Kunstundauktionen 02 10 15

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Kunst und Auktionen Germany | Print 02 October 2015 Circulation: 11,000 D er englische Sommer ist ver- gangen. Die Tage werden merk- lich kürzer. Die Last Night of the Proms in der Royal Albert Hall ist glor- reich verrauscht. Ein letztes Straßen- fest in Bermondsey, im bereits herbst- lich-angehauchten Sonnenschein. Die Zeichen sind untrüglich – der englische Kulturherbst hat begon- nen. Beispielsweise mit Ai Weiwei in der Royal Academy, ironischerweise vor wenigen Monaten von der briti- schen Immigrationsbehörde noch mit einem Einwanderungsverbot belegt. Oder einer neuerlichen Auflage der wiederentdeckten und ganz eindeu- tig wieder liebgewonnenen Pop Art, diesmal in der Tate Modern. Mit Goya-Porträts in der National Gallery, coolem Sowjet-Sci-Fi im Science Mu- seum („Cosmonauts“), den Kelten im British Museum und Escher in der Dulwich. Der Kunstmarkt ist mit der LAPADA, der ersten großen Kunst- messe nach der Sommerpause, in die Gänge gekommen, gefolgt von den ersten Herbstauktionen in Mayfair. Seinen vorläufigen Höhepunkt findet er mit der Frieze im Regent’s Park. Die Frieze hat sich längst zu einem multimedialen, flächendeckenden Kulturbetrieb ausgewachsen. Man deckt zwischenzeitlich nicht mehr nur das zeitgenössische Geschehen ab, sondern bietet einem vielleicht etwas weniger wagemutigen, dafür aber mindestens ebenso zahlkräfti- gem Publikum mit der Frieze Masters Verlässliches, aber gleichermaßen Feines. Und somit einen zusätzlichen Anreiz, sich auf der coolsten Veran- staltung des Herbsts sehen zu lassen. In der Hauptabteilung befinden sich die großen, bekannten Galerien aus aller Welt; die kulturellen Schwer- gewichte, zu deren erlauchtem Kreis dieses Jahr unter anderem dépendan- ce aus Brüssel, Supportico Lopez aus Berlin und MOT International aus Lon- don (mit den Turner Prize-Gewinne- rinnen Elizabeth Price and Laure Prou- vost) hinzugestoßen sind. Im Ganzen führen über 160 Galerien querbeet durch die zeitgenössische Szene. Der Reiz der Schau liegt an der schieren Vielfalt der Medien, Ansätze und The- men. „Everything goes“, nichts ist zu weit hergeholt, alles steht für vier Tage im Zentrum des Kunstwelt und der – gelegentlich – kopfschüttelnden Zaun- gäste und Kunstkritiker. Mária Bartuszová bei Alison Jacques Gallery ist eine faszinierende Künstlerin, deren sensibles, zurück- haltendes, häufig elegantes, aber im Vergleich gänzlich unspektakuläres Werk weitestgehend unbeachtet von der breiten Masse stattgefunden hat 1996 ist sie verstorben. Einer breite- ren Öffentlichkeit wurde sie erstmals 2007 auf der Documenta 12 in Kassel vorgestellt. Ihr Œuvre ist zutiefst indi- vidualistisch, folgt keinen Trends, ver- blieb und verbleibt somit immer ein wenig am Rand des Kunstbetriebs. In der Wahl ihres Materials – bevorzugt Gips in Kombination mit häufig inten- tionell unvollendeten oder beschädig- ten Formen – drückt sich eine anrüh- rende Zerbrechlichkeit, Zögerlichkeit und Vergänglichkeit aus. Den puren Gegenpol dazu bietet das Programm der Frieze Live, beispielsweise mit einem beunruhi- gendem Stück zeitgenössischer Per- formance Art des brasilianischen Künstlers Tunga und Aufführungen von Rancourt / Yatsuk und Amalia Ulman, die sich häufig – für die Be- sucher verstörend und erfreulich gleichermaßen – kreuz und quer durch die Ausstellung bewegen. Frieze Focus präsentiert Frisches aus der Szene, junge Galeristen und Neuentdeckungen. Beispielsweise Samara Scott von The Sunday Pain- ter, einer Künstlerinitiative mit herr- lich britisch-ironischem Namen aus dem Süden Londons. Oder die Si- mon Preston Gallery aus New York mit Filmemacher Amie Siegel, Aus- stellungsbesuchern vielleicht noch durch ihre fesselnde Montage „Ber- lin Remake“ von 2007 bekannt. Oder Ruairiadh O’Connell, Absol- vent der Staatlichen Hochschule für Bildende Künste in Frankfurt, des- sen Soloausstellung inspiriert ist von den Uniformen der japanischen Hikeshi-Feuerwehr aus der Edope- riode (17. Jahrhundert). In der Abteilung Frieze Projects dreht sich alles um Innovation – eine Selbstverständlichkeit für eine Messe zeitgenössischer Kunst? Sieben Auf- tragswerke setzen sich, so heißt es in der Begleitpublikation, mit der ein- maligen „strukturellen, kulturellen und sozialen Dynamik der Messe auseinander“. Man muss es wohl ge- sehen haben, um es zu verstehen. Das verspricht jedenfalls Lutz Bacher, der den Eingangskorridor als Instal- lation gefundener Objekte von Film- sets gestaltet: Oder ein interaktives und monumentales Arrangement von ÅYRBRB (Fabrizio Ballabio, Alessan- dro Bava, Luis Ortega Govela and Octave Perrault). Dass der Kreativität dabei keine Grenze gesetzt ist, zeigt das Beispiel von Thea Djordjadzes Mobiles. Sie ist offensichtlich inspi- riert von den Gummibäumen in Henri Matisses Studio. Whatever next? Gewinnerin des diesjährigen Frie- ze Künstlerpreises ist Rachel Rose, die sich dieses Jahr bereits mit Aus- stellungen in der Serpentine Sackler Gallery gleich ums Eck und am Whit- ney Museum of American Art in New York in Szene gesetzt hat, und deren multimediales Modell der Messe die Sinneswelt der den Regent’s Park bevölkernden Tierwelt repliziert. Zeitgenössische Kunst aus der Sicht von Eichhörnchen, Gänsen, Kanin- chen, Füchsen … und Ratten? Deren Welt wird im Übrigen auch von ei- nem weiteren Ausläufer der Messe, der Frieze Sculpture, in den Kultur- betrieb einbezogen. Das Drumherum ist mindestens so wichtig wie der Inhalt. Ebenso der Dialog mit dem Publikum / den Kriti- kern. Eine Stimme wird in diesem Konzert diesmal leider nicht mehr vernehmbar sein: Brian Sewell, re- nommierter Rezensent des Evening Standard und berüchtigt für seine häufig galligen, missgelaunten aber stets unterhaltsamen Kommentare zum zeitgenössischen Kulturbetrieb, ist kürzlich verstorben. dirk bennett Samara Scott (* 1985), „Harvest“, Installationsansicht, 2015, angeboten von The Sunday Painter, London, auf der Frieze Focus Der Reiz der Schau liegt an der schieren Vielfalt der Medien, Ansätze und Themen p london Frieze Art Fair, 14. – 17. Oktober, Frieze Masters, 14. – 18. Oktober, Regent’s Park www.friezelondon.com Gummibäume und Kaninchen Die Frieze London bietet einen multimedialen, flächendeckenden Kulturbetrieb

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02 October 2015 Circulation: 11,000 MESSEN

2. oktober 2015 / nr. 16 / kunst und auktionen 27

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Der englische Sommer ist ver-gangen. Die Tage werden merk-lich kürzer. Die Last Night of the

Proms in der Royal Albert Hall ist glor-reich verrauscht. Ein letztes Straßen-fest in Bermondsey, im bereits herbst-lich-angehauchten Sonnenschein.

Die Zeichen sind untrüglich – der englische Kulturherbst hat begon-nen. Beispielsweise mit Ai Weiwei in der Royal Academy, ironischerweise vor wenigen Monaten von der briti-schen Immigrationsbehörde noch mit einem Einwanderungsverbot belegt.Oder einer neuerlichen Auflage der wiederentdeckten und ganz eindeu-tig wieder liebgewonnenen Pop Art, diesmal in der Tate Modern. Mit Goya-Porträts in der National Gallery, coolem Sowjet-Sci-Fi im Science Mu-seum („Cosmonauts“), den Kelten im British Museum und Escher in der Dulwich. Der Kunstmarkt ist mit der LAPADA, der ersten großen Kunst-messe nach der Sommerpause, in die Gänge gekommen, gefolgt von den ersten Herbstauktionen in Mayfair. Seinen vorläufigen Höhepunkt findet er mit der Frieze im Regent’s Park.

Die Frieze hat sich längst zu einem multimedialen, flächendeckenden Kulturbetrieb ausgewachsen. Man deckt zwischenzeitlich nicht mehr nur das zeitgenössische Geschehen ab, sondern bietet einem vielleicht etwas weniger wagemutigen, dafür aber mindestens ebenso zahlkräfti-gem Publikum mit der Frieze Masters Verlässliches, aber gleichermaßen Feines. Und somit einen zusätzlichen Anreiz, sich auf der coolsten Veran-staltung des Herbsts sehen zu lassen.

In der Hauptabteilung befinden sich die großen, bekannten Galerien aus aller Welt; die kulturellen Schwer-

gewichte, zu deren erlauchtem Kreis dieses Jahr unter anderem dépendan-ce aus Brüssel, Supportico Lopez aus Berlin und MOT International aus Lon-don (mit den Turner Prize-Gewinne-rinnen Elizabeth Price and Laure Prou-vost) hinzugestoßen sind. Im Ganzen führen über 160 Galerien querbeet durch die zeitgenössische Szene. Der Reiz der Schau liegt an der schieren Vielfalt der Medien, Ansätze und The-men. „Everything goes“, nichts ist zu weit hergeholt, alles steht für vier Tage im Zentrum des Kunstwelt und der – gelegentlich – kopfschüttelnden Zaun-gäste und Kunstkritiker.

Mária Bartuszová bei Alison Jacques Gallery ist eine faszinierende Künstlerin, deren sensibles, zurück-haltendes, häufig elegantes, aber im Vergleich gänzlich unspektakuläres Werk weitestgehend unbeachtet von der breiten Masse stattgefunden hat – 1996 ist sie verstorben. Einer breite-ren Öffentlichkeit wurde sie erstmals 2007 auf der Documenta 12 in Kassel vorgestellt. Ihr Œuvre ist zutiefst indi-vidualistisch, folgt keinen Trends, ver-blieb und verbleibt somit immer ein wenig am Rand des Kunstbetriebs. In der Wahl ihres Materials – bevorzugt Gips in Kombination mit häufig inten-tionell unvollendeten oder beschädig-ten Formen – drückt sich eine anrüh-

rende Zerbrechlichkeit, Zögerlichkeit und Vergänglichkeit aus.

Den puren Gegenpol dazu bietet das Programm der Frieze Live, beispielsweise mit einem beunruhi-gendem Stück zeitgenössischer Per-formance Art des brasilianischen Künstlers Tunga und Aufführungen von Rancourt / Yatsuk und Amalia Ulman, die sich häufig – für die Be-sucher verstörend und erfreulich gleichermaßen – kreuz und quer durch die Ausstellung bewegen.

Frieze Focus präsentiert Frisches aus der Szene, junge Galeristen und Neuentdeckungen. Beispielsweise Samara Scott von The Sunday Pain-ter, einer Künstlerinitiative mit herr-lich britisch-ironischem Namen aus dem Süden Londons. Oder die Si-mon Preston Gallery aus New York mit Filmemacher Amie Siegel, Aus-stellungsbesuchern vielleicht noch durch ihre fesselnde Montage „Ber-lin Remake“ von 2007 bekannt. Oder Ruairiadh O’Connell, Absol-vent der Staatlichen Hochschule für Bildende Künste in Frankfurt, des-sen Soloausstellung inspiriert ist von den Uniformen der japanischen Hikeshi-Feuerwehr aus der Edope-riode (17. Jahrhundert).

In der Abteilung Frieze Projects dreht sich alles um Innovation – eine Selbstverständlichkeit für eine Messe zeitgenössischer Kunst? Sieben Auf-tragswerke setzen sich, so heißt es in der Begleitpublikation, mit der ein-maligen „strukturellen, kulturellen und sozialen Dynamik der Messe auseinander“. Man muss es wohl ge-sehen haben, um es zu verstehen. Das verspricht jedenfalls Lutz Bacher, der den Eingangskorridor als Instal-lation gefundener Objekte von Film-

sets gestaltet: Oder ein interaktives und monumentales Arrangement von ÅYRBRB (Fabrizio Ballabio, Alessan-dro Bava, Luis Ortega Govela and Octave Perrault). Dass der Kreativität dabei keine Grenze gesetzt ist, zeigt das Beispiel von Thea Djordjadzes Mobiles. Sie ist offensichtlich inspi-riert von den Gummibäumen in Henri Matisses Studio. Whatever next?

Gewinnerin des diesjährigen Frie-ze Künstlerpreises ist Rachel Rose, die sich dieses Jahr bereits mit Aus-stellungen in der Serpentine Sackler Gallery gleich ums Eck und am Whit-ney Museum of American Art in New York in Szene gesetzt hat, und deren multimediales Modell der Messe die Sinneswelt der den Regent’s Park bevölkernden Tierwelt repliziert. Zeitgenössische Kunst aus der Sicht von Eichhörnchen, Gänsen, Kanin-chen, Füchsen … und Ratten? Deren Welt wird im Übrigen auch von ei-nem weiteren Ausläufer der Messe, der Frieze Sculpture, in den Kultur-betrieb einbezogen.

Das Drumherum ist mindestens so wichtig wie der Inhalt. Ebenso der Dialog mit dem Publikum / den Kriti-kern. Eine Stimme wird in diesem Konzert diesmal leider nicht mehr vernehmbar sein: Brian Sewell, re-nommierter Rezensent des Evening Standard und berüchtigt für seine häufig galligen, missgelaunten aber stets unterhaltsamen Kommentare zum zeitgenössischen Kulturbetrieb, ist kürzlich verstorben. dirk bennett

Gummibäume und KaninchenDie Frieze London bietet einen multimedialen, flächendeckenden Kulturbetrieb

Samara Scott (* 1985), „Harvest“, Installationsansicht, 2015, angeboten von The Sunday Painter, London, auf der Frieze Focus

Der Reiz der Schau liegt an der schieren

Vielfalt der Medien, Ansätze und Themen

p london Frieze Art Fair, 14. – 17. Oktober, Frieze Masters, 14. – 18. Oktober, Regent’s Park www.friezelondon.com

MESSEN2. oktober 2015 / nr. 16 / kunst und auktionen 27

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Der englische Sommer ist ver-gangen. Die Tage werden merk-lich kürzer. Die Last Night of the

Proms in der Royal Albert Hall ist glor-reich verrauscht. Ein letztes Straßen-fest in Bermondsey, im bereits herbst-lich-angehauchten Sonnenschein.

Die Zeichen sind untrüglich – der englische Kulturherbst hat begon-nen. Beispielsweise mit Ai Weiwei in der Royal Academy, ironischerweise vor wenigen Monaten von der briti-schen Immigrationsbehörde noch mit einem Einwanderungsverbot belegt.Oder einer neuerlichen Auflage der wiederentdeckten und ganz eindeu-tig wieder liebgewonnenen Pop Art, diesmal in der Tate Modern. Mit Goya-Porträts in der National Gallery, coolem Sowjet-Sci-Fi im Science Mu-seum („Cosmonauts“), den Kelten im British Museum und Escher in der Dulwich. Der Kunstmarkt ist mit der LAPADA, der ersten großen Kunst-messe nach der Sommerpause, in die Gänge gekommen, gefolgt von den ersten Herbstauktionen in Mayfair. Seinen vorläufigen Höhepunkt findet er mit der Frieze im Regent’s Park.

Die Frieze hat sich längst zu einem multimedialen, flächendeckenden Kulturbetrieb ausgewachsen. Man deckt zwischenzeitlich nicht mehr nur das zeitgenössische Geschehen ab, sondern bietet einem vielleicht etwas weniger wagemutigen, dafür aber mindestens ebenso zahlkräfti-gem Publikum mit der Frieze Masters Verlässliches, aber gleichermaßen Feines. Und somit einen zusätzlichen Anreiz, sich auf der coolsten Veran-staltung des Herbsts sehen zu lassen.

In der Hauptabteilung befinden sich die großen, bekannten Galerien aus aller Welt; die kulturellen Schwer-

gewichte, zu deren erlauchtem Kreis dieses Jahr unter anderem dépendan-ce aus Brüssel, Supportico Lopez aus Berlin und MOT International aus Lon-don (mit den Turner Prize-Gewinne-rinnen Elizabeth Price and Laure Prou-vost) hinzugestoßen sind. Im Ganzen führen über 160 Galerien querbeet durch die zeitgenössische Szene. Der Reiz der Schau liegt an der schieren Vielfalt der Medien, Ansätze und The-men. „Everything goes“, nichts ist zu weit hergeholt, alles steht für vier Tage im Zentrum des Kunstwelt und der – gelegentlich – kopfschüttelnden Zaun-gäste und Kunstkritiker.

Mária Bartuszová bei Alison Jacques Gallery ist eine faszinierende Künstlerin, deren sensibles, zurück-haltendes, häufig elegantes, aber im Vergleich gänzlich unspektakuläres Werk weitestgehend unbeachtet von der breiten Masse stattgefunden hat – 1996 ist sie verstorben. Einer breite-ren Öffentlichkeit wurde sie erstmals 2007 auf der Documenta 12 in Kassel vorgestellt. Ihr Œuvre ist zutiefst indi-vidualistisch, folgt keinen Trends, ver-blieb und verbleibt somit immer ein wenig am Rand des Kunstbetriebs. In der Wahl ihres Materials – bevorzugt Gips in Kombination mit häufig inten-tionell unvollendeten oder beschädig-ten Formen – drückt sich eine anrüh-

rende Zerbrechlichkeit, Zögerlichkeit und Vergänglichkeit aus.

Den puren Gegenpol dazu bietet das Programm der Frieze Live, beispielsweise mit einem beunruhi-gendem Stück zeitgenössischer Per-formance Art des brasilianischen Künstlers Tunga und Aufführungen von Rancourt / Yatsuk und Amalia Ulman, die sich häufig – für die Be-sucher verstörend und erfreulich gleichermaßen – kreuz und quer durch die Ausstellung bewegen.

Frieze Focus präsentiert Frisches aus der Szene, junge Galeristen und Neuentdeckungen. Beispielsweise Samara Scott von The Sunday Pain-ter, einer Künstlerinitiative mit herr-lich britisch-ironischem Namen aus dem Süden Londons. Oder die Si-mon Preston Gallery aus New York mit Filmemacher Amie Siegel, Aus-stellungsbesuchern vielleicht noch durch ihre fesselnde Montage „Ber-lin Remake“ von 2007 bekannt. Oder Ruairiadh O’Connell, Absol-vent der Staatlichen Hochschule für Bildende Künste in Frankfurt, des-sen Soloausstellung inspiriert ist von den Uniformen der japanischen Hikeshi-Feuerwehr aus der Edope-riode (17. Jahrhundert).

In der Abteilung Frieze Projects dreht sich alles um Innovation – eine Selbstverständlichkeit für eine Messe zeitgenössischer Kunst? Sieben Auf-tragswerke setzen sich, so heißt es in der Begleitpublikation, mit der ein-maligen „strukturellen, kulturellen und sozialen Dynamik der Messe auseinander“. Man muss es wohl ge-sehen haben, um es zu verstehen. Das verspricht jedenfalls Lutz Bacher, der den Eingangskorridor als Instal-lation gefundener Objekte von Film-

sets gestaltet: Oder ein interaktives und monumentales Arrangement von ÅYRBRB (Fabrizio Ballabio, Alessan-dro Bava, Luis Ortega Govela and Octave Perrault). Dass der Kreativität dabei keine Grenze gesetzt ist, zeigt das Beispiel von Thea Djordjadzes Mobiles. Sie ist offensichtlich inspi-riert von den Gummibäumen in Henri Matisses Studio. Whatever next?

Gewinnerin des diesjährigen Frie-ze Künstlerpreises ist Rachel Rose, die sich dieses Jahr bereits mit Aus-stellungen in der Serpentine Sackler Gallery gleich ums Eck und am Whit-ney Museum of American Art in New York in Szene gesetzt hat, und deren multimediales Modell der Messe die Sinneswelt der den Regent’s Park bevölkernden Tierwelt repliziert. Zeitgenössische Kunst aus der Sicht von Eichhörnchen, Gänsen, Kanin-chen, Füchsen … und Ratten? Deren Welt wird im Übrigen auch von ei-nem weiteren Ausläufer der Messe, der Frieze Sculpture, in den Kultur-betrieb einbezogen.

Das Drumherum ist mindestens so wichtig wie der Inhalt. Ebenso der Dialog mit dem Publikum / den Kriti-kern. Eine Stimme wird in diesem Konzert diesmal leider nicht mehr vernehmbar sein: Brian Sewell, re-nommierter Rezensent des Evening Standard und berüchtigt für seine häufig galligen, missgelaunten aber stets unterhaltsamen Kommentare zum zeitgenössischen Kulturbetrieb, ist kürzlich verstorben. dirk bennett

Gummibäume und KaninchenDie Frieze London bietet einen multimedialen, flächendeckenden Kulturbetrieb

Samara Scott (* 1985), „Harvest“, Installationsansicht, 2015, angeboten von The Sunday Painter, London, auf der Frieze Focus

Der Reiz der Schau liegt an der schieren

Vielfalt der Medien, Ansätze und Themen

p london Frieze Art Fair, 14. – 17. Oktober, Frieze Masters, 14. – 18. Oktober, Regent’s Park www.friezelondon.com