Kursskript_Halswirbelsaeule_A4_d

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Präklinische Versorgung von Menschen mit Wirbelsäulen- und Rückenmarkstrauma Ein Überblick © Jegliche Vervielfältigung oder Verwendung von Texten, Fotos und Grafiken, insbesondere in anderen elektronischen oder gedruckten Publikationen ist nur mit schriftlicher Zustimmung von SIRMED gestattet.

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Präklinische Versorgung von Menschen mit Wirbelsäulen- und RückenmarkstraumaEin Überblick

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gedruckten Publikationen ist

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Inhaltsverzeichnis

Epidemiologie und Pathophysiologie 3

Unfallmechanismen 4

Symptomatik und Untersuchung 5

Klassifikation 7

Präklinische Versorgung 8

Methylprednisolon beim spinalen Trauma? 10

Transport und Zielspital 11

Techniken der Immobilisation 15

Zusammenfassung 18

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Epidemiologie

«Unter einem spinalen Trauma versteht man eine mechanische Schädigung der knöchernen und / oder disko-ligamentären Strukturen der Wirbelsäule und / oder des Rückenmarks und der Nervenwurzeln, die klinisch sowohl durch lokale oder segmen-tale Schmerzen als auch durch neurologi-sche Ausfallerscheinungen auffällig wird und von Fehlhaltung und mechanischer In-stabilität gekennzeichnet sein kann.» (18)

Die Zahl der Personen, die in der Schweiz jedes Jahr eine traumatische Querschnitts-läsion erleiden, lässt sich auf ungefähr 200 hochrechnen, ohne dass dafür exakte statistische Daten vorliegen (11). Zu rund zwei Dritteln sind Männer betroffen, und über ein Drittel der Patienten ist unter 25 Jahre alt.

Am häufigsten sind die Halsmarksegmen-te C4 und C5 und der thorakolumbale Übergang (TH12, L1) in Mitleidenschaft gezogen (17). Die Schwere der Quer-schnittslähmung ist massgeblich von der Läsionshöhe und der neurologischen Ausfallsymptomatik abhängig.

Häufig liegen Wirbelsäulentraumata als Kombinationsverletzungen vor. So findet sich bei rund der Hälfte der polytraumati-sierten Patienten ein Wirbelsäulentrauma (8). Andere Quellen geben hierfür 10 bis 30 % an (18). Rund 5 bis 10 % der Patien-ten mit Schädel-Hirn-Trauma (SHT) haben eine Rückenmarksverletzung, und umge-kehrt haben etwa 25 bis 50 % der Patien-ten mit einem Rückenmarkstrauma ein SHT. Deshalb muss bei diesen Verletzungen bis zum Beweis des Gegenteils mit einer spinalen Läsion gerechnet werden (18).

Läsionshöhen Verunfallte(2011; n = 73)

Beispiel der Verteilung 2011 im Schweizer Paraplegiker-Zentrum

Läsionshöhen Anzahl / Unfall

C1 2C2 2C3 2C4 9C5 9C6 7C7 5Th1 1Th2 2Th3 2Th4 0Th5 3Th6 2Th7 3Th8 1Th9 0Th10 0Th11 3Th12 3L1 7L2 4L3 2L4 1L5 0S1 0S2 2

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Unfallmechanismen

Jeder Unfallmechanismus mit massiver Drehung, Biegung und Stauchung kann zu Verletzungen der Wirbelsäule und des Rückenmarks führen. Die Unfallursachen lassen sich gerundet zu je einem Drittel auf Verkehrs- und Sportunfälle und zu etwa einem Viertel auf Stürze zurückfüh-ren. Während in den USA rund 15 % dieser Verletzungen durch Gewaltakte verur-sacht werden (grosser Anteil an Schuss-verletzungen), trifft dies in der Schweiz für unter 5 % der Fälle zu (16, 17).

Eine der häufigsten Ursachen des spinalen Traumas ist das Aufprallen des Kopfes auf einen Gegenstand, während der sich weiter in Bewegung befindende Körper die Hals-wirbelsäule (HWS) staucht. Dies passiert z. B. beim Aufprall auf eine Fahrzeugschei-be, beim Kopfsprung in flache Gewässer oder mitunter beim Sturz vom Motorrad oder Pferd.

Ungefähr 20 % der Stürze aus mehr als 5 m Höhe verursachen eine Wirbelsäulen-fraktur. Gleichermassen können aber auch Mechanismen mit Extension der Wirbel-säule zur Überdehnung oder zum Zerreis-sen der Strukturen führen, wie z. B. beim Erhängetrauma (16).

Mit rund 20 % ist der Anteil banaler Unfall-mechanismen (geringe Geschwindigkeit wie Sturz auf den Boden) nennenswert hoch (15). Höheres Lebensalter oder Erkrankungen der Wirbelsäule (z. B. Morbus Bechterew, Osteoporose etc.) erhöhen bei gleichem Unfallmechanismus das Risiko besonders für eine Läsion der Wirbelsäule (4).

Die Schädigung kann im Moment des Unfalls stattfinden. Wir sprechen dabei vom sogenannten Primärschaden. Dabei kann es zu Rückenmarksläsionen,

zu direkten oder indirekten Zerstörungen oder auch zu einer Unterbrechung der Blut zufuhr kommen (16). Während der Pri-märschaden unbeeinflussbar ist, kann die präklinische Versorgung Einfluss auf das Auftreten von Sekundärschäden nehmen. So ist ein Wirbelsäulentrauma nicht zwangs-läufig gleich auch ein Rückenmarks trauma. Es können aber Sekundärschäden entstehen, wenn es als Folge des Traumas zu Ödemen, Einblutungen, Ischämien oder zu einer Dis-lokation von Frakturteilen kommt (5, 16).

Erstrehabilitationen im Schweizer Paraplegiker-Zentrum: Unfallursachen

Verkehr Sport Stürze Fremdverletzungenin %

60

55

50

45

40

35

30

25

20

15

10

5

0

2007 2008 2009 2010 2011

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Symptomatik und Untersuchung

Die rettungsdienstliche Untersuchung folgt den allgemeinen Prinzipien der prä-klinischen Traumaversorgung und bein hal-tet nach einem angemessenen Situations-überblick, der Einschätzung des Unfall-mechanismus und der Einleitung allfälliger organisatorischer Massnahmen die syste-matische Erst- und ggf. Zweituntersuchung bzw. Primary und Secondary Survey – ausgedrückt in Termini des Trainingspro-gramms Pre Hospital Trauma Life Support PHTLS (4, 16).

Die klassischen Befunde der Rücken-marksläsion umfassen nach Domeier:

Lumbale Schmerzen in 37 % der Fälle

Schädel-Hirn-Verletzungen 36 %

Bewusstseinsreduktionen 31 %

Nackenschmerzen 15 %

Neurologische Defizite(Parästhesien, Ausfälle) 15 %

Thoraxschmerzen 11 %

Dabei ist es wichtig, dass der Schmerz einer Rückenmarksverletzung nicht zwingend in der betroffenen Region lokalisiert sein muss. In 18 % der HWS-, 63 % der BWS- und 9 % der LWS-Verletzungen fanden sich Schmerzen abseits der Verletzungsstelle (6).

Diese Daten zeigen, dass die klassische Symptomatik der kompletten Quer-schnittslähmung mit motorischen und sensiblen Ausfällen durchaus nicht bei jeder Rückenmarksverletzung vorliegt und dass umgekehrt ein Fehlen dieser Zeichen keinen Ausschluss zulässt. Die körperliche Zweituntersuchung sollte das Abtasten und die Inspektion der Wirbelsäule sowie eine orientierende neuro logische Unter-suchung umfassen (4).

Darüber hinaus wird ein spezielles Augen-merk auf die Sensibilitätsüberprüfung der Cer vicalsegmente an der oberen Extre-mität gerichtet, wo bei Tetraplegie aus-sagekräftige Befunde an Daumen (C6), Kleinfinger (C8) und Ellbogen (Th1) schnell und einfach erhoben werden können (11).

Auch Verletzungen weitab der Wirbelsäule können wegweisend für ein spinales Trau-ma sein. So verursachen Stürze aus grosser Höhe auf die Füsse unter Umständen Kom binationsverletzungen von Fersenbein, Unterschenkel, Hüftgelenk und eben auch der Wirbelsäule. Aber auch andere indi-rekte Zeichen, wie die schwere Beschädi-gung eines Motorradhelms, sollen das Augenmerk auf eine Wirbelsäulenläsion lenken.

Demgegenüber ist nach penetrierenden Verletzungen (z. B. Schuss, Stich oder Pfählung) kaum mit Rückenmarksverlet-zungen zu rechnen, wenn der Patient wach ist und keine neurologischen Aus-fälle zeigt.

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Symptomatik und Untersuchung

In einer differenzierten Literaturrecherche anhand von 65 Publikationen konnten Beck et al. (4) in einer Übersichtsarbeit folgende Aussagen zur Diagnostik des Wirbelsäulen-traumas darstellen:•   Bei Patienten mit multiplen Frakturen

der langen Röhrenknochen und des Beckens besteht ein erhöhtes Risiko für eine Wirbelsäulenverletzung.

•   Alle Patienten mit einer Kopfverletzung (Schädel-Hirn-Trauma), v.a. solche mit einer Frontal- oder Mittelgesichtsverlet-zung, haben ein erhöhtes Risiko für ein HWS-Trauma.

•   Beim ansprechbaren Patienten sind typische neurologische Defizite richtungs-weisend für eine Rückenmarksläsion. Eine knöcherne Verletzung ist dabei beim Erwachsenen wahrscheinlich.

•   Bei Kindern sind neurologische Defizite ohne knöcherne Beteiligung häufiger.

Komplikationen, die im Rahmen einer Rücken markstraumatisierung auftreten können und bereits in der frühen präkli ni-schen Phase bedeutsam sind, sind v.a. eine hämodynamische Instabilität mit Hypo-tonie und Bradykardie sowie eine respira-torische Insuffizienz.

Das häufigste lebensbedrohliche Problem in der Frühphase ist der neurogene Schock (8). Dieser stellt ein neurologisches Phäno-men dar, das für eine unterschiedlich lange Phase nach einem Rückenmarkstrauma entsteht. Da bei einer Rückenmarksschädi-gung die Funktion des sympathischen Grenzstrangs beeinträchtigt wird, wird die adrenerge Aktivität des Organismus redu-ziert, wodurch es bei reduziertem periphe-rem Widerstand und gleichzeitiger venöser Vasodilatation zu einem relativen Volumen -mangel kommt. Dieser ist umso aus ge -prägter, je höher die Schädigung lokalisiert

ist und tritt vor allem bei einer Schädigung des Halsmarks bzw. des oberen Brust -marks auf. Bei Läsionen in diesem Bereich können darüber hinaus durch eine Unter-brechung der sympathischen Innervation des Herzens Blutdruckabfälle und schwere Bradyarrhythmien mit dem Risiko einer plötzlichen Asystolie resultieren (6, 18). Im Einsatz kann es bei eingeschränkten diag-nostischen Möglichkeiten anfangs schwer sein, einen neurogenen Schock von einem hämorrhagischen Schockgeschehen zu differenzieren.

Vom neurogenen Schock ist der sogenann-te spinale Schock abzugrenzen, der einen vorübergehenden Motorik- und Reflexver-lust nach Rückenmarkstrauma beschreibt.

Darüber hinaus kann es in dieser Phase zu Sekundärschäden an Rückenmark und anderen Organsystemen kommen, aus denen sich lebensbedrohliche Zustände wie Sepsis, akutes Nierenversagen, ARDS und Multiorganversagen entwickeln können (8).

Im weiteren Verlauf der klinischen Ver-sorgung kommen weitere Schwierigkeiten dazu, wie die Funktionsstörungen von Magen/Darm und Blase, Thermoregula-tionsstörungen, das erhöhte Thrombo em-bo lie-Risiko oder die erhöhte Neigung zu Dekubitalulzera.

0 = absent1 = altered2 = normalNT = not testable

INTERNATIONAL STANDARDS FOR NEUROLOGICAL CLASSIFICATION OF SPINAL CORD INJURY

SI NGLE NEURO LOGICAL LE VEL

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Klassifikationen

Eine Einteilung von Wirbelsäulen- und Rückenmarksverletzungen ist unter ver-schiedenen Aspekten möglich:•   nach Verletzungsmuster des Marks:

Commotio, Contusio, Compressio spinalis•   nach dem Ausmass der neurologischen

Ausfälle: komplette oder inkomplette Paraplegie und Tetraplegie (ASIA-Klassi-fikation)

• nach dem Verletzungsmuster der knöchernen Strukturen: Kompressionsverletzungen (Typ A), Distraktionsverletzungen (Typ B), Rotationsverletzungen (Typ C) (15,18)

Eine akute Querschnittslähmung führt zum totalen Funktionsverlust in den subläsio nellen Körperbereichen. Dieser ist gekennzeichnet durch schlaffe Lähmung der Skelettmuskulatur, Fehlen von Fremd- und Eigenreflexen, Fehlen der Gefässkon-trolle und Wärmeregulation sowie durch schlaffe Lähmung von Harnblase und Mast-darm bzw. durch Auftreten eines neuro-genen Schocks (18).

Die American Spinal Injury Association hat eine Klassifikation der traumatischen Quer-schnittsyndrome, das sog. ASIA-Schema,

etabliert (1). Mit einer Untersuchung der sensiblen und motorischen Funktionen kön-nen Lokalisation und Ausmass der neurolo-gischen Läsion bestimmt werden. Darüber hinaus lässt das klinische Bild Rückschlüsse auf Ort und Schweregrad der Schädigung zu. Nach der Vollständigkeit der Läsion er-folgt die Klassifizierung in ASIA-Kategorien. Dabei bezeichnet die Kategorie A eine kom-plette Querschnittsläsion, bei der defini-tionsgemäss keinerlei motorische oder sen-sible Funktionen in den sakralen Segmenten S4 und S5 mehr vorhanden sind.

Die Kategorien B bis D bezeichnen inkom-plette Querschnittslähmungen, bei denen sensible und/oder motorische Funktionen unterhalb des neurologischen Niveaus er-halten sind. Mit dem Begriff «sakrale Aus-sparung» werden eine Berührungs- und Schmerzsensibilität in den sakralen Derma-tomen so wie eine tiefe anale Sensibilität bezeich net. Diese sakrale Aussparung ent-scheidet darüber, ob eine Querschnitts-lähmung komplett oder inkomplett ist. Eine inkomplette Lähmung ist ein prognostisch gutes Zeichen, garantiert aber keine voll-ständige Erholung (19).

Die Höhe der Ausfälle kann über die Sensi-bilitätsüberprüfung der Dermatome einfach ermittelt werden.

0 = absent1 = altered2 = normalNT = not testable

INTERNATIONAL STANDARDS FOR NEUROLOGICAL CLASSIFICATION OF SPINAL CORD INJURY

SI NGLE NEURO LOGICAL LE VEL

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Präklinische Versorgung

In der präklinischen Versorgung rücken-markstraumatisierter Menschen steht wie in jeder anderen Notfallsituation die Erhaltung der Vitalfunktionen im Vordergrund. Das zweite Ziel ist die Vermeidung von Sekun-därschäden bzw. die Prävention zusätzlicher neurologischer Funktionsverluste.

Bereits im ABC-Schema der Erstuntersuchung bedeutet im PHTLS-Programm A: «Airway and cervical spine control», womit die cervi-cale Immobilisation eine hohe Priorität erhält. So muss, wenn beispielsweise eine Intubation oder alternative Atemwegs-sicherung erforderlich wird, diese unter ma-nueller Stabilisierung der HWS stattfinden (In-line-Fixation), da eine Hyperextension wie auch eine Hyperflexion zu weiteren Schäden führen kann.Eine Sauerstoffgabe soll nicht zuletzt deshalb erfolgen, um die weitere ischämische Schä-digung des Rückenmarks zu verhindern (4).

In der Versorgung von C-Problemen muss auf die Parameter Herzfrequenz und Blut-druck ein spezielles Augenmerk gerichtet werden: Bei Hypotonie sollte eine Volumen-gabe mit kristalloiden Lösungen erfolgen, allerdings mit Vorsicht, da eine Volumen-überladung zu einem Lungenödem führen kann. Ein mittlerer arterieller Druck (MAP) von 90 mmHg ist die Zielgrösse (7). Da es sich beim isolierten neurogenen Schock ohne Hämorrhagie um einen relativen Volumen-mangel handelt, ist es möglich, diesem Umstand mit Vasopressiva zu begegnen. Allfällige Bradyarrhythmien werden in der Regel mit Atropin versorgt.

Situationsüberblick und Primary Survey Situationsüberblick Akute oder drohende Gefahren für Retter/Patient? Selbstschutz und Sofortmassnahmen

Hauptproblem? Patientenzahl (gegebenenfalls Pre-Triage)? Gegebenenfalls Unfallmechanismus ergründen

Unterstützung erforderlich? Frühe Nachalarmierung Versorgungsstrategie festlegen, kommunizieren und fortlaufend überprüfen Gegebenenfalls frühzeitig Zielspital informieren

Atemwege frei?

Atmung suffizient?• Frequenz• Hautkolorit• Tiefe / Thoraxexkursionen• Seitenvergl. Auskultation

•  Puls: (Frequenz, Qualität, Rhythmus)

• Hauttemperatur, -kolorit• Rekapillarisierungszeit•  Blutungszeichen:

– Äussere Blutung? – Brust und Bauch – Becken («open book»?) – Beine und Arme

• Bewusstseinslage• Pupillen prüfen

• Patient entkleiden• Ggf. Logroll• Vor Witterung schützen

• Blutung stoppen• Reanimation

• Atemwege freimachen• Ggf. HWS – Fixation

• Sauerstoff• Beatmen•  Ggf. Entlastung

Spannungspneumothorax

Basisversorgung• Beruhigung, Lagerung• Sauerstoff• Ggf. venöser Zugang (Elektrolytlösung)• Angepasstes Monitoring (SpO2, BD, EKG, BZ)

Circulation?C

Disability?D Exposure?E

Airway?A Breathing?B

Versorgungsstrategiefestlegen Hauptproblem?

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Titel

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Für die Situation beim Schädel-Hirn-Trauma ist vergleichsweise gut belegt, dass eine Hypotension den Sekundärschaden vergrös-sert. Auch wenn es mit Vorsicht zu genies-sen ist, solche Daten zu übertragen, kann bis zum Beweis des Gegenteils davon ausge-gangen werden, dass eine Hypotension auch einen negativen Einfluss auf Rücken-markstraumata hat (6, 7).

In seltenen Fällen kann sich eine akute Gastroparese klinisch relevant präsentieren, was das Aspirationsrisiko erhöht. Diese ist jedoch präklinisch kaum identifizierbar.

Schliesslich ist für den weiteren klinischen Verlauf eine präzise rettungsdienstliche Dokumentation hilfreich.

Die Versorgungsschritte können, wie auch in anderen Bereichen üblich, im Sinne von Handlungsalgorithmen dargestellt werden. Wir zeigen hier die beiden passenden der Algorithmensammlung SMEDRIX 2.1 der Swiss Medical Rescue Commission SMEDREC.

Wirbelsäulen- und Rückenmarkstrauma

* Neurologische Ausfälle, Bradykardie & Hypotonie? Ziele: BDsyst > 120 mmHg, SpO2 95 %, EtCO2 35 – 40 mm Hg (4,5 – 5 kPa) Geeignetes Zielspital (Neuroradiologie, Wirbelsäulenchirurgie) Erwäge rechtzeitig Helitransport Kontinuierliche neurologische Überwachung Bei isoliertem Rückenmarkstrauma mit neurologischen Ausfällen: erwäge Methylprednisolon nur nach Absprache mit Zielspital

ja

nein

nein

nein

Neurogener Schock?*

Hochdosiert O2

HWS Immobilisation ggf. Helmabnahme

Weitere Verletzungen suchen und versorgen

Bergung / Fixation mittels Schaufeltrage, Vakuummat-ratze, Rettungsbrett, KED,Kopffixationssystem etc.

Begleitendes SHT?

VAS > 3?

Überwachung / Transport / Übergabe

Volumen undVasopressiva i.v.

Spezifische Versorgung

ja

Spezifische Versorgung

ja

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Methylprednisolon beim spinalen Trauma?

Unter der Fragestellung nach der Wirksam-keit hochdosierter Kortikosteroide beim spinalen Trauma werden seit Jahren die Er-gebnisse insbesondere der NASCIS-Studien-reihe kontrovers diskutiert und interpretiert (NASCIS – National Acute Spinal Cord Injury Study). Die Ergebnisse dieser Studienreihe wurden zwischen 1985 und 1997 publiziert. Insbesondere die NASCIS-II-Studie (1990) hat einen geringfügig positiven Effekt auf das motorische Ergebnis nach sechs Mona-ten gezeigt, wenn die Methylprednisolon-therapie innert 8 Stunden begonnen wurde. Demgegenüber konnte die NASCIS-III-Stu-die einen deut licheren Effekt zeigen, wenn der Therapiebeginn zwischen 3 und 8 Stun-den lag. Neben einiger Kritik an der Methodik der Studien und der Interpretation der Daten ist es insbesondere die erhöhte Auftretens-häufigkeit schwerer Infektionen nach hoch-dosierter Steroidgabe, die als Nachteil be-nannt werden muss, da diese Substanzen eine relevante Immunsuppression vermit-teln und die Glucosetoleranz vermindern.

1991 empfahlen die vier Paraplegikerzen-tren der Schweiz die Anwendung des NASCIS-Schemas. Nachdem die Diskussion in den letzten Jahren zunehmend heftiger wurde und verschiedene Institutionen wie die American Association of Neurologic Surgeons sowie die ASIA die Anwendung von Methylprednisolon bereits seit Länge-rem nur noch als therapeutische Option empfehlen, haben Vertreter von zehn Schweizer Wirbelsäulenzentren 2008 einen neuerlichen Konsensus formuliert (13):

1. Aufgrund der kontroversen Datenlage sowie des unklaren Nachweises einer klinisch relevanten Wirksamkeit kann die Gabe von hochdosiertem Methylpred-nisolon nach einem spinalen Trauma nicht mehr allgemein empfohlen werden. Sie kann aber bei jüngeren Patienten ohne wesentliche Vorerkrankungen und einer traumatischen Läsion des Cervical-marks als Behandlungsoption erwogen werden.

2. Sofern Methylprednisolon in ausgewähl-ten Fällen von spinalen Traumen ver-wendet wird, sollte die Gabe nach dem NASCIS-Schema erfolgen: d.h. ein Bolus von 30 mg pro kg Körpergewicht so früh wie möglich nach dem Unfall, unbe-dingt aber innerhalb von acht Stunden, gefolgt von einer Infusion (Erhaltungs-dosis 5,4 mg/kg KG/h) für weitere 23 Stunden (bzw. 47 Stunden, wenn die Therapie später als drei Stunden nach dem Trauma begonnen wurde).

3. Wird hochdosiertes Methylprednisolon verabreicht, müssen unbedingt dessen relative Kontraindikationen beachtet wer-den (akutes Schädel-Hirn-Trauma, per-forierende Verletzungen, floride Infekte, alter Patient mit Komorbiditäten wie Diabetes mellitus oder Herzinsuffizienz etc.).

4. Der Entschluss, auf den Einsatz von Methylprednisolon zu verzichten, kann nicht als therapeutische Unterlassung gewertet werden.

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Titel

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Transport und Zielspital

11

Umstände in Untersuchungen nicht be-legt werden und haben vermutlich eher anekdotischen als wissenschaftlichen Charakter (9, 10).

Gleichwohl ist es leicht vorstellbar, dass durch die Bergung die Möglichkeit zusätz-licher Schädigungen besteht, weshalb wir hier nach wie vor von der Maxime geleitet werden, dass die Wirbelsäule bei Verdacht auf eine Läsion in neutraler Position – in der Regel in flacher Rückenlage – immo-bilisiert werden soll (6, 7, 12). Diese Im-mobilisation soll idealerweise bis zur defi-nitiven Versorgung beibehalten werden.

Ein immer wieder ins Feld geführtes Pro blem ist der Konflikt der Immobilisa-tionshilfsmittel in der radiologischen Diagnostik. Atzbach (2) kommt in einem

radiologischen Test unterschiedlicher Immobilisationsgerätschaften zum Schluss, dass keines der getesteten Hilfsmittel einer ersten orientierenden konventionel-len Röntgenaufnahme im Wege steht.

Immobilisation der HalswirbelsäuleEs gehört heutzutage gleichsam zum guten Ton, Patienten mit Verdacht auf ein direktes oder indirektes Trauma der Hals-wirbelsäule bereits frühzeitig präklinisch mit einem Halskragen zu versorgen. Diese Vorgehensweise hat sich in den 90er- Jahren sehr breit etabliert, wenngleich es in jüngerer Vergangenheit auch durchaus kritische Untersuchungen hierzu gibt, die an der Nützlichkeit dieser Versorgung zweifeln (9, 10). Solange wir über keine wirklich sauber durchgeführten Studien im grossen Stil verfügen, die zweifelsfrei

Ein Wirbelsäulenverletzter mit neurolo-gischen Ausfällen sollte primär in ein Zen-trum für Wirbelsäulenchirurgie transpor-tiert werden, um eine optimale Versorgung zu gewährleisten (4). Ein Helikopter-transport ist insbesondere bei längeren Transportdistanzen (über 30 Minuten) vorteilhaft.

ImmobilisationIn Bezug auf die technische Rettung stehen Immobilisation und Fixation im Vordergrund der Versorgung.Immobilisation ist eine der bedeutsamen Interventionen im Rahmen der präklini-schen Versorgung rückenverletzter Men-schen (12). Die Notwendigkeit zur frühen Fixation ergibt sich u.a. aus zwei Haupt-gründen:•  Schmerzreduktion•   Schutz vor Sekundärverletzungen

(Gefäss- und Nervenläsionen, Gewe-bezerstörung und -spannung) durch Verminderung aktiver und passiver Bewegung des Patienten bis zur defini-tiven chirurgischen Versorgung

Während diese Aussagen auf den ersten Blick einleuchten, muss allerdings fest-gestellt werden, dass sie bis heute nicht wissenschaftlich belegt wurden. So konn-ten Kwan et al. (14) in einer Cochrane review in Medline, EMBASE, CINAHL und anderen Datenbanken keine randomisier-ten, kontrollierten Studien finden, die spinale Immobilisationsstrategien bei Pati-enten mit Wirbelsäulentrauma verglichen hätten.

Obwohl in älterer notfallmedizinischer Literatur Fehler bei der Erstversorgung von Wirbelsäulenverletzungen als häufi-gen Grund iatrogener Verletzungen beschrieben wurden, konnten diese

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Techniken der Immobilisation

den Nutzen widerlegen, sollten wir aus Gründen der Patientensicherheit an der bisherigen Doktrin festhalten.

Allerdings sind heute auch Ausnahmen von dieser Regel definierbar (9, 10):So ist beim Fehlen folgender fünf Kriterien davon auszugehen, dass keine instabile HWS-Verletzung vorliegt. Beck et al. ordnen diesem Umstand einen Evidenz-level 1 nach Sackett zu:•   Bewusstseinsstörung•   Neurologisches Defizit•   Wirbelsäulenschmerzen oder Muskel-

spannungsschmerz•   Intoxikationen•   Extremitätentrauma

Unter Beachtung dieser fünf Kriterien wurden im Rahmen einer prospektiven Datensammlung bei Domeier et al. knapp 9000 Patienten untersucht. Jeweils rund 100 davon wiesen eine Fraktur der HWS, BWS bzw. LWS auf. Dabei wurden ledig-lich zwei relevante instabile Wirbelsäulen-verletzung sowie wenige stabile Verlet-zungen übersehen, was eine Sensitivität von 95 % bei einem negativen Vorher-sagewert von 99,5 % ergab.

Das PHTLS-Programm formulierte, davon abgeleitet bereits 2001 – und aktualisiert in der 7. Edition von 2010 (16) –, einen Algorithmus zur HWS-Immobilisation, der folgende Ausnahmen von der Stan d-ardfixation definiert:1. perforierende Traumata ohne neuro-

logische Ausfälle2. Patienten mit stumpfen Traumata und

GCS 15 ohne neurologische Symp-tomatik, spinale Schmerzen oder Spannung und ohne Deformation der Wirbelsäule, wenn kein relevanter Unfallmechanismus vorliegt

3. Patienten mit stumpfen Traumata und GCS 15 ohne neurologische Symp-tomatik, spinale Schmerzen oder Spannung und ohne Deformation der Wirbelsäule bei relevantem Unfall-mechanismus, wenn der Patient nicht unter Alkohol- oder Drogeneinfluss steht, keine sprachlichen Einschrän-kungen und keine ablenkenden Verlet-zungen hat

Schliesslich gilt jedoch nach wie vor: Im Zweifelsfall erfolgt die maximale Immobi-lisation der Wirbelsäule. So ist beispiels-weise der Umstand, dass ein Patient nach einem Verkehrsunfall an der Einsatzstelle umhergeht, kein Grund, auf eine Immo-bilisation zu verzichten, da eine relevante Anzahl von Patienten mit HWS-Läsionen initial mobil sind (16).

Hilfsmittel zur Bergung und ImmobilisationFür die Versorgung wirbelsäulentrauma-tisierter Patienten wurde in der Vergan-genheit eine grosse Vielfalt an Hilfsmitteln entwickelt. Einige davon dienen primär der Bergung, andere vornehmlich der Immobilisation, manche unterstützen beide Aspekte.

Zunächst zum Halskragen:Anforderungen an eine geeignete HWS-Schiene unter rettungsdienstlichen Gesichtspunkten sind (3):•   Immobilisation in Neutralposition•   Gute Immobilisation und Stabilität•   Gutes Handling (inkl. Abmessbarkeit)•   Kein Druck auf die Halsgefässe•   Zugänglichkeit von Larynx und

Carotiden•   Grössenverstellbarkeit

Zur Immobilisierung wird die Halswirbel-säule in Neutralposition gebracht. Bei mechanischem Widerstand, Auftreten von Schmerzen oder Zunahme des neuro-logischen Defizits muss auf die Neutral-stellung verzichtet werden. Dann erfolgt die Immobilisation in Auffindelage.

Immobilisations- und Bergungshilfsmittel mit grossem Verbreitungsgrad in der Schweiz sind ohne Zweifel Vakuummat-ratze und Schaufelbahre. Während die Schaufelbahre zur bewegungsarmen Ber-gung eingesetzt wird, hat die Vakuum-matratze insbesondere den Vorteil einer guten Immobilisation. Sie ist flexibel und damit der individuellen Konstitution des Betroffenen optimal anpassbar. Die Anwendung wird weiter unten mit Bild beschrieben.

Backboard und SpinneBis Ende der 1990er-Jahre verfügte in der Schweiz kaum ein Rettungsdienst sel-ber über ein Rettungsbrett (Synonyme: Backboard, Spineboard, Longboard), da die vermeintlich universeller einsetzbare Schaufelbahre an den meisten Orten das Rennen gemacht hatte. Dennoch gibt es vielfältige Situationen, in denen die Vorteile des Brettes erwünscht sind: Stabi-lität, glatte Oberfläche, gute Fixations-möglichkeit. Seit einigen Jahren hat das Rettungsbrett sich – zunächst nur zö gerlich und mittlerweile rasant – in der Schweiz verbreitet. Nicht zuletzt durch die steigen-de Popularität internationaler Trauma-Trainingsprogramme wie PHTLS oder ITLS werden immer mehr Rettungsfahrzeuge mit diesem Hilfsmittel bestückt.Üblicherweise finden im Zusammenhang mit der Schaufelbahre Einfachgurtsysteme Verwendung. In Kombination mit dem Brett werden häufig Fixationsspinnen ein-gesetzt. Mit der Spinne ist es möglich, eine

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Person schnell, einfach und äusserst stabil auf einem Rettungsbrett, aber durch aus auch auf einer Schaufelbahre zu fixieren. Diese Vorteile kommen insbesondere bei einem Transport im Treppenhaus oder in schwierigem Gelände zum Tragen. Eine kleine Einschränkung ist allen falls, dass es mit der Spinne nicht mög lich ist, eine (aller-dings nur selten indizierte) Sandwichtech-nik durchzuführen.

KopffixationssystemeDie HWS-Fixation mittels Kragens reduziert die Beweglichkeit der Halswirbelsäule. Bei instabilen Frakturen und Bergungs-szenarien mit erheblicher Bewegung des Patienten kann dies jedoch keinesfalls ausreichen. Um eine Restbewegung des Hals-Kopf-Bereichs noch weiter zu mini-

mieren, haben sich verschiedene Verfahren als geeignet erwiesen. So ist es möglich, auf der Vakuummatratze eine Fixa tion mit Klebeband durchzuführen. In Verbindung mit dem Rettungsbrett werden üblicher-weise Kopffixationssys teme verwendet. Dabei können industriell gefertigte Ein- oder Mehrwegsysteme ebenso eingesetzt werden wie zusammengerollte Tücher oder Haushaltpapier rollen.

Bergungskorsett (z. B. KED, SED o.a.) So manchem mag dessen Auflistung hier überflüssig erscheinen. Leider kann man feststellen, dass zwar viele Rettungsdienste über dieses Hilfsmittel verfügen, die Anwendungshäufigkeit aber nicht mit der grundsätzlichen Verfügbarkeit zu korrelieren scheint.

Eine sich selbst erfüllende Prophezei-hung ... Was man selten braucht, braucht man selten. Gemeint ist damit, dass Retter, die von der Notwendigkeit eines Bergungskorsetts nicht überzeugt sind, dieses auch nicht anwenden. In Situatio-nen, in denen es dann allerdings indiziert wäre, fehlen nachvollziehbarerweise Sicherheit und Routine, weshalb wieder-um auf die Anwendung verzichtet wird.Der Vorteil des Bergungskorsetts liegt insbesondere darin, dass Personen damit aus beengten Verhältnissen geborgen werden können. Spezielle Ausführungen wie das Halfback eignen sich besonders für Bergungen mit Seil und Kran (z. B. aus Schächten).

Der Kopf-Hals-Bereich wird maximal gegen den Torso immobilisiert

Rettung eines Patienten aus einem vertikalen Schacht

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Techniken der Immobilisation

SchleifkorbVorwiegend in schwierigem Gelände fin-det ein Gerät seinen Einsatzbereich, das unter Namen wie Schleifkorbtrage oder Rettungskorb bekannt ist. Dessen Vorzü-ge seien im Folgenden beschrieben.Durch die wannenartige Form ist das Ge-rät insbesondere auf unruhigem Unter-grund und an steilen Einsatzstellen den meisten anderen Bergungsgeräten über-legen. Der Patient liegt stabil in einer Mulde, ist vor direkten Stössen geschützt und kann ggf. (wie der Name bereits ver-heisst) auch geschleift werden, wenn ein reguläres Tragen nicht möglich ist. Der Korb ist geräumig genug, um auch eine Vakuummatratze aufzunehmen. Mehrere Gurte ermöglichen eine stabile Sicherung des Patienten. Die umlaufende Reling eignet sich zum einen hervorragend zum Anschlagen von Sicherungsleinen, zum

anderen können viele Hände gleichzeitig den Korb halten. Auch hier werden wie-der verschiedene Produkte durch unter-schiedliche Hersteller vertrieben. Zum Teil sind diese in der Hälfte teilbar. Einige Firmen stellen dazu passende Schutz -k örbe gegen Stein- oder Astschlag aus Plexiglas oder Drahtgittergeflecht her.

SKED Für einen ähnlichen Anwendungsbereich wie die Schleifkorbtrage ist das SKED- System gedacht, das den Nachteil hat, dass es nicht so stabil ist wie ein Schleif-korb, dafür aber in sehr viel engeren Ver-hältnissen eingesetzt werden kann und Rettungen durch Öffnungen mit geringen Durchmessern, wie z. B. Einstiegslöcher in Silos oder Tanks, ermöglicht.

NebenwirkungenAlle genannten Immobilisationshilfsmittel verursachen Nebenwirkungen. Dazu ge hören insbesondere Unbequemlichkeit, Druckschäden – v. a. Dekubitalulzera – und Beeinträchtigungen der Atmung (6, 7). Obwohl immer wieder das Gegenteil be hauptet wird, sind diese Kompli ka tio-nen nicht belanglos, da sich z. B. durch Infektionen für den Patienten relevant verlängerte Heilungsverläufe ergeben können.Das bedeutet, dass ein auf einem harten Immobilisationsgerät fixierter Patient so rasch wie möglich untersucht und vom Brett genommen werden muss, sobald eine weitere Schädigung ausgeschlossen werden kann (12).

Einsatz eines Schleifkorbs am Kranhaken

Rettung eines Patienten aus einem horizontalen Schacht

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Der Einsatz aller vorgenannten Immo-bilisations- und Bergungshilfsmittel erfordert bestimmte technische Abläufe. Im Folgenden werden zwei häufig ein-gesetzte Techniken dargestellt.Zunächst die Immobilisation eines lie-genden Patienten mittels Rettungsbretts und Fixationsspinne.

Manuelle Stabilisation mit dem Halsschienengriff,Grössenabmessung für den HWS-Immobilisations-kragen

Anlegen des Halskragens

Logroll aufs Rettungsbrett (achsengerecht), Beizug von Ersthelfern, wenn zu wenig Teammit glieder verfügbar

Positionierung auf dem Brett mit achsengerechtem Zug kopfwärts und ohne Stauchung

Fixation mittels Spinne, Gurten oder Tapes

Fixation des ganzen Körpers gegen das Brett Einsatz von Kopffixationssystemen Kontrolle des Patienten und der Immobilisation

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Techniken der Immobilisation

Längeneinstellung und danach Teilung der Schaufelbahre

Leichte Seitwärtsdrehung und Anlegen der Schau-felbahre nacheinander auf beiden Seiten

Arretierung der Verschlüsse am Kopf- und Fussende

Anformen und Absaugen der Vakuummatratze nach Umlagerung mit der Schaufelbahre

Kopffixation Kontrolle des Patienten und der Immobilisation

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Spezialfall Helmabnahme

Helfer 1 kniet hinter dem Patienten und fixiert den Helm. Der zweite Helfer 2 kniet an der Seite, öffnet ggf. das Visier und löst den Schliessriemen des Helms.

Bevor Helfer 1 den Helm vollständig entfernt, teilt er dies Helfer 2 mit.

Helfer 1 übernimmt den Kopf mit dem Halsschienen-griff. Danach wird ein Halskragen angelegt.

Helfer 2 fixiert den Kopf in Neutralstellung. Die obere Hand umfasst den Hals von unten, mit Dau-men und Zeigefinger der anderen Hand wird der Unterkiefer stabilisiert. Helfer 1 entfernt den Helm schonend, während Helfer 2 parallel dazu mit der Hand vom Nacken zum Hinterkopf rutscht.

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Zusammenfassung

Quellenangaben 1. American Spinal Injury Association ASIA (2011) International Standards for Neurological Classification of Spinal Cord Injury, Atlanta 2. Atzbach (2000) Röntgendurchlässigkeit gängiger Rettungs- und

Immobilisationsgeräte, Rettungsdienst 23;9: 856–860, Stumpf & Kossendey 3. Atzbach (2004) HWS-Immobilisation, Rettungsdienst 27;11: 1078–1081, Stumpf & Kossendey 4. Beck et al. (2005) Wirbelsäulenverletzung in der Präklinik – Syste -

ma tischer Überblick, Notfall- und Rettungsmedizin 8:162–170, Springer Verlag

5. Benner, Griffiths (2000) Spinal Cord Clues, Journal of Emergency Medical Service, June 2006:86–95 6. Bernhard et al. (2005) Präklinisches Management von Rückenmark- verletzten, Der Anästhesist, 2005 54;4: 357–376, Springer Verlag 7. Bernhard et al. (2005) Spinal Cord injury (SCI) – Prehospital manage-

ment, 66:127–139, Elsevier 8. Bürgi, Stocker (2000) Intensivmedizinische Behandlungskonzepte

nach traumatischer Rückenmarksverletzungen, Schweiz Med Wochenschr 2000;130:811–15 9. Domeier et al. (1999) Indications for Prehospital Spinal Immo- bilization,Prehospital Emergency Care 3:251–25310. Domeier et al. (2002) Multicenter Prospective Validation of Prehos-

pital Clinical Spinal Clearance Criteria, The Journal of Trauma, Injury, Infection and Critical Care, 744–750

11. Felleiter, Reinbott, Michel, Baumberger (2004) Das traumatische Querschnittssyndrom, Schweiz Med Forum 2004;4:1166–1172

12. Hadley (2002) Guidelines for the management of acute cervical spine and spinal cord injury, Supplement to Neurosurgery, Vol 50, No.3: S7–S20

13. Jeanneret B., Mäder M. (2008) Hochdosiertes Methylprednisolon in der Behandlung des akut Querschnittsverletzten, Schweiz Med Forum 2008;8(14):258–259

14. Kwan, Bunn, Roberts (2007) Spinal immobilization for trauma patients, The Cochrane Library, ISSN 1464–780x)

15. Madler, Jauch, Werdan et al. (2009) Akutmedizin – Die ersten 24 Stunden, 4. Auflage, Urban und Fischer16. McSwain et al. (2010) PHTLS Provider Manual 7. Auflage, Elsevier17. Schweizer Paraplegiker-Zentrum (2011) Jahresbericht 2010, Nottwil18. Winkler, Blattert, Meixensberger (2007) Das Wirbelsäulentrauma,

Notfallmedizin up2date 2/2007, Thieme19. Zäch, Koch (2006) Paraplegie, Karger

Bei der Versorgung von Menschen mit Wirbelsäulen- und Rückenmarksverlet-zung bestehen die wichtigsten Aufgaben des Rettungsdienstes darin, lebens-bedrohliche Komplikationen abzuwenden und Sekundärschäden zu vermeiden. Eine sachgemässe präklinische Versorgung umfasst daher die zügige, angemessene Untersuchung, die Versorgung respira-torischer und kardiozirkulatorischer Bedrohungen sowie die bestmögliche Immobilisation und die Auswahl der geeignetsten Zielklinik.

Abb. 1,2 SPZAbb. 3, 6, 7, 9 Feuerwehr ZofingenAbb. 4 ASIAAbb. 5 SMEDRIX 2.1Abb. 7, 8, 10 SIRMED

Alle weiteren Walter Eggenberger, SPS

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Autoren: Helge Regener, SIRMED AGDr. Michael Schorn-Meyer, SIRMED AGRealisierung: Gilbert Bayard, SPSLayout: Karin Distel, SPS

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