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W.P. Radt Stiftungslehrstuhl für Bürgerliches Recht, Gewerblichen Rechtsschutz, Internationales Privat- und Zivilprozessrecht Rechtswissenschaftliche Fakultät Kurs 55101: Bürgerliches Recht I Videobesprechung Teil 3 Uta Wichering

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Rechtswissenschaftliche Fakultät

Kurs 55101: Bürgerliches Recht I

Videobesprechung Teil 3

Uta Wichering

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Übungsfall 3 - 1 -

Sachverhalt:

(2. EA, Teile 3 und 4, SoSe 2004, Schreiben 108 Herr Holzhauer)

V versendet an seine Kunden den Katalog Nr. 13 mit Angeboten von – wie es in dem Katalog heißt – „preiswerten Restbeständen und Sonderausgaben“. K bestellt per Postkarte ein Exemplar des Buches „Die Brüder Grimm – Leben und Werk“ zum Preis von 39,80 €. Nach einer Woche erhält K einen Brief des V, in dem steht: „Das von Ihnen bestellte Werk über die Brüder Grimm ist zur Zeit nicht lieferbar. Wir werden Ihnen das Buch jedoch spätestens in sechs Wochen zuschicken.“

Auf diesen Brief reagiert K nicht. Sein Interesse ist inzwischen erloschen.

Nach fünf Wochen trifft das Buch bei K ein. K legt es achtlos beiseite. Nach weiteren vier Wochen erhält K eine Mahnung von V, in der dieser die Zahlung des Rechnungsbetrages von 39,80 € verlangt. Zu Recht?

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Übungsfall 3 - 2 -

Sachverhalt:

(2. EA, Teile 3 und 4, SoSe 2004, Schreiben 108 Herr Holzhauer)

Abwandlung:

Der Katalog des V enthält an versteckter Stelle die Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) des V. In diesen steht unter anderem:

„§ 8 Preisveränderung

Wegen unserer Umsatzschwankungen behalten wir uns vor, bei Lieferung zusätzlich bis zu 3 % des Kaufpreises zu berechnen“.

M, der ebenfalls Kunde von V ist und von ihm den Katalog erhalten hat, bestellt das Buch „Die Schwestern Mild – Leben und Werk“, dessen Preis im Katalog mit 23,90 € ausgewiesen ist. Das Buch wird geliefert. V verlangt unter Hinweis auf § 8 seiner AGB 25,20 €.

Welchen Kaufpreis muss M an V zahlen?

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Übungsfall 3 - 3 -

Lösung:

(2. EA, Teile 3 und 4, SoSe 2004, Schreiben 108 Herr Holzhauer)

Frage:

V verlangt von K Zahlung des Rechnungsbetrages von 39,80 € - Zu Recht?

Wer? V

will was? Zahlung des Kaufpreises i. H. v. 39,80 €

von wem? K

woraus? § 433 II BGB

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Übungsfall 3 - 4 -

Lösung:

OS: V könnte gegen K einen Anspruch auf Zahlung des Kaufpreises i. H. v. 39,80 € gem. § 433 II BGB haben.

A. KV

I. Angebot

- Definition Angebot = eine empfangsbedürftige Willenserklärung, die inhaltlich derart bestimmt ist, dass der Erklärungsempfänger durch ein bloßes „Ja“ den (Kauf-) Vertrag entstehen lassen kann.

- inhaltliche Bestimmtheit (+), wenn die Willenserklärung die wesentlichen Vertragsbestandteile (essentialia negotii) enthält; bei einem Kaufvertrag die Vertragsparteien, den Kaufgegenstand und den Kaufpreis

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Übungsfall 3 - 5 -

Lösung:

1. Angebot des V durch Zusenden des Katalogs

- Katalog = WE i. S. der o. g. Definition?

- WE = Erklärung, mit der jmd. eine bestimmte Rechtsfolge herbeiführen will

- setzt sich aus äußerem (objektivem) und innerem (subjektivem) Tatbestand zusammen

- objektiver TB einer WE ist erfüllt, wenn ein objektiver Beobachter in der Person des Erklärungsempfängers auf den hinter der Erklärung stehenden Rechtsbindungswillen schließen kann

- P: Wenn bereits Katalog = Angebot, dann müsste V ggü. jedem, der dies annähme, den Vertrag erfüllen, obwohl er tatsächlich nur begrenzt erfüllen könnte

- so aber: Schadensersatzpflicht ggü. denjenigen, denen er keine Waren mehr verkaufen kann

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Übungsfall 3 - 6 -

Lösung:

1. Angebot des V durch Zusenden des Katalogs?

- daher: aus Sicht eines objektiven Beobachters in der Person des K: kein entsprechender Rechtsbindungswille des V

- zudem: Katalog bezieht sich ausdrücklich auf “Restbestände und Sonderausgaben”, d. h. bereits hierin erkennbar, dass nur beschränkte Anzahl der im Katalog genannten Werke verfügbar sind, auch insoweit für K erkennbar, dass V beim Zusenden des Katalogs keinen Rechtsbindungswillen hatte

- Katalog = mangels Rechtsbindungswillens keine Willenserklärung, kein Angebot; lediglich Aufforderung an mögliche Interessenten, selbst ein Angebot auf Abschluss eines Kaufvertrages abzugeben (= sog. invitatio ad offerendum)

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Übungsfall 3 - 7 -

Lösung:

2. Angebot des K durch Bestellen des Grimm-Buches?

- Angebot in K’s Bestellung des Buches “Die Brüder Grimm – Leben und Werk”

- essentialia negotii (+)

- Angebot (+)

II. Annahme durch V?

- Annahmeerklärung könnte in der brieflichen Zusage des V liegen, das Buch in ca. sechs Wochen zu liefern

- hierin aber: Ablehnung des ursprünglichen Angebots verbunden mit einem neuen Antrag § 150 II BGB

- Erklärung des V müsste dann eine Änderung gegenüber dem K enthalten

- Änderung hier: ursprüngl. Angebot des K = ohne Lieferfrist, Annahme des V = mit Lieferfrist = Änderung i. S. d. § 150 II BGB (Änderung muss sich nicht auf essentialia negotii beziehen)

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Übungsfall 3 - 8 -

Lösung:

II. Annahme durch V?

durch diese Änderung gilt Erklärung des V nicht als Annahme des Angebots des K, sondern gem. § 150 II als Ablehnung des (ursprünglichen) Angebots verbunden mit einem neuen Angebot

III. Annahme dieses neuen Angebots durch K?

- K hat sich gar nicht geäußert (“Auf den Brief reagiert K nicht. Sein Interesse ist inzwischen erloschen”)

- P: ist K’s Schweigen als Annahme zu werten?

- Grs.: Schweigen ist kein Erklärungsgehalt beizumessen

- Ausnahmen: z. B. Schweigen auf ein kfm. Bestätigungsschreiben oder wie hier: Schweigen kann ausnahmsweise dann als WE gelten, wenn der Schweigende nach den Grs. von Treu und Glauben verpflichtet gewesen wäre, seinen abweichenden Willen zu äußern (Rechtspflicht zur Gegenerklärung)

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Übungsfall 3 - 9 -

Lösung:

III. Annahme dieses neuen Angebots durch K?

- ob dies der Fall ist, muss durch Würdigung aller Umstände ermittelt werden

- K hat zunächst selbst das Angebot über “Die Brüder Grimm – Leben und Werk” abgegeben (und damit Willen an dem Erwerb des Buches kundgetan)

- durch V gem. § 150 II abgelehnt, verbunden mit neuem Antrag (bzgl. Lieferfrist)

- unter diesen Umständen kann Schweigen des K dann als Annahme auszulegen sein, wenn die von V gemachte Änderung (i. S. d. § 150 II, also hier die Bestimmung einer Lieferfrist) von so geringer Bedeutung ist, dass V das Einverständnis des K voraussetzen durfte

- für üblichen Zweck eines Buchkaufs (private Lesefreude) sowie für Brauchbarkeit des Buches = üblicherweise unerheblich, wann das Buch geliefert wird

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Übungsfall 3 - 10 -

Lösung:

III. Annahme dieses neuen Angebots durch K?

- Einfluss auf die Brauchbarkeit des Buches hätte Liefertermin dann, wenn seine Nutzung termingebunden gewesen wäre, bspw. von K zu beruflichen Zwecken gebraucht hätte

- beim Werk: “Die Brüder Grimm – Leben und Werk” spricht vieles dafür, dass dieses Buch lediglich privat genutzt werden sollte und nicht termingebunden war; objektive Anhaltspunkte für andere Nutzung durch K lagen nicht vor

- V musste also nicht davon ausgehen, dass K kein Interesse mehr an dem Buch hat

- Lieferfrist von sechs Wochen hält sich noch in einem für K zumutbaren Rahmen

- Einfügen der Lieferfrist durch V = von derart geringer Bedeutung, dass V das Einverständnis des K hiermit nach Treu und Glauben voraussetzen durfte

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Übungsfall 3 - 11 -

Lösung:

III. Annahme dieses neuen Angebots durch K?

- K hätte seinen Sinneswandel ggü. V zum Ausdruck bringen müssen

- das Schweigen des K kann gem. § 242 BGB – ausnahmsweise (!) – als Annahmeerklärung gewertet werden

- Annahme durch K (+)

B. Gesamtergebnis:

KV (+). V hat gegen K einen Anspruch auf Zahlung des Kaufpreises in Höhe von 39,80 € gem. § 433 II BGB.

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Übungsfall 3 - 12 -

Sachverhalt:

(2. EA, Teile 3 und 4, SoSe 2004, Schreiben 108 Herr Holzhauer)

Abwandlung:

Der Katalog des V enthält an versteckter Stelle die Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) des V. In diesen steht unter anderem:

„§ 8 Preisveränderung

Wegen unserer Umsatzschwankungen behalten wir uns vor, bei Lieferung zusätzlich bis zu 3 % des Kaufpreises zu berechnen“.

M, der ebenfalls Kunde von V ist und von ihm den Katalog erhalten hat, bestellt das Buch „Die Schwestern Mild – Leben und Werk“, dessen Preis im Katalog mit 23,90 € ausgewiesen ist. Das Buch wird geliefert. V verlangt unter Hinweis auf § 8 seiner AGB 25,20 €.

Welchen Kaufpreis muss M an V zahlen?

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Übungsfall 3 - 13 -

Lösung:

(2. EA, Teile 3 und 4, SoSe 2004, Schreiben 108 Herr Holzhauer)

Frage:

Welchen Kaufpreis muss M an V zahlen?

Da im letzten Satz der Abwandlung explizit formuliert wird, dass V 25,20 € verlangt, bietet es sich an, die Prüfung mit diesem Preis zu beginnen.

Wer? V

will was? Zahlung des Kaufpreises i. H. v. 25,20 €

von wem? M

woraus? § 433 II BGB

OS: V könnte gegen K einen Anspruch auf Zahlung des Kaufpreises i. H. v. 25,20 € gem. § 433 II BGB haben.

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Übungsfall 3 - 14 -

Lösung:

A. KV

I. Angebot

- Katalog selbst = invitatio ad offerendum (s. o.)

- Bestellung des Buches „Die Schwestern Mild – Leben und Werk“ durch M

- M brachte für V hinreichend erkennbar zum Ausdruck, dass er das Buch kaufen möchte

- aber: inhaltliche Bestimmheit? alle essentialia negotii nötig

- ob sich Bestellung des M auch auf einen bestimmten Kaufpreis bezog und wie hoch dieser sein sollte, ist durch Auslegung gem. §§ 133, 157 BGB zu ermitteln; Empfängerhorizont dafür maßgeblich

- Bestellung des M kann als auf den Kaufpreis von 25,20 € gerichtet angesehen werden, wenn V ihr unter Berücksichtigung aller Umstände nach Treu und Glauben diesen Inhalt beimessen durfte

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Übungsfall 3 - 15 -

Lösung:

A. KV

I. Angebot

- V hatte M Katalog zugesandt

- daher musste V davon ausgehen, dass M bei seiner Bestellung die im Katalog genannten Verkaufsbedingungen, insbesondere also den dort genannten Preis von 23,90 € zugrunde legen würde

- da die in § 8 enthaltene Preiserhöhungsspanne nur gering ist und zudem § 315 BGB die Möglichkeit der Leistungsbestimmung einer Vertragspartei explizit vorsieht, steht diese AGB-Klausel der Bestimmheit des Angebots zunächst nicht entgegen

- Frage der AGB-rechtlichen Wirksamkeit der Klausel hier (noch) nicht relevant

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Übungsfall 3 - 16 -

Lösung:

A. KV

I. Angebot

- auch der bloß opitionale Charakter der AGB-Klausel ändert nichts an dem objektiven Erklärungsgehalt der Bestellung des M (Katalogpreis: 23,90 €)

- V musste Angebot des M also dahin verstehen, dass dieses auf den Erwerb des Buches zum Preis von 23,90 € gerichtet war

- Angebot des M also auf 23,90 € gerichtet

II. Annahme

- keine ausdrückliche Annahme durch V

- aber Lieferung des Buches als konkludente Annahme

- da Katalog von V stammte, durfte M auch davon ausgehen, dass der im Katalog genannte Preis gelte

- gem. §§ 133, 157 hat V Angebot also angenommen, es gilt KP von 23,90 €

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Übungsfall 3 - 17 -

Lösung:

B. Preissteigerung durch AGB-Klausel?

- fraglich ist, ob V trotz dieser Kaufpreisvereinbarung über 23,90 € gem. § 8 AGB berechtigt ist, 25,20 € von M zu verlangen

- dann zu bejahen, wenn (a) § 8 AGB dem V tatsächlich (inhaltlich) einen solchen Anspruch zuspricht und (b) die Klausel Vertragsbestandteil geworden ist

- hier: bereits inhaltlich (-), denn 3 % von 23,90 = 0,71 €, so dass V allenfalls einen Kaufpreis von 24,61 € (und nicht 25,20 €) verlangen könnte

- 24,61 € = nur dann von V einforderbar, wenn § 8 = Bestandteil des KV mit M geworden ist

AGB-Prüfung

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Übungsfall 3 - 18 -

Lösung:

B. Preissteigerung durch AGB-Klausel?

AGB-Prüfung:

I. Anwendbarkeit der §§ 305 ff.

- § 8 = AGB?

- § 305 I S. 1 (1) vorformulierte Vertragsbedingungen (+) (Katalog) (2) für eine Vielzahl von Verträgen (+) (für sämtliche Katalogkäufe) (3) vom Verwender der anderen Vertragspartei bei Vertragsschluss gestellt

- hier: § 310 III Nr. 1: danach gelten AGB bei Verträgen zwischen Verbrauchern und Unternehmen als vom Unternehmer gestellt, es sei denn, sie wurden vom Verbraucher in den Vertrag eingeführt

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Übungsfall 3 - 19 -

Lösung:

B. Preissteigerung durch AGB-Klausel?

AGB-Prüfung:

I. Anwendbarkeit der §§ 305 ff.

- zunächst Voraussetzungen § 310 III prüfen:

- V müsste Unternehmer sein: § 14 I BGB

- KV wurde durch V in Ausübung seiner gewerblichen Tätigkeit als Buchhändler abgeschlossen

Unternehmer (+)

- M müsste Verbraucher sein § 13 BGB

- M bestellte Buch zu privaten Zwecken

Verbraucher (+)

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Übungsfall 3 - 20 -

Lösung:

B. Preissteigerung durch AGB-Klausel?

AGB-Prüfung:

I. Anwendbarkeit der §§ 305 ff.

- dafür, dass M als Verbraucher die AGB in den Vertrag eingeführt hat, ist nichts ersichtlich daher gilt die AGB-Klausel gem. § 310 III Nr. 1 als von V gestellt

- sachlicher Anwendungsbereich der AGB-Vorschriften eröffnet (§ 305 II Nr. 1 steht dem (noch) nicht entgegen)

- Zwischenergebnis: § 8 = AGB

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Übungsfall 3 - 21 -

Lösung:

B. Preissteigerung durch AGB-Klausel?

AGB-Prüfung:

II. Einbeziehung in den Vertrag

- § 305 II Nr. 1: ausdrücklicher Hinweis durch Verwender auf AGB bei Vertragsschluss

- durch Abdruck in Katalog hat V auf AGB hingewiesen

- aber: auch ausdrücklich erfolgt?

- ausdrücklich ist ein Hinweis, wenn sich aus ihm zweifelsfrei und für die andere Vertragspartei deutlich erkennbar der Wille zur Einbeziehung in den Vertrag ergibt

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Übungsfall 3 - 22 -

Lösung:

B. Preissteigerung durch AGB-Klausel?

AGB-Prüfung:

II. Einbeziehung in den Vertrag

- wird – wie hier – auf AGB im Zshg. mit einer invitatio ad offerendum hingewiesen, so muss Hinweis so deutlich sein, dass der Anbietende (hier M) unzweifelhaft erkennen musste, dass der Verwender nur ein Angebot unter Einbeziehung der AGB anerkennen werde

- hier: Kunde konnte AGB zwar finden, aber es ist nicht davon auszugehen, dass jeder Kunde den Katalog vollständig durchblättert und dabei auf die – im Übrigen auch versteckten – AGB stößt

- durch bloßen Abdruck der AGB im Katalog ergibt sich also nicht zweifelsfrei und für den Kunden deutlich erkennbar der Wille zur Einbeziehung in den Vertrag

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Übungsfall 3 - 23 -

Lösung:

B. Preissteigerung durch AGB-Klausel?

AGB-Prüfung:

II. Einbeziehung in den Vertrag

- keine „Ausdrücklichkeit“ i. S. d. § 305 II Nr. 1 BGB

- Anwendung des § 305 II auch nicht gem. § 310 I S. 1 BGB ausgeschlossen

Ergebnis:

§ 8 = nicht Bestandteil des Kaufvertrages geworden

V kann von M nicht 24,61 € sondern nur den normalen Katalogpreis in Höhe von 23,90 € verlangen.

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