KVJS aktuell - Ausgabe 3/2015 · 26 Nestflüchter wider Willen 28 Fachtag rückt Flüchtlingskinder...

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3/2015 KVJS aktuell Jugend Nestflüchter wider Willen Seite 26 KVJS KVJS bietet neue berufs- begleitende Ausbildung zur WfbM-Fachkraft Seite 4 Soziales Wenn Teilkasko in der Pflege nicht mehr reicht Seite 10 Integration Michael Dittrich bleibt am Ball Seite 15

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KVJSaktuellJugend

Nestflüchter wider WillenSeite 26

KVJSKVJS bietet neue berufs-begleitende Ausbildung zur WfbM-FachkraftSeite 4

SozialesWenn Teilkasko in der Pflege nicht mehr reichtSeite 10

IntegrationMichael Dittrich bleibt am Ball Seite 15

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KVJS

InhaltsverzeichnisKVJS 3 Integrationsfirma Insiva optimiert gastronomisches Angebot

4 KVJS bietet neue berufsbegleitende Ausbildung zur WfbM-Fachkraft

5 Fünf Jahre Natur- und Erlebnispädagogik auf Schloss Flehingen

6 Richtfest für das Wohn.Haus in Heidenheim

6 Rumänien zu Gast beim KVJS

7 Ungewöhnliche Kindergeburtstage in Rappertshofen

8 Neues Bündnis für junge Menschen

8 Selbstbestimmt leben in ambulant betreuten Wohngemeinschaften

Soziales 9 Kabinett beschließt Aktionsplan zur UN-Behindertenrechtskonvention

10 Wenn Teilkasko in der Pflege nicht mehr reicht

12 Inklusion im internationalen Vergleich

13 Fachtag Querschnittsarbeit: das Ehrenamt in der rechtlichen Betreuung

14 Rollator aus dem Baumarkt

Integration 15 Michael Dittrich bleibt am Ball

17 Soziales Lernen als Nebeneffekt

18 Integrationsfachdienste (IFD) helfen bei seelischer Behinderung

19 750 Teilnehmer beim Landespsychiatrietag

20 Innovationpreis für Bruchsaler Werkstätten

21 Großer Andrang bei der REHAB

Jugend 22 Die Zukunft der Jugend im Blick

24 Ausstellung zum Heimalltag zwischen 1949 und 1975

26 Nestflüchter wider Willen

28 Fachtag rückt Flüchtlingskinder in den Fokus

Fortbildung 29 Werkstätten: Ohne Fachausschuss geht es nicht!

29 Arbeitstagung zur Eingliederungshilfe

Neu erschienen 30 Beim KVJS erschienen

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Qualität misst sich am ServiceIntegrationsfirma Insiva optimiert gastronomisches Angebot

Gutes Essen, guter Service – zufriedene Gäste: Der KVJS will in seinen Tagungs-, Aus- und Wei-terbildungseinrichtungen mit gutem gastronomischem Angebot punkten. Dazu hat die Ver-bandsleitung eine Vereinbarung getroffen mit seinen beiden Tagungshäusern und dem Dienst-leister Insiva.

„Die Gäste sollen immer wieder positiv überrascht werden, wenn sie in unseren Häusern Tagungen besuchen“, sagt Dieter Steck, der zuständige Dezernent und stell-vertretende Verbandsdirektor des KVJS. Die Insiva wickelt bereits seit längerem den Service im Auftrag des KVJS ab. Um-fragen unter Tagungsgästen haben erge-ben, dass diese vor allem frische Produk-te sowie Wahlmöglichkeiten zum Beispiel für Vegetarier wünschen. Diese Aspekte und ein insgesamt hochwertiges Angebot sind nun Teil der Qualitätsvereinbarung, auf die sich der KVJS, die verbandseigenen Häuser und der Anbieter Insiva verstän-digt haben. Informationen zu Angebo-ten, Erklärungen von Allergenen sowie ein übersichtliches Leitsystem und Auszeich-nung der Produkte sollen den Kunden die Essenspausen erleichtern. Zudem soll das Essen jeweils auf die Zielgruppen ange-passt und Sonderwünsche von Allergikern oder Vegetariern ausreichend berücksich-tigt werden.

„Besonderen Wert legen wir auf frisch zu-bereitete Speisen mit wenig Zusatzstof-fen“, sagt Insiva Geschäftsführer Joachim Kiefer. Der Einkauf erfolgt nach festgele-genen Standards bevorzugt bei regiona-len Lieferanten. „Verzichtet werden soll dagegen auf Tiefkühlgerichte, Gemüse-konserven, Fertigdressings und kaltge-rührte Päckchendesserts. Weitere Verein-

barungen betreffen die Sauberkeit, den Service und ein funktionieren-des Qualitätsmanage-ment.

Die Insiva ist ein Integ-rationsunternehmen, das verstärkt Menschen mit Behinderungen be-schäftigt. Sie hat ih-ren Sitz in Tübingen. Gesellschafter ist die gemeinnützige LWV.Eingliederungshilfe GmbH. rei

Bei der Unterzeichnung der gemeinsamen Vereinbarung: (von links): Klaus Boch (Fachschulen Flehingen), Verbandsdirektor Prof. Roland Klinger, Joachim Kiefer und Robert Berres (Tagungszentrum Gültstein). Foto: Reisinger

Zwei Mitarbeiterinnen im Service der Insiva.Foto: Insiva

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Auch Ethik und Kommunikation sind Lehrstoff KVJS bietet neue berufsbegleitende Ausbildung zur WfbM-Fachkraft

Das KVJS-Bildungszentrum Schloss Flehingen startet am 7. Oktober einen neuen Lehrgang. Er qualifiziert Fachkräfte für die pädagogische Arbeit in Werkstätten für Menschen mit Behinde-rungen (WfbM).

Der 16-monatige Lehrgang in Oberder-dingen (Kreis Karlsruhe) ist berufsbeglei-tend und umfasst 800 Unterrichtsstunden. Gelehrt werden die Grundlagen beruf-licher Bildung, Pädagogik und Heilpäda-gogik. Auch Didaktik, Medizin und Rechts-kenntnisse stehen auf dem Programm. Über dieses bundeseinheitliche Curri-culum hinaus bietet das KVJS-Bildungs-zentrum zusätzliche Kenntnisse in Ethik, Gesprächsführung sowie Freizeit- und Er-lebnispädagogik.

„Die Ausbildung richtet sich an Frau-en und Männer, die Menschen mit Be-hinderung unterstützen und begleiten möchten. Sie erlernen das notwendige berufliche Wissen, um mit inklusiven Maß-nahmen kompetent zu helfen und Men-schen mit Behinderung auf den ersten Ar-beitsmarkt zu vermitteln“, sagt der Leiter des Bildungszentrums Klaus Boch.

Der berufsbegleitende Unterricht beginnt am 7. Oktober und erfolgt an jedem zwei-ten Montag und Dienstag sowie in fünf Blockwochen.

Das KVJS-Bildungszentrum hat mehr als 30 Jahre Erfahrung in der berufsbegleiten-den Ausbildung. „Unsere Lehrkräfte sind ausgewiesene Fachleute, zum Beispiel Pä-dagogen, Psychologen, Ärzte oder Juris-ten“, berichtet Boch. „Sie kennen die ak-tuellen Entwicklungen aus ihrem eigenen Berufsalltag.“ Zudem bietet Schloss Fle-hingen freundliche Unterrichtsräume mit moderner Unterrichts- und Medientech-nik. „Die zukünftigen Fachkräfte werden optimal auf ihre Aufgabe vorbereitet.“

Voraussetzung für die Aufnahme der Ausbildung sind mindestens zwei Jah-re Berufspraxis in einem anerkannten Ausbildungsberuf oder sechs Jahre Be-rufserfahrung im Umfeld von Werkstätten für Menschen mit Behinderung oder der Arbeits- und Berufsförderung. syr

Info

Lehrgang Geprüfte Fachkraft zur Arbeits- und Berufsförderung in Werkstätten für Menschen mit Behinderung (gFAB)

Beginn: 7. Oktober 2015Interessierte können sich ganzjährig bewerben.

Ihre Ansprechpartnerin Dorsy SchwedesGochsheimer Straße 1975038 OberderdingenTelefon 07258 [email protected]/fachschulen/lehrgang-arbeits-und-berufsfoerderung-wfbm.html

In der WfbM arbeiten Menschen mit Behinderung. Foto: Kleusch

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Lernen im Grünen Fünf Jahre Natur- und Erlebnispädagogik auf Schloss Flehingen

Seit Juli 2010 können ausgebildete Erziehende am KVJS-Bildungszentrum Schloss Flehingen eine erlebnispädagogische Zusatzqualifikation erwerben. Das Angebot befähigt sie, naturnahe Aktivitäten in ihrem pädagogischen Alltag anzubieten.

„Die Qualifikation ist ein niederschwelli-ges Angebot für Leute, die ihr Interesse für Natur und Outdoor-Aktivitäten mit Päda-gogik verbinden möchten“, sagt der Leiter des KVJS-Bildungszentrums Klaus Boch. In fünf Jahren schlossen über 50 Frauen und Männer den berufsbegleitenden Lehr-gang mit einem Zertifikat ab. Sie lernten, Kinder und Jugendliche ohne Vorkennt-nisse mit einfachen Mitteln an die Natur heranzuführen, etwa mit einer Slackline oder einem Kanu. Rund 30 Unterrichts-tage bietet die Qualifikation verteilt über eineinhalb Jahre.

Das Flehinger Konzept orientiert sich an den reformpädagogischen Ansätzen von Kurt Hahn und setzt auf Natur- und Erleb-nispädagogik in der näheren Umgebung. Das Bildungszentrum im Kreis Karlsruhe und seine Partner haben den Lehrgang gemeinsam entwickelt und schreiben ihn nach modernen pädagogischen Erkennt-nissen fort. Die Partner sind die Katholi-sche Jugendfürsorge der Diözese Augs-burg e. V. und die Arbeitsgemeinschaft katholischer Einrichtungen und Dienste der Erziehungshilfen und Jugendsozialar-beit in der Diözese Augsburg.

Der Lehrgang ist in sieben Blöcke geglie-dert. Drei Dozenten konstruieren mit den Teilnehmenden zum Beispiel im Wald mo-bile Seilaufbauten oder unterweisen sie in Kräuterkunde. Im Herbst bauen sie mit den jungen Frauen und Männern Pfeil und Bogen, im Winter Iglus. Der Sommer

bietet Gelegenheit, die pädagogischen Möglichkeiten einer Höhle zu erkunden, der September bringt einen Kurs, in dem es mit Kanadierbooten den Fluss hinab-geht. Der Abschluss beinhaltet den Topro-pe-Hallenkletterschein des deutschen Al-penvereins. syr

Nah an der Natur. Foto: fotolia

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Richtfest für das Wohn.HausNeues Angebot für Menschen mit Behinderung in Heidenheim entsteht

Mitten in Heidenheim wächst derzeit der Neubau eines Hauses, in dem Menschen mit seeli-scher, geistiger oder körperlicher Behinderung künftig auf ihre Bedürfnisse zugeschnittene As-sistenzangebote erhalten. Mitte Juni wurde Richtfest gefeiert.

Von Stephan Gokeler

In vier Wohnungen werden hier jeweils fünf Menschen in stationär betreuten Haushaltsgemeinschaften zusammenle-ben. Mitarbeiter der LWV.Eingliederungs-hilfe, deren Diensträume außerhalb der Wohnungen im Erdgeschoss des Hauses untergebracht sein werden, gewährleis-ten dann eine aktivierende Grund- und Behandlungspflege. Zugleich sorgen sie für die Voraussetzungen einer möglichst selbstständigen Haushaltsführung der Bewohner und unterstützen diese beim Knüpfen von Kontakten in den umgeben-den Sozialraum.

Im dritten Stockwerk entstehen vier bar-rierefreie Ein-Zimmer-Appartements, de-ren Bewohner ambulante Assistenzleis-

tungen im individuell benötigten Umfang in Anspruch nehmen können. Daneben entsteht auf dieser Etage ein großzügi-ger Raum, der für Aktivitäten im Bereich der Tagesbetreuung oder für Gemein-schaftsveranstaltungen genutzt werden kann. Nicht zu vergessen die Dachterras-se: Sie bietet einen herrlichen Blick über die Stadt.

Organisatorisch wird das Wohn.Haus an die Einrichtung der LWV.Eingliederungshil-fe in Ellwangen angegliedert. Der dortige Rabenhof ist spezialisiert auf die Betreu-ung von Menschen mit psychischer und seelischer Behinderung. Mit der Fertig-stellung sei für Februar oder März 2016 zu rechnen, war auf dem Richtfest zu hören.

Rumänien zu Gast beim KVJSAm 30. April haben elf Experten der Ju-gend- und Sozialhilfe aus Rumänien den KVJS besucht. Sie informierten sich im Rahmen einer einwöchigen Exkursion über die Arbeit des KVJS. Im Mittelpunkt standen dabei verschiedene Themen rund um die Erziehungshilfe und die Jugendbe-rufshilfe in Baden-Württemberg.

Der Kooperationsbesuch diente dem Aus-tausch institutioneller und fachlicher Ent-

wicklungen im Kinderschutz und wurde von der Baden-Württemberg-Stiftung ge-fördert. Auf dem Programm standen Vor-träge rumänischer und deutscher Fach-leute sowie Besuche von Institutionen öffentlicher und freier Träger der Jugend-und Sozialhilfe in der Region Stuttgart. add

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Happy Birthday mit SchafenUngewöhnliche Kindergeburtstage in Rappertshofen

Kindern an ihrem besonderen Tag eine Freude machen? Die LWV.Eingliederungshilfe GmbH in Reutlingen Rappertshofen macht das möglich: Die Einrichtung bietet seit Januar 2012 Kinder-geburtstage mit Schafen, Alpakas und Kaninchen an.

Von Ebru Bardakci

Für einen besonderen Kindergeburtstag stellt die LWV.Eingliederungshilfe GmbH für Gruppen von sechs bis acht Kindern bis zu zehn Jahren in Rappertshofen ein schönes barrierefreies Gelände bereit.

Verschiedene Varianten vom Basis-Paket bis „All inclusive“ können die Eltern für ihre Kinder und deren Gäste buchen. Das „Basis-Paket“ kostet für eine Gruppe 30 Euro. Darin enthalten ist neben einer Be-grüßung, die spielerische Geschenkeüber-gabe, Kennenlernen der Tiere in Rapperts-hofen und die Schatzsuche. Zudem gibt es kostenpflichtige Zusatz-Angebote, wie zum Beispiel die Versorgung der Tiere un-ter Anleitung, die Verarbeitung von Wolle zu Haargummis und Bällen, eine Alpaka-Wanderung mit Picknick oder die kom-plette Verpflegung der Gäste.

Das Besondere an diesem Programm: Menschen mit Behinderungen können sich bei der Vorbereitung und Durchfüh-rung mit einbringen. Zum Beispiel gestal-tet ein Bewohner im „All inclusive“-Paket die Einladungen, ein anderer spielt ein Geburtstagsständchen auf seiner Tuba.

Dem Team um Kathrin Flohr, Heilerzie-hungspflegerin mit Fachweiterbildung Tiergestützte Therapie, ist wichtig, dass Kinder Natur und ökologische Zusam-menhänge erfahren. „Außerdem entde-cken Kinder mit allen Sinnen Neues und stärken ganz nebenbei ihre sozialen Kom-petenzen“, sagt Kathrin Flohr.

Die LWV.Eingliederungshilfe hat bereits mehr als 22 Kindergeburtstage organi-siert. „Einige Kinder haben zu Beginn des Programms großen Respekt vor den Tie-ren gezeigt“ sagt Flohr. „Den konnten wir aber sehr schnell abbauen.“ Die Kindergeburtstage werden ganzjäh-rig, nachmittags ab 14:00 Uhr und etwa für drei Stunden angeboten. Nähere Infor-mationen gibt es unter http://www.lwv-eh.de/rappertshofen/fachdienste/mut.html.

Alpakas warten in Rappertshofen auf Geburtstagskinder.

Schafe zum Anfassen. Fotos: Bardakci

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Neues Bündnis für junge Menschen Um benachteiligte junge Menschen bes-ser zu fördern, wollen die Agentur für Ar-beit, der Städte- und Landkreistag Ba-den-Württemberg und der KVJS enger zusammenarbeiten. Die vier Partner be-gleiten junge Menschen – jeweils mit un-terschiedlichen gesetzlichen Regelungen und Aufträgen. In einem neuen Arbeits-bündnis wollen sie diese Menschen Hand in Hand unterstützen.

Um junge Menschen ganzheitlich zu un-terstützen, setzt das Arbeitsbündnis auf eine verbindliche und strukturierte Ko-operation. Diese soll mit weiteren wich-tigen Partnern verzahnt werden. Dabei soll ein transparenter Überblick über die unterschiedlichen Angebote entstehen.

Der Informationsaustausch zwischen den Partnern soll verbessert sowie Abläufe und Maßnahmen harmonisiert werden. Ziel ist es, den jungen Leuten eine Pers-pektive auf eine Ausbildung und einen Beruf zu eröffnen.

„Der KVJS-Demografiebericht zeigt, wie stark der Anteil Jugendlicher an der Ge-samtbevölkerung in den letzten Jahren gesunken ist. Vor allem in den kommen-den Jahren werden die Betriebe mit ei-nem Fachkräftemangel zu kämpfen ha-ben“, sagt KVJS-Verbandsdirektor Senator e.h. Prof. Roland Klinger. „Je besser die In-stitutionen zusammenarbeiten, desto grö-ßer sind die Chancen, dass keiner zurück-bleibt.“ rei

Selbstbestimmt leben in ambulant betreuten WohngemeinschaftenUnter diesem Titel steht die erste Fachta-gung der Fachstelle ambulant unterstütze Wohnformen (FaWo). Sie findet am Diens-tag, 21. Juli von 10:30 Uhr bis 15:30 Uhr im Tagungsbereich des Kommunalverbandes für Jugend und Soziales (KVJS) in Stuttgart statt.

Viele hilfs- und pflegebedürftige Men-schen wünschen sich Wohn-, Pflege- und Betreuungsformen, die der eigenen Häus-lichkeit nahe kommen und ein selbstbe-stimmtes Leben ermöglichen. Dies gilt sowohl für Menschen mit Behinderung

als auch für ältere Menschen. Die Fach-tagung der FaWo bietet die Möglichkeit, sich umfassend über ambulant betreute Wohngemeinschaften zu informieren. Die Einladung zur Fachtagung richtet sich ins-besondere an Kreise und Kommunen, ört-liche Beratungsstellen, Träger, Initiativen und interessierte Bürgerinnen und Bürger.

Die Teilnahme ist kostenlos. Anmeldungen erbeten per E-Mail an [email protected] oder unter Telefon 0711 6375-360.

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A k t i o n s p l A n d e r l A n d e s r e g i e r u n g z u r u m s e t z u n g d e r

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Was das Land tun willKabinett beschließt Aktionsplan zur UN-Behindertenrechtskonvention

Die Landesregierung hat den Aktionsplan zur Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention in Baden-Württemberg beschlossen. Die liegt nicht allein in Händen der Ministerien: Auch Ar-beitsbereiche des KVJS werden benannt.

Der Aktionsplan stellt nach den Worten von Ministerpräsident Winfried Kretsch-mann eine Selbstverpflichtung dar, wie die Landesregierung die Politik für Men-schen mit Behinderungen voranbringen will. Zur Sprache kommen die Themen „Menschenwürde und Persönlichkeit“, „Bildung, Fort- und Weiterbildung“, „Ge-sundheit“, „Arbeit und Beschäftigung“, „Wohnen“, „Barrierefreiheit“, „Kultur, Frei-zeit, Sport“, „Gesellschaftliche und politi-sche Teilhabe“, „Förderung des Landes“ sowie „Internationale Zusammenarbeit“ und „Evaluation und Weiterentwicklung“.

Dargestellt werden Aufgaben für die Zu-kunft ebenso wie Aspekte, die bereits um-gesetzt werden – auch mithilfe des KVJS und seiner Mitglieder. So werden zum Beispiel die Bemühungen einer Arbeits-gruppe mit Beteiligung des KVJS und Ver-tretern der Betreuungsbehörden und Betreuungsvereine aufgeführt. Sie un-tersuchen Förderrichtlinien in der recht-lichen Betreuung. Ziel ist es, „eine ange-messene Finanzierung der Vereine für die Unterstützung des ehrenamtlichen Enga-gements im Betreuungswesen zu gewähr-leisten und Schwachstellen zu korrigie-ren“.

Im Bereich „Arbeit und Beschäftigung“ wird das KVJS-Spezialheft „Die richtige Einstellung: Perspektiven für junge Men-schen mit Behinderungen im öffentlichen Dienst“ vorgestellt sowie die finanzielle Förderung an schwerbehinderte Arbeit-nehmer und Existenzgründer durch das

KVJS-Integrationsamt. Thematisiert wer-den zudem das KVJS-Modellprojekt „Ak-tion 1000 – Perspektive 2020“, die Förder-programme „Ausbildung inklusiv“ und „Arbeit inklusiv“ und die „Bundesinitiative Inklusion“. Diese Projekte setzt der KVJS um zur Förderung der Teilhabe von Men-

Den Aktionsplan gibt es als Download im Internet auf der Homepage des Sozialministeriums Baden-Württembergs.

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schen mit Behinderungen auf dem allge-meinen Arbeitsmarkt.

Auch die Regionalen Entwicklungskon-ferenzen Dezentralisierung werden be-nannt, die bis Anfang 2016 gemeinsam mit dem KVJS, den Kommunen und Trä-gern stattfinden sollen.

Die Investitionsförderung in der Woh-nungslosenhilfe ist ebenso Teil des Akti-onsplanes: Das Land und der KVJS fördern Investitionen für barrierefreie Neubauten. Die Förderanträge werden im Investitions-ausschuss beraten, in dem neben dem So-

zialministerium und dem KVJS Vertreter der Träger, der Kommunen sowie der be-troffenen Menschen mitarbeiten. Zustän-dige Förderbehörde ist der KVJS.

Der Aktionsplan soll am 26. Oktober bei einem Landesinklusionstag der breiten Öffentlichkeit erläutert und in Fachfo-ren vertieft werden. Die Umsetzung wird durch das Sozialministerium koordiniert. Spätestens nach fünf Jahren soll der Ak-tionsplan durch ein externes, unabhängi-ges Forschungsinstitut evaluiert werden. rei

Wenn Teilkasko in der Pflege nicht mehr reichtDie Pflege stellt die Sozialhilfe vor finanzielle Herausforderungen

Deutschland hat Strukturen, die eine gute Pflege von älteren Menschen gewährleistet. Doch: Was ist der Gesellschaft die Pflege wert und wie soll die wachsende Zahl Pflegebedürftiger ver-sorgt werden?

Laut Statistischem Landesamt waren Ende 2013 in Baden‑Württemberg 298 769 Per-sonen pflegebedürftig. Bis 2030 könnte die Zahl um 43 Prozent steigen, bis 2050 sogar um 91 Prozent. Bisher werden über zwei Drittel der pflegebedürftigen Men-schen ambulant gepflegt. Durch die stei-gende Zahl an hochaltrigen und pflege-bedürftigen Menschen nimmt aber auch die Zahl der Heimbewohner zu.

Als überörtlicher Sozialhilfeträger und Dienstleister für die 44 Stadt- und Land-kreise in Baden-Württemberg ist der KVJS maßgeblich an der Sozialhilfe- und Teil-habeplanung beteiligt: Die KVJS-Bericht-

erstattung zu den Hilfen zur Pflege zeigt, dass immer mehr Menschen für die Pflege auf Leistungen der Stadt- und Landkreise angewiesen sind. Obwohl die Leistungen der gesetzlichen Pflegeversicherung um vier Prozent gestiegen sind, ist in Baden-Württemberg die Versorgungslücke grö-ßer geworden: Denn die Kosten der Pflege steigen stärker als die Leistungen der Ver-sicherung.

Laut KVJS-Berichterstattung gewährten die Stadt- und Landkreise in Baden-Würt-temberg Ende 2013 insgesamt 36 845 Leistungsempfängern Hilfe zur Pflege. Sie zahlten dafür 401,29 Millionen Euro. Bei ei-

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nem Drittel der Menschen waren die eige-nen Einnahmen so gering, dass sie nicht ausreichten, um ihren Lebensunterhalt zu decken. Sie erhielten zusätzlich Grund-sicherung. Zusammen betrugen die Auf-wendungen für die Kreise 448 Millionen Euro.

Insgesamt werden die Ausgaben wei-ter steigen, da die Zahl der pflegebedürf-tigen Personen zunimmt. „Der Umfang hängt davon ab, wie sich die Pflegever-sicherung entwickelt, ob der hohe An-teil der häuslichen Pflege bestehen bleibt oder ob alternative Versorgungsformen entstehen, die weniger Kosten verursa-chen“, sagt KVJS-Verbandsdirektor Sena-tor e.h. Prof. Roland Klinger.

Herausforderungen für die Zukunft

„Pflege und Betreuung muss ein höchst-mögliches Maß an Menschenwürde auch

im Pflegefall gewährleisten. Dafür braucht es gute Rahmenbedingungen und gut ausgebildetes Personal.“ Die Qualität der Pflege in Baden-Württemberg ist im Ver-gleich der Bundesländer auf einer Spit-zenposition. Die Leistungserbringer in der stationären Altenpflege haben den aktu-ellen Rahmenvertrag zur Stationären Al-tenpflege zu Ende 2016 gekündigt und fordern weitere Verbesserungen in der Pflege. Davon wird es abhängen, ob die derzeitige Sozialhilfequote von 28,6 Pro-zent in Heimen weiter steigen wird.

„Die Pflege in Heimen muss bezahlbar bleiben und gleichzeitig müssen die ak-tuellen Herausforderungen und Entwick-lungen aufgegriffen werden“, sagt Klinger. „Der Rahmenvertrag Heimpflege muss künftig anstelle von pauschalen Erhöhun-gen der Leistungen strukturelle Qualitäts-verbesserungen in den Blick nehmen und Transparenz schaffen.“ rei

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Nettoaufwand in Millionen Nettoaufwand pro Einwohner© KVJS 2015

Nettoaufwand in Baden-Württemberg für Leistungen an Empfänger von vollstationärer Hilfe zur Pflege. Quelle: Erhebung des KVJS „Hilfe zur Pflege 2001 – 2013“ (Download unter www.kvjs.de). Bevölkerungssta-tistik des Statistischen Landesamts Baden-Württemberg.

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Inklusion im internationalen Vergleich Sozialdezernenten im fachlichen Austausch mit Wiener Kollegen

Wie lebt ein Inklusives Dorf? Wie holt man die Jugend von der Straße? Sozialdezernenten aus den Stadt- und Landkreisen in Baden-Württemberg haben in Wien über aktuelle Entwicklun-gen diskutiert und sich Impulse für Ihre Arbeit geholt.

„Wenn wir von Inklusion sprechen, dann schauen wir nicht nur auf Menschen mit Behinderungen, sondern auf alle Men-schen: auf Jung und Alt, Arm und Reich, In- und Ausländer, Menschen mit und ohne Behinderungen“: Im Wiener Neu-dorf wird Inklusion weiter gefasst und seit Jahren erfolgreich gelebt. Wie es funktio-nieren kann, haben Projektbeteiligte vor Ort anschaulich dargestellt. Die Inklusion funktioniert. Doch zeigte sich im Gespräch mit den Kollegen aus dem Nachbarland, dass es in Österreich zwar einige innova-tive Projekte gibt, die strukturelle Einbin-dung in das System jedoch oft nicht mit Deutschland mithalten kann.

So entstanden aufschlussreiche Diskussi-onen im Erfahrungsaustausch untereinan-der. Auf der Agenda standen neben dem Inklusions-Projekt der Besuch eines nie-derschwelligen Jugendhilfeprojekts und der Fachstelle für Wohnungssicherung für benachteiligte Menschen.

„Die Rückmeldung der Kollegen war äu-ßerst positiv und wir konnten einige Im-pulse für unsere Arbeit in Deutschland mitnehmen“, sagt KVJS-Sozialdezernent Franz Schmeller. „Wir werden auch künftig im engen Austausch mit unseren Europäi-schen Nachbarn bleiben, weil wir ähnliche Problemlagen haben und voneinander profitieren können.“ rei

Der Stellvertretende Verbandsdirektor Dieter Steck (2. Von links) mit Sozialdezernenten bei der UNO in Wien. Foto: Reisinger

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Sparen oder stärken? Fachtag Querschnittsarbeit: das Ehrenamt in der rechtlichen Betreuung

Hat das Ehrenamt eine Zukunft im Betreuungswesen? Wird die Arbeit der Freiwilligen genug gewürdigt? Oder scheitert die Anwerbung und Schulung von Ehrenamtlichen eines Tages an den Sparzwängen der öffentlichen Hand? Am 15. Juli diskutiert Prof. Heribert Prantl von der Süddeutschen Zeitung auf dem KVJS-Fachtag Querschnittsarbeit in Stuttgart mit mehr als 100 Fachleuten.

Prantl, Mitglied der Chefredaktion, stellt seine Überzeugungen zur Weiterentwick-lung des Betreuungsrechts am Vormittag vor. Am Nachmittag reflektiert Prof. Paul-Stefan Roß von der Dualen Hochschu-le Stuttgart die Ergebnisse der KVJS-For-schung zum Betreuungswesen.

Rund 111 000 Frauen und Männer können in Baden-Württemberg wegen Krankheit, Behinderung oder Altersdemenz ihren All-tag nicht selbst bewältigen. Rechtliche Be-treuer entscheiden dann im Namen der Betreuten, was zu tun ist – in welchen Be-reichen, legt das Betreuungsgericht fest. Leitgedanke ist stets das Wohl der Be-treuungsbedürftigen. Zum Beispiel un-terschreiben rechtliche Betreuer im Na-men ihrer Betreuten Verträge, erledigen ihre Geldgeschäfte, entscheiden über den Wohnort oder über Therapien.

Der KVJS ist die überörtliche Betreuungs-behörde. Sie ist unter anderem zuständig

für die Anerkennung und Förderung von Betreuungsvereinen, berät Fachleute, er-stellt mit Partnern die baden-württem-bergische Betreuungsstatistik und bietet Fortbildungen. syr

Info

Das Tagungsprogramm finden Sie im Internet unter www.kvjs.de/nc/service/detailansicht/article/sparen-oder-staerken.html

Lesen Sie mehr über die überörtliche Betreuungsbehörde und die KVJS-Forschung zum Ehrenamt in der rechtlichen Betreuung:www.kvjs.de/soziales/service-betreuungsrecht.html

Füreinander da sein. Foto: fotolia, Weseetheworld

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Serie Werkstatt Wohnen

Rollator aus dem BaumarktHandelsketten locken mit günstigen Angeboten

Senioren-Handys vom Discounter, Rollatoren vom Baumarkt, Badewannenlifte aus dem Inter-net – Einkaufsparadiese bieten ihrer älter werdenden Kundschaft zunehmend seniorengerech-te Produkte. Die Preise purzeln und machen die Waren für Einkommensschwächere erschwing-lich. Die Schnäppchen sind nicht immer ein Gewinn.

Herstellerunabhängige Wohnberatungs-stellen wie die KVJS-Werkstatt Wohnen kennen die Haken. „Es gibt durchaus Qua-lität zum günstigen Preis“, sagt KVJS-Ar-chitekt und KVJS-Wohnberater Micha-el Gärtner. „Doch wo der Preis niedrig ist, müssen Einschränkungen in Kauf genom-men werden.“ Kaufwillige müssen in Dis-countern und Baumärkten zum Beispiel auf Beratung verzichten.

„Entscheidungskriterium, sich im Bau-markt umzuschauen, kann sein, ob je-mand sich die notwendigen Informatio-nen selbst beschaffen kann“, empfiehlt Anja Schwarz vom Deutschen Roten Kreuz Stuttgart und Wohnberaterin in der KVJS-

Werkstatt. Es gäbe verschiedene Bereifun-gen, Bremsen, Klapp-Eigenschaften sowie Radstände, Rückenlehnen oder Sonder-zubehör, die zu einzelnen Kaufwilligen passen sollten. Zudem sollten Baumarkt-Kunden einen Rollator selbst zusammen-bauen können.

Wer nicht alle Informationen im Inter-net zusammensuchen wolle, sollte ein Sa-nitätshaus aufsuchen, rät Schwarz. Dort gibt es auch Antwort auf die Frage, wel-che Modelle von den Krankenkassen be-zuschusst oder übernommen werden. Die Sanitätshäuser passen die Gehhilfe an alle Einzelnen an und weisen sie in die Benut-zung des Rollators ein. „Ohne Anpassun-gen besteht die Gefahr der Fehlnutzung.“

„Je komplexer das Hilfsmittel, desto eher braucht es Beratung“, fasst Gärtner zu-sammen. Dringend raten die Wohn-Fach-leute davon ab, einen Treppenlift im Bau-markt oder im Internet zu erstehen. Vor dem Kauf müssten bauliche Fragen beant-wortet sein, etwa, ob der Lift innen- oder außenläufig zu montieren ist. Außerdem seien Bau- und Brandschutzvorschriften zu beachten. Ein Treppenhaus müsse auch mit Lift als Fluchtweg geeignet sein.

Fazit: Der Leiter der KVJS-Werkstatt Woh-nen Werner Stocker sieht durchaus Spar-chancen. Aber: „Wir raten zur Vorsicht.“ syr

In Amerika ist es gang und gäbe, Rollatoren im Discounter zu kaufen. In Deutschland wächst der Markt. Foto: Rizvi

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Integration

Michael Dittrich bleibt am BallKVJS-Integrationsamt fördert Sportreporter

Michael Dittrich ist Sportreporter beim SWR. Er moderierte unter anderem die Reihe „Sport im Dritten“. Eine Nervenkrankheit legte erst seine Beine, dann seine Arme lahm. Kein Grund für den Journalisten, die Arbeit einzustellen.

„Ich habe das Glück, dass ich genau das machen kann, machen darf, was ich gern mache“, sagt Michael Dittrich. Auch wenn er seine Arbeit mittlerweile zum großen Teil von einem Pflegebett aus erledigt. Denn 1993 zeigten sich die ersten Symp-tome einer Erkrankung, die von den Ärz-ten als „chronische Entzündung im zen-tralen Nervensystem“ beschrieben wird. Wohl eine besondere Form der Multip-len Sklerose. Sie brachte den 1,93-Meter-Mann zunächst ins Stolpern, dann stellten sich ein dauerndes Gefühl von Muskelka-ter und Schwindel ein.

Langer Weg zur Diagnose

Bis zu einer Diagnose war es ein lan-ger Weg für den sportlich aktiven Jour-nalisten, der zunächst versuchte, sei-ne Krankheit zu verdrängen. Als „eitler Fernsehmoderator“, wie er sich selbstiro-nisch bezeichnet, „sollte man nicht unbe-dingt sehen, dass der kaum in den Sen-der kommt.“ Irgendwann konnte er der Tatsache, dass ihn seine Beine nicht mehr gehorchten, nicht mehr davonlaufen: „Es war eine Erleichterung, zum ersten Mal im Rollstuhl in den Sender zu kommen.“ Kein Versteckspiel mehr.

Dreharbeiten zur autobiographischen Dokumentation „Reine Nervensache“. Foto: SWR

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KVJS3/2015 aktuell

Integration

Der SWR hielt dem Moderator und Filme-macher den Rücken frei. Unterstützung kam auch vom Personalrat, der Schwerbe-hindertenvertretung – und den Kollegen. Im Baden-Badener Funkhaus wurde eine Rollstuhlrampe eingebaut. Das KVJS-Inte-grationsamt gab 2005 Zuschüsse für einen Aufzug im Funkgebäude und für eine As-sistenzkraft für Michael Dittrichs Dienstrei-sen. Denn nach wie vor berichtete er von Europa- und Weltmeisterschaften, Olym-pia und was das Sportfreunde-Herz sonst noch höher schlagen lässt.

Wenig später ließ auch die Kontrolle über Hände und Arme nach und hörte irgend-wann ganz auf. „Der Kopf funktioniert. Zu-mindest noch“, sagt Dittrich. Aufgeben? Nein, danke! Dittrichs Devise: „Das Leben leicht leben, wenn´s auch schwerfällt.“ Er hat sich einen Sinn für „die kleinen Freu-

den“ bewahrt, wie er es nennt: „Ein Es-presso, ein schönes Glas Wein, ein gutes Fußballspiel …“. Er arbeitet weiter, mitt-lerweile halbtags, und er plant weiter. Das KVJS-Integrationsamt fördert die nötige Arbeitsassistenz und Technik. Der Techni-sche Beratungsdienst empfahl ein Sprach-eingabesystem, mit dem der Journalist seinen Computer und den Fernseher am heimischen Arbeitsplatz bedienen kann.

Aktuell hat Dittrich eine Dokumentation über Boris Becker und seinen Wimbledon-Sieg vor 30 Jahre fertig gestellt, der am 4. Juli in der ARD-Sportschau zu sehen sein wird. Außerdem erscheint im August sein neuestes Buch: „Mensch Thines. Ein Leben rund um den Betzenberg.“ Die Biographie des ehemaligen Präsidenten des 1. FC Kai-serslautern Norbert Thines. Michael Dit-trich wird weiter am Ball bleiben. mok

Info

Film-Tipp: „Reine Nervensache“

„Du kannst anderen Mut machen“, sagte die SWR-Fernsehdirektorin, die Michael Dittrich dazu brachte, eine autobiographische Dokumentation zu drehen. „Reine Ner-vensache“ heißt der Film von, mit und über Dittrich. Er steht noch bis Januar 2016 in der Mediathek des SWR zur Verfügung:

http://swrmediathek.de/player.htm?show=1c570340-9aff-11e4-a5cd-0026b975f2e6oder einfach bei „Suche“ den Filmtitel eingeben.

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KVJS 3/2015aktuell

Integration

Serie: Ausgezeichnet!

Soziales Lernen als NebeneffektKVJS ehrt beispielhaft behindertenfreundlichen Arbeitgeber

Die Hymer-Leichtmetallbau GmbH & Co. KG aus Wangen schwört auf die Zusammenarbeit mit dem Integrationsfachdienst (IFD). Rund zwei Drittel der vom IFD vermittelten Praktikanten hat die Firma fest angestellt.

„Wir hatten schon immer schwerbehin-derte Mitarbeiter“, sagt Joachim Waizen-egger, Personalleiter von Hymer-Leicht-metallbau. Von den 260 Beschäftigten des Wangener Mittelständlers haben 15 den Schwerbehindertenausweis. Das ist ei-ner der Gründe, warum der KVJS das Un-ternehmen als beispielhaft behinderten-freundlich auszeichnete.

Hymer-Leichtmetallbau produziert als re-nommierter Steigtechnikhersteller und Automotive-Zulieferer eine Vielzahl unter-schiedlichster Leitern, Fahrgerüste und Ar-beitsbühnen aus Aluminium sowie Fens-ter, Türen, Klappen und vieles mehr für die Reisemobilindustrie.

Dabei fallen nicht nur anspruchsvolle Ar-beiten sondern auch Routineaufgaben an, die nicht unbedingt nach hochbezahlten Fachkräften verlangen. Warum also nicht einen Mitarbeiter mit geistiger Behinde-rung dafür einsetzen?

„Die Initiative ging vor allem vom Integ-rationsfachdienst und den Oberschwä-bischen Werkstätten aus“, erklärt Perso-nalleiter Waizenegger. Die Einrichtungen suchten Praktikumsplätze für Menschen mit Behinderung. Und die Praktikanten konnten überzeugen. Waizenegger: „Wir haben mittlerweile etwa zwei Drittel da-von fest angestellt. So ein Praktikum ist sehr wichtig, auch für Kollegen und Vor-gesetzte, um einen potentiellen Mitar-

beiter und seine Fä-higkeiten kennen zu lernen.“ Das Prakti-kumsangebot und die gute Zusammen-arbeit mit Integrati-onsfachdienst und Oberschwäbischen Werkstätten war für die Jury des KVJS ein weiterer Grund, Hy-mer-Leichtmetallbau auszuzeichnen.

Im täglichen Betrieb bei Hymer-Leichtme-tallbau stecken die Beschäftigten mit Be-hinderung beispielsweise Metallteile zu-sammen, verpressen Metallscharniere oder packen angelieferte Aluminiumpro-file aus und übernehmen dabei auch die Sichtprüfung. „Sie machen das gleichmä-ßig und zuverlässig wie ein Uhrwerk“, sagt Joachim Waizenegger. „Allerdings bedarf es bei dem einen oder anderen teils auch häufig wiederholter Erklärungen, was ge-nau er zu tun hat. Andere habe ein ho-hes Mitteilungsbedürfnis, dass es irgend-wann zu bremsen gilt.“ Für den erhöhten Betreuungsaufwand zahlt das KVJS-Inte-grationsamt Zuschüsse. Joachim Waizen-egger sieht noch einen weiteren Vorteil in der Beschäftigung behinderter Menschen: „Ein wichtiger Nebeneffekt ist für uns das soziale Lernen durch den Umgang und die Zusammenarbeit mit benachteiligten Personen.“ mok

Zuverlässig wie ein Uhrwerk: Mitarbeiter bei Hymer. Foto: Hymer

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KVJS3/2015 aktuell

Integration

„Nicht glauben, man müsse es allein hinkriegen“Integrationsfachdienste (IFD) helfen bei seelischer Behinderung im Arbeits-leben

Menschen mit seelischer Behinderung machen rund 30 Prozent der IFD-Klienten aus: 2014 be-kamen landesweit 2 678 von ihnen Unterstützung durch die Integrationsfachdienste. Ein Ge-spräch mit Jens Christian Müller, Teamleiter des IFD Stuttgart, über die Situation von Menschen mit seelischer Behinderung im Arbeitsleben.

Herr Müller, Was kann man tun, wenn ein Mitarbeiter oder Kollege beginnt, sich be-fremdlich zu verhalten?

Müller: Mit dem Betroffenen reden. Da-für sucht man am besten jemanden mit einem guten Draht zu ihm aus. Das muss nicht unbedingt der Vorgesetzte sein. Man sollte neutral sagen: Mir ist das und das Verhalten aufgefallen. Wenn das Pro-blem bleibt oder sich verstärkt: Hilfe ho-len – also den Integrationsfachdienst. Und nicht glauben, man müsse es allein hin-kriegen.

Gibt es eine Standardsituation, in der der IDF zum ersten Mal gerufen wird, wenn es um psychisch kranke Mitarbeiter geht?

Häufig sind Leistungsschwierigkeiten oder ein auffälliges Sozialverhalten bei einem Mitarbeiter der Grund, sich an den Inte-grationsfachdienst zu wenden. Oder es sind verunsicherte Wieder-Einsteiger nach einer Krankheitsphase.

Wie kann der IFD Beschäftigte mit seelischer Behinderung unterstützen?

Wir klären mit dem Betroffenen, wo er Probleme hat. Manchmal genügt es bei-spielsweise, klar zu machen, das der Kolle-ge, der einen nicht gegrüßt hat, das nicht unbedingt in feindlicher Absicht getan hat, sondern weil er den Betroffenen nicht gesehen hat. Die Klienten müssen die Be-

reitschaft erkennen lassen, auch selbst et-was zu tun, ihre eigene Haltung überden-ken. Wenn nötig, empfehlen wir auch, einen Arzt oder eine Beratungsstelle auf-zusuchen. Gemeinsam mit dem Arbeitge-ber und dem Klienten überlegen wir, ob man am Arbeitsplatz etwas ändern soll-te. Zum Beispiel, dass ein sehr gehemmter Klient an einen Platz gesetzt wird, an dem er keinen Kundenkontakt hat.

Wie reagieren Kollegen und Vorgesetzte, wenn jemand aus der Rolle fällt?

Sehr unterschiedlich. Wenn das Umfeld wohlwollend und belastbar ist, kann ein Arbeitsverhältnis lange gut gehen. Aber wenn alle am Anschlag arbeiten, wird es schwierig. Wir informieren Kollegen und Vorgesetzte darüber, wie sich die Krank-heit auswirkt. So wirken manche Verhal-tensweisen weniger befremdlich. Wir werden auch immer wieder für Betriebs-versammlungen angefragt, um über psy-chische Krankheiten aufzuklären. Unsi-cherheit und Informationsbedarf sind groß.

Wie häufig kann der IFD das Arbeitsver-hältnis von seelisch behinderten Menschen tatsächlich sichern?

In den letzten drei Jahren konnte der IFD Stuttgart zwischen 83 und 86 Prozent der Fälle das Arbeitsverhältnis stabilisieren. Die landesweiten Zahlen sind ähnlich.

Jens Christian Müller leitet den Stuttgarter Integrations-fachdienst. Foto: Kleusch

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KVJS 3/2015aktuell

Integration

Findet ein arbeitsloser Mensch mit seeli-scher Behinderung mit Ihrer Hilfe einen neuen Job?

Der IFD vermittelt hauptsächlich seelisch behinderte Menschen aus der Werkstatt. Hier sind die längeren Erprobungszei-ten in Praktika von Vorteil. Der Arbeitge-ber weiß dann ziemlich genau, worauf er sich einlässt. Für die Betroffenen, die teil-

weise sehr qualifiziert sind, bedeutet das, sich mit dem eigenen Lebensentwurf aus-einanderzusetzen. Wenn eine ehemali-ge Führungskraft mit 70-Stunden-Wo-che zum Beispiel damit zurecht kommen muss, künftig deutlich weniger zu verdie-nen und dafür mehr Zeit zu haben – die gefüllt werden muss.

Das Interview führte Monika Kleusch

Info

Wenn Kollegen plötzlich „seltsam“ werden

Das KVJS-Integrationsamt bietet in seinem Fortbildungsprogramm ein Seminar zum Thema „Psychisch krank – Auffälliges Verhalten am Arbeitsplatz“ an. Für den nächsten Termin am 23. November 2015 gibt es noch Restplätze. Weitere Termine 2016.Mehr Informationen unter:www.kvjs.de/fortbildung/behinderung-und-beruf.html

750 Teilnehmer beim Landespsychiatrietag Unter dem Titel „Verrücktes Gesundheits-wesen. Was macht mich gesund? Was macht mich krank?“ fand am 27. Juni 2014 der vierte Landespsychiatrietag in Stutt-gart statt. Der im Auftrag des KVJS arbei-tende Integrationsfachdienst Stuttgart war an einem der Fachforen beteiligt. Ne-ben Fachleuten waren rund 200 Betroffe-ne sowie Angehörige zu dem eintägigen Kongress gekommen.

„Die zunehmende Inanspruchnahme psy-chiatrischer Gesundheitsleistungen in der westlichen Welt korrespondiert nicht mit einer Zunahme psychischer Störungen in der Bevölkerung“, lautete das Fazit aus dem Vortrag von Professor Dirk Renner,

FH Bern, auf dem Landespsychiatrietag. Sie zeige eine zunehmende Bereitschaft, sich wegen psychischer Probleme behan-deln zu lassen. Zwar habe die Stigmatisie-rung bestimmter psychischer Störungen in der Bevölkerung abgenommen, trotz-dem möchte eine Mehrheit weder einen Nachbarn noch einen Kollegen mit seeli-scher Behinderung, wie eine Umfrage er-gab.

Die Dokumentation des Landespsychiatri-etags wird hier erscheinen:

www.landespsychiatrietag.de/willkommen.html

mok

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KVJS3/2015 aktuell

Integration

Innovationpreis für Bruchsaler WerkstättenWege auf den allgemeinen Arbeitsmarkt geebnet

Die Bruchsaler Werkstätten der Lebenshilfe konnten kürzlich den Innovationspreis Integrati-on entgegen nehmen. Der Preis wird vom KVJS gemeinsam mit dem Landes-Behindertenbeauf-tragten Gerd Weimer vergeben.

Die Bruchsaler Werkstätten der Lebenshil-fe waren von Beginn an eine wichtige Säu-le der KVJS-Aktion 1000, die 2005 anlief: 1 000 Arbeitsplätze auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt für Beschäftigte von Werk-stätten und Sonderschulabgängern hieß das Ziel. Die Aktion wurde mittlerweile zwei Mal verlängert, die Ziele mit bisher rund 3 300 Vermittlungen weit übertrof-fen. Auch dank engagierter Partner, wie dem Preisträger.

Seit dem Start der KVJS-Aktion im Jahr 2005 haben die Bruchsaler Werkstätten als eine der Bildungsbegleiter dieses An-

gebot mitstrukturiert und damit geholfen, den Weg auf den allgemeinen Arbeits-markt zu ebnen. Seither stellen sie den Jobcoach für die Aktions-Teilnehmer. Da-mit haben sie maßgeblich daran mitge-wirkt, dass die Aktion vom Modellprojekt zum dauerhaften Standardangebot in der Region werden konnte. Ein Erfolgsfaktor dabei ist die gute Vernetzung der Lebens-hilfe vor Ort.

„Uns ist bewusst, dass wir uns mit diesem Weg erst am Beginn zu einer flächende-ckenden Inklusion in allen gesellschaftli-chen Bereichen befinden“, erklärte Alex Huber, der Erste Vorsitzende der Lebens-hilfe. „Es ist aber ein ganz entscheidender Schritt, da es für alle, die daran beteiligt sind – nicht nur für Menschen mit Be-hinderung – ein Gewinn ist und dadurch deutlich wird, dass von einer gelingenden Inklusion alle profitieren.“

Der zum neunten Mal verliehene Innovati-onspreis Integration ging damit zum zwei-ten Mal an eine Werkstatt für behinderte Menschen (WfbM). Der Landes-Behinder-tenbeauftragte stiftet hierfür ein Preisgeld von 3 000 Euro. Mit dem Preis werden Sonderschulen, WfbM oder Integrations-unternehmen ausgezeichnet werden, die ein besonders erfolgreiches Integrations-konzept für den Übergang auf den allge-meinen Arbeitsmarkt entwickelt haben.

mok

Die ausgezeichnete Werkstatt hat mehr als 700 Beschäftigte mit Behinderung.Foto: Lebenshilfe

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KVJS 3/2015aktuell

Integration

Großer Andrang bei der REHAB

Wissbegierige Besucher, gute Gespräche und gefragte Informationen zum Thema Arbeit und Behinderung: Das ist die Bi-lanz des KVJS-Integrationsamts für die RE-HAB Karlsruhe. Drei Tage lang drehte sich

im April auf mehr als 30 000 Quadratme-tern in den Karlsruher Messehallen alles rund um Reha- und Medizintechnik, Pfle-ge und Inklusion. Das KVJS-Integrations-amt hat 350 Freikarten für Betriebe aus-

gegeben. Sein Stand war besonders an den ersten beiden Messetagen stän-dig umlagert. Dazu trug ein attraktives Programm unter anderem mit einem Vakuum-Saugheber zum Selbst-Ausprobieren bei.

Am benachbarten Stand mit dem Catering-Ange-bot der Integrationsfirma BzKA konnten die Stand-Besucher Wertmarken für eine Portion frisch ge-schnittener Ananas ein-lösen. Mehr als 700 Mes-segäste ließen es sich schmecken. mok

... noch ist das Messe-Team des KVJS-Integrationsamts entspannt ... Foto: Baumert

Tragen ohne Mühe: der Vakuum-Saugheber wurde gern ausprobiert Foto: Baumert

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Jugend

aktuell

Die Zukunft der Jugend im BlickIm Gespräch: Jugendhilfe-Experte Werner Miehle-Fregin

Das KVJS-Landesjugendamt hat seine bisherige landesweite überörtliche Berichterstattung um den Bereich der Kinder- und Jugendarbeit ergänzt. Die neue Expertise verspricht mehr Pla-nungssicherheit für die Jugendhilfe.

Herr Miehle-Fregin, die Expertisen des KVJS für die örtliche Ebene haben sich bisher auf die Hilfen zur Erziehung und die Kinderta-gesbetreuung beschränkt. Warum spielte der Bereich der Kinder- und Jugendarbeit so ein Schatten-Dasein?

Die Hilfen zur Erziehung erfordern die größten finanziellen Anstrengungen der Jugendämter.Es stellte sich daher die Frage, welche Faktoren für die von Kreis zu Kreis unter-schiedlichen Leistungskennzahlen aus-schlaggebend sind und inwieweit sie durch die Jugendämter gesteuert wer-den können. Bei der Tagesbetreuung, ei-nem weiteren Schwerpunkt der Bericht-erstattung des KVJS-Landesjugendamts, geht es um die Umsetzung des Rechtsan-spruchs für die unter Dreijährigen.

Das seitherige Schattendasein der Kinder- und Jugendarbeit als Gegenstand unserer Berichterstattung erklärt sich daraus, dass auf sie keiner der beiden Faktoren zutrifft.

Jedoch geriet sie bereits mit dem Demo-grafiebericht des Landesjugendamts 2010 stärker in den Blick. Dort wird sie als ei-ner der für die kommunale Ebene nicht zu unterschätzenden Zukunftsindikatoren beschrieben. Auch beim Transfer der Be-richtsergebnisse war sie stets ein Thema.

Die neue Erhebung legt einen besonderen Schwerpunkt auf das Aufgabengebiet der Kommunalen Jugendreferate. Wie groß ist ihre Bedeutung für den jeweiligen Stadt- und Landkreis als örtlichem Träger der Kinder- und Jugendhilfe?

Die Jugendreferenten sind die Sachwalter der Jugendarbeit in den Jugendämtern. Sie leisten fachliche Unterstützung für die kreisangehörigen Gemeinden und die ört-lichen freien Träger. Es braucht für Fragen der Kinder- und Jugendarbeit spezielle Fachleute in der Jugendamtsverwaltung, sonst gerät sie gegenüber den Hilfen zur Erziehung und der Tagesbetreuung ins Hintertreffen. Auch die Kommunalen Lan-

Info

Fachtag: Neue KVJS-Expertise vorgestellt

Der KVJS hat die wesentlichen Ergebnisse seiner neuen Berichterstattung zur Kinder- und Jugend-arbeit am 20. April 2015 bei einer Fachtagung im KVJS-Bildungszentrum Gültstein vorgestellt. Über Konsequenzen referierten Vertreter der Jugendverbandsarbeit, Offenen Jugendarbeit, Jugendso-zialarbeit, Kommunalen Jugendreferate und der Hochschule. Die Präsentation zum Bericht gibt es im Internet unter: www.kvjs.de/jugend/aktuellesformulare-service/tagungsunterlagen. Die Druck-fassung ist noch in Arbeit und wird nach den Sommerferien 2015 vorliegen

Werner Miehle-Fregin Foto: Kleusch

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Jugend

aktuell

desverbände haben dies erkannt. Im Jahr 2013 haben sowohl die Arbeitsgemein-schaften der kommunalen Jugendrefe-renten beim Landkreistag als auch beim Städtetag und Gemeindetag Aufgabenbe-schreibungen veröffentlicht, die den Stel-lenwert dieses Aufgabengebiets verdeut-lichen. Unser Bericht liefert nun erstmals auch empirische Daten zur konkreten Pra-xis.

Welche Fragen stellen sich an das Land im Hinblick auf die Einbindung der neuen KVJS-Berichterstattung in den Zukunftsplan Jugend?

Der Zukunftsplan Jugend des Landes un-terstreicht, dass die Kinder- und Jugend-arbeit sowie die Jugendsozialarbeit ein landesweites Berichtswesen zu ihren Ar-beits- und Handlungsfeldern auf der kom-munalen Ebene brauchen. Zugleich hält er die Institutionalisierung einer landes-weiten Kinder- und Jugend(hilfe)bericht-erstattung für erforderlich. Unser Landes-

jugendhilfeausschuss hat deshalb dem Land die Frage gestellt, welchen Stellen-wert es dem KVJS-Bericht beimisst und wie die im Zukunftsplan ausdrücklich er-wähnte Unterstützung unserer Berichter-stattung konkret erfolgen wird.

Der größte Teil der Mittel für die Kinder- und Jugendarbeit wie auch für die Ju-gendsozialarbeit wird von der kommu-nalen Seite aufgebracht. Welche Mittel aus dem Landesjugendplan in die örtli-che Ebene fließen, ist bislang nur bei der Schulsozialarbeit, nicht jedoch insgesamt transparent. Ein Landesjugendbericht, der sowohl die Leistungen der Stadt- und Landkreise einschließlich der Gemeinden als auch die Leistungen des Landes im Ge-samtzusammenhang betrachtet, ist auf alle Fälle wünschenswert. Das KVJS-Lan-desjugendamt ist zur Zusammenarbeit mit dem Land in Fragen der Berichterstat-tung bereit.

Das Interview führte Gabriele Addow

Info

Service: Präsentation vor Ort

Ab Juli 2015 bietet der KVJS im Rahmen seiner Transferleistungen allen Jugendäm-tern, Fachverbänden und kommunalpolitischen Gremien in Baden-Württemberg an, die grundlegenden Erkenntnisse der Berichterstattung zur Kinder- und Jugendarbeit, sowie auch eine jeweils kreisspezifische Aufarbeitung einzelner Eckdaten, vor Ort zu präsentieren.

Ziel des Transfers ist es, ausgehend von der Präsentation des Berichts, Impulse zur Re-flektion und Weiterentwicklung mit dem Thema Kinder- und Jugendarbeit/Jugend-sozialarbeit im Praxisfeld, wie auch im jugendpolitischen Raum zu ermöglichen, um damit Qualitätsentwicklungsprozesse anzuregen bzw. zu unterstützen. Weitere Infor-mationen zum Bericht wie auch zum Transfer erhalten sie bei [email protected]; Tele-fon 0711 6375-440

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Jugend

aktuell

Eine Ausstellung gegen das Vergessen Heimalltag zwischen 1949 und 1975

Heime sollten für Kinder eine Zuflucht vor häuslicher Gewalt sein. Für manche wurden sie zur Hölle. Eine Wanderausstellung zeigt nun die Heimerziehung in Baden-Württemberg zwischen 1949 und 1975.

Der KVJS unterstützt die Ausstellung des Landesarchivs Baden-Württemberg mit 15 000 Euro. „Was damals an Leid und Un-recht geschah, soll nicht in Vergessenheit geraten“, sagt der stellvertretende Leiter des KVJS-Landesjugendamtes Reinhold Grüner. „Vor allem möchten wir daraus ler-nen.“

Über 500 Säuglings-, Kinder- und Jugend-heime gab es zwischen 1949 und 1975 in Ba-den-Württemberg. Nicht alle Jungen und Mädchen wurden in den Heimen misshan-delt oder missbraucht, auch wenn zuwei-len der Eindruck entsteht. Allerdings gehör-ten Schläge und harte Strafen zur Erziehung und massive körperliche Gewalt war offen-sichtlich in vielen Heimen erklärtes Erzie-hungsmittel. Ab 8. Juli zeigen Historiker eine Wanderausstellung über den damaligen All-tag in Einrichtungen. „Das Landesarchiv will nicht nur informieren, sondern auch über Missstände aufklären und den Schicksalen ehemaliger Heimkinder nachspüren“, sagt die Kuratorin der Ausstellung Nadine Seidu. Die Macher zeigen Beispiele der damaligen Speisepläne, Regel- oder Strafkataloge. Auf 22 Stelltafeln beleuchten sie Gewalt in Ein-richtungen oder erklären, wo Heimkinder sich beschweren konnten und ob es etwas nützte. Zudem listet die Schau Versuche der Wiedergutmachung und die Konsequenzen für heutige Heime auf.

Die Ausstellung thematisiert auch die Rol-le der Jugendämter und Landesjugend-ämter. Beispiel: Die Landesjugendämter konnten Heimunterbringungen anord-

nen, wenn nach ihrer Einschätzung Ju-gendlichen Verwahrlosung drohte oder bereits eingetreten war. Grundlage war das Jugendwohlfahrtsgesetz. Durch die Jugendämter eingewiesen wurden Jun-gen und Mädchen, deren Zuhause aus den Fugen geraten war, aber auch Kinder aus Familien, die von der Norm abwichen. Das waren etwa nicht eheliche Kinder, Kinder von Alleinerziehenden oder von Frauen mit ungewöhnlichem Lebensweg.

Heimleben vor vierzig Jahren.Foto: LWV Württemberg-Hohenzollern

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Jugend

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In den Heimen herrschten häufig Miss-stände. Grund waren schlecht ausgebilde-te Erziehende oder ein katastrophaler Be-treuungsschlüssel. „Manche Heime hatten aus heutiger Sicht unvorstellbar niedrige Tagessätze“, berichtet Grüner. Zuweilen fi-nanzierten sich Heime zusätzlich, indem sie die Kinder als kostenlose Arbeitskräf-te einsetzten, zum Beispiel bei der Ernte oder im Steinbruch. „Ein Junge verlor da-bei sein Bein.“

Bis 1961 gab es keine institutionalisier-te Heimaufsicht. Die (Landes-)Jugend-ämter reagierten, wenn sie bei der ihnen obliegenden Einzelfallhilfe von Missstän-den erfuhren. 1961 wurde eine systema-tische Heimaufsicht durch die vier Regie-rungspräsidien eingeführt. Ab 1964 waren die Landesjugendämter der Landeswohl-fahrtsverbände Baden und Württemberg-Hohenzollern zuständig.

Oft wurde die Heimaufsicht aber erst gar nicht eingeschaltet. Die Kinder hatten we-nig Chancen, sich zu beschweren. Selten kannten sie ihre Rechte. Sie misstrauten Behörden und wurden von nieman-dem unterstützt. Auch die Einrichtungen schwiegen. Erfuhren die Aufsichtsämter von Missständen, kam es vor, dass sie den Kindern nicht glaubten, zumal es keine Beweise gab und das Heim alles abstritt. Kirchliche Träger etwa genossen großes Vertrauen, sagt Reinhold Grüner. „Die Auf-sicht hat sicher öfters versagt.“

Heute wird versucht, dem Leid und Un-recht etwas Positives entgegen zu set-zen. Das Land hat etwa den KVJS beauf-tragt, die Anlauf- und Beratungsstelle für ehemalige Heimkinder in Baden-Würt-temberg einzurichten. Dort beraten sechs Fachkräfte Betroffene und helfen ihnen, Leistungen aus dem bundesweiten Fonds Heimerziehung BRD-West zu erschließen.

„Wir haben viel gelernt“, zieht Grüner Bi-lanz. Heute sind regelmäßige Hilfeplan-gespräche unter Beteiligung von Kindern und Jugendlichen Standard. Nach dem Achten Sozialgesetzbuch müssen Einrich-tungen Ereignisse, die das Kindeswohl be-einträchtigen, der Aufsicht beim Landes-jugendamt melden. „Durch strukturelle Mindestvoraussetzungen wird zudem ein Rahmen gesetzt, der präventiv wirkt.“ Hei-me müssen etwa eine bestimmte Zahl an Fachkräften, Räumen, Raumgrößen und Fortbildungen nachweisen. Bei Proble-men kann das Landesjugendamt Heime beraten, Auflagen erteilen, Einzelperso-nen die Tätigkeit untersagen oder einem Heim die Betriebserlaubnis entziehen.

Für heutige Heimkinder bietet der KVJS die Broschüre „Deine Rechte“ und ein Be-ratungstelefon. Für Heimerziehende hat der KVJS Fortbildungen im Programm. Das KVJS-Landesjugendamt genehmigt eine Einrichtung nur, wenn sie bereits in ihrer Konzeption Beteiligungs- und Be-schwerdeverfahren für Kinder und Ju-gendliche vorsieht. Und der Verband hat die Wissenschaft beauftragt zu erfor-schen, wie weit Beteiligungs- und Be-schwerdeverfahren in Heimen auch ver-wirklicht sind – und was zu tun bleibt. syr

Info

Verwahrlost und gefährdet? Heimerziehung in Baden-Württemberg 1949 – 1975

Wanderausstellung des Landesarchivs Baden-Würt-temberg, www.landesarchiv-bw.de

Einige Termine:Haus der Abgeordneten Stuttgart: 8.07. bis 10.7.2015Hauptstaatsarchiv Stuttgart: 23.9. bis 30.10.2015KVJS-Tagungszentrum Herrenberg-Gültstein: 2.12. bis 18.12.2015

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Nestflüchter wider WillenÜber junge Menschen, die plötzlich selbständig werden müssen

Für Jugendliche in der stationären Erziehungshilfe ist der 18. Geburtstag nicht immer ein Grund zum Jubeln: Mit Erreichen der Volljährigkeit kann die Betreuung enden. Dann stellt sich die Fra-ge, ob sie auf stabile private Netzwerke und ausreichende materielle Ressourcen zurückgreifen können. Ein Gespräch mit Dr. Jürgen Strohmaier vom KVJS-Landesjugendamt.

Herr Dr. Strohmaier, junge Menschen, die in Heimen oder bei Pflegeeltern aufwachsen, sind mit Erreichen der Volljährigkeit flügge. Was unterscheidet sie von den typischen Nesthockern, die in vielen Fällen noch mit 25 bei ihren Eltern wohnen?

Sie müssen im Gegensatz zu Kindern, die in ihren Herkunftsfamilien aufwachsen, den Übergang in die Selbständigkeit in der Regel bereits mit 18 Jahren bewälti-gen. Sie haben einen Teil ihres Lebens in der stationären Erziehungshilfe verbracht. Familiäre, soziale und ökonomische Res-sourcen sind oft brüchig, Kontinuität und

Stabilität in ihrer Biographie seltener. Un-sere sogenannten Care Leaver (aus Für-sorge Entlassene) haben deshalb einen erhöhten Unterstützungsbedarf, sind an-fälliger für Wohnungslosigkeit, unterlie-gen einem erhöhten Armutsrisiko und ha-ben beim Aufbau von Sozialbeziehungen meist größere Schwierigkeiten.

Wie könnte ein gelingender Übergang vom Heim in das Leben draußen aussehen?

Die Vorbereitung auf das Leben draußen, sprich die Verselbstständigung, muss schon im Heim stattfinden. Das bedeutet, Einrich-

Junge Erwachsene mit Heimerfahrung brauchen viel Unterstützung. Foto: Fotolia

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Jugend

aktuell

tung und Jugendamt erstellen rechtzeitig unter Beteiligung des Jugendlichen einen kleinschrittigen Zukunftsplan mit konkre-ten Zielvorgaben. Die in der Hilfeplanung festgeschriebenen Ziele sollten dann in re-gelmäßigen Abständen überprüft werden. Stellt man dabei fest, der junge Mensch braucht auch nach seinem 18. Lebensjahr noch Unterstützung, kommen die „Hilfen für junge Volljährige, Nachbetreuung“ (§ 41 SGB VIII) ins Spiel. Oder sie verfügen über Beziehungen zu anderen Care Leavern, ha-ben Kontakte über ihre berufliche Ausbil-dung oder profitieren von sozialräumlichen Anbindungen bei Clubs, Vereinen und so weiter. Es stellt sich hier wieder die Frage nach einem selbstbestimmten und eigen-verantwortlichen Leben.

Sollte es Kooperationsverpflichtungen für die verschiedenen Leistungsträger geben?

Ich möchte den Begriff Verpflichtung ger-ne durch Verantwortung ersetzen. Koope-rationen zwischen den Hilfesystemen gibt es vielerorts ja schon, wenn auch in un-terschiedlicher Ausprägung. Idealerwei-se arbeiten Jugendämter, Sozialämter und Jobcenter Hand in Hand und schließen entsprechende Kooperationsvereinbarun-gen ab. Zu überlegen wäre dann, wer die Federführung übernimmt.

Der 14. Kinder- und Jugendbericht fordert eine eigene junge Volljährigenpädagogik. Eine Notwendigkeit?

Ja, auf jeden Fall. Denn bei den Hilfen für junge Volljährige fehlt es bislang an ei-ner soliden, spezifischen fachlich-kon-zeptionellen Rahmung, welche die Ent-wicklungsaufgaben dieser Altersgruppe berücksichtigt.

Inwieweit wird das Thema „junge Erwachse-ne“ beim KVJS thematisiert?

Da es sich bei dem Verlassen einer Einrich-tung um einen pädagogischen Schlüssel-prozess handelt, wird das Thema in der Beratung von Trägern immer wieder be-sprochen. Hier können wir gemeinsam mit dem Träger Handlungsansätze für mögliche Weiter- oder Nachbetreuungen entwickeln. Weiter wurde das Thema auf der diesjährigen Jahrestagung für Heim-leitungen im Rahmen eines Workshops bearbeitet. Für die nächste Jahrestagung der Jugendamtsleitungen ist geplant, die Lebenslage von jungen Volljährigen mit HzE-Erfahrung in den Blick zu nehmen.Aktuell werden viele Fachveranstaltungen zu dieser Thematik angeboten, an denen Mitarbeiter unseres Referates regelmäßig teilnehmen.

Für das kommende Jahr planen zwei freie Träger aus Baden-Württemberg ein Pro-jekt in diesem Bereich, an welchem das Landesjugendamt des KVJS beteiligt sein wird.

Das Interview führte Gabriele Addow

Info

Links zum Thema

• das Positionspapier der Arbeitsgemeinschaft für Kinder- und Jugendhilfe AGJ – gibt es unter www.agj.de

• ein neues Buchprojekt sowie den Flyer einer Fachtagung, bei der Care Leaver selbst als kompe-tente Referierende mitwirken, finden Sie auf den Seiten der internationalen Gesellschaft für Hil-fen zur Erziehung unter www.agj.de

• die Unterlagen zur Heimleiter-Tagung im März 2015 sind eingestellt unter www.kvjs.de/jugend

Dr. Jürgen Strohmaier vom KVJS-Landesjugendamt. Foto: Kleusch

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KVJS3/2015

Jugend

aktuell

Schutz vor Gewalt und VerfolgungFachtag rückt Flüchtlingskinder in den Fokus

„Flüchtlingskinder in erster Linie als Kinder sehen und damit in den Fokus rücken“, forderte Staatssekretärin Marion von Wartenberg am 5. Mai im Kongresszentrum Rosengarten in Mann-heim. Bei der Veranstaltung des Kultusministeriums war der KVJS mit einem eigenen Stand vertreten.

Mit dem Zustrom der Flüchtlinge, derzeit circa 40 000 in Baden-Württemberg, Ten-denz steigend, sind 3 200 Kinder im Alter unter sechs Jahren mitgekommen. Diese und ihre Familien stellen die über 300 ein-geladenen Fachkräfte und Trägervertre-ter vor große Herausforderungen. Die Fra-ge, wie kann man Flüchtlingskinder gut integrieren, stand als zentrales Thema im Raum. Zugespitzt wurde sie durch Aus-sagen von betroffenen Kindergartenlei-tungen. Sie wiesen darauf hin, dass es bei mehr als zehn Flüchtlingskindern in einer Kita für die Fachkräfte ziemlich eng wer-den kann.

Die Staatssekretärin verwies darauf, dass der Betreuungsschlüssel in Baden-Würt-

temberg mit eins zu 1,29 bei Kindern un-ter drei Jahren bundesweit an der Spit-ze liegt. Nun sind Flüchtlingskinder nicht alle unter drei Jahre. Das Land hat des-halb für die Sprachförderung von Flücht-lingskindern im Jahr 2015 Gelder in Höhe von 800 000 Euro neu aufgelegt, 2016 sol-len weitere 1,6 Millionen Euro folgen. Die Kitas können damit Sprachfördergrup-pen mit maximal vier Kindern bilden. Das bringt auch für die anderen Fachkräfte eine Entlastung.

Was bleibt ist die Unsicherheit im Um-gang und die fehlenden Kenntnisse im Zusammenhang mit einer Traumatisie-rung. Dr. Stefan Faas von der Eberhard Karls Universität in Tübingen hat dazu ge-forscht und konnte auf der Tagung ent-warnen. Die Kompetenzen der Fachkräf-te sind in diesen Fällen die Richtigen. Sie können auf die Flüchtlingskinder übertra-gen werden.

Konzepte zur Zusammenarbeit mit El-tern greifen jedoch nicht. Bei dieser Pro-blematik verwies das Ministerium auf Ko-operationen mit der Volkshochschule und der kirchlichen Erwachsenenbildung, die schon länger Erfahrungen in diesem Feld gesammelt haben. Beim Thema Trauma-tisierung sind Supervisionen von speziell ausgebildeten Fachkräften angedacht. Zu stärken wären hier insbesondere auch die Fachberaterinnen. reuDer KVJS-Stand im Mannheimer Kongresszentrum war gut besucht. Foto: Reuter

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KVJS 3/2015aktuell

Fortbildung

Werkstätten: Ohne Fachausschuss geht es nicht!In Baden-Württemberg bieten Werkstät-ten derzeit mehr als 25 000 Arbeitsplätze für Menschen mit geistiger, körperlicher und psychischer Behinderung an. Unver-zichtbares gesetzliches Beratungsgre-mium in jeder Werkstatt ist der Fachaus-schuss. Sein fachliches Votum soll für den zuständigen Rehabilitationsträger unter anderem Grundlage der Kostenentschei-dung sein.

Das „Aufbauseminar Werkstattar-beit: Werkstatt und Fachausschuss in der Praxis“ am 10. November 2015 im

KVJS-Tagungszentrum Gültstein bie-tet Fachkräften in der Eingliederungshilfe, Mitgliedern im Fachausschuss sowie Fall-managern Gelegenheit zum Austausch. Dabei geht die Veranstaltung auch auf ak-tuelle Entwicklungen und Rechtsfragen ein. Weiterer Themenschwerpunkt ist die Integration von Menschen mit Behinde-rung auf den allgemeinen Arbeitsmarkt.

Nähere Informationen und Anmeldung im Internet unter der Buchungsnummer 15-2-EHS11-1w. add

Arbeitstagung zur EingliederungshilfeDer Streik der Lokführergewerkschaft GDL hat dem KVJS im vergangenen Mo-nat einen dicken Strich durch die Rech-nung gemacht. So konnte die „Arbeits-tagung zur örtlichen Zuständigkeit und Kostenerstattung nach dem SGB XII – Schwerpunkt Eingliederungshil-fe“ leider nicht wie geplant am 07.05.2015 stattfinden. Deshalb gibt es jetzt einen neuen Termin: 30.07.2015 beim KVJS in Stuttgart. Auf der Veranstaltung berich-

tet Franz Schmeller, Sozialdezernent beim KVJS und Vorsitzender der Spruchstel-le für Fürsorgestreitigkeiten Stuttgart aus der Arbeit der Spruchstelle. Darüber hin-aus behandelt die Tagung grundsätzliche Fragen zur örtlichen Zuständigkeit und Kostenerstattung.

Anmeldung und Buchung im Internet un-ter der Nummer 15-2-EHA1-2z. add

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Neu erschienen

Beim KVJS erschienenAlle hier aufgeführten Publikationen des KVJS sind kostenlos. Sie stehen auch im Internet unter www.kvjs.de/service/publikationen.html zum Herunterladen zur Verfügung.

Schwerbehinderung und Arbeit

KVJS-Ratgeber Integrationsfachdiens-te. 2015Überblick über die Leistungen der ba-den-württembergischen Integrationsfach-dienste (IFD) für Arbeitgeber und Arbeit-nehmer.

Zeitschrift „Behinderte Menschen im Beruf“, Ausgabe Baden-Württemberg, Heft 1/2015.Das Heft bietet Einblicke in die Arbeit des Integrationsamtes.

Kostenlos zu beziehen beim KVJS Manuela Weimar Telefon 0721 8107-942 [email protected]

Jugendhilfe

NESSIE – Netzwerk für Schlüsselquali-fikationen, Leonardo-da-Vinci Projekt. Ansätze, Ergebnisse und Erkenntnisse, Band I, 2015.

NESSIE – Netzwerk für Schlüsselquali-fikationen, Leonardo-da-Vinci Projekt. Lernmaterialien – Handbuch, Band II, 2015.

NESSIE – Netzwerk für Schlüsselquali-fikationen, Leonardo-da-Vinci Projekt. Lernmaterialien – Handbuch, Band III, 2015.In diesem europäischen Projekt haben Partner aus sieben Ländern Lernmodule zur Vermittlung von Schlüsselqualifikatio-nen entwickelt und in der Praxis getestet.

Kostenlos zu beziehen beim KVJS Ulrike Cserny Telefon 0711 6375-469 [email protected]

Grundlagen für die Betriebserlaubnis – Gemeinsame Wohnformen für Mütter/Väter und Kinder in Baden-Württem-berg

Kostenlos zu beziehen beim KVJS Diane Geiger Telefon 0711 6375-406 [email protected]

Soziales, Behinderung, Pflege

Orientierungshilfe für die Sozial- und JugendhilfeInklusion in Kindertageseinrichtungen

Orientierungshilfe für die Sozial- und JugendhilfeInklusion in Schulen

Inklusion von Kindern und Jugendli-chen mit einer Behinderung in allge-meinen Einrichtungen der Kinderta-gesbetreuung und SchulenAbschlussbericht

Ergebnisberichte der Leistungser-bringer/Dienstleister in der Einglie-derungshilfe in Baden-Württemberg, Stand Februar 2015.Hinweise für die Praxis

Kostenlos zu beziehen beim KVJS Manuela Weißenberger Telefon 0711 6375-307 [email protected]

Foto: Fotolia

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KVJS 3/2015aktuell

KVJS Im

pressum

KVJS aktuellJuni 2015 Herausgeber: Kommunalverband für Jugend und Soziales Baden-Württemberg Öffentlichkeitsarbeit Verantwortlich: Kristina Reisinger (rei) Mit Beiträgen von: Gabriele Addow (add)Monika Kleusch (mok)Andreas Reuter (reu)Sylvia Rizvi (syr)

Titelfoto: Fotolia

Layout:Waltraud Gross Bestellungen und Adressänderungen: Petra WagnerTelefon 0711 [email protected]

Lindenspürstraße 39 70176 Stuttgartwww.kvjs.de

Redaktioneller Hinweis: Wir bitten um Verständnis, dass aus Gründen der Lesbarkeit auf eine durch-gängige Nennung der weiblichen und männlichen Bezeichnungen verzichtet wird. Selbstverständlich beziehen sich die Texte in gleicher Weise auf Frauen und Männer.

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Tel. 0711 63 75-0www.kvjs.de