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Laini Taylor · Die Elfen von Dreamdark Seidensänger

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Laini Taylor lebt als Autorin und Illustratorin in Portland im US-Bundesstaat Oregon. Die Elfen vonDreamdark. Krähenmädchen war ihrvielbeachtetes literarisches Debüt.Neben dem Schreiben gestaltet sieihre eigene erfolgreiche Papeterie-Produktlinie »Laini’s Ladies«. Die Umschläge zu Die Elfen vonDreamdark hat jedoch ihr EhemannJim Di Bartolo entworfen.

Von Laini Taylor ist bei cbj erschienen:

»Die Elfen von Dreamdark.Krähenmädchen« (21969)

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Laini Taylor

Die Elfen von DreamdarkSeidensänger

Aus dem Amerikanischen von Cornelia Stoll und Friedrich Pflüger

Mit Illustrationen von Jim Di Bartolo

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cbj ist der Kinder- und Jugendbuchverlagin der Verlagsgruppe Random House

1. AuflageDeutsche Erstausgabe Januar 2010Gesetzt nach den Regeln der RechtschreibreformFirst published in the United States under the titleFAERIES OF DREAMDARK: SILKSINGER by Laini TaylorText copyright © 2009 by Laini TaylorIllustrations copyright © 2009 by Jim Di BartoloPublished by arrangement with G.P. Putnam’s Sons, a division of Young Readers Group, a member of Pen-guin Group (USA) Inc. All Rights reservedDeutschsprachige Ausgabe © 2010 cbj Verlag,München, in der Verlagsgruppe Random House GmbHAlle deutschsprachigen Rechte vorbehaltenAus dem Amerikanischen von Cornelia Stoll undFriedrich PflügerLektorat: Carola HenkeUmschlag- und Innenillustrationen: Jim Di BartoloUmschlaggestaltung: Basic-Book-Design, Karl Müller-BussdorfMI · Herstellung: AnGSatz: KompetenzCenter, MönchengladbachDruck: GGP Media GmbH, PößneckISBN: 978-3-570-21971-3Printed in Germany

www.cbj-verlag.de

SGS-COC-1940

Verlagsgruppe Random House FSC-DEU-0100Das FSC-zertifizierte Papier Super Snowbright für dieses Buch liefert Hellefoss AS, Hokksund, Norwegen.

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Für alle, die heranwachsen,um ein neues Zeitalter zu erschaffen

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Vorspiel

»Der Weltenteppich misslingt«, fauchte der König der Dschinn.Magpie Windfee sah ihn an und verstand, warum die wenigen

Menschen, die je einen Elementargeist des Feuers zu Gesicht be-kommen hatten, ihn für einen Teufel gehalten hatten. Er war mitseinen lodernden Hörnern und seinen mächtigen Schwingen ausgehämmertem Gold eine prachtvolle und Furcht einflößende Er-scheinung. Er sprach – und dabei sprühten Funken aus den Au-genschlitzen seiner goldenen Maske: »Du musst meine Brüder fin-den, kleiner Vogel. Hast du verstanden?«

»Aye, Lord Magruwen. Ich habe verstanden.«Dies war ihr zweiter Auftrag, seitdem sie seine Streiterin gewor-

den war: Die restlichen Elementargeister des Feuers zu finden undnach Dreamdark zurückbringen, damit sie, bevor es zu spät war,den Weltenteppich neu weben konnten.

»Wenn wir nicht bald beginnen, wird Dunkelheit durch das zer-schlissene Gewebe sickern«, fuhr der Magruwen fort. »Die Weltwird in einem Strudel des Nichts ertrinken, gegen den der Black-bringer wie der Schattenwurf eines Vögeleins gewesen sein wird.«

Bei der Erwähnung des Blackbringer kroch Magpie ein Schauderüber den Rücken. Der Blackbringer, die größte Bedrohung, die ihrVolk je erlebt hatte. Ihn zu fangen war ihre erste Aufgabe als Streiterin des Dschinnkönigs gewesen und beinahe wäre sie dabeiselbst im Dunkel untergegangen. Nun stellte sie sich eine gierige schwarze Flutwelle vor, die ihre geliebte Welt zu verschlingendrohte.

»Ich werde sie finden«, gelobte sie und ihre Augen glitzerten wiegehärteter Stahl. »Das verspreche ich.«

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Whisper Seidensänger kannte zwei Todesarten. Die eine war fried-lich und ruhig wie das Schließen von flatternden Augenlidern. Dieandere war ein Beißen und Reißen, schoss hervor wie eine Blut-fontäne, wie ein Teufelssprung, ein Schrei. Beide Todesarten hattesie erlebt. Von ihrem ganzen Stamm waren nur noch drei Elfen übrig und nun war der Tod auch über sie gekommen.

Er war mit Beißen und Reißen gekommen.»Whisperkind, flieg schneller!«, schrie die Großmutter, die hin-

ter ihr auf dem fliegenden Teppich kauerte. Whisper packte denTeppichrand mit beiden Händen und schaute nach hinten. DieTeufel kamen näher, eine tobende, Flügel schlagende Horde uner-messlichen Ausmaßes.

Sie schaute wieder nach vorn, ihre schwarzen Augen waren vorEntsetzen weit aufgerissen. Sie hatte die magische Glyphe für Ge-schwindigkeit bereits beschworen und wusste nicht, wie sie denTeppich noch beschleunigen sollte!

Neben ihr flog ihr Großvater auf einem eigenen Teppich. Er zau-berte knäuelweise Blaufeuer, das er wieder und wieder gegen dieTeufelsbrut schleuderte. Die getroffenen Teufel erleuchteten denNachthimmel wie Fackeln. Manche flogen brennend weiter. Anderestürzten Meteoren gleich in die unter ihnen liegende Bucht undschlugen zischend auf dem Wasser auf. Aber es wurden immermehr Teufel und sie kamen immer näher. Als Whisper wieder einen Blick über ihre Schulter warf, waren sie so nah, dass sie dasMondlicht sich in ihrem Geifer widerspiegeln sah.

»Schneller, Whisper!«, schrie die Großmutter wieder.»Ich kann nicht!«

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Whisper und ihre Familie gehörten wie alle Seidensänger zuden Hopsern, einer Elfenart, deren Flügel klein und zart wieKirschblüten waren und nicht die Kraft besaßen, sie durch die Lüfte zu tragen. Ihre einzige Fluchtmöglichkeit waren deshalb diefliegenden Teppiche. Diese waren jedoch Werke der Kunst undnicht des Kampfes. Und sie waren nicht auf Geschwindigkeit aus-gelegt.

Die Teufel holten auf.Whispers Großvater flog nun dicht neben ihr. »Whisperkind«,

rief er eindringlich, »nimm dies an dich.« Er warf ihr einen ge-hämmerten Kupferkessel zu, das einzige Stück, das sie außer denTeppichen mit auf die Flucht genommen hatten. Whisper pressteden Kessel an sich und sah ihren Großvater verwirrt an.

»Aber Opa …«»Pass gut auf ihn auf«, sagte der Großvater. »Ich hab dich lieb,

mein Kind. Meine Wünsche mögen dich begleiten.«Entsetzen packte sie bei seinen Worten. »Was hast du vor,

Opa?«, schrie sie.Doch er antwortete nicht. Er streckte seinen Arm aus und nahm

die Hand seiner Frau. »Pfläumchen, meine Liebste, sei tapfer.«»Du auch, mein Mann. Alles Gute!«, sagte sie und drückte fest

seine Hand.Whisper stockte der Atem. »Nee!«, keuchte sie, als der Groß -

vater seinen Teppich herumwarf und sich den herannahenden Teu-feln entgegenstellte. Im Nu war der Schwarm über ihm und hiebmit Flügeln, Zähnen, Schwänzen und Klauen, mit Beißen, Reißenund Kreischen auf ihn ein. Whispers Teppich jagte durch die Wol-ken davon, aber ihre Konzentration verließ sie. »Opa!«, heulte sie.Die Glyphe für Geschwindigkeit geriet ins Stocken und der Tep-pich wurde langsamer. Entsetzt blickte sie nach hinten.

»Whisper, flieg!«, befahl Pfläumchen.Doch Whisper konnte den Blick nicht von dem Teufelsknäuel

lassen. Sie sahen alle so verschieden aus – schuppig, schleimig, ge-hörnt, dornig, schnabelig oder stachelig. In dem Gewirr stinkenderFedern und Felle konnte sie ihren Großvater nicht mehr erkennen.Schreckensstarr bemerkte sie Gestalten, die sich aus der wilden

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Jagd lösten und auf zerfetzten Flügeln davontrudelten. Und inmit-ten des Gewühls sah sie … einen Funken.

»Nicht hinsehen!«, schrie Pfläumchen.Und dann explodierte der Nachthimmel in taghellem Licht.Gleißendes Weiß machte sich breit. Zu spät kniff Whisper ihre

Augen zusammen. Pochendes Licht blendete sie und in ihrem Kopfdröhnte eine bebende Stille. Licht und Dunkelheit prallten auf -einander, und sie wusste nicht, ob ihre Augen offen oder geschlos-sen waren, ob es Tag oder Nacht war. Eine Sekunde später rollte eine Hitzewelle über sie hinweg. Sie biss Whisper in die Haut undnahm ihr den Atem. Vor Schreck verlor sie beinahe das Gleichge-wicht, aber da brachte die Großmutter die Glyphe für Geschwin-digkeit wieder zum Erscheinen und der Teppich raste durch dieLüfte, über das dunkle Wasser der Bucht der Ertränkten Drachen.Fort von der Hitze.

Fort von der Asche.»Drachenfeuer«, würgte Whisper hervor. Ein Schluchzer presste

ihr Herz zusammen. Sie wusste, was ihr Großvater getan hatte. Erhatte die zwölfte Glyphe für Feuer zum Erscheinen gebracht undwar darin umgekommen. Es war eine Drachenglyphe, ein Zauber,der für eine Elfe viel zu stark war, und das hatte der Großvater ge-wusst. Er hatte sich selbst verbrannt und alle Teufel mit ins Ver-derben gerissen, damit seine Frau und seine Enkelin entkommenund ihre kostbare Fracht retten konnten. Whisper presste den Tee-kessel an ihren Bauch. Der Schluchzer löste sich aus ihrer Brust.

»Schsch, mein Kind. Schau nach hinten«, sagte Pfläumchen.»Sind alle vernichtet?«

Noch halb blind drehte Whisper sich um. Sie konnte nichts erkennen, aber hören konnte sie. Ein Kreischen gellte auf und wurde von einem zweiten erwidert. Sie erinnerte sich an die Um-risse, die sich kurz vor der Explosion aus dem Knäuel geschält hat-ten. Sie hatten überlebt. Blinzelnd sah sie sie näher kommen. »Siesind zu zweit!«, rief sie.

»Los. Tempo!«, befahl Pfläumchen.Whisper beschwor die Glyphe herauf, drehte sich nach vorn

und spürte den Wind in ihrem Gesicht. Ihre Sicht klarte auf, und

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sie erkannte, dass sie beinahe schon über dem Festland waren.Hinter ihnen lag die Bucht mit ihren zahllosen seltsam zerklüftetenInseln. Eine dieser Inseln war ihr Zuhause. Whisper hatte sichnoch nie so weit von ihr entfernt. Wie hatten die Teufel sie aufge-spürt? Viertausend Jahre lang hatte ihr Stamm im Verborgenen ge-lebt, von der Welt tot geglaubt. Und nun waren sie von ihrer Inselvertrieben worden wie Singvögel aus einem Dornengestrüpp, umim Flug verschlungen zu werden!

Whisper konzentrierte sich auf die Glyphe, denn wenn sie ihrentglitt, würden die Teufel sie im Nu einholen. Sie würde sterbenund das Undenkbare würde geschehen: Die Teufel würden denKessel rauben!

Hinter ihr zauberte die Großmutter Blaufeuerknäuel und warfsie auf die Teufel. Aber sie zielte schlecht, die Ungeheuer wichenaus und kamen näher. So nah, dass Whisper sie riechen konnte.Ein Gestank wie Fisch, der auf Felsen verrottet. Und dann trafPfläumchen einen Teufel – er loderte auf, flog aber trotzdem wei-ter. Seine Flügelschläge schürten das eigene Feuer, bis er zu einemblau glühenden, immer noch fliegenden Klumpen geworden war.Er spreizte seine Krallen, verhakte sich in den Teppichfransen undriss daran.

Der Teppich schlingerte und dann kam der andere Teufel undstürzte sich kreischend auf die Elfen. Er biss und riss und schlugmit seinen stinkenden Flügeln auf sie ein. Die Krallen streiftenWhispers Wange – grapschten nach dem Teekessel! Sie beugte sichüber ihn, als könnte ihr zarter Körper ihn schützen. Vergeblich.

Der Schmerz schnitt durch ihre bloße Schulter – Krallen bohr-ten sich in ihr Fleisch und hakten sich fest. Der Teufel hielt sie inseinen Klauen gefangen. Sie schrie und klammerte sich an den Kes-sel, während der Teufel sie vom Teppich zerrte.

Das war das Ende. Das war der Tod.Die Großmutter schlang einen Arm um ihre Taille. Einen

schrecklichen Augenblick lang hing Whisper zwischen Himmelund Erde, zwischen den Krallen, die ihr die Schulter aufschlitzten,und Pfläumchen, die sie zurück auf den Teppich zog. Ihre Blicketrafen sich. Whispers Augen waren vor Entsetzen weit aufgerissen,

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doch Pfläumchens Augen waren kühl wie Achate. Den einen Armimmer noch um Whispers Taille, holte sie mit dem anderen aus,packte den Teufel am Bein und zerrte ihn weg. Fleisch riss auf, derSchmerz fuhr wie ein Blitz durch Whispers Körper. Aber der Teu-fel ließ los und sie fiel auf den fliegenden Teppich zurück. Pfläum-chen jedoch ließ den Teufel nicht los. Sie sah Whisper eindringlichan und sagte: »Die Stammespflicht liegt nun allein auf deinenSchultern, Whisperkind. Gesegnet seist du.«

Und dann stieß sie sie vom fliegenden Teppich.Whisper fiel. Über ihr flammte kochendes weißes Licht und wie-

der leuchtete der Nachthimmel taghell auf. Sie schlug hart auf demBoden auf. Sie hatte nicht einmal gemerkt, dass sie schon überdem Festland gewesen waren. Keuchend rang sie nach Luft, amHimmel über ihr knisterte Drachenfeuer.

Blindheit und Stille senkten sich auf sie herab, und es dauerte einige Zeit, bis sie wieder klar sehen konnte. Sie lag auf einemStrand, nur wenige Meter vom Wasser entfernt. Der Himmel warstill und leer, Asche schwebte gleich schwarzem Schnee herab undsetzte sich auf dem Sand ab. Die Asche, das waren die Teufel, derTeppich, ihre Großmutter.

Tränen glitzerten in Whispers Wimpern, lösten sich aber nicht.Asche blieb darin hängen und verklumpte. Sie war zu benommenzum Trauern. Der Teekessel war auf die Seite gerollt. Sie sah ihnunverwandt an.

In seinem Inneren glühte ein Stück Holz. Es sah nach nichts Be-sonderem aus, es war einfach ein kleiner Feuerkeim. Aber die Teu-fel töteten dafür, ihre Großeltern waren dafür gestorben und dasSchicksal der Welt hing davon ab. Und nun lag es an ihr, es zuschützen.

Was sollte sie tun? Nach Hause konnte sie nicht. Dort hatten dieTeufel sie aufgespürt. Wohin sollte sie gehen? Von der Welt außer-halb ihrer Insel wusste sie nichts. Sie konnte nicht fliegen und siewar auch keine Kriegerin – sie besaß keine Waffe und mutig warsie auch nicht. Seitdem sie viele Jahre zuvor hatte zusehen müssen,wie ihre Eltern von einer Seeschlange verschlungen worden waren,war ihr immer ein bisschen unheimlich und ängstlich zumute.

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Zitternd erhob sich Whisper auf die Knie und schlang ihre Armeum den Kessel. Eine pulsierende Wärme entströmte ihm.

»Bitte, bitte wach auf«, flüsterte sie zu dem glühenden Holz.Aber in den Jahrtausenden, seit die Seidensänger es hüteten, war esniemals aufgewacht. Und es wachte auch jetzt nicht auf.

Whisper kniete bleich und zitternd auf dem Strand. Ihre Schul-tern waren aufgerissen und bluteten. Sie kuschelte sich an denwarmen Kessel, aber das half ihr auch nicht. Sie war allein und siewar kalt wie eine ausgebrannte Aschengrube.

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»Sieht interessant aus«, meinte Magpie. Sie hockte am Eingang einer Höhle, in der es total dunkel war. Aber die Dunkelheit lebte.Sie warf eine Kugel Elfenlicht hinein, in deren Schein sie dickeTrauben von Fledermäusen ausmachen konnte. Sie hingen zu Tau-senden von der Decke, schubsten sich gegenseitig und schimpftenwie zänkische, alte Weiber. Auch auf dem Boden der Höhlekreuchte und fleuchte es, aber Magpie verzichtete darauf, ihn mitElfenlicht auszuleuchten. Sie wusste, was es war.

»Kakerlaken«, sagte Talon Wagedorn, als er das Getrappel ver-nahm.

»Aye, und Pythons, du weißt schon.«Die Kakerlaken ernährten sich vom Guano der Fledermäuse und

die Pythons von herabfallenden Fledermäusen. Eine Fledermaus-höhle war ein eigener Mikrokosmos, und Magpie und Talon warenim Begriff, in dieses stickige Dunkel zu fliegen und sich auf die Suche zu machen.

»Fertig?«, fragte Magpie.»Fertig«, antwortete Talon.Sie richteten ihr Zauberlicht nach vorn, breiteten ihre Flügel

aus – Magpie ihre Libellenflügel und Talon seine Vogelflügel – undtauchten in die Finsternis ein.

Sie befanden sich tief im Lande Ifrit, inmitten der wilden,dschungelartigen Ausläufer des Mondgebirges. Die oberhalb einesblauen Sees gelegene Höhle war riesengroß, und in ihr herrschtesogar ein eigenes Wetter – ein ständiges Prasseln, das aber nichtvom Regen kam, sondern von den klebrigen Ausscheidungen derFledermäuse. Zum Glück waren die Elfen wendige Flieger, sie

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wichen dem Getropfe, so gut es ging, aus und steuerten geschicktdurch die klebrige Dunkelheit. Am anderen Ende der Höhle, wodie Decke sich absenkte, gab es weniger Fledermäuse, dafür muss-ten sie jedoch dicht über dem lebenden Kakerlakenteppich fliegen.

»Schau«, rief Magpie und zeigte auf eine schmale Tunnelöff-nung, die aber unglücklicherweise von dem glatten, geschwunge-nen Leib einer Python verstopft war. Der Kopf der Schlange ragteaus dem Loch, der übrige Körper steckte im Tunnel und füllte ihnrestlos aus.

»Meinst du, du kannst sie vertreiben?«, fragte Talon auf der Stelle schwebend.

»Sie freundlich bitten oder was?«, erwiderte Magpie. Die Schlan-ge war riesig. Hätte sie gegähnt, hätte Magpie aufrecht in ihrem ge-öffneten Maul stehen können. Allerdings hegte sie keine derartigenAbsichten.

»Also, an ihr vorbei kommen wir jedenfalls nicht«, meinte Talon.»Wir müssen sie herauslocken.«

»Aye. Willst du Köder spielen oder soll ich?«»Ich sehe bestimmt schmackhafter aus«, entgegnete Talon.Magpie schnaubte. »Ein Mund voll Federn, mehr bist du doch

nicht.«»Immer noch besser als ein Mund voll Schuppen.« Talon zeigte

auf Magpies Tunika mit den kostbaren Feuerdrachenschuppen.Wo er recht hat, hat er recht, dachte Magpie und tippte mit dem

Fingernagel auf die diamantharten Schuppen. »Also gut, diesmalbist du der Köder. Aber glaub nur nicht, dass ich dir immer denVortritt lasse.«

»Nee, klar«, sagte der Bursche und schlug kräftig mit den Flü-geln, um Höhe zu gewinnen. Er schwebte kurz auf der Stelle, undMagpie beobachtete neugierig, was er vorhatte. Bei seinem Anblickmusste sie unwillkürlich lächeln. Er war erst drei Wochen von sei-nem Zuhause in Dreamdark fort und sah fast schon so wild aus wiedie Dschungelelfen von Ifrit. In seinem fahlgelben, wilden Haar-schopf, der einen Haarschnitt dringend nötig hatte, steckte einBlatt, seine Arme waren dreckverschmiert und seine Hosen ausge-franst. Und über seine Wangenknochen zogen sich die Tätowie-

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Magpie und Talon

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rungen der Wagedorns, die selbst den freundlichsten Charakterzum Fürchten aussehen ließen. Und Talon hatte einen freundlichenCharakter, aber er war auch ein Krieger.

Er setzte sich in Bewegung, steuerte auf die Python zu, drehte eine anmutige Pirouette und landete dann in geduckter Haltungauf ihrem Kopf, genau zwischen ihren Augen. »Segen, Schlange«,sagte er höflich.

Die Python erwiderte seinen Gruß nicht, sondern warf in atem-beraubender Geschwindigkeit ihren Kopf zurück, schüttelte Talonab und stieß mit aller Kraft auf die Stelle nieder, wo er eigentlichhätte sein müssen. Aber da war er nicht. Pythons sind flink, aberTalon war flinker. Er wich dem Schlag nach hinten aus undschwebte hämisch lachend in der Luft. »Fang mich doch, Schleim-schwanz!« Die Schlange glitt hinter Talon her, und Magpie sahschaudernd, wie sie immer näher kam und der Tunnel eine nichtenden wollende Strecke Schlangenleib ausspie.

»Verdammter Tobak«, murmelte sie. Die Schlange maß mindes-tens zwanzig Fuß!

Talon lockte und schwatzte, ließ die Schlange immer wieder näher kommen und wich dann geschwind ihren Vorstößen aus.Magpie sah zu, als handelte es sich um eine Vorführung. Talon warschon als flugunfähiger Hopser ein Artist gewesen. Aber seitdem erfliegen konnte – mit Krähenflügeln, die er sich selbst aus Zauber-sprüchen, Spinnenseide und Träumen gebastelt hatte –, war er un-übertroffen. Er lockte die Schlange durch die Höhle und sie pflügtewie ein Schiff auf hoher See durch den Schlamm aus Guano undKakerlaken. Dann zauberte er ein lebensechtes Phantasma seinerselbst hervor, das die Schlange weiter verfolgen konnte, und schosszu Magpie zurück. »Komm schnell, bevor sie etwas merkt«, sagteer. Sie steuerten auf die Tunnelöffnung zu. Magpie flog als Erste hinein und leuchtete mit ihrem Elfenlicht, Talon folgte ihr auf denFersen.

Der Gang war eng und dunkel und genau wie in der Höhle wim-melte es hier von Leben. Skorpione, so groß, dass man auf ihnenhätte reiten können, zitternde Madenklumpen und seltsame, au -gen lose Troglobite begegneten ihnen auf ihrem Zickzackflug durch

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den gewundenen Gang. Schließlich kamen sie an eine Gabelung,und Magpie schwenkte, ohne nachzudenken, nach links. Sie wurdevon einer unsichtbaren, pulsierenden Kraft vorwärts gezogen undwusste, sie waren auf dem richtigen Weg.

Ihr ganzes Leben lang hatte Magpie dieses Pulsieren wahrge-nommen und nie gewusst, was es bedeutete, und auch niemandenkennengelernt, der es ebenfalls spürte. Aber seit Dreamdark war alles anders geworden. Sie wusste nun, dass das Pulsieren nichtsanderes war als das Singen des Weltenteppichs, jenes mystischenGewebes, das von den sieben Dschinn, die die Welt erschaffen hat-ten, vor Äonen von Jahren erträumt worden war. Der Teppich, daswar die Welt. In ihm lagen ihr Wesen und ihre Macht. Und Magpiekonnte ihn spüren! Und Talon und ihre Freundin Poppy Tausend-grün konnten ihn ebenfalls spüren. Diese Fähigkeit verlieh ihrenZauberkräften eine besondere Stärke, die die Elfen seit Jahrtausen-den verloren geglaubt hatten.

In Magpies Fall war es eine noch nie da gewesene Stärke, dieselbst die ihrer Heldin, der großen Streiterin Bellatrix, überstieg.Und obwohl Magpie klein wie ein Hänfling war, so klein, dass sieauf dem Rücken der Krähen reiten konnte, gab es auf der ganzenWelt kein Wesen – die Dschinn ausgenommen –, das eine größereZauberkraft besaß. Natürlich beherrschte sie diese Kraft längstnoch nicht.

»Talon, sieh nur.« Der Gang weitete sich zu einer kleinen Höhle.Und in dieser Höhle gab es weder unansehnliche Troglobite nochMaden oder Fledermäuse, als hätte eine magische Schranke ihnenden Weg versperrt. Die Höhle war vollständig leer, nur auf einersteinernen Erhebung lag ein glühendes Stück Holz. Magpie landeteauf dem Boden und näherte sich vorsichtig der Glut, die an diesemtiefschwarzen Ort einen orangefarbenen Schein ausstrahlte. Es warein wunderschöner Anblick.

»Der Ithuriel«, flüsterte Magpie atemlos.Talon legte seinen Kopf auf die Seite und blinzelte. »Bist du

sicher?«»Ich bin sicher«, sagte Magpie. Jeder andere hätte die Glut für

ein verlöschendes Feuer gehalten. Magpie aber, die Magie sehen

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konnte, erkannte in ihr die fantastischen Lichtspuren. Dies warkein gewöhnliches Feuer, dies war ein Elementargeist des Feuers.Ein Dschinn.

»Wenn du meinst«, sagte Talon.Einst hatten die Dschinn über die von ihnen erschaffene Welt ge-

herrscht. Doch vor viertausend Jahren hatten sie ihre Schöpfungim Stich gelassen und waren spurlos verschwunden. Mancheglaubten, dass sie in das Dunkel jenseits der Welt zurückgekehrt,andere, dass sie gestorben waren, und wieder andere, dass sie nieexistiert hatten und nur Märchengestalten waren. Aber hier in die-ser Höhle lag die Wahrheit: Die Dschinn hatten sich zum Schlafenund Träumen an ferne Orte zurückgezogen.

»Ein Treffer von fünfen«, stellte Magpie erfreut fest. Der Magru-wen war ja bereits wach und den Vritra hatte der Blackbringer um-gebracht. Also mussten noch fünf gefunden werden, von denen derIthuriel der erste war. Magpie räusperte sich und machte sich ansWecken. »Meinen Segen, Herr Ithuriel«, sagte sie.

Nichts geschah. Sie wiederholte ihren Gruß. Immer noch nichts.Die Glut lag einfach da wie … wie eine Glut eben. Magpie nagte aufihrer Lippe und sah Talon fragend an. Dieser zuckte die Achseln.Im Lauf der folgenden halben Stunde brachte sie eine Reihe vonGlyphen zum Erscheinen, erhob ihre Stimme und versuchte sogar,den Dschinn durch Blasen anzufeuern. Aber er rührte sich nicht.

»Ich glaube, wir müssen ihn hinaustragen«, meinte sie schließ-lich.

»Aber wie?«, fragte Talon.»Gute Frage.« An einen Behälter hatte Magpie nicht gedacht.

Und als die Suche in der Höhle nichts Behälterähnliches ergab, fielihr ein, dass sie etwas besaß, das für diesen Zweck geeignet war: ihre Tunika. Feuerdrachenschuppen waren, wie Drachenschuppenüberhaupt, feuerfest. Sie löste den Gürtel und streifte die Tunikaüber den Kopf. Darunter trug sie ein selbst gewebtes Kleid, aber siehatte sich in den vergangenen Wochen so an Bellatrix’ alte Rüstunggewöhnt, dass sie sich ohne sie beinahe nackt vorkam.

Sie beschwor eine Glyphe herauf, mit deren Hilfe sie die Glutzum Schweben brachte, fing sie mitten im Flug auf und wickelte

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sie in die Tunika. »Gehen wir«, sagte sie. Talon hinter ihr und dasElfenlicht vor ihr, jagte sie durch den Gang zurück, um so schnellwie möglich wieder an die frische Luft zu kommen.

Und flog in ihrer Eile, als sie um eine Ecke bog, geradewegs indas aufgesperrte Maul der Python.

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»Zum Donner!«, schrie Magpie und konnte sich gerade noch durcheinen kräftigen Flügelschlag rückwärts in Sicherheit bringen, bevordas Schlangenmaul wie eine Falle zuschnappte. Sie wirbelte nachhinten und prallte in vollem Schwung auf Talon. Beide stürzten zuBoden.

»Hey, du Schleimschwanz!«, schrie Talon.Die Python füllte die ganze Röhre aus, und es gab viel zu wenig

Platz, um sie wegzulocken oder an ihr vorbeizukommen. Ihnenblieb nichts anderes übrig, als den Rückzug anzutreten. Und dasmachten sie auch, und zwar sehr schnell. Die Schlange setzte ihnenin rasender Geschwindigkeit nach. Magpie meinte schon, ihre ge-spaltene Zungenspitze an den Fersen zu spüren, und legte einenSpurt ein. Bei der Abzweigung hielt sie sich diesmal rechts, dennsie wusste, dass der linke Weg in der Traumgruft des Dschinn endete.

Sie mussten jedoch bald feststellen, dass die rechte Abzweigungebenfalls in einer Sackgasse endete. Der Gang wurde enger, bis nurnoch eine Kakerlake hindurchgepasst hätte. Die Schlange pflügtesich durch ein Meer von Skorpionen und kam immer näher. Mag-pie und Talon standen Seite an Seite und sahen ihr entgegen. DerKopf der Schlange wuchs mächtig vor ihnen auf.

»Äh, hast du eine Idee?«, fragte Talon.Magpie hatte auch schon überlegt. Sie wollte die Schlange nicht

töten. Töten war nicht ihre Aufgabe – nicht einmal Teufel tötete sie,ganz zu schweigen von prachtvollen Lebewesen wie diese Schlan-ge, die in der wilden Welt der Dschinn ihre Nische gefunden hatte.Aber sie wollte diese Reißzähne auch nicht näher an sich heranlas-

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sen. Sie musste etwas tun. In ihren Fingerspitzen schlummerte dieZauberkraft des Teppichs.

Das Problem war nur, dass sie nicht genau wusste, wie sie funk-tionierte.

»Unfähige Pfuscherin«, hatte der Magruwen geschimpft, als ersie jüngst unterrichten wollte. Sie konnte ihre Kräfte einfach nichtim Zaum halten! Sie besaß die Zauberkraft von Elementargeisternund war doch nur ein kleiner Hänfling. Der Zauber sprudelte ausihr heraus, fuhr ungezügelt in die leuchtenden Webfäden des Wel-tenteppichs, brachte sie durcheinander und schuf verheerende, un-berechenbare Magiken. Erst kürzlich hatte sie aus Versehen einenZauber losgelassen, der sämtliche Äpfel auf der Welt nach Blutschmecken ließ. Der Magruwen hatte ihn schnell wieder entwirrtund dabei die ganze Zeit vor sich hin geschimpft. Als nun dieSchlange im Begriff war zuzuschlagen, spürte Magpie das vertrauteKribbeln in ihren Fingerspitzen. Aber diesmal ballte sie ihre Händenicht zusammen, um den Zauberstrom zurückzuhalten. Diesmalspreizte sie ihre Finger und ließ den Zauber willentlich heraus.Lichtkringel lösten sich von ihren Fingerspitzen und wirbelten aufdie Schlange zu.

Kein Zauberfunke, kein Rauchwölkchen stieg auf. Die Riesen-schlange, die eben noch den ganzen Gang ausgefüllt hatte, lag ein-fach klein wie ein Wurm vor ihnen auf dem Boden. Magpie seufzteerleichtert und sagte: »Das wird reichen.«

»Ah, schau nur, wie süß. Ich würde sie am liebsten einstecken«,rief Talon.

»Ach, lass sie, das arme Viech. Stell dir vor, wie lange sie ge-braucht hat, um so groß zu werden, und jetzt muss sie wieder vonvorne anfangen. Hätte sie nur nicht versucht, uns zu fressen.«

Zu dem verdutzten Python sagte Talon: »Lass dir das eine Lehresein, Brutalo!«

»Komm«, sagte Magpie, »die Krähen regen sich auf, wenn wirnicht bald kommen.« Sie flogen ohne Schwierigkeiten an derSchlange vorbei Richtung Ausgang.

In der großen Fledermaushöhle stellten sie fest, dass es Abendsein musste, denn von der Decke lösten sich die Fledermäuse und

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UNVERKÄUFLICHE LESEPROBE

Laini Taylor

Die Elfen von Dreamdark - Seidensänger

DEUTSCHE ERSTAUSGABE

Paperback, Broschur, 352 Seiten, 13,5 x 20,6 cm7 s/w AbbildungenISBN: 978-3-570-21971-3

cbj

Erscheinungstermin: Januar 2010

Das Elfen-Abenteuer geht weiter! Whisper, die Letzte der Seidensänger, ist auf der Flucht: Eine schreckliche Teufelshordeist hinter der kostbaren Asche von Azazel her, dem allmächtigen Dschinn. Ihr fürchterlicherAnführer will unbedingt die Macht des Dschinns und die Herrschaft über die Welt der Elfenerlangen! Das muss Maggie Windfee natürlich um jeden Preis verhindern und eilt Whisper zuHilfe – nicht ahnend, dass es auch Bösewicht Hirik Mothmage auf die Asche des Dschinnsabgesehen hat …