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Laborskript Fertigungsmesstechnik Prof. Dr.-Ing. I. M. Kenter

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Laborskript

Fertigungsmesstechnik

Prof. Dr.-Ing. I. M. Kenter

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Fertigungsmesstechnik

Inhaltsverzeichnis

I

Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung ..................................................................................................................... 1

2. Gestaltabweichungen und Profilarten ...................................................................... 2

3. Messgrößen zur Beschreibung von Form- und Lageabweichungen ...................... 4

3.1 Maßtoleranzen und Passungen .............................................................................. 4

3.1.1 Definition der Maßbegriffe ................................................................................... 4

3.1.2 ISO-Maßtoleranzsystem ........................................................................................ 9

3.1.3 Passungen ........................................................................................................... 11

3.2 Grundsatz der Tolerierung .................................................................................. 13

3.3 Allgemeintoleranzen ............................................................................................. 17

3.4 Form- und Lagetoleranzen................................................................................... 19

3.4.1 Formtoleranzen ....................................................................................................... 20

3.4.2 Profiltoleranzen ....................................................................................................... 25

3.4.3 Richtungstoleranzen ................................................................................................ 27

3.4.4 Ortstoleranzen ......................................................................................................... 29

3.4.5 Lauftoleranzen ......................................................................................................... 32

4. Messgrößen zur Beschreibung technischer Oberflächen ...................................... 35

5. Anhang ....................................................................................................................... 42

6. Literaturverzeichnis ................................................................................................. 43

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Fertigungsmesstechnik

Einleitung

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1. Einleitung

Ein Produkt unterliegt in der Fertigung bestimmten Anforderungen, deren Einhaltung durch

die Fertigungsmesstechnik geprüft wird. Die Fertigungsmesstechnik stellt die Abmessungen

des Werkstückes und deren Abweichungen vom vorgegebenen Konstruktionsmaß fest.

Diesen Gestaltabweichungen sind Grenzen gesetzt, innerhalb derer die Brauchbarkeit des

Werkstückes für seine eigentliche Aufgabe gewährleistet ist.

Ziel einer wirtschaftlichen Fertigung ist es, nur so genau wie notwendig und nicht so genau

wie möglich zu produzieren, um die bei zu genauer Produktion entstehenden hohen Kosten

zu minimieren. Der Konstrukteur sollte aus dem Grund nur die Toleranzen fordern, die zu

sicheren Funktionserfüllung und zur Gewährleistung der Austauschbarkeit von Bauteilen

nötig sind.

Die unterschiedlichen Fehler hinsichtlich Werkstückeigenschaften bzw.- geometrie bei der

Fertigung beziehen sich auf die Herstellungsverfahren. Die am häufigsten auftretenden

geometrischen Fertigungsfehler liegen sowohl im mikroskopischen als auch im

makroskopischen Bereich.

Die Gestalt von Bauteilen kann in zwei Gruppen eingeteilt werden (Bild 1): Grobgestalt

(Maß, Form, Lage) und Feingestalt (Welligkeit, Rauheit) [1,2].

Bild 1: Gestaltparameter von Werkstücken [1]

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Fertigungsmesstechnik

Gestaltabweichungen und Profilarten

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2. Gestaltabweichungen und Profilarten

Der Begriff Gestaltabweichung fasst die Gesamtheit aller Abweichungen, die zwischen der

Ist-Oberfläche und der Idealoberfläche liegen, zusammen. Die Gestaltabweichung wird für

die genauere Unterscheidung in der DIN 4760 in sechs Ordnungen von groben bis feinen

Abweichungen unterteilt [2], (Bild 2): Abweichungen in der Form, Welligkeit, Rillen, Riefen

sowie die Abweichungen 5. (Gefügeaufbau) und 6. Ordnung (Gitterstruktur), die nicht mehr

darstellbar und zerstörungsfrei zu prüfen sind. Die fünfte und sechste Ordnung der

Gestaltabweichung werden im Rahmen dieses Labors nicht behandelt. Sie gehören in das

Gebiet der Werkstoffprüfung.

Bild 2: Gestaltabweichungen nach DIN 4760 [1]

Gestaltabweichungen erster bis vierter Ordnung werden nach den Profilarten gemäß Bild 3

unterschieden [3].

Formabweichungen

Die Formabweichung ist langwellig und kann sich durchgehend über die ganze

Funktionsfläche erstrecken. Sie werden im Allgemeinen der Grobgestalt zugeordnet. Die Art

der Abweichung kann Unebenheit und Unrundheit sein. Sie entstehen z.B. durch Fehler in

den Führungen der Werkzeugmaschinen, durch das Durchbiegen der Maschine oder des

Werkstückes oder durch Härteverzug [4].

Welligkeit

Welligkeiten sind nach DIN 4760 überwiegend periodisch auftretende Gestaltabweichungen

am Werkstück, deren Wellenlängen größer als die Rillenabstände seiner Rauheit sind. Das

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Gestaltabweichungen und Profilarten

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Verhältnis zwischen Wellenabstand und –tiefe beträgt im allgemeinen zwischen 1000:1 und

100:1.

Welligkeit kann z.B. durch außermittige Einspannung eines umlaufenden Werkzeuges oder

durch Schwingungen der Werkzeugmaschine oder des Werkstückes hervorgerufen werden

[4].

Rauheit

Rauheit ist eine regelmäßig oder unregelmäßig wiederkehrende Gestaltabweichung, deren

Abstände nur ein relativ geringes Vielfaches ihrer Tiefe betragen (DIN4760). Das Verhältnis

zwischen den Rauheitsabständen (Rillenabständen) und deren Tiefen beträgt im Allgemeinen

zwischen 150:1 und 5:1 (VDI/VDE2601 Blatt1) [4]. Rauheit umfasst die

Gestaltabweichungen 3. bis 5. Ordnung.

Rillen entstehen beispielsweise durch die Form der Werkzeugschneide, des

Werkzeugvorschubes oder dessen Zustellung.

Riefen, Schuppen und Kuppen entstehen durch den Vorgang der Spanbildung (Reißspan,

Scherspan, Aufbauschneide).

Die Gefügestruktur kann sich ändern beispielsweise durch Kristallisationsvorgänge, durch

chemische Einwirkung (z.B. Beizen) oder Korrosionsvorgänge.

Im Allgemeinen überlagern sich Welligkeit und Rauheit und es ist somit häufig erforderlich,

beide Feingestaltabweichungen getrennt voneinander zu erfassen [2].

Bild 3: Überlagerungen der Gestaltabweichungen 1. bis 4. Ordnung [3]

Riefenabstand

(Gestaltabweichung

4. Ordnung)

Rillenabstand

(Gestaltabweichung

3. Ordnung)

Wellenabstand

(Gestaltabweichung

2. Ordnung)

Länge der Funktionsfläche

Länge der Formabweichung (Gestaltabweichung 1. Ordnung

)

Pt

Wt

Rz

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Messgrößen zur Beschreibung von Form- und Lageabweichungen

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3. Messgrößen zur Beschreibung von Form- und Lageabweichungen

Ein technisches Bauteil (Werkstück) entsteht in der Vorstellung des Konstrukteurs. Er fertigt

davon eine technische Darstellung an in Form einer Skizze und eines rechnerinternen

Modells mit Bildschirmdarstellung. Damit ein anderer das Werkstück fertigen kann, muss die

Darstellung sein:

- Vollständig, d.h. sie muss alle wesentlichen Eigenschaften festlegen, und

- eindeutig, d.h. sie darf keine unterschiedlichen Auslegungen zulassen.

Heute wird dazu allgemein die technische Zeichnung verwendet. Die Darstellung muss allen

technischen und wirtschaftlichen Anforderungen genügen, d.h. sie muss insbesondere sein:

- funktionsgerecht (das ist die wichtigste Anforderung)

- fertigungsgerecht (das betrifft vor allem die kostengünstige Herstellung) und

- prüfgerecht (das bezieht sich auf das Qualitätswesen).

Eine Zeichnung, die diesen Anforderungen nicht entspricht, kostet in Fertigung und

Qualitätsmanagement unnötig Zeit und Geld, d.h. sie ist unzureichend. Ohne Form- und

Lagetoleranzen ist es nicht möglich, eine technische Einzelzeichnung vollständig und

eindeutig zu beschreiben.

Maßtoleranzen und Passungen

Mit Maßtoleranzen hat die Tolerierung begonnen. Sie sind nicht nur die Grundlage der

Tolerierung, sondern auch wesentlich für das Verständnis der Form- und Lagetoleranzen.

Daher werden in diesem Kapitel die dazu notwendigen Begriffe erläutert.

3.1.1 Definition der Maßbegriffe

Ein Maß ist der Abstand zwischen zwei gegenüberliegenden Punkten und besteht aus einem

Zahlenwert und einer Einheit (z.B. ,,100mm“). Es ist üblich, unter ,,Maß“ allgemein ein

Längenmaß zu verstehen, alle anderen Maßarten werden speziell benannt (z.B.

,,Winkelmaß“). Für ein Längenmaß gilt die Grundregel nach DIN ISO 286 T1 und DIN ISO

8015. Diese Normen haben DIN 7182 ersetzt und werden wie folgt festgelegt. Bei

Längenmaßen unterscheidet man vier Maßgruppen (Bild 4).

Außenmaße (z.B. Wellendurchmesser oder Blechdicke)

Innenmaße (z.B. Bohrungsdurchmesser oder Nutbreite)

Diese beiden Gruppen verbinden gegenüberliegende Flächen bzw. Elemente derselben

Fläche (wie bei einer Zylinderfläche) [5, 6].

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Messgrößen zur Beschreibung von Form- und Lageabweichungen

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Stufenmaße (z.B. Absatzlänge oder Nuttiefe)

Sie liegen zwischen gleichgerichteten Flächen. Das verursacht messtechnische Probleme. Ein

Stufenmaß lässt sich nur mit Hilfsmitteln messen (z.B. mit einem angelegten Lineal). Die Art

der Messung sollte durch eine eindeutige Zeichnungseintragung festgelegt werden.

Abstandsmaße (z.B. Lochmittenabstand oder Teilungsmaß)

Bild 4: Maßgruppen: a) Außenmaße, b) Innenmaße, c) Stufenmaße, d) Abstandsmaße [6]

Örtliches Istmaß I ist eine gemessene Größe. Es unterscheidet sich vom tatsächlich

vorhandenen Maß dadurch, dass es durch die Art und die Abweichungen der Messung

verändert ist. Messungen an verschiedenen Stellen ergeben in aller Regel verschiedene

örtliche Istmaße; darunter gibt es ein Größtmaß und ein Kleinstmaß (das sind Istgrößen).

Grenzmaße G sind die Grenzen für das Istmaß I. Sie werden Höchstmaß Go und Mindestmaß

Gu genannt.

Mittenmaß C ist der arithmetische Mittelwert zwischen Höchst- und Mindestmaß:

2

uo GGC

Es wird vor allem beim statistischen Tolerieren gebraucht. Mit dem Nennmaß N hat es nichts

zu tun.

Toleranz T oder Maßtoleranz, auch Toleranzbreite oder –weite, ist die Differenz zwischen

Höchst- und Mindestmaß [6]:

uo GGT

a b c d

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Messgrößen zur Beschreibung von Form- und Lageabweichungen

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Die Toleranz hat kein Vorzeichen, d.h. sie ist immer ein positiver Zahlenwert. Mit der

Angabe von Go und Gu ist an sich die Tolerierung vollständig. Es ist üblich, die Tolerierung

über ein Nennmaß N zu gestalten.

Nennmaß N ist eine ideal gedachte Bezugsgröße, oft ein runder Zahlenwert. Das Nennmaß

wird in der Zeichnung abgebildet, ist die Basis für die rechnerinterne Darstellung von

Geometriemodellen und dient ferner zur Gliederung von Maßbereichen (z.B. in

Toleranztabellen). Das Nennmaß N hat selbst keine Abweichung, sondern dient zur

Festlegung der Grenzmaße mittels der Grenzabmaße. In der grafischen Darstellung von

Toleranzen wird das Nennmaß meist durch die so genannte Nulllinie wiedergegeben.

Oberes Abmaß ES bzw. es liefert immer das Höchstmaß Go:

)"",(

.)"",(

WellenkurzAußenmaßefüresNG

bzwBohrungenkurzInnenmaßefürESNG

o

o

Unteres Abmaß EI bzw. ei ergibt entsprechend das Mindestmaß Gu.

)(

.)(

WellenfüreiNG

bzwBohrungenfürEING

u

u

Beide Grenzabmaße sind, wie alle Abmaße, vorzeichenbehaftet. Mit den entsprechenden

Vorzeichen ergibt sich die Toleranz T [6]:

eiesTbzwEIEST .

In Bild 5 wurden die Maßarten und die Toleranzbegriffe dargestellt.

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Messgrößen zur Beschreibung von Form- und Lageabweichungen

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Bild 5: Maßarten und Toleranzbegriffe [5]

Die folgenden Maßarten haben besondere Bedeutung insbesondere für die Paarung bzw.

Passung, d.h. für die geometrische Funktion von Bauteilen.

Maximum-Material-Grenzmaß MML oder Maximum-Material-Grenze ist dasjenige der

beiden Grenzmaße, das ein Maximum an Material ergibt, d.h. bei dem das Element seine

größte Masse besitzt. Falls MML überschritten ist, kann das Werkstück durch

Materialabnahme nachgearbeitet werden.

Minimum-Material-Grenzmaß LML ist das andere Grenzmaß, das die kleinste Stoffmenge

ergibt. Es wird auch „Ausschussgrenze“ genannt, weil bei seiner Überschreitung das

Werkstück Ausschuss ist.

Wirksames Istmaß VS, auch Paarungsmaß Mp genannt, ist das Maß eines geometrisch ideal

gedachten Gegenstücks, mit dem sich das Geometrieelement gerade noch ohne Spiel paaren

lässt (Bild 6). Es ist entscheidend für die geometrische Funktionsfähigkeit eines Bauteils. Bei

einem Bolzen mit Außenpassfläche (Bild 6 a) ist VS das Maß einer spiel- und zwangsfrei

sitzenden Hülse bzw. eines Futters, bei planparallelen Außenflächen (Bild 6 b) der Abstand

von zwei spielfrei anliegenden parallelen Ebenen. Bei einer Bohrung (Bild 6 c) ist das

wirksame Maß vorstellbar als Durchmesser eines spiel- und zwangsfrei eingepassten Dorns.

Entsprechendes lässt sich auf parallele Nutfläche übertragen. Infolge von Formabweichungen

unterscheidet sich das wirksame Istmaß VS vom örtlichen Istmaß I; beim Außenmaß (Bild 6

a und b) wird es größer, beim Innenmaß (Bild 6 c) kleiner. Nur in dem theoretischen

Welle

Bohrung

Go

Gu

Gu

Go

N

es

T

ei

T

ES

EI

Nulllinie

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Messgrößen zur Beschreibung von Form- und Lageabweichungen

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30 ± 0,05

Grenzfall, dass keine Formabweichungen vorliegen, ist VS = I. Das geometrisch ideale

Gegenstück wird auch wirksamer Istzustand genannt [6].

Bild 6: Wirksames Istmaß (Paarungsmaß) VS a) und b) bei Außenpassflächen (a) Bolzen,

b) planparallele Flächen), c) bei Innenfläche (Bohrung) [6]

Wirksames Grenzmaß MMVL stellt in Verbindung mit dem MML ein Grenzpaarungsmaß

dar, d.h. das ungünstigste Paarungsmaß, bei dem das Geometrieelement den Maximum-

Material-Zustand und zusätzlich die größte zulässige Formabweichung (Grenzabweichung)

hat, die gleich der Formtoleranz tForm ist. Bild 7 erläutert die Zusammenhänge für

kreiszylindrische Geometrieelemente, Bild 7 a für einen Bolzen (Welle), Bild 7 b für eine

Bohrung. Beide sollen überall auf der MML liegen und die Geradheitstoleranz ihrer Achse tG

voll ausnutzen. Entsprechendes lässt sich auch für parallele Ebenen ableiten. Das wirksame

Grenzmaße MMVL ergibt sich nach Bild 7 aus dem MML und der Formtoleranz t (t kann

ggf. auch eine Lagetoleranz sein).

)"",""( BohrungfürWellefürtMMLMMVL

Bild 7: Wirksames Grenzmaß MMVL a) für einen Bolzen, b) für eine Bohrung, jeweils mit

Maximum-Material-Grenzmaß und Formtoleranz tG für die Geradheit der Achse [6]

Prüfmaß ist ein für die Funktion des Teils wichtiges Maß, das vom Qualitätsmanagement

besonders zu beachten ist. Was das im Einzelnen bedeutet, muss betriebsintern festgelegt

werden [6]. Nach DIN 406-10 wird es durch einen abgerundeten Rahmen gekennzeichnet,

z.B.:

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Messgrößen zur Beschreibung von Form- und Lageabweichungen

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Nichttolerierte Maße: Grundsätzlich muss jedes Maß toleriert sein, entweder mit Einzel- oder

mit Allgemeintoleranzen. Davon gibt es nur drei Ausnahmen:

- Theoretisches Maß ist ein Bezugsmaß, von dem aus Grenzmaße bzw. ein Toleranzfeld

festgelegt werden. Es hat die Bedeutung eines Nennmaßes. Um das sichtbar zu machen,

setzt man es in einen rechteckigen Rahmen, z.B.:

- Hilfsmaß ist ein Maß, das zur geometrischen Bestimmung eines Werkstücks nicht

notwendig ist. Er tritt beispielsweise bei Maßketten als Summe oder Differenz von

tolerierten Einzelmaßen auf. Seine Toleranz lässt sich aus den Einzeltoleranzen berechnen;

daher kann es keine eigene Toleranz haben. Hilfsmaße werden in runde Klammern gesetzt,

z.B.: (30)

- Ungefährmaß ist ein Maß, das nur eine grobe Festlegung als Anhaltswert o.Ä. darstellt

und somit keine Toleranz enthält. Es wird so dargestellt: 30

3.1.2 ISO-Maßtoleranzsystem

Das ISO-Maßtoleranzsystem ist seit Jahrzehnten international verbreitet und genormt. Es

dient vor allem dazu,

- die Vielfalt von Tolerierungsmöglichkeiten überschaubar zu machen,

- für bestimmte Funktionsanforderungen die richtige Maßtoleranz zu finden,

- zu den Toleranzanforderungen geeignete Fertigungsmaschinen auszuwählen,

- mittels Vorzugstoleranzen die notwendige Anzahl von Prüfeinrichtungen zu verringern.

Die ISO-Maßtolerierung besteht aus drei Angaben, die das Toleranzfeld festlegen. Diese

sind:

- Das Nennmaß (meist als glatter Zahlenwert in mm),

- die Kennbuchstaben für die Lage des Toleranzfeldes relativ zum Nennmaß bzw. zur

Nulllinie und

- ein Zahlenwert für den Grundtoleranzgrad, der zusammen mit dem Nennmaß die

Grundtoleranz (d.h. Maßtoleranz) ergibt.

Beispiele: „Bohrung“ 40 H7 oder 40H7

(Merkregel: Bohrung / groß / oben)

„Welle“ 40 h7 oder 40h7

Die Kombination von Kennbuchstabe und Grundtoleranzgrad (z.B. H7) wird allgemein

„Toleranzfeld“ oder „Toleranzklasse“ genannt [6]. Die Toleranzfeldlagen A bis H und a bis h

weichen von der Nulllinie zur Minimum-Material-Seite hin ab, N bis ZC (K und M meist)

30

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Messgrößen zur Beschreibung von Form- und Lageabweichungen

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sowie k bis zc zur Maximum-Material-Seite. JS und js liegen exakt, J und j etwa

symmetrisch zur Nulllinie (Bild 8).

Bild 8: Lage einiger ISO-Toleranzfelder relativ zur Nulllinie [6]

Die Toleranzfelder von „Bohrungen“ (allgemein: Innenmaßen) und „Wellen“ (allgemein:

Außenmaßen) mit gleichen Kennbuchstaben liegen (meist) spiegelbildlich zur Nulllinie.

Diese Regel gilt exakt für die Toleranzfeldlagen A/a bis H/h. Bei den übrigen gibt es

teilweise geringfügige Änderungen im µm-Bereich, insbesondere zwischen den

Toleranzfeldern K/k bis N/n.

Dasjenige Grenzabmaß, das der Nulllinie am nächsten liegt, ist (meist) das „Grundabmaß“

und verschiebt sich (meist) nicht (bzw. nur wenig), wenn sich der Grundtoleranzgrad ändert.

Bei JS/js existiert kein Grundabmaß (das Toleranzfeld liegt symmetrisch zur Nulllinie).

Maßtoleranzen werden nach ISO 286 bzw. DIN 7172 in 20 bzw. 18 „Grundtoleranzgrade“

eingeteilt, die mit den Ziffern 01 und 0 sowie 1 bis 18 bezeichnet werden. Der

Grundtoleranzgrad legt über alle Nennmaßbereiche ein bestimmtes Genauigkeitsniveau fest.

Je kleiner die Zahl ist, desto enger sind die Toleranzen. Wenn vor der Ziffer kein

Kennbuchstabe für die Toleranzfeldlage steht, wird der Toleranzgrad allgemein durch „IT“

gekennzeichnet (z.B. IT7).

Feine Grundtoleranzgrade bereiten mit wachsendem Nennmaß zunehmend messtechnische

Schwierigkeiten, weil sich Wärmedehnungen und ungleichmäßige Temperaturverteilungen

merkbar auswirken. Bohrungen lassen sich allgemein schwieriger fertigen als Wellen; daher

werden Bohrungen bei gleicher Funktionsanforderung (z.B. in einer Passung) meist um einen

Grundtoleranzgrad gröber toleriert als Wellen. Bei großen Nennmaßen entfällt jedoch dieses

Argument, weil sich hier die Messschwierigkeiten stärker auswirken.

„Grundtoleranz“ ist die Maßtoleranz, die sich aus dem Nennmaßbereich und dem

Grundtoleranzgrad ergibt. Die Grundtoleranz wächst innerhalb eines Grundtoleranzgrades

nicht proportional zum Nennmaß. Sie wurde so festgelegt, dass für alle Nennmaßbereiche

etwa die gleiche Fertigungsschwierigkeit besteht [6]. Man kann daher vom

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Messgrößen zur Beschreibung von Form- und Lageabweichungen

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Grundtoleranzgrad auf geeignete Fertigungsmaschinen und auch in gewisser Weise auf die

entstehenden Kosten schließen.

Aus den 28 möglichen Toleranzfeldlagen und den 20 bzw. 18 Grundtoleranzgraden lassen

sich theoretisch für jedes einzelne Nennmaß mehr als 500 verschiedene Toleranzfelder für

Bohrung und Welle bilden und bei einer Passung beliebig untereinander kombinieren. Diese

Vielfalt wird jedoch in der Praxis keineswegs gebraucht. DIN 7157 Beiblatt (entsprechend

ISO/R 1829) empfiehlt einige wenige Toleranzfelder (Tabelle 1). Die fett markierten

Toleranzfelder sollten bevorzugt werden. Die kursiv geschriebenen Felder gelten nach DIN

7172 auch für Nennmaße über 3150 mm.

Tabelle 1: Auswahl von Toleranzfelder (nach DIN 7157 Beiblatt). Fettgedruckt:

Vorzugsfelder. Kursiv: Auch für Nennmaße über 1350 (nach DIN 7172) [6]

H11D11C11B11A1111

H10E10D1010

H9F9E9D99

R8P8N8M8K8JS8H8F8E88

T7S7R7P7N7M7K7JS7H7G7F77

T6S6R6P6N6M6K6JS6H6G66

TSRPNMKJSHGFEDCBA

Toleranzfeldlage für Bohrungen

h11c11b11a1111

d1010

h9e9d99

h8f8e8d88

u7t7s7r7p7n7m7k7js7h7f7e77

t6s6r6p6n6m6k6js6h6g6f66

t5s5r5p5n5m5k5js5h5g55

Grundtoleranzgrad IT

utsrpnmkjshgfedcba

Toleranzfeldlage für Wellen

H11D11C11B11A1111

H10E10D1010

H9F9E9D99

R8P8N8M8K8JS8H8F8E88

T7S7R7P7N7M7K7JS7H7G7F77

T6S6R6P6N6M6K6JS6H6G66

TSRPNMKJSHGFEDCBA

Toleranzfeldlage für Bohrungen

h11c11b11a1111

d1010

h9e9d99

h8f8e8d88

u7t7s7r7p7n7m7k7js7h7f7e77

t6s6r6p6n6m6k6js6h6g6f66

t5s5r5p5n5m5k5js5h5g55

Grundtoleranzgrad IT

utsrpnmkjshgfedcba

Toleranzfeldlage für Wellen

3.1.3 Passungen

Viele funktionswichtige Flächen an Maschinenteilen haben eine geometrische Funktion im

Sinne einer Passung. Das bedeutet, dass zwei tolerierte Geometrieelemente (Passflächen)

ineinander gefügt sind, sodass ein Element das andere zumindest teilweise umschließt. Im

Regelfall sind es kreiszylindrische Passflächen („Rundpassung“) oder planparallele

(„Flachpassung“). Nur diese werden von den allgemeinen Normen erfasst (insbesondere von

ISO 286). Bei Verwendung von ISO-Kurzzeichen haben die beiden zusammengehörenden

Passflächen dasselbe Nennmaß. Es gibt drei Arten einer Passung, die sich durch ihr Spiel

bzw. Übermaß (im ungefügten Zustand) unterscheiden (Bild 9) [6].

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Messgrößen zur Beschreibung von Form- und Lageabweichungen

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Bild 9: Passungsarten: a) Spielpassung, b) Übergangspassung, c) Übermaßpassung [6]

Spielpassung: Die Welle (allgemein: das Innenteil) ist stets kleiner als die Bohrung (das

Außenteil). Das Mindestspiel

esEISu

ist stets > 0, im Grenzfall auch = 0.

Übergangspassung: Je nach den Istmaßen von Bohrungen und Wellen kann entweder Spiel

oder Übermaß vorliegen.

Übermaßpassung: Die Welle ist vor dem Fügen in jedem Fall größer als die Bohrung, d.h.

das Höchstspiel

eiESSo

ist immer negativ. Ein negatives Spiel bedeutet ein Übermaß. Nach dem Fügen herrscht

zwischen beiden Elementen eine Flächenpressung. Daher wird diese Passung in der Praxis

auch als „Presspassung“ bezeichnet, unabhängig von der Art des Fügeverfahrens.

Passungssysteme sollen helfen, die mögliche Vielfalt von Toleranzklassen einzuschränken,

d.h. die funktionsbedingt notwendigen Passungsarten mit möglichst wenigen Toleranzklassen

abzudecken und damit die Kosten für Fertigungs- und Messeinrichtungen niedrig zu halten.

Ein Passungssystem bedeutet, dass entweder alle Bohrungen (Innenmaße) oder alle Wellen

(Außenmaße) dieselbe Toleranzfeldlage bekommen, und zwar diejenige mit dem

Grundabmaß 0, d.h. H bzw. h. Damit fällt bereits fast die Hälfte aller vorhandenen

Toleranzklassen weg. Es gibt zwei Passungssysteme:

Einheitsbohrung: Alle Bohrungen (Innenpassmaße) haben die Toleranzfeldlage H. Spiel oder

Übermaß entsteht jeweils über verschiedene Toleranzfeldlagen der Welle (des

Außenpassmaßes) [6].

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Messgrößen zur Beschreibung von Form- und Lageabweichungen

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Einheitswelle: Alle Wellen (Außenpassmaße) werden mit dem Toleranzfeld h versehen; die

Toleranzfeldlage der Bohrung wird entsprechend variiert.

„Einheitsbohrung“ ist im Maschinenbau, insbesondere bei der spanenden Fertigung in

mittleren Serien bis zur Einzelfertigung, stärker verbreitet, weil Bohrungen aufwändiger in

der Fertigung und teurer in der Messung sind als Wellen. Maßgebundene Fertigungsmittel

und Prüfmittel werden je Durchmesser nur für das Toleranzfeld H benötigt. Das System

„Einheitswelle“ tritt dagegen dort auf, wo Außenpassmaße (Wellen) nicht spanend

bearbeitet, sondern fertig bezogen werden, z.B. bei blankgezogenem Halbzeug, bei

Passfedern oder bei Wälzlager-Außenringen.

Grundsatz der Tolerierung

Beim Tolerierungsgrundsatz geht es um den Zusammenhang zwischen Maßtoleranzen und

Formabweichungen (hauptsächlich) bei Passungen an kreiszylindrischen und planparallelen

Passflächen.

Das Mindestspiel bei Maximum-Material-Grenzmaßen ist nur dann vorhanden, wenn die

Teile nicht zusätzlich noch Formabweichungen haben, z.B. krumm sind. Lange bevor es

Form- und Lagetoleranzen gab, erkannte Taylor diesen Zusammenhang und begründete 1905

mit seiner Patentanmeldung den taylorschen Prüfgrundsatz:

Die Gutprüfung ist eine Paarungsprüfung mit einer Lehre, die über das ganze

Geometrieelement geht; die Ausschussprüfung ist eine Einzelprüfung im Zweipunktverfahren.

Die Gutlehre ist somit das geometrisch ideale Gegenstück zum tolerierten Geometrieelement

mit dessen Maximum-Material-Grenzmaß MML. Die Gutgrenze ist identisch mit der

Maximum-Material-Grenze MML. Je weiter das Istmaß von der Maximum-Material-Grenze

entfernt ist, desto größer können Formabweichungen werden. Der Tolerierungsgrundsatz

bestimmt, ob an einfachen Passelement, d.h. Kreiszylindern oder Planflächenpaaren, die

Formabweichungen grundsätzlich im Sinn des taylorschen Prüfgrundsatzes von den

Maßtoleranzen abhängen oder nicht (genau genommen wird auch die

Parallelitätsabweichung miterfasst). Es gibt zwei Grundsätze:

- Unabhängigkeitsprinzip und

- Hüllprinzip.

Unabhängigkeitsprinzip

Das Unabhängigkeitsprinzip ist in ISO 8015 international genormt und bietet daher eine

einheitliche Grundlage für die Interpretation und Prüfung von Toleranzen. Wenn das

Unabhängigkeitsprinzip gelten soll, muss auf der Zeichnung im oder am Schriftfeld deutlich

stehen: „Tolerierung ISO 8015“ (oder zumindest „ISO 8015“) [6]. Wenn sich auf einer

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Messgrößen zur Beschreibung von Form- und Lageabweichungen

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deutschen Zeichnung kein Hinweis auf einen Tolerierungsgrundsatz findet, dann gilt nach

DIN 7167 automatisch das Hüllprinzip.

Nach dem Unabhängigkeitsprinzip wird jede Toleranz für sich allein geprüft. Wenn die

betrachtete Toleranz eingehalten ist, so ist das Werkstück bezüglich diese Eigenschaft in

Ordnung, ohne Rücksicht darauf, wie andere Gestaltabweichungen ausfallen. Die zu

prüfenden geometrischen Gestalteigenschaften stehen auf der Zeichnung. Die Tolerierung

der Blechdicke in Bild 10 a schränkt die Ebenheit nicht ein. Das Blech darf uneben sein, auch

wenn sein Maß überall auf der Maximum-Material-Grenze MML liegt (Bild 10 b). Für die

Ebenheit fehlt hier die Tolerierung; d. h. die Zeichnung a ist unvollständig. Entsprechend

darf der quaderförmige Block (Bild 10 c) den vollen Wert der Ebenheitstoleranz von 0,1 mm

ausnutzen, auch wenn er überall Maximum-Material-Zustand hat (Bild 10 d).

Bild 10: Unabhängigkeit der Formabweichung (hier der Ebenheit) vom Istmaß.

a) unvollständige Zeichnung eines Bleches, b) Ebenheit nicht eingegrenzt, c) Block,

d) zulässige Ausführung [6]

Hüllbedingung beim Unabhängigkeitsprinzip

Die meisten Werkstücke werden mit anderen Bauteilen zusammengefügt. Häufig umschließt

ein Bauteil das andere im Sinne einer Passung. Zur Einhaltung des Spiels müsste man von

Welle und Bohrung jeweils die größtmögliche Ausdehnung ermitteln, d. h. das wirksame

Grenzmaß, das sich aus dem Maximum-Material-Grenzmaß und den maximalen

Formabweichungen ergibt. Das wäre ziemlich unübersichtlich und umständlich. Stattdessen

greift man bei einer Passung auf den taylorschen Prüfgrundsatz zurück. Er begrenzt für jedes

der beiden Passelemente die größte Ausdehnung. Diese Begrenzung ist jeweils die „Hülle“.

Die Hülle entspricht der Maximum-Material-Grenze MML, d. h. dem Grenzmaß, bei dem

das Material des Formelements seine größte Ausdehnung besitzt, bei der Welle nach außen,

bei der Bohrung aber nach innen. Das Geometrieelement darf die Hülle nicht durchbrechen,

um passungsfähig zu sein. Sie verkörpert die Gutseite der Prüflehre nach dem taylorschen

Prüfgrundsatz [6].

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Messgrößen zur Beschreibung von Form- und Lageabweichungen

15

Ein Wellenelement darf nur innerhalb seiner Hülle bleiben bzw. sie im Grenzfall berühren,

eine Bohrung nur außerhalb. Damit sind die Passungsfähigkeit und die Einhaltung des

Maximum-Material-Grenzmaßes MML gesichert. Außerdem muss das Minimum-Material-

Grenzmaß LML eingehalten werden. Beim Unabhängigkeitsprinzip (ISO 8015) ist für alle

empfindlichen Passflächen die Hüllbedingung einzeln einzutragen, indem man hinter das

tolerierte Passmaß setzt. Folgende Schreibweisen sind möglich;

10 f7 oder 10±0,2 oder 10 (mit Allgemeintoleranz)

Die Hüllbedingung wird nur angewendet auf so genannte einfache Maßelemente, nämlich

Kreiszylinder (im Grenzfall Kreise) und Parallelebenenpaare (im Grenzfall Kantenpaare),

und zwar auf äußere („Welle“) und innere („Bohrung“). Sie gilt jeweils nur für ein einzelnes

Maßelement (Bild 11).

Bild 11: Bedeutung der Hülle bei einfachen Maßelementen, d.h. kreiszylindrischen und

planparallelen Elementen [6]

Bei Gültigkeit der Hüllbedingung können die einzelnen Formabweichungen eines

Geometrieelements niemals größer sein als seine Maßtoleranz; sie können maximal die

Maßtoleranz erreichen. Die Hülle bezieht sich immer nur auf ein einzelnes

Geometrieelement; daher kann sie keine Lageabweichungen umfassen [6].

Die Hüllbedingung kann nur mit einer Paarungslehre, die die Gestalt der Hülle hat, oder mit

einer Messmaschine und entsprechendem Auswerteprogramm (rechnerische Nachbildung der

E

E E E

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Fertigungsmesstechnik

Messgrößen zur Beschreibung von Form- und Lageabweichungen

16

Hülle, auch „virtuelle Hülle“ genannt) geprüft werden. Eine Prüfung der Hülle mit üblichen

Zweipunktmessmitteln ist nicht möglich.

Hüllprinzip als Tolerierungsgrundsatz

Unter „Hüllprinzip“ oder auch „Hüllbedingung ohne Zeichnungseintragung“ nach DIN 7167

versteht man die Festlegung, die man schon lange vor der Einführung der Form- und

Lagetolerierung getroffen hatte, um die Passungsfähigkeit von Werkstücken zu sichern. Für

sämtliche so genannten einfachen Maßelemente, d. h. Kreiszylinder und Parallelebenenpaare,

gilt die Hüllbedingung, bzw. der taylorsche Prüfgrundsatz, aber ohne Eintragung von .

Dieses Prinzip ist in Deutschland und einigen Nachbarländern bisher als Grundlage der

Tolerierung angesehen worden. Allerdings war es in der Vergangenheit nicht eindeutig

definiert und wurde teilweise unterschiedlich ausgelegt. Diese Unsicherheit wurde erst 1987

mit DIN 7167 beseitigt.

Die Begriffe „Hüllbedingung“ und „Hüllprinzip“ werden im Allgemeinen nicht scharf

getrennt; das ist auch nicht unbedingt nötig. Hier wird „Hüllprinzip“ für den Grundsatz, der

für die ganze Zeichnung gilt, verwendet, während die „Hüllbedingung“ mittels einzeln

eingetragen wird.

Aus Gründen der Eindeutigkeit und der Rechtssicherheit besagt DIN 7167:

Wenn eine Zeichnung, in der DIN-Normen für Toleranzen und Passungen verwendet

werden, keine Angabe eines Tolerierungsgrundsatzes enthält, dann gilt das Hüllprinzip.

International und auch der Klarheit halber sollte man jedoch eintragen: „Tolerierung DIN

7167“.

Die Festlegung ist notwendig und sinnvoll, weil frühere Zeichnungen generell keine solche

Angabe tragen und in Deutschland nach dem Hüllprinzip geprüft wurden. Seit 1990 enthält

außerdem DIN ISO 286-1 eine international gültige Festlegung praktisch gleichen Inhalts.

Sie besagt sinngemäß:

- Wenn „ISO 8015“ auf der Zeichnung steht, gilt das Unabhängigkeitsprinzip.

- Wenn „ISO 8015“ nicht auf der Zeichnung genannt ist, dann gilt an allen Kreiszylindern

(Bohrungen und Welle) die Hüllbedingung ohne Eintragung von . Nicht direkt genannt

wird hier das Parallelebenenpaar. Jedoch wird unter „Anwendungsbereich“ darauf

verwiesen, dass die Norm zwar der Einfachheit halber meist nur von kreiszylindrischen

Passelementen spricht, die Festlegungen aber generell auch für planparallele Passflächen

gelten [6].

E

E

E

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Messgrößen zur Beschreibung von Form- und Lageabweichungen

17

Im Folgenden werden Tolerierungsgrundsätze zusammengefasst.

Unabhängigkeitsprinzip:

- Jede Toleranz wird für sich allein geprüft.

- ISO 8015 muss auf der Zeichnung stehen.

- Bei Passungen wird die Hüllbedingung durch beim Passmaß einzeln eingetragen.

Hüllbedingung beim Unabhängigkeitsprinzip:

- Sie gilt nur für jeweils ein einzelnes einfaches Maßelement, d. h. Kreiszylinder und

Parallelebenenpaar (ggf. auch Kugel).

- Die Hülle hat die geometrisch ideale Gestalt des Gegenstücks zum Maßelement und sein

Maximum-Material-Grenzmaß.

- Sie beschränkt nur Formabweichungen, keine Lageabweichungen (außer der Parallelität).

- Sie ist identisch mit dem taylorschen Prüfgrundsatz.

- Ihre Prüfung erfordert eine Paarungslehre oder eine Messmaschine.

Hüllprinzip als Tolerierungsgrundsatz:

- Für alle einfachen Maßelemente, d. h. Kreiszylinder und Parallelebenenpaare, gilt die

Hüllbedingung entsprechend Hüllbedingung beim Unabhängigkeitsprinzip, aber ohne .

- DIN 7167 sollte auf der Zeichnung stehen.

- Die Hüllbedingung kann ggf. durch Einzeleintragung teilweise aufgehoben werden.

Allgemeintoleranzen

Allgemeintoleranzen gelten allgemein für die gesamte Zeichnung. Früher hießen sie

„Freimaßtoleranzen“. Sie haben zwei Aufgaben:

- Sie grenzen all die geometrischen Eigenschaften ein, die keine Einzeltoleranzen haben,

damit die Tolerierung insgesamt vollständig ist.

- Sie sollen die „werkstattübliche Genauigkeit“ sichern, die von der Fertigung erwartet wird.

Die Angabe einer Allgemeintoleranzklasse auf der Zeichnung sagt dem Hersteller, welche

Anforderungen an seine Einrichtungen gestellt werden.

Viele Endbearbeitungen erfolgen spanend. Daher hat die frühere Norm DIN 7168 größte

Verbreitung und Bekanntheit gefunden. Im Zuge der internationalen Vereinheitlichung und

gleichzeitig der Anpassung an neuere Erkenntnisse wurde sie 1991 durch DIN ISO 2768

ersetzt. Die Norm ist inhaltsgleich mit ISO 2768. Sie basiert auf DIN 7168; die Unterschiede

sind insgesamt nicht allzu groß. ISO 2768 besteht aus zwei Teilen. Die Toleranzen aus ISO

E

E

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Messgrößen zur Beschreibung von Form- und Lageabweichungen

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2768-Teil 1 gelten für Maß und Winkel und die Toleranzen aus ISO 2768-Teil 2 gelten für

Form und Lage [6].

Allgemeintoleranzen sind heute in einer Reihe von Normen festgelegt. Ihre Toleranzwerte

sind so gehalten, dass sie bei üblicher „guter Werkstattfertigung“ ohne Probleme bzw.,

soweit sie von der Maschinengenauigkeit abhängen, von selbst eingehalten werden können.

Deshalb müssen sie je nach der Art des Fertigungsverfahrens unterschiedlich groß sein.

Allgemeintoleranzen für Längenmaße gelten nur dort, wo auf der Zeichnung tatsächlich ein

Maß eingetragen ist. Es ist nicht zulässig, ein Maß zu halbieren oder aus anderen Maßen zu

berechnen und dafür die entsprechende Allgemeintoleranz zu beanspruchen. Die Aussagen

für Längenmaße gelten auch für Winkelmaße, nur mit dem Unterschied, dass

Winkelallgemeintoleranzen auch nicht eingetragene rechte Winkel, Kreisteilungen und

Vielecke betreffen, sofern die einzelne Norm nichts anderes bestimmt. Davon ausgenommen

sind jedoch Achsenkreuze und regelmäßige Kreisteilungen, wenn eine Gestalt mit

theoretischen Maßen beschrieben wird.

Fast jede Zeichnung hat neben der Allgemeintoleranzangabe auch einzeln eingetragene

Toleranzen für Maße sowie für Form- und Lage-Eigenschaften. Immer dann, wenn eine

Toleranz einzeln eingetragen ist, hebt sie an dieser Stelle die entsprechende

Allgemeintoleranz auf. In der Regel geschieht das, um an funktionswichtigen

Geometrieelementen die Allgemeintoleranz einzuschränken.

Grundsätzlich muss jede auf der Zeichnung angegebene Toleranz eingehalten werden.

Allgemeintoleranzen werden allerdings für ein ganzes Werkstück global angegeben. Die

Anzahl und die Art der möglichen Abweichungen sind so groß, dass sie unmöglich alle auf

ihre funktionale Notwendigkeit hin durchdacht sein können. Oft ist ein Werkstück völlig

funktionstauglich, auch wenn eine Allgemeintoleranz überschritten ist. Deshalb sagt die wohl

wichtigste Allgemeintoleranznorm DIN ISO 2768:

Die Überschreitung einer Allgemeintoleranz darf nicht automatisch zur Zurückweisung eines

Werkstücks führen, wenn dadurch seine Funktion nicht beeinträchtigt ist.

Häufig entsteht die endgültige Gestalt eines Werkstücks in mehreren Schritten mit

verschiedenen Fertigungsverfahren, z. B. Stanzen, Schweißen und Bohren. Die mit den

jeweiligen Verfahren hergestellten Geometrieelemente, soweit sie nicht einzeln toleriert sind,

unterliegen dann unterschiedlichen Allgemeintoleranznormen. Die können gemeinsam auf

einer Zeichnung aufgeführt werden. Wenn in einer Zeichnung mehrere

Allgemeintoleranznormen angegeben sind, dann gilt jede nur für solche Maße bzw.

geometrischen Eigenschaften, die mit einem Fertigungsverfahren erzeugt wurden, das im

Gültigkeitsbereich der jeweiligen Norm festgelegt ist. Wenn für ein einzelnes Maß wirklich

zwei Normen zuständig sind, dann gilt im Zweifelsfall die Norm mit den größeren

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Messgrößen zur Beschreibung von Form- und Lageabweichungen

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Toleranzwerten. Der letztgenannte Fall tritt z. B. auf für ein Maß zwischen einer gegossenen,

roh belassenen Fläche und einer abgespanten Fläche. Hier sind die Gusstoleranznorm (z. B.

ISO 8062) und die Norm für die gespante Fläche (ISO 2768) gültig [6]. Das Maß zwischen

diesen Flächen unterliegt dann nach ISO 2768 der größeren der beiden Toleranzen. Das

dürfte in der Regel die Gusstoleranz sein.

Allgemeintoleranzen werden im oder am Schriftfeld in Form des folgenden Beispiels

eingetragen:

Allgemeintoleranzen ISO 2768 - mH

- Toleranzklasse für Maß- und Winkeltoleranzen (f, m, c oder v)

- Toleranzklasse für Form- und Lagetoleranzen (H, K oder L)

Statt „DIN ISO“ genügt „ISO“; das ist international. Auch das Wort „Allgemeintoleranzen“

kann wegbleiben, wenn keine Unklarheiten bestehen. Der kleine Buchstabe für Maß und

Winkel sowie der große für Form und Lage können beliebig zugeordnet und ggf. auch

einzeln verwendet werden. Solange keine andere Norm gleichzeitig zitiert wird, sollten

immer beide Kennbuchstaben erscheinen. Das Fehlen des 2. Buchstabens ist ein wesentlicher

Grund, weshalb die meisten Zeichnungen in der Praxis unvollständig sind. ISO 2768 kann

gleichermaßen für beide Tolerierungsgrundsätze angewendet werden. Dabei ist auf

eindeutige Kennzeichnung zu achten, für das obige Beispiel etwa in folgender Weise:

- Unabhängigkeitsprinzip: Allgemeintoleranzen ISO 2768 - mH

Tolerierung ISO 8015

- Hüllprinzip: Allgemeintoleranzen ISO 2768 - mH-E

Tolerierung DIN 7167

Beim Unabhängigkeitsprinzip gibt es keine andere Wahl, abgesehen von den

Kennbuchstaben m und H, die hier willkürlich angenommen sind. Beim Hüllprinzip besagt

das angehängte „-E“, dass die nach ISO 2768 allgemeintolerierten Formelemente der

Hüllbedingung unterliegen. Alle übrigen Formelemente werden durch „DIN 7167“ abgedeckt

[6].

Form- und Lagetoleranzen

Form- und Lagetoleranzen dienen dazu, die Funktion und Austauschbarkeit von

Werkstücken und Baugruppen mit zu gewährleisten. Sie werden nur dann zusätzlich zu den

Maßtoleranzen mit Hilfe von Grundzeichen eingetragen, wenn sie für die Funktion und/oder

die wirtschaftliche Herstellung der Teile unerlässlich sind.

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Messgrößen zur Beschreibung von Form- und Lageabweichungen

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Ein Werkstück setzt sich im Allgemeinen aus einzelnen geometrischen Formelementen

zusammen. Da es nicht möglich und auch nicht wirtschaftlich ist, geometrisch ideale

Werkstücke herzustellen, weichen die Formelemente der Werkstücke von der geometrisch

idealen Form und Lage ab.

Des Weiteren werden Formtoleranzen durch einen Toleranzrahmen gekennzeichnet. Dieser

Toleranzrahmen ist rechteckig, hat mindestens zwei und höchstens fünf Felder.

Die Toleranzzone ist ein Bereich, innerhalb dessen sich das gesamte tolerierte

Geometrieelement befinden muss. Sie wird begrenzt von zwei Grenzebenen, die der idealen

Gestalt des Geometrieelements entsprechen. Ihr Abstand ist die Toleranz, d.h. der

eingetragene Zahlenwert im Toleranzrahmen [6].

Eine Formtoleranz eines Elementes (Fläche, Achse, Punkt oder Mittelebene) definiert die

Zone, innerhalb der jeder Punkt dieses Elementes liegen muss.

Eine Formtoleranz soll dafür sorgen, dass ein Geometrieelement von der gedachten

Idealform nur innerhalb bestimmter Grenzen abweichen darf, z.B. dass eine Blechkante, die

als Anschlag dient, hinreichend gerade ist oder dass ein Wälzlagersitz hinreichend

kreiszylindrisch ist.

Geometrieelemente, deren Funktion eine bestimmte Formgenauigkeit erfordert, müssen

daher mit einer entsprechenden Formtoleranzangabe versehen werden [7].

3.4.1 Formtoleranzen

Bei Formtoleranzen im folgenden Kapitel beschränken wir uns auf Toleranzen mit so

genannter „einfachen“ Geometrieelementen, nämlich Geraden und Ebenen sowie Kreise und

Kreiszylinder. Es werden folgende Toleranzarten behandelt:

- Geradheit

- Ebenheit

- Rundheit

- Zylindrizität.

Die Form anderer Geometrieelemente kann im Rahmen des Systems von ISO 1101 nur mit

Profiltoleranzen toleriert werden.

Die Fertigungsgenauigkeit bei Formtoleranzen wird durch die Gestaltabweichungen beurteilt

und gemessen. Die Abweichungen der fertigungstechnisch erzeugten Oberfläche zur

geometrisch idealen Gestalt werden Formabweichungen genannt [8].

Die Formabweichung ergibt sich nach der Minimumbedingung, indem Grenzflächen bzw. –

Linien so an das tolerierte Geometrieelement herangeschoben werden, dass sie es

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Messgrößen zur Beschreibung von Form- und Lageabweichungen

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einschließen und ihr Abstand ein Minimum wird; dieser Abstand ist die Formabweichung t

[6].

Dabei ist die Minimum-Material-Grenze dasjenige Grenzmaß, welches das kleinere

Materialvolumen ergibt. Es ist bei der Welle das Höchstmaß und bei der Bohrung das

Mindestmaß [9].

Die Grenzflächen bzw. –Linien sind

- bei Geradheit zwei parallele Geraden, bzw. bei kreiszylindrischer Toleranzzone ein

Kreiszylinder mit minimalem Durchmesser,

- bei Ebenheit zwei parallele Ebenen,

- bei Rundheit zwei konzentrische Kreise,

- bei Zylindrizität zwei koaxiale Kreiszylinder.

Geradheit

Die Toleranzzone wird in der Messebene durch zwei parallele gerade Linien vom Abstand t

begrenzt.

Bild 12 zeigt, dass jede Mantellinie der tolerierten, zylindrischen Fläche (Bild 12 a) zwischen

zwei parallelen Geraden vom Abstand 0,1 mm liegen muss oder (Bild 12 b) dass jeder

beliebige Abschnitt der Länge 200 jeder beliebigen Mantellinie der tolerierten zylindrischen

Fläche zwischen zwei parallelen Geraden vom Abstand 0,1 mm liegen muss [7].

Bild 12: Geradheitstolerierung [7]

Eine Geradheitstoleranz t sorgt dafür, dass ein Geometrieelement, das geometrisch ideal eine

gerade Linie darstellt, bei der Ausführung am Werkstück eine bestimmte

Geradheitsabweichung nicht überschreitet [7]. Dabei ist die Toleranzzone begrenzt durch

zwei parallele Grenzgeraden im Abstand der Geradheitstoleranz. Die Toleranzzone ist bei

t 0,1 0,1 / 200

a b

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Messgrößen zur Beschreibung von Form- und Lageabweichungen

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allen Formtoleranzen relativ zum Werkstück frei verschiebbar und drehbar. Im Prinzip steht

sie immer senkrecht zum Toleranzpfeil.

Die tolerierte Kante ist in Ordnung, wenn sie auf ganzer Länge zwischen den begrenzenden

Geraden liegt und diese allenfalls berührt [6].

Nach Bild 13 kann eine tolerierte Gerade innerhalb der Toleranzzone beliebige

Abweichungen aufweisen. Diese Abweichungen nennt man Geradheitsabweichungen. Die

Geradheitsabweichungen können z.B. infolge von Verzug gebogen sein, konvex (Bild 13 a)

oder konkav (Bild 13 b), oder abgeknickt (Bild 13 c und d) z.B. durch Verschleiß (das

kommt bei der Prüfung von gebrauchten Teilen vor). Sie kann versetzt sein (Bild 13 e), etwa

infolge von Formversatz oder schartig (Bild 13 f) wegen stumpfer Werkzeuge, wellig (Bild

13 g) oder einfach unregelmäßig (Bild 13 h).

Bild 13: Verschiedene Geradheitsabweichungen [6]

Ebenheit

Die Toleranzzone wird durch zwei parallele Ebenen vom Abstand t begrenzt. Bild 14 zeigt,

dass die tolerierte Fläche zwischen zwei parallelen Ebenen vom Abstand 0,08 mm liegen

muss. Dabei erweitert die Ebenheitstoleranz die Geradheitstoleranz um eine Dimension. Die

Einschränkung von Ebenheitsabweichungen ist bei vielen Geometrieelementen notwendig,

z.B. bei Aufspann- oder Auflageflächen von Werkstücken, bei Teilungsflächen von

Gehäusen oder bei Dichtflächen mit Flachdichtungen. Häufig ist eine Ebenheitstolerierung

bei Bezugsflächen notwendig.

Innerhalb der Toleranzzone zeigt die tolerierte Fläche meist Abweichungen. Diese

Abweichungen nennt man Ebenheitsabweichungen.

Bild 14: Ebenheitstolerierung [7]

t

a b c d e f g h tG

0,08

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Messgrößen zur Beschreibung von Form- und Lageabweichungen

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Nach Bild 15 können Ebenheitsabweichungen z. B. stufige (Bild 15 a), gekrümmte (Bild 15

b), gewölbte (Bild 15 c) oder verwundene (Bild 15 d) Abweichungen sein. Räumliche

Ebenheitsabweichungen wie die Wölbung (Bild 15 c) und die Verwindung (Bild 15 d)

können beim Verzug von nicht genügend torsionssteifen Bauteilen auftreten. Wie bei der

Geradheit ist die Ebenheitsabweichung definiert als der kleinstmögliche Abstand zwischen

zwei parallelen Grenzebenen, die die tolerierte Fläche zwischen sich einschließen [5].

Bild 15: Typische Ebenheitsabweichungen [6]

Rundheit

Die Toleranzzone wird in der zur Achse senkrechten Messebene durch zwei konzentrische

Kreise vom Abstand t begrenzt.

Bild 16 zeigt, dass die Umfangslinie jedes beliebigen Querschnittes der tolerierten,

zylindrischen Fläche zwischen zwei konzentrischen Kreisen vom Abstand 0,1 mm liegen

muss [7].

Bild 16: Rundheitstolerierung [7]

Der Kreis ist neben der Geraden die zweite geometrische Grundfigur in der gesamten

Technik. Die Einhaltung der Rundheit von kreisförmigen oder kreiszylindrischen Teilen hat

daher elementare Bedeutung. Die Kreisform selbst besagt jedoch nichts über die Lage des

Mittelpunkts bzw. die Abhängigkeit von einer Achse [6].

Bei der Rundheit ist die Toleranzzone die Fläche zwischen zwei konzentrischen Kreisen. Die

Rundheits- oder auch Kreisformtoleranz t ist der radiale Abstand der beiden Kreise.

Eine Rundheitstoleranz bezieht sich in aller Regel nur auf einen wirklichen Kreis bzw.

Kreisquerschnitt. Durch Werkzeugmaschinen kommt es häufig zu Rundheitsabweichungen.

Typische, in Bild 17 dargestellte Abweichungen können sein: Oval (Bild 17 a), einseitig

abgeflacht (Bild 17 b) infolge von Verschleiß im Gebrauch, gleichdickförmig (Bild 17 c) mit

t 0,1

a b c d

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Messgrößen zur Beschreibung von Form- und Lageabweichungen

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3 oder auch mehr Erhebungen – dabei kann der äußere Grenzkreis größer sein als der

eingetragene Höchstdurchmesser oder polygonförmig (Bild 17 d) und wellig (Bild 17 e)

infolge Schwingungen einer Werkzeugmaschine oder unrunder Schleifscheibe.

Bild 17 Typische Rundheitsabweichungen [6]

Die unangenehmste Rundabweichung ist dabei oft die Gleichdickförmige. In der Praxis

verwendet man in aller Regel Messmaschinen wie Formprüfer oder Dreikoordinatengeräte.

Formprüfmaschinen ermitteln die Rundheitsabweichungen in der Regel über eine

Rundlaufmessung [6].

Zylindrizität

Die Toleranzzone wird durch zwei koaxiale Zylinder vom Abstand t begrenzt. Bild 18 zeigt,

dass die tolerierte, zylindrische Fläche zwischen zwei koaxialen Zylindern vom Abstand 0,1

mm liegen muss. Dabei erweitert die Zylindrizitätstoleranz die Rundheitstoleranz um eine

Dimension, nämlich um die Länge [7].

Bild 18: Zylindrizitätstolerierung [7]

Die Einschränkung von Zylinderformabweichungen ist bei zahlreichen rotierenden Bauteilen

von der Funktion her nötig, z.B. bei Getriebeelementen. Das Symbol ist ein Kreis mit zwei

Schrägstrichen, vorstellbar als Hinzufügung von parallelen Mantellinien zur Kreisform. Die

Zylindrizitätstoleranz kann praktisch nur für wirkliche Kreiszylinder (Außen- und

Innenzylinderflächen) vorgeschrieben werden, nicht aber für abgeleitete Elemente.

Die Toleranzzone ist der Raum zwischen zwei koaxialen Kreiszylindern mit dem radialen

Abstand der Toleranz t. Weder die gemeinsame Achse noch die absolute Größe der Zylinder

t 0,1

a b c d e

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Messgrößen zur Beschreibung von Form- und Lageabweichungen

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ist festgelegt. Zu den Zylinderformabweichungen gehören nach Bild 19 kegelig (Bild 19 a),

ballig (Bild 19 b), doppelglockenförmig (Bild 19 c) und krumme Abweichungen (Bild 19 d).

Kegelig (Bild 19 a) entsteht z.B. infolge ungenauer Supportführung beim Spanen oder

infolge elastischer Verformung eines einseitig eingespannten Werkstücks und ballig (Bild 19

b) entsteht durch elastische Verformung beim Spanen mit beidseitiger

Werkstückeinspannung. Doppelglockenförmig (Bild 19 c) entsteht z.B. beim Härten oder

Galvanisieren von Werkstücken und gebogene oder krumme (Bild 19 d) Abweichungen

entsteht durch Verzug beim Härten oder beim einseitigen Abspanen von kaltgezogenem

Material [6].

Bild 19: Typische Zylinderformabweichungen [6]

3.4.2 Profiltoleranzen

Profiltoleranzen dienen zur Tolerierung der Formabweichungen von solchen

Geometrieelementen, die nicht aus relativ einfachen geometrischen Gestalten, wie Geraden,

Ebenen, Kreisen und Kreiszylindern, aufgebaut sind. Es gibt zwei verschiedene Arten der

Profiltoleranzen [6]:

- Die Linienprofiltoleranz grenzt beliebige Linien ein, z. B. den Umriss einer

Kurvenschablone oder das Querschnittsprofil eines Tragflügels.

- Die Flächenprofiltoleranz erfasst beliebige Flächen, z. B. eine Motorhaube oder einen

ganzen Tragflügel.

Profiltoleranzen betreffen meist wirkliche Geometrieelemente. Eine Linienprofiltolerierung

kann aber z. B. auch auf die Achse eines gebogenen Rohrs angewendet werden.

Bei einfachen Grundformelementen wie Kreis oder Ebene ist die ideale Form bekannt. Bei

komplizierteren Formen muss dagegen die ideale Gestalt oder Nenngestalt erst einmal

festgelegt werden, und zwar mit theoretischen Maßen oder als rechnerinterner 3D-Datensatz.

Die Toleranz t ist stets der Abstand zwischen den Grenzlinien bzw. -flächen, die die

Toleranzzone begrenzen. Die Toleranzzone von Profiltoleranzen liegt mittig zum idealen

Profil, d. h. die Toleranzgrenzen sind äquidistante Linien bzw. Flächen im Abstand von ± t/2

vom idealen Profil.

t a b c d

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Linienprofil

Die Linienprofiltoleranz (nach DIN ISO 1101 „Profil einer beliebigen Linie“) schränkt die

Abweichungen eines beliebig gestalteten Linienzugs ein. Dieser wird als ein Formelement

aufgefasst. Das Symbol ist ein offener Halbkreis, deutet aber nur eine beliebig geformte

Linie an. Die Toleranzzone wird durch zwei Linien begrenzt, die Kreise vom Durchmesser t

einhüllen, deren Mitten auf eine Linie von geometrisch idealer Form liegen. In jedem zur

Zeichenebene parallelen Schnitt muss das tolerierte Profil zwischen zwei Linien liegen, die

Kreise vom Durchmesser 0,04 einhüllen, deren Mitten auf einer Linie von geometrisch

idealer Form liegen (Bild 20) [6, 7].

Bild 20: Linienprofiltolerierung [7]

Flächenprofil

Die Tolerierung eines Flächenprofils (nach DIN ISO 1101 „Profil einer beliebigen Fläche“)

erweitert das Linienprofil um eine Dimension. Sie begrenzt die Abweichungen von beliebig

gestalteten Flächen. Da sie ebenfalls mit und ohne Bezüge vorkommt, stellt sie die

vielseitigste Toleranzart dar. Das Symbol ist ein geschlossener Halbkreis als Andeutung einer

beliebigen Fläche. Die Toleranzzone wird durch zwei Flächen begrenzt, die Kugeln vom

Durchmesser t einhüllen, deren Mitten auf einer Fläche von geometrisch idealer Form liegen.

Die betrachtete Fläche muss zwischen zwei Flächen liegen, die Kugeln vom Durchmesser

0,02 einhüllen, deren Mitten auf einer Fläche von geometrisch idealer Form liegen (Bild 21)

[6, 7].

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Bild 21: Flächenprofiltolerierung [7]

3.4.3 Richtungstoleranzen

Richtungstoleranzen legen die Richtung des tolerierten Formelements relativ zum

Bezugselement fest. Der Ort ergibt sich aus den Maßen und den Maßtoleranzen. Beide sind

voneinander unabhängig und werden jeder für sich geprüft. Dabei sind die

Richtungstoleranzen meist wesentlich kleiner als die Maßtoleranzen.

Es gibt drei verschiedene Arten der Richtungstoleranzen, die sich vom Nennwinkel her

unterscheiden:

- Neigung : Nennwinkel nach Angabe

- Parallelität : Nennwinkel 0°

- Rechtwinkligkeit : Nennwinkel 90°

Richtungstoleranzen betreffen nur geradlinige und ebene Geometrieelemente. D.h. die

Toleranzzone liegt zwischen zwei Ebenen oder Geraden im Abstand der Richtungstoleranz t.

Dabei gibt es eine Istabweichung f, die den Abstand zwischen zwei Grenzebenen im idealen

Winkel (Nennwinkel) beschreibt [6].

In jeder Richtungstoleranz ist eine Flachformtoleranz eingeschlossen. Daraus ergibt sich,

dass sowohl die Geradheits- als auch die Ebenheitsabweichung des tolerierten Formelements

nicht größer werden kann als die Richtungstoleranz. Es ist daher nur nötig eine Geradheits-

bzw. Ebenheitstoleranz anzugeben, wenn die Formtoleranz kleiner ist als die

Richtungstoleranz.

Neigung

Die Toleranzzone wird durch zwei parallele Ebenen vom Abstand begrenzt, die zum Bezug

im vorgeschriebenen Winkel geneigt sind. Die tolerierte Fläche muss zwischen zwei

parallelen Ebenen vom Abstand 0,05 mm liegen, die zur Bezugsachse A um 12° geneigt sind

(Bild 22) [7].

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Bild 22: Neigungstolerierung [7]

Die Neigung ist mit der Winkeltolerierung verwandt. Während bei der Parallelität und der

Rechtwinkligkeit der Nennwinkel zwischen Bezug und toleriertem Element klar ist, muss er

bei der Neigung eingetragen werden. Für die Neigungstolerierung sind die Toleranz in mm,

der Bezug und der Nennwinkel in Grad erforderlich. Würde das Kästchen fehlen, so würde

der Winkel einer Allgemeintoleranz unterliegen. Die Neigungstoleranzzone begrenzt die

Form des tolerierten Schenkels. D. h. das die Neigung die Geradheit sowie die Ebenheit

senkrecht zur Toleranzzone mit einschließt [6].

Parallelität

Die Toleranzzone wird in der Messebene durch zwei zum Bezug parallel, gerade Linien vom

Abstand t begrenzt. Jede Mantellinie der tolerierten Fläche muss zwischen zwei geraden

Linien vom Abstand 0,1 mm liegen, die zur Bezugsfläche A liegen (Bild 23) [7].

Bild 23: Parallelitätstolerierung [7]

Die Tolerierung der Parallelität beschränkt die Richtungsabweichung zwischen zwei

parallelen Ebenen oder Linien. Die Richtungstoleranz legt nur die Richtung des tolerierten

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Messgrößen zur Beschreibung von Form- und Lageabweichungen

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Elements fest. Sein Ort ergibt sich dagegen häufig aus der Bemaßung. Die Toleranzzone für

Parallelität ist verschiebbar. Nur ihre Richtung ist durch den Bezug gebunden.

Ist eine Parallelitätstoleranz überschritten, sagt das Ergebnis alleine nichts darüber aus, in

welcher Weise der Fertigungsprozess zu korrigieren ist. Daher sind Form und Lage in

Einzeltoleranzen aufzuteilen [6].

Rechtwinkligkeit

Die Toleranzzone wird in der Messebene durch zwei parallele, gerade Linien vom Abstand t

begrenzt, die zum Bezug senkrecht sind. Jede beliebige Mantellinie der tolerierten,

zylindrischen Fläche muss zwischen zwei parallelen, geraden Linien vom Abstand 0,1 mm

liegen, die auf der Bezugsfläche senkrecht stehen (Bild 24) [7].

Bild 24: Rechtwinkligkeitstolerierung [7]

Für die Rechtwinkligkeitstolerierung genügt meist ein einziges Bezugselement. Der Winkel

zwischen Bezug und toleriertem Element muss exakt 90° betragen, denn die

Rechtwinkligkeit von Flächen, Kanten und Linien ist eine der geometrischen Grundlagen der

Fertigung. Alles, was für die Parallelität gilt, außer dem Nennwinkel, ist auch für die

Rechtwinkligkeit gültig [6].

3.4.4 Ortstoleranzen

Ortstoleranzen legen den Nennort oder den idealen Ort eines Formelementes relativ zu einem

oder mehreren Bezügen fest. Dabei ergeben sich drei Arten:

- Position : Der Nennort wird durch theoretische Maße bestimmt

- Koaxialität / Konzentrizität : Die Achse bzw. der Mittelpunkt des Bezugselementes ist der

Nennort

- Symmetrie : Der Nennort ist die Mittelebene oder – linie des Bezugssystems

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Messgrößen zur Beschreibung von Form- und Lageabweichungen

30

Die Position schließt die Koaxialität und die Symmetrie mit ein. Die Positionstolerierung ist

eng mit der Maßtolerierung verwandt und somit eine der wichtigsten Toleranzarten.

Die tolerierten Geometrieelemente sind meist ebene Flächen oder gerade Linie, können aber

auch Mittelpunkte von Kreisen oder Kugeln sein.

Die Toleranzzone von Ortstoleranzen liegt symmetrisch zum Nennort. Sie wird begrenzt

durch zwei Ebenen bzw. Geraden im Abstand der Ortstoleranz, von einem Kreiszylinder

bzw. Kreis oder von einer Kugel. Durch diese geradlinige Begrenzung, die bei allen

Richtungs- und Flachformtoleranzen vorkommen (Geradheit, Ebenheit) hängen

Ortstoleranzen mit diesen Toleranzarten zusammen und schließen sie mit ein.

Jede geradlinige Ortstoleranz begrenzt am tolerierten Geometrieelement den Ort, die

Richtung und die Form. Ist eine Ortstoleranz schon vorhanden, ist die Eintragung einer

Richtungstoleranz nur dann sinnvoll, wenn sie kleiner ist als die Ortstoleranz [6].

Koaxialität / Konzentrizität

Die Toleranzzone wird durch einen Zylinder vom Durchmesser begrenzt, dessen Achse mit

der Bezugsachse übereinstimmt. Die Achse des tolerierten Zylinders muss innerhalb eines

zur Bezugsachse A koaxialen Zylinders vom Durchmesser 0,08 mm liegen (Bild 25) [7].

Bild 25: Koaxialitätstolerierung [7]

Die Koaxialität ist ein Sonderfall der Position. Toleriertes und Bezugselement sind stets

Achsen von Rotationselementen. Der Toleranzpfeil steht immer auf dem entsprechendem

Durchmesser- Maßpfeil. Die Koaxialitäts-Toleranzzone ist immer kreiszylindrisch und liegt

koaxial zur Bezugsachse. Außerdem ist sie immer größer als die Geradheitsabweichung der

tolerierten Achse und ihrer Parallelitätsabweichung zur Bezugsachse. Die

Geradheitsabweichung der tolerierten Achse und ihre Parallelitätsabweichung zur

Bezugsachse können nicht größer werden als die Koaxialitätstoleranz. Die direkte

mechanische Messung ist nicht möglich, denn die Formprüfgeräte ermitteln die

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Koaxialitätsabweichung über eine Rundlaufmessung. Steht keine Messmaschine zur

Verfügung, sollte man statt der Koaxialität lieber den Rundlauf tolerieren [6].

Position

Wenn dem Toleranzwert das Zeichen Ø vorangestellt ist, wird die Toleranzzone durch einen

Zylinder vom Durchmesser t begrenzt, dessen Achse am theoretisch genauen Ort der

tolerierten Linie liegt. Die Achse der tolerierten Bohrung muss innerhalb eines Zylinders

vom Durchmesser 0,02 mm liegen, dessen Achse sich bezogen auf die Flächen A und B am

theoretisch genauen Ort befindet (Bild 26) [7].

Bild 26: Positionstolerierung [7]

Die Tolerierung der Position gehört zu den wichtigsten Lagetoleranzen. Für die

Positionstoleranzangabe sind die Positionstoleranz in mm, die Bezüge und die theoretischen

Maße für Abstände zu den Bezügen erforderlich. Die Position begrenzt den Ort des

tolerierten Elements relativ zum Bezug bzw. Bezugssystems. Sie ist somit verwandt mit der

Maßtolerierung [6].

Symmetrie

Die Toleranzzone wird durch zwei zur Bezugsachse oder Bezugsebene symmetrisch liegende

Ebenen vom Abstand t begrenzt. Die Mittelebene der Nut muss zwischen zwei parallelen

Ebenen vom Abstand 0,08 mm liegen, die symmetrisch zur Mittelebene des

Bezugselementes A liegen (Bild 27) [7].

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Bild 27: Symmetrietolerierung [7]

Die Symmetrie ist ein Sonderfall der Position. Sie ist eine Spiegelsymmetrie mit einer

Bezugsebene oder –linie. Die Symmetrietolerierung ist wichtig, weil in der üblichen

Bemaßung keinerlei Symmetrietoleranz enthalten ist. Fehlende Symmetrie- oder

Koaxialitätsangaben sind eine wesentliche Ursache, weshalb etwa 80% der Zeichnungen in

der Praxis unvollständig sind.

Bezugselement ist häufig die Mittelebene oder –linie, aber auch Achsen. Die Toleranzzone

ist in der Regel von zwei Ebenen im Abstand der Symmetrietoleranz begrenzt. In die

Symmetrie mit eingeschlossen ist die Parallelität des tolerierten Elements, seine Geradheit

und bei einer tolerierten Ebene auch die Ebenheit [6].

3.4.5 Lauftoleranzen

Lauftoleranzen sind nur auf rotationssymmetrischen Teilen anwendbar und haben alle eine

(Rotations-) Achse als Bezug. Bei der Messung muss das Werkstück um diese Achse

rotieren. Toleriert sind stets Elemente mit Kreisquerschnitt sowie Planflächen. Durch die

Bezugsachse sind die Lauftoleranzen mit den Koaxialitätstoleranzen verwandt.

Lauftoleranzen unterscheidet man nach dem Messverfahren und der Messrichtung.

Messverfahren:

- Einfacher Lauf: Es wird jeweils an einzelnen Stellen, beliebig über das tolerierte Element

verteilt, überprüft.

- Gesamtlauf: Das Messgerät wird während der Messung über das gesamte tolerierte

Element geführt.

Messrichtung:

- Rundlauf/ Planlauf: Die Messrichtung steht senkrecht bzw. parallel zur Bezugsachse.

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33

- Lauf in beliebiger / festgelegter Richtung: Die Messrichtung liegt jeweils senkrecht zur

Richtung der tolerierten Fläche.

Lauftoleranzen haben ringförmige Toleranzzonen und sind daher auch mit der Rundheit und

der Zylindrizität verwandt [6].

Lauf

Die Toleranzzone wird in der zur Achse senkrechten Messebene durch zwei konzentrische

Kreise vom Abstand begrenzt, deren gemeinsame Mitte auf der Bezugsachse liegt. Die

Umfangslinie jedes beliebigen Querschnitts der tolerierten Flächen muss zwischen zwei

konzentrischen Kreisen vom Abstand 0,1 mm liegen, deren gemeinsame Mitte auf der aus A

und B gebildeten Bezugsachse liegt (Bild 28) [7].

Bild 28: Rundlauftolerierung [7]

Das Symbol für den einfachen Lauf ist ein schräger Pfeil, der nicht nach Rund-, Plan- oder

beliebigem Lauf unterscheidet. Die Messrichtung ergibt sich allein aus der Richtung des

Toleranzpfeils. Die tolerierte Fläche muss die Lauftoleranz an allen Stellen einhalten.

In der Rundlauftoleranz ist die Rundheit aller Querschnitte mit eingeschlossen. Die

Rundheitsabweichung kann daher nicht größer werden als die Rundlauftoleranz.

Wenn keine Koaxialitätsabweichung vorliegt, ist die gemessene Rundlaufabweichung gleich

der Rundheitsabweichung [6].

Gesamtlauf

Die Toleranzzone wird durch zwei parallele Ebenen vom Abstand begrenzt, die senkrecht zur

Bezugsachse sind. Die tolerierte Fläche muss zwischen zwei parallelen Ebenen vom Abstand

0,1 mm liegen, die senkrecht zur Bezugsachse D sind (Bild 29) [7].

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Messgrößen zur Beschreibung von Form- und Lageabweichungen

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Bild 29: Gesamtlauftolerierung [7]

Der Gesamtlauf wurde aus Gründen der messtechnischen Entwicklung erst später den

Lagetoleranzen hinzugefügt. In der Praxis hat er sich aber schnell durchgesetzt, weil er

mehrere funktionswichtige Toleranzarten an Rotationsteilen mit einer einzigen Messung

überprüfen kann.

Wenn das tolerierte Element um die Bezugsachse rotiert, wird das Messgerät allmählich über

die gesamte tolerierte Fläche verschoben. Dabei darf insgesamt die Differenz der

Messanzeige nicht größer sein als die Gesamtlauftoleranz.

Der Gesamtrundlauf schließt folgende Toleranzarten mit ein:

- Die Zylindrizität der gesamten Fläche

- Die Rundheit jedes Querschnitts

- Die Geradheit aller Mantellinien und der Istachse

- Die Parallelität der Mantellinie zur Achse

- Die Koaxialität des tolerierten Elements

Bei dem Gesamtplanlauf ist die Rechtwinkligkeit enthalten. In beiden ist wiederum die

Ebenheit enthalten [6].

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Fertigungsmesstechnik

Messgrößen zur Beschreibung technischer Oberflächen

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4. Messgrößen zur Beschreibung technischer Oberflächen

Profiltiefe Pt

Die Profiltiefe Pt (Gesamthöhe des P-Profils) ist die Summe aus der Höhe der größten

Profilspitze und der Tiefe des größten Profiltals des P-Profils innerhalb der Bezugsstrecke

(Bild 30). Pt ist ein Maß für die über die Bezugsstrecke erfassten Gestaltabweichungen der

Oberfläche (Form, Welligkeit, Rauheit). Die Länge der Bezugsstrecke ist vom Konstrukteur

in der Zeichnung anzugeben.

Bild 30: Profiltiefe Pt

Wellentiefe Wt

Die Wellentiefe Wt (Gesamthöhe des W-Profils) ist die Summe aus der Höhe der größten

Profilspitze und der Tiefe des größten Profiltals des W-Profils innerhalb der Messstrecke

(Bild 31). Die Länge lw der Bezugsstrecke bzw. der Einzelmessstrecke (λc) ist vom

Konstrukteur in der Zeichnung anzugeben. Die Bezugsstrecke sollte mindestens so lang wie

die größte Wellenlänge sein, die noch beurteilt werden soll. Wt ist ein Maß für die Welligkeit

der Oberfläche.

Bild 31: Wellentiefe Wt

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Messgrößen zur Beschreibung technischer Oberflächen

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Einzelrautiefe RZi

Die Einzelrautiefe RZi ist die Summe aus der Höhe der größten Profilspitze und der Tiefe des

größten Profiltals des Rauheitsprofils R innerhalb der Einzelmessstrecke lr. Die Länge von lr

entspricht der in DIN EN ISO 4288 genannten Grenzwellenlängen λc (siehe Anhang).

Maximale Rautiefe Rmax

Die maximale Rautiefe Rmax ist die größte Einzelrautiefe RZi innerhalb der gesamten

Messstrecke ln (Bild 32). Rmax ist ein Maß für die Ausprägung der Oberflächenrauheit

senkrecht zur Prüffläche. Von allen in der Praxis angewendeten Senkrechtkenngrößen hängt

sie am stärksten von einzelnen Profilmerkmalen ab.

Bild 32: maximale Rautiefe Rmax

Gemittelte Rautiefe Rz

Die gemittelte Rautiefe Rz ist das arithmetische Mittel aus den fünf Einzelrautiefen RZi, deren

Einzelmessstrecken aneinandergrenzen (Bild 33).

5

1i

ziz R5

1R

Durch die Mittelung wird die Auswirkung von Ausreißern auf den Zahlenwert der

Messgröße verringert. Rz gibt die ungefähre Rauheitsprofilhöhe ohne Ausreißer an [4].

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Messgrößen zur Beschreibung technischer Oberflächen

37

Bild 33: gemittelte Rautiefe Rz

Arithmetischer Mittenrauwert Ra

Der arithmetische Mittenrauwert Ra ist der arithmetische Mittelwert der Beträge aller

Profilwerte des Rauheitsprofils (Bild 34).

nl

n

a dxxZl

R0

)(1

Ra ist die weltweit wohl am häufigsten angewendete Rauheitskenngröße. Sie ist einfach zu

messen, bei Wiederholmessungen gut zu reproduzieren, macht aber so gut wie keine Aussage

über die Ausprägung einzelner Profilmerkmale. Sie eignet sich zur Beurteilung der Funktion

von Werkstückflächen daher nur in Kombination mit anderen Oberflächenkenngrößen.

Bild 34: Arithmetischer Mittenrauwert Ra [10]

Materialanteil Rmr (Materialanteil des Rauheitsprofils)

Der Materialanteil des R-Profils Rmr ist zur Beurteilung von Gleitflächen wichtig, für die ein

bestimmter Verschleiß angenommen wird. Bei Lagerflächen sind gute Kontakteigenschaften

erwünscht. Zwischen zwei Gleitflächen bildet sich ein Schmierfilm, wobei herausragende

Istprofil (überhöht)

mittleres Profil

Gesamtmessstrecke (ln)

ln

Bezugsprofil Z (Auslenkung der Tastnadel)

Grundprofil

1 2 3 4 5

6 7 8 i

Zi

Z3

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Messgrößen zur Beschreibung technischer Oberflächen

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Spitzen die Gegenfläche berühren und damit Reibung und Verschleiß verursachen.

Oberflächen mit herausragenden Spitzen sind in solchen Fällen unerwünscht. Hier werden

Flächen mit geringen Spitzen, aber einzelnen Riefen bevorzugt. Derartige Strukturen lassen

sich durch den Materialanteil Rmr charakterisieren.

Die Kenngröße Rmr gibt an, welchen Anteil die summierte, im Material verlaufende Strecke

relativ zur Messstrecke einnimmt. Der Vergleich wird in der Tiefe c ausgeführt. Zur

Ermittlung des Materialanteiles Rmr wird eine Schnittlinie in das gefilterte Profil gelegt. Die

Strecken auf der Schnittlinie, die das Profil schneiden, werden addiert und ins Verhältnis zur

Messstrecke ln gesetzt, woraus sich der Materialanteil in % ergibt (Bild 35). Wichtig ist dabei

die Angabe der Schnittlinientiefe c, in welcher der Materialanteil ermittelt wurde.

[%])(100

1

n

L

n

n

mr cLl

R

Bild 35: Materialanteilkurve (Abbott-Kurve) und Materialanteil Rmr

Das Ergebnis der Messung des Materialanteils hängt stark von der Größe der höchsten Spitze

ab. Um die Abhängigkeit von einer einzigen Spitze zu vermeiden, wird in der Praxis eine

Bezugslinie bevorzugt, die unterhalb der höchsten Spitze verläuft und deren Lage in %

Materialanteil angegeben wird. Eine Nulllinienverschiebung von 5% (wie häufig üblich)

bedeutet, dass die Nulllinie dahin gelegt wird, wo 5% Materialanteil vorhanden sind. Diese

Verschiebung der Nulllinie muss angegeben werden, da sonst gravierende Unterschiede der

Messwerte zu erwarten sind [11].

Kernrautiefe Rk, reduzierte Spitzenhöhe Rpk, reduzierte Riefentiefe Rvk

Der Rk-Wert dient vorwiegend zur funktionsgerechten Beurteilung von plateauartigen

Oberflächen, wie sie beim Honen von Zylinderbüchsen erwünscht sind oder bei der

Feinbearbeitung keramischer Werkstoffe entstehen. Die Kenngrößen Rk, Rpk und Rvk

ermöglichen die getrennte Beurteilung von Kernbereich, Spitzenbereich und Riefenbereich,

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Messgrößen zur Beschreibung technischer Oberflächen

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welche unterschiedliche Bedeutung für das Funktionsverhalten haben. In den meisten Fällen

werden niedrige Werte für Rpk und wesentliche größere Werte für Rk angestrebt, da dieser

Wert maßgebend für das Ölrückhaltevolumen ist.

Die Oberflächenkenngröße hat sich zur Beschreibung von Gleitflächen bewährt. Für solche

Flächen ist häufig eine plateauartige Oberflächenstruktur erwünscht. Eine weitgehend glatte

Oberfläche ist dabei von mehr oder weniger tiefen Riefen durchzogen. In diesen Riefen

sollen beim Gleitprozess das Schmiermittel und evtl. Abrieb aufgenommen werden können.

Der Absolutwert von Rk sagt noch nichts über die Form des Oberflächenprofils aus. Ist aber

Rk beispielsweise recht klein zu Rz, kann von einem plateauartigen Charakter der Oberfläche

ausgegangen werden. Je kleiner Rk in diesem Vergleich ist, desto höher belastbar ist die

Oberfläche (Bild 36) [11].

Um die Oberflächenkenngrößen Rk, Rpk, Rvk bestimmen zu können, ist es unbedingt

erforderlich, dass die Materialanteilkurve (Abbott-Kurve) einen S-förmigen Verlauf hat: Sie

muss zunächst steil abfallen, dann einen flacheren Verlauf zeigen und in einem wieder steil

abfallenden Kurvenstück enden.

Bild 36: Ermittlung der Kernrautiefe Rk nach DIN EN 13565 [12]

Eine Sekante mit der Länge 40% des Materialanteils wird an der Abbott-Kurve so lange

verschoben, bis sie die geringste Neigung hat. Die Gerade wird zu den 0%- und 100%-

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Achsen des Materialanteils verlängert. Der vertikale Abstand dieser Schnittpunkte ist die

Kernrautiefe Rk. Ausgehend von den Schnittpunkten werden zwei Linien parallel zur x-

Achse gezogen, die das Rauheitskernprofil von den darüber herausragenden Spitzen und

Tälern trennen. Ihre Schnittpunkte mit der Materialanteilkurve bestimmen die Materialanteile

Mr1 und Mr2 (Bild 37).

Die reduzierte Spitzenhöhe Rpk ist die Höhe desjenigen Dreiecks, das die gleiche Grundlinie

und denselben Flächeninhalt hat wie die Fläche der Profilspitzen. Analog dazu ist die

reduzierte Riefentiefe Rvk die Höhe desjenigen Dreiecks, das die gleiche Grundlinie

denselben Flächeninhalt hat wie die Fläche der Profiltäler (Bild 37) [11, 12, 13].

Bild 37: Ermittlung der reduzierten Spitzenhöhe Rpk und der reduzierten Riefentiefe Rvk nach

DIN EN 13565 [12]

Berechnung des Ölrückhaltevolumens nach M. Stewart [13]

Aus der reduzierten Riefentiefe Rvk und der Materialanteil-Kenngröße Mr2 kann nach M.

Stewart ein Kennwert V0 für das Ölrückhaltevolumen der Prüffläche berechnet werden (Bild

38).

Der Kennwert wird mit dem Flächeninhalt der betrachteten Fläche multipliziert, um einen

Näherungswert für das tatsächliche Ölrückhaltevolumen zu erhalten:

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Messgrößen zur Beschreibung technischer Oberflächen

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Bild 38: Berechnung des Ölrückhaltevolumens nach M. Stewart [13]

Nach [11] wird das Ölrückhaltevolumen in der Einheit 1/mm² angegeben.

Anwendungsbeispiel: Rvk = 2µ, Mr2 = 83%

²/³00017,0200

)83100(*002,00 mmmmV

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Literaturverzeichnis

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5. Anhang

Tabelle 2: Grenzwellenlänge λc nach DIN EN ISO 4288 [11]

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Fertigungsmesstechnik

Literaturverzeichnis

43

6. Literaturverzeichnis

[1] Westkämper, E.; Warnecke, H.-J.: Einführung in die Fertigungstechnik. 5.Auflage,

Stuttgart / Leipzig / Wiesbaden, Teubner, 2002

[2] König, W; Klocke, F: Fertigungsverfahren Drehen, Fräsen, Bohren, 7.Auflage,

Berlin, Springer, 2002

[3] Lemke, E.: Fertigungsmesstechnik. Braunschweig, Vieweg, 1988

[4] Warnecke, H.-J.; Dutschke, W.: Fertigungsmesstechnik Handbuch für Industrie und

Wissenschaft. Berlin / Heidelberg / New York / Tokyo, Springer-Verlag, 1984

[5] Matek, W.; Muhs, D.; Wittel, H.; Becker, M.: Maschinenelemente. Friedr. Vieweg &

Sohn Verlagsgesellschaft. Braunschweig / Wiesbaden, 1995

[6] Jorden, W.: Form- und Lagetoleranzen – Handbuch für Studium und Praxis –

3.Auflage. Carl Hanser Verlag, München / Wien, 2005

[7] Mahr GmbH. Längenprüftechnik I und II, Schulungsunterlagen. Göttingen, 2008

[8] Perović, B.: Spanende und abtragende Fertigungsverfahren, Expert Verlag, 2000

[9] Hoischen, H.: Technisches Zeichnen, Cornelsen Verlag, Berlin, 1996

[10] Dutschke, W.: Fertigungsmesstechnik. 4. Auflage, Stuttgart / Leipzig / Wiesbaden,

Teubner, 2002

[11] Volk, R.: Rauheitsmessung - Theorie und Praxis. Beuth Verlag, Berlin / Wien /

Zürich, 2005

[12] DIN EN ISO 13565 (Teile 1 und 2)

[13] Mahr GmbH. Oberflächentechnik, Schulungsunterlagen. Göttingen, 2008