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Einleitung Anatomie und Funktion des Labrums Das Labrum des Hüftgelenkes ist eine fibrokartilaginäre Struktur mit einem triangulären Querschnitt, welche am knöchernen Rand des Azetabulums befestigt ist. Zur Azetabuluminnenseite grenzt das Labrum an den hya- linen Gelenkknorpel und zur Außenseite bildet es einen Rezessus mit der Gelenkkapsel (Abb. 1). Das Labrum umgibt die Gelenkpfanne ringförmig und bildet im inferioren Bereich eine Einheit mit dem Ligamentum transversum. Das Labrum hat eine ähnliche histologische Struktur wie die Menisken und besteht mehrheitlich aus Typ-I- Kollagenfasern. Diese sind in Bündeln parallel zum Azetabularrand mit einzelnen schräg dazu verlaufen- den Fasern angelegt und sind umgeben von der extra- zellulären Matrix. Es ist mit nozizeptiven und proprio- zeptiven Fasern innerviert. Die Blutversorgung des Labrums kommt hauptsächlich aus Gefäßen der Ge- lenkkapsel, was zu einer besseren Blutversorgung des äußeren Anteils des Labrums, verglichen mit dem Be- reich auf der artikulären Seite, führt. Das Labrum augmentiert die Femurkopfüberdachung und trägt zur gleichmäßigen Gewichtsverteilung und zur Stabilität des Hüftgelenkes bei. Die mechanische Rolle des Labrums ist aber nicht gänzlich geklärt. Aus experimentellen Studien wird eine Abdichtungsfunkti- on vermutet, welche den Austritt von Gelenkflüssigkeit bei Belastung des Gelenkes verhindern soll. Durch die Labrumläsionen des Hüftgelenkes S. D. Steppacher, M. Tannast, K. A. Siebenrock Klinik und Poliklinik für Orthopädische Chirurgie, Inselspital, Universität Bern Orthopädie und Unfallchirurgie up2date 3 ȴ 2008 ȴ 215 ŷ 232 ȴ DOI 10.1055/s-2008-1077381 Labrumläsionen des Hüftgelenkes sind bereits seit Jahr- zehnten bekannt und beschrieben. Aufgrund neuer For- schungserkenntnisse der letzten Jahre treten sie nur äußerst selten isoliert und meistens im Rahmen einer pa- thomorphologischen Veränderung der Hüfte auf. Klinisch präsentiert sich in der Regel ein reproduzierbarer Leisten- schmerz in 908 Flexion und forcierter Innenrotation. Ätio- logisch kommen neben traumatischen Läsionen (Hüftlu- xation, Azetabulumfrakturen) vor allem die Hüftdysplasie sowie alle Pathologien im Zusammenhang mit einem femoroazetabulären Impingement infrage. Morphologisch lassen sich verschiedene Typen von Labrumläsionen und unterschiedliche Lokalisationen unterscheiden. Die Mag- netresonanzarthrografie (Arthro-MRT) mit radialen Schichten ist derzeit der diagnostische Goldstandard von Labrumpathologien. Die Therapie besteht darin, zuerst die Ursache der Labrumläsion zu beheben, defekte, knochen- nahe Anteile des Labrums zu resezieren und die meist in- takte Spitze des Labrums unter Erhaltung der Kontinuität zu refixieren. Abb. 1 n Histologischer Querschnitt durch Labrum (A) und Azeta- bularrand (B). Zur Innenseite grenzt das Labrum an den Gelenkknorpel (C) und bildet mit diesem eine Übergangszone (D). Zur Außenseite grenzt es an die Gelenkkapsel (E), mit welcher es den Rezessus (F) bildet (nach Seldes et al. Anatomy, histologic features, and vascularity of the adult acetabular labrum. Clin Orthop Relat Res 2001; 382 : 232 ŷ 240). Hintergrund Abkürzungen FAI femoroazetabuläres Impingement PAO periazetabuläre Osteotomie 215 Labrumläsionen des Hüftgelenkes

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Einleitung

Anatomie und Funktion des Labrums

Das Labrum des Hüftgelenkes ist eine fibrokartilaginäreStruktur mit einem triangulären Querschnitt, welcheam knöchernen Rand des Azetabulums befestigt ist. ZurAzetabuluminnenseite grenzt das Labrum an den hya−linen Gelenkknorpel und zur Außenseite bildet es einenRezessus mit der Gelenkkapsel (Abb. 1). Das Labrumumgibt die Gelenkpfanne ringförmig und bildet iminferioren Bereich eine Einheit mit dem Ligamentumtransversum.

Das Labrum hat eine ähnliche histologische Strukturwie die Menisken und besteht mehrheitlich aus Typ−I−Kollagenfasern. Diese sind in Bündeln parallel zumAzetabularrand mit einzelnen schräg dazu verlaufen−den Fasern angelegt und sind umgeben von der extra−zellulären Matrix. Es ist mit nozizeptiven und proprio−zeptiven Fasern innerviert. Die Blutversorgung desLabrums kommt hauptsächlich aus Gefäßen der Ge−lenkkapsel, was zu einer besseren Blutversorgung desäußeren Anteils des Labrums, verglichen mit dem Be−reich auf der artikulären Seite, führt.

Das Labrum augmentiert die Femurkopfüberdachungund trägt zur gleichmäßigen Gewichtsverteilung undzur Stabilität des Hüftgelenkes bei. Die mechanischeRolle des Labrums ist aber nicht gänzlich geklärt. Ausexperimentellen Studien wird eine Abdichtungsfunkti−on vermutet, welche den Austritt von Gelenkflüssigkeitbei Belastung des Gelenkes verhindern soll. Durch die

Labrumläsionen des HüftgelenkesS. D. Steppacher, M. Tannast, K. A. SiebenrockKlinik und Poliklinik für Orthopädische Chirurgie, Inselspital, Universität Bern

Orthopädie und Unfallchirurgie up2date 3 ê2008 ê215 ± 232 êDOI 10.1055/s−2008−1077381

Labrumläsionen des Hüftgelenkes sind bereits seit Jahr−zehnten bekannt und beschrieben. Aufgrund neuer For−schungserkenntnisse der letzten Jahre treten sie nuräußerst selten isoliert und meistens im Rahmen einer pa−thomorphologischen Veränderung der Hüfte auf. Klinischpräsentiert sich in der Regel ein reproduzierbarer Leisten−schmerz in 908 Flexion und forcierter Innenrotation. Ätio−logisch kommen neben traumatischen Läsionen (Hüftlu−xation, Azetabulumfrakturen) vor allem die Hüftdysplasiesowie alle Pathologien im Zusammenhang mit einem

femoroazetabulären Impingement infrage. Morphologischlassen sich verschiedene Typen von Labrumläsionen undunterschiedliche Lokalisationen unterscheiden. Die Mag−netresonanzarthrografie (Arthro−MRT) mit radialenSchichten ist derzeit der diagnostische Goldstandard vonLabrumpathologien. Die Therapie besteht darin, zuerst dieUrsache der Labrumläsion zu beheben, defekte, knochen−nahe Anteile des Labrums zu resezieren und die meist in−takte Spitze des Labrums unter Erhaltung der Kontinuitätzu refixieren.

Abb. 1 n

HistologischerQuerschnittdurch Labrum(A) und Azeta−bularrand (B).

Zur Innenseite grenzt das Labrum an den Gelenkknorpel (C) und bildetmit diesem eine Übergangszone (D). Zur Außenseite grenzt es an dieGelenkkapsel (E), mit welcher es den Rezessus (F) bildet (nach Seldes etal. Anatomy, histologic features, and vascularity of the adult acetabularlabrum. Clin Orthop Relat Res 2001; 382 : 232 ± 240).

Hintergrund

Abkürzungen

FAI fi femoroazetabuläres Impingement

PAO fi periazetabuläre Osteotomie

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Labrumläsionen des Hüftgelenkes

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Retention von Flüssigkeit im Gelenkspalt werden einegleichmäßige Kraftübertragung erreicht und Druckspit−zen, welche besonders zu Schädigung des Knorpelsführen können, verhindert. Gleichzeitig wird durch denFlüssigkeitsfilm die Reibung im Gelenk auf ein Mini−mum reduziert. Darüber hinaus wird eine zusätzlicheStabilisierung des Hüftgelenkes durch einen Unterdruckzwischen Femurkopf und Azetabulum als Resultat derDichtefunktion des Labrums vermutet.

Epidemiologie

Es ist offensichtlich, dass Labrumläsionen im Endsta−dium der Koxarthrose auftreten, weshalb in früherenStudien auch eine erhöhte Prävalenz in der älteren Per−sonengruppe gefunden wurde. Alarmierend sind jedochLabrumläsionen beim jungen Patienten, da sie hier einFrühsignal für eine beginnende irreversible Schädigungdes Gelenkes darstellen. Heutzutage wird von einerPrävalenz von ca. 10± 15 % in der jungen Bevölkerungausgegangen.

Ätiologie

Ätiologisch kommen folgende Mechanismen infrage(Tab. 1):n traumatische Läsionen des Hüftgelenkesn Dysplasien femoroazetabuläres Impingement (FAI)

Generell finden sich Labrumläsionen bei allen fortge−schrittenen Koxarthrosen und nur sehr selten ohne o. g.Pathologien. Lange Zeit galten die isolierten Labrum−

läsionen mit okkultem Trauma als die häufigste Form.Neueste Erkenntnisse zeigten jedoch, dass bei denmeisten Patienten mit der Diagnose ¹isolierte“ Labrum−läsion eine abnorme Morphologie des Hüftgelenkes,insbesondere ein FAI, zugrunde liegt. Labrumläsionensind somit größtenteils eine Folge einer primären Ano−malie der Hüftgelenkmorphologie.

Häufig handelt es sich bei der Labrumläsion um eineAblösung des Labrums vom knöchernen Azetabular−rand und seltener um eine intralabrale Läsion. Die Ab−lösung entsteht meist auf der Gelenkinnenseite an derÜbergangszone zwischen Labrum und hyalinem Ge−lenkknorpel (fibrokartilaginäre Separation; Beck et al.2005). Ursache für diese Prädilektionsstelle sind spezi−fische Schädigungsmechanismen, kombiniert mit derdokumentierten verminderten Durchblutung in diesemBereich. Bei größeren Labrumläsionen findet sich einekorrespondierende Schädigung des angrenzendenKnorpels. Sekundär kann das Labrum ossifizieren. As−soziiert mit Labrumläsionen sind auch Ganglien, welcheintra− oder extraossär auftreten können (Abb. 2). Diesesind mit Synovialgewebe und −flüssigkeit gefüllt. Eswird angenommen, dass sie durch kleine Defekte ausdem Gelenkraum entstehen und deshalb meist nochmit dem Gelenk kommunizieren. Histologisch ist eineLabrumläsion ein chronisch−degenerativer Prozess,welcher mit einem Strukturverlust des Kollagens undeinem myxoid−zystischem Abbau der extrazellulärenMatrix mit Chondrozytenproliferation einhergeht(Abb. 3).

Tabelle 1

Erwiesene Ätiologien einer Labrumläsion und assoziierte Pathologien.

Ätiologie Pathomechanismus Assoziierte Pathologien

Dysplasie Hüftdysplasie Morbus Perthes

femoroazetabuläresImpingement

Cam−Impingement Morbus PerthesEpiphysiolysis capitis femoris

Pincer−Impingement hochgradige Formen vonMorbus Perthes oder einerEpiphysiolysis capitis femoris

Trauma traumatische Hüftluxation

transverse Azetabulumfraktur

degenerativ unbekannt Vollbild der Arthrose

isoliert

Abb. 2 n Assoziiert mit Labrumläsionen sind Ganglien, welche so−wohl intra− (großer Pfeil) als auch extraossär (kleiner Pfeil) auftretenkönnen. Meist findet sich eine mit dem Gelenkraum kommunizierendeVerbindung (extraossäres Ganglion mit intraartikulärem Kontrastmittelgefüllt). Typischerweise treten Ganglien bei der Hüftdysplasie auf.

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n Hüftdysplasie

In dysplastischen Hüftgelenken führt die verminderteazetabuläre Überdachung zu einer auf eine kleinereFläche konzentrierte Kraftübertragung und zu einerInstabilität im Gelenk mit einer Migrationstendenz desFemurkopfes nach anterolateral. Dies führt zu einer er−höhten Scherbelastung auf Knorpel und Labrum, wel−ches sich initial kompensatorisch verdickt und im Ver−lauf rupturiert (Abb. 4). Typisch bei der Hüftdysplasieist nebst der Hypertrophie des Labrums die Ganglien−bildung (Abb. 2 und 5, Tab. 2). Es werden sowohl intra−

labrale wie auch perilabrale Ganglien (typischerweiseam Übergang Labrum−Knochen auftretend) unterschie−den. Letztere können sich auch intraossär im Bereichder supraazetabulären Hauptbelastungszone ausbrei−ten. Die Schwächung der azetabulären Tragezone durchdiese Ganglien kann infolge der erhöhten axialen Kräftezu einer Fraktur des Azetabularrandes führen. TypischeLokalisation der Labrumläsionen bei Hüftdysplasie istder anterosuperiore Quadrant. Durch die erhöhte sta−tische Druckbelastung nach Labrumruptur wird derKnorpel überlastet mit der Folge eines zunehmendenSchweregrades der Arthrose.

Abb. 5 n

Typisch bei La−brumläsionen indysplastischenHüftgelenkenist eine Hyper−trophie des La−brums mit Gan−glienbildung (*).Im Arthro−MRT(rechts) zeigt sichein mit Kontrast−mittel angerei−chertes intralab−rales Ganglion(großer Pfeil) undeine Läsion desLabrums amKnorpelübergang(kleiner Pfeil).

Abb. 3 n Histologisch gefärbter Schnitt (Movat−Pentachrom−Färbung; Vergrößerung9,5) durch ein hypertrophiertes Labrum mit Anschnitt der Gelenksfläche (A). Die extra−zelluläre Matrix (B) ist desorganisiert und mit Zysten (C) durchsetzt.

Abb. 4 n Arthro−MRT eines dysplastischen Hüftgelenks mit Hyper−trophie des Labrums (großer Pfeil) und Labrumläsion (fibrokartila−ginäre Separation, kleiner Pfeil), welche durch die Ausdehnung desintraartikulären Kontrastmittels zwischen Labrum und Azetabularrandersichtlich ist. Das Labrum ist zystisch−degenerativ umgebaut.

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n Femoroazetabuläres Impingement

Ein mehr dynamischer Pathomechanismus führt beimFAI zur Labrumläsion. Impingement steht im englischenSprachgebrauch für ¹Anprall“ und wird im Zusammen−hang mit dem Hüftgelenk als pathologisch verfrühter

knöcherner Kontakt zwischen Schenkelhals und Azeta−bulum mit Einschränkung des Bewegungsumfanges desHüftgelenkes bezeichnet. Dies führt im Verlauf zurSchädigung des Labrums und des Knorpels und führtunbehandelt zu einer endgradigen Koxarthrose (Tab. 2).Die Ursache für ein FAI kann sowohl auf der azetabulä−ren als auch femoralen Seite bestehen (Abb. 6). In über80% der Fälle haben die Patienten jedoch eine Kombi−nation dieser beiden Formen.

Pincer−ImpingementBei der azetabulären Form spricht man im klinischenSprachgebrauch von einem Pincer−Impingement (eng−lisch ¹Zange“), welches mit einer vermehrten Überda−chung des Femurkopfes einhergeht (Abb. 6). Diese ver−mehrte Überdachung kann sowohl lokalisiert als auchzirkulär auftreten. Die typische Lokalisation der ver−mehrten Überdachung ist der anterosuperiore Quadrantdes Azetabulums. Häufig sind Frauen im mittleren Alterbetroffen. Bei dieser Form des Impingements kommt eszu einem linearen Anprall zwischen Azetabulum undFemur. Das Labrum wirkt initial wie ein Puffer, welcherjedoch im Verlauf durch die rezidivierende Traumati−sierung zerstört und vom knöchernen Azetabularrandkomplett abgerissen werden kann. Dadurch wird dieKraft des Anpralls im Verlauf direkt auf den angrenzen−den Knorpel übertragen. Im Unterschied zum Cam−Impingement ist der Knorpelschaden beim Pincer−Im−pingement auf einen feinen Streifen neben dem Labrumbegrenzt, welcher an diesem zirkumferenziell entlangläuft (Abb. 7). Durch den linearen Anschlag kann beimPincer−Impingement eine kerbenförmige Schädigungdes femoralen Kopf−Hals−Überganges entstehen(Abb. 8). Zusätzlich können sich das Labrum und dieknöchernen Strukturen zystisch degenerativ verändern.Eine darauf folgende Verknöcherung des Labrums kanndie pathomorphologische Ursache der exzessiven Über−dachung und damit die Impingementproblematik sogarnoch verstärken. Generell scheint das reine Pincer−Im−pingement aufgrund des kleineren kartilaginären Scha−dens die weniger schädlichere Form zu sein.

Abb. 6 n Die korrekte Überdachung und der sphärische Kopf beim normalen Hüftgelenkermöglichen einen physiologischen Bewegungsumfang (oben). Beim Pincer−Impingementführt die exzessive Überdachung zu einem verfrühten knöchernen Kontakt mit eingeschränk−tem Bewegungsumfang, was zu einer Schädigung des Labrums und des Gelenkknorpels führt(unten links). Beim Cam−Impingement ist es der asphärische Kopf, der zur Bewegungsein−schränkung und Gelenkschädigung führt (unten rechts).

Tabelle 2

Typische Merkmale der Labrumläsion bei Hüftdysplasie, femoroazetabuläresImpingement und traumatischer Hüftluxation.

Hüftdysplasie FemoroazetabuläresImpingement

TraumatischeHüftluxation

Labrumhyper−thropie

häufig keine keine

LokalisationSchaden

anterosuperior anterosuperior oderzirkumferenziell

posteroinferior (beiposteriorer Luxation)

Labrumrisse häufig häufig häufig

Typ Labrumriss variabel kompletter Riss oderUnterflächenläsion

komplette Avulsion

Ganglien häufig selten keine

Ossifikation gelegentlich gelegentlich keine

Definition

Impingement

pathologisch verfrühter knöcherner Kontakt zwischen

Schenkelhals und Azetabulum mit Einschränkung des

Bewegungsumfanges des Hüftgelenkes

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Cam−ImpingementDas Cam−Impingement (englisch ¹Nocke“) bezeichnetdie femorale Form des Impingements mit einer un−zureichenden Taillierung des Kopf−Hals−Übergangs(s. Abb. 6). Vorwiegend betroffen sind davon jungeMänner im Alter ab 20 Jahren. Durch diese Deformationkommt es bei Flexion im Hüftgelenk zum Einpressendes asphärischen Teils in die Gelenkpfanne, ohne dassder knöchern gut gefasste Hüftkopf ausweichen kann.Meist befindet sich diese Asphärizität im anterosupe−

rioren, seltener im lateralen Bereich des Schenkelhalses.Das Einpressen führt zu Druck− und Scherkräften aufdas Labrum und den Knorpel, wobei diese Strukturendurch die rezidivierende Beeinträchtigung zerstörtwerden. Im Unterschied zum Pincer−Impingement er−folgt die maximale Kraftübertragung im Bereich desÜberganges zwischen Labrum und Knorpel, wo in derFolge auch der erste sichtbare Schaden auftritt (Abb. 7).Es zeigt sich eine fibrokartilaginäre Separation, welchein der Magnetresonanzuntersuchung oder intraoperativ

Abb. 8 n Beim Pincer−Impingement führt die prominente Überda−chung zu einem linearen knöchernen Kontakt zwischen Azetabulumund Schenkelhals mit daraus folgender kerbenförmiger Schädigungdes femoralen Kopf−Hals−Überganges. Das Labrum zeigt eine gelb−liche Verfärbung an der korrespondierenden Stelle (links). Das Labrum

kann durch die rezidivierende Traumatisierung im Verlauf vom Azetabu−lum abgerissen werden, was durch die Ausbreitung des intraartikulärenKontrastmittels zwischen Labrum und Azetabularrand im Arthro−MRTersichtlich ist (rechts).

Abb. 7 n Schematische Schädigung des Labrums und des angren−zenden Knorpels beim femoroazetabulären Impingement. BeimPincer−Impingement (a) kommt es zu einem linearen Anschlag zwischenFemur und Azetabulum mit einem auf einen feinen Streifen entlang dem

Labrum begrenzten Knorpelschaden. Beim Cam−Impingement (b) führtdas Einpressen des asphärischen Schenkelhalses zu einer fibrokartila−ginären Separation (Unterflächenläsion) und zu einer großflächigenDelaminierung des Knorpels mit Lappenbildung.

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häufig als Labrumunterflächenläsion (undersurfacelesion) bezeichnet wird (Abb. 9). Der Knorpel wirdgroßflächig abgescheuert oder sogar vom darunter lie−genden Knochen abgerissen (Delaminierung), wobeisich ein freiliegender Knorpellappen bilden kann. BeimCam−Impingement ist der betroffene Knorpelschadengroßflächiger als beim reinen Pincer−Impingment.

n Traumatische Labrumschäden

Die offensichtlichste Form des Labrumschadens istdie Labrumavulsion beim direkten Hochenergietraumades Hüftgelenkes. Häufig ist diese Avulsion zusammenmit einem ossären Ausriss des Azetabularrandeskombiniert (s. Tab. 2). Beschrieben sind in der LiteraturLabrumschäden bei traumatischen Hüftluxationenoder bestimmten Konfigurationen von Azetabulum−frakturen.

Lokalisation des Labrumschadens

" Der typische Ort einer Labrumläsion ist der antero−superiore Quadrant.

Es gibt verschiedene mögliche Ursachen für das bevor−zugte Auftreten von Labrumläsionen in diesem Quad−ranten. Nebst einer bereits in der Embryonalentwick−lung beschriebenen verminderten Verankerung desLabrums gegenüber anderen Bereichen oder einer vas−kulären Minderversorgung mit dementsprechend redu−ziertem Regenerationspotenzial ist die erhöhte mecha−nische Beanspruchung die Hauptursache.

Der Ort und das Ausmaß der Schädigung korrespondie−ren mit dem Auftreten der morphologischen Anomalieund dem Ort der höchsten Kraftübertragung beim Im−pingement (Tannast et al. 2008). Entsprechend zeigensich bei mit Labrumläsionen assoziierten Pathologienwie dem Morbus Perthes oder der Epiphysiolysis capitisfemoris analoge Schädigungsmuster wie beim FAI(s. Tab. 1). Bei leicht− bis mittelgradigen Formen derEpiphysiolysis capitis femoris oder des Morbus Perthessind das Prinzip und das Schädigungsmuster wie beimCam−Impingement. Die prominente Metaphyse bzw.der offsetverminderte Schenkelhals werden bei Flexionmit Innenrotation in das Azetabulum eingepresst unddas Labrum sowie großflächige Bereiche des Knorpelsgeschädigt. Bei hochgradigen Formen dieser Erkran−kungen ist die pathomorphologische Veränderung amSchenkelhals zu prominent, um in das Azetabulum ein−gepresst zu werden, und es kommt zu einem pincer−ähnlichen Anschlag zwischen Femur und Azetabulum.

Obwohl sich die Lokalisation von Labrumläsionenzwischen Dysplasie und FAI nicht unterscheidet, ist dieMorphologie des Labrums unterschiedlich (s. Tab. 2):n Bei der Dysplasie ist das Labrum typischerweise

hypertroph und zystisch verändert (Ganglien).n Beim Impingement finden sich ein kleines, degene−

riertes Labrum und nur selten zystische Verände−rungen.

Im klinischen Alltag werden diese Eigenschaften beiPatienten mit kombinierter und grenzwertiger Anoma−lie als Unterscheidungsmerkmal benutzt, um die über−wiegende pathologische Komponente zu bestimmenund zwischen einer azetabulären Reorientierung oder

Abb. 9 n Beim Cam−Impingement kommt es durch das Einpressender Asphärizität zu Scher− und Druckkräften, was zu einer fibrokar−tilaginären Separation und Delaminierung des Knorpels führt (links).

Im Arthro−MRT ist die Labrumunterflächenläsion (undersurface lesion)des Labrums als Ausdehnung des Kontrastmittels innerhalb des Labrumsmit Verbindung zur Unterfläche sichtbar (rechts).

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einer chirurgischen Resektion der azetabulären oderfemoralen Pathomorphologie zu unterscheiden.

Der Ort des Labrumschadens bei der traumatischenHüftgelenkluxation ist abhängig vom Luxationsmecha−nismus. Bei einer posterioren Luxation ist mehrheitlichdas Labrum im posteroinferioren Quadranten geschä−digt. Bei starker Traumatisierung kann auch ein korres−pondierendes Knochenstück vom Azetabulum abgelöstsein.

Diagnostik

Klinik

n Symptomatik

Klinisch manifestiert sich eine Labrumläsion aufgrundder sensiblen Innervation typischerweise als reprodu−zierbarer Leistenschmerz, vor allem bei kombiniertenBewegungen von Flexion und Innenrotation. Eine Aus−strahlung ins Gesäß oder die Trochanterregion ist zu−dem möglich. Nach einer Episode vermehrter körper−licher Belastung zeigt sich häufig eine Exazerbation. DerSchmerz kann auch nach längerem Sitzen auftreten.

n Klinische Untersuchung

Ausgelöst wird der Schmerz durch Einklemmen desLabrums zwischen Azetabulum und Schenkelhals undkann so auch bei der Untersuchung mit dem Impinge−ment−Test provoziert werden. Dieser wird beim auf demRücken liegenden Patienten mit forcierter Innenrotati−on und Adduktion bei 908 Flexion im Hüftgelenk durch−geführt und führt zu reproduzierbaren Leistenschmer−zen (Abb. 10). Zusätzlich zu den Schmerzen könnenplötzliche Blockierungen im Gelenk auftreten oder einKlicken spürbar sein. Bei einer vermehrt posteriorenSchädigung des Labrums kann der hintere Impinge−ment−Test klinisch aufschlussreich sein. Dieser wirdbeim auf dem Rücken liegenden Patienten bei Extensionim Hüftgelenk, kombiniert mit Außenrotation und Ab−duktion, durchgeführt (Abb. 10).

Bei einer Labrumläsion im Rahmen einer Hüftdys−plasie kann zusätzlich eine vermehrte Beweglichkeitim Hüftgelenk festgestellt werden. Durch die herab−gesetzten Hebelverhältnisse der Abduktorenmuskula−tur kann ein positives Trendelenburg−Zeichen oderDuchenne−Hinken präsent sein. Beim FAI kann zusätz−lich zu den Symptomen der Labrumläsion eine vermin−derte Beweglichkeit im Hüftgelenk, besonders derFlexion und Innenrotation, festgestellt werden.

Abb. 10 n Klinisch gibt der Impingement−Test einen Hinweis aufeine Labrumläsion. Bei einer anterosuperioren Läsion wird der vordereImpingement−Test angewendet, welcher beim auf dem Rücken liegen−den Patienten mit forcierter Innenrotation und Adduktion bei 908 Fle−xion im Hüftgelenk durchgeführt wird und zu reproduzierbaren Leisten−

schmerzen führt. Bei einer posteroinferioren Läsion wird der hintereImpingement−Test mit Außenrotation und Abduktion beim extendiertenHüftgelenk durchgeführt (nach Tannast et al. Femoroacetabular im−pingment: Radiographic diagnosis ± What the radiologist should know.AJR 2007; 188 : 1540 ± 1552).

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Bildgebende Verfahren

Wegen den nur subtilen Zeichen in der konventionellenRöntgendiagnostik und den fehlenden modernen diag−nostischen Hilfsmittel wurde dem Labrum lange Zeiteine eher untergeordnete Rolle zugesprochen. Die Ein−führung der Magnetresonanzarthrografie (Arthro−MRT)mit radiärer Schichtung erwies sich als Durchbruch fürdie weitere Diagnostik und Therapie. Bei klinischemVerdacht auf eine Labrumläsion werden zunächst stan−dardisierte konventionelle Röntgenaufnahmen und an−schließend ein Arthro−MRT mit intraartikulärem Gado−linium durchgeführt.

Röntgen. Auch wenn das eigentliche Labrum auf demkonventionellen Röntgenbild nicht sichtbar ist, so wirddie Diagnostik bei Verdacht auf Labrumläsion mit kon−ventionellen Röntgenbildern des Beckens in 2 Ebenenbegonnen. Dies beinhaltet eine anteroposteriore Be−ckenaufnahme und eine Aufnahme in einer 2. Ebene wiedie axiale Hüftaufnahme. Alternativ kann auch eineDunn−Rippstein− oder Lauenstein−Aufnahme durchge−führt werden. Dabei werden mit Labrumläsion assozi−ierte Pathologien wie die Dysplasie, das FAI, die Arthro−se, der Morbus Perthes oder eine Epiphysiolysis capitisfemoris nachgewiesen. Bei einer Ossifizierung des La−brums kann das Labrum auch auf dem konventionellenRöntgenbild oder dem CT als Transparenzverminderungim Bereich des Azetabularrandes sichtbar werden(Abb. 11).

" Cave. Eine verlässliche Aussage bezüglich Über−dachung und Orientierung des Azetabulums kann nur miteiner Aufnahme mit einer korrekten Zentrierung desZentralstrahls und Orientierung des Beckens gemachtwerden.

" Cave. Eine Labrumossifikation kann fälschlicherweisemit einem Os acetabuli verwechselt werden. Ein Osacetabuli findet sich entweder durch eine unvollständigeOssifizierung im Bereich des Azetabularrandes oderdurch eine Azetabularrandfraktur, assoziiert mit einerHüftdysplasie oder FAI (Klaue et al. 1991). Eine Trans−parenzminderung im Rahmen einer Hydroxyapatit−ablagerung verschwindet in der Regel nach 6 Wochen(Tannast et al. 2007).

Magnetresonanzarthrografie (Arthro−MRT). Zur weiterenAbklärung wird üblicherweise ein Arthro−MRT mitintrartikulärem Gadolinium−Kontrast durchgeführt.Das übliche Standard−MRT mit den klassischen axialen,koronaren und sagittalen Schnitten erweist sich alsungenügend bezüglich Sensitivität und Spezifität zurDetektion von Labrumschäden.Eine verlässliche Diagnose mittels MRT erfordertn die intraartikuläre Kontrastmittelapplikation

von Gadolinium−DTPA,n eine radiale Schichtung der Schnitte um die

Schenkelhalsachse (Abb. 12).

Abb. 11 n Auf einem konventionellen Röntgenbild oder einem CT ist das Labrum nur bei einer Ossifikation sichtbar. Auf dem Röntgenbild(links) ist das Labrum im superioren Bereich verknöchert. Auf dem CT (rechts) ist das Labrum im anterosuperioren Bereich ossifiziert und zystischverändert.

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Dies wird anhand von flexiblen Oberflächenspulen,welche direkt über dem Hüftgelenk angebracht werden,durchgeführt. Neben den üblichen orthogonalen proto−nen− und T1−gewichteten Aufnahmen bietet dieseTechnik eine Serie von radiären protonengewichtetenSchnitten. Diese erlauben die Morphologie des Femur−kopfes inklusive Schenkelhals sowie des Azetabulumsmit Labrum nicht nur genau zu beurteilen, sondernauch die Lokalisation und das Ausmaß eventuellerPathologien des Labrums zu bestimmen.

" Cave. Eine Standarduntersuchung mit den üblichenaxialen, koronaren und sagittalen Schnitten ist in denmeisten Fällen ungenügend, da hier das Labrum (insbe−sondere anterosuperior) meistens nur tangential ange−schnitten wird, was eine korrekte Beurteilung erschwert.

Ein normales Labrum wird als im Querschnitt triangu−läre Struktur mit scharf begrenzten Rändern abgebildet(Abb. 13). Dabei hat es eine niedrige Signalintensität inT1−, T2− und protonengewichteten Aufnahmen ähnlichder kortikalen Struktur des Knochens. Die Verbindungzum darunter liegenden Knochen sollte auf der ganzenZirkumferenz kontinuierlich ausgebildet sein. Bei einerLabrumdegeneration zeigen sich eine Zunahme der Sig−nalintensität in T2− und protonengewichteten Aufnah−men und zusätzlich häufig auch eine Volumenzunahme(s. Abb. 4). Eine Labrumläsion wird definiert als eine

abnormale Ausdehnung des Kontrastmittels innerhalbdes Labrums (s. Abb. 9 u. 14) oder zwischen Labrum undangrenzende Strukturen (s. Abb. 4 u. 8). Auch sekundäreVeränderungen wie Ganglien (s. Abb. 2 u. 5) und Ossifi−kationen (Abb. 15) sind gut erkennbar.

Abb. 12 n Das Arthro−MRT bietet eine Serie von protonengewich−teten radiären Schnitten senkrecht zur Schenkelhalsachse (A),welche es erlauben, das Labrum sowie die Morphologie des Femurs unddes Azetabulums auf seiner Zirkumferenz verlässlich zu untersuchen(nach Steppacher et al. Mean 20−year followup of Bernese periacetabularosteotomy. Clin Orthop Relat Res 2008; Epub ahead of print).

Abb. 13 n Das Labrum (große Pfeile) erscheint im Arthro−MRT alstrianguläre Struktur mit scharf begrenzten Rändern und hat eineSignalintensität ähnlich der kortikalen Struktur des Knochens.Der intraartikuläre Raum ist gefüllt mit Kontrastmittel (kleine Pfeile),was eine scharfe Abgrenzung zu den umliegenden Strukturen erlaubt.Durch Überlagerung der radiären Schichten in der Schenkelhalsachseentsteht typischerweise ein Streifen mit reduzierter Signalintensität(weiße Pfeile).

Abb. 14 n Eine Labrumläsion ist im Arthro−MRT als Ausdehnung desintraartikulären Kontrastmittels zwischen Labrum und angrenzen−den Strukturen oder wie hier innerhalb des Labrums ersichtlich.

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Labrumläsionen des Hüftgelenkes

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" Cave. Im posteroinferioren Bereich findet sich relativhäufig eine Kerbe an der Basis des Labrums (sublabralsulcus). Dies ist eine anatomische Normalvariante undkann im Arthro−MRT fälschlicherweise als Labrumläsioninterpretiert werden (Abb. 16).

Arthrografie. Als alternative Bildgebung wurden bisherauch konventionelle Arthrografien durchgeführt. Diesegeben aber keine verlässlichen Hinweise über Labrum−

schäden und sind heute der Diagnostik mittels Arthro−MRT weit unterlegen.

Computertomografie. Auch die Computertomografieist nicht das diagnostische Mittel der Wahl bei Labrum−verletzungen. Sie wird meist zur erweiterten Diagnostikder ossären Strukturen bei traumatischen Hüftluxatio−nen oder Azetabulumfrakturen durchgeführt.

Sonografie. Während die Untersuchung der Neugebo−renenhüfte mit dem Ultraschall bereits als Screening−Untersuchung durchgeführt wird, sind die Indikationenund Ergebnisse der sonografischen Untersuchung beimErwachsenen sehr beschränkt. Mittels Ultraschall kannzwar ein intraartikulärer Erguss als indirektes Zeicheneiner Labrumläsion diagnostiziert werden, eineLabrumruptur selbst ist jedoch nicht sichtbar.

Weiterführende Diagnostik. Zur Unterscheidung zwi−schen intra− oder extraartikulärer Schmerzursacheeignet sich eine Hüftinfiltration mit einem Lokalanäs−thetikum. Bei unschlüssiger Bildgebung kann einediagnostische Hüftarthroskopie in Erwägung gezogenwerden.

Klassifikationen

Labrumläsionen werden nach ihrer Lokalisation undMorphologie eingeteilt, verschiedene Graduierungs−systeme sind bekannt:n Lokalisation. Bezüglich der Lokalisation werden

Labrumläsionen nach Quadranten (anterosuperior,anteroinferior, posteroinferior, posterosuperior) odernach dem Ziffernblatt einer Uhr eingeteilt, wobei6 Uhr über dem Sulcus acetabuli liegt.

n Morphologie. Je nach Diagnosemodalität (MRT,Arthroskopie, direkte intraoperative Observationwährend chirurgischer Hüftluxation) werden3 morphologische Klassifikationen unterschieden:± Klassifikation nach Czerny. Die Einteilung nach

Czerny beschreibt Labrumläsionen nach der Mor−phologie im Arthro−MRT (Czerny et al. 1996). Hier−bei werden neben dem normalen Labrum 3 pa−thologische Grade mit jeweils einer Unterformunterschieden (Abb. 17). Grad 1 verfügt über einezentral erhöhte Signalintensität, welche nicht biszum Rand des Labrums vordringt. Bei einer Grad−2−Läsion findet sich eine Ausdehnung des Kon−trastmittels innerhalb des Labrums und bei Grad 3eine Ablösung des Labrums vom Azetabularrand.Die jeweilige Unterform B beschreibt denselbenGrad mit zusätzlicher Hypertrophie des Labrumsund Obliteration des Rezessus.

Abb. 15 n Im Arthro−MRT stellt sich eine Ossifikation des Labrumsals Zunahme der Signalintensität ähnlich der spongiösen Strukturdes Knochens dar.

Abb. 16 n Im posteroinferioren Bereich befindet sich häufig eineKerbe zwischen Labrum und Knorpel (sublabral sulcus), welche eineanatomische Normalvariante ist und häufig mit einer Labrumläsion ver−wechselt wird.

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Beckengürtel und untere Extremität

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± Klassifikation nach Lage. Lage beschrieb einearthroskopische Einteilung von Labrumläsionen(Lage et al. 1996). Dabei werden 4 Grade unter−schieden:± die Läsion mit radiärem Lappen± die Läsion mit Ausfransungen± die longitudinale periphere Läsion± das instabile Labrum (Abb. 18)

± Klassifikation nach Beck. Die Einteilung nach Beckbasiert auf der direkten ¹intraartikulären“ Obser−vation und unterscheidet neben dem normalenLabrum makroskopisch 4 Grade einer Labrum−läsion (Abb. 17; Beck et al. 2005). Diese Klassifika−tion wurde im Zusammenhang mit dem Konzeptdes FAI entwickelt. Primär zeigt sich eine Dege−neration mit lokaler Hypertrophie und mukoiderDegeneration des chronisch−traumatisiertenLabrums. Im Verlauf entwickelt sich ein Labrum−riss, welcher nur an dessen Unterfläche (sog.Unterflächenläsion) oder im gesamten Verlauf desLabrums lokalisiert sein kann. Eine Avulsion be−schreibt einen kompletten Abriss vom Azetabulumund als letzter Grad wird eine Ossifikation desLabrums beschrieben.

Therapie

Therapieprinzipien und −ziele

Um Patienten mit einer Labrumläsion effektiv zu be−handeln, muss die grundlegende Ursache für die Läsionangegangen werden. Das Ziel ist, die individuellePathoanatomie derart chirurgisch zu korrigieren, dasseine künftige mechanische Schädigung des Labrumsund des Knorpels vermieden wird. Bei der Hüftdysplasiewird die defiziente Überdachung durch eine periazeta−buläre Osteotomie (PAO) normalisiert. Bei einem FAIoder assoziierten Pathologien (s. Tab. 1) wird mittelseiner chirurgischen Hüftluxation die Morphologie sokorrigiert, dass der impingementfreie Bewegungsum−fang insbesondere in Flexion/Innenrotation deutlicherhöht wird. Bei ausgewählten Indikationen kann dieTherapie arthroskopisch durchgeführt werden.

Um eine Schmerzfreiheit zu erreichen, wird derinstabile Teil des Labrums bis auf die stabile Basiszurückgetrimmt. Dabei soll möglichst viel der meist

Abb. 17 n Klassifikation nach Czerny (Czerny 1996) beschreibt die Labrumläsionen nach derMorphologie im Arthro−MRT und die Klassifikation nach Beck (Beck et al. 2005) basiert aufdirekter intraartikulärer Observation (Teile der Abbildung nach Czerny et al. Lesions of theacetabular labrum: Accuracy of MR imaging and MR arthrography in detection and staging.Radiology 1996; 200 : 225 ± 230).

Abb. 18 n

ArthroskopischeAnsicht einerLabrumunter−flächenläsion.Mit dem Tast−haken kann diefibrokartilaginäreSeparation son−diert werden.Fk = FemurkopfAc = AzetabulumLa = Labrum

Therapieziele

Korrektur der individuellen Pathoanatomie so, dass

eine künftige Schädigung des Labrums und des Knor−pels vermieden wird

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Labrumläsionen des Hüftgelenkes

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intakten Labrumspitze erhalten werden. Im Vergleichzu einer Labrumrefixation zeigt die komplette Labrum−resektion schlechtere klinische Resultate. Es ist anzu−nehmen, dass eine komplette Resektion und der kon−sekutive Funktionsverlust des Labrums eine weitereDegeneration des Gelenkes fördern. Deshalb ist das ge−genwärtige Ziel der heutigen intraartikulären gelenk−erhaltenden Chirurgie eine Wiederherstellung desLabrums.

Periazetabuläre Osteotomie

n Prinzip und Alternativen

Die periazetabuläre Osteotomie (PAO) erlaubt eineReorientierung des Azetabulums mit Optimierung derdefizienten Überdachung. Dabei hat sie sich wegenihrem großen Potenzial zur Reorientierung des Azeta−bulums und der unverminderten Beckenstabilität

durch die Erhaltung des Beckenringes ausgezeichnet.Alternativen sind weitere Beckenosteotomien (Chiari−,Salter− oder Tripelosteotmie) oder Azetabulumplastikensowie intertrochantäre Osteotomien bei leichtgradigenDysplasien. In den Händen der Autoren hat sich die PAOals Methode der Wahl erwiesen. Die Prognose für eingutes Langzeitergebnis hängt hauptsächlich vom prä−operativen Knorpelzustand und einer optimalen Kor−rektur der azetabulären Überdachung ab. Dabei führteine unzureichende Korrektur nicht zum erwünschtenEnde weiterer Knorpel− und Labrumschädigung. Durcheine Überkorrektur kann ein Impingement kreiert wer−den.

n Operationsvorbereitung und −ablauf

Über einen modifizierten Smith−Peterson−Zugang und4 periazetabuläre Osteotomien, kombiniert mit einerkontrollierten Fraktur, wird das Azetabulum vom Be−cken isoliert und in optimierter Position mit Schraubenfixiert (Abb. 19; Ganz et al. 1988). Die intraoperativeStellungskontrolle des Azetabulums mit Röntgenbild istdabei unerlässlich. Zusätzlich wird regelhaft das Gelenkeröffnet und eine allenfalls notwendige Trimmung desKopf−Schenkelhals−Übergangs durchgeführt. EventuelleLabrumschäden heilen in der Regel spontan nach Re−orientierung; nur selten werden sie reseziert oder chi−rurgisch refixiert.

n Komplikationen

Komplikationen beinhalten neben dem üblichenBlutungs− und Infektionsrisiko eine verzögerte odergestörte Konsolidierung der Osteotomien sowie eineNeuropraxie des N. cutaneus femoris lateralis.

n Nachbehandlung

Durch den Erhalt der Kontinuität des Beckenringes ver−kürzt sich die Rehabilitation und eine sofortige Mobili−sation mit partieller Belastung ist möglich. Die Belas−tung wird für 8 Wochen auf 10± 15 kg reduziert.Während dieser Zeit wird eine Thromboseprophylaxedurchgeführt. Mit frühzeitiger postoperativer passiverBewegungsschiene wird einer intraartikulären Adhä−sionsbildung entgegengewirkt. Eine erste Nachkontrollemit Röntgenbild wird nach 8 Wochen durchgeführt. Beibeginnender Konsolidierung wird anschließend aufeine sukzessive Vollbelastung umgestellt.

Abb. 19 n Bei der PAO wird mittels 4 periazetabulären Osteotomien und einer kontrol−lierten Fraktur das Azetabulum mobilisiert und in optimierter Position durch Schraubenrefixiert. Die Beckenringkontinuität bleibt dabei erhalten.

Hintergrund

Periazetabuläre Osteotomie

Indikationenn Labrumläsionen bei Hüftdysplasien Labrumläsionen bei ausgeprägtem Pincer−Impingement wegen

azetabulärer RetroversionKontraindikationenn fortgeschrittene Koxarthrose

n bereits prominente Hinterwand bei azetabulärer Retroversion

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Beckengürtel und untere Extremität

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Chirurgische Hüftluxation

n Prinzip und Alternativen

Die chirurgische Hüftluxation ist der Goldstandard beider Therapie des FAI (Ganz et al. 2001). Sie erlaubt eineschonende Luxation der Hüfte durch intermuskuläre In−tervalle, kombiniert mit einer digastrischen Trochanter−osteotomie. Die Hüfte kann ohne die Gefahr einer avas−kulären Nekrose luxiert werden. Dabei besteht eineexzellente intraoperative Übersicht über Femurkopf undAzetabulum und der vermutete Pathomechanismuskann dynamisch unter visueller Kontrolle verifiziertwerden. Das Langzeitergebnis ist maßgeblich abhängigvon der präoperativen Schädigung des Gelenkes undeiner optimalen Korrektur. Alternativ können lokalisier−te Formen des FAI arthroskopisch behandelt werden.

n Operationsvorbereitung und −ablauf

In Seitenlage wird über einen modifizierten Kocher−Langenbeck−Zugang mit einer digastrischen Trochan−terosteotomie unter Respektierung des Verlaufes desA. circumflexa femoris mediales eine schonende Luxa−tion der Hüfte durchgeführt. Nach Durchtrennung desLig. capitis femoris kann die Hüfte ohne die Gefahr eineravaskulären Nekrose luxiert werden. Das Labrum wirdauf seiner Zirkumferenz mit einem Tasthäkchen aufLäsionen und seine Verankerung überprüft. Beim Pin−cer−Impingement wird nach Ablösung des Labrums vomAzetabularrand der überstehende Teil des Azetabulumsmit einem Osteotom entfernt (Abb. 20). Anschließendwird das Labrum mit Knochenankern refixiert (Abb. 21).Beim Cam−Impingement wird die knöcherne Asphärizi−tät am Kopf abgetragen (Abb. 20). Das Resultat wird dy−namisch unter visueller Kontrolle überprüft und even−tuell eine Nachresektion durchgeführt. Labrumläsionenmit stabiler Spitze und fest verankerter Basis oder La−brumabrisse werden mit Knochenankern refixiert, an−sonsten reseziert (Abb. 21).

Abb. 20 n Bei der chirurgischen Hüftluxa−tion wird mittels einer digastrischen Tro−chanterosteotomie das Hüftgelenk ohnedie Gefahr einer avaskulären Nekroseluxiert. Die vermehrte azetabuläre Überda−chung beim Pincer−Impingement (links oben)wird nach Ablösen des Labrums vom Aze−

tabularrand entfernt. Anschließend wird dasLabrum mit Knochenankern (Pfeil rechtsoben) und der Trochanter major mit 2Schrauben refixiert. Der asphärische Anteildes anterioren Kopf−Hals−Überganges beiCam−Impingement (links unten) wird rese−ziert (rechts unten).

Abb. 21 n Bei einer Labrumrefixation wird das Labrum (A) mittelsKnochenankern (B) am Azetabularrand (C) befestigt. Dies wird inBetracht gezogen bei einem Labrumabriss oder einem Labrumriss mitstabiler Spitze und fest verankerter Basis. Die Rissstelle wird vor derNaht dØbridiert und die Knoten (D) auf der Außenseite angebracht.

Hintergrund

Chirurgische Hüftluxation

Indikationenn alle Arten von intraartikulären Pathologien assoziiert mit

einem Labrumschaden, die zu einer zuverlässigen Trimmungund Refixation des Labrums neigen

n komplexe Pathomorphologie der Hüfte mit ausgedehntenKorrekturen

n zirkumferenzielle Arbeiten an Azetabulum und Femurkopf(z. B. Trimmen des posterioren Azetabulums oder Offset−herstellung im Bereich des Femurhalsretinakulums)

Kontraindikationenn fortgeschrittene Koxarthrose

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Labrumläsionen des Hüftgelenkes

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n Komplikationen

Komplikationen beinhalten neben dem üblichen Blu−tungs− und Infektionsrisiko eine verzögerte oder ge−störte Konsolidierung der Trochanterosteotomie odereine Adhäsionsbildung der Gelenkkapsel.

n Nachbehandlung

Die postoperative Behandlung bei einer chirurgischenHüftluxation beinhaltet eine Einschränkung des initia−len postoperativen aktiven Bewegungsumfangs (Ab−duktion) und den frühzeitigen Gebrauch einer passivenBewegungsschiene, um Adhäsionsbildungen entgegen−zuwirken. Die Belastung wird für 6 Wochen auf10± 15 kg reduziert. Während dieser Zeit wird eineThromboseprophylaxe durchgeführt. Nach 6 Wochenfindet eine klinische und radiologische Nachkontrollestatt. Nach dieser Zeit sollte die Trochanterosteotomiekonsolidiert sein, was den Übergang zur sukzessivenVollbelastung mit eigenständigem Abduktorentrainingermöglicht.

Hüftarthroskopie

n Prinzip und Alternativen

Die Hüftarthroskopie erlaubt, lokalisierte Pathologiendes anterosuperioren Pfannenrandes oder Kopf−Hals−Überganges zu korrigieren sowie eine Labrumläsion zuresezieren oder über ein kurzes Segment zu refixieren.Dabei hat sie den Vorteil der Weichteilschonung undverkürzten Rehabilitation (Byrd 2006). Im Gegensatzdazu stehen eine herabgesetzte intraoperative Über−sicht, eine verminderte Überprüfbarkeit der korrektenResektion sowie eine eingeschränkte Indikation beiausgedehnten Pathomorphologien. Alternativ wird einechirurgische Hüftluxation durchgeführt. Das Langzeit−

resultat ist abhängig von einer optimalen Korrektur derPathomorphologie.

n Operationsvorbereitung und −ablauf

Der Patient wird in Rücken− oder Seitenlage auf einemTraktionstisch gelagert und unter Zug wird das Hüftge−lenk subluxiert. Bei der Arthroskopie wird das Hüftge−lenk in ein zentrales und ein peripheres Kompartimenteingeteilt. Unter der Verwendung von meist 3 Zugängenund verschiedenen Optiken wird das gesamte Gelenkinspiziert. Mit einem Tasthaken werden das Labrum aufseine Verankerung und der angrenzende Knorpel aufeventuelle Aufweichungen oder Taschen überprüft.Beim Cam− sowie beim Pincer−Impingement (nach Ab−lösung des Labrums) werden die Pathomorphologienmit einem Shaver und einer Kugelfräse zurückge−trimmt. Für die therapeutische Resektion des Labrumswird ebenfalls der Shaver verwendet. Falls technischeine Refixation des Labrums plausibel ist, wird diesdurch einen Knochenanker mit nicht resorbierbarenoder resorbierbaren Nähten erreicht (s. Abb. 20).

n Komplikationen

Komplikationen beinhalten neben dem üblichen Blu−tungs− und Infektionsrisiko eine Adhäsionsbildung derGelenkkapsel.

n Nachbehandlung

Die Belastung sollte für 2 Wochen auf 15 kg limitiertwerden. Um einer Adhäsionsbildung im Gelenk entge−gen zu wirken, wird frühzeitig postoperativ die Hüftepassiv mit einer motorisierten Bewegungsschiene mitmaximaler Flexion von 908 durchbewegt und die Ein−nahme von nichtsteroidalen Antiphlogistika (NSAR) für2 Wochen verordnet (z.B. Ibuprofen 400 mg, 3−mal täg−lich). Nach 2 Wochen kann mit der Vollbelastung be−gonnen werden. Nach 6 Wochen sollte eine klinischeund radiologische Nachkontrolle stattfinden und mitdem Muskelaufbautraining begonnen werden.

Therapie bei traumatischer Hüftluxation oderAzetabulumfraktur

Die traumatischen reinen Hüftluxationen werden in derRegel durch eine geschlossene Reposition behandelt.Bei den sehr seltenen Sub− oder Reluxationen mussnach einer Labrum− oder Knorpelläsion gefahndet wer−den, um diese allenfalls zu refixieren. Bei den Azetabu−lumfrakturen wird eine Osteosynthese durchgeführt,wobei der Zugang von der Art des Frakturmusters ab−hängig ist. Das Labrum wird, wo möglich, erhalten undrefixiert, ansonsten reseziert.

Hintergrund

Hüftarthroskopie

Indikationenn lokalisierte Pathologien des anterosuperioren Kopf−Hals−

Übergangesn zusätzlich therapeutische Labrumresektionen oder

−reduktionen und kurzstreckige RefixationKontraindikationenn ausgedehnte Pathomorphologien mit zirkumferenziellen

Arbeiten am Femurkopf und Azetabulum (z. B. Trimmen desposterioren Azetabulums oder Offsetherstellung im Bereichdes Femurhalsretinakulums)

n großstreckige Pfannenrandtrimmungen und Labrumfixationen

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Beckengürtel und untere Extremität

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Perspektiven

Lange Zeit wurde dem Labrum des Hüftgelenkes keinegroße Bedeutung zugesprochen. Aktuell wird dieseThematik in der Literatur stark diskutiert und hat anRelevanz zugenommen. Diese Veränderung ist auf dieEinführung der Magnetresonanzarthrografie, welcheeine präzise Diagnostik ermöglicht, und auf das zuneh−mende Verständnis des femoroazetabulären Impinge−ment als präarthrotische Deformität zurückzuführen.Die Labrumläsion stellt nur die ¹Spitze des Eisberges“einer pathologischen Veränderung dar. Dahinter stehenpraktisch immer Pathomorphologien der Hüfte mit oftdeutlichen begleitenden Knorpelschäden. Die Hüft−arthroskopie mit ihrer im Wandel stehenden Technikgewinnt zunehmend an Bedeutung. Es ist damit zurechnen, dass durch das gewonnene Wissen und dieverbesserte Diagnostik diese Thematik in Zukunft wei−terhin an Stellenwert gewinnen wird.

Literatur

Beck M, Kalhor M, Leunig M et al. Hip morphology influences the pattern

of damage to the acetabular cartilage. J Bone Joint Surg Br 2005; 87:

1012 ± 1018

Byrd JWT. Hüftarthroskopie. Orthopäde 2006; 35: 41 ± 53

Czerny C, Hofmann S, Neuhold A et al. Lesions of the acetabular labrum:

Accuracy of MR imaging and MR arthrography in detection and

staging. Radiology 1996; 200: 225 ± 230

Ganz R, Klaue K, Vinh TS et al. A new periacetabular osteotomy for the

treatment of hip dysplasias: technique and preliminary results. Clin

Orthop Relat Res 1988; 232: 26 ± 36

Ganz R, Gill TJ, Gautier E et al. Surgical dislocation of the adult hip a

technique with full access to the femoral head and acetabululm

without risk of avascular necrosis. J Bone Joint Surg Br 2001; 83:

1119 ± 1124

Klaue K, Durnin CW, Ganz R. The acetabular rim syndrome. A clinical

presentation of dysplasia of the hip. J Bone Joint Surg Br 1991; 73:

423 ± 429

Lage LA, Patel JV, Villar RN. The acetabular labral tear: An arthroscopic

classification. Arthroscopy 1996; 12: 269 ± 272

Tannast M, Siebenrock KA, Anderson SE. Femoroacetabular impinge−

ment: Radiographic Diagnosis ± What the radiologist should know.

AJR 2007; 188: 1540 ± 1552

Tannast M, Goricki D, Beck M et al. Hip damage occurs at the zone of

femoroacetabular impingement. Clin Orthop Relat Res 2008; 466:

273 ± 280

Korrespondenzadresse

Dr. med. Moritz Tannast

Klinik und Poliklinik für Orthopädische Chirurgie

Inselspital, Universität Bern

3010 Bern

Schweiz

Telefon: 00 41/31−632−2222

Telefax: 00 41/31−632−3600

E−Mail: [email protected]

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Labrumläsionen des Hüftgelenkes

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Welche der folgendenPathologien ist nichtprimär korreliert miteiner Labrumläsion?

1 A Morbus Perthes.B Hüftdysplasie.C Bakterielle Arthritis der Hüfte.D Femoroazetabuläres Impingement.E Epiphysiolysis capitis femoris.

Welche der folgendenAussagen ist richtig? 2 A Bei Azetabulumfrakturen findet sich immer eine Labrumläsion.

B Die Lokalisation der Labrumläsion bei der Hüftdysplasie unterscheidet sichvon derjenigen bei Hüften mit femoroazetabulärem Impingement.

C Labrumläsionen sind meistens korreliert mit einer strukturellen Pathomorphologieder Hüfte.

D Die häufigste Form der Labrumläsion ist die isolierte Labrumruptur.E Labrumläsionen kommen bei jungen Erwachsenen nie vor.

Welche Antwortist richtig?Das Mittel der Wahlzur Diagnostik vonLabrumpathologien ist

3 A konventionelle Radiografie.B Ultraschall.C Arthro−MRT mit radiärer Schichtung.D MRT der Hüfte.E Computertomogramm.

Welche Antwortist richtig?Das eindeutigsteklinische Zeichenfür eine anterioreLabrumläsion

4 A sind Schmerzen in Flexion und Innenrotation der Hüfte.B sind Schmerzen in Extension und Außenrotation der Hüfte.C ist ein positives Trendelenburgzeichen.D ist ein Duchenne−Hinken.E ist eine vermehrte Beweglichkeit im Hüftgelenk.

Welche Antwortist richtig?Ein hypertrophesLabrum mit Ganglion−formationen spricht amehesten für ein(e)

5 A Cam−Impingement.B Pincer−Impingement.C Hüftdysplasie.D Epiphysiolysis capitis femoris.E traumatische Hüftluxation.

CME−FragenDie folgenden Fragen beziehen sich auf den vorangehenden Beitrag. Sie können uns die entsprechenden

Antworten entweder online unter http://cme.thieme.de oder durch das CME−Teilnahmeheft hinten in dieser

Zeitschrift zukommen lassen. Jeweils eine Antwort ist richtig.

Die Vergabe von CME−Punkten ist an die korrekte Beantwortung der Multiple−Choice−Fragen gebunden.

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Labrumläsionen des Hüftgelenkes

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Welche der folgendenAussagen über dieMorphologie desazetabulären Labrumsist falsch?

6 A Das Labrum des Hüftgelenkes ist eine fibrokartilaginäre Struktur mit einemtriangulären Querschnitt.

B Das Labrum besteht mehrheitlich aus Typ−II−Kollagenfasern.C Das Labrum ist mit nozizeptiven und propriozeptiven Fasern innerviert.D Das Labrum wird durch die Gelenkflüssigkeit und die mit Gefäßen versorgte

Gelenkkapsel versorgt.E Das Labrum ist histologisch vergleichbar mit den Menisken.

Welche der folgendenKonditionen ist eineKontraindikation füreine chirurgische Hüft−luxation zur Therapieeines femoroazetabu−lären Impingements?

7 A Ossifiziertes Labrum.B Ausgedehnte Ganglienbildung.C Fortgeschrittene Koxarthrose.D Durchgehende Labrumruptur.E Fibrokartilaginäre Separation.

Welche Antwortist richtig?Die Labrumunter−flächenläsion(undersurface lesion)ist typisch für

8 A Hüftdysplasie.B Pincer−Impingement.C Koxarthrose.D traumatische Hüftluxation.E Cam−Impingement.

Welche Aussagebezüglich derMagnetresonanz−arthrografie(Arthro−MRT) trifftnicht zu?

9 A Das Arthro−MRT erfordert eine intraartikuläre Kontrastmittelgabe.B Das Arthro−MRT benötigt gelenksnahe Oberflächenspulen.C Das Arthro−MRT liefert axiale, koronare und sagittale Schnitte.D Das Arthro−MRT liefert radiäre Schichten um die Schenkelhalsachse.E Das Arthro−MRT ermöglicht keine Beurteilung des Schenkelhalses.

Welche Eigenschafttrifft auf dasfemoroazetabuläreImpingement (FAI)zu?

10 A Das Pincer−Impingement beschreibt eine unzureichende Taillierung des Kopf−Hals−Überganges.

B Die Lokalisation der Labrum− und Knorpelschäden korreliert nicht mit der Lokalisationdes Impingements.

C Meist haben Patienten mit FAI eine gemischte Form aus Pincer− und Cam−Impingement.D Der Gelenkschaden beim Cam−Impingement ist nur auf das Labrum und einen feinen

Streifen von Knorpel entlang des Labrums begrenzt.E Die typische Lokalisation des FAI ist der posterosuperiore Bereich.

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Beckengürtel und untere Extremität

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