Landesamt für Verfassungsschutz Hessen · Der Koran (arab. qur’ân, „Vortrag“ oder...

20
Salafistische Bestrebungen in Hessen Landesamt für Verfassungsschutz Hessen

Transcript of Landesamt für Verfassungsschutz Hessen · Der Koran (arab. qur’ân, „Vortrag“ oder...

Page 1: Landesamt für Verfassungsschutz Hessen · Der Koran (arab. qur’ân, „Vortrag“ oder „Lesung“, oft auch al-kitâb, „das Buch“, oder mushaf „Codex“ genannt) ist die

Salafistische Bestrebungen in Hessen

Landesamt für Verfassungsschutz Hessen

Salafisten_DinA5_16+4S_final2_151x216 07.11.14 14:59 Seite 1

Page 2: Landesamt für Verfassungsschutz Hessen · Der Koran (arab. qur’ân, „Vortrag“ oder „Lesung“, oft auch al-kitâb, „das Buch“, oder mushaf „Codex“ genannt) ist die

2

Impressum

Herausgeber:

Landesamt für Verfassungsschutz Hessen

Konrad-Adenauer-Ring 49

65187 Wiesbaden

Stand:

November 2014

Internet:

http://www.verfassungsschutz.hessen.de

E-Mail: [email protected]

Salafisten_DinA5_16+4S_final2_151x216 07.11.14 14:59 Seite 2

Page 3: Landesamt für Verfassungsschutz Hessen · Der Koran (arab. qur’ân, „Vortrag“ oder „Lesung“, oft auch al-kitâb, „das Buch“, oder mushaf „Codex“ genannt) ist die

3

INHALT

1. SALAFISMUS: EINE EXTREMISTISCHE BESTREBUNG 4 1.1 Ideologische Abgrenzung zum Islamismus 5 1.2 Prinzipien und Ziele der Salafisten 6 1.3 Politischer Salafismus 7 1.4 Jihadistischer Salafismus 7

2. EREIGNISSE UND ENTWICKLUNGEN IM POLITISCHEN SALAFISMUS IN HESSEN 9 2.1 Missionierungsnetzwerk DawaFFM, „Islamische Audios“ und das „Street Dawah“-Projekt 9 2.2 „LIES!“-Kampagne 10 2.3 Islamseminare 11 2.4 Benefizveranstaltungen für Syrien 11

3. EREIGNISSE UND ENTWICKLUNGEN IM JIHADISTISCHEN SALAFISMUS IN HESSEN 12 3.1 Jihad-Schauplatz Syrien und Irak: Die Rolle des IS 12 3.2 Gefahren durch Rückkehrer 13 3.3 Jihadistische Internetpropaganda 14

4. RADIKALISIERUNGSVERLÄUFE 15 4.1 Jugendliche und junge Erwachsene im Visier des Salafismus 15

5. AUSBLICK 16

ZUSAMMENFASSUNG 17

Salafisten_DinA5_16+4S_final2_151x216 07.11.14 14:59 Seite 3

Page 4: Landesamt für Verfassungsschutz Hessen · Der Koran (arab. qur’ân, „Vortrag“ oder „Lesung“, oft auch al-kitâb, „das Buch“, oder mushaf „Codex“ genannt) ist die

4

Der Verfassungsschutz beobachtet wederden Islam als Religion noch die Glaubens-gemeinschaft der Muslime in Deutschland.Sowohl der Glaube als auch die religiösePraxis sind durch das in Artikel 4 Grund -gesetz (GG) verbriefte Recht auf Religions-freiheit geschützt. Dies gilt auch für denIslam als Religion.

Mit dem Begriff „Islamismus“ werden alleErscheinungsformen des islamistischenExtremismus erfasst. Als islamistisch werdenpolitisch-totalitäre Ideologien benannt,die den Islam als ein alle Bereiche des poli-tischen und gesellschaftlichen Zusammen-lebens umfassendes System auf der Basisder islamischen Rechtsordnung (Scharia)etablieren wollen. Dieser Ordnung sollen

sich letztlich sowohl Muslime als auch Nicht-Muslime unterwerfen. Aus diesem Grundlehnen Islamisten die freiheitliche demo-kratische Grundordnung der Bundesrepu-blik Deutschland ab, da eine Demokratienicht mit dem Willen Allahs vereinbar ist.

„Salafismus“ ist eine bestimmte extremis -tische Bestrebung innerhalb des Isla -mismus. Sie ist die derzeit am schnellstenwachsende und dynamischste Bewegungim Bereich des Islamismus. Das salafis -tische Phänomen beschränkt sich nichtalleine auf Deutschland. Es handelt sichvielmehr um eine globale Bewegung, dieverschiedenartig in Erscheinung tritt undunterschiedliche Methoden für die Durch-setzung ihrer Ziele verwendet.

1. SALAFISMUS: EINE EXTREMISTISCHE BESTREBUNG

freiheitliche demokratische Grundordnung (fdGO)

Salafisten_DinA5_16+4S_final2_151x216 07.11.14 14:59 Seite 4

Page 5: Landesamt für Verfassungsschutz Hessen · Der Koran (arab. qur’ân, „Vortrag“ oder „Lesung“, oft auch al-kitâb, „das Buch“, oder mushaf „Codex“ genannt) ist die

Im Salafismus existieren zwei Hauptströ-mungen, der politische und der jihadis -tische Salafismus. Die Mehrzahl der in Hessen ansässigen Salafisten ist dem politi-schen Salafismus zuzurechnen. Ein erheb - licher Teil der jihadistischen Salafisten istim Einzelfall bereit, insbesondere gegenpolitische Gegner oder vermeintliche„Feinde“ des Islam, Gewalt einzusetzen.

1.1 Ideologische Abgrenzung zum Islamismus

Der Salafismus entwickelte sich als Variante des Islamismus und basiert aufähnlichen ideologischen Grundlagen, diesich jedoch in Details unterscheiden:

Der Islamismus stellt ein transnationalesextremistisches Phänomen dar. Er umfasstviele verschiedene Erscheinungsformen.Diese unterscheiden sich in ihrer weltan-schaulichen Ausrichtung und bei der Wahlder Mittel, mit denen die Gesellschaft ver-ändert werden soll. Dies kann auch dieBeteiligung am politischen Leben inner-halb von Demokratien bedeuten.

Salafistische Gruppen lehnen diese Betei-ligung am demokratischen Willensbildungs-prozess ab. Demokratisch legitimierte – alsodurch freie Wahlen bestimmte – Regierun-gen und Parlamente sowie die von ihnenverabschiedeten Gesetze werden als nichtmit den Grundsätzen der Scharia überein-stimmend angesehen, als Götzen (arab.tawaghit) bezeichnet und als Vielgötterei(arab. shirk) neben den Gesetzen Allahsgesehen.

Grundlage der salafistischen Weltsicht istdie Frühzeit des Islam im 7. bis 9. Jahrhun-dert. Hier wird oft auf eine idealisierte Ge -meinschaft aller muslimischen Gläubigen,die „Umma“ Bezug genommen. Dies führtgleichzeitig zu einer bewussten Abgren-zung gegenüber anderen extremistischenStrömungen im Islam.

Generell steht sowohl im Islamismus alsauch im Salafismus die Errichtung eines isla -mistischen Gemeinwesens im Vordergrund.Weitere Unterschiede zwischen salafisti-schen und islamistischen Strömungen lie-gen im Wesentlichen im Organisationsgrad

Was sind Koran und Scharia? Der Koran (arab. qur’ân, „Vortrag“ oder „Lesung“, oft auch al-kitâb, „das Buch“, oder mushaf„Codex“ genannt) ist die Heilige Offenbarungsschrift des Islams. Formal besteht er aus 114 Suren. Nach islamischem Verständnis geht der Koran auf ein bei Gott verborgenes „Ur-Buch“ zurück, das als „wohlverwahrte Tafel“ (Sure 85:22) beschrieben wird.

Der Begriff Scharia (arab. sharîa) wird heutzutage für „islamisches Recht“ verwendet. Im engeren Sinn bedeutet er die von Gott gesetzte Ordnung im Sinne eines islamischen Moral- und Rechtsverständnisses.

(Vgl.:Elger, Ralf/Friederike Stolleis (Hg.): Kleines Islam-Lexikon. Geschichte – Alltag – Kultur. München: Beck 2001.

Lizenzausgabe Bonn: Bundeszentrale für politische Bildung 2002.)

5

Salafisten_DinA5_16+4S_final2_151x216 07.11.14 14:59 Seite 5

Page 6: Landesamt für Verfassungsschutz Hessen · Der Koran (arab. qur’ân, „Vortrag“ oder „Lesung“, oft auch al-kitâb, „das Buch“, oder mushaf „Codex“ genannt) ist die

6

und in den Mitteln. Im Gegensatz zu ande-ren islamistischen Strömungen be trei benSalafisten hauptsächlich die Da’wa (Missio-nierung) und verbreiten hierdurch ihrextremistisches Islamverständnis.

Muslime, die nicht-salafistische Gesell-schaften akzeptieren oder gar aktiv in„unislamischen“ Systemen wirken, werdenzu Ungläubigen erklärt und nicht längerals Bestandteil der Umma geduldet.

1.2 Prinzipien und Ziele der Salafisten

Salafisten behaupten, im Besitz der abso-luten Wahrheit zu sein, die der Koran unddie Tradition des Frühislam diktiert. DiesesDenkmuster, das die islamische Urge-meinschaft (7. bis 9. Jahrhundert) um denPropheten Muhammad und seiner vierNachfolgekalifen zu einer utopischen Ideal-gesellschaft mit universellem Vorbild -

charakter verklärt, bildet die geistigeGrundlage des Salafismus.

Die salafistische Szene verweigert sichkonsequent allen theologischen Interpre-tationen, die moderne Lebensregeln fürden Islam aus den religiösen Quelltextenund tradierten Bräuchen ableiten möchten.Aus dieser Kompromisslosigkeit herausentsteht ein stark vereinfachtes Weltbild,welches nur noch in „Gut“ und „Böse“,„Gläubig“ und „Ungläubig“, unterscheidet.

Der Salafismus zielt darauf ab, das öffent -liche und private Leben zu kontrollieren.Ziel ist die Errichtung eines islamistischenGottesstaates, in dem wesentliche demo-kratische Grundrechte und Verfassungs-positionen keine Geltung haben.

Im Mittelpunkt steht der feste Glaube aneinen strikten Monotheismus (arab. tauhid).Allah ist für Salafisten der einzig legitime

Was sind Kalifat und Umma?Das Kalifat (von arab. khalîfatu rasûli llâh, „Vertreter des Gesandten Gottes“) ist eine Herrschafts-form, in der sowohl die politische als auch die religiöse Herrschaft durch eine Person, den Kalifen,ausgeübt wird. Das Kalifat entstand nach dem Tod des Propheten Muhammad, indem nach -einander Abû Bakr, Umar, Uthmân und Alî zum Anführer des muslimischen Gemeinwesens wurden. Allgemein werden sie als die „vier rechtgeleiteten Kalifen“ bezeichnet.

Als Umma (arab. „Gemeinschaft, Volk“, pl. umam). wird die Gemeinschaft aller Muslime bezeich-net. War sie zur Zeit des Propheten Muhammad und der ersten Kalifen sowohl im religiösen alsauch politischen Sinne noch weitgehend einig, so hat sie sich später in politischer Hinsicht inverschiedene Staaten, in religiöser Hinsicht in verschiedene Bekenntnisse (z.B. Schiiten, Sunniten) aufgespalten.

(Vgl. Lexikon des Dialogs. Grundbegriffe aus Christentum und Islam, Bd. 1. Hrsg. v. Richard Heinzmann in Zusammen -

arbeit mit Peter Antes, Martin Thurner, Mualla Selçuk u. Halis Albayrak. Freiburg, Basel u. Wien 2013. Elger, Ralf/Friederike

Stolleis (Hg.): Kleines Islam-Lexikon. Geschichte – Alltag – Kultur; München 2001.)

Salafisten_DinA5_16+4S_final2_151x216 07.11.14 14:59 Seite 6

Page 7: Landesamt für Verfassungsschutz Hessen · Der Koran (arab. qur’ân, „Vortrag“ oder „Lesung“, oft auch al-kitâb, „das Buch“, oder mushaf „Codex“ genannt) ist die

7

Gesetzgeber, dessen Wille in Koran und Sunna für alle Zeiten festgehalten ist. In diesem Sinne werfen Salafistenanderen islamischen Glaubensrichtungenvor, „uner laubte Neuerungen“ (arab. bid’a)in die islamische Religionspraxis einge-führt zu haben. Aufgrund des absolutenWahrheits- und Machtanspruches derSalafisten werden Muslime, die keineAnhänger der salafistischen Ideologiesind, deshalb – ebenso wie Anhängeranderer Religionen – als „Ungläubige“(arab. kuffar) oder „Polytheisten“ (arab.muschrikun) herabgewürdigt.

Für Salafisten ist jede Handlung, die inÜber einstimmung mit den Normen derScharia stattfindet, ein Akt der AnbetungAllahs. Das strikt wortwörtliche Auslegenund Befolgen von Koran und Sunna stellteines der zentralen Merkmale ihrer Ideo -logie dar. Für die Missachtung der ver-meintlich gottgefälligen Lebensregelnbefürworten Salafisten drakonische Strafen,wie das Handabhacken bei Diebstahl oderSteinigung bei Ehebruch.

„Antiwestliche“ Positionen sind in der sala-fistischen Ideologie besonders ausge-prägt. In Europa lebende Salafisten nutzenhäufig das ideologische Konzept „Treueund Meidung“ (arab. al-wala’ wa al-bara’),um ihre Ablehnung aller „Ungläubigen“ zubegründen. Das Konzept schreibt vor,dass sich „wahre“ Muslime untereinanderzu jeder Zeit helfen müssen, während alleals „ungläubig“ erachteten Menschen alsFeinde anzusehen seien, deren Gesell-schaft und Freundschaft gemieden wer-den müsse. Dies führt zu dem im Abschnitt„Radikalisierungsverläufe“ (s. Seite 16)

dieser Broschüre beschriebenen Kontakt-abbruch von Salafisten zu „westlich“ orien-tierten Bekannten und Freunden.

Salafisten vertreten zudem antisemitischeund antiisraelische Positionen. Auf zahlrei-chen Internetseiten und in Publikationensprechen sie von einer weltweiten jüdisch-israelischen Verschwörung, deren Ziel essei, den Islam zu zerstören. Der Staat Israelsei auf „muslimischer Erde“ gegründet wor-den und habe deshalb kein Existenzrecht.

1.3 Politischer Salafismus

Der Großteil der Salafisten versucht überMissionierung (arab. Da`wa) möglichstviele neue Anhänger zu gewinnen, dasheißt vor allem Nicht-Muslime, Konvertitensowie junge Muslime von ihrer Interpreta-tion des Islam zu überzeugen (politischerSalafismus). Die Da’wa ist für die Verbrei-tung der salafistischen Ideologie von maß-geblicher Bedeutung und findet durchIslamunterricht, Islamseminare, Infostän de,Kundgebungen, Publikationen und Propa-ganda im Internet statt.

Politische Salafisten vermeiden offene Auf-rufe zur Gewalt. Sie lehnen jedoch „religiös“ motivierte Gewalt zur Durchset-zung ihrer Ziele nicht prinzipiell ab(gewaltorientierter Salafismus). So betei -ligen sich vereinzelt politische Salafistenan spontanen gewaltsamen Aktionen.

1.4 Jihadistischer Salafismus

Ein Teil der Salafisten ist davon überzeugt,dass die Errichtung eines islamistischenGottesstaats im Sinne ihrer Ideologie nur

Salafisten_DinA5_16+4S_final2_151x216 07.11.14 14:59 Seite 7

Page 8: Landesamt für Verfassungsschutz Hessen · Der Koran (arab. qur’ân, „Vortrag“ oder „Lesung“, oft auch al-kitâb, „das Buch“, oder mushaf „Codex“ genannt) ist die

8

durch den bewaffneten Kampf möglichsei. Jihadistische Salafisten befürworteneine unmittelbare und sofortige Gewaltan-wendung. Aus jihadistischer Perspektivebefindet sich die Gemeinschaft der Mus-lime weltweit in einem „Verteidigungszu-stand“. Deshalb erscheint es Salafistengerechtfertigt, für Terroranschläge und –vor allem über die neuen Medien- für dengewaltsamen Jihad zu werben.

Wie dieser bewaffnete Kampf zu führen ist,interpretieren Jihadisten unterschiedlich.So wird der gewaltbereite Jihad alsindividu elle Pflicht eines jeden Muslimsoder als kollektive Pflicht der muslimi-schen Gemeinschaft betrachtet. Anhängerdes global ausgerichteten gewaltsamenJihads betonen in diesem Zusammen-hang die Individualverpflichtung jedeseinzelnen Muslims, in den bewaffnetenKampf zu ziehen. Aus Sicht dieser Jiha -disten müssen „Ungläubige“ und angeb -liche „Feinde des Islam“ überall auf derWelt getötet werden.

Ein weiteres wichtiges Kernelement derjihadistischen Ideologie ist das Märtyrer-

tum. Der Tod eines Muslims im bewaffnetenKampf gegen die „Ungläubigen“ garan-tiere jedem Jihadisten den Eingang in dasParadies und das Wohlgefallen Allahs.

Zur Rekrutierung neuer Kämpfer setzenjihadistisch-salafistische Personenzusam-menschlüsse gezielt auf die Verbreitungpropagandistischer Schriften und Videosim Internet. Dabei werden auch Beiträgein deutscher Sprache veröffentlicht, umSalafisten aus Deutschland zur Ausreise inKampfgebiete zu bewegen.

Was ist Jihad? Die wörtliche Übersetzung dieses Begriffs ist „Anstrengung“ oder „Bemühung“. Es gibt zwei Formen des Jihad: Die geistig-spirituelle Bemühung des Gläubigen um das richtige religiöseund moralische Verhalten gegenüber Gott und den Mitmenschen (sogenannter großer Jihad)oder der kämpferische Einsatz zur Verteidigung oder Ausdehnung des islamischen Herrschafts-gebiets (sogenannter kleiner Jihad). Von militanten Gruppen wird der Jihad häufig als religiöseLegitimation für Terroranschläge verwendet. Islamistische Terroristen führen unter dem Leitprinzipdieses Jihad ihren gewalttätigen Kampf/„heiligen Krieg“ gegen die angeblichen Feinde des Islam.

(Vgl. http://www.verfassungsschutz.de/de/service/glossar/_lJ, abgerufen im November 2014.)

Salafisten_DinA5_16+4S_final2_151x216 07.11.14 14:59 Seite 8

Page 9: Landesamt für Verfassungsschutz Hessen · Der Koran (arab. qur’ân, „Vortrag“ oder „Lesung“, oft auch al-kitâb, „das Buch“, oder mushaf „Codex“ genannt) ist die

9

Das Missionierungsnetzwerk DawaFFMtrat erstmals im Jahr 2008 mit einem eige-nen Video-Kanal auf der InternetplattformYouTube in Erscheinung. Das erklärte Zielwar, islamische Missionierungsarbeit zubetreiben. Zu den Zielgruppen zähltenneben jungen Muslimen insbesondereKonvertiten. DawaFFM nahm in Hesseneine wichtige Rolle im Bereich des politischen Salafismus ein. Es unterstütztespäter die bundesweite Koranverteilaktion„LIES!“, indem es „Infostände“ betrieb. Mit dieser offensiven Propaganda ver-folgte das Netzwerk eine Radikalisierungvon Muslimen und die Konvertierung vor allem junger Menschen zum salafis -tischen Islamismus.

Darüber hinaus rief DawaFFM zur Teil-nahme an salafistischen Veranstaltungenauf und richtete Islamseminare aus, beidenen häufig Spenden für Krisengebiete

wie etwa für Syrien und den Irak gesammeltwurden. Meist organisierte DawaFFM dieVeranstaltungen zusammen mit anderensalafistischen Missionierungsnetzwerken,wie zum Beispiel dem in Nordrhein-West-falen ansässigen Netzwerk „Die WahreReligion“ (DWR).

Im Rahmen vereinsrechtlicher Ermittlungs-verfahren wurden am 14. Juni 2012 Exeku-tivmaßnahmen gegen DawaFFM undDWR durchgeführt. Begründet wurden dieMaßnahmen unter anderem mit anti -demokratischen Äußerungen wichtigerAkteure von DawaFFM, welche die islamis-tische Grundhaltung des Missionierungs-netzwerks verdeutlichten.

Gegen die Organisation DawaFFM ver-fügte der Bundesminister des Innern am13. März 2013 ein Vereinsverbot. DieRechtmäßigkeit der Verbotsverfügung wur -de am 14. Mai 2014 in einem Urteil desBundesverwaltungsgerichts bestätigt.

Bei der im Rhein-Main-Gebiet ansässigenOrganisation „Islamische Audios“ han-delte es sich um einen vornehmlich imInternet aktiven salafistischen Verein.Neben den im Internet veröffentlichten,teilweise jihadistischen Publikationenunterstützte „Islamische Audios“ die bundesweite Koranverteilaktion „LIES!“durch das Betreiben von Koraninfo -ständen. Die aggressive Verbreitung

2. EREIGNISSE UND ENTWICKLUNGEN IM POLITISCHEN SALAFISMUS IN HESSEN

2.1 Missionierungsnetzwerk DawaFFM, „Islamische Audios“ und das Street „Dawa-Projekt“

Logo von DawaFFM

Salafisten_DinA5_16+4S_final2_151x216 07.11.14 14:59 Seite 9

Page 10: Landesamt für Verfassungsschutz Hessen · Der Koran (arab. qur’ân, „Vortrag“ oder „Lesung“, oft auch al-kitâb, „das Buch“, oder mushaf „Codex“ genannt) ist die

10

verfassungsfeindlicher Botschaften führteam 14. März 2013 zu einem Verbot desVereins durch den Bundesminister desInnern.

Eine weitere Aktionsform salafistischerExtremisten ist die „Street Dawa“. Das Konzept sieht vor, Passanten in Großstäd-ten anzusprechen, Informationsmaterial zuverteilen, die Aktionen per Videokamerazu dokumentieren und auf einschlägig sala-fistischen Online-Plattformen zu posten.

2.2 „LIES!“-Kampagne

Seit Herbst 2011 verteilen salafistischeMissionierungsnetzwerke in Deutschland(aber auch in der Schweiz, Österreich,Frankreich, Ukraine, Spanien sowie inNordafrika) kostenlos Korane in der jewei-ligen Landessprache. Das Projekt wird vondem salafistischen Netzwerk „Die WahreReligion“ (DWR) initiiert und wurde mit derZielvorgabe entwickelt, jedem deutschenHaushalt ein Koranexemplar zur Verfü-gung zu stellen. Finanziert wird das Projektmaßgeblich aus Spenden der salafis -tischen Szene.

„LIES!“-Aktivisten nutzen verschiedeneAktionsformen, um die kostenlosen Exem-plare der „LIES!“-Korane öffentlich zu verteilen. Die Vertriebswege werden denörtlichen Bedingungen angepasst. Hinterden „LIES!“-Aktionen steckt ein hoherOrganisationsgrad. Sie spiegelt gleichzei-tig die zunehmende Professionalisierungdes politischen Salafismus wider.

Auch die einheitliche Kleidung derAkteure der „LIES!“-Aktionen, sowie das

bundesweite einheitliche Design der„Infostände“ sind für diese Professiona -lisierung ein Beispiel. Die Veröffentlichungeiner sogenannten „LIES!“-App fürSmartphones ist ebenfalls Beispiel für einezielgruppenorientierte (Jugendliche/ jungeErwachse ne) und professionelle Werbe-kampagne der Salafisten.

Die zahlreichen öffentlichen Auftritte undunterschiedlichen Vertriebskanäle der„LIES!“-Aktion schaffen Berührungspunkte

zwischen Interessierten und der salafis -tischen Propaganda. Die Beteiligung ander „LIES!“-Aktion bedeutet nicht generellden Beginn einer Radikalisierung, dennochkommen viele Jugendliche und jungeErwachsene durch „LIES!“-Aktionen erst-malig mit dem Salafismus in Berührung.

Die „LIES!“-Aktionen stellen demzufolgeeine Art „Türöffner“ zur salafistischenSzene dar und ermöglichen die Grund-lage für erste Kontakte zur salafistischenSzene. Aus diesem Kontakt kann ein sala-fistischer Radikalisierungsprozess ange-stoßen werden.

Logo der „Lies!”-Kampagne

Salafisten_DinA5_16+4S_final2_151x216 07.11.14 14:59 Seite 10

Page 11: Landesamt für Verfassungsschutz Hessen · Der Koran (arab. qur’ân, „Vortrag“ oder „Lesung“, oft auch al-kitâb, „das Buch“, oder mushaf „Codex“ genannt) ist die

11

2.3 Islamseminare

Islamseminare werden seit 2002 regelmä-ßig von Salafisten abgehalten. Die zumeistmehrtägigen Veranstaltungen dienen inerster Linie dazu, neue Anhänger zugewinnen und diese im salafistischenSinne zu indoktrinieren. Islamseminare zielen auf einen überregionalen Teilneh-merkreis. Als Redner treten deutschland-weit bekannte salafistische Prediger auf,die mit ihren Vorträgen versuchen, vorallem Jugendliche und junge Erwachsenefür den Salafismus zu gewinnen.

Die Seminare können einen Einstieg in dengewaltbereiten jihadistischen Salafismusbieten. Einige Teilnehmer nutzen die Veran-staltungen, um Kontakte in die salafistischeSzene herzustellen oder weiter auszubauen.Auf diese Weise können jihadistische Struk-turen entstehen. Die in den Islamseminarengehaltenen Vorträge werden vielfach imInternet veröffentlicht, sodass ihr Radika -lisierungspotenzial die Reichweite dereigentlichen Veranstaltung übersteigt.

2.4 Benefizveranstaltungen für Syrien

Salafisten gehören im Hinblick auf dieSammlung von Spenden und Hilfsgütern inDeutschland zu den aktivsten Unterstützerndes Kampfes gegen das Assad-Regime inSyrien. Zu diesem Zweck organisieren siebundesweit sogenannte Benefizveranstal-tungen. Ziel dieser Veranstaltungen ist dasSammeln von Spendengeldern, dieAnwerbung von Jugendlichen und Heran-wachsenden für den Salafismus und dieKontaktpflege innerhalb der salafistischen

Szene. Auf diesen Benefizveranstaltungentreten bundesweit agierende salafistischePrediger auf.

Die Präsenz der Prediger trägt entschei-dend zur Mobilisierung und Spenden -bereitschaft bei. Die Veranstaltungen können auch ein „trigger event“ bilden,um eine latent vorhandene Bereitschaftzur Teilnahme am gewaltsamen Jihad inSyrien oder anderen Jihad-Schauplätzenzu fördern.

Die inhaltliche Ausrichtung verschiebt sichseit Beginn des syrischen Bürgerkriegsstetig in Richtung Spendensammlungenund Solidaritätskundgebungen. Die Bene-fizveranstaltungen stellen die soziale Komponente in den Vordergrund, sindaber ähnlich den Islamseminaren voneiner ideologischen Zielsetzung geprägt.

Salafisten_DinA5_16+4S_final2_151x216 07.11.14 14:59 Seite 11

Page 12: Landesamt für Verfassungsschutz Hessen · Der Koran (arab. qur’ân, „Vortrag“ oder „Lesung“, oft auch al-kitâb, „das Buch“, oder mushaf „Codex“ genannt) ist die

12

In Hessen sind die Auswirkungen des glo-bal ausgerichteten bewaffneten Kampfesvon Jihadisten spürbar.

Gewaltbereite Jihadisten wählten in denletzten Jahrzehnten bekannte Konflikt -regionen wie Ägypten, Irak unter US-Besatzung oder Afghanistan für die Teilnahme an islamistisch legitimiertenKampfhandlungen. Seit 2012 verlagertsich der Reiseschwerpunkt der Jihadistenaus diesen Regionen in neue Konflikt -gebiete. Dieser Trend bestätigt sich insbe-sondere durch den Konflikt in Syrien undim Irak, der eine zusätzliche Sogwirkungauf Jihadisten aus aller Welt entfaltet.

Auf Seiten der jihadistischen Gruppenkam es in der Folge zu Streitigkeiten überdie ideologische Ausrichtung und Füh-rungsansprüche. In der Konsequenzbekämpfen sich seit Mitte 2013 einigeJihad-Gruppierungen ohne Rücksicht aufdas zivile Umfeld.

Auch Salafisten aus Hessen versuchen, indas syrische oder irakische Kampfgebietzu reisen, um dort an der Seite von Jihadis-ten an Kampfhandlungen teilzunehmen.Nur ein geringer Teil der salafistischenAusreisenden verlässt Deutschland mitdem Ziel der humanitären Hilfe.

3.1 Jihad-Schauplatz Syrien und Irak: Die Rolle des IS

Seit Beginn der gewaltsamen Auseinan-dersetzung im März 2011 hat sich Syrienzunehmend zum bevorzugten Reiseziel für Jihadisten aus Europa entwickelt. War

die Teilnahme an der Bekämpfung desAssad-Regimes bis Ende 2012 die Haupt-motivation der überwiegenden Mehrheitder Jihadisten, hat sich die Motivlage mittlerweile deutlich verändert.

Mit dem Auftreten der jihadistischenOrganisation „Islamischer Staat“ (IS) verän-derte sich die Machtkonstellation unterden jihadistischen Gruppierungen undschließlich in der gesamten Region.

Ende 2013 spaltete der Führer des IS, AbuBakr Al-BAGHDADI, seine Organisation

3. EREIGNISSE UND ENTWICKLUNGEN IM JIHADISTISCHEN SALAFISMUS IN HESSEN

Kennzeichen des Islamischen Staates

Salafisten_DinA5_16+4S_final2_151x216 07.11.14 14:59 Seite 12

Page 13: Landesamt für Verfassungsschutz Hessen · Der Koran (arab. qur’ân, „Vortrag“ oder „Lesung“, oft auch al-kitâb, „das Buch“, oder mushaf „Codex“ genannt) ist die

13

von Al Qaida offiziell ab. Mit der Aus -rufung eines Kalifates durch den IS am 29. Juni 2014 ist Al-BAGHDADI für seineAnhänger zum „Kalif Ibrahim“ geworden.Al-BAGHDADI erhebt damit den Anspruch,als „Kalif“ Befehlshaber der Muslime undoberster Führer des Islamischen Staates zu sein.

Von den Methoden und Erfolgen des ISüberzeugt, schworen Jihadisten andererGruppierungen sowie zahlreiche externeKämpfer ihren Eid auf AL-BAGHDADI undseine Organisation.

IS unterscheidet sich von anderen Jihad-Gruppierungen im Grad der Organisation,der militärischen Schlagkraft und der brutalen und totalitären Umsetzung dersalafistischen Doktrin in ihrem Machtbe-reich. Ein professioneller Medienapparatverbreitet parallel die Propaganda überdie Medien. Die Kombination aus para -militärischen Erfolgen und effizientem Propagandaeinsatz lässt IS attraktiv fürpotenzielle Jihadisten werden.

Ein Grund für die stetig steigende Anzie-hungskraft der Region Syrien und Nord-irak als aktueller jihadistischer „Hotspot“für deutsche Salafisten sind vor allem dieleichten Einreisebedingungen nach Syrienaus Deutschland über die Türkei. Auch diehohe Medienpräsenz des Konflikts spielthier eine Rolle.

Deutsche Staatsbürger benötigen für dieAusreise in die Türkei kein Visum, sondernlediglich ihren Personalausweis und könnendie türkisch-syrische Grenze leicht über-winden. Zudem kann Syrien als tatsäch -

liches Reiseziel leicht durch das Vorgebeneiner angeblich beabsichtigten Urlaubs-reise in die Türkei verschleiert werden.

3.2 Gefahren durch Rückkehrer

Eine große Bedrohung für die Sicherheits-lage in Deutschland geht von salafis -tischen Rückkehren aus. Diese reisen ausdem syrisch-nordirakischen Bürgerkriegs-gebiet mit Kampferfahrung und damit verbundenen Begleiterscheinungen, wieTraumata, Verrohung und weiterer Radika-lisierung in das deutsche Bundesgebietzurück. Einige nach Syrien ausgereiste Personen sind bereits wieder nachDeutschland zurückgekehrt.

Bisher gibt es keine konkreten Anhalts-punkte für Anschlagsplanungen durchRückkehrer in Deutschland. Dennoch stellen diese durch die in Syrien und imIrak möglicherweise erworbene militä -rische Ausbildung und Kampferfahrungeine besondere Gefahr für die InnereSicherheit Deutschlands dar. Rückkehreraus Syrien und dem Irak üben zudem als„Kriegshelden“ eine erhöhte Anziehungs-kraft auf die deutsche islamistische Szeneaus. Damit dienen sie als Vorbilder fürjunge Salafisten.

Die deutschen Sicherheitsbehörden sindbestrebt, möglichst viele Ausreisepla -nungen frühzeitig zu unterbinden, um zuverhindern, dass die Ausreisenden in Terrorcamps oder in den Kriegsgebietenzu Kämpfern ausgebildet werden.

Salafisten_DinA5_16+4S_final2_151x216 07.11.14 14:59 Seite 13

Page 14: Landesamt für Verfassungsschutz Hessen · Der Koran (arab. qur’ân, „Vortrag“ oder „Lesung“, oft auch al-kitâb, „das Buch“, oder mushaf „Codex“ genannt) ist die

14

3.3 Jihadistische Internetpropaganda

Das Internet als Propagandamedium ist inder islamistischen Szene weiterhin vongroßer Bedeutung. Im Rahmen von Inter-netpropaganda wird der jihadistischeKampf in Syrien und im Nordirak beschrie-ben. Islamisten bedienen sich dabei denbekannten Plattformen der sozialen Netz-werke, wie Youtube, Facebook, Twitter undanderen. In Propagandavideos rufen Sala-fisten auch in deutscher Sprache explizitzur Ausreise nach Syrien und zur Teil-nahme am gewaltsamen Jihad auf.

Vor allem junge Muslime werden durchverschiedene Faktoren dazu motiviert, ambewaffneten Jihad teilzunehmen. Der ste-tig steigende Bekanntheitsgrad und der„Kultstatus“, den verschiedene Predigerdes gewaltsamen Jihads mittlerweile inder salafistischen Szene haben, ist hier einbestimmender Faktor.

Die in den Veröffentlichungen immer wie-derkehrenden Motive, wie zum Beispieldie Glorifizierung des Märtyrertodes beimKampf gegen „Ungläubige“ und dieErrichtung eines islamistischen Gottes-staates, unter Geltung der Scharia, sind einweiterer Bestandteil dieser islamistischenBeeinflussung der jugendlichen Muslime.

Propagandavideo von „Islamische Audios“(Quelle: Youtube; Zugriff am 17. 10. 2014)

Salafisten_DinA5_16+4S_final2_151x216 07.11.14 14:59 Seite 14

Page 15: Landesamt für Verfassungsschutz Hessen · Der Koran (arab. qur’ân, „Vortrag“ oder „Lesung“, oft auch al-kitâb, „das Buch“, oder mushaf „Codex“ genannt) ist die

15

Salafistische Radikalisierung verläuft nichtnach einem festgelegten Schema: Aus-gangssituation und Beweggründe derBetroffenen sind vielfältig und von Faktorender individuellen Entwicklung abhängig.

Mehrere Faktoren können den Radikalisie-rungsprozess begünstigen. Dazu zählen vorallem persönliche Lebensumstände. Hierzukönnen eine unbefriedigend erscheinendepersönliche Lebenssituation, fehlendeAnerkennung und ein gering ausgeprägtesDifferenzierungsvermögen zählen.

Es lassen sich einige Ausprägungen inner-halb der Radikalisierungsverläufe feststel-len. In Deutschland beginnt die Radika -lisierung zumeist mit der Ablehnung derWerte und Normen der Gesellschaft, dieals „nichtmuslimisch“ empfunden wird.Hierauf folgt die zunehmende Übernahmevon ideologischen Vorgaben des Salafis-mus in das eigene Weltbild. Dies erfolgt inder Regel über salafistische Einflüsse vonaußen. Hierzu werden etwa private Kon-takte zu bekennenden Salafisten odersalafistischen Missionierungsnetzwerkensowie der Besuch islamistischer Internet-seiten und -foren gezählt.

Der inneren Abkehr folgt in der Regel auchder äußerlich wahrnehmbare Rückzug ausder Mehrheitsgesellschaft. Kontakte zu„westlich“ orientierten Bekannten undFreunden werden meistens vollständig

eingestellt. Danach ist eine Einengung aufeine strenge salafistische Glaubensaus -legung zu beobachten. Diese kann nur mitGleichgesinnten ausgelebt werden.

Der Höhepunkt der Radikalisierung ist diegenerelle Bereitschaft zum bewaffnetenKampf und daran anknüpfend häufig derWunsch, am „Jihad” teilzunehmen.

4.1 Jugendliche und junge Erwachsene im Visier des Salafismus

Insbesondere für Jugendliche und jungeErwachsene entfaltet der Salafismus eineenorme Anziehungskraft. Studien überRadikalisierungen heben das Thema„Identität“ als einen entscheidenden Faktor hervor. Dieser ist für jüngere Alters-gruppen als sinnstiftender Bestandteil aufihrer Suche nach sozialer Anerkennung,der charakterlichen Festigung sowie derEinbindung in gesellschaftliche Strukturenunverzichtbar.

Salafisten versuchen, ihren ideologischenEinflussbereich auf ein junges Publikumauszuweiten. Die salafistische Propagandagreift daher gezielt den Wunsch derJugendlichen nach Anerkennung auf undverbindet das Versprechen der Anerken-nung durch die Gruppe mit der bedin-gungslosen Unterordnung des Einzelnenunter das salafistische Wertesystem. Dabei

4. RADIKALISIERUNGSVERLÄUFE

Salafisten_DinA5_16+4S_final2_151x216 07.11.14 14:59 Seite 15

Page 16: Landesamt für Verfassungsschutz Hessen · Der Koran (arab. qur’ân, „Vortrag“ oder „Lesung“, oft auch al-kitâb, „das Buch“, oder mushaf „Codex“ genannt) ist die

16

spielt die religiöse, ethnische und natio-nale Herkunft keine Rolle.

Der Salafismus nutzt gezielt Elemente derJugendkultur. Dabei verwendet er Codesder Jugendlichen. Salafisten legen auf eineinheitliches Erscheinungsbild wert, kom-munizieren mit charakteristischen Begriffenund betonen das starke Zugehörigkeits-gefühl zur Gruppe.

Der politische und der jihadistische Sala-fismus erfordert auch in Zukunft dasbesondere Augenmerk der Sicherheitsbe-hörden. Speziell im BallungszentrumRhein-Main-Gebiet nutzen Salafisten vielfäl-tige Formen, um Anhänger zu rekrutieren.

Um einer Radikalisierung von Jugend -lichen frühzeitig entgegenzuwirken, bietetdas Landesamt für Verfassungsschutz Hessen gemeinsam mit dem HessischenInformations- und Kompetenzzentrum ge -gen Extremismus (HKE) und einge bundenin das Hessische Präventions netzwerk ge -gen Salafismus umfangreiche Präventions-maßnahmen gegen Salafismus an. Dabeiwerden vor allem Multipli ka toren – insbe-sondere in der Jugend bildung – für die Ge -fahren durch den Salafismus sensibilisiert.

Seit dem Aufkommen jihadistisch moti-vierter Ausreisen hat das LfV Hessen seineMaßnahmen zur Prävention gegen Islamis-mus und Salafismus erheblich intensiviert.Mit zahlreichen Lehrerfortbildungen aberauch Informationsveranstaltungen für Ver-eine, Kommunen und Staatsbediensteteleistet das LfV Hessen einen wichtigen Bei-trag, dass Radikalisierung frühzeitig er kanntwerden kann und entsprechende Maß-nahmen vor Ort ergriffen werden können.

5. AUSBLICK

Salafisten_DinA5_16+4S_final2_151x216 07.11.14 14:59 Seite 16

Page 17: Landesamt für Verfassungsschutz Hessen · Der Koran (arab. qur’ân, „Vortrag“ oder „Lesung“, oft auch al-kitâb, „das Buch“, oder mushaf „Codex“ genannt) ist die

17

Islamismus ist die Bezeichnung für eineGruppe von religiös begründeten extre-mistischen Ideologien, die den Islam fürpolitische Zwecke missbraucht. Islamistenwollen ein alle Bereiche des politischenund gesellschaftlichen Zusammenlebensumfassendes System auf der Basis der isla-mischen Rechtsordnung (Scharia) etablie-ren. Sie lehnen die freiheitliche demokra-tische Grundordnung der BundesrepublikDeutschland (fdGO) ab.

Der Salafismus stellt innerhalb des Islamis-mus die am schnellsten wachsende Strö -mung dar. Grundlage der salafis tischenWeltsicht ist die Frühzeit des Islam im 7.bis 9. Jahrhundert. Das Errichten einesislamistischen Staates ist eines der Zieledes Salafismus. Er ist keine homogeneBewegung und unterscheidet sich imGrad der Radikalisierung.

Der Salafismus propagiert ein Islamver-ständnis, das nicht auf nationale Kulturenund religiöse Traditionen angewiesen ist.Dies ermöglicht Salafisten, Mitglieder ausallen Kulturkreisen und Gesellschafts-schichten zu werben. In Deutschland entfaltet der überwiegend deutscheSprachgebrauch sowie das Auftretendeutscher Salafisten eine große Anzie-hungskraft auf bestimmte Jugendliche,die sich aufgrund der einfach gehaltenenVermittlung der extremistischen Inhalteschnell angesprochen fühlen. Dies gilt ins-

besondere für einen Teil der in Deutsch-land aufgewachsene Einwanderergenera-tionen mit muslimischem Hintergrund.Salafisten in Deutschland versuchen ihreantidemokratische Haltung mit dem Rechtauf freie Religionsausübung zu verdecken.

Der Verfassungsschutz unterscheidet inner -halb der salafistischen Ideologie zwischenpolitischem und jihadistischem Salafismus.Politische Salafisten nutzen überwiegendPropagandaaktivitäten zur Verbreitungihrer Botschaften, jihadistische Salafistenbefürworten unmittelbare Gewalt oderwenden sie an. Die Übergänge sind flie-ßend, da auch im politischen SalafismusGewalt nicht generell abgelehnt wird.Daher können Aktivitäten von Salafistenein enormes Gewaltpotenzial entfalten.

Neben ihrer propagandistischen Missio-nierungsarbeit greift die salafistische Szeneimmer wieder Motive des gewaltbereitenJihad auf. Die Verherrlichung der Märtyrer-tode oder auch die Forderung an Glaubens-geschwister, sich für die Unterstützung derJihadisten in Konfliktregionen zu enga-gieren, decken darin nur einen Teilbereichdes salafistischen Jihadismus ab.

Der regionale Schwerpunkt der salafis -tischen Aktionsformen in Hessen ist dasRhein-Main-Gebiet.

ZUSAMMENFASSUNG

Salafisten_DinA5_16+4S_final2_151x216 07.11.14 14:59 Seite 17

Page 18: Landesamt für Verfassungsschutz Hessen · Der Koran (arab. qur’ân, „Vortrag“ oder „Lesung“, oft auch al-kitâb, „das Buch“, oder mushaf „Codex“ genannt) ist die

Hinweis:Diese Druckschrift wird im Rahmen der Öffentlichkeitsarbeit des Landesamtes für Verfassungsschutz herausgegeben.

Sie darf weder von Parteien noch von Wahlwerbern oder Wahlhelfern während eines Wahlkampfes zum Zwecke

der Wahlwerbung verwendet werden. Dies gilt für alle Wahlen.

Missbräuchlich ist insbesondere die Verteilung auf Wahlveranstaltungen, an Informationsständen der Parteien

sowie das Einlegen, Aufdrucken oder Aufkleben parteipolitischer Informationen oder Werbemittel.

Untersagt ist auch die Weitergabe an Dritte zum Zwecke der Wahlwerbung. Auch ohne zeitlichen Bezug zu einer

Wahl darf die vorliegende Druckschrift nicht so verwendet werden, dass dies als Parteinahme des Herausgebers

zugunsten einzelner politischer Gruppen verstanden werden könnte. Diese Beschränkungen gelten unabhängig

vom Vertriebsweg, also unabhängig davon, auf welchem Wege und in welcher Anzahl diese Informationsschrift

dem Empfänger zugegangen ist.

Den Parteien ist es gestattet, die Druckschriften zur Unterrichtung ihrer eigenen Mitglieder zu verwenden.

© Landesamt für Verfassungsschutz Hessen

18

Salafisten_DinA5_16+4S_final2_151x216 07.11.14 14:59 Seite 18

Page 19: Landesamt für Verfassungsschutz Hessen · Der Koran (arab. qur’ân, „Vortrag“ oder „Lesung“, oft auch al-kitâb, „das Buch“, oder mushaf „Codex“ genannt) ist die

Salafisten_DinA5_16+4S_final2_151x216 07.11.14 14:59 Seite 19

Page 20: Landesamt für Verfassungsschutz Hessen · Der Koran (arab. qur’ân, „Vortrag“ oder „Lesung“, oft auch al-kitâb, „das Buch“, oder mushaf „Codex“ genannt) ist die

Landesamt für Verfassungsschutz HessenKonrad-Adenauer-Ring 4965187 Wiesbaden

www.verfassungsschutz.hessen.de

Salafisten_DinA5_16+4S_final2_151x216 07.11.14 14:59 Seite 20