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NL LANDESUMWELTAMT BRANDENBURG und Heft 4, 2003 Einzelverkaufspreis: 5,00 Euro NATURSCHUTZ UND LANDSCHAFTSPFLEGE IN BRANDENBURG

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NL

LANDESUMWELTAMTBRANDENBURG

uunnddHeft 4, 2003

Einzelverkaufspreis: 5,00 Euro

NATURSCHUTZ UND LANDSCHAFTSPFLEGE IN BRANDENBURG

122 NATURSCHUTZ UND LANDSCHAFTSPFLEGE IN BRANDENBURG 12 (4) 2003

Man muss schon mehr als nur ein wenig Glück haben, um diesen farblichexotisch anmutenden Pilz einmal zu fin-den. Er kommt überwiegend auf nährstoff-armen Wiesen und mageren Weiden,Halbtrockenrasen, gelegentlich auch aufSekundärstandorten, wie sie Kiesgrubendarstellen, vor.Die Farbenpracht dieses kleinen Pilzesüberrascht. Sein buntes Farbenspiel vonverschiedenen Grüntönen über Zitronen-gelb bis Orange erinnert an die Farbge-bung eines grün-gelben Papageien. DieHutoberfläche ist schleimig und die Art desFleisches glasig. Dieses Kleinod unter denPilzen gehört zu einer ganzen Gruppe vonattraktiv farbenprächtigen Pilzen, denSaftlingen. Viele von ihnen fallen durchihre wunderschöne Färbung in den ver-schiedensten Kombinationen aus roten,gelben, weißen, orangen, grünen und vio-letten Tönen auf. Der Name Saftling rührtvon ihrem charakteristischen schleimignassen, oft auch durchscheinend glänzen-dem Aussehen. Die meisten Pilze dieserGattung sind ökologisch an nährstoffarmeGras- und Offenlandstandorte sowieMoore gebunden.

Kleiner Pilz mit großemökologischen ZeigerwertDer Papageigrüne Saftling steht aufgrundseiner Bindung an nährstoffarme extensivgenutzte Wiesen und Weiden stellvertre-tend für viele gefährdete Pilzarten, die sol-che Lebensraumtypen besiedeln. Zu diesenfür Grasländer charakteristischen Arten ge-hören beispielsweise auch der GranatroteSaftling (Hygrocybe punicea) und der ZäheSaftling (H. laeta), aber auch verschiedeneErdzungen (Geoglossum), Ellerlinge (Ca-marophyllus), Boviste (Bovista) und Koral-

lenpilze (Clavaria). Von der Deutschen Ge-sellschaft für Mykologie (DGfM) wurdeder Papageigrüne Saftling zum Pilz desJahres 2003 ausgewählt, um auf die starkeGefährdung der Pilze auf Wiesen und Wei-den hinzuweisen. Werden die Grünländerdurch landwirtschaftlich intensive Nutzungzu stark gedüngt und zu häufig gemähtoder anderweitig intensiviert, wie zum Bei-spiel durch Umbruch und Neuansaat, ver-schwinden diese Pilzarten. Auch in Klein-gärten oder in öffentlichen Grünanlagenwird zunehmend viel zu viel gedüngt undgepflegt, sodass auch hier immer seltenergute Lebensbedingungen für diese Pilzar-ten zu finden sind. Aber nicht nur die Pilzesind von einer solchen intensiven Nutzungbedroht, sondern zahlreiche Pflanzen,Moose und damit eine Vielzahl von Insek-ten, Mollusken und andere Lebewesen, dieletzlich durch ihr Fehlen, z. B. als Nah-rungsgrundlage für andere Arten auchAuswirkungen auf die Wirbeltiere haben.So sind gleichermaßen auch auf WiesenNahrung suchende und brütende Vogelar-ten vom Rückgang betroffen, aber auchReptilien und Kleinsäuger. In Brandenburg gibt es nur wenig mehr alszwanzig Fundpunkte (DÖRFELT et al.1993). Dies spiegelt sicherlich nicht einvollständiges Bild der wirklichen Verbrei-tung und Häufigkeit der Art wider, son-dern ist wohl eher ein Indiz dafür, dassnährstoffarme Wiesen und Weiden flä-chenmäßig nicht weit verbreitet sind undüberdies von Pilzkennern wenig unter-sucht werden. Gleichzeitig wird damitaber auch deutlich, dass die Kenntnisseder biotischen Ausstattung von Grünland-lebensräumen, insbesondere was die Pilz-arten betrifft, noch unzureichend sind.Möglicherweise verschwinden einzelne

Pilz des Jahres 2003 – Papageigrüner Saftling (Hygrocybe psittacina)

Arten, die eine hohe ökologische Bedeu-tung in Wiesen haben, durch Nutzungs-wandel und Intensivierung, noch bevorwir diese überhaupt entdeckt haben. DieFolgen durch das Verschwinden solcherArten können dabei für andere Organis-men erheblich sein. Wenn nämlich auf-grund der spezifischen Lebensweise zweioder mehrere Arten voneinander abhän-gen, weil sie in Symbiose leben oder dieeine Nahrungsgrundlage der anderen ist,kann der Verlust von einer Art die Existenzder anderen gefährden. Dies kann eineverhängnisvolle Kette aus Gefährdungund Verlust für Arten nachsichziehen. DieDGfM schreibt auf ihrer Internetseite zudiesem Pilz – je artenreicher eine „Saft-lingswiese“ ist, desto wertvoller ist sie alsÜberlebensraum für eine faszinierende Le-bensgemeinschaft, zu der nicht nur Kräu-ter, Gräser und Pilze zählen, sondern auchKriechtiere, Insekten und ungezählteMikroorganismen im Boden.Die genaue Lebensweise des Papageigrü-nen Saftlings, sein Zusammenleben mitanderen Arten wie Gräsern, Kräutern oderPilzen ist noch weitgehend unklar. Ob errein saprophytisch lebt, d. h. ausschließ-lich tote organische Substanz zersetztoder aber auch eine Symbiose mit Pflan-zen z. B. als Mykorrhiza-Partner von Grä-sern eingeht, ist nicht hinreichend er-forscht. Wir kennen die Bedeutung sol-cher symbiotischen Lebensweise für dieExistenz von zahlreichen Orchideen. Fürviele andere Wiesenarten können derarti-ge Beziehungen zwischen Pilzen und hö-heren Pflanzen auch von Bedeutung sein.Kenntnisse dieser Art sind deshalb ausNaturschutzsicht besonders wichtig, umentsprechende Schutz- und Pflegemaß-nahmen zum Erhalt von Wiesenlebens-räumen vorzusehen.

Es ist zu hoffen, dass mit der Wahl diesesPilzes als Vertreter extensiver Grünlandle-bensräume zum Pilz des Jahres 2003 dieAufmerksamkeit von Naturschützern,Forschern und interessierten Naturfreun-den auch auf solche Arten gelenkt wer-den, die gemeinhin nicht im Mittelpunktdes Interesses von Schutzmaßnahmenstehen, die aber für die Existenz und diebiologische Vielfalt der Grünlandlebens-räume eine hohe ökologische Bedeutunghaben.

Literatur:DÖRFELT, H., KREISEL, H. & BENKERT, D. 1993: Kartenzur Pilzverbreitung in Ostdeutschland 10. Serie.Gleditschia 21: 301-334

Dr. Matthias Hille

Foto: V. Kummer

NATURSCHUTZ UND LANDSCHAFTSPFLEGE IN BRANDENBURG 12 (4) 2003 123

Naturschutz und Landschaftspflege in Brandenburg

12. Jahrgang Heft 4, 2003

Inhaltsverzeichis

TORSTEN RYSLAVY

unter Mitarbeit von BERND LITZKOW, ANDREAS STEIN und MICHAEL ZERNING

Zur Bestandssituation ausgewählter Vogelarten in Brandenburg – Jahresbericht 2001 124

NORBERT WEDL, EBERHARD MEYER

Beweidung mit Schafen und Ziegen im NSG Oderhänge Mallnow 137

BEATE JESSEL, RALF RUDOLF, UWE FEICKERT, UTE WELLHÖFER

Nachkontrollen in der Eingriffsregelung – Erfahrungen aus 4 Jahren Kontrollpraxis in Brandenburg 144

MATTHIAS GLAUCHE, WERNER KRATZ

Die neozoische Süßwassergarnele Atyaephyra desmaresti (MILLET) in Brandenburg 150

KURZBEITRÄGE

Pilz des Jahres 2003 – Papageigrüner Saftling (Hygrocybe psittacina) 122

Neue Naturschutzgebiete in BrandenburgNaturschutzgebiet (NSG) Schwarzberge und Spreeniederung 152

RECHT UND GESETZ 154

RECHTS- UND VERWALTUNGSVORSCHRIFTEN 157

KLEINE MITTEILUNGEN 158

LITERATURSCHAU 159

DIETRICH BRAASCH, TORSTEN BERGER

Rote Liste und Artenliste der Steinfliegen des Landes Brandenburg (Plecoptera)

Impressum

Herausgeber: Landesumweltamt Branden-burg (LUA)

Schriftleitung: LUA/Abteilung NaturschutzDr. Matthias HilleBarbara Kehl

Beirat: Lothar BlackertDietrich BraaschDr. Martin FladeDr. Lothar KalbeDr. Matthias KühlingDr. Bärbel LitzbarskiDr. Annemarie SchaepeDr. Thomas SchoknechtDr. Frank Zimmermann

Anschrift: Landesumweltamt Branden-burg, Abt. NaturschutzPF 60106114410 PotsdamTel. 0331.277 62 16Fax 0331.277 61 83

ISSN: 0942-9328

Es werden nur Originalbeiträge veröffentlicht. Au-toren werden gebeten, die Manuskriptrichtlinien,die bei der Schriftleitung zu erhalten sind, zu be-rücksichtigen. Zwei Jahre nach Erscheinen der gedruckten Beiträ-ge werden sie ins Internet gestellt.Alle Artikel und Abbildungen der Zeitschrift unter-liegen dem Urheberrecht. Die Vervielfältigung der Karten erfolgt mit Geneh-migung des Landesvermessungsamtes Branden-burg (GB-G 1/99).Namentlich gezeichnete Beiträge geben nicht un-bedingt die Meinung der Redaktion wieder.

Redaktionsschluss: 17. Oktober 2003

Layout/ Brandenburgische Universi-Druck/ tätsdruckerei und Verlags-Versand: gesellschaft Potsdam mbH

Karl-Liebknecht-Str. 24/2514476 GolmTel. 0331.56 89 0Fax 0331.56 89 16

Bezugsbedingungen:Bezugspreis im Abonnement: 4 Hefte – 12,00 Europro Jahrgang, Einzelheft 5,00 Euro.Die Einzelpreise der Hefte mit Roten Listen sowie derthematischen Hefte werden gesondert festgelegt.Bestellungen sind an das Landesumweltamt zu rich-ten. Diese Zeitschrift ist auf chlorfrei gebleichtem Papiergedruckt.

Titelbild/Rücktitel:Winterstimmung am GöttinseeFoto: B. Kehl

124 NATURSCHUTZ UND LANDSCHAFTSPFLEGE IN BRANDENBURG 12 (4) 2003; 124–136

Für das Jahr 2001 werden wie in den Vorjah-ren landesweit Angaben zu gefährdeten, ins-besondere vom Aussterben bedrohten, starkbestandsgefährdeten und seltenen Brutvogel-arten zusammengestellt. Neben den Angabenzu den Brutbeständen werden – soweit vor-handen – Angaben zur Reproduktion vorge-nommen, da deren Kenntnis geeignet ist, Ge-fährdungen aufzuzeigen, Maßnahmen zu be-werten bzw. zu beurteilen, ob angestrebteEntwicklungsziele erreicht wurden.Anmerkungen zur Witterung während derBrutzeitIm März herrschte zu Frühlingsbeginn nochWinterwetter mit Frost und Schnee; erst imApril wurde das Wetter milder. Die Früh-jahrswasserstände waren eher normal. Wäh-rend sich der Mai sehr warm zeigte, verliefder Juni sehr kalt mit einigen Regenperio-den. Die Sommermonate Juli und Augustwaren sonnig und warm.Infolge der seit Mai anhaltende Trocken-heitsphase kam es – wie im Vorjahr – im Ver-lauf der Brutzeit zu z. T. drastischen Rück-gängen der Grundwasserstände und derWasserstände von Gewässern.Anmerkungen zu den TabellenZu den drei Regionen Potsdam, Cottbus undFrankfurt/O. gehören folgende Kreise:Potsdam: Prignitz, Ostprignitz-Ruppin,Oberhavel, Havelland, Potsdam-Mittelmark,Teltow-Fläming, Stadt Potsdam, Stadt Bran-denburg;

DIE SEIT 10 JAHREN PUBLIZIERTEN JAHRESBERICHTE IN BRANDENBURG DIENEN DER DOKUMENTATION DER ENT-WICKLUNG VON VOGELBESTÄNDEN UND ZUKÜNFTIG DER ERFÜLLUNG DER EU-BERICHTSPFLICHTEN. DIE

ERHEBUNGEN TRAGEN DAZU BEI, ÜBERREGIONAL AUFTRETENDE BESTANDSVERÄNDERUNGEN UND AKTUELLE

GEFÄHRDUNGEN ZU ERKENNEN UND DIE EFFIZIENZ VON SCHUTZ- UND PFLEGEMAßNAHMEN EINZUSCHÄTZEN.

TORSTEN RYSLAVY

UNTER MITARBEIT VON BERND LITZKOW, ANDREAS STEIN UND MICHAEL ZERNING

Zur Bestandssituation ausgewählter Vogelarten in Brandenburg – Jahresbericht 2001Schlagwörter: gefährdete Vogelarten, Bestandsentwicklung bei Brutvögeln, Reproduktion (Vögel), Vogel-

schutz

Cottbus: Dahme-Spree, Oberspreewald-Lausitz, Spree-Neiße, Elbe-Elster, Stadt Cott-bus;Frankfurt/O.: Uckermark, Barnim, Märkisch-Oderland, Oder-Spree, Stadt Frankfurt/O.Zur besseren Einschätzung des Landesbe-standes der einzelnen Arten wurden in denTabellen auch jeweils die Landesbestands-zahlen der beiden Vorjahre aufgeführt.DanksagungDen zahlreichen ehren- und hauptamtlichenBeobachtern, den ornithologischen Arbeits-und Fachgruppen, der Naturwacht der Groß-schutzgebiete, Revierförstern und vielen an-deren, die zu dieser Zusammenstellung bei-trugen, gilt wiederum herzlicher Dank! In be-währter Form wurden die in der Kartei derABBO (Arbeitsgemeinschaft Berlin-Branden-burgischer Ornithologen) eingegangenenAngaben für das Jahr 2001 im vorliegendenJahresbericht berücksichtigt. Zunehmendwird von Ornithologen das WINART-Pro-gramm (bzw. das Vorgänger-ProgrammARTDAT) zur Dateneingabe und -auswer-tung genutzt und die externen Jahresdateiendem avifaunistischen Landes-Artenkatasterund der ABBO zur Verfügung gestellt, wasdie Datenverwaltung erheblich vereinfacht.Jährliche Betreuervereinbarungen bestehenzwischen Landesumweltamt Brandenburg(LUA) und ehrenamtlichen Horstbetreuern(Adlerarten, Schwarzstorch, Uhu, Wander-falke u. a.), Kreisbetreuern (Weißstorch, Kra-

nich), Großtrappenzählern sowie Betreuernvon Arten mit regionalen Verbreitungs-schwerpunkten, womit für diese Arten auchder entsprechende Datenrücklauf jährlichgewährleistet ist. Nachmeldungen aus den vergangenen Jah-ren sind weiterhin erwünscht.Für kritische Hinweise zum Manuskript giltDr. M. Flade (Brodowin), Dr. T. Langgemach(Stechow) und H. Haupt (Beeskow) sowiefür die Unterstützung bei der Kartenherstel-lung J. Fleschner (Brandenburg) herzlicherDank.

1 Adlerarten undSchwarzstorch

In Tab. 1 sind die Angaben für diese vierGroßvogelarten zusammengefasst. Sie ba-sieren auf Meldungen von über 80 Horstbe-treuern.Im Vergleich zum Vorjahr blieb der Bestanddes Seeadlers (Haliaeetus albicilla) mit 103Revieren (davon 94 Brutnachweise) stabil.Dies entspricht einer Siedlungsdichte von0,35 Paaren/100 km2. Somit brüten 27 %des deutschen Bestandes (381 Rev.; KOLL-MANN et al. 2002) in Brandenburg. Ein rela-tiv gutes Reproduktionsjahr beweist dieFortpflanzungsziffer von 1,05 (flüggenJungvögeln je Brutpaar mit bekanntem Brut-erfolg). Die Brutgröße liegt mit 1,45 (flüg-

Tabelle 1: Bestandssituation, Reproduktion und Siedlungsdichte von Seeadler (Haliaeetus albicilla), Schreiadler (Aquila pomarina), Fischadler(Pandion haliaetus) und Schwarzstorch (Ciconia nigra) in Brandenburg im Jahr 2001

Potsdam Cottbus Frankf./O. Branden- Branden- Branden- BPm BPo BPu HP/RP/ Juv. BRGR FPFZ SD2001 2001 2001 burg 1999 burg 2000 burg 2001 BV

Seeadler 36 Rev. 24 Rev. 43 Rev. 91 Rev. 103 Rev. 103 Rev. 67 25 2 9 97 1,45 1,05 0,35Schreiadler 9 Rev. - 18 Rev. 28 Rev. 30 Rev. 27 Rev. 13 10 4 - 13 1,00 0,56 0,09Fischadler 107 Rev. 61 Rev. 88 Rev. 243 Rev. 242 Rev. 256 Rev. 199 40 - 17 454 2,28 1,90 0,87Schwarzstorch 21 Rev. 8 Rev. 14 Rev. 37 Rev. 44 Rev. 43 Rev. 19 16 - 7 50 2,63 1,43 0,15

Legende: Rev. = besetztes Revier; BPm = Brutpaare mit flüggen Jungvögeln; BPo = Brutpaare ohne flügge Jungvögel; BPu = Brutpaare mitunbekanntem Bruterfolg; HP/RP/BV = Horstpaare ohne Brut/Revierpaare (Horst nicht bekannt)/Brutverdacht; Juv. = Anzahl flüggerJungvögel; BRGR = Brutgröße (Anzahl flügger Junge pro erfolgreiches Brutpaar); FPFZ = Fortpflanzungsziffer (Anzahl flügger Juv.pro Brutpaar mit bekanntem Bruterfolg); SD = Siedlungsdichte (Anzahl anwesender Paare pro 100 km2; Landesfläche = 2.9476 km2)

TORSTEN RYSLAVY: ZUR BESTANDSSITUATION AUSGEWÄHLTER VOGELARTEN IN BRANDENBURG – JAHRESBERICHT 2001 125

gen Jungen je erfolgreiches Brutpaar) imDurchschnitt der letzten 10 Jahre. Eine um-fassende Betrachtung zu Situation undSchutz des Seeadlers in Brandenburg undBerlin (LANGGEMACH 2002) wies auf die Ver-antwortung Brandenburgs für die Wieder-besiedlung westlich angrenzender Gebietehin. Bei insgesamt guten Aussichten be-nennt der Autor aber auch einige Problemebezüglich der Grenzen der gegenwärtigenEntwicklung, insbesondere den fortschrei-tenden Landschaftsverbrauch, die zuneh-menden Störpotenziale in der Landschaftsowie einen hohen Anteil anthropogen be-dingter Seeadlerverluste an der Gesamtmor-talität, vor allem durch Stromleitungstod,Verkehr, Bleivergiftungen (vgl. auch KENNT-NER et al. 2001, KENNTNER & LANGGEMACH

2001), und immer noch durch illegale Ver-folgung.In diesem Jahr wurden insgesamt 27 Revie-re des Schreiadlers (Aquila pomarina) inden drei brandenburgischen „Schreiadler-Kreisen“ Uckermark, Oberhavel und Bar-nim erfasst (P. Sömmer, T. Langgemach, T.Blohm, U. Kraatz, H. Freymann, H. Gras-zynski). Insgesamt war es ein schlechtesReproduktionsjahr für den Schreiadler, dervor allem in feuchten, strukturreichen undwenig genutzten Laub- und Mischwäldernmit ausgeprägten Waldsäumen brütet undzur Nahrungssuche angrenzendes, extensivgenutztes Grünland mit hohen Grundwas-serständen bevorzugt. Die Fortpflanzungs-

ziffer lag bei mageren 0,56 und damitdeutlich unter dem Mittelwert der letzten10 Jahre von 0,68. Im benachbarten Meck-lenburg-Vorpommern betrug sie immerhingute 0,77 für insgesamt 62 BP mit bekann-tem Bruterfolg (W. Scheller u.a., in litt.). Zuhoffen ist, dass im neuen Brandenburgi-schen Naturschutzgesetz der Horstschutz-paragraph für den Schreiadler dahingehendgeändert wird, dass größere Bereiche sei-ner Brutwälder als bisher dem Schutzunterliegen.

Nach einjähriger Stagnation stieg der Be-stand des Fischadlers (Pandion haliaetus)wieder an. Es konnten 256 Revieren – davon239 Brutnachweise – zusammengetragenwerden. Brandenburg scheint also auchweiterhin noch einige weitere Brutplätze fürdiesen imposanten Fischjäger bereitzuhal-ten. Die landesweite Siedlungsdichte erreichtnun einen Wert von 0,87 BP/100 km2. Mit1,90 war die Fortpflanzungsziffer die höchs-te in den letzten 10 Jahren (Mittel der letz-ten 10 Jahre: 1,72). Somit kann auch in dennächsten Jahren mit einem weiteren Be-standsanstieg in Brandenburg gerechnetwerden. Im Zuge des künftig zunehmendenRückbaues von Stromleitungen (meist 110-kV-Leitungen) werden Brutmaste entwederstehen gelassen oder Ersatz in Form vonKunsthorstangeboten auf Bäumen oder aufLeitungsmasten in der Nähe geschaffen.Nicht zuletzt dadurch könnte der Anteil der Baumbrüter, der gegenwärtig bei knapp40 % liegt, wieder erhöht werden.Ähnlich dem Vorjahr (44 Rev.) waren 43 Re-viere des Schwarzstorchs (Ciconia nigra) inBrandenburg besetzt, wobei 35 Brutnach-weise gelangen. Extrem gering blieb aller-dings die Fortpflanzungsziffer mit 1,43 – soschlecht wie die letzten 10 Jahre nicht mehr.Ursache für diese Misere war vielerorts diekalte regnerische Juniwitterung verbundenmit Nahrungsmangel. Nur in NO-Branden-burg (Uckermark/Barnim) waren die Ver-hältnisse anscheinend günstiger, verliefenhier doch alle 9 Bruten erfolgreich (A. Hinz,A. Kabelitz, H. Freymann u. a.). Wieder 8Reviere waren im VerbreitungsschwerpunktWestprignitz besetzt, jedoch verliefen davon7 Bruten erfolglos (H. Schröder, H. & F.Schulz u. a.). Im Spreewald brüteten wieder4 Paare, davon zwei erfolgreich (A. Wein-gardt, T. Noah, H. Wollenberg).

2 Weißstorch (Ciconia ciconia)

Auf der Grundlage von Erfassungen durchca. 40 überwiegend ehrenamtliche Kreisbe-

Abb. 1

Vorkommen des Seead-lers (Haliaeetus albicilla)in Brandenburg im Jahr2001 auf MTB-Basis

Tabelle 2: Bestandssituation, Reproduktion und Siedlungsdichte des Weißstorches (Cico-nia ciconia) im Land Brandenburg für das Jahr 2001

Potsdam Cottbus Frankfurt/O. Land Branden- Land Branden- Land Branden-2001 2001 2001 burg 1999 burg 2000 burg 2001

HPa 615 401 356 1.357 1.405 1.372HPm 495 321 292 1.124 1.148 1.108HPo 120 80 64 233 257 264Juv. 1.299 820 766 3.151 2.780 2.885Juv./HPm 2,62 2,55 2,62 2,80 2,42 2,60Juv./HPa 2,11 2,04 2,15 2,32 1,98 2,10SD 4,62 4,77 4,65

Legende: HPa = anwesende Horstpaare; HPm = Horstpaare mit Jungvögel; HPo = Horst-paare ohne Jungvögel; Juv. = Anzahl der Jungvögel; Juv./HPm = durchschnittli-che Jungenzahl pro Horstpaar mit Jungen; Juv./HPa = durchschnittliche Jungen-zahl pro anwesendes Horstpaar; SD = Siedlungsdichte (Anzahl anwesender Horst-paare pro 100 km2)

Abb. 2

Brutbestand und Repro-duktion des Weißstor-ches in Brandenburg1992 bis 2001

126 NATURSCHUTZ UND LANDSCHAFTSPFLEGE IN BRANDENBURG 12 (4) 2003

treuer des Arbeitskreises Weißstorchschutzim Naturschutzbund Deutschland (NABU) –unter Regionalkoordination von B. Ludwig(Potsdam), W. Köhler (Cottbus) und H.-R.Friedrich (Frankfurt/O.) – ergibt sich für denWeißstorch in Brandenburg folgende Be-standssituation (Tab. 2; nach NABU 2002).Der Bestand lag mit 1.372 HPa knapp unterdem Vorjahresniveau (2000: 1.405 HPa).Während in West- und Südbrandenburg dieBrutbestände unverändert blieben, siedeltenin Ostbrandenburg (Region Frankfurt/O.)knapp 10 % weniger Horstpaare im Ver-gleich zum Vorjahr.Folgende 5 Ortschaften wiesen wieder min-destens 10 Horstpaare auf: Rühstädt 36 HPa(F. Schulz), Linum 13 HPa (M. Happatz),Dissen 13 HPa (F. Jurisch), Burg 12 HPa undLübben 10 HPa (A. Weingardt).Die ungünstige Witterung zur Zeit der Jun-genaufzucht führte regional zu Nahrungs-mangel, und es kam hier wieder zu Horstab-würfen von Küken. Hohe Reproduktionsra-ten gab es in den Kreisen Barnim (H.-R. Frie-drich, G. Meyer) mit 2,5 und Ostprignitz-Ruppin (M. Happatz) mit 2,4 flüggen Jun-gen je anwesendes Horstpaar. Trotz Kälte (z.T. Schnee und Eis) zur Ankunftszeit sowiekalter, regnerischer Witterung im Juni wardas Jahr 2001 mit einer landesweiten Fort-pflanzungsziffer von 2,1 insgesamt ein gutesWeißstorchjahr, während der mittlere Wertfür die letzten 10 Jahre bei 1,95 liegt.In Abb. 2 ist die Bestandsentwicklung undReproduktion für die letzten 10 Jahre auf-geführt. Deutlich fallen dabei die beiden„Störungsjahre“ 1993 und 1997 auf.Im Jahr 2001 wurden insgesamt 59 Verlustevon Weißstörchen an Energiefreileitungenim Mittelspannungsbereich, insbesonderedurch Stromschlag, gemeldet (Datensamm-lung Vogelschutzwarte), doch tatsächlichdürften es jährlich über 100 Stromopfersein. Der „Hauptverlustmonat“ ist mit Ab-stand der August, in dem über 60 % allerWeißstorchverluste an Freileitungen anfal-len. Fast ausschließlich Vögel aus demNachwuchs des betreffenden Jahres erlei-den dieses Schicksal (KÖHLER & LANGGEMACH

2001). Verluste von Altstörchen an Mittel-spannungsleitungen wurden im Schwer-punktgebiet Spreewald erstmalig nicht be-kannt (A. Weingardt).

3 Großtrappe (Otis tarda)

Die vom Förderverein Großtrappenschutze.V. und der Staatlichen VogelschutzwarteBrandenburg organisierten Zählungen derGroßtrappe ergaben im Frühjahr 2001 die inTab. 3 aufgeführte Bestandssituation.In 6 Einstandsgebieten konnten mindestens71 bis 72 Großtrappen ermittelt werden. Inden Einstandsgebieten mit mehr als 5 Tierenwaren Frühjahrsbestand und Reproduktionwie folgt:Havelländisches Luch (Krs. Havelland) – 34Individuen (Ind.) (9 Hähne, 25 Hennen); 3fl. Juv. (A. Eisenberg, P. Block u. a.);Belziger Landschaftswiesen/Fiener Bruch

(Krs. PM/JL) – 30 Ind. (10 Hähne, 20 Hen-nen); Belzig 1 fl. Juv. sowie Auswilderungvon 22 fl. Juv. (N. Eschholz, D. Block u. a.);Fiener Bruch 1 fl. Juv. (T. Bich).Weitere Trappen wurden als Reste ehemali-ger Fortpflanzungsgemeinschaften oder alsausgewilderte Tiere (i. d. R. immature Häh-ne) der Vorjahre u. a. in den Einstandsgebie-ten Angermünde, Seelow, Jüterbog und We-seram (J. Mundt, U. Kraatz, E. Prinke, U.Alex u. a.) sowie bei Golßen/LDS (April 2 Ind.; G. Schultze) und bei Gransee (August2 Ind.; R. Kowalski) festgestellt.Der Bestand im Havelländischen Luch bliebmit 34 Ind. weiterhin stabil. Während derBrutsaison kamen 3 im Gehege von Frei-landhennen aufgezogene Jungvögel hinzu;andererseits gab es 3 Verluste adulter Hen-nen während der Brutzeit (A. Eisenberg, P.Block u. a.). Im Baruther Urstromtal (BelzigerLandschaftswiesen/Fiener Bruch) blieb derBestand gegenüber dem Vorjahr ebenfallskonstant – in beiden Teilgebieten wurde je 1Junghenne flügge (N. Eschholz, D. Block, A.Eisenberg, T. Bich). Infolge unangepassterMahd wurde im Fiener Bruch eine der

4 nachgewiesenen Bruthennen samt beiderbefruchteter Eier getötet – aufgrund des äu-ßerst geringen Brutbestandes ein um so gra-vierenderer und nicht akzeptabler Verlust ineinem Europäischen Vogelschutzgebiet (RYS-LAVY & BICH 2001). Prädation war auch im Jahr 2001 in derBrut- und Aufzuchtsperiode maßgeblich fürhohe Gelege- und Kükenverluste verant-wortlich. Folglich ist ohne weitere Auswilde-rung von künstlich aufgezogenen Jungtrap-pen keine Absicherung des gegenwärtigenTrappenbestandes möglich. Im Rahmen derdirekten Bestandsstützung wurden – maß-geblich durch den Förderverein Großtrap-penschutz e.V. durchgeführt – insgesamt 53Eier (Befruchtungsrate 83 %) von im Frei-land lebenden Hennen des HavelländischesLuches und der Belziger Landschaftswiesengeborgen, um angesichts des großen Präda-tionsdruckes im April/Mai und der hohenWahrscheinlichkeit von Nachgelegen denReproduktionserfolg wesentlich zu erhöhen.Von 31 geschlüpften Küken konnten 22Jungvögel – 14 Hähne und 8 Hennen – auf-gezogen werden, damit lag die Aufzuchtsra-

Abb. 3

Gefährliche Mittelspannungsmasten mit ungeschützten Stützisolatoren (linke Leitung) imVergleich mit geschützten Mittelspannungsmasten (rechte Leitung) in Form von hängendenIsolatoren oder bei Stützisolatoren mit darüber befindlichen Sitzstangen, so dass keine Be-rührung mit dem stromführenden Leitungsseil möglich ist. Foto: U. Albrecht

Tabelle 3: Bestandssituation und Reproduktion der Großtrappe (Otis tarda) im Land Bran-denburg im Jahr 2001 einschließlich Fiener Bruch (Sachsen-Anhalt/Branden-burg)

Potsdam Cottbus Frankfurt/O. Land Land LandBranden- Branden- Branden-

2001 2001 2001 burg 1999 burg 2000 burg 2001

Tiere 68 - 3-4 65-66 71-73 71-72flügge Jungvögel 5 - - 10 10 5Auswilderung flügge Jungvögel 22 - - 18 12 22

TORSTEN RYSLAVY: ZUR BESTANDSSITUATION AUSGEWÄHLTER VOGELARTEN IN BRANDENBURG – JAHRESBERICHT 2001 127

te der geborgenen Eier bei 42 %. Diese 22Jungtrappen wurden ab Juli 2001 in den Bel-ziger Landschaftswiesen ausgewildert, wo-mit weiterhin die Chance zur Bestandszu-nahme im Baruther Urstromtal gegebenwurde. Bis zum Jahresende wurden 5 Jung-vogelverluste registriert, davon 4 besenderteHennen; im folgenden Frühjahr waren nurnoch mindestens 8 Tiere – 5 Hähne, 3 Hen-nen – im Gebiet nachzuweisen (A. Eisen-berg, N. Eschholz, D. Block u. a.).Im Havelländischen Luch wurden insgesamt45 Brutplätze inklusive der Nachgelege er-mittelt, davon 14 Brutplätze im Gehege vonHennen, die zur Fortpflanzung aus dem Frei-land hineinflogen. Von 19 kontrollierten undnicht aufgenommenen Gelegen (11 im Frei-land, 8 von Freilandhennen im Gehege)schlüpften aus nur 9 Gelegen insgesamt 11Küken (3 im Freiland, 8 im Gehege); aller-dings überlebte im Freiland kein Küken diedritte Lebenswoche. Ursachen der Gelege-verluste waren 6 x Kolkrabe, 1 x Nebelkrä-he, 7 x unbekannter Prädator (dabei 2 xstarker Verdacht auf Raubsäuger), 2 x keineerkennbare Ursache. Nur im 12 ha großenGehege, wo in den letzten Jahren auch einDrittel der Gelege durch einfliegende Präda-toren verloren gingen, wurden Küken flügge– hier zogen Freilandhennen in diesem Jahrinsgesamt 3 Hennenküken auf (A. Eisen-berg, P. Block). Für die letzten 5 Jahre (1997-2001) sind somit trotzdem insgesamt 24 (!)Jungtrappen im Gehege flügge geworden,was einer sehr hohen Reproduktionsrate von0,8 flüggen Jungen je Bruthenne entspricht.Die Sicherheit vor Bodenprädatoren führtehier zu einer Konzentration von Bruthennen,

und der Bestandszuwachs im Havelländi-schen Luch in den letzten Jahren basiert aufdem Bruterfolg in diesem “Fuchsschutz-zaun“, während außerhalb des Geheges inden letzten 5 Jahren nur 4 Jungvögel flüggewurden (Reproduktionsrate: 0,04 flüggeJungvögel je Bruthenne).Im Baruther Urstromtal wurden in den Belzi-ger Landschaftswiesen inkl. der Nachgelege18 Brutplätze registriert: neben 10 nicht nä-her kontrollierten Brutplätzen wurden 8 Ge-lege gefunden, wovon 7 Gelege nach Bu-ckow zur Ausbrütung und Aufzucht gingen.Eine Junghenne wurde flügge (A. Eisenberg,N. Eschholz, D. Block). Im Fiener Bruchkonnten 4 Hennen brütend nachgewiesenwerden; hier wurde ebenfalls eine Junghen-ne flügge (T. Bich u. a.). Somit betrug die Reproduktionsrate im Ha-velländischen Luch und Baruther Urstromtal(trotz Gelegeentnahmen für die künstlicheBrut und Aufzucht, jedoch inklusive der imGehege aufgezogenen Küken) 0,14 Jung-trappen pro fortpflanzungsfähige Henne.Unter Einbezug der 22 ausgewilderten Jung-trappen lag die künstlich beeinflusste Repro-duktionsrate in den beiden Naturräumen bei0,77 Jungtrappen pro fortpflanzungsfähigeHenne (27 fl. Juv.; 35 fortpflanzungsfähigeHennen). Für die Jahre 1991 bis 2000 gibtLITZBARSKI (2002) für das Freiland eine Re-produktionsrate von unter 0,1 Jungtrappenje Henne und Jahr an; für die Bestandssiche-rung notwendig wären allerdings 0,3 bis 0,4Jungtrappen je Henne und Jahr.Mittels Beringung und Telemetrie konnte indiesem Jahr mehrmals ein Austausch vonEinzeltieren der Bestände des Havelländi-

schen Luches und des Baruther Urstromta-les (Belziger Landschaftswiesen/FienerBruch) nachgewiesen werden (EISENBERG etal. 2002).Ein computersimuliertes Modell zum Popula-tionsmanagement durch Auswilderung inden Belziger Landschaftswiesen (RANNOW etal. 2003), das alle wesentlichen Populations-parameter in ihrer gebietstypischen Ausprä-gung berücksichtigt, sagt voraus: Ohne be-standsstützende Maßnahmen wird die Po-pulation der Belziger Landschaftswiesen unddes Fiener Bruchs unter den gegenwärtigenBedingungen nicht überleben. Mittels Aus-wilderung hat sie jedoch eine sehr hoheÜberlebenswahrscheinlichkeit und wird auf110-120 Tiere anwachsen. Bei Einstellen derAuswilderung – auch nach längerer Zeit –beginnt die Population wieder zu schrump-fen und kann langfristig nicht überleben.Um eine sich mit hoher Wahrscheinlichkeitselbst tragende Population aufzubauen,müssen vor allem die gegenwärtig sehr ho-hen Gelegeverluste deutlich reduziert wer-den. Somit ist Auswilderung derzeit die ein-zige Möglichkeit, die Trappen der Belziger/Fiener Population zu erhalten, und zum Auf-bau einer sich selbst tragenden Populationmuss aber mittelfristig der Bruterfolg wesent-lich erhöht werden. (RANNOW et al. 2003).

4 Vom Aussterben bedrohteWiesenbrüter

Das Hauptproblem war auch 2001 wiederdie durch niedrige Wasserstände zur Brutzeitbegünstigte Prädation durch Raubsäuger inden großräumigen Wiesenbrütergebieten. Inden Gebieten Untere Havelniederung, Ha-velländisches Luch und Unteres Odertalkonnte dies wieder anhand des Einsatzes

Abb. 4

Bestand und Reproduk-tion (ohne Auswilde-rung) der Großtrappe inBrandenburg 1993 bis2001

Abb. 6

Der in den Vorjahren angewachsene Bestandder Großtrappe (Otis tarda) konnte auf demNiveau von ca. 72 Tieren stabilisiert werden.Es wurden in den 3 ReproduktionsgebietenHavelländisches Luch, Belziger Landschafts-wiesen und Fiener Bruch insgesamt 5 Jung-vögel flügge. Foto: M. Hirt

Abb. 5

Extensive Grünlandnut-zung – hier im Havellän-dischen Luch bei Bu-ckow – bewirkt einekräuterreiche Vegeta-tion, die eine höhere In-sektenvielfalt und -dich-te hervorbringt und so-mit eine günstige Nah-rungsgrundlage u. a. fürinsektenfressende Vo-gelarten wie Großtrap-pe, Brachvogel oderWeißstorch bildet.

Foto: T. Ryslavy

128 NATURSCHUTZ UND LANDSCHAFTSPFLEGE IN BRANDENBURG 12 (4) 2003

von Thermologgern (Datenlogger mit Tem-peraturfühler), die über eine kontinuierlicheTemperaturmessung den Zeitpunkt des Ge-legeverlustes aufzeichnen, mehrfach belegtwerden (BOCK 2001, H. u. B. Litzbarski, J.Bellebaum):Beispiel Havelländisches Luch: 22 Kiebitzgelege mit Thermologger 45%Prädation nachts (Raubsäuger); 14% Präda-tion tags (Vögel, Raubsäuger); 14% Verlustdurch Landwirtschaft; 27% Schlupf, jedochwurde kein Küken älter als 2 Wochen (H. u.B. Litzbarski)Beispiel Große Grabenniederung (UntereHavelniederung): 32 Kiebitzgelege mit Thermologger 48%Prädation nachts; 12% Prädation tags; 40%Schlupf mit Reproduktionsrate von 0,35Juv./BP (BOCK 2001).Trotz starker und kostenintensiver Natur-schutzbemühungen, d. h. in erster Linie ho-he Wasserhaltung und extensive Nutzungüber Förderprogramme, für die Erhaltungdes typischen Arteninventars in der Agrar-landschaft läuft die Zeit für die größerenWiesenbrüterarten davon, verringern sichdie Wiesenbrüterbestände, die auf ausrei-chende Reproduktionsraten angewiesensind. Wie wissenschaftliche Untersuchungenbelegen, mussten wir nun nahezu machtlosein Jahrzehnt lang ansehen, wie den in ih-rem Bestand stark angestiegenden Raubsäu-gern ein Großteil der Gelege und Küken vonGroßtrappe, Uferschnepfe oder Brachvogelzum Opfer fiel. Intensiver Abschuss vonRaubsäugern, der in zwei Großräumen vonjeweils ca. 12.000 ha über 8 Jahre lang prak-tiziert wurde, führte jedoch nicht zu verbes-serten Reproduktionsergebnissen bei Wie-senbrütern und im Freiland brütenden Groß-trappen (H. Litzbarski, mdl.). Einerseits müs-sen sinnvolle Methoden zum Prädationsma-nagement gefunden, erprobt und mit inter-nationalen Erfahrungen verbunden werden,inkl. effektiver Eingriffe in die Bestandsdichteder Raubsäuger (LITZBARSKI 2002), anderer-seits – und das ist noch wichtiger – müssenauf großen Flächen (Niedermoore, Flussau-en) hohe Grundwasserstände und Überflu-tungsräume wieder hergestellt werden.

Auf Rekordtief befand sich der Bestand derUferschnepfe (Limosa limosa) mit mittler-weile nur noch 42 BP. Der Nationalpark Un-teres Odertal ist inzwischen als Brutgebietverwaist (W. Dittberner, D. Krummholz u.a.). Das bedeutendste Brutgebiet, die UntereHavelniederung mit Unterem Rhinluch, be-herbergt noch 24 BP in 7 Teilgebieten – da-von 7 BP im Unteren Rhinluch und 5 BP inder Großen Grabenniederung. Allerdingskonnte nur ein Junge führendes Paar be-obachtet werden (P. Haase, J. Seeger, C.Bock, U. Alex u. a.). In 2 Teilgebieten derMittleren Havelniederung brüteten 5 Paare,davon ein Paar erfolgreich (T. Ryslavy, T. Hellwig u. a.). In der Malxe-Niederungbrüteten noch 9 Paare, wovon 1 bis 2 Paare3 Jungvögel erfolgreich aufzogen (R. Zech,B. Litzkow, H.-P. Krüger), während in zweiTeilbereichen der Mittleren Oder insgesamt4 Paare brüteten (H. Pawlowski, M. Fiddickeu. a.). In der Neuzeller Niederung – hier gibtes seit dem Vorjahr wieder Brutvögel – brü-tete ein Paar erfolglos (H. Haupt).Mit mindestens 77 BP lag der Brutbestanddes Rotschenkels (Tringa totanus) auf ho-hem Niveau. Fast ein Drittel davon brütetein der Unteren Havelniederung mit 23 Paa-ren, allerdings konnten nur 3 Junge führen-de Paare registriert werden (P. Haase, J. Seeger, C. Bock u. a.). Entlang der Mittle-ren Havelniederung um Brandenburg (mitRietzer See) waren 15 BP in 6 Teilbereichenanwesend, wobei in einer Kolonie in derStadt Brandenburg alle 5 (!) BP Junge führ-ten (T. Ryslavy, T. Hellwig, T. Dürr). In derElbaue brüteten 9 Paare in 5 Teilbereichen(K. Dziewiaty, J. Maierhofer, C. Lüth u. a.),während im Unteren Odertal von mindes-tens 17 BP nur 1-2 führende Paare regis-triert werden konnten (W. Dittberner u. a.).In zwei Teilbereichen der Mittleren Oder-niederung brüteten jeweils 2 Paare erfolglos(M. Fiddicke, M. Fahl, J. Becker), wobei eszur Neubesiedlung der Oderwiesen nördlichFrankfurt/O. kam (J. Becker). Im Spree-wald, wo der Rotschenkel in den Vorjahrennicht mehr brütete, wurden zwei Teilberei-che mit insgesamt 3 BP neu besiedelt; da-von konnte ein Junge führendes Paar er-

mittelt werden (T. Noah). In der Malxe-Nie-derung waren lediglich 3 Reviere besetzt (R. Zech, B. Litzkow, H.-P. Krüger), wäh-rend an der Talsperre Spremberg ein Brut-paar infolge Hochwassers erfolglos blieb (R. Beschow) und am Victoriasee beiSchwarzheide erstmals ein Revier besetztwar (T. Schneider).Gegenüber dem Vorjahr unverändert bliebder Bestand des Großen Brachvogels (Nu-menius arquata) mit 96 Revieren in Bran-denburg, allerdings auch bei gleichbleibendschlechten Reproduktionsergebnissen. Inden Verbreitungsschwerpunkten wurdenfolgende Brutbestände ermittelt: BelzigerLandschaftswiesen – 20 BP (9 Juv.; keineVerluste durch Landwirtschaft; M. Grimm,N. Eschholz u. a.), Untere Havelniederungmit Unterem Rhinluch – nur noch 11 BP (P.Haase, J. Seeger, C. Bock u. a.), Malxe-Nie-derung – 10 BP ohne Juv. (H.-P. Krüger; R.Zech, B. Litzkow), Randow-Welse-Bruch – 9BP (nur 1 fl. Juv.; U. Kraatz, J. Mundt); Ha-velländisches Luch – mindestens 6 BP (2führende BP; H. u. B. Litzbarski, B. Block, C.Puerckhauer, T. Ryslavy), Neuzeller Niede-rung – 6 BP (H. Haupt, G. Schulze).Ein Brutweibchen des Kampfläufers (Philo-machus pugnax) konnte in der Unteren Ha-velniederung registriert werden (J. Seeger, P.Haase). Zwei Brutzeitbeobachtungen (2.Mai- und 1. Junihälfte) von 1 bzw. 2 Weib-chen gelangen in der Nuthe-Nieplitz-Niede-rung (B. Ratzke, L. Kalbe).Für die Spießente (Anas acuta) liegen für Mit-te Juni Brutzeitbeobachtungen aus der Unte-ren Havelniederung für ein Paar und vomRietzer See für ein Männchen vor (H. Haupt). Bei sicher noch unvollständigem Landes-überblick wurden für die Knäkente (Anasquerquedula) in diesem Jahr immerhin 119BP/BV gemeldet und somit für die letztendrei Jahre eine positive Entwicklung festge-stellt. Es gelangen 24 Brutnachweise, davonallein 13 in der Großen Grabenniederung(Untere Havelniederung). Hier konnten En-de Juni 10 Junge führende Weibchen sowie3 einzelne Weibchen ohne Junge ermitteltwerden, womit die Reproduktionsrate – be-zogen auf alle 13 Weibchen – bei 4,7

Tabelle 4: Bestandssituation vom Aussterben bedrohter Wiesenbrüter im Land Brandenburg für das Jahr 2001

Potsdam Cottbus Frankfurt/O. Land Brandenburg Land Brandenburg Land Brandenburg2001 2001 2001 1999 2000 2001

Uferschnepfe 28 BP 9 BP 5 BP 51 BP 49 BP 42 BPRotschenkel 47 BP 9 BP 21 BP 56 BP 74 BP 77 BPGr. Brachvogel 59 BP 14 BP 23 BP 110 BP 96 BP 96 BPKampfläufer 1 BW - - 1 BV 3 BV 1 BWSpießente BZF (2) - - 5 BP BZF (3) BZF (2)Knäkente 64 BP/BV 14 BP/BV 41 BP/BV >88 BP/BV >103 BP/BV >119 BP/BV

(15 BN) (1 BN) (8 BN) (13 BN) (19 BN) (24 BN)Wachtelkönig 56 rT 19 rT 208 rT >329 rT (7 BN) >304 rT (5 BN) >283 rTTüpfelralle 41 rT 12 rT 19 rT >99 rT >93 rT >72 rTSeggenrohrsänger - - 13 sM (5 BN) 13 sM (10 Rev.) 15 sM (1 BN) 13 sM (5 BN)

Legende: BP = Brutpaar; BW = Brutweibchen; BV = Brutverdacht; rT = rufende Tiere; BN = Brutnachweis; sM = singendes Männchen; BZF (x) = Brutzeitfeststellung in x Gebieten

TORSTEN RYSLAVY: ZUR BESTANDSSITUATION AUSGEWÄHLTER VOGELARTEN IN BRANDENBURG – JAHRESBERICHT 2001 129

Juv./BP lag (H. & M. Haupt). Im UnterenOdertal (Mescherin bis Stolpe) wurden 7Junge führende Weibchen beobachtet; für18 weitere Weibchen bestand Brutverdacht(W. Dittberner, J. Sadlik, D. Krummholz u.a.). Im Schwerpunktgebiet Rietzer See wur-den mindestens 17 Paare erfasst (T. Dürr u.a.). Ein Weibchen mit 6 Juv. (+ 2 Brutver-dachte) wurden am Landiner Haussee regis-triert, während in der Nuthe-Nieplitz-Niede-rung Anfang Juli ein Weibchen mit 3 Jungen(L. Kalbe), in den Hennigsdorfer Wiesen einWeibchen mit 5 Jungen (K. Lüddecke, Pohl)und im Teichgebiet Mulknitz bei Forst einWeibchen mit 7 Jungen (K. Morling) be-obachtet werden konnten.Im Durchschnitt der letzten Jahre liegendwurden 283 rufende Wachtelkönige (Crexcrex) gemeldet. Davon waren allein 160 Ru-fer im Mai im Unteren Odertal (mit GartzerBruch); die Junierfassung ergab nur noch 69rT, als – nach dem warmen trockenen Mai – bereits große Polderflächen gemäht wor-den waren (Ornithologische Arbeitsgemein-schaft [OAG] Uckermark). Direkte Brutnach-weise gelangen nicht (J. Sadlik u. a.). In derMittleren Oder waren vom nördlichen Oder-bruch bis Frankfurt in diesem Jahr nur 23Wachtelkönige zu hören (S. & R. Müller,Fachgruppe Ornithologie [FGO] Frankf./O.u. a.). Insgesamt lediglich 27 Rufer wurdenin der Unteren Havelniederung/UnteresRhinluch erfasst (NABU u. Naturpark West-havelland). Auch die Malxeniederung wieseinen geringeren Bestand im Vergleich zumVorjahr auf; es wurden hier 8 Rufer ermittelt(B. Litzkow, R. Zech u. a.). Ein gutes Vor-kommen bildete sich in der Döllnfließ-Nie-derung (Oberhavel), wo mindestens 8 Rufervernommen wurden (K. Christians, H. Krü-ger). In der Elbaue (Prignitz) konnten min-destens 9 Rufer vernommen werden (J. Mai-erhofer, K. Heinke, S. Behl, Flügel).Das mit Abstand schlechteste Ergebnis seit1993 gab es für die Tüpfelralle (Porzanaporzana), für die gleichbleibend hohe Was-serstände während der gesamten Brutzeitfür erfolgreiche Bruten entscheidend sind.

So wurden landesweit lediglich 72 Rufer ge-meldet. Relativ gut besetzt war die UntereHavelniederung mit 24 rufenden Tüpfelral-len im Mai, davon allein 9 in der GroßenGrabenniederung (NABU u. NaturparkWesthavelland, C. Bock). Trotz günstigerWasserstände waren im bisherigen Schwer-punktvorkommen Oberspreewald bei Lüb-ben in diesem Jahr nur 8 Rufer zu hören (T.Noah). Im Unteren Odertal bei Schwedt wa-ren es im Mai 17 und im Juni 12 Rufer (OAGUckermark). Lediglich 2 rufende Tüpfelrallenkonnten in der Malxeniederung (inkl. Teich-gebiete) festgestellt werden (B. Litzkow, R.Zech, H.-P. Krüger).Im Unteren Odertal wurden mindestens 13singende Seggenrohrsänger (Acrocephaluspaludicola) ermittelt, wobei 5 Brutnach-weise mit fütternden Weibchen gelangen (J.Sadlik, A. Helmecke, J. Bellebaum, B. Grimmu. a.). Dieses Vorkommen muss gegenwärtiginfolge Habitatverschlechterung als akut ge-fährdet angesehen werden und bedarf kurz-bis mittelfristig der Entwicklung neuer Brut-habitate.

5 Weitere vom Aussterbenbedrohte bzw. selteneGreifvögel und Eulen

Mindestens 25 Reviere der Wiesenweihe(Circus pygargus) wurden 2001 gemeldet,dabei gelangen 12 Brutnachweise. Von die-sen 12 Bruten blieben 6 erfolglos (ohneHorstschutzmaßnahmen), während bei den6 erfolgreichen Bruten 5 Bruten von Horst-schutzmaßnahmen begleitet waren (1,33 fl.Juv./BP). Gerade bei der hinsichtlich ihrerBrutplätze oft unsteten Wiesenweihe ist dietemporäre Installation eines Bodenprädato-ren-Schutzzaunes (z. B. 2 x 2 m um denHorst) mit Verwitterung eine sehr effektiveSchutzmaßnahme. In Brandenburg brütetdie Art hauptsächlich in Wintergetreideschlä-gen – in diesem Jahr allein 9 der 12 bekann-ten Bruten. In der „Wiesenweihen-Hoch-burg“ bei Luckau wurden – neben zwei Brut-

verdachtsfällen – 4 Bruten im Wintergetreideermittelt, die dank intensiver Schutzmaßnah-men (Schutzzaun und Verwitterung) der Be-treuer alle erfolgreich verliefen. Insgesamtflogen 11 Jungvögel aus (K.-D. & M. Gie-rach). Eine Getreidebrut im Raum Doberlug-Kirchhain verlief infolge Mahd erfolglos (K.-D. Gierach); eine andere Brut in einerBrache bei Fürstenwalde brachte 3 Jungvö-gel zum Ausfliegen (H. Pawlowski). In derUckermark wurden – neben drei Brutver-dachtsfällen – 3 Bruten bekannt, wovon eineBrut mit Mahdaussparung (50 x 50 m) imWintergetreide erfolgreich verlief (2 fl. Juv.),die beiden anderen ohne Schutzmaßnahmenjedoch nicht (U. Kraatz, P. Sömmer, J. Mundtu. a.). Eine Brut bei Gransee blieb ebenso er-folglos (P. Sömmer, J. Schwabe) wie auchzwei Bruten im Havelländischen Luch beiJahnberge (S. Fischer, C. Puerckhauer, T.Ryslavy) und bei Buckow (P. Block u. a.) – beiallen gab es keine Horstschutzmaßnahmen.Mit einem weiteren entdeckten Baumbrüter-paar – somit mindestens 3 Baum-BP – wur-den insgesamt 7 BP des Wanderfalken (Fal-co peregrinus) ermittelt. Alle 3 Baumbrutenerfolgten in Nordbrandenburg, allerdingsverlief nur eine Brut mit mindestens einemflüggen Jungen erfolgreich (P. Sömmer u.a.). Des Weiteren gab es wieder 3 bis 4 Ge-bäudebruten auf Schornsteinen: Im UnterenOdertal am PCK Schwedt erreichte 1 Jung-vogel das flugfähige Alter (P. Sömmer, J. Ha-ferland), im Havelland in Werder 3 Junge(G. Kehl, P. Sömmer) und bei Hennigsdorf 1Jungvogel (A. Hundrieser, K.-H. Sass, P.Sömmer). Am Kraftwerk Jänschwalde hatteein Paar das Revier wieder besetzt, vermut-lich brütete das Weibchen auch (B. Litzkow,S. Herold). Somit ergibt sich für die 6 siche-ren Brutpaare eine sehr niedrige Fortpflan-zungsziffer von 1,0. Im Rahmen des Wieder-ansiedlungsprogrammes für baumbrütendeWanderfalken des Arbeitskreises Wanderfal-kenschutz wurden im Juni/Juli in Nordbran-denburg 16 gezüchtete Jungfalken ausge-wildert (P. Sömmer).In 9 Revieren wurde der Uhu (Bubo bubo)rufend festgestellt, wobei in 4 Revieren dieAnwesenheit von Paaren belegt werdenkonnte. Im Hohen Fläming brütete ein Paarerfolglos; an einer anderen Stelle hatte einPaar ein Revier besetzt und gebalzt, jedochgelang hier kein Brutnachweis (G. Kehl, U.Alex, C. Kurjo u. a.). Im Havelland bei Bran-denburg wurde eine erfolglose Brut sowieein besetztes Revier (Einzeltier) ermittelt (U.Alex). Der neue Brutplatz in der Niederlau-sitz war in 2001 nur von einem Uhu besetzt(S. Herold). Im Raum Wriezen zeigte wiederein Uhu starke Rufaktivität; bei Neurüdnitzan der Oder hatte ein Paar ein Revier aufpolnischer Oderseite besetzt und unternahmauf brandenburgischer Seite Nahrungsflüge(C. Philipps). Am Unteren Odertal beiSchwedt wurde von einem Paar ein Revierbesetzt, ohne dass ein Brutnachweis gelang(E. Wendt, O. Singert u. a.). Am Parsteinseegelang Mitte Mai eine Uhu-Beobachtung (T.Langgemach, M. Flade) Für die Sumpfohreule (Asio flammeus) be-

Abb. 7

Das einzige Vorkommendes Seggenrohrsängers(Acrocephalus paludico-la) innerhalb der EU be-findet sich im UnterenOdertal, wo nur 13 sin-gende Männchen erfasstwerden konnten.

Foto: A. Kozulin

130 NATURSCHUTZ UND LANDSCHAFTSPFLEGE IN BRANDENBURG 12 (4) 2003

Abb. 9

Vorkommen der Wie-senweihe (Circus pygar-gus) in Brandenburg imJahr 2001

stand nur in einem Gebiet Brutverdacht – imFiener Bruch gelangen mehrere Feststellun-gen eines Tieres im Juni und Juli (T. Bich). ImRaum Jüterbog konnte eine SumpfohreuleMitte Mai beobachtet werden (E. Prinke).Der Steinkauz (Athene noctua) konnte nurin 9 Revieren nachgewiesen werden, wobei8 Brutnachweise gelangen. Davon wurdenallein in den Belziger Landschaftswiesen 6Bruten ermittelt – 5 Bruten waren erfolgreichund 13 flügge Junge das Ergebnis (N. Esch-holz, O. Bronkalla u. a.). Im Westhavelland(Havelländisches Luch, Untere Havelniede-rung) brüteten nur 2 Paare, davon ein Paarerfolgreich mit 2 fl. Juv.; außerdem war einMännchen-Revier besetzt (P. Haase u. a.).Somit ergeben die 8 Bruten eine relativ ge-ringe Fortpflanzungsziffer von 1,9 flüggenJuv./BP. Im Westhavelland wurden zur Be-standsstützung im Rahmen des Zucht- undAuswilderungsprogrammes des NABU-Re-gionalverbandes Westhavelland 34 Stein-käuze, in den Belziger Landschaftswiesendurch den NABU-Kreisverband Belzig 14aufgezogene Steinkäuze ausgewildert.Eingewanderte Art: Es wurden mindestens40 Reviere des Raufußkauzes (Aegolius funereus) gefunden, dabei gelangen 12Brutnachweise. Alle (!) Bruten blieben ohneNachwuchs – überwiegend durch Baum-marder verursacht – (R. Möckel, F. Raden,K. Illig u. a.). In der Rochauer Heide gelan-gen in lediglich 8 besetzten Revieren 3 Brutnachweise (R. Möckel, K. Illig, P. Schonert u. a.). Mindestens 12 weitereReviere waren in drei Waldkomplexen umdas Finsterwalder Becken (Babben-Rehai-ner Heide, Liebenwerdaer Heide, Grün-haus) besetzt, wobei es nachweislich 8 Bru-ten gab. (R. Möckel, F. Raden, K. Illig). Inder Lieberoser Heide konnten an verschie-denen Stellen im März 7 rufende Männ-chen (rM) – davon mindestens 2 feste Re-viere (in einem Revier mit Weibchen) – er-mittelt werden (T. Noah, H. Deutschmann,H. Haupt u. a.). Im Raum Frankfurt/Hele-nesee war an mindestens 4 Stellen je einRevier besetzt (P. Thiele, Genetzke). Eineerfolglose Brut, ebenfalls durch Prädation

Abb. 10

Bestand und Reproduk-tion des Wanderfalkenin Brandenburg 1991bis 2001

Abb. 8

Bestand der Wiesen-weihe in Brandenburg1970 bis 2001

Tabelle 5: Bestandssituation weiterer vom Aussterben bedrohter bzw. seltener Greifvögel und Eulen im Land Brandenburg im Jahr 2001

Potsdam Cottbus Frankfurt/O. Land Brandenburg Land Brandenburg Land Brandenburg2001 2001 2001 1999 2000 2001

Wiesenweihe 3 BP/5 BV 5 BP/3 BV 4 BP/5 BV 12 BP/5 BV 18 BP/9 BV 12 BP/13 BVWanderfalke 4 BP 1 BV 2 BP 5 BP/1 RP 6 BP 6 BP/1 BV

BZF (4) BZF (3) BZF (1) BZF (7) BZF (3) BZF (8)Uhu 2 BP/1 RP - 1 RP 2 BP/3 RP 3 BP 2 BP/2 RP

1 ET 1 ET 2 ET 7 ET 8 ET 5 ETSumpfohreule 1 BV/BZF (1) - - BZF (2) 2 BV/BZF (2) 1 BV/BZF (1)Steinkauz 9 Rev. (8 BP) - - 14 Rev. (9 BP) 12 Rev. (8 BP) 9 Rev. (8 BP)

Innerhalb der letzten 30 Jahre eingewanderte Arten:Raufußkauz 1 Rev. (1 BP) 32 Rev. (11 BP) 7 Rev. >43 Rev. (16 BP) >37 Rev. (17 BP) >40 Rev. (12 BP)Sperlingskauz - 1 Rev. 4 Rev. >4 Rev. (1 BP) >2 Rev. >5 Rev.

Legende: BP = Brutpaar; HP = Horstpaar; BV = Brutverdacht; RP = Revierpaar; Rev. = Revier; BZF (x) = Brutzeitfeststellung in x Gebieten;rM = rufendes Männchen; ET = Einzeltier

TORSTEN RYSLAVY: ZUR BESTANDSSITUATION AUSGEWÄHLTER VOGELARTEN IN BRANDENBURG – JAHRESBERICHT 2001 131

verloren, wurde in der Rüthnicker Heidefestgestellt (P. Sömmer). An 7 weiterenStellen des Landes konnten einzelne rufen-de Männchen registriert werden.Ohne Brutnachweis blieb das Jahr für denSperlingskauz (Glaucidium passerinum).Während im bisher einzigen Gebiet mit Brut-nachweis, der Rochauer Heide, seitdem erst-mals überhaupt kein Nachweis gelang (R.Möckel, K. Illig, F. Raden u. a.), war in derLieberoser Heide im März ein Männchen zuhören (H. Beutler). Erfreulich ist auch dieerstmalige Feststellung der Art im Schlaube-tal – gleich bis zu 4 (!) rM konnten hier andrei Stellen im Februar/März ermittelt wer-den (T. Spitz, H. Haupt, H. Deutschmann,M. Krebs u. a.).

6 Seltene Brutvögel inFeuchtgebieten

Der relativ geringe Brutbestand desSchwarzhalstauchers (Podiceps nigricollis)von nur 140 BP an 11 Brutgewässern war inerster Linie dadurch bedingt, dass in der be-deutendsten Kolonie am Rietzer See nur 51Paare brüteten (Nichtbrüterbestand MitteJuli bis 156 adulte), wovon mindestens 37BP Junge führten (H. Haupt). Wie fast jedesJahr war die Brutkolonie im Unteren Oder-tal, die 30 Paare umfasste, nur bis AnfangMai besetzt, als infolge Abpumpens der Pol-der die Gelege verloren gingen und die Brut-vögel den Nationalpark vorzeitig verließen(W. Dittberner). In der Uckermark warenvier weitere Kolonien besetzt: der Felchow-see mit 20 BP (W. Dittberner), das Teichge-biet Biesenbrow mit 12 BP (U. Kraatz, J.Mundt), der Landiner Haussee mit 10erfolgreichen BP (W. Dittberner) sowie derUnteruckersee bei Magnushof mit 8 BP (H.Schonert). Sehr gering fiel der Brutbestandin diesem Jahr auf den Henningsdorfer Ha-velwiesen aus – nur 4 Paare brüteten, jedoch

erfolglos (K.-H. Sass, A. Hundrieser). Weite-re 5 Kolonien hatten weniger als 4 BP.Mit nunmehr 2.813 Paaren brütet der Kor-moran (Phalacrocorax carbo) in 13 branden-burgischen Kolonien. Am Wochowsee beiStorkow brüteten 603 Paare (A. Stein, B.Litzkow, H. Haupt). Zu einem weiteren An-stieg auf nun 1.307 BP kam es in der derzeitkopfstärksten Kolonie, der Flussauenkolonieim Unteren Odertal, (M. Bolz). In der Unte-ren Havelniederung brüteten am Gülper See465 Paare (J. Seeger u. a.), und in der Mitt-leren Havelniederung wurden an den Paret-zer Tonstichen 200 BP gezählt (M. Jurke).Somit existieren 4 Kolonien mit mehr als 100BP; weitere 3 Kolonien beherbergen einenBrutbestand von 50 bis 100 BP und 6 Kolo-nien weniger als 50 Paare. Gemessen amgesamtdeutschen Bestand von 20.281 BP in98 Kolonien (W. Knief, in litt.) hat Branden-burg somit einen Anteil von nur etwa 13 %.Infolge mehrerer milder Winter, nieder-schlagsreicherer Jahre und nicht zuletzt auchdurch Maßnahmen höherer Wasserhaltungin geeigneten Habitaten ist der Bestand derGroßen Rohrdommel (Botaurus stellaris)weiter angewachsen, konnten doch mindes-tens 122 Reviere festgestellt werden. Damiterreicht die Art ihren bisher mit Abstandhöchsten Bestand der letzten 10 Jahre. AlsSchwerpunktgebiete haben sich herauskris-tallisiert: das Beetzsee-Becken (inkl. Lötz)mit 11 rufenden Männchen (J. Rathgeber, T.Ryslavy, U. Alex, M. Kolbe), der Gülper Seemit 8 rM (Mitte April sogar 10 rM), inkl.dem Luch Gülpe/Parey insgesamt 11 rM (J.Rathgeber, H. Haupt, Naturwacht Westha-velland), das Parsteinsee-Becken mit eben-falls 11 rM (J. Rathgeber, M. Flade u. a.) unddas Uckerseengebiet mit 9 rM (H. Schonert,J. Rathgeber, S. Hundrieser, K. Eilmes). Anden Wochowseen bei Storkow riefen insge-samt 5 Rohrdommeln (H. Haupt) wie auchim Unteren Odertal (D. Krummholz, W. Ditt-berner u. a.). Ein Brutnachweis gelang im

Teichgebiet Peitz-Bärenbrück, wo insgesamt4 Männchen riefen (R. Zech, B. Litzkow, H.-P. Krüger). Ebenfalls 4 Rohrdommeln warenam Dammsee bei Fürstenwerder zu hören(H. Schonert).Mit mindestens 22 gemeldeten Rufern istder Bestand der Zwergrohrdommel (Ixobry-chus minutus) weiter in leichtem Anstieg be-griffen. Dabei gelangen zwei Brutnachweiseund 8-mal bestand Brutverdacht. Im Rah-men brutbiologischer Untersuchungen beiSchilfbrüterarten wurden in der Uckermarkam Felchowsee eine erfolgreiche Brut undam Landiner Haussee bei 3 Paaren zumin-dest eine Brut mit 6 Juv. ermittelt (W. Ditt-berner). Brutverdacht bestand auch am Kies-see bei Bergholz für ein Paar (D. Krummholz,W. Dittberner, J. Bellebaum) sowie beiSchenkenberg für ein Paar; in beiden Gebie-ten war jeweils noch ein zweites rufendesMännchen anwesend (K. Eilmes, H. Scho-nert). Am Parsteinsee bestand aufgrund vonWarnrufen im Juli Brutverdacht für ein Paar(A. Helmecke, T. Ryslavy, M. Walther u. a.).In der Märkischen Schweiz an den Altfried-länder Teichen konnte im Mai ein Weibchenbeobachtet werden (M. Fiddicke). In derNiederlausitz gab es Brutverdacht für einPaar im Teichgebiet Lakoma, wo noch einweiteres Männchen zu hören war; ebensojeweils ein Männchen im Teichgebiet Bären-brück (R. Zech, H.-P. Krüger), am Göhlenseebei Guben (Feller) sowie im Spreewald imTeichgebiet Stradow und am Groß KuthenerSee (T. Noah, A. Degen, S. Herold). Im Ha-velland waren im Wachower Lötz im Juni 3 Männchen gleichzeitig zu hören; für min-destens ein Paar bestand Brutverdacht (T. Ryslavy, T. Heinicke, J. Rathgeber). AmBeetzsee rief an zwei Tonstichen je einMännchen; am Pritzerber See konnte mehr-fach eine Zwergdommel beobachtet werden(U. Alex u. a.). Brutverdacht bestand für einPaar in den Linumer Teichen (S. Fischer, H. Watzke, T. Ryslavy u. a.).Weniger Reviere wurden für den Gänsesä-ger (Mergus merganser) gemeldet – bei 37Reviermeldungen liegen 25 Brutnachweisevor. An der Unteren Oder waren zwischenSchwedt und Stolzenhagen 10 Reviere be-setzt, wobei 3 Weibchen durchschnittlich 11Juv. führten (W. Dittberner, U. Kraatz, A.Schmoll, D. Krummholz u. a.). Im Bereichder Mittleren Oder zwischen Hohensaatenund Ratzdorf waren mindestens 23 Revierebesetzt, wobei für die Strecke Finkenheerd-Ratzdorf wenig konkrete Angaben vorlie-gen; 12 Weibchen führten hier durchschnitt-lich 7 Juv. (R. & S. Müller, J. Becker, H.Haupt, M. Fiddicke, M. Müller). An der Nei-ße wurden zwischen Guben und Pusackmindestens 3 BP registriert (K. Schenzle, D.Ruhle u. a.), und in der Elbaue (Prignitz) ge-lang ein Brutnachweis (H. Schulz).Mit einem Brutbestand von mittlerweilemindestens 1.288 BP (BAG Kranichschutz;ergänzt) ist Brandenburg das wichtigste Ge-biet für den Kranich (Grus grus), brütet hierdoch knapp ein Drittel des gesamtdeutschenBestandes. Die kranichreichsten Kreise sinddabei der Kreis Uckermark (UM) mit 350 BP

Abb. 11

Der Sperlingskauz (Glau-cidium passerinum)kommt in Brandenburgvermutlich häufiger alsbisher bekannt vor. ImSchlaubetal konnte dieArt erstmals und zudemgleich mit 4 rufendenMännchen festgestelltwerden.

Foto: D. Streuber

132 NATURSCHUTZ UND LANDSCHAFTSPFLEGE IN BRANDENBURG 12 (4) 2003; 80–84

(J. Haferland, T. Blohm, Naturwacht Ucker-märkische Seen) und der Landkreis Dahme-Spree (LDS) mit 155 BP (G. Deckert, B. Lud-wig, T. Noah, F. Schröder, K. Illig). Neben of-fenbar weiterhin günstigen Bedingungen inden Durchzugs- und Überwinterungsgebie-ten gibt es immer noch potenzielle Brutplät-ze im Land, in Ostbrandenburg insbesonde-re größere wasserführende Feldsölle.Die Kleinralle (Porzana parva) konnte nur in8 Gebieten mit mindestens 16 Rufern regis-triert werden. Dabei blieben allerdings einigein den Vorjahren besetzte Gebiete unkontrol-liert. In der östlichen Uckermark gelangen amFelchowseengebiet 4 Brutnachweise, wobeieine Familie festgestellt werden konnte (W.Dittberner). Am Landiner Haussee warenmindestens 6 Reviere besetzt (W. Dittber-ner). Ein Männchen rief am Parsteinsee (J.Rathgeber), und in den Oderwiesen beiFrankfurt konnte im Juni ein rufendes Männ-chen registriert werden (J. Fetsch, A. Stein, J. Becker). Am Gülper See wurden erstmals – zumindest für die letzten 10 Jahre – Klein-rallen nachgewiesen. Hier riefen im April undMai ein Männchen und ein Weibchen (C.Bock, H. Haupt, T. Noah). In der Nieplitz-Nie-derung gab es Anfang Juli einen Sicht- undRufnachweis eines Männchens (L. Kalbe); imMai rief ein Männchen in der Westprignitz anden Plattenburger Teichen (H. Schulz).Mindestens 19 Reviere wurden für denFlussuferläufer (Actitis hypoleucos) gemel-det, dabei gelangen 4 Brutnachweise. Alleinim Bereich der mittleren Oder im StadtkreisFrankfurt/O. waren 7 Reviere besetzt, wo

auch ein Brutnachweis gelang (J. Becker u.a.). An der Unteren Oder wurde Mitte Juniein Paar beobachtet (W. Dittberner). An derNeiße zwischen Forst und Pusack warenmindestens 3 Rev. (K. Schenzle, D. Ruhle)und im Teichgebiet Schacksdorf ein Revierbesetzt (D. Ruhle). Am Senftenberger Seekonnte ein Junge führendes Paar beobach-tet werden, während am Restloch Sedlitzund am Victoriasee bei Schwarzheide je-weils ein Paar brütete (H. Michaelis, T.Schneider). An der Elbe (Westprignitz) wa-ren mindestens 3 Reviere besetzt (S. Behl, F.Neuschulz, Flügel).Bedingt durch gute Brutbestände entlangder Unteren Havelniederung und im Par-steinsee-Becken stieg der Brutbestand derTrauerseeschwalbe (Chlidonias niger) auf356 BP in 24 Kolonien, wobei die Reproduk-tion aufgrund der schlechten Juniwitterungund von Prädation insgesamt gering ausfiel.An der Unteren Havel von Brandenburg bisstromabwärts zum Gülper See brüteten 139Paare in 7 Kolonien auf Nisthilfen (J. Seeger,

T. Hellwig, T. Ryslavy, T. Slomka, H. Scher-neck u. a.). Die landesweit größte Koloniebefand sich wieder am Gülper See mit 65 BP(P. Haase, J. Seeger u. a.). Im Unteren Oder-tal (Lunow bis Gartz) brüteten maximal nur86 Paare in 6 Teilkolonien (D. Krummholz,W. Dittberner, U. Kraatz u. a.), dabei konn-ten nur in zwei Teilkolonien erfolgreiche Bruten mit insgesamt 15 flüggen und 16nichtflüggen Jungen festgestellt werden (D.Krummholz). Mindestens 49 Paare brütetenim Parsteinsee-Becken in 3 Kolonien (davon40 BP auf Nisthilfen), wobei sich die größteKolonie mit 35 BP auf dem Parsteinsee be-fand und hier im Durchschnitt 1,2 Junge/BP,dagegen auf dem Brodowinsee (12 BP) nur0,6 Junge/BP flügge wurden (R. Krause, M.Flade). In der Kolonie an der Alten Spree-mündung (Schwielochsee), wo wieder 17Paare auf Nisthilfen brüteten, lag die Repro-duktionsrate bei 1,3 fl. Juv/BP (H. Haupt).Weitere Brutkolonien mit mindestens 10 BP:Oderwiesen nördlich Frankfurt/O. 15 er-folglose BP (J. Becker), Landiner Haussee 15

Abb. 12

Bestandsentwicklungder Trauerseeschwalbein Brandenburg 1992bis 2001

Tabelle 6: Bestandssituation seltener Brutvögel von Feuchtlebensräumen im Land Bandenburg für das Jahr 2001

Potsdam Cottbus Frankfurt/O. Land Brandenburg Land Brandenburg Land Brandenburg2001 2001 2001 1999 2000 2001

Schwarzhalstaucher 58 BP - 82 BP 174 BP 217 BP 140 BPKormoran 1.040 BP 10 BP 1.763 BP 2.004 BP 2.206 BP 2.813 BPGr. Rohrdommel 47 rM 9 rM (1 BN) 66 rM >95 rM (1 BN) >91 rM (2 BN) >122 rM (1 BN)Zwergrohrdommel 8 rM (2 BV) 5 rM (1 BV) 9 rM (2 BN, 5 BV) >9 rM (2 BN) >18 rM (6 BV) >22 rM (2 BN, 8 BV)Gänsesäger 1 Rev. (1 BN) 3 Rev. (3 BN) 33 Rev. (21 BN) >33 Rev. (25 BN) >43 Rev. (36 BN) >37 Rev. (25 BN)Kranich 429 BP 257 BP 602 BP 1.169 BP 1.288 BPKleinralle 4 rT - 12 rT (4 BN) >16 rT (6 BN) >11 rT (6 BN) >16 rT (4 BN)Flussuferläufer 3 Rev. 8 Rev. (3 BN) 8 Rev. (1 BN) >13 Rev. (9 BN) >21 Rev. (3 BN) >19 Rev. (4 BN)Trauerseeschwalbe 158 BP - 198 BP >258 BP >292 BP >356 BPFlussseeschwalbe 68 BP 98 BP* 203 BP >327 BP >417 BP >339 BP*Blaukehlchen 52 sM - 51 sM >84 sM (3 BN) >88 sM (9 BN) >103 sM

Innerhalb der letzten 30 Jahre eingewanderte Arten:Singschwan - 4-5 BP - 2-3 BP 3-4 BP 4-5 BPBrandgans 32 Rev. (11 BN) - 11 Rev. (3 BN) >39 Rev. (>27 BN) >43 Rev. (>26 BN) >43 Rev. (>14 BN)Kolbenente 1-2 BP 1 BP - 1-2 BP >1 BP >2-3 BPAusternfischer 2 Rev. (2 BN) 1 Rev. (1 BN) 2 Rev. (2 BN) 13 Rev. (4 BN) 7 Rev. (4 BN) 5 Rev. (5 BN)Silbermöwe - 213 BP 20 BP >190 BP >202 BP >233 BPMittelmeermöwe - 10 BP (7#) - >9 BP (6#) >10 BP (7#)Steppenmöwe - 5 BP (3#) - >5 BP (3#) >5 BP (3#)Sturmmöwe - 12-16 BP* 19 BP 27 BP* 22-25 BP* 31-35 BP*Schwarzkopfmöwe - 11-13 BP* - 8 BP* 16 BP* 11-13 BP*Karmingimpel 6 sM (1 BN) 12 sM (8 BN) 15 sM >41 sM (7 BN) >36 sM (6 BN) >33 sM (9 BN)

Legende: BP = Brutpaar; BN = Brutnachweis; BV = Brutverdacht; rM = rufende Männchen; rT = rufende Tiere (Männchen bzw. Weibchen);sM = singende Männchen; P = Paar; BZF (x) = Brutzeitfeststellung in x Gebieten; (#) = davon Misch-BP; * = Angaben erstmals ohneBrutbestand des Restloches Skadow, da sich dortige Brutinsel auf sächsischer Seite befindet.

TORSTEN RYSLAVY: ZUR BESTANDSSITUATION AUSGEWÄHLTER VOGELARTEN IN BRANDENBURG – JAHRESBERICHT 2001 133

BP (U. Kraatz, W. Dittberner), Zernsee (Mitt-lere Havel) 12 BP (K. Boer).Die Flussseeschwalbe (Sterna hirundo) er-reichte mit 339 BP einen durchschnittlichenBrutbestand, der sich auf 26 Kolonien ver-teilt. Die kopfstärkste Brutkolonie war imuckermärkischen Teichgebiet Biesenbrowmit 57 BP ansässig (J. Mundt, U. Kraatz). ImSpreewald auf dem Byhlegurer See brütetennunmehr 47 Paare (B. Litzkow, F. Kuba).Mehr als 20 BP beherbergten fünf weitereKolonien: Altfriedländer Teiche 38 BP (A.Koszinski), Gülper See 32 BP (P. Haase, J.Seeger), Stoßdorfer See 29 BP (NEVOIGT

2001) und Wesensee Brodowin 22 BP (M.Flade). Angaben zu Reproduktionsraten lie-gen für folgende Kolonien (>10 BP) vor: Alt-friedländer Teiche (38 BP) – 2,2 Juv./BP (A.Koszinski), Kremmener See (18 BP) – 2,2Juv./BP (H. Remek u. a.), Byhlegurer See (47BP) – 1,5 Juv./BP (B. Litzkow, F. Kuba), We-sensee Brodowin (22 BP) – 1,4 Juv./BP (M.Flade), Haussee Klockow (14 BP) – 1,3Juv./BP (T. Blohm u. a.), KraftwerksteichJänschwalde (12 BP) – 0,4 Juv./BP (B. Litz-kow) und Mühlensee Carmzow (10 BP) – 0Juv./BP (H. Schonert).Der gemeldete Bestand des Blaukehlchens(Luscinia svecica) lag mit mindestens 103Revieren deutlich über dem der Vorjahre.Vor allem in Westbrandenburg konntendeutlich mehr Reviere als zuvor ermitteltwerden. Von der Mittleren Havelniederungliegen für dieses Jahr nur Angaben vomRietzer See vor, wo 37 Rev. kartiert wurden(B. Rudolph, H. Wawrzyniak, T. Dürr u. a.),Im Päwesiner/Wachower Lötz sangen min-destens 8 Männchen (T. Ryslavy, T. Heinicke,J. Rathgeber u. a.). Im Unteren Odertal wur-de die Art nur unvollständig erfasst, und die

gemeldeten 15 singenden Männchen (sM)(J. Sadlik u. a.) dürften wohl nur die Hälftedes tatsächlichen Bestandes bilden. ImSchwerpunktgebiet Parsteinsee-Becken wur-den – bei 7 unkontrollierten Gewässern – 15Rev. ermittelt (M. Flade, A. Helmecke u. a.);geschätzt wird hier ein Bestand von 20 bis25 Rev. (M. Flade). Zwischen Unter- undOberuckersee konnte ein hoher Bestand vonmindestens 14 sM kartiert werden (S. Hund-rieser, K. Eilmes, J. Rathgeber u. a.).Eingewanderte Arten: Der Singschwan(Cygnus cygnus) brütete wieder in 4 Gebie-ten SO-Brandenburgs. Im Oberspreewald,wo im Frühjahr – nach erneuter Über-winterung am Bodensee – wieder Jungvögeldes Vorjahres eintrafen, zog das Brutpaar imTeichgebiet Stradow 6 Junge auf (T. Noah,H. Haupt, A. Degen); ein weiteres Paar bliebohne Nachwuchs (H. Haupt). Erstmals er-folgreich verlief die Brut auf dem LugkteichBrenitz bei Sonnenwalde mit 5 flügge ge-wordenen Jungvögeln (DONATH 2001). ImRaum Lieberose zog ein BP einen Jungvogelgroß; in einem anderen Gebiet verlief dieBrut erneut erfolglos (H. Deutschmann, H. Haupt, T. Spitz). An der Mittleren Oderkam es erneut zur Übersommerung einesAltvogels bei Güstebieser Loose (S. Fahl, M. Fiddicke, H. Haupt u. a.).Für die Brandgans (Tadorna tadorna) wur-den 43 Reviere gemeldet, wobei nur 14 Jun-ge führende Paare ermittelt wurden. Davonwaren mindestens 20 Reviere in der bran-denburgischen Elbaue zwischen Wittenber-ge und Dömitz besetzt, allerdings gelangenhier nur zwei Beobachtungen Junge führen-der Paare (H. Pester, C. Lüth, H. Schulz, F.Neuschulz u. a.). Mindestens 7 Reviere wa-ren in der Unteren Havelniederung besetzt;

von denen 6 Paare im Bereich des GülperSees erfolgreich brüteten und durchschnitt-lich 11 Juv. aufzogen (H. Haupt, C. Bock, D.Schubert u. a.). An den Nauener Rieselfel-dern zogen 3 Paare durchschnittlich 10 Juv.auf (H. Haupt, K. Lüddecke). Im UnterenOdertal wurden 9 Reviere erfasst, darunter2 erfolgreiche Paare bei Stolpe (W. Dittber-ner, D. Krummholz), während an der Mittle-ren Oder im Bereich Güstebieser Loose/Gieshof mindestens 3 Reviere besetzt waren,wobei ein Paar 10 Juv. führte (S. Müller, M. Fiddicke u. a.). Neben dem langjährigen Brutgebiet LinumerTeiche gab es nun auch für die Peitzer Teicheeinen Brutnachweis der Kolbenente (Nettarufina). Im Linumer Teichgebiet führte je einWeibchen Anfang Juli 6 kleine Junge (S. Fi-scher, E. Hinke, A. Hundrieser u. a.) und En-de August 6 große Jungvögel, wobei es sichmöglicherweise um zwei verschiedene Fami-lien handelte (S. Fischer). Im Peitzer Teichge-biet konnte im August ein Weibchen mit ei-nem nichtflüggen Jungvogel beobachtetwerden (R. Zech, T. Noah, M. Spielberg).Brutzeitbeobachtungen aus dem Juni von jeeinem Männchen liegen vom Gülper See imJuni/Juli (H. Haupt, C. Bock u. a.) und vomUnteruckersee Ende Mai bis Ende Juni vor(H. Schonert).Ohne Angaben von der Elbaue in der Prig-nitz lag der gemeldete Brutbestand des Aus-ternfischers (Haematopus ostralegus) beinur 5 Revieren, in denen die Art brütendfestgestellt wurde. In der Unteren Havelnie-derung und im Unteren Rhinluch brütetenzwei Paare auf Ackerland (J. Seeger, P. Haa-se, C. Bock u. a.), während an der UnterenOder bei Hohensaaten (W. Dittberner) undan der Mittleren Oder bei Güstebieser Loose

Abb. 13

Vorkommen der Trauerseeschwalbe (Chlidonias niger) in Branden-burg im Jahr 2001

Abb. 14

Vorkommen der Flussseeschwalbe (Sterna hirundo) in Brandenburgim Jahr 2001

134 NATURSCHUTZ UND LANDSCHAFTSPFLEGE IN BRANDENBURG 12 (4) 2003

(H. Haupt, M. Fiddicke, S. Fahl, R. u. S. Mül-ler) jeweils ein Paar erfolglos brütete. Amsüdlichen Binnenland-Brutplatz an der Elbebei Mühlberg verlief die Brut ebenfalls er-folglos (H. Klein, F. Walter u. a.).Weiter ansteigend ist der Brutbestand derSilbermöwe (Larus argentatus) mit nunmehr233 BP auf 9 Gewässern. Davon wurden 5Brutgewässer nur von Einzelpaaren besie-delt. Die beiden größten Kolonien befindensich in der Niederlausitzer Bergbaufolgeland-schaft, wo mindestens 150 Paare auf demRestloch Sedlitz sowie 62 Paare auf demRestloch Kleinkoschen brüteten (H. Michae-lis). In der Märkischen Schweiz waren imTeichgebiet Altfriedland 14 BP ansässig miteiner Reproduktionsrate von nur 0,4 fl.Juv./BP (A. Koszinski). An der Schleuse Ho-hensaaten wurden 2 Paare bei der Brut aufEisenpfählen beobachtet (W. Dittberner).In der Niederlausitz brüteten ebenfalls aufdem Restloch Kleinkoschen 10 Paare derMittelmeermöwe (Larus michahellis), davon3 artreine Paare. Hinzu kommen 7 Misch-Brutpaare: 1 BP Mittelmeermöwe x Step-penmöwe, 2 BP Mittelmeermöwe x Silber-möwe sowie 4 BP Mittelmeermöwe x unbe-kannter Brutpartner (H. Michaelis). AmRestloch Sedlitz konnten ebenfalls einzelneMittelmeermöwen unter günstigen Be-obachtungsbedingungen als Brutvögel er-kannt werden; eine genaue Angabe der tat-sächlichen Brutpaaranzahl ist dort jedochwegen der zu großen Entfernung nicht mög-lich (H. Michaelis).Nach dem ersten deutschen Brutnachweisfür Deutschland wurden auch in diesem Jahrbrütende Steppenmöwen (Larus cachin-nans) auf dem Restloch Kleinkoschen nach-gewiesen, das an der nordwestlichen Ver-breitungsgrenze der Art liegt (H. Michaelis).Es brüteten hier ein artreines Paar und 3Mischpaare, die sich je einmal aus Steppen-möwe x Mittelmeermöwe, Steppenmöwe xMittelmeermöwe/Omissus (intermedär) so-wie Steppenmöwe x unbekanntem Brutpart-ner zusammensetzten; weitere Altvögel wa-ren ohne deutliche Brutanzeichen in der Ko-lonie zu beobachten (H. Michaelis). Am

Restloch Sedlitz konnte mindestens ein Paarerkannt werden, jedoch aufgrund der zugroßen Entfernung keine genaue BP-Anzahlangegeben werden (H. Michaelis).Die Sturmmöwe (Larus canus) hat in Bran-denburg einen Bestand von 31 bis 35 BP, dersich auf 9 Brutgewässer verteilt. Das wich-tigste Brutgewässer ist dabei das RestlochSedlitz mit 9 bis 12 BP (H. Michaelis); aufdem Restloch Greifenhain brüteten 3 bis 4Paare (H. Michaelis, B. Litzkow). Im Barnim und in der Uckermark sind mitt-lerweile 7 Brutgewässer besiedelt, davon 4Gewässer von Einzel-Brutpaaren. Bei Ho-hensaaten (Untere Oder) brüteten 6 Paarean der Schleuse auf Pfählen sowie 5 Paaream Kiessee auf Förderbändern (W. Dittber-ner). Auf dem Pehlitzsee bei Brodowin wur-den 4 BP erfasst (R. Krause, M. Flade).Auf zwei brandenburgischen Restlöchernder Niederlausitz brüteten 11 bis 13 Paareder Schwarzkopfmöwe (Larus melanoce-phalus). Neu besiedelt wurde dabei – nachvorausgegangenen Landschaftspflegearbei-ten der Naturwacht des Naturparkes Nieder-lausitzer Landrücken – die Insel im Stoßdor-fer See bei Luckau von gleich 7 bis 9 BP, die10 bis 15 Jungvögel zum Ausfliegen brach-ten (NEVOIGT 2001). Auf dem Restloch Grei-fenhain brüteten 4 Paare (H. Michaelis, J.Nevoigt).Unvollständig ist die Anzahl der 33 gemel-deten singenden Männchen des Karmingim-pels (Carpodacus erythrinus). In der konti-nuierlich erfassten, 825 ha großen Kontroll-fläche im Oberspreewald sangen 11 – davon7 adulte – Männchen, wobei 7 Brutnach-weise gelangen und einmal Brutverdacht be-stand. Es verliefen 5 der 7 Bruten erfolg-reich; zum ersten Mal konnte dabei im Rah-men brutbiologischer Untersuchungen mitFarbmarkierung für den Karmingimpel derNachweis einer Zweitbrut sowie von Polygy-nie bei einem Männchen, das mit zweiWeibchen insgesamt 9 Jungvögel aufzog,erbracht werden (NOAH 2002). Im UnterenOdertal (Gartz bis Lunow) wurden 13 sM re-gistriert (W. Dittberner, D. Krummholz, J.Haferland u. a.), im Bereich der Oderaue bei

Frankfurt 2 Männchen (W. Weiß, J. Becker)und an der Mittleren Havel bei Ketzin eben-falls 2 sM (G. Lohmann). Im Gebiet der Un-teren Havel zwischen Briest und Pritzerbewurden 3 sM, davon in einem Revier ein füt-terndes Paar festgestellt (U. Alex). In derNieplitzniederung sang ein Männchen amBlankensee (L. Kalbe).Eingewanderte Art: Für die nicht in Tab. 6aufgeführte und seit 1999 in Brandenburgwieder brütende Moorente (Aythya nyroca)gelang im Jahr 2001 kein Brutnachweis bzw.-verdacht auf brandenburgischem Territo-rium.

7 Seltene Brutvögel terrestri-scher Lebensräume

Teilweise intensiv, aber nicht flächendeckenderfasst ist der Bestand des Wiedehopfes(Upupa epops) mit 140 Revieren, wobei 66Brutnachweise (ohne Berücksichtigung vonZweitbruten) gelangen. Auf Truppen-übungsplätzen (TÜP) wurden in diesem Jahru. a. folgende Bestände erfasst: TÜP Jüter-bog-West und -Ost 24 Rev., davon 17 Brut-nachweise (S. Oehlschlaeger, T. Ryslavy);TÜP Altengrabow 10 Reviere (T. Ryslavy, T.Bich, U. Alex); TÜP Lieberose/Reicherskreuz11 Rev., davon 9 Brutnachweise (H. Haupt,H. Deutschmann, T. Spitz); TÜP Hohenlei-pisch 7 Rev., davon 1 Brutnachweis (F. Ra-den, U. Albrecht, T. Ryslavy). In der Kultur-landschaft waren größere Konzentrationenim nördlichen Oderbruch (Raum Wriezen bisHohensaaten/Oderberg) mit 14 Rev., davon9 Brutnachweise (M. Müller, C. Philipps, M.Fiddicke, Wolf), im Spreewald mit 9 BP (H.Haupt, S. Weiß) sowie im Raum Müllrosemit 6 BP (P. Thiele) anzutreffen. Reproduk-tionsermittlungen in größerem Umfang er-gaben für 20 BP im Raum Lieberose/Spree-wald einen hohen Wert von 5,1 flüggenJuv./BP (H. Haupt, H. Deutschmann, S.Weiß) und auf den beiden Jüterboger TÜPsfür 17 BP nur 3,2 fl. Juv./BP (S. Oehlschlae-ger, T. Ryslavy). Dass gezieltes Ausbringenvon Niströhren die Brutbestände des Wiede-

Tabelle 7: Bestandssituation seltener Brutvögel terrestrischer Lebensräume im Land Brandenburg für das Jahr 2001

Potsdam Cottbus Frankfurt/O. Land Brandenburg Land Brandenburg Land Brandenburg2001 2001 2001 1999 2000 2001

Wiedehopf 55 Rev. (20 BN) 56 Rev. (28 BN) 29 Rev. (18 BN) >154 Rev. (77 BN) >150 Rev. (75 BN) >140 Rev. (66 BN)Raubwürger 48 Rev. (19 BN) 124 Rev. (45 BN) 61 Rev. (21 BN) >194 Rev. (132 BN) >231 Rev. (101 BN) >233 Rev. (85 BN)Saatkrähe 927 BP 43 BP 483 BP 1.384 BP 1.226 BP 1.453 BPBirkhuhn - 1 VK - >1 VK >1 VK >1 VKHaselhuhn (2 VK) - (2 VK) (1 VK) (4 VK) (4 VK)

Innerhalb der letzten 30 Jahre eingewanderte Arten:Schwarzkehlchen 25 Rev. (14 BN) 46 Rev. (23 BN) 23 Rev. (16 BN) >122 Rev. (64 BN) >130 Rev. (54 BN) >94 Rev. (53 BN)Grauspecht - 2 Rev. - 10 Rev. (2 BN, 2 BV) 5 Rev. (5 BV) 2 Rev.

1 rT/ET 2 rT/ET 1 rT/ET 7 rT/ET 7 rT/ET 4 rT/ETBienenfresser BZB (1) - - BZB (1)

Legende: BP = Brutpaar; BN = Brutnachweis; Rev. = besetztes Revier (rM bzw. sM); rT = rufendes Tier; ET = Einzeltier; VK = Vorkommen;(VK) = Vorkommen infolge künstlicher Aussetzung; BZB = Brutzeitbeobachtung

TORSTEN RYSLAVY: ZUR BESTANDSSITUATION AUSGEWÄHLTER VOGELARTEN IN BRANDENBURG – JAHRESBERICHT 2001 135

hopfes erhöhen kann, hat sich seit dem Be-ginn (1996) u. a. auf den Jüterboger TÜPs(OEHLSCHLAEGER & RYSLAVY 2002) und aufdem TÜP Lieberose (H. Haupt u. a.) gezeigt.Etwa auf dem hohen Vorjahresniveau lagder Bestand des Raubwürgers (Lanius ex-cubitor) mit 233 gemeldeten Revieren (85Brutnachweise). Diese Art hat in den letz-ten Jahren eindeutig zugenommen, undder tatsächliche Bestand dürfte bei über300 Rev. liegen, da aus einigen Altkreisenkeine bzw. fast keine Angaben vorliegen.Auf TÜPs konnten wieder gute Abundan-zen ermittelt werden, so auf dem TÜPLieberose/Reicherskreuz mit mindestens 12 BP auf ca. 4.950 ha (H. Deutschmann, H. Beutler, T. Noah) und auf dem TÜP Jüterbog-West und -Ost mindestens 9Rev./BP auf ca. 9.000 ha (S. Oehlschlaeger,T. Ryslavy). Auf nur 240 ha Offen- undHalboffenlandschaft des TÜP ZschornoerHeide brüteten wiederum 4 Paare erfolg-reich (R. Lehmann). Im Raum Wolfsruh beiGransee wurden in der Agrarlandschaft 4 BP auf 450 ha Untersuchungsfläche er-mittelt (J. Schwabe). Großflächige Erfas-sungen ergaben für das Oderbruch mindes-tens 29 Rev./BP auf 700 km2 (T. Förder, M. Fiddicke, S. Fahl), für den Altkreis Luckau 29 Rev./BP auf 707 km2 (Biol. Ar-beitskreis Luckau), für den Altkreis Senften-berg 18 Rev. auf 601 km2 (T. Schneider);für den Altkreis Lübben 16 Rev. (9 Brut-nachweise) auf 806 km2 (T. Noah) und für

den Altkreis Beeskow 9 BP auf 941 km2

(H. Haupt, H. Deutschmann).Durch einen weiteren Anstieg in der Prignitzentwickelte sich 2001 der Landesbestandder Saatkrähe (Corvus frugilegus) erstmalspositiv; es konnten 1.453 BP in 12 Ortschaf-ten ermittelt werden. Die größten Kolonienbefinden sich in der Prignitz mit 412 BP inWittenberge (u. a.) und 490 BP in Pritzwalk(Krien u. a.). Zu einer Kolonieneubildung mit11 BP kam es in Bad Wilsnack (H. Schulz). InOstbrandenburg konnte der Bestandsrück-gang der letzten Jahre vorerst gestoppt wer-den. Die beiden großen uckermärkische Ko-lonien beherbergten in Pinnow 200 BP (U.Kraatz, W. Dittberner) und in Dedelow 190BP (H. Schonert). Kleinkolonien gab es inPrenzlau mit 6 BP (H. Schonert), Schwedt/O.mit 15 BP, Angermünde mit 20 BP (U. Kraatz,J. Mundt), am Flughafen Schönefeld mit 14BP (S. Brehme, W. Otto u. a.) sowie in Eisen-hüttenstadt mit 45 BP (H. Haupt) und Frank-furt/O. mit 7 BP (A. Stein).In der Zschornoer Heide gelangen wiederumNachweise des Birkhuhns (Lyrurus tetrix),wo im Mai 2 Tiere, im Juni eine Henne undim November an anderer Stelle eine Hennebeobachtet werden konnten (H. Noack). Im Rahmen des seit 1994 laufenden Ansied-lungsvorhabens des Haselhuhns (Bonasiabonasia), das vom Amt für ForstwirtschaftKyritz und von der SchutzgemeinschaftDeutscher Wald, Regionalverband Prignitzdurchgeführt wird, wurden wieder in 2 Ge-

bieten der Prignitz sowie in der MärkischenSchweiz und bei Fürstenwalde Haselhühnerausgesetzt (R. Scholz), wozu keine weiterenAngaben gemacht werden können. Aus na-turschutzfachlicher Sicht ist das Haselhuhn-Projekt vor allem deshalb kritisch zu betrach-ten, da eine Reihe von Kriterien für Wieder-ansiedlungsprojekte hier nicht erfüllt sind, u. a. die Kenntnis des früheren Vorkommensund Ursache ihres Aussterbens, eine detail-lierte Lebensraumanalyse zwecks Habitat-eignung sowie eine wissenschaftliche Beglei-tung und Erfolgskontrolle der Aussetzungen.Der letzte märkische Haselhuhn-Beleg des ehemaligen natürlichen Vorkommensstammt aus dem Jahr 1911/1912 (MÄDLOW

& RYSLAVY 2001). Eingewanderte Arten: Erstmals rückläufig istder Bestand des Schwarzkehlchens (Saxicolatorquata) mit nur 94 gemeldeten Revieren(53 Brutnachweise). War im Vorjahr noch ei-ne deutliche Abnahme in Westbrandenburg,jedoch Zunahme in SO-Brandenburg auffäl-lig, so ist nunmehr ist auch in SO-Branden-burg die Art anscheinend auf dem Rückzug.Erwähnenswerte Brutbestände waren in derNiederlausitz nur noch auf und an den Tage-bauen Klettwitz bei Lauchhammer mit 8 BP(T. Schneider, F. Raden) und Welzow-Süd beiSpremberg mit 6 BP (R. Beschow, W. Han-sel), im Barnim auf dem kleinflächigen TÜPTrampe bei Eberswalde mit 7 Rev. (6 Brut-nachweise; H. Wawrzyniak, J. Möller), amPCK Schwedt mit 7 BP (W. Dittberner) sowieim Havelland auf dem TÜP Döberitzer Heidemit mindestens 11 Rev. (9 Brutnachweise;WIECZOREK 2002) vorzufinden.Der Grauspecht (Picus canus) wurde 2001 indeutlich geringerer Anzahl als in den vergan-genen Jahren nachgewiesen bzw. gemeldet.Im Spreewald waren an neuen Stellen 2Männchen-Reviere zur Brutzeit besetzt,allerdings blieben die vorjährigen Stellenunbesetzt (T. Noah, A. Schäfer). Im nörd-lichen Oderbruch bei Neuenhagen/Altgliet-zen waren Ende März ein (M. Müller) undAnfang Juni zwei Grauspechte (M. Rumber-ger) beobachtet worden. Einzelne Ruferkonnten im Spreewald bei Ragow Mitte Mai(T. Noah, S. Weiß), in der Niederlausitz beiLauchhammer Mitte März (U. Albrecht) so-wie bei Luckenwalde Mitte März (P. Schu-bert) vernommen werden. Herbstnachweisevon Einzeltieren, wobei Dismigrationsbewe-gungen nicht ausgeschlossen werden kön-nen, erfolgten bei Schwedt/O. Ende Sep-tember (J. Mundt) und am Oberlauf derNieplitz bei Jüterbog Anfang September (P.Schubert).Eine Brutzeitbeobachtung liegt vom Juni ausdem Oberen Rhinluch für 2 Bienenfresser(Merops apiaster) vor, die den Ort Beetz vonOst nach West überflogen (H. Ern). Im Au-gust wurde ein Trupp von mindestens 12Bienenfressern bei Frankfurt/O. festgestellt(M. Wichmann).Trotz gezielter Suche in fünf relevantenWaldkomplexen der westlichen Niederlau-sitz gab es auch in diesem Jahr für das nichtin Tab. 7 enthaltene Auerhuhn (Tetrao uro-gallus) keinen Nachweis (R. Möckel u. a.).

Abb. 16

Vorkommen der Saat-krähe (Corvus frugile-gus) in Brandenburg imJahr 2001

Abb. 15

Bestandsentwicklungder Saatkrähe in Bran-denburg 1995 bis 2001

136 NATURSCHUTZ UND LANDSCHAFTSPFLEGE IN BRANDENBURG 12 (4) 2003

1996 wurden wieder Bäume als Brutplätzegewählt, mittlerweile sind 3 BP bekannt.Auch der Uhu ist, von Aussetzungspro-grammen anderer Bundesländer profitie-rend, nach fast einem Jahrhundert wiederBrutvogel in Brandenburg, wenngleich dieAnzahl der bisher bekanntgewordenenBrutplätze noch gering ist. Neubürger unserBrutavifauna mit Nachweisen in immermehr Gebieten sind der Raufußkauz seitMitte der 1980er Jahre und der Sperlingskauzseit Mitte der 1990er Jahre, während die Situ-ation beim Steinkauz – trotz fast 20-jährigerBestandsstützungsmaßnahmen durch Aus-wilderung – immer noch sehr kritisch ist.Ebenfalls neue regelmäßige Brutvogelartenwurden in den letzten 10 Jahren dasSchwarzkehlchen, das sich schnell über dasgesamte Land, insbesondere auf Truppen-übungsplätzen, ausbreitete und gegenwär-tig offenbar stagniert, der Grauspecht v. a.in SO-Brandenburg, der Singschwan in SO-Brandenburg (seit 1993) und die Schwarz-kopfmöwe auf Tagebaurestlöchern derNiederlausitz. In Wiederausbreitung sindvor allem einige Arten der Feuchtgebietebegriffen – so z. B. Blaukehlchen, Schwarz-halstaucher, Rohrdommel und Zwergdom-mel. Positiv entwickelten sich auch die Brut-bestände von Brandgans, Gänsesäger, Sil-bermöwe, Sturmmöwe und Kormoran.Nach wie vor selten sind Kolbenente undFlussuferläufer. Rückläufig bzw. stagnierendsind die Entwicklungen bei Karmingimpel,Kleinralle, Austernfischer, Saatkrähe, Auer-huhn (möglicherweise bereits ausgestorben)und Birkhuhn. Eindeutige „Verlierer“ sind also v. a. Artender Agrarlandschaft (Wiesenbrüterarten,Großtrappe, Steinkauz) sowie Arten natur-naher Wälder und störungsarmer unzer-schnittener Räume (Schreiadler, Schwarz-storch, Auerhuhn, Birkhuhn).

LiteraturBOCK, C. 2001: Erfassung wiesenbrütender Limikolenim NSG Große Grabenniederung und im NSG Havel-ländisches Luch im Frühjahr 2001. Abschlussbericht.Im Auftr. Staatl. Vogelschutzwarte Brandenburg (un-veröff.)DONATH, H. 2001: Der Singschwan (Cygnus cygnus(L.)) als Brutvogel im Naturpark Niederlausitzer Land-rücken. Biol. Studien Luckau 30: 117-119EISENBERG, A.; RYSLAVY, T.; PUTZE, M. & LANGGEMACH, T.2002: Ergebnisse der Telemetrie bei ausgewildertenGroßtrappen (Otis tarda) in Brandenburg 1999-2002.Otis 10: 133-150GEDEON, K. 1994: Monitoring Greifvögel und Eulen.Jahresber. Monitoring Greifvögel und Eulen Europas.1. Ergebnisbd. Diss. Univ. HalleKENNTNER, N.; TATARUCH, F & KRONE, O. 2001: Heavymetals in soft tissue of White-tailed eagles found deador moribund in Germany and Austria from 1993 to2000. Environ. Toxicol. Chem. 20: 1831-1837KENNTNER, N. & LANGGEMACH, T. 2001: Hohe Verlustedurch Bleivergiftungen beim Seeadler. Unsere Jagd12/2001: 30-31KÖHLER, W. & LANGGEMACH, T. 2001: Verluste desWeißstorchs an Freileitungen – kein Ende in Sicht?. In:KAATZ, C. u. M.: 2. Jubiläumsband Weißstorch: 185-191KOLLMANN, R.; NEUMANN, T. & STRUWE-JUHL, B. 2002:Bestand und Schutz des Seeadlers (Haliaeetus albicilla)in Deutschland und seinen Nachbarländern. Corax 19,Sonderh. 1: 1-14LANGGEMACH, T. 2002: Situation und Schutz des Seead-lers (Haliaeetus albicilla) in Brandenburg und Berlin.Corax 19, Sonderh. 1: 23-36

LITZBARSKI, H. 2002: Rabenvögel und Wiesenbrüter-schutz in Brandenburg. Beitr. Jagd- u. Wildforschung27: 285-290MÄDLOW, W. & RYSLAVY, T. 2001: Haselhuhn – Bona-sia bonasia (L. 1758). In: Arbeitsgemeinschaft Berlin-Brandenburgischer Ornithologen: Die Vogelwelt vonBrandenburg und Berlin. Natur & Text. Rangsdorf: 207NABU (Naturschutzbund) 2002: Mitteilungsblatt94/2002 der BAG Weißstorchschutz. 16 S.NEVOIGT, J. 2001: Erste Brutnachweise der Schwarz-kopfmöwe (Larus melanocephalus) im NaturparkNiederlausitzer Landrücken. Biol. Studien Luckau 30:115-117NOAH, T. 2002: Zweitbrut und Polygynie´beim Karmin-gimpel Carpodacus erythrinus. Limicola 16: 70-84OEHLSCHLAEGER, S. & RYSLAVY, T. 2002: Brutbiologie desWiedehopfes Upupa epops auf den ehemaligen Trup-penübungsplätzen bei Jüterbog, Brandenburg. Vogel-welt 123: 171-188RANNOW, S.; BÖHNER, J. & ESCHHOLZ, N. 2003: Popula-tionsmanagement durch Auswilderung: Wie sinnvollbei der Großtrappe?. Poster zur DOG-Tagung, Halber-stadt 2003REUSSE, P.; WALTER, F.; LUX, H. & KNEIS, P. 2000: Brutender Moorente (Aythya nyroca) in 2 Teichgebieten ander unteren Röder in Südbrandenburg und Nordsach-sen in den Jahren 1999 und 2000. Acta ornithoecol. 4(2-4): 405-409RYSLAVY, T. & BICH, T. 2001: Großtrappenverlust im Eu-ropäischen Vogelschutzgebiet Fiener Bruch. Natursch.Landschaftspfl. Brand. 10 (4): 180-181RYSLAVY, T. 2002: Zur Bestandssituation ausgewählterVogelarten in Brandenburg Jahresbericht 2000. Na-tursch. Landschaftspfl. Brand. 11 (3): 183-197WIECZOREK, G. 2002: Untersuchungen zur Biologie desSchwarzkehlchens (Saxicola torquata L. 1766) in derDöberitzer Heide unter besonderer Berücksichtigungder Habitatansprüche auf einem Standort an der nörd-lichen Peripherie des mitteleuropäischen Artareals.Dipl-arb., Uni Potsdam. 110 S.

Ergänzungen und Korrekturen zum Jahresbericht 2000 (RYSLAVY 2002)

S. 183, Tab. 1 – Schreiadler:Frankfurt/O. 22 Rev.

S. 191, Tab. 6 – Moorente:Cottbus, Land Brandenburg jeweils 1 BP

S. 192, Text: nur im Teichgebiet Mulknitz-Eulo 1 BP.Bei Schweinfurt wurde in der letztenMaidekade ein Paar festgestellt. Zweierfolgreiche Bruten wurden jedoch aufsächsischer Seite nachgewiesen (REUSSE

et al. 2001).

S. 194, Text – Mittelmeermöwe:Die Mittelmeermöwe brütete in 3 art-reinen Paaren am Restloch Kleinko-schen.

S. 191, Tab. 6 – Steppenmöwe:Cottbus, Land Brandenburg jeweils 5 BP (3 BP#)

S. 194, Text: Es wurden 2 artreine Bruten festgestellt.

Anschrift des Verfassers:Torsten RyslavyLandesumweltamt BrandenburgStaatliche VogelschutzwarteDorfstraße 3414715 Buckow (b. Nennhausen)

8 Synopse

Die seit nunmehr 10 Jahren publizierten Jah-resberichte zu ausgewählten Vogelarten inBrandenburg dienen der Dokumentation derEntwicklung von Vogelbeständen, nicht zu-letzt der Erfüllung der EU-Berichtspflichten(EU-Vogelschutzrichtlinie, FFH-Richtlinie).Dadurch ist es möglich, überregional auftre-tende Bestandsveränderungen und aktuellebzw. schleichende Gefährdungen frühzeitigzu erkennen und Kenntnisdefizite aufzude-cken. Solche Gefährdungen sind oft Auswir-kungen von Eingriffen und veränderterLandnutzung. Auch ist in Einzelfällen eineEinschätzung der Effizienz von Schutz- bzw.Pflegemaßnahmen möglich, wofür aber dieReproduktionswerte mit betrachtet werdenmüssen.Großvogelarten wie See- und Fischadlernehmen weiterhin zu, auch die Reproduk-tionswerte lassen populationsdynamisch kei-ne Einbrüche befürchten. Die Situation desSchreiadlers dagegen muss unter dengegenwärtigen Bedingungen, insbesondereauch angesichts möglicher Folgen der Wald-privatisierungen, als kritisch angesehen wer-den; dasselbe gilt für den etwas häufigerenSchwarzstorch. Während Weißstorch undKranich ihre Brutbestände in den letzten Jah-ren erhöhen und festigen konnten, sind dieBestände der Wiesenbrüter, insbesonderevon Uferschnepfe und Brachvogel, trotzgroßflächiger Fördermaßnahmen im gesam-ten Land weiterhin rückläufig, und die fürdie Bestandssicherung notwendigen Repro-duktionswerte wurden nicht annähernd er-reicht. Der Wachtelkönig nahm in den1990er Jahren deutlich zu und blieb etwaauf diesem Bestandsniveau, dagegen ist derTrend der Tüpfelralle nach einer Bestandszu-nahme seit Mitte der 1990er Jahre infolgeHabitatverschlechterung in Schwerpunktge-bieten rückläufig. Das einzige Brutvorkom-men des Seggenrohrsängers innerhalb derEU im Unteren Odertal ist akut infolge Nut-zungswandels bzw. Prozessschutz gefährdet;hier müssen kurz- bis mittelfristig Ersatzflä-chen entwickelt werden, um das regionaleAussterben dieser global gefährdeten Art zuverhindern. Die seit Jahrzehnten erstmalspositive Entwicklung der Großtrappe (seit1997) darf nicht über das Problem des un-natürlich hohen Prädationsdruckes hinweg-täuschen – zudem kann eine Winterfluchtwie in den 1970er und 80er Jahren ganzschnell wieder diese Entwicklung ins Gegen-teil umschlagen lassen.Direkte Artenschutzmaßnahmen haben beieiner Reihe von Arten Wirkung gezeigt undu. a. deshalb zu Bestandszunahmen und z.T. sehr guten Reproduktionsergebnissen ge-führt, so z. B. bei: Wiesenweihe (Mahdaus-sparung, Schutzzaun, Verwitterung), Fisch-adler und Weißstorch (Kunsthorste, Horst-unterlagen, Nistmasten), Fluss- und Trauer-seeschwalbe (Nisthilfen) oder auch Wiede-hopf (Niströhren). Dank des langjährig lau-fenden Baumauswilderungsprojektes beimbereits ausgestorbenen Wanderfalken hatsich die Art als Brutvogel etabliert und seit

NATURSCHUTZ UND LANDSCHAFTSPFLEGE IN BRANDENBURG 12 (4) 2003; 137–143 137

DIE ARBEIT NACH DEM "BEWEIDUNGSPLAN 2000" HAT SICH IM NSG ODERHÄNGE MALLNOW

SEHR GUT BEWÄHRT. LANDSCHAFTSPFLEGE IN DER KULTURLANDSCHAFT BRAUCHT

KONTINUITÄT UND QUALIFIZIERTE BETREUUNG.

NORBERT WEDL, EBERHARD MEYER

Beweidung mit Schafen und Ziegen im NSG Oderhänge MallnowSchlagwörter: Schafbeweidung, Vertragsnaturschutz, Landschaftspflege, Erfolgskontrolle, Beweidungspläne

und -formen, Zielkonflikte, Oderhänge Mallnow

Zusammenfassung

Seit 1999 wird auf den Oderhängen umMallnow unter der Beweidungsform einerkurzzeitigen Umtriebsweide mit Schafen undZiegen Landschaftspflege betrieben. Durcheine hohe Besatzdichte pro Fläche und früh-zeitige Beweidungszeiträume wird ein guterAbweidungsgrad erreicht.Konkurrenzstarke Gräser, Brachearten undGehölze werden so zum Vorteil zahlreicherzum Teil hoch gefährdeter konkurrenz-schwacher Arten effektiv zurückgedrängt.Auf der Grundlage vegetationskundlicherAnalysen wurden Beweidungspläne aufge-stellt. Deren Umsetzung und das Erreichender Zielvegetation erfolgt durch Anpassendieser Pläne an den Entwicklungszustandder aktuellen Vegetation sowie durch inten-sive fachliche Betreuung.

1 Einleitung

Im Mittelpunkt von Exkursionen und Unter-suchungen auf den Oderbruchhängen vonMallnow bis Dolgelin stehen die kontinenta-len Trockenrasen mit ihrer seltenen, „exoti-schen" Pflanzenwelt und deren Glanzpunkt,die Blüte der Frühlings-Adonisröschen imFrühjahr eines jeden Jahres, sowie die dazu-gehörende Tierwelt.Das heute mit seinen Erweiterungsflächenetwa 300 ha große Naturschutzgebiet (NSG)ist als Fauna-Flora-Habitat (FFH)-Gebiet beider EU gemeldet worden. Der Schutzzweck besteht in der Erhaltungund Entwicklung des FFH-Lebensraumtyps„subpannonische Steppen-Trockenrasen",der im Gebiet in den Vegetationstypen „kon-tinentale Halbtrocken-Rasen (Adonido-Bra-chypodietum pinnati KRAUSCH 1961)" und„kontinentale Volltrocken-Rasen (Stipetumcapillatae KRAUSCH 1961)" auftritt. Danebenkommt der FFH-Lebensraumtyp „trockene,kalkreiche Sandrasen" vor, der dem Vegeta-tionstyp „subkontinentale Blauschillergrasra-sen" bzw. der Gesellschaft „Koelerio-Festuce-tum psammophilae KLIKA 1931" entspricht.Darin eingeschlossen sind als Schutzgüter et-wa 110 Pflanzenarten der Roten Liste Bran-denburgs sowie das gesamte Spektrum deran diese Vegetation und Standortbedingun-gen angepassten Fauna (WEDL a, in Vorber.).

Wegen ihrer Ausprägung und Großräumig-keit sind diese Trockenrasen für Mitteleuro-pa von einmaligem Wert für Forschung,Lehre und Naturtourismus. Die Erhaltung von Trockenrasen erfordertheute eine Nutzung oder Pflege, die die his-torische Landnutzung fortführt oder ihrweitestgehend nahe kommt. Im Optimalfallist das eine Beweidung mit Schafen und Zie-gen ohne Düngung und ohne Intensivie-rung. Weideformen, -termine und die Be-weidungsintensität müssen fachlich begrün-det sein. Dabei müssen klar definierte natur-schutzfachliche Ziele im Mittelpunkt des Be-mühens stehen.

2 Betreuung derLandschaftspflege

Die Effizienzkontrolle erfolgte in den Jahrenbis 1999 im Wesentlichen durch Mitarbeiterder unteren Naturschutzbehörden, unter-stützt durch Mitarbeiter des Landesumwelt-amtes Brandenburg (LUA). Die Zwischenbi-lanz nach mehreren Jahren der Schafbewei-dung war jedoch trotz einiger Einzelerfolgeinsgesamt unbefriedigend (Näheres in Ab-schnitt 3).Es fehlten eine Reihe wesentlicher Grundla-gen wie Biotopübersichten und vegetations-kundliche Analysen, flächenscharfe Bewei-dungspläne, Untersuchungen zur Weidemp-findlichkeit, zum Verbiss von Rote-Liste-Ar-ten und zum Fress- und Weideverhalten derSchafe.Die sachgerechte Beweidung von kontinen-talen Trockenenrasen ist ein schwieriger undkomplexer Prozess, der eine qualifizierte Be-treuung erforderlich macht. Diese Notwen-digkeit beschreiben auch HOZAK & MEYER

(1998) sowie SCHUBERT (1994). Die Erfahrun-gen der letzten Jahre zeigen weiter, dass beider konkreten Umsetzung von Landschafts-pflegemaßnahmen sowohl der Arbeitsauf-wand als auch die Anforderungen an dieQualifikation der Betreuer häufig unter-schätzt werden. Die beteiligten Naturschutz-behörden müssen deshalb externe Betreuereinbeziehen. Grundlage für die Erstellung des Beweidungs-planes bildete eine selektive Biotoptypenkar-tierung sowie darauf aufbauend eine diffe-renzierte vegetationskundliche Analyse auf

ausgesuchten Repräsentanzflächen innerhalbder Vegetationsperiode 1999. Die Ergebnissedieser Analysen wurden kartographisch um-gesetzt und mündeten in einzelflächenbezo-gene Handlungsanleitungen (Weidepläne).Die Arbeit mit dem Schäfer nahm den zen-tralen Teil der Begleitung ein. Neben derkontinuierlichen Überprüfung der sachge-rechten Umsetzung des Beweidungsplanesstand die Kontrolle der Wirksamkeit im Errei-chen der konkreten Entwicklungsziele aufder Fläche im Mittelpunkt der Betreuung. Indiesem Zusammenhang sind zu sehen– die ständige Anpassung des Bewei-

dungsplanes an den aktuellen Entwick-lungszustand der Vegetation mit denausgewählten Zielarten auf Einzelflä-chen,

– die kontinuierliche Öffentlichkeitsarbeit,die Herstellung von Transparenz unterden verschiedenen Fachleuten undInteressengruppen und die

– fachlich, sachliche Auseinandersetzungmit Kritikern und deren Argumenten.

3 Ausgangssituation 1999

Der landwirtschaftliche Nutzungsdruck aufdie für den Naturschutz relevanten Trocken-rasen und Trockenbiotope ist so gering wieniemals zuvor. Landwirte sind auf die Wei-deflächen in diesem Gebiet wirtschaftlichnicht angewiesen. Die Möglichkeiten auffutterreiche Weiden mit gleichförmigem Be-wuchs wie Saatgrasland oder auf ebene, un-komplizierte und überschaubarere Flächenauszuweichen, sind vielfältig gegeben. DasFutter der Trockenrasen wird als eher min-derwertig angesehen (im Vergleich zu ande-ren Futtergrundlagen) insbesondere bei spä-ten Weideterminen ab Juni/Juli und beiüberständiger Vegetation. Anfang der 90er Jahre etablierte sich einSchäfermeister in der Region und zeigteInteresse an der Beweidung der Trockenra-sen im NSG. Nach mehreren einjährigenLandschaftspflegeverträgen mit ganz unter-schiedlichen Konditionen, konnte das LUAim Jahr 1995 mit dem Schäfer einen 10-Jah-res-Vertrag abschließen.Die Beweidungsform seit 1994 war die freieHutung. Der Schäfer hütete die Flächenspontan, ohne konkreten Plan. Der Weide-

138 NATURSCHUTZ UND LANDSCHAFTSPFLEGE IN BRANDENBURG 12 (4) 2003

beginn erfolgte relativ spät, im Juni. Zu die-sem Zeitpunkt war ein Teil der Gräser bereitsvertrocknet und hart, enthielt nur noch ge-ringe oder gar keine Eiweißstoffe und warfür die Schafe „unattraktiv". Auf großen Flächen dominierten Grasflurenaus Fiederzwenke, Glatthafer und AufrechterTrespe. Aus der Analyse 1999 ging hervor,dass nur ein kleiner Teil der Vertragsnatur-schutzflächen der Zielvegetation entsprach.Die o. g. Gräser sind mit jeweils unterschied-lichen Anteilen auf den einzelnen Flächenvertreten und ihre Ausprägung und Vitalitätvariiert standörtlich sehr stark. Häufig findet

man in derartigen Beständen Filze aus abge-storbenen Blättern und Halmen von mehre-ren Jahren. Sie sind Kennzeichen und Folgeeiner Unternutzung und stellen bei Fortbe-stehen ein Verbrachungsstadium der Weide-bzw. Trockenrasenvegetation dar, wie ELLEN-BERG (1986) ausführlich beschreibt und PLESS

(1994) für die Oderhänge feststellt [vgl. auchBEINLICH et al. (1997), MÜCKSCHEL (2000). Esist kaum möglich, eine Verbrachung unterder bis 1998 praktizierten Art der „vorsichti-gen, sparsamen Beweidung" im „lockerenGehüt" ohne Vorgabe konkreter Bewei-dungstermine aufzuhalten. Im Gegenteil, es

kommt zu einer fortschreitenden Sukzessionbis hin zur Ausbildung von Gebüschgruppenund Vorwäldern. Die Abbildungen 1 und 2geben einen Einblick in die Situation der Ve-getation, wie sie 1999 vorgefunden wurde.

4 Literaturkritik

Bei Durchsicht der vorhandenen Literatur zurBeweidung von Trockenrasen ist festzustellen,dass sie in ihren Aussagen uneinheitlich undwidersprüchlich und deshalb nicht unmittel-bar geeignet ist, die Grundlagen für einesachgerechte Beweidung oder Beweidungs-planung in der konkreten Situation zu liefern.In einer größeren Zahl von Publikationenwird neben den positiven Auswirkungen ei-ner Schafbeweidung (wie die Entstehungder Trockenrasen und Hutungslandschaf-ten), dieselbe zugleich als Bedrohung ange-sehen. Es herrscht die Sorge vor Überwei-dung, Trittschäden, Nährstoffanreicherungund vor Zerstörung gefährdeter Biotope mitRote-Liste-Arten.In diesem Zusammenhang werden meist er-hebliche Einschränkungen bezüglich frühzei-tiger Beweidungstermine, der Besatzdichteund Beweidungsform postuliert (ZIMMER-MANN & WOIKE (1982), Autorenkollektiv inLUTZ (1990), KNAPP & REICHOFF (1973), EL-LENBERG (1986)).Auch der STANDARD-MAßNAHMEKATALOG PEP

TEIL III (1996) der Landesanstalt für Groß-schutzgebiete für die Pflege- und Entwick-lungsplanung ist bezüglich empfohlenerMaßnahmen zur Beweidung von Trockenra-sen wenig konkret. Er lässt Fehldeutungen zuund kann ebenfalls keine Grundlage für kon-krete Planungen bilden. Grundlegende Be-griffe, wie beispielsweise 'extensiv' oder 'in-tensiv' werden vieldeutig gebraucht und nichtklar definiert OPPERMANN & LUIK (1999).

5 Beweidungsplan 2000

5.1 Planungsgrundsätze

Die von vielen Menschen heute „romantischverklärte", sogenannte „extensive histori-sche Schafbeweidung" war viel intensiverund Landschaften wurden weit umfassendergenutzt, als man es sich heute vorstellenkann. Historische Berichte und alte Fotos be-legen, dass der Gehölzanteil früherer Zeitenextrem gering war und die Nutzung der Ve-getationsdecke bis zur Erosion führte. Diehistorische Kulturlandschaft war nie nach-haltig im Sinne heutiger Maßstäbe (WEDL a,in Vorb.) genutzt worden.Der Artenreichtum der offenen Kulturland-schaft (sowohl Flora als auch Fauna) erreich-te im 19. Jahrhundert genau unter der da-maligen Landnutzungsform ein Maximum(FUKAREK 1981). Die Mehrzahl der Pflanzen-arten, aber auch die biotoptypische Faunahaben sich in einem Jahrhunderte bis Jahr-tausende währenden Selektionsprozess so-wohl an die Standorte als auch an die histo-rische Form der Landnutzung angepasst. Sie

Abb. 1

Hochwüchsige und dichte Bestände von Brachegräsern im Juli 1999 mit Dominanz desGlatthafers; im Vordergrund ein Ausbreitungszentrum von Landreitgras Foto N. Wedl

Abb. 2

Schafe und Ziegen verschwinden in den hochwüchsigen und dichten Dominanzbeständen desGlatthafers im Juli 1999; große Bereiche werden einfach niedergetreten. Foto: N. Wedl

NORBERT WEDL, EBERHARD MEYER: BEWEIDUNG MIT SCHAFEN UND ZIEGEN IM NSG ODERHÄNGE MALLNOW 139

überlebten unter dieser Form der Nutzungohne weitere spezielle Förderung (vgl. auchWILMANNS 1993, S. 271). Bei individuenarmen Reliktvorkommen vonOrchideen sind aus naturschutzfachlicherSicht ausnahmsweise zeitweilige Sonderbe-weidungspläne aufzustellen (s. Tab. 1, WEDL

a, b, in Vorb.), um überlebensfähige Popula-tionsgrößen und Verteilungsmuster entwi-ckeln zu können. Blütenreichtum und strukturelle Vielfalt sol-len generell aus dem standorttypischen Ar-teninventar (genauer aus dem Artenspek-trum der Zielvegetation) entstehen und sichnicht aus Ruderal- und Brachearten zu-sammensetzen.Die standort- und klimatypische Zielvegeta-tion bildet die Lebensgrundlage und Habi-tatausstattung für die gebietstypische Klein-fauna (Wirbellose, Arthropoden, Insekten u. a. Artengruppen).Wegen der außergewöhnlichen Bedeutungdes spezifischen Regional- und Lokalklimas(kontinental getöntes Trockenklima) für dielangfristige Sicherung und optimale Ausbil-dung der kontinentalen Trockenrasen mussalles versucht werden, die Verbuschung undein randliches Zuwachsen sowie Aufforstendes Gebietes, insbesondere der letzten Luft-austauschräume, zu verhindern.Jede Bewirtschaftung oder Pflege muss desWeiteren so realitätsnah geplant sein, dasssie tatsächlich in die Praxis umgesetzt wer-den kann und sich auch noch ökonomischträgt.

5.2 Beweidungsform

Im Gebiet wird eine kurzzeitige Umtriebs-weide mit hoher Besatzdichte in mobilerKoppelhaltung (Weidenetze) durchgeführt.Dabei wird jeweils eine Fläche in der Größevon 1,0 ha bis zu 1,5 ha umzäunt. Die Her-dengrößen umfassen 300 bis 400 Schafeund etwa 8 bis 12 Ziegen. Ein Flächenwech-sel findet im Durchschnitt nach 1,5 Tagen(seltener 1 Tag, höchstens 2 Tage) statt undist abhängig vom Nahrungsangebot, denGeländeverhältnissen, der Witterung undnicht zuletzt von den Vorgaben bezüglichdes zu erreichenden Pflege-, bzw. Bewei-dungszieles.Die Schafe verbleiben Tag und Nacht auf derjeweiligen Fläche. Wichtig ist, dass die Herderelativ breitflächig lagert, die Nacht auf derGesamtfläche von 1,0 ha bis 1,5 ha ver-bringt und besonders in den späten Abend-und frühen Morgenstunden weiden kannWEDL (1999 b) (Abb. 5).Diese Beweidungsform unterscheidet sichklar von einer konventionellen Form derPferchung und darf deshalb nicht mit ihrverwechselt werden.Dieses Vorgehen bei der Beweidung ist keinesfalls neu und wird in jüngeren Arbei-ten, die sich mit Schafbeweidung und derenPlanung beschäftigen (OPPERMANN & LUIK

(1999), HOZAK & MEYER (1998)) beschrie-ben. Es wird zunehmend von Schäfern prak-tiziert, auch aus Gründen der rationellerenNutzung der Arbeitszeit. Gerade bei kleine-

ren Betrieben mit wenigen Mitarbeitern istein Schäfer in der Lage, zwei Herden an ge-trennten Orten in Netzen zu halten. Auch inder Märkischen Schweiz wird seit längererZeit so gearbeitet und von Wedl dort fach-lich begleitet (WEDL 1999a, 2001a). Nachden Erfahrungen der Schäfer ist dieses Ver-fahren betriebswirtschaftlich rentabel.Die Hutung ist zur o. g. Beweidungsform ei-ne sinnvolle Ergänzung und kann entspre-chend den speziellen Maßnahmevorschlä-gen für die einzelnen Beweidungstypen zurAnwendung empfohlen werden. Währendder Weidegänge unter Hutungsschäferei

sollten die Nachtpferche im Regelfall auf an-grenzenden Saatgraslandflächen eingerich-tet werden.

5.3 Frühzeitige Beweidungstermine

Die Abweidung der Problemgräser im „Ju-gendzustand" ist nur durch Festlegung früh-zeitiger Weidetermine möglich. Allein da-durch können Verbrachungserscheinungen(dominante Vergrasung und Verfilzung, Ver-änderung des Mikroklimas) unterbunden unddie notwendige Abschöpfung der überschüs-sigen Biomasse gewährleistet werden. Frühe

Abb. 3

Kontinentaler Halbtrockenrasen, 4 bis 5 Wochen nach dem ersten Weidegang; Blühaspektdes zweiten Aufwuchses: Sibirische Glockenblume, Färber-Meier, Wiesen-Margerite, Ge-wöhnliches Zittergras, Wiesensalbei (alles RL-Arten) sowie Hornklee u.a. Foto: N. Wedl

Abb. 4

Zweiter Aufwuchs nach 4 bis 5 Wochen Weidepause, kontinentaler Halbtrockenrasen, Blüh-aspekt: Karthäuser-Nelke, Berg-Klee, Echtes Labkraut, Kleines Mädesüß, Gewöhnliches Zit-tergras u. a. Foto: N. Wedl

140 NATURSCHUTZ UND LANDSCHAFTSPFLEGE IN BRANDENBURG 12 (4) 2003

Nutzung bedeutet nach unseren Erfahrungenab Anfang bis Mitte April, bei anderen Auto-ren spätestens Ende Mai (MÜCKSCHEL 2000).Insbesondere die Problemgräser AufrechteTrespe, Fiederzwenke, Glatthafer und Land-reitgras wurden bereits ab Mitte bis Ende Ju-ni von den Schafen nicht mehr ausreichendverbissen (vgl. auch ELLENBERG 1986; KLAPP

1956, 1965; WILMANNS 1993). Bei später Be-weidung wird das Ziel, die Konkurrenz derdominierenden Gräser gegenüber einer Rei-he konkurrenzschwacher Krautarten zu ver-mindern, nicht erreicht. Zwingt man eineHerde zur Beweidung von Flächen mit über-ständiger, zu hoher oder zu dicht gewachse-ner Vegetation, so kommt es unabhängigvon der Beweidungsform trotz eines Über-angebotes an Futter nur zu einem geringenVerbiss. Bestenfalls werden die Beständeniedergetreten, die Tiere „verhungern"förmlich auf der Weide (Abb. 2).In Tabelle 1 sind die Weidepläne für die vor-rangigen Biotop- bzw. Vegetationstypen so-wie die Nutzungs- und Pflegezustände vonWeideflächen dargestellt. Diese geben einenRahmen vor, sind jedoch nicht statisch zu se-hen. Vegetationsentwicklung, Klima, Nie-derschläge, Aufwuchs und Weideverhaltensind veränderliche Größen, die eine Dyna-mik sowohl im Jahresverlauf als auch im Ver-lauf mehrerer Jahre entwickeln. Darauf sol-len Schäfer und Betreuer flexibel reagierenkönnen. Bestimmte Kenngrößen sind festgelegt, las-sen aber immer noch einen gewissen Spiel-raum zu. So kann beispielsweise für den 1.Weidegang ein Zeitraum mit Anfang und En-de konkret festgelegt werden. Dadurch wirderreicht, dass der Schäfer diesen unter 5.3 be-gründeten Beweidungszeitraum einhält undihn nicht spontan nach hinten verschiebenkann. Ein ebenso großes Augenmerk mussauf die strikte Einhaltung der Mindestweide-pausen gelegt werden, weil davon die Rege-

neration der Trockenrasenvegetation sowiedie Entwicklung des Blühaspektes abhängt.Letzteres ist insbesondere für die Insektenfau-na bedeutsam (vergleiche Abschn. 8).

6 Vorteile der kurzzeitigenUmtriebsweide mit hoherBesatzdichte gegenüberder freien Hutung

6.1 Längere Fresszeiten Tag und Nacht,naturschutzfachlich optimales Wei-deverhalten

Schafe weiden in den dunklen, spätenAbend- und frühen Nachtstunden sowie be-reits im Morgengrauen. Dieses Verhalten istbei andauernder Trockenheit und extremheißen Sommertemperaturen äußerst vor-teilhaft, da die Tiere erfahrungsgemäß dannam Tage kaum fressen.

6.2 Stärkerer Beweidungsdruck und ho-her Abweidungsgrad

Die Schafe werden durch die Einzäununggezwungen, auch wenig schmackhafte undsonst verschmähte Pflanzen zu verbeißen.Selektive Unterbeweidung von Ruderalartenund Weide-Problempflanzen wird weitge-hend unterbunden. Die Grundforderung nach KLAPP (1956) für ei-ne erfolgreiche Weidenutzung aus landwirt-schaftlicher Sicht lautet: kürzeste Verbisszeitund lange Ruhezeiten. Diese Aussage decktsich erfreulicherweise mit den naturschutz-fachlichen Anforderungen bezüglich der Re-generation der Biozönose eines Weidebiotops(vgl. Abschnitt 8, WEDL in Vorb. a).Für bestimmte Zielarten (z. B. Leguminosen,wie Oxytropis pilosa, Rote Liste Branden-burg – 2) ist dieser Beweidungsrhythmus be-sonders vorteilhaft. Sie würden unter mehr-

maligen Hutungsweidegängen in kürzerenAbständen ständig bevorzugt und selektivverbissen und vermutlich nur ausnahms-weise zum Blühen und Fruchten kommen(vgl. auch WILMANNS 1993, S. 291).

7 Problem Kot und Harn –eine Gefahr?

Zahlreiche Autoren geben Hinweise zur Ge-fahr der Eutrophierung und wie das Abkotenauf den Weideflächen verhindert bzw. ein-geschränkt werden kann in LUTZ (1990),ZIMMERMANN & WOIKE (1982), Standard-Maßnahmekatalog PEP TEIL III (1996).Fakt ist jedoch, ohne Zufütterung (z. B. mitKraftfutter) während der Weidegänge ist dieNährstoffbilanz auf der Weidefläche (mitAusnahme der eindeutigen und langfristigenPferchung) aber tendenziell negativ (KLAPP

1956).Zur Bewertung des Nährstoffzustandes derBöden unter der gegebenen Beweidung,können eine Vielzahl botanischer Zeigerar-ten herangezogen werden, die nach den Er-mittlungen von ELLENBERG et al. (1991) stick-stoffarme bis stickstoffärmste Böden charak-terisieren. Briza media (Gewöhnliches Zitter-gras) z. B. breitet sich auf den kontinentalenHalbtrockenrasen unter kurzzeitiger Um-triebsweide stark aus. Da besonders B. me-dia als Hagerkeitszeiger gilt, darf man mitdieser Kennart stellvertretend für andere dieBöden als stickstoffarm bezeichnen.

8 Naturschutzfachliche Ziel-konflikte

Beweidungskritiker vertreten oftmals die An-sicht, dass durch die hier praktizierte Art derBeweidung Pflanzen dezimiert und ausge-rottet würden, weil die Pflanzen abgefressen

Tabelle 1: Konkrete Beweidungspläne/Weidegänge/Weidepausen/Biotoptyp/Nutzungs-/Pflegezustand

Kontinentale Halbtrockenrasen, Brache und Sukzession auf Mergel- oder Lehmboden , Biotopkomplexe mit eingeschlossenen kontinentalen Volltrockenrasen 1 Weidegang im Frühjahr Beweidungszeitraum: April bis Mitte (Ende) Mai, kurzzeitige Umtriebsweide;1 Weidegang im Frühsommer Beweidungszeitraum Juni bis Mitte Juli in der Beweidungsform einer kurzzeitigen Umtriebsweide oder freie Hutung; kurzzeitiger 3. Weidegang nach Absprachen auf Flächen mit Pflegerückständen möglichWeidepausen zwischen den Weidegängen, jeweils (4) 6 bis 8 Wochen

Sandtrockenrasen, aufgelassenes Grasland und Pionierfluren auf Sandböden 1 Weidegang im Frühjahr Beweidungszeitraum: Anfang April bis Mitte Mai, freie Hutung;1 Weidegang als kurzzeitige Umtriebsweide, Beweidungszeitraum: Juni/Juli; Weidepausen zwischen den Weidegängen, jeweils (4) 6 bis 8 WochenDie Durchführung eines weiteren Weideganges in freier Hutung wird nach Begutachtung der Ergebnisse des 1. und 2. Weideganges festgelegt.

Intensivbeweidung bezieht sich vorwiegend auf nährstoffreiche Böden mit nitrophiler Vegetation oder hoher Gräserdominanz in nährstoffreichen Kehlen und Senken; darüber hinaus sindauch alle noch stark verbuschten sowie die bereits freigestellten Flächen mit starkem Gehölzaufkommen eingeschlossen; mindestens 3 Weidegänge als kurzzeitige Umtriebsweide (April/Mai) (Juni/Juli) (August/September).

Erhaltungsbeweidung auf Teilflächen Die Beweidungsempfehlung bezieht sich vorwiegend auf kennartenreiche, kontinentale Halbtrocken- und Volltrockenrasen, die in ihrer Ausprägung bereits dem natur-schutzfachlichen Entwicklungsziel entsprechen. 1 Weidegang im Frühjahr in freier Hutung oder kurzzeitiger Umtriebsweide (gegebenenfalls jahresweises Aussetzen der Beweidung); die Teilflächen müssen vor jedemWeidegang im Gelände markiert und dem Schäfer vor Ort gezeigt werden.

Sonderbeweidungsplan zur Stabilisierung kleiner Populationen von Orchideen (insbesondere Orchis tridentata)keine Beweidung Anf./Mitte April bis Ende Mai, d. h. bis zur Vollblüte bzw. bis zum Abblühen;verzögerter 1. Weidegang in kurzzeitiger Umtriebsweide mit hoher Besatzdichte zum Zeitpunkt des Abblühens der Pflanzen Anfang Juni (1.6. bis 15.6.). Die Flächenwerden dem Schäfer vor Ort gezeigt und an den Eckpunkten in geeigneter Weise markiert; alle 3 Jahre verzögerter 1. Weidegang nach Samenreife Ende Juni, 1 Sommerweidegang im Juli/August in kurzzeitiger Umtriebsweide

NORBERT WEDL, EBERHARD MEYER: BEWEIDUNG MIT SCHAFEN UND ZIEGEN IM NSG ODERHÄNGE MALLNOW 141

Tabelle 2: Sicherung, Stabilisierung und Ausweitung ausgesuchter hochschützenswerter und hochgefährdeter Rote Liste Arten durch das neu installierte Bewei-dungssystem des „Beweidungsplanes 2000“ im NSG „Oderhänge Mallnow“ und bei Dolgelin (LSG „Oderhänge Seelow-Lebus“) (WEDL 2002, 2003)

90er Jahre bis 1999 2001 2002/2003Adonis vernalis in unterschiedlicher Verteilung und Häufig- Es treten vermehrt Jungpflanzen auf, Vege- Bestände bestocken sich stärker, auf Teilflä-Frühlings-Adonisröschen keit, wegen Dominanz von Brachegräsern tationsbestand wird lückiger, Brachegräser chen Ausweitung zu beobachtenBbg RL R, BRD RL 3 und Altgrasfilzen kaum Jungpflanzen werden kontinuierlich dezimiertAntennaria dioica Teilfundorte, jeweils nur etwa 2 m2 Fläche! Vorkommen erhalten, keine schwache vegetative Ausbreitung der Popu-Gewöhnliches Nach hist. Literatur früher weiter verbreitet Ausweitung oder Dezimierung lation, spärlich blühend! 2003: NeufundeKatzenpfötchen und zerstreut vorkommend einzelner Pflanzen, 10-20 m entferntBbg. RL 2, BRD RL 3 vom ZentrumAlle existenten Vorkommen (VK) der Art besitzen für Bbg. mittlerweile sehr große Bedeutung, da in den letzten Jahrzehnten in Bbg. katastrophale BestandseinbrücheHelictotrichon pratense nach hist. Literaturangaben an den Erhalt und leichte Stabilisierung Erhalt und leichte Stabilisierung(Avenula pratensis) Oderhängen zerstreut bis häufig, der Bestände der BeständeEchter Wiesenhafer in den 90er Jahren noch mehrere,Bbg. RL 2 meist kleine und subvitale VKCampanula bononiensis nur 1 bekanntes VK mit wesentliche Stabilisierung des Be- Populationsvergrößerung und AusweitungBologneser Glockenblume wenigen subvitalen Pflanzen standes mit 100-200 vitalen Pflanzen des Areals, 800-1000 PflanzenBbg. RL 2, BRD RL 2Campanula sibirica nach hist. Literaturangaben an den massive Ausbreitung; mittlerweile weitere Zunahme v.a. auf Ackerbrachen,Sibirische Glockenblume Oderhängen allgemein verbreitet fast im gesamten Gebiet +/- früherer Hutungen, die als Entwicklungsflä-Bbg. RL 2, BRD RL 3 und in den 90er Jahren noch reichlich vorhanden chen in die Beweidung einbezogenen

mehrere, z.T. auch reiche Bestände wurden, dort z.T. aspektbildendFilago vulgaris Neufund am 3.7. 2001, Kehle Bestand ausgeweitet auf FlächeDeutsches Filzkraut mit Saatgrasland, südl. Grenzberg und an Individuenzahl, Juni 2002Bbg nicht bewertet, mit 100 bis 150 Expl. über 300 Expl.BRD RL 2Nonea pulla ein bekannter historischer Fundort existiert Bestand bei Dolgelin +/- konstant Bestand bei Dolgelin konstant, bei Libbeni-Braunes Mönchskraut seit 150 Jahren bei Dolgelin, der Bestand bei 30-40 Pflanzen Bestand bei chen offenbar jetzt Stabilisierung des Be-Bbg. RL 1 bei Libbenichen ist nur unstet Libbenichen 10 Expl. standes mit ca. 40 Pflanzen; 2003: Bestand

ca. 200 blühende PflanzenDie VK besitzen für Bbg. und das norddeutsche Tiefland besondere Bedeutung.Orchis militaris nur allgemeine Aussagen zum ohne Kontrolle! ~ 30 kleine Grundrosetten; Sonderbeweidungs-Helm-Knabenkraut früheren Vorkommen, 1 konkrete Fundstelle plan (Tab. 1), 2002 an weiterer Stelle ein Expl.Bbg. RL 2, BRD RL 3 2003 an gleicher Stelle 7 blühende PflanzenOrchis tridentata hist. Literaturangaben fehlen; seit Anfang randliche Neuansiedlungen; ca. 100 weitere Bestandszunahme, randliche Aus-Dreizähniges Knabenkraut der 90er Jahre ein VK mit geringer Indivi- blühende Pfl.; Sonderbeweidungsplan breitung, ca. 250 blühende Pflanzen, 2003:Bbg. RL 1, BRD RL 3 duenzahl, 1999 37 blühende Pflanzen (Tab. 1) Bestand ca. 100 blühender PflanzenNeben einem VK in NO-Bbg. mittlerweile der bedeutendste Bestand in Bbg. und im gesamten norddeutschen Tiefland.Orobanche caryophyllacea Gesamtbestand blühender Pfl./Jahr ca. 1000 bis 1500 blüh. Pfl. (2001 war ca. 800-1000 blühende Pfl, offenbar erhöh-Gewöhnliche Sommerwurz bis max. ca. 300 - 400 Expl. generell ein sehr gutes „Orobanche-Jahr“ tes quantitatives Niveau der jährlich zur Blü-Bbg. RL 2, BRD RL 3 in Brandenburg) te gelangenden Pflanzen; neue zusätzliche

FundorteOrobanche lutea ein regelmäßig besetztes, hist. bekanntes das hist. bekannte VK bei Dolgelin gleich- ein neuer Fundort auf beweidetem Trocken-Gelbe Sommerwurz VK mit 20-30 blühenden Pfl./Jahr bei Dol- bleibend besetzt, aber Wuchsort zuneh- rasen im Juni 2002, 10 PflanzenBbg. RL 1, BRD RL 3 gelin, auf Lichtung am Waldrand (Keine mend verbuschend/verschattet daher

Beweidung - Waldgesetz), unsichere Population gefährdetAngaben in der Literatur

Oxytropis pilosa Gesamtbestand blühender Pflanzen unter Neue Fundorte im NSG; Vergrößerung der Gesamtbestand mind. 800-1000 Expl.Zottige Fahnenwicke 100; keine Jungpflanzen auffindbar Populationen, Flecken mit bis zu 20 Pfl. auf Steppen-Spitzkiel 1-2 m2, Auftauchen vieler Jungpflanzen; Bbg. RL 2, BRD RL 2 Gesamtbestand blühende Pfl. mind. 500 Stk.Polygala comosa zerstreut im gesamten Gebiet, Einzelpopula- deutliche Stabilisierung und Ausbreitung weitere Zunahme, stellenweise große Popu-Schopf-Kreuzblume tionen oft nur klein der Bestände lationen aufbauend; über das gesamteSchopfiges Kreuzblümchen Gebiet verbreitet;Bbg. RL 2 Prunella grandiflora noch mehrere Einzelpopulationen, oft nur leichte Stabilisierung der Bestände deutliche Zunahme, stellenweise auchGroßblütige Braunelle kleine bis mittlere Individuenzahlen; kaum wieder vermehrt JungpflanzenBbg. RL 2 JungpflanzenPulsatilla pratensis nach hist. Literatur früher auf den Oder- Neufund 2001 bei Dolgelin, 3 blühende Förderung des Bestandes durchWiesen-Kuhschelle hängen; seitdem extremer Rückgang! Pflanzen systematische Beweidung undBbg. RL 2, BRD RL 2 kein Nachweis seit 1945 abgestimmten BeweidungsplanungScorzonera purpurea wenige isolierte Fundorte; Gesamtbestand Neue Fundorte im NSG; Vergrößerung der Weitere Verbreitung stellenweise eigenenViolette Schwarzwurzel blühender Pfl./Jahr ca. 100 - 200 Expl. Populationen; ca. 800 - 1000 blühende Pfl. Blühaspekt bildend; mehrere tausend Expl.Bbg. RL 1, BRD RL 2 Silene chlorantha unkonkrete historische Angaben durch Neufund 2001 im Gebiet Sichelsgrund, Bestand konstant, in Kiefernsukzession istGrünblütiges Leimkraut KONCZAK (80er Jahre) keine aktuellen 10 blühende Pflanzen am Rand von Beweidung nicht gestattet (Waldgesetz), nurBbg. RL 2 Kenntnisse, Keine Fundorte oder Bestäti- Kiefernsukzession 1/3 des Bestandes wird beweidet

gungen durch Botaniker bekanntDa die Art im NSG „Priesterschlucht“ vermutlich verloren ist (einerseits durch Sukzession, andererseits durch unsachgemäße Pflege!) ist dieser Neufund das einzige verbliebene, bekannte VK an den Seelow-Lebuser Oderhängen. Für die Erhaltung der Art in Deutschland trägt Brandenburg die alleinige Verantwortung, da sie in an-deren Bundesländern nicht vorkommt oder erloschen ist!Scabiosa canescens zerstreut bis verbreitet, Einzelpopulationen deutliche Stabilisierung und Ausbreitung weitere ZunahmeGraue Skabiose oft nur klein der BeständeBbg. RL 2, BRD RL 3 Stipa capillata in unterschiedlicher Verteilung und Häufig- Einzelpflanzenrelikte wachsen sich zu kleinen Deutliche Regenerierung von flächigenHaar-Pfriemengras keit; meist Degradationstadien des Stipetum Gruppen aus; Horste werden kräftiger und Beständen auf basenreichen, kalkhaltigenHaar-Federgras capillatae, flächige Bestände nur kleinräumig blühfähig neue Jungpflanzen treten auf Sandböden;Bbg. RL 2, BRD RL 3 und zerstreut; häufiger schwachwüchsige

und nichtblühende PflanzenThesium linophyllon zerstreut im gesamten Gebiet, Einzel- deutliche Stabilisierung und Ausbreitung weitere starke Zunahme, jetzt stellenweiseMittleres Vermeinkraut populationen oft nur klein der Bestände bereits sehr große Populationen aufbauendMittleres LeinblattBbg. RL 3, BRD RL 3

(Mein Dank gilt Herrn Stefan Rätzel für die kritische Durchsicht der Angaben in der Tabelle, für die Bereitstellung eigenen Datenmaterials und die Vervollkommnungmeiner Daten. Besonderer Dank für den Beitrag über die Situation der Kryptogamen im Gebiet)

142 NATURSCHUTZ UND LANDSCHAFTSPFLEGE IN BRANDENBURG 12 (4) 2003

und zertreten werden und keine Vermeh-rung über Samen erfolgen kann.Typisch ist auch die Kritik von einzelnenEntomologen bzw. Spezialisten für be-stimmte Artengruppen, Schäfer und Planerwürden durch eine „zu intensive" Bewei-dung, durch Festlegung falscher Bewei-dungstermine den für die Entomofaunawertvollen Blütenflor zerstören und somitden Lebensraum einzelner Arten unwieder-bringlich ruinieren. Dass dieser Vorwurf inseiner Totalität nicht berechtigt ist, belegtWALTHER (1995) für Tagfalter und andereArtengruppen am Beispiel der Kalkmager-rasen der Schwäbischen Alb. MICHELS & WOIKE (1994) teilen die Erfahrun-gen mit, dass bei Beweidung in etwa sechs-bis achtwöchigem Rhythmus die charakteris-tische Insektenwelt der Kalkmagerrasen er-halten bleibt. Nach Untersuchungen vonBORNHOLT (1992), zitiert ebenda, sollen sichbei Schmetterlingen, Wanzen, Zikaden undKäfern die Arten- und Individuenzahlen je-weils nach zwei bis drei Wochen regenerie-ren. Erst bei einer Beweidungsintensität vonein bis zwei Weidegängen pro Wochekommt es dagegen zu einer starken Verar-mung der Arten- und Individuenzahlen die-ser Insektengruppen.Bei Einhaltung der Rahmenbedingungen ei-ner historischen Landnutzung und einer amZielbiotop ausgerichteten Beweidung wer-den Blütenreichtum und Artenvielfalt in ei-nem viel höheren Maße hervorgebracht, alses sich die Kritiker hätten vorstellen können(vgl. Tab. 1, 2).

Wesentlich für die langfristige Sicherung le-bensraumtypischer Tier- und Pflanzenartensind der Erhalt und die Wiederherstellungmöglichst großflächiger Landschaften undStrukturen sowie die Herstellung einer „mo-saikartigen" Nutzung mit ständig wechseln-den Einflüssen. Dabei ist die zielgerichteteFörderung bestimmter Arten oder Gesell-schaften strategischen, naturschutzfach-lichen Prioritäten unterzuordnen. Die Förde-rung hat sich an Charakterarten für den je-weiligen Standort und Lebensraum und anArten, für deren Erhaltung gleichzeitig eineüberregionale Verantwortung besteht, aus-zurichten.

9 Erfolge

In Ergänzung der Tab. 2 können folgendeErfolge hervorgehoben werden:Im Gebiet hat sich die Beweidungsform„kurzzeitige Umtriebsweide" mit hoher Be-satzdichte unter schwierigen Geländebedin-gungen selbst auf Brachebiotopen in derSchäferpraxis bewährt. Insbesondere mit frühzeitigen Beweidungs-terminen war es möglich, die erwünschtenErgebnisse zu erzielen, d. h. dominante Bra-chegräser und andere Brachearten zu dezi-mieren. Es konnten die zusammenhängen-den Gräserfilze größtenteils aufgelöst wer-den. Zwischen den fest und tief verwurzel-ten Trockenrasenpflanzen zeigt sich nun einelückige Struktur mit vegetationsfreien Bo-denstellen (s. a. Abb. 3).

Es können klare Aussagen zur Weideemp-findlichkeit, zum Weideverbiss, zur Regene-rationsfähigkeit und zur Populationsent-wicklung für fast alle Rote-Liste-Arten, derVegetation und einzelnen Pflanzengesell-schaften (Biotoptypen) getroffen werden(WEDL a, in Vorb.).Wie aus Tab. 2 deutlich wird brachte der Son-derbeweidungsplan für Orchideen eine enor-me Stabilisierung und Ausweitung der Popu-lation von Orchis tridentata (DreizähnigesKnabenkraut) mit sich (WEDL b, in Vorber.).Des Weiteren konnten sich bedeutendeNeufunde in ihrem Bestand stabilisieren. Da-zu gehören stark gefährdete und vom Aus-sterben bedrohte Arten wie Orobanche lu-tea (Gelbe Sommerwurz), Silene chlorantha(Grünblütiges Leimkraut) und Filago vulgaris(Deutsches Filzkraut). Einige Rote-Liste-Arten, wie z. B. Carex hu-milis (Erd-Segge); Briza media; Polygala co-mosa (Schopfiges Kreuzblümchen); Thesiumlinophyllon (Mittleres Vermeinkraut) undTrifolium montanum (Berg-Klee), haben sichso ausgeweitet, dass sie nun den Grundbe-stand der Vegetation bilden. Durch die Beweidung konnten hochgefähr-dete Arten, die gleichzeitig vegetationstypi-sche Kennarten sind, im Bestand so geför-dert werden, dass sie heute die individuen-reichsten und repräsentativsten Bestände für Brandenburg und für das nordostdeut-sche Tiefland darstellen. Das sind z. B. Adonisvernalis (Frühlings-Adonisröschen), Campa-nula bononiensis (Bologneser Glockenblu-me), Orobanche caryophyllacea (Gewöhnli-

Abb. 5

Schafherde in mobilen Elektroweidenetzen, Beweidungsform der kurzzeitigen Umtriebsweide mit hoher Besatzdichte; Entwicklungszustandnach 2 Jahren systematischer Beweidung (Juni 2001) Foto N. Wedl

NORBERT WEDL, EBERHARD MEYER: BEWEIDUNG MIT SCHAFEN UND ZIEGEN IM NSG ODERHÄNGE MALLNOW 143

che Sommerwurz), Oxytropis pilosa (ZottigeFahnenwicke), Polygala comosa (SchopfigesKreuzblümchen), Prunella grandiflora(Großblütige Braunelle), Scorzonera purpu-rea (Violette Schwarzwurzel), Scabiosa ca-nescens (Graue Skabiose), Thesium lino-phyllon (Mittleres Vermeinkraut) und Cam-panula sibirica.Besonders bemerkenswert ist die Sicherungder Bestände von europaweit und arealgeo-graphisch bedeutsamen Kryptogamen, ins-besondere der „Bunten Erdflechten-Gesell-schaft" mit extrem seltenen Erd-Flechtenund Moosen, z. B. Cladonia convoluta, Ful-gensia fulgens, Moelleropsis nebulosa , Fis-sidens incurvus. Auf die herausragende Rol-le des Gebietes „Oderhänge Mallnow", derLandschaft um Dolgelin und auf die primäreAbhängigkeit dieser Arten von geregelterBeweidung unter extensiven Rahmenbedin-gungen ist in jüngster Zeit in der Literaturverschiedentlich hingewiesen worden, so fürdie Flechten (z. B. in OTTE et al. 1999, RÄTZEL

et al. 2002), für die Moose (RÄTZEL et al.2001, KLAWITTER et al. 2002).Auf besonders positive Entwicklungen fürdie Entomofauna weisen Carabiden-Spezia-listen hin. Nur auf den umfassend beweide-ten Trockenrasen können die erwünschten,seltenen Laufkäfer (Rote-Liste-Arten) gefun-den werden WRASE (2002, mündl.).

10 Beweidungsstrategie fürFolgejahre

Perspektivische Aufgabe ist es, sämtliche imUmfeld des NSG und FFH-Gebietes vorhan-denen Trockenrasen, insbesondere FFH-Le-bensräume, die bislang aus verschiedenenGründen (z. B. eigentumsrechtlich) nicht be-weidet werden konnten, in die Beweidungeinzubeziehen.Die weitere Gestaltung der Beweidung imMallnower Gebiet sieht eine kontinuierlicheModifizierung des Beweidungssystems vor.Zunächst müssen größere zusammenhän-gende Flächen der angestrebten Zielvegeta-tion entsprechen. Erst dann ist es sinnvoll,sowohl im Hinblick auf die Sicherung derprioritären Zielvegetation als auch im Hin-blick auf die Stabilisierung der gebietstypi-schen Fauna die Pflegeintensität in Teilberei-chen zurückzunehmen und Flächen zeit-weise von einer Beweidung auszusparen.Das kann folgendermaßen geschehen:1. ein- oder sogar zweijähriger gesteuerter

Pflegeverzicht2. Einrichtung von Regenerations-, Ruhe-

oder Rückzugsflächen mit variabler Zeit-dauer (insbesondere auf Flächen mit ge-ringer Biomasseproduktion auf nichtstrukturstabilen Böden mit Flechten-Sandtrockenrasen oder in steiler Hangla-ge mit Pfriemengras-Gesellschaft)

3. stärkerer Einsatz der Beweidung in freierHutung auf Weideflächen mit Optimal-ausbildungen der Zielvegetation.

In diesem Zusammenhang muss jedoch aus-drücklich darauf hingewiesen werden, dassderartige Vorstellungen nur dann realisierbar

sind, wenn sie durch den Bewirtschafter indie Praxis umgesetzt werden können unddabei die Ökonomie nicht erheblich beein-trächtigt wird. Das bedeutet aber auch, dasskünftig Geldmittel in ausreichendem Maßeund über einen längeren Zeitraum zur Verfü-gung gestellt werden. Dabei ist es unverzichtbar, dass der gesamteProzess der Trockenrasenregeneration durchwissenschaftliche Analysen in Bezug auf dieVeränderung und Entwicklung der Vegeta-tion und spezielle Artengruppen begleitetund dokumentiert wird. Es wäre geradezu dramatisch, wenn die hierdargestellte Regeneration der kontinentalenVoll- und Halbtrockenrasen bzw. der FFH-Lebensräume unter dem Druck finanziellerEngpässe wieder verloren ginge.

Dank

Die Autoren danken der Redaktion, insbe-sondere Herrn Dr. Th. Schoknecht, für dieUnterstützung.

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Anschriften der Verfasser:Norbert WedlBergstraße 4315374 Müncheberg

Eberhard MeyerLandesumweltamt BrandenburgMüllroser Chaussee 5015236 Frankfurt/Oder

144 NATURSCHUTZ UND LANDSCHAFTSPFLEGE IN BRANDENBURG 12 (4) 2003; 144–149

kann (TESCH 2001, 229). Die hohe Arbeitsaus-lastung der Naturschutz- und der Genehmi-gungsbehörden erfordert es dabei, dass sol-che Kontrollen effizient, zielgerichtet sowiedem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit fol-gend eingesetzt werden sollten. Dazu sind ab-gesicherte Hinweise notwendig, unter wel-chen Voraussetzungen Nachkontrollen vor-rangig durchzuführen sind. Schließlich hat dieDiskussion um Nachkontrollen in der Ein-griffsregelung mit dem zum April 2002 novel-lierten Bundesnaturschutzgesetz (BNatSchG)an Aktualität gewonnen: § 18 Abs. 4 BNatSchGverpflichtet die Länder, weitere Vorschriftenzur Sicherung der Durchführung von Vermei-dungs-, Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmenzu treffen. Dies kann neben Kompensations-flächenkatastern, Maßnahmen zur dinglichenSicherung oder dem Einfordern von Sicher-heitsleistungen, auch mittels entsprechenderNachkontrollen, erfolgen.Im Auftrag des brandenburgischen Ministe-riums für Landwirtschaft, Umweltschutz undRaumordnung (MLUR) wurden daher in denJahren 1999 bis 2002 (RUDOLF et al. 2002,2001, 2000a, b, 1999) insgesamt 391 Aus-gleichs- und Ersatzmaßnahmen vor Ort kon-trolliert. Das Spektrum umfasste u. a. Stra-ßenbau, Bahn, Wasserstraße, Bodenabbauund Versorgungsleitungsbau, weiterhin ge-zielt auch kleinere Vorhaben (z. B. Radwege-bau und landwirtschaftlicher Wegebau) so-wie Eingriffe, die nach § 17 Abs. 3 Branden-burgisches Naturschutzgesetz (BbgNatSchG)durch die Untere Naturschutzbehörde alsGenehmigungsbehörde zugelassen werden.Als Grundlage für die Erhebungen dientendie landschaftspflegerischen Begleitpläne(LBP), soweit vorhanden, auch die Land-schaftspflegerischen Ausführungsplanungen(LAP) sowie Bauabnahme-Protokolle.Im Vordergrund der Untersuchungen stan-den die Fragen– ob die betreffenden Ausgleichs- und Er-

satzmaßnahmen ordnungsgemäß, u. a.entsprechend der in den Genehmi-gungsunterlagen festgesetzten sowie inden Ausführungsplanungen enthaltenenVorgaben ausgeführt wurden („Herstel-lungskontrolle“; Beispiel: Anlage einesFeldgehölzes im vorgesehenen Flächen-umfang und mit den entsprechendenPflanzgrößen) und

– inwieweit dabei Pflegeerfordernisse (z. B.Wässerung und Freischneiden von Gehöl-

zen) und Nutzungsauflagen (z. B. extensi-ve Grünlandnutzung) sachgerecht umge-setzt wurden („Umsetzungskontrolle“).

Zusammen entspricht dies den von der Län-derarbeitsgemeinschaft für Naturschutz,Landschaftspflege und Erholung (LANA

2002, 27) so bezeichneten Durchführungs-kontrollen. Sie stellen einen Teil von Nach-kontrollen in der Eingriffsregelung dar, diesich als zusammenfassender Oberbegriff aufdie Überprüfung und Bewertung von Maß-nahmen sowohl auf verfahrenstechnischerEbene als auch hinsichtlich ihrer Umsetzung,naturschutzfachlichen Wirksamkeit und Ziel-erreichung beziehen (JESSEL 2002, 229).Weitergehende Funktionskontrollen, die dieeingetretene Funktionserfüllung von Maß-nahmen beleuchten (vgl. etwa LANA 2002,27) und damit erst Aufschluss über ihren Er-folg geben, waren nicht Gegenstand der Be-trachtungen. Ihrer Durchführung steht einbislang i. d. R. relativ kurzer Realisierungs-zeitraum der meisten Ausgleichs- und Er-satzmaßnahmen entgegen, deren Ausfüh-rung in den neuen Bundesländern nur seltenlänger als 5 Jahre zurückliegt.

2 Vorgehensweise

Für die Geländeaufnahmen wurde ein Prüf-bogen entwickelt, der sich wie folgt gliedert:(1) Allgemeine Daten zum Vorhaben und

zur betreffenden Ausgleichs- und Ersatz-maßnahme (u. a. zu Verfahrensart, Vor-habensträger und Zulassungsbehörde,Ausgangs- und Zielzustand der Maß-nahme lt. LBP, ihre Verortung wie etwadie Flurstücks-Nr. sowie die verwendetePrüfgrundlage, u. a. der LBP oder LAP)sowie das Datum der Kontrolle im Ge-lände. Über die Maßnahmenbezeich-nung wird hier auch der Bezug zum Ein-griffs- und Kompensationsflächenkatas-ter (EKIS) hergestellt.

(2) Daten für die Vor-Ort-Kontrolle: Hier er-folgt eine Gegenüberstellung der Ziel-vorgaben aus den Genehmigungsunter-lagen mit den Prüfergebnissen, u. a. denAngaben aus der Vor-Ort-Kontrolle. Sieist untergliedert nach „allgemeinen An-gaben“(z. B. Lage, Flächenausdehnung,Zeitpunkt der Durchführung einer Aus-gleichs- und Ersatzmaßnahme), Erstel-lungsmaßnahmen (zur Umsetzung not-

Zusammenfassung

Im Auftrag des brandenburgischen Ministe-riums für Landwirtschaft, Umweltschutz undRaumordnung wurden in den Jahren 1999bis 2002 stichprobenhafte Nachkontrollenvon Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen aus-gewählter Vorhaben vorgenommen. Unter-sucht wurden im Rahmen einer sog.„Durchführungskontrolle“ die Vollständig-keit und Qualität der Herstellung der betref-fenden Maßnahmen sowie die Qualität ihrerPflege. Mittlerweile sind zusammen 391 Flä-chen erfasst, die zwar nicht statistisch abge-sichert, aber doch in der Tendenz Aussagenzur Praxis der Eingriffsregelung in Branden-burg ermöglichen. Aus den Ergebnissen wird insbesondere deut-lich, dass Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmenzwar oft qualitativ hochwertig realisiert wer-den, ihre Pflege in vielen Fällen jedoch nur alsmittlere Qualität oder als unzureichend einzu-stufen ist. Daran anknüpfend werden Folge-rungen für die Praxis der Eingriffsregelungdiskutiert; sie betreffen die Qualität der Plan-unterlagen, Anforderungen an die Erstellungder landschaftspflegerischen Ausführungspla-nung sowie die Prioritätensetzung bei derDurchführung von Kontrollen.

1 Ausgangspunkt undZielsetzungen

Auch nach nunmehr langjähriger Praxis dernaturschutzrechtlichen Eingriffsregelung gibtes nur wenige systematische Untersuchun-gen, die Erfolge der dabei durchgeführtenAusgleichs- und Ersatzmaßnahmen, aberauch typische bei ihrer Umsetzung auftreten-de Defizite nachvollziehbar belegen. Dabeibieten gut dokumentierte und öffentlichkeits-wirksam dargestellte Beispiele die Chance, dieAkzeptanz der Maßnahmen bei Entschei-dungsträgern zu erhöhen sowie bei den fürdie Durchführung der Eingriffsregelung ver-antwortlichen Genehmigungsbehörden dasBewusstsein für die mit ihnen verbundenenMöglichkeiten zu schärfen. Von zumindeststichprobenartig angelegten Nachkontrollenkann zudem insofern eine wichtige Präventiv-wirkung ausgehen als die Kenntnis übernachfolgende Kontrollen sich auf die Sorgfaltder Planung und Ausführung auswirken undhier zur Vermeidung von Defiziten beitragen

SEIT VIER JAHREN WIRD DIE UMSETZUNG VON AUSGLEICHS- UND ERSATZMAßNAHMEN IN BRANDENBURG

STICHPROBENHAFT UNTERSUCHT. SOLCHE NACHKONTROLLEN KÖNNEN EIN WICHTIGES MITTEL ZUR

QUALITÄTSSICHERUNG SEIN UND LIEFERN ZUDEM WERTVOLLE INFORMATIONEN FÜR DEN WEITEREN VOLLZUG.

BEATE JESSEL, RALF RUDOLF, UWE FEICKERT, UTE WELLHÖFER

Nachkontrollen in der Eingriffsregelung – Erfahrungen aus 4 Jahren Kontrollpraxis in BrandenburgSchlagwörter: Nachkontrolle, Eingriffsregelung, Landschaftspflegerischer Begleitplan

BEATE JESSEL, RALF RUDOLF, UWE FEICKERT, UTE WELLHÖFER: NACHKONTROLLEN IN DER EINGRIFFSREGELUNG 145

wendige landschaftsbauliche Maßnah-men, Pflanzmaßnahmen und sonstigeMaßnahmen) und Pflegemaßnahmen(Anwuchs- und Dauerpflege).

(3) Im dritten Teil wird eine ordinale (quali-tative) Einschätzung des Prüfergebnissesvorgenommen. Sie bezieht sich zu-sammenfassend auf drei Kategorien: DieVollständigkeit der Herstellung (u. a. obdie Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmevollständig umgesetzt wurde), die Qua-lität der Herstellung (u. a. ob die Umset-zung dabei sachgerecht erfolgte) sowiedie Vollständigkeit und Qualität der Pfle-ge (u. a. in welchem Umfang die vorge-sehenen Pflegemaßnahmen durchge-führt und ihrerseits sachgerecht umge-setzt wurden).

Die Grundstruktur des betreffenden Muster-Prüfbogens wird mittlerweile auch in denvom MLUR herausgegebenen „VorläufigenHinweisen zum Vollzug der Eingriffsrege-lung“ (HVE, vgl. dort Anhang 8) zur An-wendung empfohlen (MLUR 2003).Mit der Auswahl der jeweils zu kontrollieren-den Flächen wird keine Repräsentativität an-gestrebt. Wesentliches Anliegen ist vielmehr,aus dem erfassten Repertoire aussagekräftigeBeispiele und Diskussionspunkte auszuwäh-len, die dann auf sogenannten „Landschafts-schauen“ gemeinsam mit den Beteiligten(insbes. Naturschutz- und Genehmigungsbe-hörden, Vorhabenträger, beteiligte Planer)möglichst vor Ort erörtert werden. Die Zielset-zung dieser Landschaftsschauen besteht darin,– beispielhafte Positiv- und Negativaspek-

te realisierter Ausgleichs- und Ersatz-maßnahmen öffentlichkeitswirksam an-hand von Fallbeispielen darzustellen,

– daran geknüpfte Fragestellungen ge-meinsam mit den am Verfahren Beteilig-ten zu erörtern, um den wechselseitigenInformationsaustausch zu fördern undAbhilfe bei festgestellten Defiziten zuschaffen

– und so letztlich den ordnungsrechtlichenAnsatz der Eingriffsregelung um koope-rative Elemente zu ergänzen.

Die Resultate der Landschaftsschauen fließenmit in eine Handlungsanleitung ein, die Hin-weise zur Durchführung von Nachkontrollen,dabei erforderliche Prioritätensetzungen so-wie über Vorgehensweisen und Zuständig-keiten bei der Behebung von Mängeln gibtund die aufgrund der aktuellen Ergebnisselaufend fortgeschrieben wird. Diese Hand-lungsanleitung ist über das MLUR auch imInternet abrufbar (vgl. Angaben im Literatur-verzeichnis). Als Mitnahmeeffekt erfolgt zu-dem die Einspeisung der Daten der kontrol-lierten Maßnahmenflächen in das EKIS.

3 Dokumentation der Ergebnisse

Bei der Wertung und Einordnung der nach-folgend dargestellten Ergebnisse muss be-achtet werden, dass vorwiegend Maßnah-men ausgewählt wurden, die nach vorab er-folgter Auskunft der Unteren Naturschutz-

behörden als realisiert angesehen werdenkonnten. Entsprechend stehen in dem Über-blick nicht die absoluten Zahlen, sondern diesich abzeichnenden qualitativen Tendenzenim Vordergrund.

3.1 Vollständigkeit der Herstellung

Von den 391 kontrollierten Maßnahmen wa-ren 239 und damit 61 % vollständig umge-setzt, 56 (= 14 %) teilweise und 96 (= 25 %)nicht umgesetzt (vgl. Abb. 1, oben). Diesentspricht nicht den Anforderungen der Ein-griffsregelung, da man prinzipiell von einervollständigen Realisierung auszugehen hat.Zu Buche schlägt weiter, dass auch vollstän-dig umgesetzte Maßnahmen oft erst mit er-heblichem Zeitverzug realisiert worden wa-ren (z. B. Deichbaumaßnahmen an der Mitt-leren Elbe; Bahnausbaustrecke Berlin-Mag-deburg – hier waren von 5 Abschnitten, dieursprünglich in die Untersuchungen einbe-zogen werden sollten, 1999 erst bei einemAbschnitt die Ausgleichs- und Ersatzmaß-nahmen ausgeführt, obwohl der Planfest-stellungsbeschluss bereits im März 1995 er-gangen war und das Vorhaben daraufhinauch bereits realisiert wurde). Als teilweiseumgesetzt wurden Maßnahmen gewertet,– die in geringerem Flächenumfang bzw.

geringerer Stückzahl (bei Baumpflanzun-gen) ausgeführt wurden,

– oder bei denen nur Teilaspekte der ge-planten Maßnahme realisiert wurden (z.B. eine Nutzungsaufgabe erfolgte, je-doch keine Pflanzung).

Als mangelhaft umgesetzt wurden Maßnah-men gewertet, die grobe Abweichungenvon den Vorgaben aufwiesen (z. B. Pflan-zung einer Koniferen- statt einer Laubge-hölzhecke oder eine Pflanzung, die nur auf2/3 der vorgesehenen Fläche erfolgte).Abbildung 2 verdeutlicht die Herstellungs-quoten einzelner Maßnahmentypen. Ge-hölzpflanzungen stellen dabei die stärksteMaßnahmengruppe, die insoweit überpro-portional vertreten ist, als sie wegen ihrerleichten Erfassbarkeit in den Nachkontrollender ersten beiden Jahre (1999, 2000) vor-rangig berücksichtigt wurde.

3.2 Qualität der Herstellung

Von den 289 umgesetzten Ausgleichs- undErsatzmaßnahmen konnte 138 Maßnahmen(48 %) eine gute Qualität der Herstellung be-stätigt werden, 62 (= 21 %) eine mittlere und39 (= 13 %) eine unzureichende Qualität; derRest war nicht realisiert und musste somit oh-ne Wertung bleiben (vgl. Abb. 1, Mitte).Gängige Mängel in der Qualität der Herstel-lung waren:– zu geringe Flächengröße und Anzahl der

Pflanzen,– mangelnde Pflanzqualitäten,– unsachgemäße Pflanzung,– mangelhafte/unsachgemäße Ausfüh-

rung der Verankerungen,– mangelhafter Schutz vor Wildverbiss,– falsche Ausführung einer Maßnahme (z.

B. Sukzession statt Extensivierung).

Die Pflanzung von Arten oder Sorten, dienicht den Vorgaben der Planung entsprach,wurde i. d. R. nicht als Mangel gewertet, daPflanzungen in der Ausführung modifiziertwerden, wenn die Standortbedingungen an-dere Pflanzenzusammensetzungen erfor-dern. Dies gilt aber nur, wenn die gepflanzteArtenzusammensetzung als standortgerechtanzusehen war.

3.3 Qualität der Pflege

Gemessen an der Grundgesamtheit von 391Maßnahmen wiesen in der Pflege nur noch70 (= 18 %) eine gute Qualität auf, 47 (= 12%) eine mittlere und 65 (= knapp 17 %) eineschlechte (vgl. Abb. 1, unten). Der Rest derMaßnahmen (53 %) war nicht realisiertund/oder musste ohne Wertung bleiben, et-wa weil keine überprüfbaren Vorgaben ausden Planunterlagen abgeleitet werden konn-ten oder aber zwischen dem Zeitpunkt derPflanzmaßnahme und der Kontrolle zu wenigZeit vergangen war. Immer wieder erwies essich, dass Maßnahmen zwar qualitativ hoch-wertig realisiert wurden, die Qualität derPflege in vielen Fällen jedoch nur als mittel-mäßig (und damit mit einzelnen Mängelnbehaftet) oder als unzureichend einzustufenwar. Damit liegt von der Vollständigkeit derHerstellung über deren Qualität hin zur Qua-lität der Pflege eine beständige Abnahme derQuoten von guter Umsetzung bzw. Qualitätvor – ein Gesamtbild, das sich in dieser Formauch im Detail in jedem Erhebungsjahr inähnlicher Weise wiederholte. (vgl. Abb. 1).Grundsätzlich als unzureichend eingestuftwurde die Qualität der Pflege, wenn einePflanzmaßnahme fast vollständig abgängigwar, auch wenn ursächlich andere Faktorenden Ausfall begründeten, wie z. B. falschePflanzwahl aufgrund der Standortbedingun-gen (in einigen Fällen wurden deutlich er-kennbare Pflegemaßnahmen wie Wässernoder Mähen durchgeführt, die Pflanzungenwaren aber trotzdem abgestorben).In den Jahren 1999 und 2000 war auffallend,dass trotz guter und qualitativ hochwertigerHerstellung von Gehölzflächen deren Pflegeüberwiegend mangelhaft zu beurteilen war.Viele Pflanzmaßnahmen waren schon zweiJahre nach Herstellung vollständig abgängig.Ursachen waren schlechte Qualität desPflanzmaterials, die Nichtberücksichtigungvon Standortbedingungen, Schädlingsbefallund mangelnde oder fehlende Pflege oderWässerung. Auch mag das sehr trockeneFrühjahr des Jahres 2000 für den Anwuchs-erfolg eine wesentliche Rolle gespielt haben.Dieser sehr negative Trend für den Maßnah-mentyp „Gehölzpflanzungen“ konnte je-doch 2001 und 2002 nicht bestätigt werden.Dies wird auch daran liegen, dass hier über-wiegend kleinere Vorhaben, deren Ausfüh-rung und Abnahme im Zuständigkeitsbereichder Unteren Naturschutzbehörden liegen, er-fasst wurden und diese von ihr eher kontrol-liert werden als Großvorhaben mit einer gro-ßen Anzahl an Einzelmaßnahmen.Im Vergleich zu den Gehölzpflanzungen warbei den Forstflächen die Qualität der Pflege

146 NATURSCHUTZ UND LANDSCHAFTSPFLEGE IN BRANDENBURG 12 (4) 2003

4 Folgerungen für die Praxisder Eingriffsregelung

Um den Erfolg von Ausgleichs- und Ersatz-maßnahmen sicherzustellen, ist ein Zu-sammenwirken von Vorhabensträger, Natur-schutz- und Zulassungsbehörden erforder-lich. Grundsätzlich ist die Behörde, die fürdie Genehmigung des Eingriffs zuständig ist,auch für die Durchsetzung der im Genehmi-gungsbescheid festgesetzten Auflagen unddamit für die Vollzugsüberwachung sowieKontrollen verantwortlich. Dabei sollte siesich des Sachverstands der Naturschutzbe-hörden bedienen. Von der Planung bis zurUmsetzung von Maßnahmen gilt es über diePlanerstellung, die Herstellung und Pflegeund die Funktionserfüllung verschiedene Ur-sachenkomplexe zu beachten, die zu einerVerfehlung der mit Ausgleichs- und Ersatz-maßnahmen angestrebten Ziele führen kön-nen (vgl. Abb. 5). Einige der in Abbildung 5enthaltenen Aspekte werden im Folgendenangesprochen.

4.1 Qualität der Planunterlagen alsGrundlage für eine Nachkontrolle

Grundvoraussetzung für den späteren Erfolgder Maßnahmen wie auch für eine Kontrolleist eine hinreichende Qualität der Planunterla-gen. Bei der Aufbereitung derselben für denEintrag in die Kontrollbögen traten jedochhäufig die nachfolgend beschriebenen Defizi-te zutage; im Umkehrschluss werden aus ih-nen gleichzeitig Anforderungen für eineNachkontrolle hinsichtlich notwendiger Inhal-te und Qualität der Unterlagen ersichtlich.Die entsprechenden Angaben sind zugleichnotwendig, um der Darlegungspflicht nach § 18 Abs. 1 BbgNatSchG zu entsprechen.Mangelnde oder fehlende räumliche Veror-tung der Maßnahmen: Die räumliche Veror-tung der Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmenin den Planunterlagen war z.T. mangelhaft,so dass die zu kontrollierenden Flächen nichtgefunden werden konnten. In der Regel lie-gen zwar genaue Flurkarten mit den einge-zeichneten Flächen vor; es fehlten jedochdes Öfteren Übersichtskarten, um die be-treffenden Flurstücke im Gelände zu finden.Keine oder unzureichende Dokumentationdes Ausgangszustandes, etwa in Form einergenauen Biotoptypenkartierung der Aus-gangsbiotope; diese ist aber unabdingbar,um festzustellen, ob eine Maßnahme durch-geführt wurde. Häufig traf dies z. B. auf dieEntwicklung von Hochstaudenfluren, Exten-sivierung von Grünland, Umwandlung vonAcker in Grünland sowie Sukzession zu – ih-re Umsetzung ist aber nur dann kontrollier-bar, wenn hinreichend belegt ist, dass diebetreffenden Zielbiotope nicht schon vorherauf den jeweiligen Flächen bestanden. Auchkann nur so beurteilt werden, ob tatsächlicheine naturschutzfachliche „Aufwertung“ (z.B. von intensiv zu extensiv genutztem Grün-land) eingetreten ist. Vereinzelt wurden un-ter Nichtbeachtung der Ausgangsbedingun-gen auch fachlich fragwürdige bzw. sogarschädliche Maßnahmen geplant (vgl. hierzu

Abb. 1Ergebnisse der Nachkontrollen 1999 – 2002, untergliedert nach der Vollständigkeit der Herstellung der 391 er-fassten Maßnahmen, der Qualität ihrer Herstellung sowie der Qualität der Pflege.

Abb. 2

Nachkontrollen 1999 – 2002,

Auswertung nach Maßnah-

mentypen (n = 391)

Vollständigkeit

der Herstellung

aller Maßnahmen

(n = 391)

Qualität

der Herstellung

aller Maßnahmen

(n = 391)

Qualität

der Pflege

aller Maßnahmen

(n = 391)

insgesamt besser zu beurteilen. Eine Erklä-rung könnte darin liegen, dass Maßnahmenzur Waldentwicklung in der Regel in engerAbsprache mit dem zuständigen Forstamtdurchgeführt werden. Eine weitere Ursachekönnte sein, dass bei Forstflächen häufig nurein- bis zweijährige Sämlinge gepflanzt wer-

den, die sich besser an die ihnen vorgegebe-nen Standortbedingungen anpassen. Bei dem Maßnahmentyp „Extensivierungvon Grünland“ fiel auf, dass häufig nur dieNutzung der Flächen aufgegeben wurde,was entgegen der Vorgaben zu einer unge-lenkten Sukzession der Flächen führt.

BEATE JESSEL, RALF RUDOLF, UWE FEICKERT, UTE WELLHÖFER: NACHKONTROLLEN IN DER EINGRIFFSREGELUNG 147

Abb. 6, 7) bzw. wurden (Ausgleichs-)Zielefestgesetzt, die von vornherein aufgrund derAusgangsbedingungen nicht erreichbar wa-ren (z. B. die Etablierung von Trockenrasenauf einem Ackerstandort).Unkonkrete, ungenau formulierte Entwick-lungsziele: Von ihnen hängt es jedoch u.U.ab, wie ein- und derselbe Maßnahmentypumzusetzen ist. Insbesondere wurden schutz-gutbezogene (z. B. faunistische) Leitbildernicht oder nur unzureichend definiert, son-dern lediglich einfach zu realisierende Maß-nahmentypen (z. B. „Pflanzung eines Ge-hölzstreifens“) benannt. Hat die Anlage be-sagten Gehölzstreifens aber den Schutz desBodens vor Erosion zum Ziel, muss sie einekompakte Struktur aufweisen und damit u. U. anderen Anforderungen genügen, alswenn sie dem Ziel dienen soll, eine hohe Ar-tenvielfalt zu etablieren (hier steht der Struk-turreichtum im Vordergrund). Unzureichende Maßnahmenbeschreibun-gen: Zum Teil wurden zwar durchzuführen-de Maßnahmen benannt (Beispiel: „Pflan-zung von 100 Obstbäumen“), es gab jedochkeine näheren Hinweise auf die zu verfol-genden Ziele, zu verwendende Pflanzqua-litäten, Sicherungsmaßnahmen und durch-zuführende Pflegemaßnahmen sowie den

Zeitpunkt der Fertigstellung. Auch wenn diePlanunterlagen zur Gestaltung einer Maß-nahme lediglich die Angabe „erfolgt inmündlicher Absprache“ enthalten, ist keinesystematische Kontrolle mehr möglich. Zurbesseren Nachvollziehbarkeit der Antrags-unterlagen sollten die Details für jede Maß-nahme, u. a. insbesondere Art, Umfang,Zeitpunkt(e) der Durchführung einschließ-lich notwendiger Pflegemaßnahmen undKontrollgänge in einheitlich aufbereitetenMaßnahmenblättern dokumentiert sein (vgl.auch HVE, Anhang 2; MLUR 2003). Zusätz-lich sollten die Maßnahmen nach den Be-zeichnungen des EKIS benannt werden. Zubeachten ist jedoch zugleich, dass diesenicht ausreichen, um mit Blick auf die zukompensierenden Funktionen spätere Aus-sagen über das Erreichen von Maßnahmen-zielen zu erlauben und daher schutzgut-bzw. funktionsbezogen weiter auszudiffe-renzieren sind.

4.2 Anforderungen an die Erstellung derlandschaftspflegerischen Ausfüh-rungsplanung

Aufbauend auf dem Landschaftspflegeri-schen Begleitplan (LBP) als Bestandteil der

Projektgenehmigung und i. d. R. auchGrundlage für die Eingabe in das EKIS ent-hält der Landschaftspflegerische Ausfüh-rungsplan (LAP) die Konkretisierung derMaßnahmenplanung und stellt damit dieGrundlage für die Ausführung dar. Der LAPhat sich als Arbeitsinstrument bewährt.Allerdings erlangen nur die Inhalte des Land-schaftspflegerischen Begleitplans entwederals Bestandteil des Fachplans oder durchÜbernahme in den Planfeststellungsbe-schluss Rechtskraft und werden damit Be-standteile der Genehmigungstatbestände.Soweit verfügbar wurden auch die LAPs alsGrundlagen für die Kontrollen herangezo-gen. Dabei stellte sich heraus:– Abweichungen der LAPs vom im LBP

gesteckten Rahmen sind häufig. SolcheAbweichungen betreffen Maßnahmen-ziele, Umfang bzw. Zuschnitt der Aus-gleichs- und Ersatzmaßnahmen; weiter-hin wurden z. T. erhebliche Modifikatio-nen in der Zahl der im LAP vorgesehe-nen Pflegegänge oder den Größen deszu verwendenden Pflanzmaterials vorge-nommen. Über den Querschnitt der be-trachteten Kompensationsmaßnahmenhinweg ist dabei eine Minderung vonMaßnahmenumfängen (z. B. größerePflanzabstände, kleinere Pflanzgrößen),Flächengrößen sowie der Anzahl vonPflegegängen festzustellen.

– Bedingt durch Schwierigkeiten beimGrundstückserwerb änderte sich im Zu-ge der Ausführung des Öfteren dieräumliche Lage von Maßnahmenflä-chen. Unter Umständen können Maß-nahmen dadurch die ihnen ursprünglichzugedachten Funktionen (z. B. Verbund-funktion, spezielle Funktion für das

Abb. 3, 4

Beispiele für Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen. Links: Mangelhaft ausgeführte und z.T. abgestorbene Gehölz-

pflanzungen an der Bahnausbaustrecke Helmstedt-Magdeburg-Berlin. Rechts: Anlage von Kleingewässern im

Zuge der Elbdeichsanierung. An solchen Gewässern setzt oft eine rasche Spontanentwicklung ein.

Abb. 5Ursachenkomplexe für dieVerfehlung der mit Aus-gleichs- und Ersatzmaßnah-men angestrebten Ziele undresultierende Systematik er-forderlicher Kontrollen.

Abb. 6, 7Mangelnde Beachtung der Ausgangsbedingungenführt zu fragwürdigen bzw. sogar schädlichen Maß-nahmen: Oben – Heckenpflanzung auf einer Fläche,die sich als Ablagerungsstandort erwies; von der He-cke ist nichts mehr zu sehen, da die Pflanzung abge-storben ist; unten – Gehölzpflanzung in einem Au-waldbereich (Biotop nach § 32 BbgNatSchG).

148 NATURSCHUTZ UND LANDSCHAFTSPFLEGE IN BRANDENBURG 12 (4) 2003

Landschaftsbild) nicht mehr erfüllen.– Änderungen an der räumlichen Lage

von Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmensind darüber hinaus auch durch Mängelin der Bestandserfassung des LBP be-dingt, indem dort die standörtliche Eig-nung der Flächen nicht sorgfältig genuggeprüft wurde. Ein Beispiel: Die bei derBearbeitung des LAP gewonnene Er-kenntnis, dass eine im LBP vorgeseheneAusgleichsfläche mit Altlasten kontami-niert ist, führte so zu deren Verlegung.

– Maßnahmenbezeichnungen werdenvom LBP zum LAP nicht immer durch-gängig gehalten. So sind LAPs häufignicht mehr nach den Einzelflächen undden auf ihnen vorgesehenen Maßnah-men geordnet, sondern es sind aus Grün-den der Vergabe und Ausführung aufverschiedenen Flächen vorgeseheneMaßnahmen desselben Typs (z. B. allePflanzungen von Großbäumen) in einemLos zusammengeführt. Die Kontrolle so-wie die schlüssige Zuordnung festgestell-ter Mängel werden dadurch erschwert(beispielsweise kann es der Fall sein, dasszum Maßnahmentyp „Waldrandaufbau“auf einer Teilfläche das Pflanzgut fastvollständig abgängig ist, die anderenTeilflächen aber als ganz überwiegend vi-tal eingeschätzt werden können).

Diese Praxis hat auch Folgen für die Durch-führbarkeit von Nachkontrollen: Erfolgt dieMaßnahmenkonkretisierung im LAP nämlichlosgelöst von den Zielaussagen des LBP, blei-ben Nachkontrollen auf die Durchführungvon Maßnahmen beschränkt; weitergehen-de Funktionskontrollen, die den Bezug zuden naturschutzfachlichen Zielen bzw. denbeabsichtigten Maßnahmenwirkungen her-stellen, können nicht mehr durchgeführtwerden (RÖßLING & JESSEL 2003).Für die Arbeitsteilung zwischen LBP und LAPbleibt dabei festzuhalten: Der LBP legt als Be-standteil der Genehmigungsunterlagen aufder Zielebene einen für die weitere Konkreti-sierung landschaftspflegerischer Maßnahmennach Art und Umfang verbindlichen Mindest-standard fest, der nicht mehr unterschrittenwerden darf; die landschaftspflegerische Aus-führungsplanung zeichnet dann für die kon-krete Ausgestaltung der Maßnahmen verant-wortlich und arbeitet entsprechend der ge-stalterischen und ökologischen Ziele des LBPdafür das Feinkonzept aus. Die Erfahrungenaus den durchgeführten Kontrollen zeigendabei, dass nur Vorgaben, die hinreichend ge-nau bereits in den landschaftspflegerischenBegleitplänen und damit in der Zulassungenthalten sind, die erforderliche Handhabefür eine spätere Kontrolle sowie ggf. auch fürnotwendige Nachbesserungen bieten.Es ist dabei nicht Aufgabe des LAP, den Bezugzu den vom Vorhaben ausgehenden Beein-trächtigungen herzustellen (HASSMANN 1999).Allein durch den LAP und seine Maßnahmen-blätter kann im Regelfall keine Verbindungmehr zu den Beeinträchtigungen des Vorha-bens hergestellt werden. Aus Gründen derNachvollziehbarkeit müssen die Maßnah-menbezeichnungen zwischen LBP und LAP

daher unbedingt konsequent beibehaltenwerden. Um dem vorzubeugen, dass dieMaßnahmenkonkretisierung die ursprünglichzugrunde gelegten Ziele und Funktionennicht oder nur unzureichend berücksichtigt,ist es weiterhin sinnvoll, die Maßnahmenblät-ter des LBP für die tatsächlich weiterverfolg-ten Maßnahmen in die Ausführungsplanungzu übernehmen (RÖßLING & JESSEL 2003). Des Weiteren besteht die Möglichkeit, imRahmen der Zulassungsentscheidung alsNebenbestimmung festzulegen, dass der LAPim Be-, ggf. im Einvernehmen mit der zu-ständigen Naturschutzbehörde zu erstellenist. Aus den Erfahrungen der Nachkontrollenheraus sollte zudem von der Möglichkeit Ge-brauch gemacht werden, als Nebenbestim-mung in den Bescheiden eine Bestimmungfestzusetzen, wesentliche Änderungen derKompensationsziele (insbesondere bei fest-gesetzten Ausgleichsmaßnahmen) und derAusführung, die sich erst im Rahmen desLAP ergeben, nicht nur mit der zuständigenNaturschutzbehörde abzustimmen, sondernauch an die für die Führung des EKIS zustän-dige Fachbehörde mitzuteilen.

4.3 Prioritätensetzung bei der Durchfüh-rung von Kontrollen

Während eine Durchführungskontrolle vonAusgleichs- und Ersatzmaßnahmen als obli-gatorischer, regelmäßig vorzusehender Min-deststandard im Vollzug der Eingriffsregelunggelten sollte (JESSEL 2002), erfordern aufgrundder Arbeitsbelastung der Behörden und deseinzuhaltenden Grundsatzes der Verhältnis-mäßigkeit weitergehende Funktionskontrol-len eine begründete Prioritätensetzung.Die in den Nachkontrollen über mehrereJahre hinweg gewonnenen Erfahrungen bo-ten nun die Grundlage für– die Benennung typischer Maßnahmen-

bündel, die im Regelfall für die Realisie-rung bestimmter Ausgleichs- und Ersatz-maßnahmen erforderlich sind und

– die Abschätzung von Risiken für die Ziel-erreichung von Ausgleichs- und Ersatz-maßnahmen, die als Grundlage für einePrioritätensetzung bei der Auswahl vonKontrollflächen dienen kann.

Die Ergebnisse sind in Tabelle 1 zusammen-gestellt; wiedergegeben sind diejenigen Maß-nahmentypen, die durch eine hinreichendeAnzahl an Prüfbögen (> 20) belegt sind. Da-zu wurden die vorliegenden Prüfbögen aus-gewertet und für die dort definierten Aus-gangs- und Zielzustände die in den Bögenaufgeführten Herstellungs- und Pflegemaß-nahmen zusammengestellt. Dabei fällt auf,dass bezogen auf eine Kompensationsmaß-nahme (z. B. Baumpflanzung auf Acker) be-stimmte Einzelmaßnahmen immer bzw. sehrhäufig angeführt sind (z. B. Pflanzung,Baumpfahl, Fertigstellungspflege). Diese wer-den als typische, im Sinne von im Regelfall er-forderlichen Maßnahmen für die jeweiligeKompensationsmaßnahme gewertet. AndereMaßnahmen, die nur selten im Zusammen-hang mit der Kompensationsmaßnahme auf-geführt werden (z. B. Mulchung, Zäunung)

können zwar im Einzelfall notwendig sein,werden aber nicht als typische (obligatori-sche) Bestandteile aufgefasst. Zusätzlich wur-de ein Zeitplan mit biotopspezifisch zu be-achtenden Zeitintervallen für die Durchfüh-rung von Herstellungs- und Funktionskon-trollen entwickelt (vgl. hierzu auszugsweiseTab. 1). Die biotoptypenbezogene Betrach-tung muss dabei von mittleren Biotopzustän-den ausgehen und kann nicht jeden Einzelfallabdecken. Fallweise sind daher insbesonderedie biotischen und abiotischen Einflüsse desjeweiligen Umfelds mit zu beachten. Bei der Abschätzung von Risiken für die Ziel-erreichung von Ausgleichs- und Ersatzmaß-nahmen ist zu unterscheiden zwischen ausder Literatur sowie allgemeinen Rahmenbe-dingungen (z. B. der zeitlichen Dauer einerMaßnahmenentwicklung) ableitbaren Risi-ken und solchen, wie sie sich ggf. aufgrundder konkreten Erfahrungen bei bestimmtenMaßnahmentypen in Brandenburg erwiesenhaben. Von hohen Risiken ist nach TMNLU

(1995) insbesondere auszugehen, wenn– Lebensgemeinschaften naturnaher Bio-

tope wieder hergestellt werden,– Lebensgemeinschaften wieder herge-

stellt werden, deren Entwicklung längereZeiträume benötigt,

– nährstoffarme Biotope bzw. Lebensräu-me hergestellt werden sollen,

– Maßnahmen für gefährdete Artendurchgeführt werden,

– Biotope und Lebensraumtypen mit kom-plexen abiotischen Standortbedingun-gen wieder hergestellt werden,

– Maßnahmen für Arten und Lebensge-meinschaften durchgeführt werden, dieunterschiedliche Teillebensräume benöti-gen, große Aktionsradien besitzen oderspezialisierte Habitatstrukturen benötigen,

– Lieferbiotope für die Zu- oder Einwande-rung der Arten im engen räumlichen Zu-sammenhang nicht mehr vorhanden sind.

Demgegenüber weist Tabelle 1 beispiels-weise aus, dass der Entwicklung standortge-rechter Laubwälder aufgrund ihrer langenEntwicklungsdauer eigentlich ein hohes Risi-ko der Zielerreichung zugesprochen werdenmüsste, die Erfahrungswerte der Kontrollenin Brandenburg bislang jedoch ein nur mitt-leres Risiko ergeben. Umgekehrt wäre beider Entwicklung von Gehölzen (Gebüschen,Hecken) aufgrund der oben benannten Rah-menbedingungen eigentlich von einem nurmittleren Entwicklungsrisiko auszugehen,das sich jedoch vor allem aufgrund man-gelnder Pflege aktuell als hoch erweist.Dass die Realisierung einzelner Ausgleichs-und Ersatzmaßnahmen mit hohem Risikobehaftet ist, darf jedoch nicht dazu führen,dass diese Maßnahmen – obgleich natur-schutzfachlich erwünscht – in landschafts-pflegerischen Begleitplänen nicht oder nur inAusnahmefällen zur Kompensation vorgese-hen werden. Dies ergibt sich aus den recht-lichen Grundlagen der Eingriffsregelung, de-nen zufolge die Qualität der Ausgleichs- undauch der Ersatzmaßnahmen an den beein-trächtigten Funktionen zu orientieren ist.Darüber hinaus sind es oft gerade die mit Ri-

BEATE JESSEL, RALF RUDOLF, UWE FEICKERT, UTE WELLHÖFER: NACHKONTROLLEN IN DER EINGRIFFSREGELUNG 149

siken behafteten Kompensationsmaßnah-men, die die Entwicklung von Biotopen ver-folgen, die in der heutigen Kulturlandschaftselten geworden und daher von besonde-rem naturschutzfachlichem Wert sind.

LiteraturHASSMANN, H. 1999: Der Landschaftspflegerische Aus-führungsplan zur Baudurchführung. In: BUCHWALDT, K.& W. ENGELHARDT (Hrsg.): Verkehr u. Umwelt. Bonn:133-145, (= Umweltschutz – Grundlagen und Praxis,16, II)JESSEL, B. 2002: Nachkontrollen in der naturschutz-rechtlichen Eingriffsregelung. Anforderungen und me-thodischer Rahmen. Natursch. Landschaftsplanung34(8): 229-236LANA (Länderarbeitsgemeinschaft für Naturschutz,Landschaftspflege und Erholung) 2002: Grundsatzpa-pier zur Eingriffsregelung nach den §§ 18-21BNatSchG. Entwurf, Dez. 2002MLUR (Ministerium für Landwirtschaft, Umweltschutzund Raumordnung des Landes Brandenburg) 2003:Vorläufige Hinweise zum Vollzug der Eingriffsregelung.Stand Januar 2003. i. Internet unter: http://www.bran-denburg.de/land/mlur/n/hve_jan.pdfRÖßLING, H. & JESSEL, B., 2003: Aufgaben und Inhalte derLandschaftspflegerischen Begleit- und Ausführungspla-nung aus Sicht der Durchführbarkeit von Nachkontrol-len. 35(8): 229-235, Natursch. LandschaftsplanungRUDOLF + BACHER; JESSEL, B. & U-PLAN 2002: Erfolgs-kontrolle in der Eingriffsregelung. Endbericht. i. Auftr.

Min. Landw., Umweltsch. u. Raumordn. des LandesBrandenburg. Potsdam, Nov. 2002, 23 S. + 11 S. An-hang + 22 S. HandlungsanleitungRUDOLF + BACHER; JESSEL, B. & U-PLAN 2001: Erfolgs-kontrolle in der Eingriffsregelung. Endbericht. i. Auftr.des Min. Landw., Umweltsch. u. Raumordn. des Lan-des Brandenburg. Potsdam, Nov. 2001, 43 S. i. Inter-net unter: http://www.brandenburg.de/land/mlur/n/umsetzun.htmRUDOLF + BACHER; JESSEL, B. & U-PLAN 2000a: Erfolgs-kontrolle in der Eingriffsregelung. Handlungsanleitungzur Sicherung des Maßnahmenerfolgs. i. Auftr. Min.Landw., Umweltsch. u. Raumordn. des Landes Bran-denburg. Potsdam, Nov. 2000, 18 S. I. Internet unter:http://www.brandenburg.de/land/mlur/n/hand_anl.pdfRUDOLF + BACHER; JESSEL, B. & U-PLAN 2000b: Erfolgs-kontrolle in der Eingriffsregelung. i. Auftr. Min.Landw., Umweltsch. u. Raumordn. des Landes Bran-denburg. Potsdam, Nov. 2000, 25 S. Projektber. i.Internet unter: http://www.brandenburg.de/land/mlur/n/er_2000.pdfRUDOLF + BACHER; JESSEL, B. & U-PLAN 1999: Exemplari-sche Ermittlung der Umsetzung von Ausgleichs- undErsatzmaßnahmen am Beispiel ausgewählter Vorha-ben. i. Auftr. Min. Landw., Umweltsch. u. Raumordn.des Landes Brandenburg. Potsdam, Nov. 1999, 18 S.Projektber. i. Internet unter: http://www.branden-burg.de/land/mlur/n/er_1999.pdfTESCH, A. 2001: Ökologische Wirkungskontrollen undihr Beitrag zur Effektivierung der naturschutzrecht-lichen Eingriffsregelung. Beiträge zur räumlichen Pla-nung 60. Hannover

TMNLU (Thüringer Ministerium für Landwirtschaft, Na-turschutz und Umwelt) 1995: Gutachten zur Aus-gleichsabgabe in Thüringen. Erst. Froelich & Sporbeck i.Zusammenarb. mit Dipl.-Volkswirt B. Schweppe-Kraft

Anschriften der Verfasser:Prof. Dr. Beate JesselLehrstuhl für LandschaftsplanungUniversität PotsdamPostfach 60 15 5314415 Potsdam

Dipl.-Geogr. Ralf RudolfRudolf + Bacher Büro für Landschafts-planung und LandschaftsarchitekturGubener Straße 4910243 Berlin

Dipl.-Geogr. Uwe FeickertDipl.-Geogr. Ute WellhöferU-Plan – Büro für Umweltberatung und angewandte LandschaftsplanungMooseurach 9a82549 Königsdorf

Tabelle 1: Für die Entwicklung exemplarischer Biotoptypen anzusetzende Maßnahmenbündel, Hinweise für die Kontrolle sowie auf Risiken für die Zielerreichung

Im Regelfall anzusetzende Maßnahmenbündel Hinweise für durchzuführende Kontrollen undfür Herstellung und Pflege besondere Risiken für die Zielerreichung

Ausgangs- Herstellungsmaßnahmen Pflegemaßnahmen Risiko der Ziel-zustand (Anteil der Nennungen in den (Anteil der Nennungen in Zeitplan für die Kontrollen erreichung:

Prüfbögen in %) den Prüfbögen in %) 1. typenspezifisch2. Erfahrungswerteaus Nachkontrollen

I. Entwicklung von standortgerechten LaubwäldernAcker, Grünland, Regelfall: Regelfall: Herstellung:unbewachsener 1. Neuaufforstung mit Pflanzung Fertigstellungs- und Ent- Nach der Fertigstellungs- sowie der 1. hochBoden von Laubbäumen (98 % ) wicklungspflege (72 %) Entwicklungspflege Kontrolle (Lange Entwicklungs-

2. Zäunung der Aufforstung der Arten, Pflanzqualitäten und zeit)gegen Wildverbiss (65 %) ZäunungWeitere Maßnahmen: Funktion: 2. mittel3. Greifvogelsitze zur Nager- Kontrolle der Bestands-bekämpfung (28 %) entwicklung ca. im 10. Jahr4. Baumpfähle zur Befestigung (2 %)5. Entfernung von Nadelgehöl-zen (2 %)

II. Pflanzung von Einzelbäumen, Anlage von Baumreihen und AlleenAcker, Grünland, Regelfall: Regelfall: Herstellung:unbewachsener 1. Pflanzung von Bäumen (100 %) Fertigstellungs- und Ent- Nach der Fertigstellungspflege 1. hochBoden 2. Befestigung am Baumpfahl/ wicklungspflege (76 %) (Kontrolle der Arten, Pflanzqualitäten, (Lange Entwicklungs-

Querpfahl (59 %) Bindung) sowie nach zeit)Weitere Maßnahmen: Weitere Maßnahmen: der Entwicklungspflege( Kontrolle3. Schutz durch Zaun bzw. Draht- Aufastung von Bäumen der Vitalität) 2. hochmanschette (15 %) (2 %) Funktion: (fehlende Realisierung,4. Mulchung (12 %) Kontrolle der Bestandsentwicklung mangelnde Pflege)

(bei Baumreihen und -gruppen)ca. im 10. Jahr

III. Entwicklung von Gehölzen (Gebüsch, Hecke)Acker, Grünland, Regefall: Regelfall: Herstellung:Brachfläche 1. Pflanzung von Gehölzen (98 %); Fertigstellungs- und Ent- Nach der Fertigstellungspflege 1. mittel

Alternativ: Sukzession (18 %) wicklungspflege (72 %) (Kontrolle der Arten, Pflanzqualitäten,2. Zäunung gegen Wildverbiss (43 %) Schutzzaun) sowie nach der 2. hochWeitere Maßnahmen: Weitere Maßnahmen: Entwicklungspflege (Kontrolle (mangelnde Pflege)3. Mulchen (13 %) Extensive Gehölz- der Vitalität)

Bestandspflege (15 %) Funktion:Kontrolle der Bestandsentwicklungca. im 10. Jahr

IV. Entwicklung einer HochstaudenflurAcker, Grünland Regelfall: Regelfall: Herstellung:

1. Sukzession (92 %) Mahd mit Abfuhr des keine, sofern aus Sukzession 1. geringWeitere Maßnahmen: Mähgutes (86 %) entwickelt2. Zäunung (23 %) Funktion: 2. gering3. Pflanzung von Hochstauden (8 %) Kontrolle der Artenzusammensetzung4. Entfernung standortfremder (Zielarten vorhanden)Gehölze (8 %) ca. im 5. Jahr

V. Entwicklung von extensiv genutztem Grünland (frische Standorte)Acker Regelfall: Regelfall: Herstellung:

1. Ansaat (48 %) Mahd mit Abfuhr des Kontrolle, ob Einsaat angewachsen 1. mittelWeitere Maßnahmen: Mähgutes (86 %) Funktion:2. Aushagerung (14 %); Kontrolle der Artenzusammensetzung 2. mittelalternativ: Bodenabtrag (5 %) (Zielarten vorhanden) (Umsetzung, mangeln-3. Nutzungaufgabe, Sukzession (4 %) ca. im 6. Jahr de Pflege)

150 NATURSCHUTZ UND LANDSCHAFTSPFLEGE IN BRANDENBURG 12 (4) 2003; 150–151

Umsetzung der EU-Wasserrahmenricht-linie 2000 erarbeitet. Bei Bestandsaufnah-men, die in diesem Rahmen im vergange-nen Herbst durchgeführt wurden, sind ander Unterhavel und in der Nuthe bei Pots-dam auch Populationen der Garnele Atyae-phyra desmaresti (MILLET) registriert wor-den. Als einzige Süßwassergarnele inMitteleuropa und derzeit deutlich in Aus-breitung befindlicher Einwanderer (Neo-zoon) stößt dieses Tier bei Naturschützernund in biologisch interessierten Kreisen aufbreites Interesse.

2 Neozoen – der Menschmischt die Fauna Zentral-europas neu

2.1 Artendynamik als natürlicher Prozess

Veränderungen der Artenzusammensetzungvon Ökosystemen und Biozönosen gehörenzu den Grundphänomenen der Natur. Auslö-ser hierfür können Veränderungen derStandort- bzw. Habitateigenschaften sein,die fast immer einen Wandel im Konkurrenz-gefüge zur Folge haben: Arten, die an dieneuen Bedingungen besser angepasst sind,können Fuß fassen und verdrängen gegebe-nenfalls andere Arten aus dem Lebensraum. Standortveränderungen betreffen ganze Le-bensgemeinschaften bzw. wesentliche Teiledavon. Meist weniger auffällig sind Verän-derungen, die auf der Arealausweitung ein-

zelner Arten oder Populationen, ohne vor-herige, 'den Boden bereitende' Umweltver-änderung beruhen. Erfolgreiche Ansiedlun-gen stellen hierbei ein eher seltenes Ereignisdar. Der geringe Etablierungserfolg ist imWesentlichen darauf zurückzuführen, dassdie Neueinwanderer auf bereits fest etablier-te Biozönosen treffen, deren Mitglieder sichüber lange Zeiträume an die gegebene öko-logische Situation anpassen konnten. Daserklärt auch, warum die Mehrzahl der Neo-phyten und Neozoen auf anthropogen ge-störten Standorten oder auf Pionierstandor-ten wie sie durch Brand, extremes Hochwas-ser und ähnliche Ereignisse entstehen kön-nen, siedelt.

2.2 Anthropogen geförderte Ausbreitung

In neuerer Zeit haben die wirtschaftlichenAktivitäten des Menschen in praktisch allenÖkosystemen zu starken Veränderungen inder Artenzusammensetzung geführt, die be-sonders in den letzten Jahrzehnten ein bis-lang wohl beispielloses Ausmaß erreicht ha-ben. Die Optimierung der Transportbedin-gungen des internationalen Handels hat esermöglicht, dass heute unvorstellbare Zahlenlebender Pflanzen und Tiere über größteVerbreitungsbarrieren hinweg weltweit ver-schleppt oder gezielt verbreitet werden. Sokonnte bei Untersuchungen an 211 Über-see-Schiffen in deutschen Häfen im Durch-schnitt 1 tierischer Organismus pro Liter Bal-lastwasser ermittelt werden. Bei einem ge-schätzten jährlichen Eintrag von 2,8 Mio. tBallastwasser aus außereuropäischen Ge-wässern in unsere Häfen bedeutet das einenTageseintrag von 7,7 Mio. Individuen. Diefestgestellte Artenvielfalt umfasste Vertreteraller größeren Tierstämme, vom Einzeller biszu Fischen (LENZ et al. 2000).Die "Four T's" (Trade, Transport, Travel, Tou-rism) (SHINE et al. 2000) haben die Verbrei-tung einer wachsenden Zahl von Neo-zoen/Neophyten in einem Umfang beschleu-nigt, der Fachleute bereits von einer Globali-sierung oder Homogenisierung von Floraund Fauna sprechen lässt. In Mitteleuropasind Fließgewässerökosysteme und beson-ders die großen Ströme hiervon am stärkstenbetroffen. Seit der Eröffnung des Main-Do-nau-Kanals im Jahr 1992 sind alle großen

Zusammenfassung

Handel, Transport, Reisen und Tourismusbeschleunigten in Mitteleuropa die Verbrei-tung von Neozoen in bisher ungekanntemAusmaß. Dieser Prozess wurde insbesonderedurch Vernetzung der Flusssysteme überkünstliche Wasserstraßen gefördert. Mit derÖffnung ehemaliger Verbreitungsbarrierenzu den süd- und südosteuropäischen Fau-nengebieten gelangte sowohl aktiv als auchpassiv eine große Zahl neuer Faunenelemen-te nach Mitteleuropa.Seit Mitte des letzten Jahrhunderts wurdenhin und wieder einzelne Exemplare der Süß-wassergarnele Atyaephyra desmaresti auchin brandenburgischen Gewässern nachge-wiesen. In der Folgezeit weitete sie ihr Arealbesonders im Flusssystem der Havel starkaus, da hier offenbar geeignete Lebensräu-me vorhanden sind. Bisher gab es keine Hinweise auf Verdrän-gungseffekte oder ähnlich negative Wirkun-gen auf andere Arten. A. desmaresti fand bereits Eingang in denKatalog der Indikator-Organismen zur Be-stimmung des Saprobien-Index von Fließge-wässern.

1 Einführung

Im Landesumweltamt Brandenburg (LUA)werden zur Zeit die Grundlagen für die

IM GEGENSATZ ZU EINIGEN ANDEREN NEOZOEN WURDE DIE SÜßWASSERGARNELE ATYAEPHYRA DESMARESTI

BISLANG NICHT ZU EINEM PROBLEMTIER FÜR DEN NATURSCHUTZ ODER DIE WASSERWIRTSCHAFT. AUFGRUND IHRER BIOLOGIE UND ÖKOPHYSIOLOGISCHEN TOLERANZ KANN SIE FÜR DIE

GEWÄSSERÖKOLOGIE DURCHAUS WÜNSCHENSWERTE DIENSTE VERRICHTEN.

MATTHIAS GLAUCHE, WERNER KRATZ

Die neozoische Süßwassergarnele Atyaephyra desmaresti (MILLET) in Brandenburg *Schlagwörter: Neozoen, Süßwassergarnele Atyaephyra desmaresti

Abb. 1

Süßwassergarnele Atyaephyra desmaresti

Foto: K. Grabow

MATTHIAS GLAUCHE, WERNER KRATZ: DIE NEOZOISCHE SÜßWASSERGARNELE ATYAEPHYRA DESMARESTI (MILLET) IN BRANDENBURG 151

Flussgebiete Zentraleuropas durch künstlicheWasserstraßen miteinander vernetzt. Durchdie Öffnung ehemaliger Verbreitungsbarrie-ren zu den süd- und südosteuropäischenFaunengebieten gelangen sowohl aktiv alsauch passiv eine große Zahl neuer Faunen-elemente nach Mitteleuropa. Als Beispieleseien genannt die Flohkrebse Dikerogamma-rus villosus (SOVINSKY) und Echinogammarusischnus (STEBBING), der Kaspische SchlickkrebsCorophium curvispinum (SARS) und die Do-nauassel Jaera istri VEUILLE (TITTIZER, KREBS

1996, TITTIZER et al. 2000). Zoogeographischbesonders bemerkenswert sind Arten, die ur-sprünglich auch in Mitteleuropa vorkamen,hier jedoch durch die Eiszeiten ausgelöschtwurden und nur in südosteuropäischen undnordmediterranen Refugialgebieten über-dauern konnten. Seit der Öffnung der Ver-breitungsschranken zählen einige dieser Ar-ten, wie die Dreikantmuschel Dreissena poly-morpha (PALLAS) und der Steinkleber Litho-glyphus naticoides (C. PFEIFFER) (Gastropoda,Hydrobiidae) zu den erfolgreichsten Neo-zoen in Mitteleuropa (KINZELBACH 1999).

3 Zur Verbreitung und Biolo-gie von Atyaephyradesmaresti in Brandenburg

Zur Gruppe der 'postglazialen Remigranten'gehört auch die Süßwassergarnele A. des-maresti, die sich aus der Po-Ebene und eini-gen weiteren nordmediterranen Reliktarea-len seit dem 19. Jahrhundert aktiv– über die neu entstandenen Wasserstraßen– und auch durch Aussetzung, im gesamtensüd- und mitteleuropäischen Raum verbrei-tete. Die ersten Funde aus dem Raum Berlin/Brandenburg wurden 1959 aus der BerlinerUnterhavel an der Pfaueninsel mitgeteilt(BORCHERT & JUNG 1960). Seit 1995 ist sie imTegler See, einem Nebengewässer der Berli-ner Havel regelmäßig nachweisbar, jedoch instark wechselnden Populationsdichten1 (RU-DOLPH 2000). Rudolph (l. c.) meldet auch einVorkommen im Kalksee, am südöstlichenStadtrandt von Berlin, der über Schleusenmit der Spree verbunden ist2. Einen weiteren Fund von 1996 in der Havelbei Havelberg teilte uns Helmut Klose (LUA,Brandenburg) mit3. Am 22.11.2002 konntenMitarbeiter des LUA das Vorkommen unweitdavon bestätigen: Unterhavel nahe Strodeh-ne. Im gleichen Monat ist A. desmaresti vonden Autoren auch im Unterlauf der Nuthe beiPotsdam entdeckt worden4, was sich auch inder hiesigen Lokalpresse widerspiegelte5. Die Tiere erreichen eine Körperlänge vonmaximal 3 cm, die Weibchen werden etwasgrößer als die Männchen. Ihr bevorzugterLebensraum sind flache Uferabschnitte mitgutem Bewuchs an Unterwasserpflanzen.Zur Nahrung dienen ihnen Kleinsttiere, Al-gen und Detritus, die sie mit ihren speziali-sierten Vorderbeinen von verschiedenenOberflächen kehren, oder, im Falle gröbererSchwebepartikel, aktiv aus dem Wasser fil-

trieren. Für diese Funktion tragen die Sche-ren des ersten und zweiten Laufbeinpaars ei-nen Saum sehr dicht stehender, feiner undlanger Haare, die sich beim Öffnen derScheren fächerförmig ausbreiten. Die Tierekönnen aber auch verrottendes Schilf odertote Artgenossen verzehren. Die GattungAtyaephyra ist durch diese Form der Nah-rungsgewinnung ähnlich wie die Bachfloh-krebse an das dauernde Vorhandensein ei-ner gewissen Menge organisch abbaubarerSubstanz gebunden. Die Fortpflanzungszeit der Tiere erfolgt imSommerhalbjahr. Die Weibchen tragen meh-rere hundert Eier bis zum Schlupf der Jung-tiere am Hinterleib. Der Entwicklungszyklusist ein- bis eineinhalbjährig, im letzteren Fallüberwintern die fast ausgewachsenen Jung-tiere. Trotz der – gemessen an anderen aquati-schen Organismen – nicht sehr hohen Fort-pflanzungsrate etablierte sich die Süßwas-sergarnele nicht nur an einigen wenigenStandorten. Sie weitete vielmehr ihr Areal inBrandenburg besonders im Flusssystem derHavel stark aus. Die aktive Ausbreitung (zu-mal stromaufwärts) setzt allerdings eine hin-reichend dichte Aufeinanderfolge geeigneterLebensräume voraus. In der Unterhavel fin-den sich auf weiten Strecken zumindestnoch Reste ufernaher Wasserpflanzenbe-stände, die als Lebensraum für die Süßwas-sergarnele geeignet erscheinen. Sie wird da-her zwischen Berlin und der Mündung derHavel in die Elbe noch vielerorts nachweis-bar sein. Teilpopulationen, die durch länge-re, lebensfeindlich ausgebaute Flussstreckenisoliert wurden, wie z. B. im Kalksee, sinddagegen mit hoher Wahrscheinlichkeit aufAussetzungen durch Angler6 und Aquarianerzurückzuführen. Entscheidend für den Ausbreitungserfolg vonAtyaephyra ist ihre Toleranz gegenüberunterschiedlicher Wasserqualität, wofür dieBesiedlung der Nuthe ein gutes Beispiel ist.Deren Wasser ist – trotz erheblicher Verbesse-rungen seit Mitte der 80er Jahre – auch heutenoch stark mit organischen Stoffen (insbes.aus der Landwirtschaft) belastet. Trotzdemhat sich hier im Unterlauf, an Stellen mit dich-teren Beständen von Wasserpflanzen, einegrößere Population etablieren können.A. desmaresti hat auch bereits Eingang inden Katalog der Indikator-Organismen zurBestimmung des Saprobien-Index7 vonFließgewässern gefunden. Aufgrund ihrerdeutlich ausgebildeten Toleranz gegenüberNährstoffbelastung und erhöhtem Salzge-halt wird ihr in der aktuellen Fassung derDIN-Vorschrift zur Bestimmung des Sapro-bienindex nurmehr ein Saprobienwert von2,3 und damit jenseits der Mitte der von 1,0(oligosaprob) bis 4,0 (polysaprob) reichen-den Qualitätsskala zugewiesen (DIN 2002).Abschließend soll betont werden, dass dieSüßwassergarnele, im Gegensatz zu einigenanderen Neozoen, bislang nicht zu einemProblemtier für den Naturschutz oder dieWasserwirtschaft geworden ist. Sie neigtnicht zu Massenvermehrungen, uns liegenauch keine Hinweise auf Verdrängungsef-

fekte oder ähnlich negative Wirkungen aufandere Arten vor. Ihr Ernährungstyp undihre ökophysiologische Toleranz ermög-lichen ihr vielmehr das Einwandern in durchGewässerverschmutzung und Denaturie-rung bereits geschädigte, nicht mehr natur-nahe Lebensgemeinschaften. Hier kann sieals "neuer Mitarbeiter im Team der Des-truenten" für die Gewässerökologie durch-aus wünschenswerte Dienste verrichten.

Dank

Wir danken D. Braasch (Potsdam) und Dr. L.Kalbe (Stücken) für kritische Anmerkungenund Hinweise zum Manuskript.

LiteraturBORCHERT, H. & JUNG, D. 1960: Mitteilung über denErstfund einer Süßwassergarnele Atyaephyra desma-resti MILET. in den Berliner Gewässern (Decapoda, Na-tantia, Atyaeidae).Zool. Beitr. N. F. 5, 365-366DEUTSCHES INSTITITUT FÜR NORMUNG 2002: DIN 38410Teil 2. Deutsche Einheitsverfahren zur Wasser-, Ab-wasser- und Schlammuntersuchung; Biologisch - öko-logische Gewässeruntersuchung (Gruppe M); Verfah-ren zur Bestimmung des Saprobieindex (M2). Unver-öff. Arbeitsfassg. (Stand Überarb.: Aug. 2002): 13EUROPÄISCHE UNION 2000: Richtlinie 2000/60/EG desEuropäischen Parlaments und des Rates vom 23. Ok-tober 2000 zur Schaffung eines Ordnungsrahmens fürMaßnahmen der Gemeinschaft im Bereich der Wasser-politik. Amtsbl. Europäische Gemeinschaft.22.12.2000, L 327/1-L327/72KINZELBACH, R. 1999: Neozoen in Europa: Status & Dy-namik. UBA-Texte 55/99. Gebietsfremde Organismenin Deutschland . Umweltbundesamt Berlin: 51-61LENZ, J.; ANDRES, H. G. ; GOLLASCH, S. & DAMMER, M.2000: Einschleppung fremder Organismen in Nord-und Ostsee: Untersuchungen zum ökologischen Ge-fahrenpotenzial durch den Schiffsverkehr. UBA-For-schungsbericht. Texte 5/00.Umweltbundesamt Berlin.273 pp., Anh.RUDOLPH, K. 2000: Gebietsfremde malakostrake Kreb-se im mittleren Teil Brandenburgs. Aktueller Stand derVerbreitung. Neozoen 3: 10-11 SHINE, C.; WILLIAMS, N. & GRÜNDLING, L. 2000: A Guideto Designing Legal and Institutional Frameworks onAlien Invasive Species. IUCN. Gland, Switzerland,Cambridge and Bonn. 138 pp.TITTIZER, T. & KREBS, F. (Hrsg.) 1996: Ökosystemfor-schung: Der Rhein und seine Auen. Eine Bilanz. Sprin-ger Verlag. Berlin, Heidelberg, New York; 469 pp.TITTIZER, T.; SCHÖLL, F.; BANNING, M.; HAYBACH, A. &SCHLEUTER, M. 2000: Neozoen im Makrozoobenthosder Binnenwasserstraßen Deutschlands. Lauterbornia39: 1-72

Anschrift der Verfasser:Matthias GlauchePD Dr. Werner KratzLandesumweltamt BrandenburgAbt. Ökologie und UmweltanalytikBerliner Straße 21-2514467 Potsdam

* Dr. Helmut Klose, LandesumweltamtBrandenburg, zum 65. Geburtstag ge-widmet.

1 Belegexemplare in coll. Rudolph:13.09.199522 Belegexemplare in coll. Rudolph: 14.12.19993 Dr. H. Klose, LUA–Brandenburg, mündl., Nov.

20024 Potsdam, Horstweg, 6.11.2002. Belegexemplare

in coll. LUA Brandenburg5 z. B. Potsdamer Neueste Nachrichten, 8.11.026 als „Nährtiere“ für heranwachsende Jungzander

u. a. Raubfische7 vom Deutschen Institut für Normung herausge-

gebenes Bewertungssystem zur Beurteilung derBelastung von Fließgewässern mit biologisch ab-baubaren organischen Verunreinigungen anhandder tierischen Besiedlung

152 NATURSCHUTZ UND LANDSCHAFTSPFLEGE IN BRANDENBURG 12 (4) 2003

Neue Naturschutzgebiete in Brandenburg

Naturschutzgebiet (NSG) Schwarzberge und Spreeniederung

Lage/Naturraum

Das 695 ha große NSG und FFH-Gebiet liegtin der Berlin-Fürstenwalder Spreetalniede-rung nördlich Beeskow zwischen Radinken-dorf und Neubrück. Es umfasst die Spree mitihrer Aue und angrenzende Bereiche der Tal-sandterrasse. Eingeschlossen sind der übereine Spreebrücke zu erreichende Raßmanns-dorfer Werder sowie weitere kleinere Tal-sandinseln in der Niederung. Mit denSchwarzbergen befinden sich außerdem öst-lich der Spree zwei Endmoränenkuppen derletzten Eiszeit (Brandenburger Stadium) imNSG. Teilbereiche der Schwarzberge sind be-reits 1961 als NSG sowie 1998 als Schutz-wald nach Landeswaldgesetz ausgewiesen.Eine 20 ha große Fläche des KleinenSchwarzberges ist in der NSG-Verordnungals Kernzone ohne wirtschaftliche Nutzungfestgesetzt worden

Standortverhältnisse/Nutzung

Die ursprünglich stark gewundene und ört-lich netzartig verzweigte Spree wurde inmehreren Schritten als schiffbares Gewässerausgebaut und begradigt. Zahlreiche ehe-malige Mäanderbögen und Nebenläufe sindnoch als unterschiedlich stark verlandete Alt-wässer im NSG vorhanden. Der Flusspegelwird durch das Nadelwehr Wergensee sowieweitere stromauf- und -abwärts gelegene

Stau- und Rückhalteeinrichtungen reguliert.Natürliche Pegelschwankungen werden da-durch stark gedämpft. Durch Abnahme derin die Spree eingespeisten Lausitzer Gruben-wässer seit der Wende geht die Durchfluss-menge zurück. Eine Normalisierung ist erstlangfristig nach Wiederanstieg des Grund-wassers im Einzugsgebiet zu erwarten.Die Aue weist in Teilbereichen noch ein typi-sches Kleinrelief aus Rinnen und Rücken auf.Ihre Böden wechseln mit der Geländehöhezwischen Niedermoor-, Anmoor- und unter-schiedlich stark grundwasserbeeinflusstensandigen bis lehmig-sandigen Mineralböden.Diese sind am Niederungsrand relativ sauerund nährstoffarm. Im Nordosten sind rund17 ha Aue von einer mehrere Meter mächti-gen Spülsandfläche überdeckt. Auf Talsandherrschen arme, mäßig frische bis trockeneBöden vor. Die bis 50 m die Umgebungüberragenden Schwarzberge zeigen ein starkgegliedertes Relief mit steilen, von Rinnendurchzogenen Hängen in wechselnder Expo-sition und größeren Verebnungsbereichen anden Hangfüßen. Die sandigen bis anlehmi-gen Böden sind stellenweise in geringer Tiefemit lehmigen Schichten unterlagert. Nebentypischen bodensauren Moder- und Rohhu-musböden zeigen örtlich Übergänge zu denMullhumusböden eine günstige natürlicheBasen- und Nährstoffversorgung an.Die dominierende Nutzungsform in der Aueist Grünland, wechselnd in Form von Mäh-weide mit Rindern, örtlich auch mit Schafensowie reinen Mähwiesen. Die Nutzung vari-iert zwischen mäßig intensiv und extensiv.Stärker vernässte Bereiche sind stellenweise

aufgelassen. Einige Auenbereiche werdendurch Meliorationsgräben mäßig entwäs-sert. Die Talsandbereiche und die Schwarz-berge werden weitgehend forstlich genutzt.Nur auf dem Raßmannsdorfer Werder sind,bedingt durch die ehemalige sowjetischeMilitärnutzung, größere aktuell aufgelasseneFreiflächen vorhanden.

Flora/Vegetation

Die Flora des NSG ist artenreich. In jüngererZeit wurden rund 470 Gefäßpflanzenarten(inkl. 65 Arten der Roten Liste Branden-burgs) aus dem Gebiet gemeldet.Aufgrund der vergleichsweise guten Wasser-qualität (Güteklasse II) weist die SpreeTauch- und Schwimmblattfluren u. a. mitverschiedenen Laichkrautarten (Potamoge-ton spp.) auf. An den strukturreichen Ufer-saum aus verschiedengestaltigen Röhrich-ten, Gras- und Staudenfluren schließt sichlandseitig über weite Strecken ein lückigerbis geschlossener, vorwiegend aus Arten derAuenwälder wie Erle und Weide bestehen-der Gehölzstreifen an. In den zahlreichenabgetrennten Mäanderschlingen und natür-lichen Altarmresten findet man eine vielfälti-ge Verlandungsvegetation der eutrophenSerie mit Tauch-, Schweber- und Schwimm-blattfluren, Klein- und Großröhrichten, Seg-genrieden, Weidengebüschen und erlendo-minierten Bruchwaldbeständen. Hervorzu-heben sind die weite Verbreitung vonFroschbiss (Hydrocharis morsus-ranae) undKrebsschere (Stratiotes aloides) in den Ge-Abb. 1

Lage des Gebietes

NATURSCHUTZ UND LANDSCHAFTSPFLEGE IN BRANDENBURG 12 (4) 2003 153

wässern und des Lauch-Gamanders (Teu-crium scordium) in ihren Verlandungszonen,die Massenbestände der wärmeliebendenWassernuss (Trapa natans) südlich derSchwarzberge sowie das Vorkommen derStromtalart Queckenreis (Leersia oryzoides).Die ursprünglich über weite Strecken mit Au-und Bruchwäldern bewachsene Niederungwird heute außerhalb der Gewässer und ih-rer Verlandungszonen weitgehend vonGrünland beherrscht. Die Grünlandvegeta-tion ist je nach vorherrschender Bodenfeuch-te, Bodenart sowie Nutzungsart, -intensitätund -geschichte unterschiedlich ausgeprägt.An stark vernässten Standorten kommengroßflächig mäßig artenreiche bis artenarmeSeggen- und Röhrichtwiesen vor. HäufigeDominanzbildner sind Schlank-Segge (Carexgracilis) und Glanzgras (Phalaris arundina-cea). Intensiver beweidete Bestände sindstark mit mechanisch belastbareren Flutra-sen- und Kleinröhrichtarten durchsetzt. Anfeuchten bis frischen Auenstandorten herr-schen von Süßgräsern dominierte Grünland-gesellschaften u. a. mit Fuchsschwanz (Alo-pecurus pratensis) und Rispengras (Poa spp.)vor. Abschnittsweise zeigen die anspruchslo-sen Gräser Rasen-Schmiele (Deschampsiacespitosa) und Honiggras (Holcus lanatus)sowie hohe Anteile krautiger Arten eine nurmäßige Bewirtschaftungsintensität an. Be-sonders artenreich und im Artengefüge ent-lang von Standortgradienten fein differen-ziert sind die extensiven Mähwiesen östlichdes Raßmannsdorfer Werders und im Fuchs-luch. Hier sind in den wechselfeuchten Über-gangsbereichen vielfach Elemente der saurennährstoffarmen Pfeifengraswiesen (Junco-Molinietum) und der Brenndolden-Auenwie-sen (Cnidio-Deschampsietum) vorhanden.Sandige, wechselfrische bis -trockene Kup-pen und Randzonen sind mit Grasnelkenflu-ren (Diantho-Armerietum) und Fragmentenvon Borstgrasrasen (Polygalo-Nardetum) be-wachsen. Bemerkenswerte Arten der Exten-sivwiesen sind im NSG u. a. die Stromtalar-ten Brenndolde (Cnidium dubium), Alant(Inula britannica), Sumpf-Platterbse (Lathy-rus palustris) und Spießblättriges Helmkraut(Scutellaria hastifolia) sowie Wollgras (Erio-phorum angustifolium), Wasser-Greiskraut(Senecio aquaticus), Kümmel-Silge (Selinumcarvifolia) und Spitzflügeliges Kreuzblüm-chen (Polygala oxyptera).Die Talsandflächen sind über weite Streckenmit arten- und strukturarmen Kiefernforstenbestockt. Der Raßmannsdorfer Werder istnoch stärker von einer ehemaligen Hute- so-wie der späteren Militärnutzung geprägt. Dieebenfalls von Kiefern dominierte Gehölzvege-tation ist vielfach lückig und sehr strukturreichmit breitkronigen Altbäumen. AufkommendeBirken und Eichen zeigen eine naturnahe Suk-zession in Richtung bodensaurer Eichenmi-schwälder an. Die Gehölzbestände der Tal-sandinsel sind mit ausgedehnten artenarmenaber z. T. kryptogamenreichen Sandtrocken-rasen verzahnt. Mit wechselnder Dominanzbestimmen Silbergras (Corynephorus canes-cens), Raublatt-Schwingel (Festuca trachy-phylla), Straußgras (Agrostis tenuis) und

Borstgras (Nardus stricta) das Bild. An den alsmarkante Geländestufe ausgepägten Talsand-rändern zur Spreeaue sind naturnahe struk-tur- und altbaumreiche Waldstreifen mit Ele-menten der bodensauren Eichen-Birken-Kie-fernwälder und auch der mesophilen Eichen-Hainbuchenwälder (mit Anklängen an denHartholzauwald) verbreitet. Als Relikte einerehemalige Hudenutzung sind die Vorkom-men von Wildbirne (Pyrus pyraster) und Wa-cholder (Juniperus communis) zu deuten.Kuppe sowie Nord- und Osthänge des Klei-nen Schwarzberges sind mit einem nichtmehr wirtschaftlich genutzten naturnahensauren bis mesophilen winterlindenreichenTraubeneichen-Hainbuchenwald mit bis zu200 Jahren alten Bäumen bestockt. In süd-wärts geneigten Kuppenlagen und an densteileren Osthängen findet man dort nochzahlreiche thermophile Arten im Unterwuchs.Bemerkenswert sind u. a. die Vorkommenvon Graslilie (Anthericum ramosum), Groß-blütiger Fingerhut (Digitalis grandiflora), Kas-suben-Wicke (Vicia cassubica), SchwarzePlatterbse (Lathyrus niger), Pechnelke (Lych-nis viscaria) und Hügel-Klee (Trifolium alpes-tre). Die übrigen Teile der Schwarzberge sindstärker forstlich überformt. Die steilen West-und Südhänge des Kleinen und die Südost-hänge des Großen Schwarzberges sind mitKiefern bestockt. Sonst überwiegen Laub-holz- oder Mischkulturen mit vereinzelt ein-gestreuten Altbäumen (v. a. Eichen, verein-zelt auch Kiefer und Linde).

Fauna

Die Spree und ihre Altwässer bieten einer ar-tenreichen Fisch- und Amphibienfauna Le-bensraum. Hervorzuheben sind Rapfen1,Schlammpeitzger1 und Steinbeißer1 sowieKamm-Molch1. Das NSG besitzt aufgrundder Vielfalt an Habitatstrukturen eine hoheavifaunistische Bedeutung als Brut-, Rast-,Nahrungs- und Überwinterungsgebiet. AlsBrutvögel nachgewiesen sind u. a. Eisvogel,die Wiesenbrüter Wachtelkönig, Kiebitz, Be-kassine und Wiesenpieper, die Röhricht-bzw. Gewässerbrüter Tüpfelralle, Krickente,Knäkente, Kranich, Rohrweihe, Schilf- undDrosselrohrsänger sowie Arten halboffenerTrockenbereiche wie Steinschmätzer, Wiede-hopf und Wendehals. Die vielen Altbäumeam Niederungsrand und auf den Schwarz-bergen begünstigen das Vorkommen vonHöhlenbrütern wie z. B. verschiedeneSpechtarten. Als Folgenutzer von Schwarz-spechthöhlen kommt die Schellente vor.Auch die Fledermausfauna profitiert von derHäufung höhlenreicher Altbäume. Unteranderem wurden Großer Abendsegler, Was-ser-, Rauhaut- und Teichfledermaus1 ausdem NSG gemeldet. Für den Fischotter1

stellt die Spreeniederung einen wichtigenLebensraum dar. Die Wiederansiedlung desElbebibers1 ist für die nahe Zukunft zu er-warten. Die Wälder östlich der Spree sindRotwild-Einstandsgebiet.Die Kenntnisse zur Wirbellosenfauna desNSG sind bisher sehr lückenhaft und beru-

hen z. T. auf älteren Angaben. Nachweiseder hochgradig bedrohten Falterarten Dun-kelroter Bergwaldspinner (Catarhoe rubida-ta) und Gelbes Ordensband (Ephesia fulmi-nea), des vom Aussterben bedrohten Erlen-Prachtkäfers (Dicera alni) sowie des auf Alt-bäume und Totholz angewiesenen Hirschkä-fers (Lucanus cervus)1 weisen auf eine hoheentomologische Bedeutung des Gebiets hin.Die an naturnahe Fließgewässer gebundeneLibellenart Grüne Keiljungfer (Ophiogom-phus cecilia)1 hat einen Verbreitungsschwer-punkt in Brandenburg im Spreegebiet undkommt auch im NSG vor. Hervorzuhebensind außerdem die an reich strukturierte Still-gewässer gebundene Große Moosjungfer(Leucorrhinia pectoralis)1 und die zur Eiabla-ge auf Krebsscherenbestände angewieseneGrüne Mosaikjungfer (Aeshna viridis).

Schutzzweck

Die NSG-Verordnung vom 17.12.2002nennt u. a. als Schutzzweck (§ 3) Erhalt undEntwicklung der vorkommenden Lebens-raumtypen nach Anhang I der FFH-Richtli-nie, wie wasserpflanzenreiche Flüsse undAltwässer, Dünen mit Trockenrasenvegeta-tion, Brenndoldenauen-, Pfeifengras- undFrischwiesen, Eichen-Hainbuchen-, Eichen-und Auenwälder sowie der Populationen dero. g. Arten nach Anhang II der FFH-Richtli-nie. Darüber hinaus sollen auch alle sonsti-gen naturnahen und/oder artenreichen Bio-topstrukturen der Niedermoore, Verlan-dungszonen, Trockenbereiche und Wäldersowie des Grünlands mit ihrem wertvollenTier- und Pflanzenartenbestand geschütztwerden. Der Erhalt der avifaunistischen Be-deutung des NSG wird ausdrücklich hervor-gehoben. Weiterhin werden der Erhalt desvielfältigen Landschaftsbildes, die Bedeu-tung im Auenverbundsystem Spree und derWert des Gebiets für die Naturwaldfor-schung herausgestellt.

Gebietszustand

Die Spree bietet aufgrund der o. g. anthro-pogenen Überformung ihres Betts nur nocheingeschränkt das typische Habitatspektrumeines natürlichen Tieflandsflusses. Die star-ken Veränderungen der hydrologischenMerkmale des Flusses haben zu weitreichen-den Veränderungen der Standortverhältnissein der Aue mit einer starken Reduzierung dernatürlichen Auendynamik geführt, wodurchim Vergleich zum Ausgangszustand be-trächtliche Veränderungen in der Vegeta-tionsdecke und im Artenbestand verursachtwurden. Dennoch bieten die Auenlebens-räume des NSG auch heute noch einer gro-ßen Zahl von naturraumtypischen Tier- undPflanzenarten Lebensraum.Aktuelle Beeinträchtigungen von Offenland-biotopen des NSG resultieren u. a. aus einer

1 Arten des Anhangs II der FFH-Richtlinie

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abschnittsweise zu intensiven Grünlandnut-zung (zu starke Beweidung, Düngung, Fut-terpflanzeneinsaat, Entwässerung, Bewei-dung von trittempfindlichen Nass- und Tro-ckenstandorten usw.), örtlich fehlender Aus-koppelung von Gewässer- und Gehölzbioto-pen in Weideflächen (Tritt- und Verbissschä-den), Nutzungsauflassung artenreicherGrünland- und Magerrasenflächen, Freizeit-nutzung, überhöhten Wildbeständen (starkeWühlschäden durch Schwarzwild in artenrei-chen Grünlandflächen) und jagdlichen Akti-vitäten (Kirrungen und Ansitze in empfind-lichen Feucht- und Trockenbereichen).Als Beeinträchtigungen der Waldbiotope imNSG sind u. a. der hohe Anteil eintönigstrukturierter Kiefern-Altersklassenbeständeauf den Talsandflächen (potenzielle Eichen-mischwaldstandorte), örtliche Ausbreitungvon florenfremden Gehölzarten (Robinie,Spätblühende Traubenkirsche), naturferneBestockung von Teilen der Schwarzberge(teilweise gebietsfremde Arten, Strukturver-armung) sowie überhöhte Schalenwildbe-stände (gestörte Bodenvegetation, stark ein-geschränkte Naturverjüngung) anzuführen.

Maßnahmen- und Pflegebedarf

In der Aue ist die Sicherung von flurnahenGrundwasserständen von essenzieller Be-deutung für den Erhalt der Artenvielfalt.Langfristig ist eine Renaturierung der Spree

mit nutzungsfreien Gewässerrandstreifenund die Wiederherstellung einer naturnahenAuendynamik anzustreben.Zum Erhalt und zur Verbesserung der Arten-vielfalt in den Grünlandflächen des NSG isteine Extensivierung der Grünlandnutzungmit teilweiser Umstellung von Weide- aufMähwiesennutzung, Umbruchverbot, Redu-zierung der Düngung und ggf. Anpassungder Nutzungstermine an die Bedürfnisse be-stimmter Arten erforderlich. Ufer-, Röhricht-und Gehölzbereiche sind bei einer ord-nungsgemäßen Weidenutzung grundsätz-lich auszukoppeln. Magerrasen der Talsand-flächen und artenreiche Extensivwiesen derNiederung bedürfen einer Erhaltungspflege.Die Freizeitnutzung (Sportangelei, Wasser-sport, Naherholung) ist so zu steuern, dassBeeinträchtigungen von Biotopen und Arten

in vertretbaren Grenzen gehalten werden.Ein wesentliches Ziel der Jagd muss eine bio-topangepasste Bestandsregulierung vonSchwarz- und Schalenwild sein. Eine Beein-trächtigung empfindlicher Feucht- und Tro-ckenbiotope durch jagdliche Einrichtungenmuss künftig unterbleiben.Alle Waldflächen des Gebiets sind in Rich-tung einer standorttypischen autochthonenGehölzartenzusammensetzung und Strukturzu entwickeln (inkl. gut ausgebildeter Wald-mäntel und angemessener Totholzanteile).Naturnahe Waldbestände der Schwarzber-ge, der Talsandböschungen und der Sukzes-sionsflächen des Raßmannsdorfer Werderssollten dauerhaft aus der forstlichen Nut-zung entlassen werden.

Dipl. Biol. Armin Herrmann

Abb. 2

Die ehemals militärischgenutzte TalsandflächeRaßmannsdorfer Wer-der mit aufgelassenemSandtrockenrasen undnaturnaher Gehölzsuk-zession

Foto: Armin Herrmann

RECHT UND GESETZ

URTEIL DES EUGH VOM 30.01.2002, RECHTSSACHE (RS.) C-103/001

(KOMMISSION GEGEN HELLENISCHE REPUBLIK)

Schutz der Meeresschildkröte Caretta caretta

vitäten, durch die ihre Fortpflanzungsstättengeschädigt oder zerstört werden können,verhindern soll.

2 Fachlicher Hintergrund

Caretta caretta gibt es auf der Erde seit 80Millionen Jahren. Sie legt nur alle zwei bis drei Jahre Eier. Zur Ei-ablage kehrt sie an den Ort zurück, wo sieselbst geschlüpft ist4. Die Insel Zákynthos und der Ort der Zu-widerhandlung, das Gebiet der Bucht vonLaganas, umfassen 75 km Strand. Nur 5 km

dieses Strandes sind Legeplätze für die Mee-resschildkröte. Gleichwohl ist die Bucht vonLaganas auf Zákynthos für die Fortpflanzungdieser Art ein wichtiges - wenn nicht daswichtigste - Gebiet im Mittelmeer. Die Legezeit beginnt Ende Mai und endet mitAblauf des August. Die Schildkröten kom-men während dieser Zeit nachts aus demWasser und suchen den trockensten Teil desStrandes auf. Dort graben sie ein 40 bis 60cm tiefes Loch, legen durchschnittlich 120Eier und kehren dann sofort wieder in dasMeer zurück. Zwei Monate später schlüpfen

1 Klageart und Urteilsformel

Dem Urteil lag eine Vertragsverletzungskla-ge2 der Kommission gegen die HellenischeRepublik (Griechenland) zugrunde. DerEuGH stellte fest, dass das Land gegen dieVerpflichtungen aus Art. 12 (1) b) und d) derFFH-RL3 verstoßen hat. Es wurden innerhalbder gesetzten Frist nicht die erforderlichenMaßnahmen ergriffen, um ein strengesSchutzregime für die Meeresschildkröte Ca-retta caretta auf der Insel Zákynthos einzu-führen, das für diese Art Störungen währendder Fortpflanzungszeit sowie sonstige Akti-

1 veröffentlicht in EuGH, Sammlg. 2002, I-14472 gem. Art. 226 (2) EGV (Vertrag zur Gründung der

Europäischen Gemeinschaft); siehe zum vorge-schalteten Vorverfahren unter Ziffer 4. im Haupt-text und in Fußnote (5)

3 FFH-RL – (Flora-Fauna-Habitat-Richtlinie), Richt-linie des Rates v. 21.05.1992 über die Erhaltungder natürlichen Lebensräume sowie der wild le-benden Tier- und Pflanzenarten, 92/43/EWG,ABl. EG Nr. L 206, S. 7, zuletzt geändert: ABl. EG1995, Nr. L S. 1

4 Die unter 2. enthaltenen – unstreitigen – fach-lichen Informationen wurden dem Schlussantragdes Generalanwalts Léger v. 25.10.2001/Rs. C-103/00 entnommen. Der fachliche Hintergrundist dort etwas detaillierter ausgeführt als im Urteilselbst. Nach Art. 222 EGV wird der EuGH vonmindestens 8 Generalanwälten unterstützt. DieUnterstützung besteht darin, dass der Generalan-walt zu den beim EuGH anhängigen Rechtssachenöffentlich und in völliger Unparteilichkeit und Un-abhängigkeit begründete Schlussanträge stellt.

Darin beurteilt er die Rs. aus seiner Sicht und bean-tragt abschließend, sie in bestimmter Weise zu ent-scheiden. Für den Gerichtshof sind die Schlussan-träge nicht bindend. In der Praxis folgt der EuGH je-doch oft den Anträgen der Generalanwälte. Nichtselten sind die Ausführungen der Generalanwältejuristisch exakter und inhaltsreicher als die letztlichallein bindenden Entscheidungen des EuGH. Die In-stitution des Generalanwalts hat eine vergleichbareEinrichtung des französischen Rechts zum Vorbild.Die Generalanwälte werden nach den für die Rich-ter geltenden Grundsätzen ernannt.

NATURSCHUTZ UND LANDSCHAFTSPFLEGE IN BRANDENBURG 12 (4) 2003 155

die kleinen Schildkröten, kommen in einerVollmondnacht aus dem Sand hervor undlaufen sofort zum Meer. Dieser Weg mussohne Hilfe bewerkstelligt werden und gilt alsder schwierigste ihres Lebens. In dieser Pha-se sind sie sehr verwundbar. Von ca. 1.000geschlüpften Jungtieren erreichen nur 1 oder2 das Erwachsenenalter, d. h. 30 Jahre.Die Entwicklung dieser Tierart wird nebenden natürlichen Hindernissen hauptsächlichdurch den Menschen behindert. Vor allemdie mit dem Tourismus zusammenhängen-den Aktivitäten führen dazu, dass die Brut-strände beschädigt oder vernichtet werden.Um ausreichend Unterkünfte anbieten zukönnen, nimmt die Bebauung zu. Dies führtzu steigenden Umweltbelastungen, wie z. B.Lärm und Licht, die wiederum die Eiablage,die Brutzeit und den Weg der geschlüpftenJungtiere in das Meer stören. So werden dieSchildkröten durch die Lichter erschreckt undverwirrt. Sie wagen sich dann nicht auf denStrand und legen die Eier im Meer oder in Eileab, ohne vorher ein Nest zu graben, das nö-tig ist, damit sich die Eier normal entwickelnkönnen. Anstatt dem natürlichen Licht desHorizonts zuzustreben, bewegen sich dieSchildkröten in Richtung der beleuchtetenHotels oder Restaurants und sterben. Auch sonst führt die mit dem Tourismus ver-bundene zunehmende Erschließung derStrände zu Störungen und Beeinträchtigun-gen. Sonnenschirme und Liegestühle verrin-gern z. B. die Legeplätze; die Gelege werdenzerstört oder dem Schatten ausgesetzt, waseine ausreichende Bebrütung unmöglichmacht. Tiere, die versuchen, auf dem Strandihre Eier abzulegen, werden von Booten undMenschen verletzt. Fahrzeuge auf den Strän-den zerdrücken den Sand und stören damitebenfalls die Eiablage, die Brut und dasSchlüpfen. Schließlich können auch Abfälleim Meer und auf den Stränden ursächlich fürden Tod der Schildkröten sein, da sie mitNahrung verwechselt werden.

3 Rechtlicher Rahmen

Die FFH-RL hat zum Ziel, zur Sicherung derArtenvielfalt durch die Erhaltung der natür-lichen Lebensräume sowie der wild lebendenTiere und Pflanzen im europäischen Vertrags-gebiet der Mitgliedstaaten beizutragen (s.Art. 2 (1) FFH-RL). Die auf Grund dieser RLgetroffenen Maßnahmen zielen darauf ab,einen günstigen Erhaltungszustand des ge-nannten Schutzgutes von gemeinschaftli-chem Interesse zu bewahren oder wiederherzustellen (s. Art. 2 (2) FFH-RL). Art. 12 FFH-RL bestimmt, dass Mitgliedstaa-ten die notwendigen Maßnahmen treffen,um ein strenges Schutzregime für die in An-hang IV a) FFH-RL genannten Tierarten inderen natürlichen Verbreitungsgebieten ein-zuführen. Die Meeresschildkröte C. carettagehört zu den in Anhang IV a) FFH-RL ge-nannten Arten. Das Schutzregime für dieseArten verbietet nach Art. 12 (1) FFH-RLa) alle absichtlichen Formen des Fangs und

der Tötung von aus der Natur entnom-menen Exemplaren dieser Arten;

b) jede absichtliche Störung dieser Arten,insbesondere während der Fortpflan-zungs-, Aufzucht-, Überwinterungs- undWanderungszeiten;

c) jede absichtliche Zerstörung oder Ent-nahme von Eiern aus der Natur;

d) jede Beschädigung oder Vernichtung derFortpflanzungs- und Ruhestätten.

Gemäß Art. 23 (1) FFH-RL erlassen die Mit-gliedstaaten die erforderlichen Rechts- undVerwaltungsvorschriften, um dieser Richtliniebinnen 2 Jahren nach ihrer Bekanntgabenachzukommen und setzen die Kommissionunverzüglich davon in Kenntnis. Da die FFH-RL im Juni 1992 bekannt gemacht wurde,war diese Frist im Juni 1994 abgelaufen.

4 Vorverfahren

Im Vorfeld der Klageerhebung wurde derKommission von Nichtregierungsorganisatio-nen die Verschlechterung der Erhaltungsbe-dingungen von C. caretta auf der griechi-schen Insel Zákynthos gemeldet. Die Kom-mission nahm dies zum Anlass, gem. Art. 226(1) EGV ein sog. Vorverfahren zu einer mög-lichen Vertragsverletzungsklage einzuleiten5.Sie bat die griechischen Behörden zunächstformlos um Informationen über die Maßnah-men zum Schutz dieser Arten. Im Rahmen ei-ner Inspektionsreise wurde vor Ort festge-stellt, dass eine Überwachung und Beschilde-rung der Strände fehlte, Tretboote und ande-re Boote vorhanden waren, die in diesemMeeresgebiet nicht verkehren dürfen, aufverschiedenen Stränden viele Sonnenschirmeund Liegestühle standen und am Strand vonDaphni illegale Bauwerke und neue Einrich-

tungen zu verzeichnen waren. Nach einemerfolglosen Mahnschreiben richtete die Kom-mission schließlich eine „mit Gründen verse-hene Stellungnahme“ an die Hellenische Re-publik. Sie wiederholte darin die in ihremMahnschreiben enthaltenen Rügen hinsicht-lich eines Verstoßes gegen Art. 12 FFH-RLwegen unzureichender Schutzmaßnahmenund forderte den Mitgliedstaat auf, der Stel-lungnahme innerhalb einer gesetzten Frist(hier von 2 Monaten) nach ihrer Zustellungnachzukommen. Die Antwort Griechenlandsund eine zweite Inspektion vor Ort führtenicht dazu, dass die Kommission ihre Auffas-sung änderte und sie erhob nach dem erfolg-los durchgeführten Vorverfahren deshalbbeim EuGH die Vertragsverletzungsklage.

5 Klageanträge undUrteilsbegründung im Einzel-nen

5.1 Unzureichender rechtlicher Rahmenfür den Schutz der Art Caretta caretta

Die Kommission trug beim EuGH vor, die Hel-lenische Republik habe nicht innerhalb dergesetzten Frist einen ausreichenden institu-tionellen Rahmen geschaffen, um einenwirksamen und langfristigen Schutz derMeeresschildkröte zu gewährleisten.Griechenland berief sich zunächst darauf,dass das erforderliche strenge Schutzregimemit dem am 22.12.1999 erlassenen Präsidial-dekret eingeführt bzw. vervollständigt wor-den sei. Mit dem Dekret wurden die Land-und Meeresgebiete der Bucht von Laganassowie die Inseln von Strofada als nationaleMeeresparks und das Küstengebiet der Ge-meinden Zákynthos und Laganas als Regio-nalpark ausgewiesen. Nach ständiger Rechts-prechung des EuGH ist jedoch das Vorliegeneiner Vertragsverletzung anhand der Situa-tion zu beurteilen, in der sich der Mitglied-staat bei Ablauf der Frist befand, die von derKommission in der „mit Gründen versehenenStellungnahme“ im Vorverfahren festgesetztwurde6. Später eingetretene Veränderungenkönnen vom EuGH nicht mehr berücksichtigtwerden. Da die genannte Frist im vorliegen-den Fall bereits am 15. August 1999 abgelau-fen war, konnte das Dekret vom 22.12.1999,dem die griechische Regierung einen erheb-lichen Teil ihrer Schriftsätze gewidmet hatte,nicht mehr zu Gunsten des beklagten Mit-gliedstaates herangezogen werden.Darüber hinaus konnte die griechische Regie-rung lediglich eine Reihe von Rechts- undVerwaltungsvorschriften aufzählen, die am14. August 1999 galten, ohne eine spezielleVorschrift zu nennen, die geeignet wäre, dieAnforderungen des Art. 12 (1) b), d) FFH-RLzu erfüllen. Griechenland bestritt im Ge-richtsverfahren nicht, dass nach den eigenenFeststellungen des griechischen Staatsrats –enthalten in einem Bericht, der dem Entwurf

Abb. 1

Das Präparat von Caretta caretta wurde 1996in einem Asia-Imbiss-Shop in Rathenow be-schlagnahmt. Es sollte dort für einen Preisvon 999,- DM verkauft werden.

Foto: J. Lippert

5 Die Kommission handelte hier in ihrer Funktion als„Wächterin des EG-Vertrages“. Hat nach Auffas-sung der Kommission ein Mitgliedstaat gegen eineVerpflichtung aus dem EGV verstoßen – zu denVerpflichtungen des Vertrages gehört auch diefristgerechte Umsetzung von EU-Richtlinien – sokann sie ein sog. Vertragsverletzungsverfahreneinleiten. Dieses gliedert sich in ein außergericht-liches Vorverfahren (Art. 226 (1) EGV) und dassich bei dessen Erfolglosigkeit anschließende Kla-geverfahren vor dem EuGH (Art. 226 (2) EGV).Der EuGH beurteilt das Vorliegen etwaiger Ver-tragsverstöße selbstverständlich unabhängig vonder Auffassung der Kommission.

6 vgl. z. B. EuGH, U. v. 18.03.1999, Rs. C-166/97,Kommission/Frankreich, Slg. 1999, I-1719, Rn 18,und U. v. 11.09.2001, Rs. C-220/99, Kommis-sion/Frankreich

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des o. g. Präsidialdekrets beigefügt war - dieseinerzeitigen, d. h. die vor dem 22.12.1999geltenden Vorschriften es nicht erlaubten,den wirksamen Schutz der Meeres- undLandgebiete der Bucht von Laganas im erfor-derlichen Umfang sicherzustellen. Als zusätz-liche Regelungen befürwortete der Staatsratvielmehr ein Verbot nicht nur der Öffnungneuer Zufahrtswege zu diesen Stränden, son-dern auch ein Verbot der Schaffung von In-frastrukturanlagen wie Kiosken, Zelten oderParkplätzen.Die griechische Regierung trug zwar vor, dassnach den zur Verfügung stehenden Datenüber das Legeverhalten der Meeresschildkrö-te die Zahl der Nester in der Bucht von La-ganas in den letzten 15 Jahren nicht nach-weisbar zurückgegangen sei. Dieser Um-stand konnte jedoch nach Auffassung desEuGH die Feststellung des Vertragsverstoßesnicht in Frage stellen7. Er gab deshalb der Kla-ge der Kommission in diesem Punkt statt.

5.2 Unzureichende konkrete Maßnah-men zum Schutz der Art Caretta ca-retta

Die Kommission warf Griechenland zudemvor, dass es keine konkreten Maßnahmen er-griffen habe, um die vor Ort zu verzeichnen-den schädlichen Einwirkungen auf die Schild-kröten zu verhindern. Sie verwies dabei aufihre Inspektionen an den Fortpflanzungs-stränden auf der Insel. Dort wurde bei derzweiten Dienstreise Ende August 1999 zwarein relativer Fortschritt gegenüber dem vor-angegangenen Besuch (s. o. Ziffer 4.) festge-stellt, namentlich das Vorhandensein vonAufsehern und Hinweisschildern auf denStränden, die Herausgabe und Verteilungvon Informationsbroschüren sowie die Inbe-triebnahme eines Kontroll-Schnellbootes.Andererseits stellten sie u. a. den Verkehr vonMopeds auf dem Sandstrand östlich von La-ganas, Tretboote und kleine Boote im Mee-resgebiet von Gerakas und Daphni sowie ille-gale Bauwerke auf dem Strand von Daphnifest. - Nach den Feststellungen des EuGH ist dasFahren von Mopeds auf einem Fortpflan-zungsstrand von C. caretta insbesondere aufGrund der Lärmbelästigungen geeignet, dieArt während der Brutzeit und des Schlüpfensder Jungen wie auch auf ihrem Weg zumMeer zu stören. Der EuGH entnahm den Ak-ten, dass zur Zeit der von den Dienststellender Kommission getroffenen Feststellungender Verkehr von Mopeds auf den Fortpflan-zungsstränden verboten war und die aufge-stellten Schilder auf das Vorhandensein vonSchildkrötennestern auf diesen Stränden hin-wiesen. Das Meeresgebiet von Gerakas undvon Daphni war bereits als absolute Schutz-zone eingestuft worden und auch dort gab eseine spezielle Beschilderung. Vor diesem Hintergrund stufte der EuGH denVerkehr von Mopeds auf dem Sandstrand

östlich von Laganas sowie das Vorhanden-sein von Tretbooten und kleinen Booten imMeeresgebiet von Gerakas und Daphni alsabsichtliche Störungen der betroffenen Tier-art während der Fortpflanzungszeit im Sinnedes Art. 12 (1) b) FFH-RL ein8. - Zudem sah der EuGH in den Anlegestellenin der Nähe der Fortpflanzungsstrände eineGefahrenquelle für das Leben und die kör-perliche Unversehrtheit der Tiere. Er bewer-tete das Vorhandensein von Bauwerken aufeinem Fortpflanzungsstrand wie den vonDaphni als geeignet, eine Beschädigung oderVernichtung der Fortpflanzungsstätte im Sin-ne des Art. 12 (1) d) FFH-RL herbeizuführen. Wie der EuGH betonte, handelte es sich beiden genannten Verstößen nicht um Einzelfäl-le. Dies ergab sich im Hinblick auf den Mo-pedverkehr aus den eigenen Angaben dergriechischen Regierung, die behauptet hatte,die nächtliche Überwachung des östlichenTeils des Strandes von Laganas sei seinerzeitin Anbetracht seiner Ausdehnung, der gro-ßen Zahl von Zugängen und der geringenZahl von Wächtern sehr schwer zu bewerk-stelligen gewesen. Was die erwähnten Anle-gestellen betrifft, weist der EuGH darauf hin,dass diese bei beiden Besuchen der Kommis-sion in dem betreffenden Meeresgebiet fest-gestellt wurden.Der EuGH gab deshalb der Klage der Kom-mission auch im zweiten Punkt statt.

6 Bedeutung des Urteils

6.1 Präzisierung des Begriffs der Absicht-lichkeit

Das Urteil des EuGH hat Bedeutung für dieAuslegung des § 43 (4) Bundesnaturschutz-gesetz (BNatSchG). Dieser enthält Legalaus-nahmen zu den in § 42 (1) BNatSchG enthal-tenen Zugriffs- und Störungsverboten für be-sonders geschützte Tier- und Pflanzenarten.Nach § 43 (4) BNatSchG gelten diese arten-schutzrechtlichen Verbote nicht für den Fall,dass die Handlungen– bei der guten fachlichen Praxis und den

in § 5 (4) bis (6) BNatSchG genanntenAnforderungen entsprechenden land-,forst- und fischereiwirtschaftlichen Bo-dennutzung und bei der Verwendung derdabei gewonnenen Erzeugnisse

– oder bei der Ausführung eines nach § 19BNatSchG zugelassenen Eingriffs

– bei der Durchführung einer Umweltver-träglichkeitsprüfung nach dem Gesetzüber die Umweltverträglichkeitsprüfung9

– oder einer nach § 30, d. h. im Rahmendes gesetzlichen Biotopschutzes zugelas-senen Maßnahme vorgenommen wer-den.

Die Legalausnahme gilt aber ausdrücklich nur- und dies ist der Punkt, für den die Entschei-dung des EuGH bedeutsam wird - „soweithierbei Tiere einschließlich ihrer Nist-, Brut-,

Wohn- oder Zufluchtstätten und Pflanzender besonders geschützten Arten nicht ab-sichtlich beeinträchtigt werden. Bei absicht-lichen Beeinträchtigungen gelten also weiter-hin die Zugriffs- und Störungsverbote. Im Schrifttum wurde seit geraumer Zeit dis-kutiert, unter welchen Bedingungen eineabsichtliche Beeinträchtigung im Sinne dervorgenannten Rückausnahme anzunehmenist. Auch das Bundesverwaltungsgericht(BVerwG) hat sich zum Verständnis des Ab-sichtsbegriffs bereits geäußert10. Nach straf-rechtlichem Verständnis bedeutet absichtli-ches Handeln eine besondere Stufe des Vor-satzes (sog. dolus directus 1. Grades). DemTäter muss es gerade darauf ankommen,den schädigenden Erfolg zu erreichen11. DerErfolg muss das eigentliche Ziel seines Han-delns sein. Dies ist der Fall, wenn der Täterz. B. zielgerichtet mit einem LuftgewehrSpatzen erschießen will. Ein Landwirt, der z.B. auf Grund entsprechender Hinweise derNaturschutzverwaltung weiß, dass in sei-nem Getreideacker eine Wiesenweihe brü-tet, der aber trotzdem an dieser Stelle mitder Ernte fortfährt, würde nach diesem Ver-ständnis dagegen nicht „absichtlich“ han-deln. Seine Tätigkeit wäre unter dem Ge-sichtspunkt des eigentlichen Zieles seinerHandlung, nämlich der „landwirtschaft-lichen Bodennutzung“, gem. § 43 (4)BNatSchG von den artenschutzrechtlichenVerboten freigestellt. Die Diskussion imSchrifttum ging dahin, inwieweit für § 43(4) BNatSchG (bzw. dem Vorläufer in § 20 f(3) BNatSchG a.F.) der enge strafrechtlicheBegriff der Absicht zu Grunde zu legen istoder aber eine weitere Auslegung angezeigtist. Insbesondere war fraglich, ob die Vor-satzformen der „Wissentlichkeit“ (dolus di-rectus 2. Grades) und des sog. „bedingtenVorsatzes“ (dolus eventualis) ausreichendsind. Ist in Strafvorschriften ohne weitereEinschränkungen vom Erfordernis einer vor-sätzlichen Handlung die Rede, reichen„Wissentlichkeit“ oder „bedingter Vorsatz“aus. Absichtliches Handeln ist nicht erfor-derlich. Bei wissentlichem Handeln hat dieHandlung des Täters ein anderes Ziel. DerTäter weiss aber oder sieht es als sicher vor-aus, dass er dabei ein strafbewehrtesRechtsgut schädigt und handelt trotzdem12.Bedingter Vorsatz liegt vor, wenn der Tätermit dem schädigenden Erfolg seines Han-delns rechnet (er weiß es nicht sicher) undihn billigend in Kauf nimmt13.

7 zur Herleitung und Bedeutung dieser Beurteilungs. unter 6.2 des Haupttextes

8 zur Bedeutung dieser Aussage siehe unter 6.1 desHaupttextes

9 damit sind nicht die behördlichen Prüfungen imBüro gemeint, sondern die zuvor erforderlichen

Kartierungen und Bestandsaufnahmen, s. Verfas-ser in „Naturschutz und Landschaftspflege inBrandenburg“ (N und L) (1) 2003, S. 13, 18 unterZiffer 20

10 Rspr./Lit zum Absichtsbegriff s. GELLERMANN, (Na-tur und Recht [NuR] ) 2003, 385, 388, Fußn. 38

11 Absicht vgl. TRÖNDLE/FISCHER, Kommentar zumStrafgesetzbuch (StGB), 49. Aufl., Beck-Verlag,München, 1999, § 15, Rn 6

12 vgl. TRÖNDLE/FISCHER, StGB, § 15, Rn 7, 813 vgl. TRÖNDLE/FISCHER, StGB, § 15, Rn 9; hält der

Täter den Erfolg für möglich, ist er mit der alsmöglich erkannten Folge aber nicht einverstandenund vertraut deshalb auf ihren Nichteintritt, liegtnur (bewusste) Fahrlässigkeit vor. Da bedingterVorsatz und bewusste Fahrlässigkeit eng beiein-ander liegen, aber sehr unterschiedliche Folgen

NATURSCHUTZ UND LANDSCHAFTSPFLEGE IN BRANDENBURG 12 (4) 2003 157

Die Aufnahme der Rückausnahme in die Vor-schrift des § 43 (4) BNatSchG geht darauf zu-rück, dass die FFH-RL und auch die Vogel-schutzrichtlinie eben jegliche „absichtlichen“Beeinträchtigungen untersagen (s. o. Ziffer3.). Entscheidend für die Auslegung des Ab-sichtsbegriffs ist deshalb die Auffassung desEuGH. In der Caretta-Entscheidung hat derEuGH zu der nötigen gemeinschaftskonfor-men Auslegung wichtige Vorgaben gegeben.Er befand, dass das Befahren des Brutstrandesder Meeresschildkröte mit Motorrädern (unddas Aufstellen von Liegestühlen) trotz einerBeschilderung, die auf das Vorhandensein vonSchildkrötengelegen aufmerksam macht, eineabsichtliche Störung i. S. d. Art. 12 (1) b) FFH-RL beinhaltet. Auf die Intention des Handeln-den oder die Zielgerichtetheit des Handelnskommt es demnach nicht an. Entscheidend ist,ob das Handeln in Kenntnis aller Umstände,also im Bewusstsein des Vorkommens der ge-schützten Arten und der beeinträchtigendenWirkung der Handlung erfolgt. Das Merkmalder Absicht liegt daher schon immer dann vor,wenn der Handlungserfolg erkannt, die denErfolg bewirkende Handlung aber gleichwohlvorgenommen wird14. „Wissentliche“ Hand-lungen sind also „absichtliche“ Handlungen i.S. des § 43 (4) BNatSchG. Der Landwirt im o.g. Fall handelt demnach „absichtlich“ undverstösst gegen die artenschutzrechtlichenZugriffs- und Störungsverbote15. Über die

Frage, ob bedingter Vorsatz ausreicht, hatteder EuGH nicht zu entscheiden16.

6.2 Bestätigung des präventiven Charak-ters von Art. 12 FFH-RL

Nach der zutreffenden Auffassung des EuGHkonnte der Umstand, dass nach den zur Ver-fügung stehenden Daten über das Legever-halten von C. caretta die Zahl der Nester inder Bucht von Laganas in den letzten 15 Jah-ren nicht nachweisbar zurückgegangen sind,die Feststellung des Vertragsverstoßes nichtin Frage stellen. Eine nähere Begründung fürdiese Auffassung bleibt das Gericht schuldig.Überzeugend ist hier der Schlussantrag desGeneralanwalts Philippe Léger vom25.10.200117. Der Generalanwalt weist aufden nach Art. 2 (2) FFH-RL zu bewahrendenoder wieder herzustellenden günstigen Erhal-tungszustand der natürlichen Lebensräumeund wild lebenden Tier- und Pflanzenartenhin und präzisiert dies durch die in Art. 1 i)FFH-RL enthaltene Legaldefinition zum„günstigen Erhaltungszustand18. Wie er zu-treffend bemerkt, geht aus diesen Bestim-mungen hervor, dass die Verpflichtungen der

Mitgliedstaaten aus Art. 12 FFH-RL schonbestanden, bevor eine Abnahme der Zahl derbetreffenden Art, der Schildkröte, festgestelltwird und bevor sich die Gefahr des Ver-schwindens dieser geschützten Art konkreti-siert hat. Die zu treffenden Maßnahmen ha-ben also im Wesentlichen präventiven Char-akter. Die Zusammenschau der Bestimmun-gen ergibt weiterhin, dass unter einem stren-gen Schutzregime für eine Tierart von ge-meinschaftlichem Interesse alle zusammen-hängenden und aufeinander abgestimmtenMaßnahmen mit präventivem Charakter zuverstehen sind, die die Population der betref-fenden Art in einem natürlichen Lebens-raumtyp, dem sie angehören, langfristig be-wahren oder wieder herstellen. Vorausset-zung dafür ist, dass für die betreffende Artein hinreichend großer Lebensraum vorhan-den ist. Deshalb muss Griechenland, um denVerpflichtungen aus der FFH-RL zu genügen,eine Reihe konkreter und bestimmter Maß-nahmen erlassen, die dazu gedacht sind, dieAbnahme der Population präventiv zu ver-hindern, indem sie u. a. den Schildkröten dieBewahrung ihrer Fortpflanzungsstätten in ei-nem günstigen Erhaltungszustand sichertund zwar unabhängig davon, ob es einen Be-weis dafür gibt, dass bereits in jüngster Ver-gangenheit die Anzahl der Gelege auf der In-sel zurückgegangen ist.

Olaf HeuserLandesumweltamt, Referat N 4

haben können, ergeben sich im Strafrecht für denTatrichter besondere Anforderungen bei der Fest-stellung der „inneren Willensrichtung“ des Täters,vgl. TRÖNDLE/FISCHER, StGB, § 15, Rn 9ff)

14 so zutreffend auch GELLERMANN, NuR 2003, 385,388

15 Auch bei Vorhabenszulassungen, die der Eingriffs-regelung unterliegen (z. B. Straßenplanung), kanntrotz eines zugelassenen Eingriffs die Legalaus-nahme des § 43 (4) BNatSchG an der im Lichte derEuGH-Entscheidung vorgenommenen Auslegungder Absichtlichkeit scheitern; in welchem Ausmaß

dies der Fall ist, ist gerichtlich noch nicht einge-hend behandelt worden. vgl. hierzu GELLERMANN,NuR 2003, 385 ff mit einer potenziell sehr weit-gehenden Auffassung zum Ausschluss der Legal-ausnahme

16 Zu beachten ist hier, dass die Urteile des EuGHnicht den Begriffsbildungen des deutschen Rechtsverpflichtet sind; andere Rechtsordnungen habendurchaus unterschiedliche Begriffsbildungen fürdie subjektive Einstellung des Handelnden zu sei-ner Tat.

17 zur Funktion des Generalanwalts s. Fußnote (5)

18 Nach Art. 1 i) FFH-RL wird zunächst vorausge-setzt, dass auf Grund der Daten über die Popula-tionsdynamik der Art anzunehmen ist, dass sie einlebensfähiges Element ihres natürlichen Lebens-

raumes bildet und langfristig bilden wird. Zum an-deren darf das natürliche Verbreitungsgebiet die-ser Art weder gegenwärtig abnehmen noch in ab-sehbarer Zeit vermutlich abnehmen. Schließlichmuss ein genügend großer Lebensraum vorhan-den und wahrscheinlich weiterhin vorhanden sein,um langfristig ein Überleben der Population dieserArt zu sichern.

RECHTS- UND VERWALTUNGSVORSCHRIFTEN

Verordnungen

Verordnung über das Naturschutzgebiet„Schwarzberge und Spreeniederung“vom 17. Dezember 2002Gesetz- und Verordnungsblatt für dasLand Brandenburg Teil II - Nr. 13 vom 2. Juni 2003, S. 262

Verordnung über das Naturschutzgebiet„Klienitz“ vom 19. Dezember 2002 Gesetz- und Verordnungsblatt für dasLand Brandenburg Teil II - Nr. 12 vom23. Mai 2003, S. 242

Verordnung über das Naturschutzgebiet„Hutung Sähle“ vom 20. Dezember2002 Gesetz- und Verordnungsblatt für dasLand Brandenburg Teil II - Nr. 12 vom23. Mai 2003, S. 247

Verordnung über das Naturschutzgebiet

„Spreewiesen südlich Beeskow“ vom20. Dezember 2002 Gesetz- und Verordnungsblatt für dasLand Brandenburg Teil II - Nr. 13 vom 2.Juni 2003, S. 269

Verordnung über das Naturschutzgebiet„Bullenberger Bach/Klein BriesenerBach“ vom 23. Dezember 2002 Gesetz- und Verordnungsblatt für dasLand Brandenburg Teil II - Nr. 12 vom23. Mai 2003, S. 252

Verordnung über das Naturschutzgebiet„Felchowseegebiet“ vom 23. Dezember2002 Gesetz- und Verordnungsblatt für dasLand Brandenburg Teil II - Nr. 13 vom 2.Juni 2003, S. 275

Verordnung über das Naturschutzgebiet„Charlottenhöhe“ vom 6. Februar 2003 Gesetz- und Verordnungsblatt für das

Land Brandenburg Teil II - Nr. 13 vom 2.Juni 2003, S. 281

Verordnung über das Naturschutzgebiet„Gohrische Heide“ vom 24. Februar2003 Gesetz- und Verordnungsblatt für dasLand Brandenburg Teil II - Nr. 19 vom28. Juli 2003, S. 422

Verordnung über das Naturschutzgebiet„Zützener Busch“ vom 17. März 2003Gesetz- und Verordnungsblatt für dasLand Brandenburg Teil II - Nr. 14 vom17. Juni 2003, S. 290

Vierte Verordnung zur Änderung derVerordnung über das Landschaftsschutz-gebiet „Norduckermärkische Seenland-schaft“ vom 20. März 2003Gesetz- und Verordnungsblatt für dasLand Brandenburg Teil II - Nr. 14 vom17. Juni 2003, S. 295

158 NATURSCHUTZ UND LANDSCHAFTSPFLEGE IN BRANDENBURG 12 (4) 2003

Dritte Verordnung zur Änderung derVerordnung über das Landschaftsschutz-gebiet „Dahme-Heideseen“ vom 24.März 2003Gesetz- und Verordnungsblatt für dasLand Brandenburg Teil II - Nr. 10 vom29. April 2003, S. 170

Verordnung über das Naturschutzgebiet„Oberes Pfefferfließ“ vom 14. April2003Gesetz- und Verordnungsblatt für dasLand Brandenburg Teil II - Nr. 14 vom17. Juni 2003, S. 299

Verordnung über das Naturschutzgebiet„ Plattenburg“ vom 16. April 2003 Gesetz- und Verordnungsblatt für dasLand Brandenburg Teil II - Nr. 15 vom24. Juni 2003, S. 310

Verordnung über das Naturschutzgebiet„Oderhänge Mallnow“ vom 18. April2002 Gesetz- und Verordnungsblatt für dasLand Brandenburg Teil II - Nr. 15 vom24. Juni 2003, S. 316

Verordnung zur Bestimmung der unab-hängigen Stelle nach § 15 Abs. 5 derTrinkwasserverordnung vom 20. Mai2003 Gesetz- und Verordnungsblatt für dasLand Brandenburg Teil II - Nr. 15 vom24. Juni 2003, S. 323

Verordnung über das Naturschutzgebiet„Biotopverbund Spreeaue“ vom 21. Mai2003Gesetz- und Verordnungsblatt für das

Land Brandenburg Teil II - Nr. 15 vom24. Juni 2003, S. 323

Verordnung über das Naturschutzgebiet„Harenzacken“ vom 23. Juni 2003 Gesetz- und Verordnungsblatt für dasLand Brandenburg Teil II - Nr. 21 vom26. August 2003, S. 454

Verordnung über das Naturschutzgebiet„Lönnewitzer Heide“ vom 30. Juni 2003 Gesetz- und Verordnungsblatt für dasLand Brandenburg Teil II - Nr. 25 vom17. Oktober 2003, S. 562

Verordnung über das Naturschutzgebiet„Milaseen“ vom 10. Juli 2003 Gesetz- und Verordnungsblatt für dasLand Brandenburg Teil II - Nr. 22 vom16. September 2003, S. 470

KLEINE MITTEILUNGEN

NSG Buhnenwerder-WusterauDie Verordnung über das Naturschutzgebiet(NSG) Buhnenwerder-Wusterau wurde imGesetz- und Verordnungsblatt Teil II Nr. 5vom 11. März 2003 veröffentlicht und tratam Tage nach der Verkündung in Kraft.Das ca. 192 Hektar große NSG liegt im Be-reich der Havelseen in der kreisfreien StadtBrandenburg an der Havel. Dabei handelt essich um die Insel Buhnenwerder und dieHalbinsel Wusterau, umgeben von denWasserflächen des Plauer Sees, des Möser-schen Sees und des Breitlingsees. Aufgrundihrer Lage und Biotopausstattung dienenbeide Inseln einer Vielzahl von wild leben-den Tierarten, darunter Biber und Fischotter,verschiedene Fledermausarten, Wasservögelund Wiesenbrüter, als Lebens-, Nahrungs-und Rückzugsraum. Neben Schwimmblatt-gesellschaften, Röhrichtmooren und reichenFeuchtwiesen kommen im Gebiet auch Wei-dengebüsche und Sandtrockenrasen vor.Auf der Insel Buhnenwerder befindet sichzudem ein in den zwanziger Jahren des letz-ten Jahrhunderts angelegter Landschaft-spark mit seltenen und teilweise exotischenBaumarten. Insbesondere die HalbinselWusterau weist eine hohe Bedeutung alsBrutgebiet für Wiesen- und Wasservögelauf, darunter Bekassine, Uferschnepfe, Rot-schenkel, Reiherente und Löffelente. Schutz-ziel ist die Erhaltung und Entwicklung dieserauf engem Raum vertretenen landschaftsty-pisch ausgeprägten Vielfalt an Lebensräu-men und Arten.St. Klauß

NSG Ketziner HavelinselnDie Verordnung über das Naturschutzgebiet(NSG) Ketziner Havelinseln wurde im Ge-setz- und Verordnungsblatt Teil II Nr. 5 vom11. März 2003 veröffentlicht und trat amTage nach der Verkündung in Kraft. Das ca. 238 Hektar große NSG liegt zu Tei-len in den Gemeinden Ketzin und Zachowim Landkreis Havelland sowie in der Gemeinde Schmergow im Landkreis Pots-dam-Mittelmark und besteht aus einerGruppe von Schwemmsandinseln in einemnaturnah erhaltenen Flussabschnitt der Havel. Die Ketziner Havelinseln sind ge-kennzeichnet durch eine Vielfalt an auenty-pischen Strukturen und Biotopen wie z. B.Flach- und Tiefwasserzonen, Altarme, Buch-ten, breite Verlandungsbereiche und natur-nah ausgeprägte Uferzonen. An schutzwür-digen Pflanzengesellschaften sind hier unteranderem Schwimmblattgesellschaften, Röh-richte, Großseggenriede, Feucht- und Fri-schwiesen, Weidengebüsche und Feucht-wälder anzutreffen, die einer Vielzahl vonzum Teil besonders und streng geschütztenTier (z. B. Großer Brachvogel, Tüpfelsumpf-huhn, Schilfrohrsänger) und Pflanzenarten(z. B. Sumpf-Wolfsmilch, Sumpf-Platterbse,Krebsschere) als Lebens- und Rückzugsraumdienen. Die besondere Schutzwürdigkeit des Gebie-tes ergibt sich unter anderem auch aus demVorkommen von nach Anhang I und II derFauna-Flora-Habitat-Richtlinie geschütztenLebensraumtypen (z. B. Weichholzauenwäl-der, feuchte Hochstaudenfluren, Flachland-Mähwiesen) und Tierarten (z. B. Biber, Fisch-otter, Großes Mausohr, Rotbauchunke,Schlammpeitzger). Das wesentliche Schutzziel ist deshalb die Er-haltung und Entwicklung dieses Gebietesmit seiner Vielfalt an Lebensräumen und Ar-ten und seiner besonderen Eigenart als Teileiner naturnah entwickelten Flusslandschaftder Havel.St. Klauß

Illegaler Verfolgung von Greifvögeln undEulenEin Artikel im „Legal Eagle“, einer Zeitschriftder „Royal Society for the Potection ofBirds“ (RSPB) erinnert an einen der größtenFälle illegaler Verfolgung von Vögeln in derjüngeren Zeit: In einer gemeinsamen Aktionder Landeskriminalämter Sachsen, Branden-burg und dem Landesumweltamt Branden-burg waren im Juni 2001 im brandenbur-gisch-sächsischen Grenzraum 70 illegal ge-haltene, größtenteils der Natur entnommeneGreifvögel und Eulen beschlagnahmt wor-den. Eine kriminelle Bande plünderte Nester vonHabichten, Rotmilanen, Schwarzmilanen,Sperbern und Kolkraben, um die Jungvögelgewinnbringend zu verkaufen. Insgesamtließen sich über 220 Einzelfälle in den zu-rückliegenden fünf Jahren nachweisen. Fastalle der beschlagnahmten Jungvögel konn-ten erfolgreich wieder in der Natur ausgewil-dert werden. Dank der Unterstützung der Kollegen derRSPB, die durch Ihre Information wesentlichzum Verfahren beigetragen haben, konnten13 konfiszierte eben flügge Rotmilane um-gehend nach Schottland überführt und imRahmen des dortigen Wiederansiedlungs-projektes in die Freiheit entlassen werden. Die telemetrische Untersuchung der Vögelzeigte, dass sie überwiegend mittlerweileverpaart sind und in den nächsten JahrenNachwuchs haben werden. Die jüngste Aus-gabe von „Legal Eagle“ teilt allerdings mit,dass einer dieser Milane in Schottland ge-schossen aufgefunden wurde. Somit ist die-ser Vogel sogar zweimal Opfer kriminellerMachenschaften geworden. Auch in Bran-denburg registrierte die Staatliche Vo-gelschutzwarte des Landesumweltamtes inBuckow nicht weniger als zehn geschosseneRotmilane in den letzten zehn Jahren. Dane-ben gab es weitere Fälle von Aushorstung,illegaler Haltung, Tellereiseneinsatz und Ver-giftungsverdacht – Dunkelziffer unbekannt!

NATURSCHUTZ UND LANDSCHAFTSPFLEGE IN BRANDENBURG 12 (4) 2003 159

König, W. (Hrsg) 2003Praxiserfahrungen zur Anwendung des Bo-denschutzrechts II – Vollzugserfahrungenund Regelungen. BVB-Materialien Band 11.Erich Schmidt Verlag, Berlin. 166 S.; ISBN 3 503 07065- 6. Paperback. Preis: 29,80 Euro

Fast 5 Jahre nach der Verabschiedung desBundes-Bodenschutzgesetzes (BBodSchG)und der Bundes-Bodenschutzverordnung(BBodSchV) kann schon mal in die Vergan-genheit zurückgeblickt werden. Das wird zu-nehmend im Rahmen von Veranstaltungenzu Praxis- und Vollzugserfahrungen getan.Und wenn dies – wie im Falle einer Veran-staltung des Umweltministeriums NRW –noch gut dokumentiert wird, dann profitie-ren viele betroffene Fachleute davon. Die inder Reihe BVB-Materialien des Erich SchmidtVerlags erschienenen „Praxiserfahrungenzur Anwendung des Bodenschutzrechts“beinhalten neben Erfahrungsberichten ausder Praxis auch Beiträge zu Vollzugs-, Ar-beits- und Bewertungshilfen und greifenschließlich besondere Fallbeispiele von Bo-denbelastungen, z.B. die Belastungsproble-matik von Wurfscheiben-Schießständen,auf. Für im praktischen Bodenschutz Tätigeein Beitrag zum „Schmökern“.W. Dinkelberg

Feldwisch, N., Hendrischke, O., Schmehl,A. (2003)Gebietsbezogener Bodenschutz- Boden-schutzgebiete, Bodenplanungsgebiete, Bo-denbelastungsgebiete und Bodengefähr-dungsgebiete im Gefüge des Umwelt- undPlanungsrechts – rechtliche und boden-schutzfachliche Grundlagen. Bodenschutz& Altlasten 13. Erich Schmidt Verlag, Berlin.187 S.; ISBN 3 503 07089-3. Paperback.Preis: 34,80 Euro

Systematisch aufbereitet wird die Thematik„Gebietsbezogener Bodenschutz“ in dergleichnamigen Publikation von FELDWISCH/HENDRISCHKE und SCHMEHL. Zu gebiets-bezogenen Regelungen werden die Länderdurch das BBodSchG ermächtigt und habenin ihren Landesgesetzen teilweise auch Ge-

brauch davon gemacht. Die Publikation zeigtdas rechtliche Grundgerüst für den Umgangmit den bodenschutzrechtlichen Instrumen-ten auf und beschreibt die entsprechendenQuerverbindungen zum Umwelt- und Pla-nungsrecht. Interessant sind in diesem Zu-sammenhang insbesondere die Ausführun-gen zu den bodenrelevanten Instrumentendes Naturschutzrechts und deren Verhältniszum bodenschutzrechtlichen Instrumenta-rium. Im zweiten Teil wird auf die boden-schutzfachlichen Aspekte, wie z.B. die Frageder Abgrenzung von Gebieten mit flächen-haften Vollzugsaufgaben des Bodenschutzes,eingegangen. Ein sehr nützliches „Hand-buch“ für all diejenigen, die sich an die Um-setzung der Thematik „Bodenschutzgebiete,Bodenplanungsgebiete, Gebiete mit erhöhtenSchadstoffgehalten“ herantasten oder auchschon eigene Erfahrungen gesammelt haben.W. Dinkelberg

Seitz, B. & Kowarik, I. (Hrsg.) 2003: Per-spektiven für die Verwendung gebietseige-ner Gehölze. NEOBIOTA 2. 116 S. (ISSN1619-0033) 12,- Euro

„Perspektiven für die Verwendung gebiets-eigener Gehölze“ – so heißt der neu erschie-nene Band der Schriftenreihe NEOBIOTA. Erenthält Tagungsbeiträge einer im Mai 2001am Institut für Ökologie der TechnischenUniversität Berlin durchgeführten Tagung.Gehölzpflanzungen in der freien Landschaftgehören zu den häufigsten Maßnahmen des

Naturschutzes. Bei den ausgebrachten Pflan-zen handelt es sich jedoch überwiegend umGenotypen gebietsfremder oder unbekann-ter Herkunft. Die langfristigen Auswirkun-gen auf die Tier- und Pflanzenwelt könnenerst in Ansätzen beurteilt werden. Die zu be-fürchtenden Risiken und rechtliche Regelun-gen (BNatSchG, Biodiversitätskonvention)zwingen zu einer Überprüfung der bisheri-gen Praxis in der Pflanzenverwendung. Der vorliegende Tagungsband beinhaltet Bei-träge aus Wissenschaft, Verwaltung undBaumschulbranche. Es werden Auswirkun-gen gebietsfremder Provenienzen einhei-mischer Pflanzen diskutiert und Strategienzur Vermeidung von Beeinträchtigungen vor-geschlagen. Die Autoren berichten bundes-weit von ihren Erfahrungen mit der Anzuchtund Verwendung gebietseigener Gehölze.Auch in Brandenburg wird die Beerntungund Anzucht gebietseigener Gehölze seit ei-nigen Jahren erprobt. Die Baumschulen wer-den hierbei durch ein Forschungsvorhabenan der TU Berlin praktisch unterstützt. Weitere Informationen zu diesem Band (In-halt, Vorwort, Bestellformulare), zur Schrif-tenreihe NEOBIOTA und zum genanntenForschungsvorhaben am Institut für Ökolo-gie der TU Berlin gibt es auch im Internetunter www.tu-berlin.de/~oekosys.Bestellungen können an folgende Adresse ge-richtet werden: Geschäftsstelle NEOBIOTA,Dr. Uwe Starfinger, Institut für Ökologie derTU Berlin, Rothenburgstraße 12, 12165 Berlin(Dem Preis von 12,- € werden die Versand-kosten zugeschlagen.) Birgit Seitz

LITERATURSCHAU

Der jüngste Fall betrifft einen mit Schrot ge-schossenen Vogel am Rande des Europäi-schen Vogelschutzgebietes HavelländischesLuch.Dr. T. Langgemach

Naturkundemuseum Potsdam„Glanzlichter 2003“ Vom 14.11.2003 bis zum 29.02.2004 ist imNaturkundemuseum Potsdam die Ausstel-lung „Glanzlichter 2003“ zu besichtigen.Faszinierende Bilder, viele prämiert auf denInternationalen Naturfototagen in Fürsten-feldbruck, finden im Museum einen würdi-gen Rahmen. Zu dieser Sonderausstellungwird eine Dia-Vortragsreihe namhafter Foto-

grafen präsentiert. Die Veranstaltungen fin-den immer mittwochs oder donnerstags um19.00 Uhr, Breite Straße 13, statt. Das Mu-seum bleibt an diesen Tagen durchgehendgeöffnet, so dass genügend Zeit für einenAusstellungsbesuch bleibt.BegleitprogrammDonnerstag, 11.12.2003, 19.00 Uhr - Tage-buch einer GänsemutterDonnerstag, 22.01.2004, 19.00 Uhr - Aben-teuer Arktis - Impressionen von Grönland,Spitzbergen und NorwegenDonnerstag, 05.02.2004, 19.00 Uhr - DasMittelmeer - eine faszinierende Welt unterWasserDonnerstag, 19.02.2004, 19.00 Uhr - Der

Wald, in dem ich wohne - Abenteuer mitMecklenburgs WildtierenD. Rothe

Foto: Karl-Heinz Georgi„Eisbär am Eisberg“Liefde-Fjord, Spitzbergen

An unsere Leserinnen und Leser,

angespannte Haushaltslagen, Kostenreduzierungen und Einsparungen sind derzeit überall imGespräch. Auch im Landesumweltamt Brandenburg ist dies so. Die Erhöhung der Einnahmenaus dem Verkauf der Hefte, sowohl des Abonnements als auch der Einzelhefte, ist ein Weg,um zu einer besseren finanziellen Bilanz zu kommen, ohne die Qualität des Heftes zu beein-trächtigen. Das bedeutet für unsere Leserinnen und Leser, künftig einen erhöhten Preis zuzahlen. Der neue Preis von 12,– € für 4 Hefte pro Jahr im Abonnement und von 5,– € fürdas „normale“ Einzelheft gilt ab dem Jahr 2004. Nach wie vor wird der Einzelheft-Preis fürthematische Hefte und solche mit Beilagen (Rote Liste) gesondert festgesetzt. Wir bitten unsere Leserinnen und Leser um Verständnis für diese Situation.

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