Kurzbericht - Agrarforschung Schweiz - Herzlich … · 377 AGRARForschung Polleneintrag durch...

2
376 AGRARForschung Kurzbericht Bienenforschende tauschten neustes Wissen aus Franz-Xaver Dillier und Peter Fluri, Eidgenössische Forschungsanstalt für Milchwirtschaft, Zentrum für Bienenforschung, Liebefeld (FAM), CH-3003 Bern Auskünfte: [email protected], Fax +41 (0)31 323 26 02, Tel. +41 (0)31 323 82 41 AGRARForschung 7 (8): 376-377, 2000 D ie 47. Jahrestagung der Institute für Bienenforschung in Blaubeu- ren bei Ulm (D) bot mit über 30 Vor- trägen und 40 Postern einen breiten Einblick in die aktuelle Forschung im deutschsprachigen Raum. Sowohl die angewandte Forschung an den Bienen- instituten als auch die Grundlagenfor- schung an den Universitäten kam zur Darstellung. Das Spektrum der The- men war: Bienenpathologie, Physiolo- gie, Verhalten, praktische Bienenhal- tung, Zucht, Genetik, Bienenweide. Neben Honigbienen wurden auch Wildbienen behandelt. Das wissenschaftliche Programm teilte sich nach dem Eröffnungsvortrag von Volker Mosbrugger über die Evolution der Insektenbestäubung bei den Pflanzen in sechs Themengruppen auf: Bienenwei- de/Bienenprodukte, Pflanzenschutz/ Bioindikatoren, Bienenpathologie (Viro- sen, Amerikanische Faulbrut, Varroa), Physiologie/Verhalten, Zucht/Genetik und andere Hymenopteren (Hautflügler) auf. Aus dem reichen Angebot werden hier einige Arbeiten herausgegriffen, die für das Zentrum für Bienenforschung von besonderem Interesse sind. Mit dem Erfas- sen der Bienen- population wird untersucht, ob Bekämpfungs- massnahmen gegen Varroa- milben wirksam sind. (Foto: FAM Liebefeld) Bienenweide und Bienenprodukte Robert Paxton (Tübingen) berichtete über eine Vorrichtung am Flugloch des Bienenstockes, um die Kreuzbestäubung bei den für ihren eigenen Pollen in- kompatiblen Obstsorten zu erhöhen. Dabei kam er auch auf die enorme Bestäubungsleistung der Bienen zu sprechen. Peter Fluri wies in seinem Vortag auf das Problem der hohen Bienenverluste beim Mähen von blühenden Wiesen hin. Sie kommen aber nur bei modernen Kreisel- mähern mit einem Aufbereiter zur mecha- nischen Nachbearbeitung des Mähgutes zustande. Die Diskussion zeigte, das die- ses bisher weitgehend unbeachtete Pro- blem bei den in der EU üblichen grossflä- chigen Kulturen besonders für die Imke- rei in Deutschland, von Bedeutung sein könnte. C. Hedtke (Hohen Neudorf) stellte die NIR-Spektroskopie (Spektroskopie im nahen Infrarot) als zeitsparende und der bisher bevorzugten HPLC (Hochdruck- Flüssig-Chromatographie) ebenbürtige Methode der Zuckerbestimmung bei der Honigqualitätskontrolle vor. In ihrem, mit dem Evenius-Preis als bestem stu- dentischen Vortrag prämierten Beitrag, ging Annette Schröder (Hohenheim) ebenfalls auf die Problematik der Ho- nigqualitätskontrolle ein. Sie zeigte, dass der Grenzwert für freie Säuren von 40 Milliaequivalent pro kg - er ist extrem von der Honigsorte abhängig - als Gä- rungsanzeiger im Honig nicht auf wis- senschaftlichen Ergebnissen, sondern auf einer überholten Vorstellung der Gärungsvorgänge im Honig beruht. Zur Beurteilung der Honigqualität müssten deshalb spezifischere Messungen für den Nachweis einer Gärung herangezo- gen werden. Pflanzenschutz und Bioindikatoren In einer Untersuchung an der Universität Hohenheim konnte Andrea Schur den individuellen Wirkstoffeintrag von Pesti- zidrückständen der einzelnen Bienen nach der Behandlung von blühenden Kulturen messen. Dabei traten grosse in- dividuelle Unterschiede im Pestizidrück- standsgehalt in den Honigmägen auf. Die individuell unterschiedliche Magenfül- lung konnte diese Unterschiede nicht er- klären. Auch mehrere Tage nach der Pe- stizidanwendung, sogar nach Regen, tra- ten noch bei einzelnen Sammelbienen erhöhte Rückstände im Honigmagen auf. Es wird ein Austausch mit dem Honig- vorrat im Stock, der auch als Flugprovi- ant dient, und dem neugesammelten Nek- tar vermutet. In zwei Untersuchungen zur Bienenver- träglichkeit von transgenen Rapssorten, R. Büchler (Kirchhain) und C. Hedtke (Hohen Neudorf), konnten bisher keine direkten Bienenschädigungen nachge- wiesen werden. In einem vergleichenden Grosszeltversuch untersuchten Andrea Schur und Ingo Tornier (Niefern-Öschel- bronn) das Sammelverhalten und den

Transcript of Kurzbericht - Agrarforschung Schweiz - Herzlich … · 377 AGRARForschung Polleneintrag durch...

Page 1: Kurzbericht - Agrarforschung Schweiz - Herzlich … · 377 AGRARForschung Polleneintrag durch Bienen an Novartis BT-Mais (genveränderte schädlingsresi-stente Maissorte) und an einer

376 AGRARForschung

KurzberichtBienenforschende tauschtenneustes Wissen aus

Franz-Xaver Dillier und Peter Fluri, Eidgenössische Forschungsanstalt für Milchwirtschaft, Zentrum für

Bienenforschung, Liebefeld (FAM), CH-3003 Bern

Auskünfte: [email protected], Fax +41 (0)31 323 26 02, Tel. +41 (0)31 323 82 41

AGRARForschung 7 (8): 376-377, 2000

Die 47. Jahrestagung der Institute

für Bienenforschung in Blaubeu-

ren bei Ulm (D) bot mit über 30 Vor-

trägen und 40 Postern einen breiten

Einblick in die aktuelle Forschung im

deutschsprachigen Raum. Sowohl die

angewandte Forschung an den Bienen-

instituten als auch die Grundlagenfor-

schung an den Universitäten kam zur

Darstellung. Das Spektrum der The-

men war: Bienenpathologie, Physiolo-

gie, Verhalten, praktische Bienenhal-

tung, Zucht, Genetik, Bienenweide.

Neben Honigbienen wurden auch

Wildbienen behandelt.

Das wissenschaftliche Programm teiltesich nach dem Eröffnungsvortrag vonVolker Mosbrugger über die Evolutionder Insektenbestäubung bei den Pflanzenin sechs Themengruppen auf: Bienenwei-de/Bienenprodukte, Pflanzenschutz/Bioindikatoren, Bienenpathologie (Viro-sen, Amerikanische Faulbrut, Varroa),Physiologie/Verhalten, Zucht/Genetikund andere Hymenopteren (Hautflügler)auf. Aus dem reichen Angebot werdenhier einige Arbeiten herausgegriffen, diefür das Zentrum für Bienenforschung vonbesonderem Interesse sind.

Mit dem Erfas-sen der Bienen-population wirduntersucht, obBekämpfungs-massnahmengegen Varroa-milben wirksamsind. (Foto: FAMLiebefeld)

Bienenweide undBienenprodukteRobert Paxton (Tübingen) berichteteüber eine Vorrichtung am Flugloch desBienenstockes, um die Kreuzbestäubungbei den für ihren eigenen Pollen in-kompatiblen Obstsorten zu erhöhen.Dabei kam er auch auf die enormeBestäubungsleistung der Bienen zusprechen.

Peter Fluri wies in seinem Vortag auf dasProblem der hohen Bienenverluste beimMähen von blühenden Wiesen hin. Siekommen aber nur bei modernen Kreisel-mähern mit einem Aufbereiter zur mecha-nischen Nachbearbeitung des Mähguteszustande. Die Diskussion zeigte, das die-ses bisher weitgehend unbeachtete Pro-blem bei den in der EU üblichen grossflä-chigen Kulturen besonders für die Imke-rei in Deutschland, von Bedeutung seinkönnte.

C. Hedtke (Hohen Neudorf) stellte dieNIR-Spektroskopie (Spektroskopie imnahen Infrarot) als zeitsparende und derbisher bevorzugten HPLC (Hochdruck-Flüssig-Chromatographie) ebenbürtigeMethode der Zuckerbestimmung bei der

Honigqualitätskontrolle vor. In ihrem,mit dem Evenius-Preis als bestem stu-dentischen Vortrag prämierten Beitrag,ging Annette Schröder (Hohenheim)ebenfalls auf die Problematik der Ho-nigqualitätskontrolle ein. Sie zeigte, dassder Grenzwert für freie Säuren von 40Milliaequivalent pro kg - er ist extremvon der Honigsorte abhängig - als Gä-rungsanzeiger im Honig nicht auf wis-senschaftlichen Ergebnissen, sondernauf einer überholten Vorstellung derGärungsvorgänge im Honig beruht. ZurBeurteilung der Honigqualität müsstendeshalb spezifischere Messungen fürden Nachweis einer Gärung herangezo-gen werden.

Pflanzenschutz und BioindikatorenIn einer Untersuchung an der UniversitätHohenheim konnte Andrea Schur denindividuellen Wirkstoffeintrag von Pesti-zidrückständen der einzelnen Bienennach der Behandlung von blühendenKulturen messen. Dabei traten grosse in-dividuelle Unterschiede im Pestizidrück-standsgehalt in den Honigmägen auf. Dieindividuell unterschiedliche Magenfül-lung konnte diese Unterschiede nicht er-klären. Auch mehrere Tage nach der Pe-stizidanwendung, sogar nach Regen, tra-ten noch bei einzelnen Sammelbienenerhöhte Rückstände im Honigmagen auf.Es wird ein Austausch mit dem Honig-vorrat im Stock, der auch als Flugprovi-ant dient, und dem neugesammelten Nek-tar vermutet.

In zwei Untersuchungen zur Bienenver-träglichkeit von transgenen Rapssorten,R. Büchler (Kirchhain) und C. Hedtke

(Hohen Neudorf), konnten bisher keinedirekten Bienenschädigungen nachge-wiesen werden. In einem vergleichendenGrosszeltversuch untersuchten Andrea

Schur und Ingo Tornier (Niefern-Öschel-bronn) das Sammelverhalten und den

Page 2: Kurzbericht - Agrarforschung Schweiz - Herzlich … · 377 AGRARForschung Polleneintrag durch Bienen an Novartis BT-Mais (genveränderte schädlingsresi-stente Maissorte) und an einer

AGRARForschung377

Polleneintrag durch Bienen an NovartisBT-Mais (genveränderte schädlingsresi-stente Maissorte) und an einer non-BT-Vergleichssorte. Die Bienen sammeln denPollen, der von den Wind bestäubtenMaisblütenständen in grossen Mengen indie oberen Blattachseln fällt. Maispollenkann durchaus den Hauptanteil im Pol-lenvorrat von Bienenvölkern zur Zeit derMaisblüte ausmachen. Im Verhalten undin der Mortalität der Sammelbienen tra-ten keine Unterschiede auf. Der Gehaltan BT-Toxin (durch gentechnischen Ein-griff von der Pflanze selbst produzierterWirkstoff des Bacillus thuringiensis) imgesammelten Pollen und in den Bienenwird von der Firma Novartis in eigenerRegie noch gemessen und ausgewertet.

Virosen, Amerikanische Faulbrutund VarroaIm Themenbereich der Bienenpathologiebildete die Amerikanische Faulbrut (AFB)zusammen mit der Varroatose und den mitihr einhergehenden viralen Sekundärer-krankungen den Hauptschwerpunkt. Auchin unserer Arbeitsgruppe werden wir unsim neuen Arbeitsprogramm neben derVarroa auch mit der AFB beschäftigen.

Christoph Otten stellte in einer historischepidemiologischen Übersicht die provo-kative Frage: Einmal Faulbrut - immerwieder Faulbrut? Er kam zum Schluss,dass diese bakterielle Infektionskrankeitnicht zufällig wegen einem überall vor-handen Infektionsrisiko auftritt, sonderndass es sich um geographisch und zeit-lich klar umgrenzte Infektionsherde han-delt. Wichtig für die Ausmerzung derKrankheit sind eine konsequente Aufspü-rung und Sanierung der Herde. Zur Früh-erkennung kann die Sporendiagnose imFutter hilfreich sein. Eine Auswertungvon grossen Datensätzen über das Vor-kommen der AFB in Österreich durch H.

Pechacker (Lunz) zeigte nur eine unter-geordnete Rolle der Umweltfaktoren wieWitterung, Klima oder Höhenlage auf dasAuftreten der AFB. Eine epidemiologi-sche Untersuchung durch Otto Boecking

zeigte, dass auch im Iran, wo bisher kei-ne Meldungen vorlagen, das Paenibacil-

lus larvae (der Erreger der AFB) weitverbreitet ist. Die AFB wird in diesemLand durch die Umstellung von der tra-ditionellen Schwarmimkerei in Holzzy-lindern zu modernen Magazinbeuten zu-nehmend ein Problem. Mangelnde Hy-

giene und der Irrglaube, dass die Bienenalte Waben nicht ersetzen können, hat zudieser Situation geführt. Das Auftretender Krankheit wurde aber wegen der weit-verbreiteten prophylaktischen Anwen-dung von Antibiotika gegen die europäi-sche Faulbrut verschleiert.

In der Varroaforschung lag das Schwer-gewicht auf neuen methodischen Ansät-zen, da in der letzten Zeit nur wenige deroffenen Fragen geklärt werden konnten.Stephan Härtel (Halle) stellte molekular-genetische Werkzeuge zum Identifizierenvon quantitativ verhaltensbeeinflussen-den Genen (QTLs) vor. Sie sollen helfen,die für die Parasitentoleranz wichtigen,das Verhalten steuernden Gene der Bie-nenvölker zu identifizieren. Eine Arbeits-gruppe aus Wien (E. Grabensteiner et al.)entwickelte molekularbiologische Nach-weisverfahren für das Sackbrutvirus. Die-ses tritt bei den Bienen oft als Sekundär-infektion bei der Varroatose auf.

K. Bienefeld zeigte die Problematik desVersuchs auf, Bienenvölker auf eine kür-zere Larvalentwicklung hin zu züchten.Dieser Ansatz gilt als vielversprechend,um den Varroamilben die für ihre Ver-mehrung in den Brutzellen zur Verfügungstehende Zeit zu verkürzen. Er konntenachweisen, dass die Parasitierung mitVarroa selbst eine Verlängerung der Lar-valentwicklung bei den befallenen Bie-nen bewirkt. Ausserdem kann ein gros-ser Anteil der parasitierten Jungbienensich nicht selbstständig aus den Zellenbefreien, was den Milben bis zum Aus-räumen der Zellen durch Bienen imSchnitt einen zusätzlichen Tag in der ver-deckelten Zelle beschert.

In dieser Themengruppe stellten wir un-seren Ansatz vor, die olfaktorische Wirts-findung der Varroa durch die Kombina-tion von elektrophysiologischen Ablei-tungen an den Sensillen der Vorderbeineund einem Verhaltenstest zum Absteigenvon den Bienen auf die Brut zu untersu-chen.

C. Schlenke (Kirchhain) präsentierte sei-ne Erfahrungen mit der Felderprobung ei-nes Tests zur Ermittlung der Resistenz vonVarroamilben gegen Bayvarol. Er plantedie Versuche mit der Unterstützung desZentrums für Bienenforschung und führ-te sie bei schweizerischen Imkern durch.

Der Test erwies sich als feldtauglich, stelltaber einige Anforderungen an den Prakti-ker bei der Bereitstellung von genügendTestmilben. Diese werden durch Bestreu-en eines Kunstschwarms mit Puderzuckerund anschliessendem Auffangen der her-unterfallenden Milben gewonnen.

B. Polaczek (Berlin) fand heraus, dassdiploide Drohnenlarven1 eine sehr starkanziehende Wirkung auf Varroa ausüben.Die chemische Zusammensetzung vonOberflächenextrakten dieser Larven zeig-te keine qualitativen, wohl aber quanti-tative Unterschiede im Mischungsver-hältnis Komponenten zu denen von nor-malen haploiden Drohnenlarven.

Für Wurmfarn konnte keinerlei varroazi-de Wirkung nachgewiesen werden (J.

Radtke, Hohen Neudorf), wie dies in Im-kerkreisen verschiedentlich behauptetwurde.

Ausfliegende Sammelbienen tragen mehrVarroamilben auf sich als die Rückkehr-erinnen in den Stock (C. Kutscher, Ober-ursel). Es ist aber unwahrscheinlich, dassdie Bienen ihre Parasitenlast beim Sam-melflug loswerden können. Eher ist derEffekt darauf zurückzuführen, dass beiden befallenen Sammelbienen höhereVerluste auftreten. Trotzdem könnten sichdie Bienenvölker auf diesem Weg einesTeils ihrer Parasitenlast entledigen.

1 Bei den Bienen entstehen aus unbefruchteten Eiern Droh-nen mit einem einfachen (haploiden) Chromosomensatz.Befruchtete Eier mit zwei (diploid) im geschlechtsbestim-menden Chromosom unterschiedlichen Chromosomensät-zen ergeben Weibchen. In Inzuchtlinien mit zwei im ge-schlechtsbestimmenden Chromosom identischen Chromo-somensätzen können auch diploide Drohnen auftreten.