

sen entnommen werden und eine geordnete Aggregation der Umsätze schnell durchgeführt

werden kann, ist es kaum verwunderlich, dass ABC-Analysen von mehr als ¾ aller Indu-

striegüterunternehmen angewandt werden. Dabei bestätigt sich in den meisten Fällen die

80/20 Regel (80% der Umsätze werden von 20% der Kunden erwirtschaftet) [Hom-

burg/Daum 1997, S. 58 f.]. Es ist nun sehr fraglich, ob eine Einteilung in drei bis vier Um-

satzklassen von Kunden betriebswirtschaftlich sinnvoll ist, da fallweise Betrachtungen zei-

gen, dass zwischen dem Gesamtumsatz und der Profitabilität nicht unbedingt eine lineare

Beziehung besteht.

Die Darstellung eindimensionaler Verfahren hat verdeutlicht, dass eine Orientierung an nur

einem Indikator der Kundenwertigkeit kaum geeignet ist, die Komplexität der Profitabilität

von Geschäftsbeziehungen und der darauf Einfluss nehmenden Grössen abzubilden. Die im

folgenden Abschnitt und in den Fallbeispielen vorgestellten mehrdimensionalen Verfahren

sollen insbesondere dieser Vielschichtigkeit besser gerecht werden.

Verfahren zur Kundenbewertung 19

© HSG / IWI / CC CRM / SGR

5.1.2 Mehrdimensionale Verfahren

Im Rahmen einer individuellen Darstellung der Kundenbewertung gilt die Scoring-Methode

als relativ weit verbreitet. Zur Beurteilung einzelner Kunden wird ein Kriterienkatalog her-

angezogen, dem eine einheitliche Bewertungsskala (bspw. von 1=sehr gut bis 6=sehr

schlecht) zugrunde liegt. Dabei kommt es weniger auf den Detaillierungsgrad der Punkte an,

also ob maximal 4 oder 8 Punkte je Kriterium zu verteilen sind, als vielmehr darauf, ob die

wesentlichen Kriterien für eine wertorientierte Differenzierung von Kunden identifiziert

wurden. Hier liegt auch das Problem der Scoring-Ansätze, da die Frage nach der Vollstän-

digkeit der Kriterien nur unternehmens- und marktspezifisch beantwortet werden kann. Bei

einer zunehmenden Anzahl von zu bewertenden Kunden wird es ratsam, die Bewertung der

einzelnen Kriterien zu gewichten und in einen Kundenwert-Index oder Score zu überführen

[Köhler 1998, S. 346f]. Scoring-Methoden basieren nachhaltig auf qualitativen Grössen, die

subjektiv und a priori abgeschätzt werden.

Statt der Verdichtung der einzelnen Kriterien zu einem Score können die Antworten zu den

einzelnen Merkmalen auch in Form von Radarcharts (je Kunde) dargestellt werden, wobei

jedes Kriterium als eine Dimension angetragen wird [Albach 1987, S. 638 f]. Die Form der

Visualisierung ist zwar eingängig, wird aber bei zahlreichen Kriterien und Kunden schnell

unübersichtlich.

Ausgehend von individuellen Scorings ist es auch möglich, alle Kunden in Scoring-Portfolios darzustellen. Potenzielle und bestehende Kunden werden dabei üblicherweise an-

hand der Dimensionen Kundenattraktivität und Wettbewerbsposition mit Hilfe klassischer

Portfoliotechniken dargestellt. Die Frage, wie attraktiv ein Kunde für ein Unternehmen ist,

wird anhand von Kriterien wie derzeitige Bedarfsvolumina, Bonität, Ertragskraft / Deckungs-

beitragspotenzial usw. beantwortet. Problematisch ist die Anwendung von Portfolioansätzen,

da die unterschiedliche, subjektive Gewichtung einzelner Kriterien dazu führen kann, dass

die Kunden den erwünschten Segmenten zugeordnet werden. Zudem tendieren die an der

Kundensegmentierung Beteiligten dazu, Kompromisse zu schliessen und viele Kunden im

Fadenkreuz des Portfolios zu positionieren [Krafft/Albers 1999, S. 8].

Wie schon beim Portfolio auf der Basis von kundenindividuellen Scorings dient das klassi-sche Kundenportfolio zur Visualisierung der gesamten Kundenstruktur anhand von Kriterien

der Kundenattraktivität und der Wettbewerbsposition. Der wesentliche Unterschied zu Sco-

Verfahren zur Kundenbewertung 20

© HSG / IWI / CC CRM / SGR

ring-Portfolios liegt darin, dass die Bewertung überwiegend unter Zuhilfenahme von quanti-

tativen Grössen und aus der Retrospektive erfolgt.

5.2 Kundenwertanalyse – Fallbeispiel Teil A

Bislang wurden unterschiedliche Verfahren zur Kundenbewertung vorgestellt. Im Folgenden

soll eine Fallstudie zur Durchführung einer Kundenbewertung die Komplexität aufzeigen, die

bei einer entsprechenden Fragestellung entsteht. Die Kundenbewertung muss, wie bereits

weiter oben erwähnt, für das Unternehmen individuell vorgenommen werden.

Im Teil A dieser Fallstudie, die Knöbel [1997] im Rahmen seiner Dissertation erarbeitet hat,

erfolgt die Analyse des Ist-Zustandes des Kundenstamms einer Universalbank. Die nachfol-

gend aufgeführten Zahlen und Ergebnisse sind nicht repräsentativ, sondern spiegeln nur die

individuellen Verhältnisse der untersuchten Bank wider.

Die Kundenwertanalyse besteht aus drei Analyseschritten (vgl. Abb. 5-2):

• Die Attraktivitätsanalyse quantifiziert den Anteil der Kunden in den einzelnen Segmenten

des Customer Value Grid. Sie bildet die Grundlage zu den weiteren Analyseschritten.

• Die Ertragsanalyse berechnet den durchschnittlich generierten Kundenertrag eines Grids

aus Zinserträgen sowie Produkt- und Transaktionserträgen.

• Die Portfolioanalyse erteilt Aufschluss über die Art und Menge der in einem Wertseg-

ment genutzten Produkte und Transaktionen.

Verfahren zur Kundenbewertung 21

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Attraktivitätsanalyse- Festlegen der Wertebereiche auf den Achsen- Quantitative Verteilung der Kunden auf Grids

Ertragsanalyse- Berechnen des Kundenertrages pro Grid- Hypothesentest

Portfolioanalyse

Kundenwertsegmente

Produkte pro Kunde- Sparkonto- Privatkonto- ...Transaktionen pro Kunde- Gutschrift- Schalterbezüge- POS-Belastung-...

Ertrag pro Transaktionx

AnzahlTransaktionen

Segmentspezifischer Kundenertrag=

+ Zinsertrag

Abb. 5-2: Die Phasen der Kundenwertanalyse

5.2.1 Attraktivitätsanalyse

Die Attraktivitätsanalyse nimmt eine quantitative Verteilung der Kunden in der Stichprobe

auf ein zuvor aufgestelltes Customer Value Grid vor. Dabei wurden für die Attraktivität eines

Kunden die beiden Dimensionen Wert- und Servicepotenzial festgelegt.

• Das Wertpotenzial wird in Form der Bruttozinserträge1 gemessen, die das Kreditinstitut

in einer Geschäftsbeziehung erwirtschaftet.

• Das Servicepotenzial ist von der Art und Häufigkeit der durchgeführten Transaktionen

sowie von den für die Bank erwirtschafteten Erträgen abhängig.

Die Ertragssegmentierung erfolgt daher nach drei Dimensionen. Der Erfolg aus dem Wertbe-

reich lässt sich als Zinsertrag auf einer Achse auftragen (vgl. Abb. 5-3). Der durchschnittli-

che Nettoertrag pro Transaktion gibt den durchschnittlichen Erfolg des Betriebsbereichs aus

der Geschäftsbeziehung an. Schliesslich wird in der dritten Dimension die Anzahl der Trans-

aktionen angezeigt, über welche die Aktivität der Kunden gemessen werden kann. Die drei

1 Der Bruttozinsertrag errechnet sich aus den unterschiedlichen Zinssätzen und den Saldi der von einem Kunden

genutzten Produkte.

Verfahren zur Kundenbewertung 22

© HSG / IWI / CC CRM / SGR

Dimensionen (Achsen) können in zwei, drei oder mehrere Wertebereiche untergliedert wer-

den. Jeder Kunde wird schliesslich einem Wertebereich (Grid) zugeordnet. Innerhalb eines

Grids werden ähnliche Kundengruppen segmentiert.

Zinsertrag

hochmittel

niedrig

niedrig mittel hoch

viel

mittel

wenig

Ertrag proTransaktion

AnzahlTransaktionen

Abb. 5-3: System des Customer Value Grids

In einem ersten Schritt wurde versucht, Kundencluster anhand der Dimension Zinserträge zu

bilden. Dabei zeigte sich zum einen, dass die Segmentierung nach Zinserträgen zu einer rela-

tiv gleichmässigen Normalverteilung führte und dass nur 33 % der Kunden einem der Cluster

zugeordnet werden konnten. Die Ursache hierfür ist in dem relativ hohen Anteil passiver

Kunden zu sehen, die zwar ein oder mehrere Konten bei der betrachteten Universalbank füh-

ren, aber im Betrachtungszeitraum (1 Monat) keine Transaktionen auslösten.1

Aufgrund der grossen Zahl von Kunden, die sich mit dem vorgeschlagenen Segmentie-

rungsmodell nicht erfassen liessen, wurde eine Erweiterung des Customer Value Grid ange-

strebt. In einer zusätzlichen Schicht wurden all jene Kunden zusammengefasst, die innerhalb

eines Monats keine Transaktionen durchgeführt haben. Da sich die passiven Kunden von den

aktiven auch durch niedrigere Zinserträge unterschieden, wurden für die passiven Kunden

1 Wenn die Transaktionszahl auf null gesetzt ist, gilt der Betriebsertrag als nicht definiert.

Verfahren zur Kundenbewertung 23

© HSG / IWI / CC CRM / SGR

andere Wertbereiche (Value Grids) definiert. Darüber hinaus zog man anstatt des Ertrags pro

Transaktion den absoluten Ertrag aus Kontoführungsgebühren und –kosten als Segmentie-

rungskriterium für die x-Achse heran.

Insgesamt ergibt sich also ein Customer Value Grid mit insgesamt 33 Teilsegmenten (vgl.

Abb. 5-4).

10 11

1 2 3

4 5 6

7 8 9

Bruttozinsertrag

Bruttozinsertrag

Betriebsertrag (absolut)>-0.3<=-0.3

Ebene 1<-1.4

Ebene 2 -1.4 bis -0.6

Ebene 3>-0.6

A: 0 bis 1B: > 1 bis 5

C: > 5

A: 0 bis 0.4B: > 0.4 bis 2

C: > 2 Schicht 00 TRX

(passiv)

Schicht Ι1 - 2 TRX

Schicht ΙΙ3 - 7 TRX

Schicht ΙΙΙ>= 8 TRX

AnzahlTransaktionen

Ertrag/TRX

Abb. 5-4: Wertbereiche des erweiterten Customer Value Grid

Im Rahmen der Ertragssegmentierung wurden die Kunden nach folgendem Vorgehen auf die

einzelnen Schichten verteilt:

• Klassifizierung nach der Anzahl der vom Kunden durchgeführten Transaktionen

(Schichten)

• Innerhalb der einzelnen Schichten wurden die Kunden den Ertragsgruppen zugeordnet

Die Attraktivitätsanalyse lieferte sowohl für aktive wie auch für passive Kunden wichtige

Ergebnisse.

Verfahren zur Kundenbewertung 24

© HSG / IWI / CC CRM / SGR

Aktive Kunden

Schicht III 7 8 9 TotalA 5% 12% 12% 29%B 5% 13% 21% 39%C 3% 10% 18% 32%

Total 14% 35% 51% 100%

Schicht II 4 5 6 TotalA 12% 12% 12% 34%B 10% 9% 12% 31%C 11% 9% 15% 35%

Total 33% 28% 39% 100%

Schicht I 1 2 3 TotalA 20% 6% 10% 36%B 13% 6% 9% 28%C 16% 7% 13% 36%

Total 49% 19% 31% 100%

AnzahlTransaktionen

Schicht ΙΙΙ>= 8 TRX

Schicht ΙΙ3 - 7 TRX

Schicht Ι1 - 2 TRX

7 8 9

4 5 6

1 2 3

Bruttozinsertrag

Ertrag/TRXEbene 1<-1.4

Ebene 2 -1.4 bis -0.6

Ebene 3>-0.6

C: > 5B: > 1 bis 5

A: 0 bis 1

Abb. 5-5: Verteilung der aktiven Kunden im Customer Value Grid

• Kunden mit wenig Transaktionen führen eher teure Transaktionen durch und Kunden mit

vielen Transaktionen eher billigere (Schicht I Felder 1 (49%); Schicht III Felder 9

(51%)). Der Ertrag pro Transaktion ist bei Kunden, die viele Transaktionen durchführen

höher als bei Kunden mit wenigen Transaktionen. Vielnutzer verwenden billigere (auto-

matische) Transaktionen, während Kunden mit wenigen Transaktionen kostenintensive

(manuelle) Transaktionen beanspruchen.

• Ein Fünftel der Kunden in Schicht I führen teure Transaktionen durch und erwirtschaften

nur einen geringen Zinsertrag (Grid I A 1). Im Vergleich zu den anderen Schichten ist das

überproportional viel.

• Die Anzahl der durchgeführten Transaktionen ist von der Zinsertragsgruppe weitestge-

hend unabhängig (z.B. vgl. I C, II C und III C). D.h. unabhängig von der Häufigkeit der

Transaktionen ist die Verteilung der Bruttozinserträge in den Schichten annähernd gleich.

Verfahren zur Kundenbewertung 25

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Passive Kunden

Schicht 0 10 11 TotalA 3% 42% 44%B 1% 19% 20%C 3% 32% 35%

Total 7% 93% 100%

Bruttozinsertrag

Betriebsertrag (absolut)

AnzahlTransaktionen

Schicht 00 TRX

(passiv)

<= -0.3 > -0.3

A: 0 bis 0.4

B: > 0.4 bis 2

C: > 2

10 11

Abb. 5-6: Verteilung der passiven Kunden im Customer Value Grid

• Erstaunlich an der Untersuchung generell ist der hohe Anteil passiver Kunden. Auch an-

dere Untersuchungen [vgl. Storbacka 1995 und die dort zitierte Literatur] belegen einen

hohen Anteil passiver Kunden im Bankensektor. Das hier vorliegende Ergebnis deutet

darauf hin, dass für über 60% der Kunden die Geschäftsbeziehung zur untersuchten Bank

nur eine Nebenbankverbindung ist.

• Der Anteil der Kunden mit sehr geringem Zinsertrag ist bei den passiven Kunden mit

44,2 % sehr hoch.

• Insgesamt sind die Zinserträge der passiven Kunden niedriger als die der aktiven Kunden.

Daraus kann geschlossen werden, dass die These stimmt, wonach Kunden mit einer

Hauptbankbeziehung höhere Zinserträge erwirtschaften, als solche, welche die Bank nur

in einer Nebenbankbeziehung nutzen. Ob die aktiven generell jedoch profitabler sind,

lässt sich anhand der Attraktivitätsanalyse noch nicht feststellen.

5.2.2 Ertragsanalyse

Die Ertragsanalyse berechnet den Kundenwert eines Segments aus dem Betriebsertrag pro

Transaktion, der Anzahl durchgeführter Transaktionen und dem Zinsertrag. Für jedes der 33

Segmente kann ein durchschnittlicher Ertrag pro Kunde berechnet werden. Somit lässt sich

Verfahren zur Kundenbewertung 26

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ermitteln, in welchen Segmenten besonders profitable Kunden angesiedelt sind und welche

Kundensegmente einen negativen Wertbeitrag generieren. Diese Informationen können bei-

spielsweise bei der Preissetzung oder bei der Strategiegestaltung herangezogen werden.

Im Customer-Value-Grid lassen sich starke Unterschiede in der Gesamtprofitabilität der

Kunden feststellen. Grundsätzlich kann die Aussage gemacht werden, dass die Transaktions-

tätigkeit die Profitabilität der Kunden negativ beeinflusst. Dennoch lassen sich auch inner-

halb einer Schicht Profitabilitätsunterschiede identifizieren, die auf das Nutzungsverhalten

der Kunden zurückgeführt werden können.

Während sich eine unterschiedliche Kundenprofitabilität bei den Zinserträgen mit der Höhe

des Saldos erklären lässt, sind die Profitabilitätsstreuungen bei den Betriebserträgen auf das

Nutzungsverhalten der Kunden zurückzuführen und bedürfen einer weiteren Analyse. Somit

muss sich der Ertragsanalyse eine Portfolioanalyse anschliessen.

10 11

1 2 3

4 5 6

7 8 9

Ertrag pro Kunde und Monat

> 10 Ge

0 bis 10 Ge

> -10 bis 0 GE

< -10 GE

CB

A

CB

A

Bruttozinsertrag

Bruttozinsertrag

Betriebsertrag (absolut)

Schicht 0(passiv)

Schicht І

Schicht ІІ

Schicht ІІІ

AnzahlTransaktionen

Ebene 1 Ebene2 Ebene3Ertrag/TRX

Abb. 5-7: Durchschnittlicher Kundenertrag in den einzelnen Grids

Verfahren zur Kundenbewertung 27

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5.2.3 Portfolioanalyse

In der Portfolioanalyse soll untersucht werden, welche Produkte und Transaktionen Differen-

zen in der Profitabilität eines Kunden provozieren. Die Informationen der Portfolioanalyse

dienen als Grundlage einer gezielten Werbung für Substitutionsprodukte und –transaktionen,

mit denen der Leistungsumfang für den Kunden idealerweise erhalten bleibt, aber die Profi-

tabilität der Geschäftsbeziehung für die Bank gesteigert werden kann.

Bevor jedoch die dreidimensionale Darstellung des Customer Value Grids in eine Matrix für

jede Zinsertragsgruppe überführt wird und die Produkt- und Transaktionspräferenzen für

einzelne Zinsertragsgruppen analysiert werden, sollen zunächst die Unterschiede der Kunden

in Bezug auf Transaktionszahl und Betriebsertrag pro Transaktion herausgearbeitet werden.

5.2.3.1 Produkt- und Transaktionspräferenzen für alle Zinsertragsgruppen

Bei der Untersuchung der Produktpräferenzen über alle Zinsertragsgruppen lässt sich fest-

stellen, dass mit der Anzahl der Transaktionen die Anzahl der von einem Kunden geführten

Konten zunimmt. Als Bestätigung der Ergebnisse der Ertragsanalyse kann der abnehmende

Kundenertrag bei steigender Transaktionszahl gewertet werden.

Zinsertrags-gruppen ABC

1 2 3 SI 4 5 6 SII 7 8 9 SIII Total

Konti pro Kunde 1.49 1.45 2.59 1.82 1.84 2 2.8 2.26 2.29 2.42 3.11 2.75 2.32TRX pro Kunde 1.29 1.21 1.26 1.27 4.04 4.62 4.53 4.39 12.12 12.83 13.9 13.27 6.83Ertrag pro Kunde -14 9 20 1 -29 4 15 -3 -100 -5 7 -12 -5SI; SII; SIII = Schicht 1, Schicht 2, Schicht 3

Abb. 5-8: Kundenstatistik für alle Zinsertragsgruppen

Im Rahmen der Analyse der Transaktionspräferenzen (vgl. Abb. 5-9) fällt besonders der

niedrige Kundenertrag in Segment 7 auf, während die Kunden in Segment 9 bei gleicher

Transaktionsmenge einen positiven Kundenertrag erzielen. Bei näherer Betrachtung der in

Grid 7 bis 9 nachgefragten Produkte und Transaktionen lässt sich dieses Phänomen mit der

besonders hohen Nutzungspräferenz für Bareinzahlungen und –bezüge in Segment 7 erklä-

ren.

Verfahren zur Kundenbewertung 28

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Zinsertrags-gruppen ABC

1 2 3 SI 4 5 6 SII 7 8 9 SIII Total

Automatbezüge 7% 49% 32% 23% 27% 64% 59% 51% 49% 63% 51% 55% 52%Barbezüge 50% 5% 7% 29% 40% 11% 2% 16% 14% 6% 1% 4% 8%

Bareinzahlungen 23% 1% 12% 10% 3% 1% 4% 6% 3% 0% 2% 3%POS-Belastungen 3% 1% 2% 3% 9% 5% 13% 12% 28% 21% 16%

Sonstige 20% 45% 56% 36% 21% 19% 29% 24% 17% 16% 20% 18% 20%Total 100% 100% 100% 100% 100% 100% 100% 100% 100% 100% 100% 100% 100%

Abb. 5-9: Transaktionspräferenzen pro Grid

Bei der Auswertung der Produktnutzungsdaten waren die Unterschiede weniger deutlich.

5.2.3.2 Differenzierte Analyse nach Zinsertragsgruppen

Differenziert man die Portfolioanalyse nach Zinsertragsgruppen, so lässt sich feststellen, dass

die Anzahl geführter Konten bei den Kunden mit hohen Zinserträgen (ZEG C) mit im Schnitt

3.07 Konten am höchsten liegt. Wie zu erwarten war, ist der Gesamtertrag pro Kunde1 in der

Zinsgruppe A am niedrigsten. Insgesamt spiegelt sich in den einzelnen Zinsertragsgruppen

der gleiche Trend wider, der schon in der Untersuchung der zusammengefassten Zinsertrags-

gruppen festgestellt worden war.

Vergleicht man die Produktpräferenzen der einzelnen Zinsertragsgruppen, so stellt man fest,

dass das Depot bei den zinsstarken Kunden einen höheren Stellenwert geniesst. Es lässt sich

auch feststellen, dass zinsertragsschwache Kunden überwiegend Privatkonten/Girokonten

bevorzugen, während bei den Kunden der ZEG C das Sparkonto deutlich höhere Priorität

geniesst.

1 Gesamtertrag pro Kunde = Zinsertrag pro Kunde + Betriebsertrag pro Kunde

Verfahren zur Kundenbewertung 29

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Zinsertrags-gruppen

1 2 3 SI 4 5 6 SII 7 8 9 SIII Total

ZEG A Privatkonto 34% 10% 50% 36% 47% 41% 57% 49% 49% 50% 46% 48% 45% Sparkonto 54% 82% 21% 47% 41% 46% 21% 35% 36% 35% 26% 31% 36% Depot 4% 3% 12% 7% 3% 4% 6% 5% 2% 4% 8% 6% 6% Kreditkarte 4% 3% 12% 6% 6% 8% 15% 10% 11% 11% 19% 15% 11% Sonstige 4% 2% 5% 4% 2% 1% 1% 1% 1% 2% 1% 1% 2% Total 100% 100% 100% 100% 100% 100% 100% 100% 100% 100% 100% 100% 100%ZEG B Privatkonto 30% 29% 33% 31% 44% 42% 39% 41% 39% 39% 35% 37% 37% Sparkonto 53% 58% 22% 40% 37% 34% 26% 31% 34% 31% 29% 30% 32% Depot 7% 7% 20% 13% 5% 4% 14% 10% 7% 8% 12% 10% 11% Kreditkarte 5% 3% 17% 10% 10% 15% 20% 16% 19% 20% 23% 21% 18% Sonstige 4% 3% 8% 6% 3% 2% 2% 2% 2% 1% 1% 1% 2% Total 100% 100% 100% 100% 100% 100% 100% 100% 100% 100% 100% 100% 100%ZEG C Privatkonto 27% 29% 23% 25% 32% 34% 24% 28% 30% 31% 25% 27% 27% Sparkonto 50% 56% 26% 39% 39% 37% 28% 33% 34% 35% 29% 31% 33% Depot 10% 9% 31% 20% 12% 12% 28% 20% 14% 13% 24% 20% 20% Kreditkarte 5% 4% 12% 8% 12% 15% 16% 15% 17% 19% 19% 19% 15% Sonstige 7% 2% 9% 8% 5% 3% 4% 4% 5% 2% 3% 3% 4% Total 100% 100% 100% 100% 100% 100% 100% 100% 100% 100% 100% 100% 100%

Abb. 5-10: Produktpräferenzen nach Zinsertragsgruppen

5.2.3.3 Zusammenfassung der Ergebnisse der Portfolioanalyse

Entscheidend für die Profitabilität einer Geschäftsbeziehung ist nicht das Produkt, das ein

Kunde nutzt, sondern das individuelle Kundenverhalten. Wie in der Portfolioanalyse gezeigt

werden konnte, verteilten sich die Produktpräferenzen der Kunden fast gleichmässig über

sämtliche Grids, obgleich zwischen den einzelnen Grids erhebliche Profitabilitätsunterschie-

de bestanden. Daraus zog Knöbel folgende Schlussfolgerungen:

• Das Pricing der Produkte führt teilweise zu Quersubventionen auf Kundenebene oder

verhindert dies zumindest nicht.

• Die Produkte sind nicht auf die spezifischen Nutzungspräferenzen der Kunden abge-

stimmt, sonst würden sich segmentspezifische Produkte identifizieren lassen.

• Die Produkte haben nur einen geringen Einfluss auf die Kundenprofitabilität.

Idealerweise sollte für jedes Value Grid ein Leistungspaket identifiziert werden, das sich am

Verhalten des Kunden und an der Profitabilität der Geschäftsbeziehung orientiert. Der Preis

der Leistung des Betriebsbereiches würde sich dann entsprechend dem Ertrag des Wertbe-

reichs des Kunden orientieren, wobei Kunden mit hohen Zinserträgen wenig oder keine Ge-

bühren für Dienstleistungen bezahlen müssten.

Verfahren zur Kundenbewertung 30

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5.3 Customer-Value-Costing – Fallbeispiel Teil B

Die Beurteilung einer Geschäftsbeziehung allein basierend auf der Kundenwertanalyse ist

problematisch, weil es sich hierbei um zeitpunktbezogene Ertragsanalysen handelt. Da sich

die zeitliche Dauer einer Geschäftsbeziehung zwischen Kunden und Bank normalerweise

über mehrere Jahre erstreckt, sagt der Periodenerfolg allein über den Kundenwert nur wenig

aus. In der Praxis entwickelt sich der Kunde über seine Lebenszeit wirtschaftlich und finan-

ziell weiter. Bei einer noch jungen Geschäftsbeziehung kann durchaus unbefriedigende Pro-

fitabilität akzeptiert werden, wenn sich diese durch in Zukunft zu erwirtschaftende Erträge

wieder verbessert.

Aus der Notwendigkeit, den Betrachtungszeitraum zum Zweck der Attraktivitätsbeurteilung

eines Kunden von der einperiodigen Kontrolle auf den gesamten Lebenszyklus der Ge-

schäftsbeziehung auszudehnen und das zukünftige Potenzial des Kunden zu messen, entsteht

die Forderung nach einer life-cycle-basierten Plankalkulation, wobei Abweichungen des pe-

riodenbezogenen Ist-Zustandes von einer definierten Sollvorgabe zwei entscheidende

Aspekte ausdrücken: Erstens können produkt- oder verhaltenspolitische Massnahmen zur

Verringerung der bestehenden Abweichung in Zukunft einzelkundenspezifisch definiert und

angewandt werden. Zweitens erteilt eine Analyse der Abweichungen Aufschluss über den

Erfolg der in der Vergangenheit angewandten marketingpolitischen Instrumente [Flechsig

1982, 22f].

Bezogen auf den vorliegenden Fall der Kundenbeurteilung wird unterstellt, dass die statische

Kundenwertanalyse als Kontrollgrösse den Ist-Zustand markiert, ohne mögliche Erlöse zu-

künftiger Perioden zu berücksichtigen.

5.3.1 Life-Cycle-Costing nach Majoritätssegmenten

Im Rahmen der vorliegenden Untersuchung wurden in einem ersten Schritt Majoritätsseg-

mente nach dem Alter der Kunden im Value Grid abgebildet. Majoritätssegmente sind durch

einen besonders hohen Anteil von Kunden einer Altersklasse gekennzeichnet. Majoritäts-

segmente können auch nach der Dauer der Geschäftsbeziehung gebildet werden. Knöbel

[1997, S. 256ff] ging von der Hypothese aus, dass sich durchschnittlicher Kundenzyklus ab-

bilden liesse, wenn wertsegmentspezifische Altersklassen existieren, die typisch für ein be-

stimmtes Ertragspotenzial eines Kunden sind. Für das Kundenwertmanagement hätten diese

Informationen weit reichende Konsequenzen: Jedem Kunden könnte zum richtigen Zeitpunkt

Verfahren zur Kundenbewertung 31

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das „gewünschte“ Produkt über den vom Kunden bevorzugten Servicekanal angeboten wer-

den.

Allerdings führte die Analyse der Kundenerträge nach Majoritätssegmenten zu keinem ver-

wendbaren Ergebnis. Weder in Bezug auf das Alter noch in Bezug auf die Dauer der Ge-

schäftsbeziehung konnte ein deutlicher Verlaufstrend ermittelt werden. Eine verlässliche

Prognose über einen möglichen Verlauf einer Geschäftsbeziehung ist somit nicht möglich.

5.3.2 Life-Cycle-Matrix

Mit einer periodischen Wiederholung der Ertragssegmentierung über mehrere Jahre hinweg

zur Feststellung des kumulierten Ertrags eines Kunden könnte man den tatsächlichen Verlauf

einer Geschäftsbeziehung innerhalb der gewählten Stichprobe genau nachzeichnen. Die rela-

tive Veränderung der Position eines einzelnen Kunden im Customer-Value-Grid liesse sich

darstellen, so dass sich bestimmte Migrationseffekte im Vergleich zur vorangegangenen Pe-

riode eruieren liessen.

Nur unter der Prämisse, dass das Kundenverhalten über die letzten Jahre nahezu konstant ist,

lässt sich die Absprungrate ermitteln. Die Bestimmung der voraussichtlichen Dauer einer

Geschäftsbeziehung ist eines der grössten Probleme bei der Kundenbewertung. Unter Einbe-

zug statistischer Unschärfen lässt sich die voraussichtliche Dauer einer Geschäftsbeziehung

aus einer Momentaufnahme des Kundenstamms statistisch ableiten. Voraussetzung hierfür

ist, dass das Lebensalter und die bisherige Dauer der Geschäftsbeziehung eines Kunden be-

kannt sind. Da es sich bei diesem Modell letztlich um eine statische Betrachtung des Kun-

denstamms handelt, die den Verlauf der Geschäftsbeziehung aus verschiedenen Altersgrup-

pen nachzeichnet, treten immer dann Fehlerquellen auf, wenn der Neukundenzugang einer

bestimmten Altergruppe in der Vergangenheit aufgrund werblicher Massnahmen besonders

hoch war. Die Daten müssen um diese Schwankungen bereinigt werden.

Bei der Untersuchung der Kundenprofitabilität abhängig von der Dauer der Geschäftsbezie-

hung wurden im Jahr 0 (Jahr der Kontoeröffnung) pro Konto eines Kunden für Kontoeröff-

nung und –saldierung ein Pauschalwert von 150 GE angesetzt. Der monatliche Kundenertrag

sowie der kumulierte Kundenertrag sind in Abhängigkeit zur Dauer der Geschäftsbeziehung

(in Jahren) in Abbildung 5-11 dargestellt.

Verfahren zur Kundenbewertung 32

© HSG / IWI / CC CRM / SGR

-200

-150

-100

-50

0

50

100

150

0 2 4 6 8 10 12 14 16 18 20 22 24 26 28 30

Dauer der Geschäftsbeziehung

GE

Kundenertrag absolut

Kundenertragkummuliert

Abb. 5-11: Kundenerträge nach Dauer der Geschäftsbeziehung

Bemerkenswert ist, dass der Kundenertrag erst nach 19 Jahren ausreicht, um die hohen Ko-

sten der Kontoeröffnung zu decken. Werden die Kosten der Kontoeröffnung niedriger ange-

setzt, verschiebt sich der entsprechende Break-Even Zeitraum.

Wie stark der Zinsertrag den Kundenbeitrag bestimmt, zeigt die gleiche Analyse nach Zins-

ertragsgruppen differenziert. Während die Kundenerträge in den Zinsertragsguppen A und B

die Kosten nicht decken können, erwirtschaftet die Bank mit den Kunden der Gruppe C einen

hohen Betrag, der die Verluste aus den anderen Kundengruppen kompensieren kann.

Die Kundenerträge lassen sich auch abhängig vom Alter des Kunden abbilden. Da bei dieser

Betrachtung die Dauer der Geschäftsbeziehung nicht berücksichtigt werden kann, wird auf

eine Berechnung der Kosten für die Kontoeröffnung verzichtet.

Als Ergebnis kann festgehalten werden, dass über alle Zinsertragsgruppen hinweg der Kun-

denertrag bei Jugendlichen ausgeglichen ist (vgl. Abb. 5-12). Ab etwa 18 Jahren, wenn der

Kunde seine wirtschaftlichen Tätigkeiten intensiviert, sinkt der Ertrag der Geschäftsbezie-

hung deutlich ab. Die kumulierte Darstellung zeigt ein Abfallen der Gesamterträge bis zu

einem Alter von 32 Jahren. Danach steigen die Kundenerträge deutlich an. Das überdurch-

schnittliche Ansteigen der Kundenerträge bei einem Alter von 56 Jahren kann ebenso als

Ausreisser gesehen werden wie der Knick der Kundenerträge mit 62 Jahren. Als Trend lässt

sich jedoch ableiten, dass der Kundenertrag im höheren Alter besonders stark ist.

Verfahren zur Kundenbewertung 33

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-100

-50

0

50

100

150

200

0 4 8 12 16 20 24 28 32 36 40 44 48 52 56 60 64 68

Alter

GE

Kundenertrag pro JahrKundenertrag kummuliert

Abb. 5-12: Kundenertrag nach Alter

Abbildung 5-13 zeigt die Nettoveränderungen des Kundenstamms (Zugangsrate - Ab-

sprungsrate) in der Stichprobe nach Alter der Kunden und Dauer der Geschäftsbeziehung.

Den höchsten Zuwachs kann die untersuchte Bank bei Kunden im Alter von 6 Jahren und 20

Jahren verzeichnen. Ab einem Alter von 20 Jahren nimmt die Nettozuwachsrate beständig ab

und ab einer Altersschwelle von 32 Jahren verliert die Bank mehr Kunden, als sie hinzuge-

winnen kann. Die Schwankungen in jungen Jahren(<20) machen deutlich, dass Bankbezie-

hungen zu Kindern und Jugendlichen nicht gefestigt sind und starken Schwankungen unter-

liegen.

In Bezug auf die Dauer der Geschäftsbeziehungen liefert die Untersuchung kein einheitliches

Bild. Es können starke Schwankungen bei den Absprungraten festgestellt werden. So ist bei-

spielsweise die Absprungrate – unabhängig vom Alter des Kunden – nach 12, 20 und 22 Jah-

ren besonders hoch.

Verfahren zur Kundenbewertung 34

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85%

65 %

45 %

25 %

5 %

-15 %

-35 %

-55 %

-75 %

2 6 10 14 18 22 26 30 34 36 42 46 50 54 58 62 66

Dauer Gesch.-bez.Alter

Alter/Dauer Ge.-bez.

Abb. 5-13: Nettozuwachsrate der Kunden nach Alter und Dauer der Geschäftsbeziehung

6 Kundensegmentierung mit Data Mining Methoden

Bislang wurden vor allem traditionelle Verfahren der Kundensegmentierung und unter-

schiedliche Kundenbewertungskriterien vorgestellt. Diese Verfahren versuchen, anhand von

logischen Zusammenhängen Handlungsempfehlungen für das Marketing und den Vertrieb

abzuleiten. Einen dazu gegensätzlichen Ansatz verfolgt das Data Mining. Unter Data Mining

versteht man die nichttriviale Extraktion von impliziten, vorher unbekannten und möglicher-

weise nützlichen Informationen, die aus Daten in Datenbanken gewonnen werden können

[WHU 1999]. Diese Extraktion ist allerdings nicht das Ergebnis eines einzelnen Schrittes,

sondern eines Prozesses, der von der Datengenerierung über die Aufbereitung und Analyse

bis hin zur Interpretation reicht. Data Mining beschäftigt sich also mit Fragen wie: „Warum

wurde dieses Produkt in dem Gebiet am besten verkauft?“ Weitere Anwendungsgebiete sind

beispielsweise im Telekommunikationsbereich das Aufdecken von Kundengruppen, die mit

hoher Wahrscheinlichkeit zum Mitbewerber wechseln, im Finanzdienstleistungsbereich das

Erkennen von Kunden mit hohem Kreditrisiko oder Cross-Selling-Potenziale (welche Pro-

dukte werden von welchen Kunden auffallend oft zusammen gekauft). Dies geschieht durch

Data Mining Methoden 35

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die Analyse der im Datawarehouse oder Data Mart zur Verfügung gestellten Daten mit ge-

eigneten Algorithmen und Methoden. Data Mining wird in unterschiedlichen Prozessen im

Unternehmen für unterschiedliche Aufgaben genutzt (vgl. Abb. 6-1). Diese Erkenntnisse

werden verwendet, um fundierte Geschäftsentscheidungen zu treffen. Der Prozess der Wis-

sensentdeckung mit Hilfe des Data Mining wird in der Literatur häufig auch als Knowledge

Discovery bezeichnet.

Set Business Plan

Define Campaigns

Set Marketing Objective

Segment & Score

Run Campaigns

Evaluate Effectiveness

Prepare Campaigns Prepare Database

DATA

MINING

SegmentScore

SegmentScore

TrendAnalyse

Abb. 6-1: Nutzung von Data Mining Verfahren [Forsyth 1999]

6.1 Prozess und Methoden des Data Mining

Data Mining ist definiert als Prozess des Entdeckens bedeutsamer neuer Zusammenhänge,

Muster und Trends durch die Analyse grosser Datensätze mittels Mustererkennung sowie

statistischer und mathematischer Verfahren (Erick Brethenoux, Gardner Group). Daher wer-

den im Folgenden sowohl die einzelnen Komponenten als auch einzelne Techniken und Auf-

gaben detailliert erläutert.

6.1.1 Der Data Mining Prozess

Der Data Mining Prozess wird oft als Methode der 5A´s bezeichnet: Asses, Access, Analyze,

Automate und Act [vgl. Mayr 1999].

Data Mining Methoden 36

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Der erste Schritt – Asses - besteht darin zu definieren, was man erreichen möchte. Ohne eine

Definition des Ziels der Analyse kann man von den Data Mining Werkzeugen kaum ver-

nünftige Ergebnisse erwarten. Die Aussagen der Softwarehersteller, dass man ein Data Mi-

ning Tool einfach über die Datenbasis laufen zu lassen braucht und dann gültige Ergebnisse

erhält, funktioniert in der Realität leider nicht so einfach.

Nach der Einschätzung des Problems muss auf die Daten im Datawarehouse zugegriffen

werden - Access. Data Mining Werkzeuge müssen gewährleisten, dass Daten aus möglichst

vielen Quellen eingelesen werden können, da neben den Daten aus internen Quellen oft auch

externe Daten in die Analyse mit einbezogen werden. Auch die Möglichkeit der Stichpro-

benziehung ist wichtig, da die Analysealgorithmen im Data Mining oft sehr rechenintensiv

sind und eine Analyse des kompletten Datenbestandes oft nicht sinnvoll und notwendig ist.

Im nächsten Schritt – Analyze - müssen die vorhandenen Daten ausgewertet werden. Data

Mining Tools sollten eine möglichst grosse Anzahl von Methoden und Algorithmen unter-

stützen, da nicht jede Methode für jede Problemstellung gleichermassen geeignet ist. Die mit

einer Methode erreichten Ergebnisse sollten mit dem Output einer anderen Methode vergli-

chen werden, um so das für die jeweilige Fragestellung beste Resultat zu verwenden. Neben

klassischen statistischen Verfahren, wie z.B. der Regressionsanalyse, bieten auch modernere

Verfahren wie neuronale Netze interessante Ansätze. Wenn ein Analyseverfahren gefunden

wurde, das gute Ergebnisse liefert, müssen diese Auswertungen automatisierbar sein - Auto-

mate. Obwohl für einen Grossteil der Arbeit im Data Mining Prozess statistisches oder ma-

thematisches Hintergrundwissen nötig ist, sollen auch Anwender ohne diesen Background

zuvor erprobte Verfahren mit neuen Daten durchführen können. Ganz klar ist aber zu sagen,

dass ohne ein gewisses Know-how die Ergebnisse der verschiedenen Verfahren und Metho-

den leicht falsch interpretiert werden können und so die Gefahr besteht, dass aufgrund dieser

Interpretation falsche Entscheidungen getroffen werden.

Dieses Vorgehen im Data Mining ist kein abgeschlossener Prozess, sondern ein alternieren-

des Verfahren (vgl. Abb. 6-2). So fliessen die Erkenntnisse aus Kampagnen immer wieder in

die Analyseverfahren ein, und je mehr Zyklen durchlaufen werden, umso exakter wird das

Modell und die Ergebnisse.

Data Mining Methoden 37

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Hypotheseson what weshould do?

EvaluateHypoths.and refine

RunAnalyses

EvaluateCampaignresults

ReviseCampaigns

RunCampaigns withtests of Hypotheses

Abb. 6-2: Der Data Mining Prozess [Forsyth 1999]

6.1.2 Aufgaben und Methoden im Data Mining

Data Mining lässt sich zur Bearbeitung von Fragestellungen einteilen, die in den Bereichen

„Prognose“, „Segmentierung“, „Klassifikation“ und „Assoziationsanalyse“ liegen [vgl. hier-

zu im Folgenden Gentsch 1999 S. 10ff und die dort angegebene Literatur]. Für die unter-

schiedlichen Aufgaben des Data Mining können verschiedene Methoden eingesetzt werden

(vgl. Abb. 6-3).

BEISPIELHAFTEFRAGESTELLUNGEN

BEISPIELHAFTEFRAGESTELLUNGEN

DATAMINIGAUFGABEN

DATA MININGAUFGABEN

Erhöhung derResponse-

Wahrscheinlichkeit

Identifikationertragsreicher

Segmente

Identifikation &Analyse vonKaufmustern

Identifikationhomogener

Klassen

Prognose

Segmentierung

Assoziations-analyse

Klassifikation

DATA MININGMETHODEN

DATA MININGMETHODEN

NeuronaleNetze

Cluster-verfahren

Assoziations-verfahren

Entscheidungs-bäume

Abb. 6-3: Fragestellungen, Aufgaben und Methoden des Data Mining [Gentsch 1999, S. 10]

Data Mining Methoden 38

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Die Assoziationsanalysen verfolgen im Rahmen des Data Mining die Zielsetzung, eigenstän-

dige Assoziationsregeln zu formulieren, die häufig auftretende – in Datenbanken versteckte –

Regeln oder Muster beschreiben. Eine typische Anwendung der Assoziationsanalyse ist die

Warenkorbanalyse. So lassen sich beispielsweise auf Basis von Kassentransaktionsdaten

komplementäre Beziehungen zwischen einzelnen Artikeln identifizieren. Daraus können

Massnahmen zur Erhöhung der Kundenbindung eingeleitet werden – beispielsweise eine

gezielte räumliche Platzierung von identifizierten Nachfrageketten sowie die geeignete Aus-

wahl von Angebotsartikeln. Die Warenkorbanalyse bringt zudem zeitliche Muster zum Vor-

schein. So kann beispielsweise die Frage beantwortet werden, ob ein Kunde Produkte ge-

meinsam kauft oder nicht. Auch wenn das Kaufverhalten jedes Konsumenten unterschiedlich

ist, können so für eine bessere Prognose des zukünftigen Verhaltens Gleichförmigkeiten und

Ähnlichkeiten zwischen den Kunden und ihrem Kaufverhalten erkannt werden. Weitere Fra-

gen können sein, ob der Kunden-Lebenszyklus den Kauf von Produkten beeinflusst, oder ob

sich eine Reklamation zwingend negativ auf die Kundenbeziehung auswirkt.

Die Klassifikation gehört zu den wichtigsten Data Mining Aufgaben, da sich sehr viele Fra-

gestellungen darauf abbilden lassen. Diese Aufgabe geht davon aus, dass es eine bestimmte

Anzahl von Objekten gibt, die verschiedenen Klassen zugeordnet werden können. Anhand

bereits klassifizierter Daten wird ein Modell aufgebaut, das den Einfluss der unterschiedli-

chen Attributsausprägungen eines Objektes auf seine Zugehörigkeit zu einer bestimmten

Klasse abbildet. Mit Hilfe dieses Modells, das auch als Klassifikator bezeichnet wird, können

nun neue, bisher unbekannte Objekte klassifiziert werden. Eine typische Fragestellung be-

schäftigt sich damit, wie bestimmte Kunden charakteristisch beschrieben werden können,

d.h. wie entsprechende Kundenprofile erstellt werden können. Auf den Bankensektor bezo-

gen, kann exemplarisch die Beurteilung des Kreditrisikos eines Bankkunden genannt werden.

Dazu können beispielsweise die drei Klassen hohes, mittleres und geringes Kreditrisiko defi-

niert werden. Nun müssen die in der Datenbank durch entsprechende Datensätze abgebilde-

ten bekannten Kunden einer dieser drei Klassen zugeordnet werden. Aus dieser so klassifi-

zierten Datenmenge – auch als Trainingsdatenmenge bezeichnet – wird dann ein Klassifika-

tor gesucht, der anschliessend dazu verwendet werden kann, potenzielle Kunden einer der

drei Klassen zuzuordnen.

Die Data Mining Aufgabe „Prognose“ ist sehr ähnlich der Klassifikation. Die Prognose er-

weitert die Klassifikation um eine zeitliche Komponente. Während es bei der Klassifikation

nur darum geht, die heutige Klassenzugehörigkeit einer Zielgrösse zu bestimmen, geht es bei

Data Mining Methoden 39

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der Prognose um deren zukünftige Ausprägung. Eine typische Prognoseaufgabe ist das Um-

satzpotenzial eines Kunden in der Zukunft.

Die Aufgabe der Segmentierung im Data Mining liegt darin, grosse Datenmengen in kleine-

re, homogenere und betriebswirtschaftlich zweckmässige Teilmengen zu unterteilen. Die in

den Untergruppen zusammengefassten Datensätze teilen eine bestimmte Anzahl interessanter

Eigenschaften. Es ist die Aufgabe der jeweiligen Data Mining Methodik, die Datensätze

selbständig in eine endliche Anzahl von Segmenten derart zu clustern, dass diese in sich so

homogen, zueinander aber so heterogen wie möglich sind. Voraussetzung hierfür ist, dass

alle Datensätze den gleichen Informationsumfang haben. Es wird also im Gegensatz zur

Klassifizierung keine Klasseneinteilung im voraus vorgegeben. Satt dessen wird die Ähn-

lichkeit der vorhandenen Objekte selbständig ermittelt, um auf dieser Basis Klasseneintei-

lungen zu erzeugen. An die Segmentierung schliesst sich dann die inhaltliche Überprüfung

der vorgeschlagenen Klasseneinteilung an. Es gilt zu überprüfen, ob die Segmentierung, die

durch die jeweilige Data Mining Methodik entwickelt worden ist, auch einer inhaltlichen

Überprüfung standhält. Im Rahmen des Zielkundenmanagements können so bestimmte Kun-

den besser durch eine zielgruppenspezifische Konfiguration erreicht werden.

Für diese vielfältigen Aufgaben des Data Mining stehen auch unterschiedliche Methodiken

zur Verfügung. Grundsätzlich lassen sich Data Mining Methoden1 in zwei Kategorien eintei-

len: Discovery- und Verification-Techniken [vgl. Mayr 1999].

Discovery Techniken werden eingesetzt, um vorher nicht bekannte Zusammenhänge und

Trends in den Daten automatisch zu entdecken. Eine Hypothese, die dann mit statistischen

Verfahren überprüft wird, muss für diese Techniken nicht unbedingt vorliegen. Discovery

Techniken sind z.B. Entscheidungsbaum-Algorithmen wie CHAID und „Classification und

Regression Trees“. Diese Algorithmen erstellen anhand einer Zielvariable, auch abhängige

Variable genannt, ein Baumdiagramm, an dem man die Faktoren oder unabhängigen Variab-

len erkennt, die den stärksten Einfluss auf die Zielvariable haben. Weitere Discovery-

Techniken sind die Clusteranalyse oder Neuronale Netze. Neuronale Netze können bessere

Ergebnisse als klassische statistische Verfahren liefern, besonders wenn die Daten nicht die

Voraussetzung für die traditionellen, statistischen Verfahren bieten. Der Nachteil der neuro-

1 Auf einen tiefer gehenden Einblick in die Data Mining Methoden wird im Rahmen dieses Beitrags bewusst

verzichtet. Als weiter führende Literatur sind u.a. zu empfehlen: Nakhaeizadeh, G., Data Mining: Theoreti-sche Aspekte und Anwendungen, Physica-Verlag, 1998

Data Mining Methoden 40

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nalen Netze liegt darin, dass sie sich wie eine Blackbox verhalten und nicht nachvollziehbare

Ergebnisse liefern. Sind also exakt dokumentierbare Lösungen nötig, sollten eventuell klassi-

sche Verfahren wie Clusteranalyse oder Entscheidungsbäume vorgezogen werden.

Der zweite Typ von Methoden sind die Verification-Techniken. Mit ihnen wird eine vorher

angenommene Hypothese, z.B. dass der Mittelwert eines bestimmten Merkmals sich bei zwei

Gruppen innerhalb der Daten nicht unterscheidet, entweder bestätigt oder verworfen. Die

Verification-Techniken sind hauptsächlich Verfahren aus der klassischen Statistik, wie Vari-

anzanalyse, Faktoranalyse oder Regressionen. Diese Verfahren werden auch Assoziations-

verfahren genannt, da Assoziationen mathematisch auf der Häufigkeitsbetrachtung von Attri-

butskombinationen beruhen.

6.2 Kundensegmentierung bei Banken mit Hilfe von Data Mining – Praxisbeispiel

Im Rahmen eines Data Mining Projekts wurde für ein bayerisches Kreditinstitut eine Kun-

densegmentierung durchgeführt [vgl. im Folgenden Hippner/Schmitz i.V.]. Da die betroffene

Bank insbesondere im Privatkundengeschäft noch große Verbesserungspotenziale vermutete,

wurde im Rahmen der Segmentierung auf eine Berücksichtigung der Firmenkunden verzich-

tet. Nur natürliche Personen wurden in die Analyse miteinbezogen, dies beinhaltet auch die

wirtschaftlich selbständigen, natürlichen Personen (z.B. Anwälte, Ärzte). Die zu erstellenden

Kundengruppen sollten sich sowohl in ihrem Produktnutzungsverhalten als auch in ihren

soziodemographischen Merkmalen möglichst stark unterscheiden.

Die Aufgabe der Segmentierung bestand darin, die heterogene Gesamtheit aller Kunden in

homogene Kundengruppen aufzuteilen, um diese durch einen gezielten Einsatz der verfügba-

ren Marketinginstrumente bestmöglich, d.h. ihren individuellen Erwartungen entsprechend,

bearbeiten zu können. Vor diesem Hintergrund lassen sich die Zielsetzungen einer Kunden-

segmentierung wie folgt differenzieren [Küspert 1991, S. 71]:

� Aus den diesbezüglichen Analysen sollen differenzierte Kenntnisse über die Struktur und

das Verhalten der Kunden gewonnen werden.

� Es sollen Marktnischen aufgedeckt werden, die entweder gezielt bearbeitet oder aber

auch vernachlässigt werden können.

Data Mining Methoden 41

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� Die Marktsegmentierung soll eine zielgruppengerechte Kundenansprache ermöglichen,

durch die eine bessere Befriedigung der Kundenwünsche und somit der Aufbau fester

und langfristiger Beziehungen zwischen den Marktpartnern erreicht werden kann.

� Die differenzierteren Markt- und Kundenkenntnisse eröffnen die Möglichkeit einer fun-

dierteren Prognose über die einzelnen Segmente.

Durch zielgruppengerechte Kundenansprachen sollten sich also bei Marketing-Aktionen ge-

ringere Streuverluste ergeben, wodurch sich die Marketingeffizienz bei einer gleichzeitigen

Senkung der Kosten u.U. massiv steigern lässt.

6.2.1 Datenbasis

Die Bank stellte für die Kundensegmentierung ihre gesamten Kundendaten zur Verfügung.

Es handelte sich hierbei um Informationen über ca. 68.000 Kunden, die nahezu 140.000

Konten unterhielten. Diese Kunden und deren Konten wurden durch fast 700 Variablen in 18

Tabellen beschrieben, wobei die Tabellen über die Kundennummern und/oder über die Kon-

tonummern verknüpft werden konnten.

Da die vorliegende Datenbasis weitaus mehr Informationen enthielt, als es für die zugrunde

liegende Aufgabe erforderlich war, wurden in einem ersten Schritt die relevanten Variablen

selektiert. Die Relevanz der Variablen ergab sich hierbei aus der Vorgabe der Bank, die

Kundensegmentierung anhand des Produktnutzungsverhaltens und der soziodemographi-

schen Merkmale der Kunden durchzuführen.

6.2.1.1 Produktnutzungsverhalten

Die Produkte bzw. Leistungen der Bank wurden gemäss dem folgenden Schaubild in vier

Kategorien unterteilt. Die zur Verfügung stehenden Daten wurden mit dieser Systematisie-

rung verknüpft, so dass die spezifischen Produkte bzw. Leistungen der Bank subsumiert wer-

den konnten.

Data Mining Methoden 42

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PrimäreBankleistungen

Kredite Anlagen Zahlungsverkehr Sonstige

� Kurzfristige Darlehen

� Mittelfristige Darlehen

� Langfristige Darlehen

� Kurz- und Mittel- fristige Bau- und Gewerbefinan- zierungen

� Langfristige Bau- und Gewerbe- finanzierungen

� Dispositionskredite

� Abgezinste Sparbriefe

� Verzinsliche Sparbriefe

� Festgelder

� Sparkonten

� Ratensparverträge

� VL-Verträge

� Sparverträge mit Einmalzahlungen

� Mitgliedsanteile

� Girokonto

� Schecks

� Daueraufträge

� Bankcards

� Eurocards

� Vermittlung von Bausparverträgen

Abb. 6-4: Systematisierte Darstellung der analysierten Bankleistungen

6.2.1.2 Soziodemographische Merkmale

Unter den soziodemographischen Merkmalen wurden alle kundenbezogenen Informationen

zusammengefasst, die nicht dem Produktnutzungsverhalten zugeordnet werden konnten.

Hierbei handelte es sich um:

� Alter,

� Geschlecht,

� Nationalität (Deutsch, Ausländer),

� Region (Stadt, Land, außerhalb des Einzugsgebiets),

� Tätigkeit (selbständig, unselbständig),

� Branche (primär, sekundär, tertiär),

� Dauer der Kundenverbindung,

� Art der Kundenverbindung (Gemeinschafts- oder Einzelkundenverbindung).

Data Mining Methoden 43

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Darüber hinaus wurden gezielt Informationen zusammengeführt, die zumindest näherungs-

weise Aussagen über die allgemeine wirtschaftliche Situation der Bankkunden erlauben. Da-

zu wurden folgende Variablen generiert:

� Gesamtvolumen aller Habenkonten,

� Gesamtvolumen aller Sollkonten,

� Jährliches Nettogehalt,

� Nichtveranlagungsbescheinigung.

6.2.1.3 Kodierung

Die durchzuführende Kundensegmentierung sollte anhand einer Clusteranalyse erfolgen.

Hierbei ergab sich das Problem, dass die Kundendatensätze durch gemischt-skalierte Variab-

len beschrieben wurden. Im Rahmen der Clusteranalyse erfordern unterschiedliche Skalenni-

veaus jedoch unterschiedliche Distanz- bzw. Ähnlichkeitsmaße (Proximitätsmaße). Grund-

sätzlich bieten sich bei einer solchen Problemstellung drei Möglichkeiten an:

1) Ausgewählte Merkmale werden in der Analyse nicht berücksichtigt, um bei den verblei-

benden Variablen ein einheitliches Skalenniveau zu erhalten. Dies ist jedoch häufig mit

einem erheblichen Informationsverlust gleichzusetzen, so dass sich dieses Vorgehen vor

allem dann anbietet, wenn nur sehr wenige und unerhebliche Variablen ein von dem

Großteil der Merkmale abweichendes Skalenniveau aufweisen.

2) Für die einzelnen Merkmalsgruppen mit einheitlichem Skalenniveau werden isoliert die

einzelnen Proximitätsmaße errechnet. Die Gesamtähnlichkeit wird in einem anschließen-

den Schritt als gewichteter oder ungewichteter Mittelwert der skalenspezifisch separat be-

rechneten Proximitätsmaße ermittelt. Dieses Vorgehen nutzt die vorliegenden Informa-

tionen zwar am besten aus, ist jedoch i.A. recht aufwendig.

3) In diesem Projekt wurde auf die dritte Möglichkeit zurückgegriffen, die in der Transfor-

mation der einzelnen Variablen auf ein einheitliches Skalenniveau besteht. Dazu wurde

eine Binärzerlegung vorgenommen, bei der für jedes Merkmal Klassen gebildet wurden.

Der durch diese Skalentransformation entstehende Informationsverlust konnte dabei über

die Anzahl der Klassen reguliert werden. Nominale und ordinale Merkmale wurden durch

Data Mining Methoden 44

© HSG / IWI / CC CRM / SGR

gesonderte Binärvariablen für jede Ausprägung abgebildet, intervallskalierte Merkmale

wurden in ordinale Gruppen zusammengefasst und wie ordinale Merkmale behandelt.

Ein Vorteil dieser Vorgehensweise bestand darin, dass die binäre Codierung gleichzeitig als

Standardisierung wirkte. Wäre die Verschlüsselung nicht vorgenommen worden, so wären

die Variablen, die eine größere Varianz aufweisen, mit einer stärkeren Gewichtung in die

Berechnungen der Clusteranalyse eingegangen, so dass eine vorgeschaltete Standardisierung

unerlässlich gewesen wäre [Küspert 1991, S. 89 f.].

Die Transformation der verfügbaren Informationen in für die Analyse geeignete Variablen

erwies sich im Einzelnen als recht komplex. Dies soll nachfolgend exemplarisch an den Kre-

ditleistungen der Bank skizziert werden. Anhand der Art und der Fristigkeit der Kredite wur-

de eine Unterteilung in kurzfristige Darlehen (bis ein Jahr), mittelfristige Darlehen (ein bis

drei Jahre), langfristige Darlehen (über drei Jahre), kurz- und mittelfristige Baufinanzierung

und langfristige Baufinanzierung vorgenommen. Dispositionskredite wurden gesondert be-

handelt, da sie sich grundlegend von den anderen Kreditarten unterscheiden (fixes Kreditli-

mit, flexible Laufzeit). Bei der Transformation der Variablen wurde darauf geachtet, dass die

Klassen eine in etwa gleich große Besetzung aufwiesen. Wurde von einem Kunden eine

Bankleistung in mehrfacher Ausführung genutzt, wurde eine geeignete Aggregation (Sum-

mierung der Kredite, klassenbezogene Mittelwertbildung der Laufzeiten) vorgenommen. Als

zusätzliche Information wurde bei langfristigen Krediten mit einer Laufzeit von über zehn

Jahren die bereits vergangene Laufzeit (und damit implizit die bisher erfolgte Kredittilgung)

berücksichtigt. Auf diese Weise wurden alleine für die Inanspruchnahme von Kreditlei-

stungen 55 Variablen generiert. Die Abbildung des sonstigen Produktnutzungsverhaltens

bzw. der soziodemographischen Merkmale der Kunden erfolgte ähnlich detailliert, so dass

pro Kunden insgesamt 177 beschreibende Variablen generiert wurden.

6.2.2 Data Mining mit der Clusteranalyse

Für die Kundensegmentierung wurde als Data Mining Verfahren die Clusteranalyse be-

stimmt. Das Ziel einer Clusteranalyse ist die Zusammenfassung einer Menge von Klassifika-

tionsobjekten – in diesem Fall die Bankkunden – in homogene Gruppen. Der Begriff der

„Clusteranalyse“ steht nicht für eine standardisierte Technik, sondern vielmehr für eine ganze

Klasse unterschiedlicher Verfahren. Diese unterscheiden sich zum einen hinsichtlich der

Masse, mit denen die Ähnlichkeit bzw. Unähnlichkeit der Objekte gemessen wird (Proximi-

Data Mining Methoden 45

© HSG / IWI / CC CRM / SGR

tätsmaße), und zum anderen hinsichtlich der Algorithmen, mit denen die Separierung der

Objekte durchgeführt wird (Fusionierungsalgorithmen).

Angesichts der Vielfalt an Fusionierungsalgorithmen und Proximitätsmaßen ist es nahezu

unmöglich, für ein vorliegendes Clusterproblem ex ante die am besten geeignete Kombinati-

on von Algorithmus und Proximitätsmaß festzulegen. Aus diesem Grund bietet es sich

grundsätzlich an, mehrere Kombinationen auszutesten und unter inhaltlichen Gesichtspunk-

ten zu bewerten. In dem hier durchgeführten Projekt wurden dazu ein partitionierender (k-

means-Verfahren) und zwei hierarchische Fusionierungsalgorithmen (Average Linkage und

Ward-Verfahren) ausgewählt [Backhaus et al. 1996, S. 281 ff.]. Diese beiden Verfahren ha-

ben sich in der Praxis zumeist gut bewährt, wobei sie häufig auch kombiniert angewendet

werden. Als Proximitätsmaß wurde die Euklidische Distanz herangezogen.

Unter Rückgriff auf diese Auswahl wurden zahlreiche Clusterlösungen erstellt, denen unter-

schiedliche Analysedesigns zugrunde lagen. Als „Stellschrauben“ boten sich z.B.hierbei an:

� Auswahl der Clustervariablen

� Anzahl der analysierten Datensätze

� Vorschalten einer Faktorenanalyse

Nachfolgend wird das Vorgehen exemplarisch an derjenigen Clusteranalyse beschrieben, mit

der die „beste“ Kundensegmentierung erfolgte. Hierbei muss jedoch beachtet werden, dass

aufgrund des extrem großen Lösungsraums Clusteranalysen eine heuristische Vorgehenswei-

se verfolgen müssen und somit keine Garantie besteht, die optimale Lösung zu finden. Die

erzielte Segmentierung wird vielmehr auf der Grundlage der Nützlichkeit der Ergebnisse

beurteilt.

Die letztlich ausgewählte Kundensegmentierung wurde mit einer Clusteranalyse erzielt, die

auf dem Ward-Verfahren als Fusionierungsalgorithmus und der Euklidischen Distanz als

Proximitätsmaß basierte. Das hier erzielte, gute Ergebnis des Ward-Verfahrens unterstützt

die Aussage, dass dieses als das meist gebrauchte und empirisch erfolgreichste Verfahren

angesehen wird [Bleymüller 1989, S. 176].

Die Durchführung von Clusteranalysen stellt sich i.A. als eine sehr rechenintensive Aufgabe

dar. Um diesen Aufwand zu minimieren, wurde aus dem verfügbaren Kundenstamm eine

Data Mining Methoden 46

© HSG / IWI / CC CRM / SGR

Zufallsstichprobe von 2100 Kunden gezogen, welche dann als Basis für die durchgeführten

Segmentierungen diente.

Als ein Grund für die in der Anfangsphase mangelhaften Ergebnisse erwies sich die große

Zahl der in die Clusterung eingebundenen Variablen. Stehen für eine Analyse sehr viele Va-

riablen zur Verfügung, so kann nicht davon ausgegangen werden, dass alle Variablen im

gleichen Maße neuartige Informationen beisteuern. Vielmehr liegt die Vermutung nahe, dass

die einzelnen Variablen paarweise mehr oder weniger stark miteinander korrelieren und so-

mit teilweise redundante Informationen beinhalten (z.B. die beiden Variablen „Hohes Ge-

halt“ und „Hoher Umsatz auf dem Girokonto“). Bei einer Clusteranalyse führt dies unwei-

gerlich dazu, dass diejenigen Informationen, die durch mehrere Variablen repräsentiert wer-

den, eine überdurchschnittliche Wirkung auf die Clusterbildung besitzen. Vor diesem Hinter-

grund stellt die Faktorenanalyse eine Möglichkeit dar, die Vielzahl an Variablen auf die we-

sentlichen Einflussfaktoren zu reduzieren.

Das Ziel der Faktorenanalyse besteht in der Aufdeckung der hinter den Variablen liegenden

Faktoren, aus denen die Zusammenhänge zwischen den Ausgangsvariablen resultieren. Im

Rahmen der Projektdurchführung wurde allerdings mit der Faktoranalyse eine nicht zufrie-

denstellende Reduktion erreicht (82 Faktoren). Aus diesem Grund wurde die Anzahl der

Faktoren mit dem Screen-Test festgelegt. Mit Hilfe dieses Tests wurde für die Clusteranalyse

die Zahl von 14 Faktoren ermittelt. Aufbauend auf diese Erkenntnisse lieferte das Ward-

Verfahren Cluster, die eine in etwa gleich große Besetzung aufweisen. Der Anwender muss

allerdings noch bestimmen, wie viele Cluster die endgültige Lösung umfassen soll. Als Ori-

entierung kann hierbei die graphische Darstellung der Fehlerquadratsummen dienen, die bei

einer Clusterung aus der unterschiedlichen Zahl an Clustern resultiert. Abbildung 6-5 stellt

der jeweiligen Clusterzahl die zugehörige Veränderung der Fehlerquadratsumme gegenüber.

Es ist leicht ersichtlich, dass mit abnehmender Fusionierungstiefe ein zunehmender Hetero-

genitätszuwachs zu verzeichnen ist. Als „optimale“ Clusterzahl wurden hier 13 Cluster ge-

wählt, da eine geringere Fusionstiefe mit einem relativ großen Heterogenitätszuwachs be-

zahlt worden wäre.

Data Mining Methoden 47

© HSG / IWI / CC CRM / SGR

0

500

1000

1500

2000

2500

1 4 7 10 13 16 19 22 25 28Clusteranzahl

Elbow

Ver

ände

rung

der

Fehl

erqu

adra

tsum

men

Abb. 6-5: Bestimmung der „optimalen“ Clusteranzahl anhand des Elbow-Kriteriums

Die derart erzielte Kundensegmentierung zeichnete sich dadurch aus, dass sich die einzelnen

Kundengruppen inhaltlich, d.h. hinsichtlich der Soziodemographie und der Produktnutzung,

sehr anschaulich interpretieren ließen (vgl. Abb. 6-6).

Cluster Cluster-Name Anteil der Kunden

1 Vermögende Privatkunden 15,0 %

2 Wirtschaftlich Selbständige mit geringem Finanzierungsbedarf 5,1 %

3 Kreditkunden 5,7 %

4 Gemeinschaftskunden mit hohem Mitgliederanteil 9,3 %

5 Wirtschaftlich Selbständige mit hohem Finanzierungsbedarf 2,1 %

6 Jugendmarkt 16,2 %

7 Kunden mit geringer Nutzung von Bankleistungen 15,0 %

8 Ausländische Bankkunden 2,7 %

9 Baufinanzierungskunden 5,7 %

10 Kunden in der Aufbauphase 3,3 %

11 Altkunden 8,6 %

12 Sparbuch-Kunden 6,5 %

13 Kunden mit hohem Gehalt 4,8 %Abb. 6-6: Überblick über die abgeleiteten Kundengruppen

Data Mining Methoden 48

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6.2.3 Interpretation und Evaluation

Die beste Kundensegmentierung ist obsolet, wenn die Ergebnisse von den Anwendern nicht

interpretiert werden können und somit das gewonnene Wissen nicht in die Geschäftsabläufe

einfliessen kann. Aus diesem Grund muss der anschaulichen und problemorientierten Dar-

stellung der Ergebnisse größte Beachtung geschenkt werden. Angesichts dieser Forderung

wurde in dem hier vorgestellten Projekt clusterspezifisch eine graphische Aufbereitung, In-

terpretation und Empfehlung zur weiteren Behandlung der entsprechenden Kundensegmente

vorgenommen. Dies soll hier nun nachfolgend an einem ausgewählten Cluster exemplarisch

dargestellt werden.

Die Kunden des Cluster 10 werden als „Kunden in der Aufbauphase“ bezeichnet und stellen

ca. 3,3% des gesamten Kundenstamms dar. Die spezifischen Charakteristika dieses Clusters

werden unter Verwendung zweier Karten visualisiert. Die erste Karte (Abb. 6-7) beschreibt

das Produktnutzungsverhalten des Kundensegments, geordnet nach den vier primären Bank-

leistungen (Kredite, Anlagen, Zahlungsverkehr, sonstige Bankleistungen). Aus Gründen der

Übersichtlichkeit werden die einzelnen Leistungen hierbei in einer aggregierten Form darge-

stellt. So repräsentiert z.B. das Diagramm „Kurzfristige Darlehen“ zusammengefasst den

Abschluss niedriger, mittlerer und hoher kurzfristiger Darlehen. Analog dazu stellt die zweite

Karte (Abb. 6-8) die soziodemographischen Merkmale der betrachteten Kundengruppe dar.

In beiden Karten stehen die dunkelgrauen Säulen für das Verhalten bzw. die Merkmale der

Grundgesamtheit, während die hellgrauen Säulen die Kunden des betrachteten Segments

beschreiben. Diese Visualisierungsform erlaubt es, vom „durchschnittlichen Kunden“ abwei-

chende Charakteristika der einzelnen Segmente anschaulich und leicht verständlich aufzuzei-

gen.

Data Mining Methoden 49

© HSG / IWI / CC CRM / SGR

Kredite

Anlagen

Zahlungsverkehr

Sonstige Bankleistungen

Kurzfristige Darlehen

0,10

0,000,00

0,02

0,04

0,06

0,08

0,10

Mittelfristige Darlehen

2,14

0,000,00

0,50

1,00

1,50

2,00

Langfristige Darlehen

1,95

0,000,00

0,50

1,00

1,50

Kurz- und mittelfristige Baufinanzierung

0,62

0,000,00

0,20

0,40

0,60

Langfristige Baufinanzierung

5,81

0,000,00

2,00

4,00

Dispositionskredit

23,81

80,00

0,00

20,00

40,00

60,00

80,00

Abgezinster Sparbrief

0,38

0,000,00

0,10

0,20

0,30

Verzinster Sparbrief

0,33

0,000,00

0,10

0,20

0,30

Festgeld

3,67

1,43

0,00

1,00

2,00

3,00

Sparkonto mit 3-monatigerKündigungsfrist

57,10

75,71

0,00

20,00

40,00

60,00

Sparkonto mit vereinbarter Kündigungsfrist

4,33

5,71

0,00

2,00

4,00

Ratensparverträge mit 3-monatiger Kündigungsfrist

8,57

35,71

0,00

10,00

20,00

30,00

Ratensparverträge mit ver-einbarter Kündigungsfrist

3,86

7,14

0,00

2,00

4,00

6,00

VL-Verträge

3,43

12,86

0,00

4,00

8,00

12,00

Sparverträge mit Einmaleinzahlung

7,05

11,43

0,00

4,00

8,00

Mitgliedsanteile

35,05 31,43

0,00

10,00

20,00

30,00

Girokonto

51,57

98,57

0,00

20,00

40,00

60,00

80,00

Schecks

3,86

12,86

0,00

4,00

8,00

12,00

Daueraufträge

25,67

75,71

0,00

20,00

40,00

60,00

EC-Karte

19,67

77,14

0,00

20,00

40,00

60,00

Kundenkarte

2,90

7,14

0,00

2,00

4,00

6,00

Eurocard Normal

32,95

41,43

0,00

10,00

20,00

30,00

40,00

Eurocard Gold

1,19

8,57

0,00

2,00

4,00

6,00

8,00

Bausparverträge

12,38

50,00

0,00

10,00

20,00

30,00

40,00

50,00

Cluster

Gesamte Stichprobe

Prozentualer Anteil der Kunden, die das betrachtete Merkmal aufweisen.

Abb. 6-7: Auswertung des Produktnutzungsverhaltens von „Kunden in der Aufbauphase“

Eine nähere Betrachtung des Produktnutzungsverhaltens dieses Kundensegments führt u.a.

zu folgenden Erkenntnissen:

� Es ist offensichtlich, dass die Kunden dieses Clusters mit Ausnahme von Dispositions-

krediten typischerweise keine Kredite in Anspruch nehmen. Bei einer näheren Untersu-

chung der Dispositionskredite ergab sich darüber hinaus, dass überwiegend nur geringe

und mittlere Kreditrahmen zur Verfügung standen.

� Sieht man von den Sparbriefen und der Festgeldanlage ab (diese Anlagearten werden nur

von ca. 0,3 % bzw. ca. 3 % aller Kunden genutzt), nutzen die betrachteten Kunden Anla-

geleistungen in einem eher überdurchschnittlichem Masse. Auch hinsichtlich der Höhe

der Anlagebeträge ist ein mittleres bis hohes Volumen zu verzeichnen.

� Bei den Zahlungsverkehrsleistungen ist eine extrem überdurchschnittliche Nutzung fest-

zustellen. So verfügen bspw. 98% der Kunden dieses Clusters über ein Girokonto, wel-

ches bei 81% einen akkumulierten Habenumsatz im mittleren Drittel und bei 17% einen

akkumulierten Habenumsatz im oberen Drittel aufweist. Auch umfasst dieses Kunden-

Data Mining Methoden 50

© HSG / IWI / CC CRM / SGR

segment weiterhin den höchsten Anteil von Kunden, die Daueraufträge nutzen, welche

sich dabei ebenfalls im mittleren und hohen Volumenbereich befinden.

� Als besonders augenfällig erweist sich in diesem Segment die intensive Nutzung von

Bausparverträgen.

Kundenverbindung

11,29

88,71

0,00

100,00

0,00

20,00

40,00

60,00

80,00

100,00

Gem.kunden Einzelkunden

Dauer der Kundenverbindung

32,29 34,52 33,19

22,86

44,2932,86

0,00

20,00

40,00

60,00

80,00

100,00

0-6 Jahre 7-16 Jahre > 16 Jahre

Region

Stadt nicht im Ein-zugsgebietLand

57,95

38,48

3,57

65,71

34,29

0,000,00

20,00

40,00

60,00

80,00

Staatsangehörigkeit97,29

2,71

100,00

0,000,00

20,00

40,00

60,00

80,00

100,00

Deutsch Ausländer

Altersstruktur

4,24 11,90 11,6716,76

12,00

0,00 0,00

22,86

12,86

1,43

13,3312,33

17,10

1,434,29

57,14

0,00

10,00

20,00

30,00

40,00

50,00

60,00

0-5 6-15 16-25 26-35 36-45 46-55 56-65 >=66

Geschlecht

10,95 11,057,14

21,43

0,00

10,00

20,00

30,00

40,00

Männlich Weiblich

Unselbständig/Selbständig

Unselbständig Selbständig

92,24

7,76

100,00

0,000,00

20,00

40,00

60,00

80,00

100,00

Branche

Keine Branche

Branche A-C

Branche D

Branche E-O

92,14

2,19 0,90 4,76

100,00

0,00 0,00 0,000,00

20,00

40,00

60,00

80,00

100,00

Nichtveranlagungsbescheinigungen

0,10

0,000,00

0,20

0,40

0,60

0,80

Gesamte Habenkonten (in DM)

<= 1.300 > 1.300 und <= 8.000

> 8.000

40,05 29,81 30,14

7,14

44,29 48,57

0,00

20,00

40,00

60,00

80,00

100,00

Gesamte Sollkonten (in DM)

0 <= 0 und>= -14.000

< -14.000

83,48

8,19 8,33

94,29

5,71 0,000,00

20,00

40,00

60,00

80,00

100,00

Nettogehalt p.a. (in DM)

> 37.000> 19.000 und <= 37.000

<= 19.000

9,52 8,38 8,6214,29

68,57

7,14

0,00

20,00

40,00

60,00

80,00

Cluster

Gesamte Stichprobe

Prozentualer Anteil der Kunden, die das betrachtete Merkmal aufweisen.

Auf die Angabe der Variablen„Alter unbekannt“ und „Geschlecht unbekannt“ wurde hier verzichtet.

Abb. 6-8: Soziodemographische Merkmale des Clusters „Kunden in der Aufbauphase“

Das offensichtlichste soziodemographische Merkmal dieses Kundensegments ist dessen nied-

rige Altersstruktur. 80 % aller Kunden dieses Clusters sind zwischen 16 und 35 Jahren alt.

Diese Gruppe weist darüber hinaus den höchsten Anteil an Gehaltsempfängern auf, wobei

deren Einkommenshöhe hauptsächlich im mittleren Bereich liegt. Angesichts des niedrigen

Alters ist hier jedoch in der Zukunft eine Verschiebung zugunsten höherer Gehälter zu er-

warten. Vergleicht man die aggregierten Soll- und Habenkonten dieses Segments, kann eine

recht wirtschaftliche und sparsame Verhaltensweise der Bankkunden vermutet werden.

Aufgrund der intensiven Nutzung der Anlageleistungen und des Zahlungsverkehrs kann für

dieses Segment bereits von einer relativ hohen Kundenbindung ausgegangen werden. Da

Data Mining Methoden 51

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diese Gruppe angesichts der höheren zu erwartenden Einnahmen für die Zukunft eine über-

aus interessante Zielgruppe darstellt, sollte diese Kundenbindung über ein systematisches

Beziehungsmanagement erhalten bzw. noch verstärkt werden. In Anbetracht der hohen Anla-

geleistungen, dem hohen Nutzungsgrad von Bausparverträgen sowie der niedrigen Alters-

struktur kann die begründete Vermutung aufgestellt werden, dass dieses Cluster einen hohen

Anteil an Kunden umfasst, die beabsichtigen, in absehbarer Zeit eine Immobilie zu erwerben.

Da diese Kunden bisher nahezu keine Kredite in Anspruch nehmen, besteht hier grosses Po-

tenzial hinsichtlich der profitablen Vergabe von langfristig ausgerichteten Krediten. Um die-

se Potenziale tatsächlich ausschöpfen zu können, muss die Bank verstärkte CRM-

Anstrengungen unternehmen, wie beispielsweise die individuell angepasste Information über

Baufinanzierungsprogramme.

7 Schlussbetrachtung

Im Rahmen der hier vorliegenden Arbeit wurden unterschiedliche Konzepte zur Kundenseg-

mentierung vorgestellt und erläutert. Anhand von Beispielen wurden Einsatzmöglichkeiten

aufgezeigt und Differenzen herausgearbeitet. Um dem Leser eine Hilfestellung zu geben,

welches Verfahren bei welcher Zielsetzung angewendet werden sollte, eignen sich folgende

Kriterien. Diese werden mit den Ergebnissen der vorherigen Kapitel analysiert und zusam-

mengefasst.

Ausgangspunkt ist die strategische Zielsetzung der Kundensegmentierung. Diese kann von

den generellen Zielen einer Unternehmung oder aber von geschäftsbedingten, aktuellen Pro-

blemstellungen abhängen. Beispiele hierfür sind u.a. die allgemeine Zielsetzung der Unter-

nehmung, mehr Umsatz zu generieren, oder die konkrete Frage, warum der Absatzmarkt in

der Region West im letzten Quartal eingebrochen ist. Ausgehend davon muss der Zeithori-

zont bestimmt werden, den das Verfahren abdecken muss. Dabei werden Szenarien beschrie-

ben, die Entwicklungen der Vergangenheit analysieren, die ausschliesslich den IST-Zustand

abbilden oder Prognosen für den weiteren Entwicklungsverlauf geben. Wenn diese Dimensi-

on festgelegt ist, dann kristallisieren sich schon erste Ausschlusskriterien heraus. So eignen

sich traditionelle Verfahren zur Kundensegmentierung beispielsweise nach Wohnort und

Einkommen nicht, um langfristige Prognosen über das weitere Entwicklungspotenzial des

Kunden abzugeben. Um tiefer in die Analyse des Datenmaterials einzusteigen, sind aufwen-

digere Verfahren notwendig.

Data Mining Methoden 52

© HSG / IWI / CC CRM / SGR

Diese Zunahme an Komplexität geht aber zu Lasten der benötigten Ressourcen. Müssen die

Ergebnisse möglichst rasch und mit knapp bemessenen Mitteln vorliegen - dafür werden aber

Ungenauigkeiten in Kauf genommen - so können mit traditionellen Verfahren der Kunden-

segmentierung Ergebnisse erzielt werden, die zumindest für einen kürzeren Zeitraum auch

zukunftsweisend sind. Werden allerdings weit reichende, strategische Entscheidungen an die

Analyse geknüpft, so ist ein Mehraufwand zu vertreten und je nach Fragestellung sind Ver-

fahren basierend auf Data Mining oder Operations Research zu wählen.

Der vorherige Punkt steht auch in einem engen Zusammenhang mit der Frage der Zielgruppe.

Müssen Verfahren ausgewählt werden, die leicht verständlich sind, oder reicht es, wenn eine

Expertengruppe die Ergebnisse erklären und bewerten kann. Hochkomplexe Verfahren eig-

nen sich nicht für die allgemeine Verwendung. Auch wenn heutzutage Micro Data Mining

Tools zur Verfügung stehen, die laut Angaben der Hersteller auch von ungeschulten Mitar-

beitern bedient werden können, so sind deren Ergebnisse im Regelfall kritisch zu bewerten

[Gentsch 1999]. Zum breiten, individuellen Einsatz im Unternehmen dürfen höchstens einfa-

che, selbsterklärende Kundensegmentierungsmethoden kommen. Das kann z.B. auch bedeu-

ten, dass intern entwickelte und getestete Data Mining Modelle den Mitarbeitern zur Verfü-

gung stehen. Für deren Qualitätskontrolle ist aber eine zentrale Abteilung verantwortlich ist.

Die herausforderndste Frage ist sicherlich die nach der Auswahl der geeigneten Analyseme-

thode, also beispielsweise die Frage, ob eine Diskriminanzanalyse oder ein Entscheidungs-

baum bessere Ergebnisse für eine bestimmte Problemstellung liefert. Nach Beantwortung der

oben genannten Punkte hat man zumindest schon entsprechende Ansatzpunkte. Eine Vorab-

Analyse ist kaum möglich, da abhängig den zur Verfügung stehenden Daten unterschiedliche

Verfahren valide sind. Welches Verfahren die besten Resultate erzielt, kann nur mit Hilfe

von tief gehendem, statistischem Wissen und vor dem Hintergrund des betriebswirtschaftli-

chen Zusammenhangs festgestellt werden. Hilfestellung dazu sollen die einzelnen Kapitel in

diesem Beitrag leisten, die einen Überblick über die Alternativen bieten.

Data Mining Methoden 53

© HSG / IWI / CC CRM / SGR

Verfahren

Kriterien

Verfahren derquantitativen

Kundensegmentierung

Verfahren zurKundenbewertung

Verfahren derKundensegmentierung

mit Data MiningMethoden

Zielsetzung/Fragestellung

Identifikation vonKundengruppen nachlogischen Kriterien

Identifikation desKundenwertes und -potenzials

Identifikation vonKundengruppen oderVerhaltensmerkmalen mitbislang unbekanntenZusammenhängen

Zielgruppe (Nutzer) Mitarbeiter ohne spezielleKenntnisse• Verständliches

Vorgehen• Ergebnisse leicht

interpretierbar• Nutzerbarrieren

gering

Mitarbeiter ohne spezielleKenntnisse• Nachvollziehbares

Vorgehen• Ergebnisse sind

interpretierbar• Nutzungsbarrieren

gering / mittel

Speziell geschulteMitarbeiter• Methoden sehr

komplex• Ergebnisse schwer

interpretierbar• Nutzungsbarrieren

hoch• Lediglich einzelne,

bereits optimierteVerfahren könnenbreiten Mitarbeiter-schichten zurVerfügung gestelltwerden

Zielgruppe (Anwender) Mitarbeiter ohne spezielleKenntnisse• Verfahren mit IT-

Unterstützung ohnespezielle Schulungdurchführbar

• Segmentierung stütztsich häufig aufErfahrungen

• Interpretation durchlogische Schluss-folgerungen möglich

Mitarbeiter mitstatistischen Kenntnissen• Komplexe

mathematischeBerechnungen

• Aufbereitung derErgebnisse für dieInterpretation nötig

• Verfahren bleibtlogisch undnachvollziehbar

Mitarbeiter mitstatistischen Kenntnissen• Komplexe

Berechnungen• Auswahl der

geeignetsten Methodedurch Erfahrung

• Aufbereitung derErgebnisse für dieInterpretation nötig

• Verfahren z.T. nichtnachvollziehbar

Ressourcenbedarf niedrig / mittel hoch hochZukunftsbezug statische Betrachtung statische Betrachtung

Prognosen möglichvergangenheits-,gegenwarts- undzukunftsbezogeneVerfahren möglich

Integration externerDaten

möglich möglich möglich

Zeitbedarf mässig hoch hoch

Abb. 6-1: Zusammenfassung der verschiedenen Verfahren

Trotz dieses komplexen Vorgehens sollten Kundensegmentierungsmassnahmen verstärkt im

Unternehmen eingesetzt werden. Im Kampf um den Kunden und um Marktanteile werden

sich diese Verfahren zunehmend zur strategischen Waffe entwickeln. Denn so lange diese

Methoden noch nicht flächendeckend eingesetzt und deren Erkenntnisse konsequent umge-

setzt werden, lässt sich damit ein echter Wettbewerbsvorteil erzielen.

Literatur 54

Literatur

[Albach 1987]

Albach, H., Investitionspolitik erfolgreicher Unternehmen, in: Zeitschrift für Be-

triebswirtschaft, 57. Jg. 1987, S. 636-661

[Allen/Kania/Yaeckel 1998]

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