Leben mit psychischen Erkrankungen_Tagi

12
Die Seele ist heilbar Doppeldiagnose = doppelte Belastung Wiedereinstieg ins normale Leben 11 November 2013 Leben mit psychischen Erkrankungen EINE CROSSMEDIALE PUBLIKATION DER XMEDIA SOLUTIONS AG Seite 3 Seite 5 Seite 10

description

 

Transcript of Leben mit psychischen Erkrankungen_Tagi

Page 1: Leben mit psychischen Erkrankungen_Tagi

Die Seele ist heilbar Doppeldiagnose = doppelte Belastung Wiedereinstieg ins normale Leben

11 November

2013

Leben mit psychischen Erkrankungen

EinE croSSmEDiaLE PuBLikation DEr XmEDia SoLutionS aG

Seite 3Seite 5Seite 10

Page 2: Leben mit psychischen Erkrankungen_Tagi

2 iiiii Eine crossmediale Publikation der Xmedia Solutions aG iii Leben mit psychischen Erkrankungen

In den letzten zwei Jahrzehnten haben sich der Druck am Arbeitsplatz, im sozialen Umfeld

sowie die Bereitschaft zum beruflichen Über-engagement alarmierend erhöht.

Diesen Anforderungen sind nicht alle Men-schen gewachsen – die Folge können psychische Erkrankungen sein. Sie betreffen in ihren un-terschiedlichen Ausprägungsformen mittler-weile 20 Prozent der Bevölkerung. Werden bei einem selbst Alarmzeichen festgestellt, besteht ein sofortiger Handlungsbedarf – auch mittels professioneller Hilfe.

In der Schweiz leiden immer mehr Menschen unter Depressionen oder Burnout. Letzteres trifft besonders häufig Menschen, die in ihrem Beruf ein überdurchschnittliches Engagement zeigen und sich unter einen starken Erfolgs- und Durchhaltedruck setzen. Sie stossen damit nicht nur an die Grenzen ihrer Kräfte, sondern überschreiten diese. Die Folge sind Erschöpfung, Konzentrationsprobleme und Schlaflosigkeit. Ein weiteres typisches Anzeichen ist die erhöhte Reizbarkeit, unter der nicht nur Arbeitskollegen, sondern auch Freunde und Familie leiden. Ohne therapeutische Hilfe kann sich Burnout mit zu-

nehmendem Schweregrad zu einer Depression entwickeln. Traurigkeit, Hoffnungslosigkeit, starke Selbstzweifel, Gefühle der Sinnlosigkeit, der Ohnmacht, Antriebslosigkeit sowie Freud-losigkeit oder gar Suizidgedanken sind dann die typischen Symptome, mit denen der Betroffene zu kämpfen hat.

alarmzeichen: erkennen und ernst nehmen

Angesichts der Tragweite und Konsequenzen von psychischen Erkrankungen wie Depression, Burnout oder bipolaren Störungen hat die früh-zeitige Erkennung oberste Priorität. Daher ist es ausgesprochen wichtig, Alarmzeichen ernst zu nehmen und Massnahmen zu ergreifen. Mein Rat an Betroffene: Führen Sie eine Situationsanalyse durch. Stellen Sie sich dabei folgende Fragen: Habe ich angemessene und realistische An-sprüche an mich selbst, mein Leben und meine Umwelt? Ist mein Tag gut organisiert? Benötige ich längerfristig mehr Energie, als ich sammeln kann? Leide ich an Erschöpfung, Konzentrati-onsproblemen und Schlaflosigkeit? Brauche ich

vermehrt Alkohol, Drogen oder Medikamente, um zur Ruhe zu kommen? Wenn ja, dann müs-sen Gegenmassnahmen ergriffen werden. Eine gesunde Lebensführung, ausgewogene Ernäh-rung, körperliche Aktivitäten sowie genügend Erholungsphasen und ausreichend Schlaf sind dabei der erste Schritt zur Besserung. Des Wei-teren fördert der Kontakt zu seinem sozialen Umfeld und der Familie den Stressabbau. Auf jeden Fall ist professionelle Hilfe erforderlich, wenn Sie bei sich vermehrt Alarmzeichen fest-stellen – falsche Scheu ist hier nicht angemessen. Sie können sich im Vorfeld bei Organisationen wie beispielsweise der Schweizerischen Gesell-schaft für Angst und Depression (SGAD; www.sgad.ch) sachlich über Ihr Problem informieren. Hier finden Sie zahlreiche Informationen über psychische Erkrankungen, spezialisierte Ärzte, Beratungsstellen und Selbsthilfegruppen, an die Sie sich wenden können.

Vorbeugende Prävention ist für körperliche Erkrankungen bereits eine Selbstverständlich-keit und gilt im gleichen Masse auch für psychi-sche Erkrankungen: Frühe Gegenmassnahmen verbessern auf lange Sicht die Prognose.

Psychische Erkrankungen sind weiter verbreitet, als man denkt

3 _ LEitartikEL

Die Seele ist heilbar

5 _ komorBiDität

Doppelte Belastung

10 _WohnintEGr ation

hilfe zur Selbsthilfe

inhaLt imPrESSum

Projektleitung: Luigi Kqira,[email protected]: Nadine Effert, Tobias Lemser, Mike Paßmann, Otmar Rheinhold, Svenja Runciman

V.i.s.d.P.: Mike Paßmann

Fotos: Thinkstock / Getty ImagesDruck: DZZ Druckzentrum Zürich AG

Inhalte von Unternehmensbeiträgen sowie Gastbei trägen geben die Meinung der beteiligten Unternehmen wieder. Die Redaktion ist für die Richtigkeit der Beiträge nicht verantwortlich. Die rechtliche Haft ung liegt bei den jeweiligen Unternehmen.

Für weitere Informationen wenden Sie sich bitte an Oscar Nyberg, [email protected] Solutions AG,Hirschengraben 33, 6003 LuzernT: 044 998 11 33

Xmedia Solutions hat sich auf crossmedialePublikationen spezialisiert, welche in Tageszeitungenund auf relevanten Online-Portalen veröffentlicht werden.

Mehr Informationen unter: www.xmedia-solutions.com

BEtEiLiGtE untErnEhmEn

SGADPsychiatrie BasellandUniversitäre Psychiatrische Kliniken BaselKlinik SelhofenSelins StiftungPSAGPrivatklinik Wyss AGGesundheitsdepartement Basel-StadtRütihusUniversität BaselZentrum SelbsthilfeIPTWerkstätten CO13GAWFelixplatter SpitalDandelionWG Neuewelt

anzeige

Wir unterstützen Menschen bei ihrer beruflichen Eingliederung. Auf dem Wegdazu fördern wir die Entwicklung der sozialen und fachlichen Fähigkeiten auf-grund der individuellen Ressourcen und Potenziale. Produktion und Dienst-leistungen in unseren Abteilungen Textilatelier (mit Boutique), Velowerkstatt(mit Veloladen), Büroservice und Hausdienst (mit Bistro und Hauswartung)setzen wir gezielt als Mittel der Förderung ein.

Berufliche Angebote der Werkstätten CO13 ermöglichen aktives Arbeiten ineinem dynamischen Umfeld, nahe am ersten Arbeitsmarkt und mitten im Leben.

Colmarerstrasse 13CH-4055 BaselTel. 061 385 90 [email protected]

ww

w.s

canu

.ch

Büroservice Veloladen/-werkstatt Hauswartung Bistro Boutique/Textilatelier

AKTIV – MITTEN IM LEBENDie Werkstätten CO13 bieten Perspektiven.

autorin

Prof. Dr. med. Edith Holsboer-Trachsler, Präsidentin Schweizerische Gesellschaft für Angst und Depression SGAD, Zentrum für Affektive -, Stress- und Schlaf- störungen (ZASS), Universitäre Psychiatrische Kliniken (UPK), Basel

Page 3: Leben mit psychischen Erkrankungen_Tagi

Eine crossmediale Publikation der Xmedia Solutions aG iii Leben mit psychischen Erkrankungen iiiii 3

iiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiii Von otmar rhEinhoLD

Schätzungen der Weltgesundheitsorganisa-tion (WHO) zufolge leidet weltweit jeder

vierte Arztbesucher an einer psychischen Erkrankung. Seelische Erkrankungen gehö-ren denn auch zu den häufigsten Gründen für eine Krankschreibung. Und auch wenn es gar nicht so klar ist, ob die Zahl der Betroffenen wirklich steigt. Im Blickfeld der Öffentlichkeit sind psychische Störungen, wie man heutzu-tage oft auch sagt, sicher stärker als früher. Schlagworte wie Burnout, Depression oder Borderline-Syndrom machen dann schnell die Runde, und überall melden sich Experten zum Thema zu Wort.

Doch was sind psychische Erkrankungen eigentlich genau? Was sind ihre Ursachen und wie können sie behandelt werden? Zunächst: So eindeutig zu definieren sind sie gar nicht. Das erstaunt nur auf den ersten Blick. Wer sich einmal ehrlich an die Schwankungen im eigene Gefühlsleben erinnert, der wird schnell zugeben, dass die Grenze etwa zwischen ei-ner länger anhaltenden Frustration über einen beruflichen Misserfolg zu einer aussichtslos erscheinenden, dauerhaften existenziellen Nie-dergeschlagenheit, einer klinischen Depression, durchaus fliessend sein können. Die Seele lässt sich nicht so leicht diagnostizieren wie ein gebrochener Arm.

Es kann jeden treffen

Eine relativ weit gefasste Definition sagt, dass psychische Erkrankungen die Wahrnehmung (der Umwelt, anderer Menschen, des eigenen Selbst), das Denken, Stimmungen und das Verhalten beeinflussen. Und zwar so, dass die Betroffenen sich von einer von anderen als „nor-mal“ empfundenen Realität entfernen. Dabei können psychische Erkrankungen dauerhaft, in Phasen oder auch nur einmal auftreten. Oft beeinträchtigen sie das Leben der Betroffenen und ihres Umfeldes erheblich. Sie können jeden treffen, sie sind kein Zeichen von Schwäche oder Grund für Stigmatisierung – und sie können in der Regel behandelt werden.

Vor diesem Hintergrund wird klar, dass eine Aufzählung psychischer Erkrankungen ins Ufer-lose mündet. Dennoch gibt es in der Psychiatrie und der Psychologie gewisse Kategorien psychi-scher Erkrankungen, die auch neue Erkenntnisse über deren Ursachen reflektieren. Heutzutage sieht man psychische Erkrankungen als Symp-tombündel, deren Ursachen vielfältig sind und sowohl biologischer als auch „seelischer“ Art sind. So weiss man etwa, dass Depressionen auch hirnorganische oder hormonelle Ursachen haben können und mit Medikamenten gut behandelt werden können. Andererseits haben auch rein gesprächsorientierte, sich „an die Seele wenden-den“ Massnahmen Erfolge bei primär organisch bedingten Störungen.

Verbreitetes auftreten

Es gibt eine Reihe von psychischen Störungen, denen in der jüngsten Zeit vermehrt Aufmerk-samkeit geschenkt wird – was sicher auch an ihrer Verbreitung und den Auswirkungen für Betroffene und ihr Umfeld liegt. Da ist zum einen die Depression. Längst bezeugt seine Unwissen-heit, wer Menschen dazu auffordert sich „zu-sammenzureissen“, die über längere Zeiträume hinweg antriebslos sind, keinen Sinn im Leben sehen, Konzentrations- und Schlafschwierig-keiten haben oder gar Suizidgedanken haben. Depressionen stecken oft auch hinter dem viel diskutierten „Burnouts“, der als Krankheitsbild an sich eher unscharf ist und vor allem als Re-aktion auf extreme berufliche Belastung und ein schlechtes Stressverhalten auftritt. Bipolare Störungen, ein extremes Schwanken zwischen Niedergeschlagenheit und Phasen manischer Aktivität, machen nicht nur den Betroffenen, sondern auch ihrem Umfeld sehr zu schaffen. Zu den am weitesten verbreiteten psychischen Störungen gehören natürlich auch Suchterkran-kungen und nach wie vor Essstörungen wie Bulimie und Anorexia. Zu allem kommt noch das Phänomen der Komorbidität, also das zeitgleiche Auftreten mehrere Syndrome, die allerdings keinen ursächlichen Zusammenhang haben müssen. So treten etwa Depressionen häufig mit Suchterkrankungen, aber auch mit körper-lichen Beschwerden wie Rückenschmerzen auf.

Die Behandlung psychischer Erkrankungen sollte immer in der Hand von Psychiatern und therapeutisch orientierten Psychologen liegen. Sie weisen für jeden Einzelfall den Weg zu be-währten Therapien. Entscheidend ist, den ersten Schritt zu tun, im Zweifelsfall auch für Ange-hörige oder Freunde. Und das bedeutet: Wenn das Leben und das Wohlbefinden eindeutig und tiefgreifend eingeschränkt sind und keine für den Laien erkennbaren organischen oder äus-seren Ursachen vorliegen, sollte ohne Scheu und Angst auch eine psychische Erkrankung in Betracht gezogen werden. Hilfe ist möglich, und allein ist damit niemand.

LEitartikEL

Die Seele ist heilbarPsychische Krankheiten kommen häufiger vor, als allgemein angenommen. Längst sind sie kein Stigma mehr – und sie können in der Regel behandelt werden.

5 Tipps für Ihr psychisches Wohlbefinden.www.allesgutebasel.ch

1. Schauen Sie hin statt weg.Psychische Probleme äussern sich auf verschiedene Weise. Informieren Sie sich, schauen Sie hin und schaffen Sie ein Bewusstsein sowohl für Ihre eigenen Bedürfnisse und Sorgen als auch die Ihrer Mitmenschen.

2. Bringen Sie Bewegung in Ihr Leben.Durchbrechen Sie tägliche Routinen – es ist nie zu spät, etwas Neues auszuprobieren: Machen Sie einen Tanzkurs oder lernen Sie ein Musikinstrument. Körperliche Bewegung und kreative Tätigkeiten sind ein idealer Ausgleich zu den Belastungen des Alltags.

3. Bleiben Sie in Kontakt.Etwas vom wichtigsten im Leben ist der Kontakt zu anderen Menschen. Machen Sie den ersten Schritt: Melden Sie sich bei alten Freunden, die Sie länger nicht gesehen haben oder treten Sie einem Verein bei und erweitern so Ihr soziales Umfeld.

4. Gönnen Sie sich eine Pause.Legen Sie bewusst Pausen ein, tun Sie ab und zu etwas, das Ihnen gut tut und sagen Sie manchmal auch ganz einfach Nein.

5. Sprechen Sie darüber.Wenn Sie mit anderen Menschen über Ihre Sorgen und Probleme sprechen, entstehen daraus neue Sichtweisen oder sogar Lösungen. Vertrauen Sie sich einer Person aus Ihrem Umfeld an oder suchen Sie fachliche Unterstützung.

Gesundheitsdepartement des Kantons Basel-Stadt

anzeige

Seit längerer Zeit bereits litt Selin Mangisch an Schizophrenie, als sie sich mit 17 Jahren das Leben nahm. Das war im November 2002. Einige Zeit später gründete ihr Vater Rudolf Mangisch Selins Stiftung „gute Stimmen gegen böse Stim-men“, mit der er sich seitdem für Früherkennung und Prävention von psychischen Krankhei-ten bei gefährdeten Jugendlichen und jungen Erwachsenen einsetzt. Allem voran steht die Aufklärung über das Thema Schizophrenie, denn „Selins Probleme waren bekannt, nur wusste niemand, was zu tun ist“, so Rudolf Mangisch.

Genau hier setzt Selins Stiftung an, sie möchte die Öffentlichkeit über eine Krankheit informieren, die noch immer gesellschaftlich wenig anerkannt und mit Vorurteilen behaftet ist. So sollen die Menschen für das (frühzeitige) Erkennen bestimmter damit zusammenhän-gender Problemstellungen bei sich oder dem persönlichen Umfeld sensibilisiert werden und vorbeugende Massnahmen, Beratungs- und Behandlungsmethoden gezeigt werden. Das schliesst sowohl neue wissenschaftlich begrün-dete Methoden sowie Erfolg versprechende Hil-festellungen mit ein.

Dabei geht Mangisch neue Wege, bezieht explizit zeitgemässe, respektive neue Medien in die Öffentlichkeitsarbeit ein wie zum Beispiel Multimedia und Internet. Und er veranstaltet statt aufwendiger Gala-Dinners zum Beispiel Benefizanlässe in Theatern oder Musikveran-staltungen in psychiatrischen Kliniken. Das bei diesen Veranstaltungen eingesammelte Geld wird sowohl in die eigenen Informationska-näle gesteckt als auch anderen Projekten zur Verfügung gestellt. Darunter befinden sich ein

Diplomprojekt sowie einige Webseiten von en-gagierten, dem Thema verpflichteten Interessen- und Selbsthilfegruppen – allesamt mit dem Ziel, dass schizophrene Psychosen frühzeitig erkannt, verzögert oder sogar verhindert werden.

Der nächste Benefizanlass findet am 6. April 2014 im Kaufleuten in Zürich statt. Koopera-tionspartner sind die Elternzeitschrift fritz & fränzi sowie die Integrierte Psychiatrie Win-terthur - Zürcher Unterland.

iiiiiiii untErnEhmEnSBEitraG

Schizophrene Psychosen frühzeitig erkennen

informationEn

Weitere Informationen zur Selins Stiftung können im Internet nachgelesen werden:

www.selinsstiftung.ch

Page 4: Leben mit psychischen Erkrankungen_Tagi

4 iiiii Eine crossmediale Publikation der Xmedia Solutions aG iii Leben mit psychischen Erkrankungen

So der Stossseufzer einer ca. 40-jährigen Angstpatientin, als sie mir gegenüber sitzt. „Ich weiss ja, dass es dumm ist, diese

Angst zu haben, aber ich komme einfach nicht dagegen an“, fährt sie fort. „ Ich kann Ihnen auch nicht sagen, warum ich Angst habe.“ Das ist typisch für die 1,2 bis 1,6 Mio Menschen, die in der Schweiz damit rechnen müssen, einmal im Leben an einer behandlungsbedürftigen Angststörung zu erkranken. Sie wissen im Grunde, dass ihre Ängste „nicht nötig“ sind, und trotzdem reicht diese Einsicht nicht aus, um sich aus der Umklammerung der Erkrankung zu befreien.

Der Hauptgrund dürfte darin liegen, dass der krankhaften Angst reale Grundlagen fehlen. Damit ist sie weder erklärbar, noch kann sie bewältigt werden. Für die Betroffenen bleibt sie ein Rätsel und entzieht sich jedem Zugriff. Realängste hingegen lassen sich gut erklären und bewältigen, denn sie beruhen im-mer auf echter Gefahr. Kann diese auf irgendeine Art gebannt werden oder geht vorbei, verschwindet in der Regel auch die dazugehörige Angst. Sogar Beruhigung kann bei realen Ängsten funktionieren, wenn die zugrunde liegende Bedrohung beseitigt oder der Weg dazu gezeigt wird. Wenn wir also im Wald auf einen Bären treffen und dabei eine adäquate weil reale Angst empfinden, ist diese erklärbar und relativ rasch zu bewältigen, indem wir entweder uns in Sicherheit bringen oder den Bären irgendwie „deaktivieren“. Bei der krankhaften Angst ist das leider nicht möglich und so quälen sich Betroffene oft jahrelang durch immer wiederkehrende Angstzustände, mit denen sie bei ihrem Umfeld in der Regel auf wenig Verständnis stossen, weil sie sich eben mit Dingen herumschlagen, vor denen „man“ im allgemeinen keine Angst hat.

Egal, ob einfache Phobien, soziale oder generalisierte Ängste, Panik oder Agoraphobie (sogenannte Platzangst), das Erlebens- und Verhaltensmuster der Patienten ist stets dasselbe: Die angstauslösenden Momente und die Angst als solche werden als derart unerträglich erlebt, dass alles daran gesetzt wird, eine weitere Angstattacke zu vermeiden. Das führt dazu, dass

alles, was auch nur im entferntesten Angst hervorrufen könnte, umgangen wird, wenn möglich schon zum vornherein. Geraten Betroffene trotz aller Sicherheitsvorkehrungen in eine kritische Situation, suchen sie diese raschmöglichst zu verlassen oder, falls das nicht geht, sich die Angst durch Ablenkung oder Einnehmen eines Beruhigungsmittels vom Leib zu halten. Die kurzfristige Erleichterung hat langfristig einen hohen Preis: Die Patienten sind gezwungen, weiterhin jede kritische Situation zu vermeiden oder aus ihr zu flüchten, was zu immer stärkeren Einschränkungen führt – denn wer kann schon sicher sein, dass die Angst nicht plötzlich in einem Zusammenhang auftaucht, den man noch nicht in Betracht gezogen hat. Angstpatienten setzen sich daher fest in einem Kreislauf aus zunehmender Ver-meidung und immer ausgeklügelterem Sicherheitsverhalten. In Extremfällen kann das dazu führen, dass Betroffene nicht einmal mehr ihre Wohnung verlassen, weil jenseits der Wohnungstür das Entsetzliche lauert.

Angststörungen können behandelt werden. Kern der Therapie ist die Beseitigung des Vermeidungsverhaltens: Die Betroffenen werden darauf vorbereitet, die gemiedenen Situationen wieder aufzusuchen und zu erleben, dass die Angst zwar kommt, aber auch wieder geht - ohne dass etwas Schlimmes passiert. Die Methode der Wahl ist heute die kognitive Verhaltenstherapie, wo an den angstauslösenden Gedanken und am blockierenden Verhalten gearbeitet wird. Innerseelische Probleme und Kon-flikte als Hintergrund der Angst werden ebenfalls einbezogen. Sinnvoll eingesetzt, können auch Medikamente hilfreich sein. In ca. 75 Prozent aller Fälle führt die Therapie zu einer deut-lichen Besserung.

GaStBEitraG

Ein gebrochenes Bein wäre mir lieber als diese Angst...

anzeige

Eine Schweizer Studie mit Kindern und Jugendlichen zwischen 6 und 16 Jahren hat gezeigt, dass Angststörungen

zu den häufigsten psychischen Erkrankungen in dieser Alters-stufe gehören. Dies bedeutet häufig neben Einschränkungen und einem grossen Leidensdruck für das betroffene Kind auch einen Verlust an Lebensqualität für die gesamte Familie. Die Auftre-tenshäufigkeit und der ungünstige Verlauf machen deutlich, wie wichtig es ist, betroffene Kinder angemessen zu behandeln. Angsterkrankungen im Kindes- und Jugendalter werden aber oft noch nicht ernst genug genommen oder erst gar nicht erkannt, weil sie sich in diesem Alter oft auch durch aggressives Verhalten auszeichnen. Zentraler Bestandteil einer psychotherapeutischen Behandlung ist die Bewältigung der Angst in den gefürchteten Situationen. Kinder und Jugendliche mit Angsterkrankungen lernen, dass die Angst vor den Situationen unbegründet ist und die unangenehmen Begleiterscheinungen der Angst verschwinden, wenn sie sich den Situationen stellen. Eltern werden angeleitet, ihre Kinder dabei zu unterstützen.

GaStBEitraG

Ängste sind auch im Kindes- und Jugendalter weit verbreitet

Was ist mit den Kindern los? Wer Zeitung liest, findet Schlagzeilen wie „Depressionen im Vor-marsch!“, „Burnout im Kinderzimmer!“ oder „Stopp dem Therapiewahn in den Schulen!“. Wird die junge Generation immer kränker oder wird sie krank geredet? Zerbrechen die Kinder an den Anforderungen und Verführungen un-serer Zeit? Tatsache ist, dass 15-20 Prozent der Kinder und Jugendlichen an einer psychischen Erkrankung leiden und rund die Hälfte von ihnen behandlungsbedürftig sind. Diese Zahl ist in den vergangenen Jahrzehnten weitgehend stabil ge-blieben. Gestiegen ist jedoch die Sensibilität für seelische Erkrankungen. Auch die Lebenswelt hat sich verändert und stellt anspruchsvolle neue Aufgaben.

Es sind aber vor allem die Erwachsenen, die eine zunehmende Orientierungslosigkeit der Kinder beklagen und damit wohl nicht zuletzt ei-gene Ängste vor dem rasanten gesellschaftlichen Wandel offenlegen. Die meisten Heranwachsen-den hingegen vermögen die Möglichkeiten, die unsere Zeit bietet, konstruktiv für die Umset-zung ihrer Ziele zu nutzen, sie sind motiviert und haben optimistische Vorstellungen von ihrer Zukunft. Um diese gut zu meistern, brauchen sie in erster Linie das Vertrauen von uns Erwachse-nen in ihre Entwicklung. Eine gewisse Gelassen-heit ist also durchaus angebracht. Gleichzeitig müssen wir uns der Herausforderung stellen, dass die häufigsten Gesundheitsprobleme, die Kindern und Jugendlichen Einschränkungen in ihrem Leben aufzwingen, heute im menta-

len Bereich liegen. Angsterkrankungen und andere emotionale, Verhaltens- und Entwick-lungsstörungen beeinträchtigen die schulische Bildung und die beruflichen Chancen stärker als körperliche Leiden. Die betroffenen Kinder und ihre Angehörigen haben ein Recht darauf, dass wir ihre Krankheit nicht auf scheinbar einfache Erklärungsmuster wie Normdruck in der Schule oder Erziehungsfehler reduzieren, sondern in ihrer ganzen Vielschichtigkeit ernst nehmen. Jeder Hilfeleistung muss deshalb eine sorgfältige fachliche Beurteilung vorausgehen, ob und, wenn ja, welche therapeutischen Mass-nahmen angezeigt sind.

autor

Prof. Dr. med. Alain Di Gallo, Chefarzt Kinder- und Jugendpsychiatrische Klinik Universitäre Psychiatrische Kliniken (UPK) Basel, Schaffhauserrheinweg 55, CH-4058 Basel

autorin

Dr. Judith C. Blatter-Meunier , Leiterin Zentrum für Psychotherapie, Universität Basel, Fachpsychologin für Psychotherapie FSP, Eidgenössisch anerkannte Psycho-therapeutin

GaStBEitraG

Kindersorgen in ihrer Vielschichtigkeit ernst nehmenGesundheitsprobleme mit Beeinträchtigung der schulischen Bildung liegen heute meist im mentalen Bereich. Erwachsene leisten wichtige Hilfestellungen.

autorin

Dorothee Schmid

Psychische Gesundheit Ängste abbauen

innehalten - Kraft tanken - genesen

in dörflicher, natürlicher Umgebung mit wertschätzender professioneller Begleitung und vielen Einzel- und Gruppen-programmen, 10 Ateliers sowie Tierpark.

ambulante und stationäre Behandlung • Stresserkrankungen• Angst-/Zwang• Depression• Störungen der Persönlichkeit• Alkohol- und Medikamentenabhängigkeit

Privatklinik Wyss AGFellenbergstr. 343052 Münchenbuchsee

Tel. 031 868 33 [email protected]

Page 5: Leben mit psychischen Erkrankungen_Tagi

Eine crossmediale Publikation der Xmedia Solutions aG iii Leben mit psychischen Erkrankungen iiiii 5

Gemeinsam aus der isolation

Trotz breit zugänglicher Informationen und Sensibilisierungskampagnen sind psychische Erkrankungen für betroffene Menschen und ihre Angehörigen leider immer noch häufig mit Tabus, Scham und Versagen behaftet. Betrof-fene Menschen holen sich manchmal erst Hilfe, wenn ihre aktuelle Lebenssituation einem Scher-benhaufen gleicht. Während einer Erkrankung droht der Verlust der Arbeitsstelle. Freunde und Angehörige ziehen sich oft aus Hilflosigkeit und Überforderung zurück. Zur Belastung durch die Krankheit gesellt sich eine grosse Einsamkeit.

„Wir verstehen einander, weil wir die gleiche Erfahrung haben“

In Selbsthilfegruppen unterstützen sich Men-schen mit einem gleichen Erfahrungshinter-grund. Nur wer Ähnliches erlebt hat, kann wirklich verstehen und weiss, wovon die Rede ist. Betroffene hören von Anderen, was ihnen geholfen hat. Gegenseitige Ermutigung und Unterstützung in der Gruppe helfen, wieder zu einem selbstbestimmten Leben zurückzufinden. Selbsthilfegruppen organisieren und treffen sich autonom und ohne Fachhilfe. Dieses wert-volle Ehrfahrungswissen ist einzigartig und die Selbsthilfe inzwischen ein anerkanntes Angebot in der Gesundheitsversorgung.

Selbsthilfegruppen zum thema angst

Auf der Website des Zentrums Selbsthilfe sind 170 Gruppen für Betroffene und Angehörige zu verschiedenen Themen zu finden. Unter dem

Stichwort Angst findet man drei Gruppen, die sich hier in der Region Basel treffen. Das Zentrum Selbsthilfe ist die regionalen Fachstelle zur För-derung der Selbsthilfe. Dort werden interessierte Personen beraten, in bestehende Gruppen ver-mittelt oder bei einer Neugründung unterstützt.

Geleitete Gruppen für menschen mit einer psychischen Belastung

Manchmal kann während oder nach einer Er-krankung das eigenverantwortliche Mittragen in einer Selbsthilfegruppe als Überforderung erfahren werden. Dann bietet das Zentrum Selbsthilfe fachgeleitete Gruppen an. Fragen und Themen, die im Alltag belastend erlebt werden, können im Austausch mit anderen und unter fachkundiger Leitung bearbeitet werden.

iiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiii Von SVEnja runciman

Alkoholismus plus Angststörungen oder Schizophrenie in Verbindung mit Cannabis-

Konsum – schon eine der beiden Diagnosen Sucht und Psychose ist für die Betroffenen schwierig zu meistern. Kommen beide zusammen, stehen so-wohl die Patienten als auch die Behandelnden vor einer grossen Herausforderung. Die sogenannte Komorbidität, also das gleichzeitige Bestehen von zwei Krankheitsbildern, ist gegeben, wenn die Psychose auch substanzunabhängig, also auch unter abstinenten Bedingungen auftritt.

Auch wenn verschiedene Formulierungen ver-wendet werden – unter anderem Doppelstörung und psychotische Drogenabhängigkeit –, hat sich der Begriff „Doppeldiagnose“ immer mehr durchgesetzt, wobei im Allgemeinen erst dann von einer Doppeldiagnose gesprochen wird, wenn beide Störungen in-nerhalb des-selben Jahres auftreten. Da-bei spielt es keine Rolle, ob die Sucht die Psychose oder die Psychose die Sucht auslöst. Fest steht jedoch, dass bei der Behandlung an zwei Fronten gekämpft werden muss und es umso wichtiger ist, dass die Betroffenen sich professionelle und spezialisierte Unterstützung suchen. Sie benötigen ein Behandlungs- und Therapieprogramm, das speziell auf diese Dop-peldiagnosen ausgerichtet ist.

Suchtmittel als Selbstmedikation

Bereits 1911 wurde das Zusammentreffen von Sucht und psychiatrischer Störung von Eugen Bleuler thematisiert, der damals einen Zusam-menhang zwischen Schizophrenie und Alkoho-lismus beobachtet hat. Heute geht man davon aus, dass rund 33 Prozent der Menschen mit Alkoholkrankheit und 50 Prozent der Men-schen mit Drogenabhängigkeit zusätzlich psy-chiatrische Störungen aufweisen. Ein Grund für dieses verbreitete gemeinsame Auftreten ist die Tatsache, das Suchtmittel Symptome einer

psychischen Erkrankung mindern oder sogar vo-rübergehend ganz unterdrücken können. Selbst-verständlich kann eine psychische Erkrankung auf diese Weise nicht geheilt werden; durch die Gewöhnung an das Suchtmittel werden aber immer höhere Dosierungen benötigt. Vor allem

betäubende Mittel wie Al-kohol, Benzo-diazepine oder Opiate werden als Selbstmedi-kation verwen-det, um Ängste

zu bekämpfen, belastende Erinnerungen zu verdrängen und generell Leiden zu vermindern. Die Suchtkranken greifen immer wieder auf das entsprechende Mittel zurück, sofern ihnen nicht im Rahmen einer Therapie bessere Alternativen aufgezeigt werden.

Ein teufelskreis entsteht

Auch affektive Störungen, also Depression und Angst, stehen häufig in Verbindung mit Sucht-erkrankungen. Dabei können diese Störungen bereits vor der Suchterkrankung begonnen ha-ben, im Verlauf der Sucht dazukommen oder erst nach Absetzen des Suchtmittels auftreten. Dasselbe gilt für Menschen mit einer Psychose oder einer Persönlichkeitsstörung. Für Personen, die beispielsweise aufgrund lebensbedrohlicher Erlebnisse traumatisiert sind, werden die sich aufdrängenden Erinnerungen zur Belastung. Auch in diesen Fällen werden häufig Sucht-mittel konsumiert, um diese Erinnerungen zu

verdrängen. Doch fraglos sind sie auch hier ein ungeeigneter Weg, die Trauma-Störung zu heilen. Auf lange Sicht entsteht durch diese fehlgeleiteten Bewältigungsversuche ein Teu-felskreis, bei dem sich psychiatrische Störung und Sucht gegenseitig verstärken.

Sinnvoll: eine kombi-Behandlung

Obwohl bei Doppeldiagnosen in der Regel beide Erkrankungen wechselseitig miteinan-der verwoben sind, wird bei den klassischen Behandlungsangeboten häufig nur eine der beiden Störungen behandelt und die andere nicht ausreichend berücksichtigt. Der Grund hierfür ist, dass psychiatrische Therapeuten und Suchtfachleute oft unabhängig voneinander arbeiten und sich in der Indikation des jeweils anderen nicht ausreichend auskennen. Diese einseitige Behandlung führt aber oftmals zu suboptimalen Behandlungsergebnissen und zu wenig Nachhaltigkeit. Aussichtsreicher ist ein integrativer Ansatz, bei dem beide Störungen gleichzeitig behandelt und sowohl die Suchtpro-blematik als auch die psychische Symptomatik stabilisiert werden. In vielen Fällen ist dafür eine stationäre Krankenhausbehandlung erforderlich. Wichtige Elemente sind neben der Entgiftung und pharmakologischen Behandlung beispiels-weise auch psychotherapeutische Betreuung, Verhaltenstrainings und Entspannungsangebote. So lernen die Betroffenen, wie die Erkrankung entstanden ist, durch welche Verhaltensmuster sie aufrechterhalten wurde und was sie ändern können, um mit psychisch belastenden Situati-onen langfristig umgehen zu können.

„Die Patienten benötigen ein Behandlungs- und Therapieprogramm, das speziell auf

Doppeldiagnosen ausgerichtet ist“

artikEL

Doppelte BelastungPsychische Probleme und Suchtmittelmissbrauch treten häufig gemeinsam auf. Ein integrativer Ansatz hilft den Betroffenen.

anzeige

Mit oder ohne? Wir begleiten Sie auf Ihrem Weg zu mehr Freiheit von Suchtmitteln.

Klinik Selhofen Emmentalstrasse 8, Burgdorf 034 420 41 41 Ambulatorium Selhofen Bern Burgdorf Biel 034 420 41 51 www.selhofen.ch

iiiiiiii untErnEhmEnSBEitraG

Selbsthilfegruppen – eine ansteckende Form von Gesundheit Verständnis, Ermutigung und Perspektiven in 170 Selbsthilfegruppen.

autorin

Kristin Metzner, Geschäftsleiterin

www.zentrumselbsthilfe.ch

Das Beratungsteam des Zentrums Selbsthilfe berät Sie online und telefonisch. Am Dienstag können Sie sich von 12.00 – 18.00 Uhr persönlich ohne Anmeldung an der Feldbergstr. 55 beraten lassen. (Foto: Christian Flierl)

Page 6: Leben mit psychischen Erkrankungen_Tagi

6 iiiii Eine crossmediale Publikation der Xmedia Solutions aG iii Leben mit psychischen Erkrankungen

Depressionen und sogenanntes Burnout-Erleben beziehungsweise arbeitsstressbezogene Störun-gen haben in den letzten Jahren aufgrund ihrer hohen Prävalenz zunehmend an Aufmerksam-keit erfahren, denn sie beinhalten neben einem erheblichen Leidensdruck der Betroffenen auch massive Auswirkungen auf die Leistungsfähigkeit der Beschäftigten. Ausserdem zählen arbeitsbe-zogene Belastungen zu den häufigsten Auslösern depressiver Störungen.

Arbeitsstressbezogene Störungen haben in den letzten Jahren zugenommen – warum ist das so?

Die Arbeitswelt unterlag in den letzten Jahren angesichts der wirtschaftlichen Glo-balisierung einem drastischen Wandel, der zu massiven Veränderungen in den Anforderungen geführt hat. Er lässt sich an Schlagwörtern wie Arbeitsverdichtung – einschließlich Multitas-king – Arbeitsbeschleunigung, Termin- und Leistungsdruck, überhöhte Überwachung, Frag-mentierung von Arbeitsabläufen sowie prekä-ren Arbeitsverhältnissen beschreiben. Viele Menschen halten diesem Druck nicht stand, sie fühlen sich ausgebrannt.

Ab wann sollte sich jemand, der sich ausgebrannt fühlt, behandeln lassen?

Im Laufe eines Arbeitslebens kommt es im-mer mal wieder zu vorübergehenden Stress- oder Überlastungsphasen, die mit vegetativen Stresssymptomen wie erhöhtem Pulsschlag, Schlafstörungen und einem Erschöpfungsge-fühl einhergehen können. Diese Arbeitsüber-lastungsfolgen sollten sich jedoch im Rahmen

von Wochenenderholung oder Urlauben rasch zurückbilden. Bei länger anhaltender Überfor-derung kann der Zustand jedoch in chronische emotionale Erschöpfung übergehen, die begleitet wird von einer kritischen Distanz zu der als überfordernd erlebten Arbeit und einer Redu-zierung der Leistungsfähigkeit bei anhaltenden vegetativen Stresssymptomen. Bei entsprechen-der Vulnerabilität kann dieser Risikozustand in eine depressive Störung münden. Spätestens dann sollte professionelle Hilfe in Anspruch genommen werden.

Wie behandeln Sie in der heutigen Zeit solche Störungen?

Wir haben uns die Behandlung dieser Stö-rungen zum Schwerpunkt gesetzt und in unserer neu eröffneten Privatklinik beispielsweise ein innovatives, störungsorient-modulares Kon-zept eingeführt. Dieses ist an einem interper-sonellen Modell ausgerichtet und besteht aus Modulen, die speziell zur evidenzbasierten, leitliniengerechten Behandlung affektiver Er-krankungen eingesetzt werden. Dabei werden sowohl änderungs- als auch akzeptanzbezogene Massnahmen – im Sinne eines Achtsamkeitsan-satzes – integriert. Die Module sind eingebettet in eine Behandlung, die ärztlich-psychiatrische Diagnostik, moderne Psychopharmakotherapie, fachpsychiatrische Kranken- und Gesundheits-pflege sowie Sport-, Ergo-, Musiktherapie und Arbeitsrehabilitation umfasst.

Was genau ist daran innovativ?Das Innovative an diesem Konzept besteht

darin, dass es keine Einengung auf rein stö-

rungsspezifische Ansätze vorsieht, sondern durch das modulare Vorgehen ermöglicht wird, die Therapie auf den individuellen Stö-rungskontext des Patienten zuzuschneiden. Beispielsweise werden komorbid auftretende Störungen, die besondere Problemkonstella-tion des jeweiligen Patienten, die individuelle Vorgeschichte sowie die Persönlichkeitsmus-ter, das Ressourcenprofil, der aktuelle Tätig-keitsspielraum, geschlechtsbezogene Beson-derheiten, etc. in ganz spezifischer Weise berücksichtigt.

Haben Sie dafür ein Beispiel?Ein Beispiel dafür wäre, dass bei einem Pa-

tienten mit einer arbeitsstressbedingten de-pressiven Störung seine Vorgeschichte früher zwischenmenschlicher Traumatisierungen in Form massiver emotionaler Vernachlässigung durch besondere Therapiemodule aufgegriffen wird. Diese zielen auf das „Überlernen“ dieser hinderlichen und schmerzhaften Prägungen und Erfahrungen ab und setzen an den Auswirkun-gen der Prägungen auf die Bewältigungsstrate-gien des Patienten an. Dadurch kann beispiels-weise ein ausweglos erscheinender Konflikt mit einem Vorgesetzten, der ein schleichendes Burnout-Erleben bedingt, wieder lösbar wer-den. Gerade bei arbeitsstressbezogenen Krisen muss aber neben der sorgfältige Analyse des interpersonellen Arbeitskontextes auch auf einer strukturellen Ebene an der Reduzierung äußerer stressbehafteter Arbeitsbedingungen angesetzt werden, zum Beispiel durch Arbeits-zeitreduzierung mithilfe organisationsbezogener Massnahmen.

Sie setzen also an mehreren Ebenen an, um nachhaltige Ergebnisse zu erreichen. Wie weit ist man diesbezüglich in der Forschung?

Es besteht trotz umfangreicher Studien zum Zusammenhang von Arbeit und Depression wei-terer Forschungsbedarf. So fehlen Studien, die Arbeitsbelastungen objektiv und unabhängig vom subjektiven Erleben der Studienteilneh-mer messen. Im psychotherapeutischen Be-reich müssten spezifische Ansätze für Burnout-Erleben noch umfassender überprüft werden. Bezüglich der Module, welche sich auf frühe Traumatisierungen beziehen, haben wir in ei-genen Studien gefunden, dass sie vor allem auf chronische Verläufe eine gute Wirkung haben. Trotzdem gibt es im Bereich der Forschung noch einiges zu tun.

im intErViEW

Prof. Dr. Elisabeth Schramm, Leitende Psychologin Privatklinik der Universitären Psychiatrischen Kliniken Basel

iiiiiiii untErnEhmEnSBEitraG – intErViEW

„Therapien auf den individuellen Störungskontext des Patienten zuschneiden“

Das Thema Burnout ist medial allgegenwärtig, gilt als gesellschaftsfähig und ist auch in medizi-nischen Fachkreisen ein grosses Thema. Häufig jedoch scheint der Begriff Burnout inhaltlich diffus, es herrschen unterschiedliche Erklärungen. Wie genau definieren Sie den Begriff Burnout?

Er beschreibt einen Übergang von einer grossen Belastung – vor allem bekannt im Ar-beitsumfeld – zu einer andauernden Überfor-derung mit vegetativen Stresssymptomen, die dauerhaft anhalten und dann in einen Zustand der Erschöpfung sowie Zynismus, Leistungsmin-derung und mangelnder Regenerationsfähigkeit übergehen. Gleichwohl können somatische sowie psychische Erkrankungen, wie beispielsweise MS, Krebs, beginnende Demenz oder Psychosen zu einem Burnout führen.

Welche Faktoren spielen eine Rolle beim Übergang von vorübergehender Arbeitsüber-forderung hin zum Burnout?

Verschiedene Faktoren wirken mit. Es wird von einem bio-psychosozialen Entstehungsmo-dell ausgegangen: Als biologische Risikokon-stellationen gelten zum Beispiel unterschiedliche Belastbarkeit und genetische Dispositionen. Psychisch bedeutsam ist die hohe individuelle Gewichtung der Arbeit in Bezug auf Selbstver-wirklichung, Selbstbestätigung und dem Erfüllen von Leistungsansprüchen, was zu einer Ausdeh-nung von Arbeitszeit und Vernachlässigung von Familie und Freizeit führt. Dies macht wiederum den Einzelnen anfällig für überlastungsbedingte Erschöpfung, Leistungseinschränkungen und psychische Krisen. Arbeitsbedingte Faktoren wie hohe Arbeitsbelastung, mangelnde Kon-trolle, mangelnde Belohnung, Zusammenbruch eines Gemeinschaftsgefühls und mangelnde

Fairness sowie Wertkonflikte sind ebenfalls bedeutend.

Geht mit einem Burnout stets eine Depression einher?

Nicht unbedingt. Burnout kann über chro-nifizierten Stress zu einer Folgeerkrankung wie Depression führen. Oft werden die Erkrankun-gen Burnout und Depression unpräzise benutzt. Vielleicht benennen Betroffene, da weniger stig-matisierend, eine Depression „nur“ als Burnout.

Welche Therapiemöglichkeiten stehen den Betroffenen zur Verfügung?

Es kommt auf das Ausmass der Erkrankung an. Handelt es sich nur um ein Burnout, ist oft eine ambulante Therapie und die Auseinan-dersetzung mit den auslösenden Faktoren und dem eigenen Verhalten ausreichend. Besteht aber eine psychiatrische Erkrankung, zum Bei-spiel eine Depression, eine schwerwiegendere Lebenskrise mit einer Angsterkrankung, eine somatische Erkrankung oder ist das Burnout in deren Folge, braucht es eher einen stationä-ren Aufenthalt. In diesem Fall kann das dyna-mische Zusammenspiel von arbeitsbezogenen und individuellen Faktoren über den Einbezug verschiedenster Therapien und Ansprechpart-ner angegangen werden. Das sind zum Beispiel Gesprächspsychotherapien, Gruppentherapien und köperbezogenene und kreativ-gestalterische Therapieformen. Zusätzlich sollte es Unterstüt-zung durch den Arbeitgeber sowie einen Sozial-arbeiter geben, um den Arbeitsplatzerhalt und die Reintegration zu gewährleisten. Wir legen in der Therapie sehr viel Wert auf die Beziehungs-arbeit mit dem Betroffenen und seinem Umfeld. Wir versuchen seine Ressourcen zu stärken und

zugleich die Mechanismen zu verstehen, welche zur Erkrankung geführt haben, um diese nicht zu wiederholen.

Wie wichtig ist die Unterstützung der Angehö-rigen, was können sie tun?

Die Unterstützung durch die Angehörigen ist sehr wichtig, auch bereits zu Beginn bei der Hilfesuche oder schon bei der Erkenntnis, dass das veränderte Verhalten über eine „normale“ Stressphase hinausgeht. Dies kann oft am ver-änderten Verhalten beobachtet werden – was Angehörige vielleicht besser und eher bemerken als der Betroffene selbst. Angehörige können motivierend sein und Mut geben, die Situa-tion ernst zu nehmen und Hilfe in Anspruch zu nehmen.

Sie können aber auch helfen, die Situation aus einer anderen Perspektive zu sehen und sind ebenso in einer Therapie für den Therapeuten sehr hilfreich. Deshalb laden wir auch immer gern Angehörige zu Gespräche ein, sei es zu deren Entlastung aber auch, um zu erfahren, wie diese die Veränderung erlebt haben und wie der Betroffene als gesunde Person ist.

Wie kann der Arbeitgeber in den Genesungs-prozess einbezogen werden?

Bei Erkrankungen, die durch Arbeitsstres-soren mit ausgelöst wurden, sollte die Therapie durch enge Kooperation mit den Arbeitsstel-len und Arbeitgebern stattfinden. Mit der Ar-beitsstelle kann dann zum Beispiel über eine langsame Wiedereingliederung in den Beruf gesprochen werden sowie über Veränderungen bei der Arbeitsorganisation, damit der Betroffene nicht wieder in eine vergleichbare Situation gerät und dabei erkrankt.

iiiiiiii untErnEhmEnSBEitraG – intErViEW

„Die Ressourcen der Betroffenen stärken“

autorin

Sascha Müller, FMH Psychiatrie und Psychotherapie Oberärztin Privatabteilung A3 Psychiatrie Baselland Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie

Page 7: Leben mit psychischen Erkrankungen_Tagi

Eine crossmediale Publikation der Xmedia Solutions aG iii Leben mit psychischen Erkrankungen iiiii 7

In den beiden Basel leben heute über 7‘000 Menschen mit Demenz. Jedes Jahr erkranken über 1‘800 Personen neu. Gedächtnisprobleme sind immer Zeichen eines krankhaften Prozesses und sollten frühzeitig erkannt und umfassend behandelt werden.

Die Memory Clinic unter der Abteilungs-leitung von Prof. Dr. phil. Andreas U. Monsch gehört zum neu gegründeten Universitären Zentrum für Altersmedizin Basel Felix Platter Spital (FPS). Bis zum Bezug des Neubaus des Felix Platter Spitals, der Mitte 2018 geplant ist, werden Dienstleistungen, Lehre und Forschung der Memory Clinic weiterhin auf dem Areal des Universitätsspitals Basel unter Leitung des FPS

an der Schanzenstrasse 55 angeboten. Die Me-mory Clinic unter der Gesamtleitung von Prof. Dr. med. Reto W. Kressig ist auf die Abklärung und Behandlung von Hirnleistungsstörungen bei Erwachsenen spezialisiert. Die Klinik gilt europaweit als Pionierin in der Früherkennung von Veränderungen im Gehirn, die mit dem Ver-lust von kognitiven, emotionalen und sozialen Fähigkeiten verbunden sind.

Die in Kontinentaleuropa erste Memory Cli-nic hatte schon vor über 25 Jahren das Ziel, Menschen in einem Frühstadium einer Demenz, zum Beispiel einer Alzheimer-Krankheit, zu diagnostizieren und ihnen neue Therapien an-zubieten. Auf dem Gebiet der medikamentö-sen Therapie stehen seit den 90er Jahren zwei Medikamentenklassen zur Verfügung, die den Krankheitsverlauf bei Menschen mit Demenz klinisch relevant verzögern. In enger Zusam-menarbeit mit der Schweizerischen Alzheimer-vereinigung beider Basel werden den Patienten auch Gedächtnistrainings und den Angehörigen Beratungsgespräche angeboten.

neuropsychologische tests der memory clinic sind europaweit Vorbild

Das Pionierhafte an der Memory Clinic Basel war und ist die umfassende interdisziplinäre und mul-tidimensionale Arbeitsweise von Geriatern, Neu-rologen, Neuropsychologen und Psychiatern. An den wöchentlich stattfindenden Diagnosekonfe-renzen werden sämtliche Untersuchungsbefunde eines Patienten vorgestellt und diskutiert. Der Konsensus-Diagnose folgen umfassende Thera-pieempfehlungen, die dem zuweisenden Hausarzt in einem Bericht übermittelt werden.

Eine bedeutende Erweiterung erfuhr die Demenzabklärung durch ein von Prof. Dr. med. Reto W. Kressig im Jahr 2006 nach Ba-sel gebrachtes Verfahren zur Ganganalyse bei Patienten mit Demenzverdacht. Die im Basel Mobility Center (Abteilungsleitung: Frau Dr. med. Stephanie Bridenbaugh), welche ebenfalls zum Universitären Zentrum für Altersme-dizin Basel gehört, durchgeführte Analyse des menschlichen Gehverhaltens erlaubt die Evaluation motorischer und kognitiver Kom-ponenten und das Studium diagnoserelevanter Interaktionen.

In Zukunft wird und muss die Geriatrie im Allgemeinen und die Memory Clinic im Spezi-ellen weiter an Bedeutung gewinnen. Es ist aus medizinischer Sicht ratsam und erwiesenermas-sen auch kosteneffizient, wenn möglichst jeder Mensch mit Verdacht auf Hirnleistungsstörun-gen frühzeitig eine umfassende Abklärung an einer Memory Clinic durchläuft. An der Memory Clinic werden deshalb auch bessere Screeningin-strumente für Häusarzte entwickelt. Das neueste Instrument, der BrainCheck, ist sogar als App auf iTunes erhältlich – eine App für Android ist in Planung. Zudem ist die an der Memory Clinic Basel entwickelte und standardisierte neuropsy-chologische Demenzabklärung mittlerweile zum Mass aller Dinge im ganzen deutschsprachigen Europa avanciert.

Entscheidende Verbesserungen müssen vor allem auf dem Gebiet der Demenz-Therapie beziehungsweise der Prävention von Gedächt-nisverlust und Demenz erzielt werden. Hier wird es wichtig sein, die Forschungsmittel – die zurzeit nur etwa ein Fünftel der Mittel der Krebsforschung betragen – angemessen zu erhöhen. Die Wirkung der heute zur Verfügung

stehenden Medikamente ist, obwohl klinisch relevant, doch eher bescheiden. Im besten Fall kann eine Verzögerung der Verschlechterung um ca. 1-2 Jahre erreicht werden. Deshalb ist die Memory Clinic auch auf dem Gebiet der Erforschung neuer medikamentöser Op-tionen sehr aktiv. In Zusammenarbeit mit der forschenden pharmazeutischen Industrie werden immer wieder Studien mit neuen Sub-stanzen durchgeführt, um den Patienten die hoffnungsvollsten neuesten therapeutischen Möglichkeiten anzubieten.

Frau Dr. Dubler, die gemeinnützige Stiftung dandelion führt in Basel ein Zentrum für de-menzkranke Menschen. Worauf kommt es bei der Pflege und Betreuung an?

Die Bewohner unserer Einrichtung teilen ein gemeinsames Schicksal: das Vergessen. Darü-ber hinaus leiden viele unter psychiatrischen Begleitsymptomen. Diese bedürfen einer spe-ziellen Betreuung. Dabei ist wichtig, stets die individuelle Persönlichkeit der Bewohner zu respektieren, auch wenn sie die Verantwortung für ihr Handeln nicht mehr selbst übernehmen können. Dies erfordert neben einer sorgfältigen, fachlich korrekten Pflege und Betreuung auch ein grosses Mass an Geduld, Feingefühl und Humor.

Gibt es spezielle Anforderungen bei der Gestal-tung eines Wohnheims für Demenzkranke?

Das Thema Sicherheit ist sehr relevant. Wir gestalten für unsere Bewohner ein Umfeld, das durch überschaubare räumliche, organisatori-sche und personelle Strukturen getragen wird. Demenzkranke brauchen in ihrem Alltag Kon-stanz und Struktur. Die richtige Gestaltung des Wohnraums und der Umgebung bietet Orientie-rung und trägt dazu bei, dass Demenzkranke ein weitestgehend selbstbestimmtes Leben führen können.

Sie bieten den Bewohnern eine an ihre Bedürf-nisse ausgerichtete Wohn- und Betreuungs-form an...

Ja, das stimmt. Unter unserem Dach gibt es sieben Wohngruppen mit sechs bis neun Bewoh-nerinnen und Bewohnern. Sie sind in überschau-

bare Wohn- und Pflegebereiche gegliedert und organisieren sich weitgehend selbst. Die Pflege und Betreuung findet durch ein interdisziplinä-res Team mit einer Wohngruppenverantwortli-chen statt. Für Geborgenheit und Vertrautheit sorgen zudem die Ein- oder Zweibettzimmer, die individuell eingerichtet werden können. Neben der Berücksichtigung der Bedürfnisse und Wün-sche ist es unser Anliegen, die Eigenständigkeit unserer Bewohner möglichst lange zu erhalten.

Wie fördern Ihre Mitarbeiter darüber hinaus die Selbstständigkeit der Demenzkranken?

Unser Personal arbeitet unter anderem nach dem milieutherapeutischen Ansatz. Integrale Be-standteile von Betreuung, Pflege und Aktivierung sind Biografiearbeit, die Erinnerungen wachruft, sowie Basale Stimulation, die der Körperwahr-nehmung dient und totale Gleichgültigkeit ver-hindert. Eine offen angelegte Wohnstube dient als Treffpunkt für das gemeinschaftliche Leben, wo auch die Mahlzeiten eingenommen werden.

Wie gestaltet sich der Aufnahmeprozess in Ihr Pflegezentrum? Und wonach richten sich die Kosten?

Der erste Schritt besteht darin, sich beim Gesundheitsdepartement in der Abteilung Lang-zeitpflege zu melden. Dort folgt ein persönliches Gespräch mit den Angehörigen, in dem über die Aufnahmekriterien – dazu zählen eine fortge-schrittene Demenzerkrankung und eine mini-male Gruppenfähigkeit – informiert wird. Die Kosten richten sich nach den vom Regierungsrat festgelegten Taxen und dem individuell erfassten Pflegeaufwand.

Apropos Angehörige. Die häusliche Pflege Demenzkranker ist alles andere als leicht. Neben den aufwändigen Betreuungsaufgaben gilt es, eine Vielzahl emotionaler Belastungen zu bewältigen. Mit dem Tagespflegeheim ermöglichen Sie Betroffenen eine Verschnauf-pause...

Richtig. Das dandelion verfügt über zwölf Plätze, die speziell der Entlastung Angehöri-ger dienen. Die rund zwanzig Gäste verweilen tagsüber an zwei, drei oder fünf Tagen bei uns und werden von einem spezialisierten Team betreut. Dies gibt den Angehörigen Zeit, wieder Kraft zu tanken. Wie bereits erwähnt, brauchen Demenzkranke klare Strukturen und immer wie-derkehrende Rituale, um sich sicher zu fühlen. Dies gewährleisten wir unseren Gästen etwa durch das gemeinsame Kaffeetrinken bei der Ankunft, der Mittagsruhe und das gemeinsame Singen am Ende des Tages. Für Abwechslung sorgen auch kleine Ausflüge mit unserem Bus. Ein Aufenthalt im Tagespflegeheim hilft, einen Heimeintritt zu verzögern.

In der Pflege und Betreuung von Pflegebedürf-tigen geht es auch um die Qualität. Wie sichern Sie diese?

Wir überprüfen und optimieren unsere Ar-beit laufend. Besonderes Augenmerk liegt auf dem Potenzial unserer Mitarbeitenden, das wir gezielt fördern. Die aktuellen fachlichen, poli-tischen und gesellschaftlichen Entwicklungen haben wir stets im Blick und reagieren darauf. Nur so können wir die Arbeitsqualität im Hause dandelion auf einem so guten Niveau halten und weiter entwickeln.

iiiiiiii untErnEhmEnSBEitraG – intErViEW

„Ob Wohn- oder Tagespflegeheim – die Würde der Demenzkranken ist Kernpunkt unseres Pflegekonzeptes“

iiiiiiii untErnEhmEnSBEitraG

Demenz: Warum eine Früherkennung wichtig ist

informationEn

Memory Clinic, Standort Schanzenstrasse 55, 4031 Basel

www.felixplatterspital.ch

autor

Prof. Dr. phil. Andreas U. Monsch, Universitäres Zentrum für Altersmedizin Basel, Felix Platter Spital

autorin

Dr. Regine Dubler, Zentrumsleiterin dandelion, Pflegezentrum für demenzkranke Menschen Basel

Page 8: Leben mit psychischen Erkrankungen_Tagi

PRIVATKLINIKEN UPK BASEL

www.upkbs-privatkliniken.ch

Telefon +41 61 325 52 02

Als eine der führenden psychiatrischen Universitätskliniken der Schweiz verfügen wir über zwei exklusive Privatkliniken, die mit ihren Fachkräften Erwachsenen mit persönlichen und gesundheitlichen Krisen zur Seite stehen. Neuste Erkenntnisse aus international anerkannter Forschung erweitern laufend unsere bewährten Diagnostik-, Therapie- und Behandlungsangebote. Diese werden ergänzt durch eine zeitgemässe Hotellerie. Sie erhalten ein auf Ihre indivi duellen Bedürfnisse abgestimmtes Behandlungsprogramm. Unsere modernen sowie erst klassig ausgestatteten Privatkliniken und die hervorragende Betreuung haben zum Ziel, unseren Patien-tinnen und Patienten ihren Aufenthalt in einem von Respekt geprägten Umfeld so angenehm wie möglich zu gestalten. Es ist unser Anliegen, die schnellstmögliche Rückgewinnung der psychi-schen Gesundheit und Lebensqualität der Betroffenen zu gewährleisten.

Gerne informieren wir Sie über unsere Privatkliniken – auch in einem persönlichen Gespräch.

INNOVATIVE THERAPIEPROGRAMME BEI BURNOUT UND DEPRESSION

S&

C

Page 9: Leben mit psychischen Erkrankungen_Tagi

Eine crossmediale Publikation der Xmedia Solutions aG iii Leben mit psychischen Erkrankungen iiiii 9

anzeigen

Ihr Partner beipsychischen Belastungenam Arbeitsplatz

– Beratung für Arbeitgeber– Coaching für Arbeitnehmer

Clarastrasse 6 4058 [email protected] 335 92 28

Psychosoziale Arbeitsgemeinschaft

GaStBEitraG

Mitarbeiter mit einer psychischen Problematik – eine Herausforderung für ArbeitgeberFrau M. schaut der Rückkehr an ihren Ar-

beitsplatz mit gemischten Gefühlen entge-gen. Die Pflegefachfrau musste sich nach einem Burnout für drei Monate in eine psychiatrische Klinik begeben und plant nun gemeinsam mit dem Arbeitgeber (Alters- und Pflegeheim) den Wiedereinstieg. Frau M. ist eine geschätzte lang-jährige Mitarbeiterin, sie liebt ihre Tätigkeit und fühlt sich wohl im Team. Sie will nun möglichst rasch wieder einsteigen, der Arzt empfiehlt ihr zu Beginn ein Pensum von 50 Prozent. Sie beab-sichtigt, dies möglichst schnell auf 100 Prozent zu erhöhen und freut sich darauf, bald wieder voll leistungsfähig zu sein.

Gleichzeitig bewegen sie verschiedene Ängste. Während der Zeit der Depression war ihre Konzentration eingeschränkt, und sie ist etwas unsicher, ob sie schon wieder die volle Leistung erbringen kann. Ihren Kolleginnen gegenüber hat sie ein schlechtes Gewissen, weil sie so lange gefehlt hat, und sie macht sich Ge-danken, was diese wohl über ihre Erkrankung denken. Sie befürchtet, dass ihr Arbeitgeber nun genug hat von ihren Absenzen und wohl bald das Arbeitsverhältnis kündigen wird.

Das Alters- und Pflegeheim seinerseits freut sich, dass Frau M. nun wieder an einen Ein-stieg denken kann, man will die engagierte und kompetente Pflegefachfrau nicht verlieren. Das Team hat nun über längere Zeit Mehrarbeit geleistet und wartet darauf, zum Normalbetrieb zurückzukehren. Die Vorgesetzte von Frau M. weiss, dass es sich um eine psychische Erkran-kung handelt, und ist unsicher, ob und wie sie dies ansprechen soll. Wenn sie sich erinnert,

in welch schlimmer Verfassung Frau M. vor dem Zusammenbruch zur Arbeit gekommen war, fragt sie sich, ob nun Belastbarkeit und Leistungsfähigkeit wieder hergestellt sind.

Mit der zunehmenden Verbreitung von psy-chischen Erkrankungen wird das Thema in der Arbeitswelt präsenter, die meisten Vorgesetz-ten und Personalverantwortlichen haben schon Erfahrungen gemacht mit betroffenen Mitar-beitenden. Das obige Beispiel veranschaulicht einige Schwierigkeiten, die auf Vorgesetzte und Betroffene zukommen können.

rückkehr schrittweise planen

Es lohnt sich, den Wiedereinstieg nach einer längeren Absenz vorgängig in einem Gespräch zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer, even-tuell auch unter Beizug externer Fachpersonen, zu planen. Dabei kann geklärt werden, wie weit die Mitarbeiterin / der Mitarbeiter schon wieder leistungsfähig und wo noch Rücksicht notwendig ist. Neben dem Pensum wird eventuell auch der Aufgabenbereich vorübergehend angepasst und es kann besprochen werden, welche Un-terstützung ein Mitarbeiter benötigt und wie bei Problemen vorzugehen ist. Auch kann der Arbeitgeber den Rahmen aufzeigen, innerhalb dessen ein Entgegenkommen möglich ist. Leider lässt sich bei psychischen Krankheiten meist der Heilungsverlauf nicht voraussagen, weshalb eine schrittweise Planung empfehlenswert ist. Für die Betroffenen sind regelmässige ehrliche Rückmeldungen enorm wichtig, um das nach einer Krise erschütterte Selbstvertrauen wieder

aufzubauen. Auch für die vorgesetzte Person und für das Team sind Etappen mit konkreten Zielsetzungen eine Erleichterung.

Ein Informationsaustausch zwischen Arzt/Therapeut und Arbeitgeber kann viel zur Unter-stützung des Eingliederungsprozesses beitra-gen. Für die Vorgesetzten können bestimmte Verhaltensweisen oder Einschränkungen ver-ständlicher werden, der Arzt kann Informatio-nen über die Auswirkungen der Krankheit im Arbeitskontext in der Behandlung aufnehmen.

Psychische Erkrankung führt nicht immer zu absenzen

Bei weitem nicht immer kommt es bei einer psy-chischen Erkrankung zu Absenzen. Sehr viele Betroffene arbeiten konstant und mit grossem Engagement. Trotzdem kann durch Einschrän-kungen in der Arbeitsleistung, im Sozialverhal-ten oder im Arbeitsverhalten eine Situation ent-stehen, in der Arbeitsteam und Vorgesetzte stark gefordert werden. Die Tatsache, dass psychische Krankheit in unserer Gesellschaft ein Tabuthema ist, erschwert zusätzlich, das Gespräch darüber zu führen. Kein Wunder gelangen Vorgesetzte oder Personalverantwortliche manchmal an ihre Grenzen. Was ist zu tun?

In einem ersten Schritt ist wichtig, die Pro-blematik genau zu erfassen, die verschiedenen Sichtweisen und die Auswirkungen zusammen-zutragen. Im Gespräch mit dem Mitarbeiter / der Mitarbeiterin geht es darum, konkret auf-zuzeigen, worin für den Betrieb die Schwierig-keit besteht und welche Erwartungen er hat

– dies alles in wohlwollender Atmosphäre und mit Anbieten von Unterstützung. Es ist nicht immer einfach, diese Gespräche auf der sach-lichen Ebene zu halten oder möglichst schnell wieder dorthin zurückzukehren. Wichtig sind bei diesen Gesprächen die Transparenz, der Bezug auf die Arbeit und auf die zur Arbeit notwendigen Bedingungen. Ein klarer Rahmen, genaue Abmachungen, konkrete Zielsetzungen und regelmässige Rückmeldungen erleichtern beiden Seiten den Umgang mit der schwierigen Situation.

Externe hilfsangebote

Die Integration von Menschen mit einer psy-chischen Beeinträchtigung im Arbeitsmarkt ist eine grosse Herausforderung. Vorgesetzte und Personalverantwortliche werden mit Fra-gen konfrontiert, die weit über ihr Fachgebiet herausragen. Oftmals ist es ratsam, Hilfe beizu-ziehen. Je nach Grösse und Organisation des Betriebs bieten sich dafür auch interne Stellen wie Personalabteilung oder Sozialberatung an. Als externe Experten können eine Arbeitgeber-beratung oder ein Job Coach sowie Casemanager einer Sozialversicherung beigezogen werden. Auch die Zusammenarbeit mit dem behandeln-den Psychiater und / oder eine Massnahme der Frühintervention der Invalidenversicherung kann weiterhelfen und entlastend wirken.

autorin: Christine Hersperger

www.stiftung-ipt.ch

Sie wünschen spezialisierte Unterstützung? Was IPT Ihnen bieten kann:

Page 10: Leben mit psychischen Erkrankungen_Tagi

10 iiiii Eine crossmediale Publikation der Xmedia Solutions aG iii Leben mit psychischen Erkrankungen

artikEL

Hilfe zur SelbsthilfeWenn das eigenständige Wohnen für Menschen mit psychischen Beeinträchtigungen zum Problem wird, kann Wohnintegration die Lösung sein.

iiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiii Von SVEnja runciman

Manche Menschen wirft eine psychische Erkrankung völlig aus der Bahn. Mit den

(ansonsten) einfachsten Dingen, wie etwa der Bewerkstelligung des eigenen Haushaltes, sind sie schlichtweg überfordert. Es besteht die Gefahr einer zunehmenden Isolation oder gar Verwahrlosung. Eine instabile Wohnsituation kann sich darüber hinaus negativ auf die Aus-übung des Berufes auswirken oder die Suche nach einer neuen Arbeitsstelle erschweren. Die Chancen auf dem freien Wohn- und Ar-beitsmarkt schwinden, Sozialhilfeabhängigkeit und Obdachlosigkeit können drohen. Für diese Menschen ist das Angebot der Wohnintegration ein Rettungsanker. Übergeordnetes Ziel ist die gesellschaftliche Re-Integration von Menschen mit besonderem Betreuungsbedarf durch die individuelle Förderung der Sozial- und Selbst-kompetenz.

unterstützung im alltag

Für Menschen, die ihre Wohnkompetenz ver-loren haben, bieten sich zwei Möglichkeiten der Unterstützung: die Wohnintegration und die Wohnbegleitung. Diese beiden Leistungen unterscheiden sich im Wesentlichen durch ihre unterschiedlichen Zielsetzungen und die zur Verfügung stehende zeitliche Betreuungsinten-sität. Grundsätzlich richtet sich das Angebot an Personen, die aufgrund ihrer Lebenssituation noch nicht wieder in der Lage sind, selbstständig

zu wohnen, zum Beispiel nach einem Klinik-aufenthalt. Während es bei der ambulanten Wohnbegleitung darum geht, Betroffene darin zu unterstützen, ihre Wohnung zu halten, wird bei der Wohnintegration Wohnraum in der je-weiligen Einrichtung zur Verfügung gestellt – mit dem Ziel, in der Zukunft möglichst wieder die eigenen vier Wände beziehen zu können. In der Wohnintegration leben Menschen aus unterschiedlichen Altersgruppen zusammen unter einem Dach. In der Regel hat jeder sein eigenes Zimmer und Bad. Küche und Wohnraum werden hingegen gemeinschaftlich genutzt. Sie dienen als „Begegnungsraum“ für die Bewohner, die ein ähnliches Schicksal teilen, und fördern das soziale Zusammenleben.

Zurück in ein selbstbestimmtes Leben

Menschen mit psychischen Beeinträchtigun-gen oder psycho-sozialen Schwierigkeiten, die immer wieder die Erfahrung machen, durch eigenes Handeln die äussere Situation nicht oder kaum beeinflussen zu können, geraten häufig in einen Zustand, in dem sie sich selbst nichts mehr zutrauen, sich zurückziehen und isolieren. Im Rahmen der Wohnintegration ler-nen sie durch professionelle Unterstützung, ihre Angelegenheiten wieder selbst in die Hand zu nehmen, sich ihrer Fähigkeiten bewusst zu werden sowie ihre individuellen Ressourcen für ihre Lebensführung zu nutzen. Die Mitarbeiter der Einrichtungen, ausgewiesene Fachkräfte der Psychologie und Sozialpädagogik, unterstützen

die Bewohner im Alltag und intervenieren bei Krisen. Die Betreuung erfolgt individuell auf den Bewohner abgestimmt – zeitweise, zum Beispiel nur tagsüber oder an Wochentagen, oder auch rund um die Uhr. Einzel- oder Grup-pengespräche stehen ebenso auf dem Programm wie gemeinsame Freizeitaktivitäten. Wichtig ist ein strukturierter Tagesablauf.

Wohnintegration – nicht für jedermann

Die Wohnintegration eignet sich insbesondere für Menschen, die etwas verändern wollen, es aber aus eigener Kraft nicht schaffen. Eine wichtige Voraussetzung ist demnach die Be-reitschaft, sich mit der aktuellen Lebenssitu-ation auseinandersetzen zu wollen. Für die bevorstehende therapeutische Zusammenarbeit zwischen Betroffenen und Betreuern ist dies eine gute Voraussetzung. Um den Anforde-rungen während des Aufenthalts gerecht zu

werden, muss der Gesundheitszustand soweit stabil sein. In einer mehrwöchigen Probezeit wird daher zunächst geprüft, ob der Aufent-halt in einer Wohnintegration Sinn macht. Erst dann geht es um die Frage, welche Ziele mit dem Aufenthalt erreicht werden sollen und mit welcher Form von Unterstützung sie umgesetzt werden können. Die Frage nach der Dauer eines Aufenthaltes lässt sich nicht pauschal beant-worten. Sie hängt von der Art der psychischen Beeinträchtigung und den Fortschritten in der persönlichen Entwicklung ab. Hat der Bewohner sich die nötigen Kompetenzen angeeignet, kann er den Sprung in eine eigene Wohnung wagen. Die unterstützenden Massnahmen erfolgen grundsätzlich so intensiv und lange wie nötig. Bei der Rückkehr in ein eigenständigeres Leben werden die Ehemaligen der Wohnintegration jedoch nicht allein gelassen. In der ambulanten Nachbetreuung wird für eine befristete Zeit geprüft, ob die Organisation des Alleinlebens auch tatsächlich funktioniert.

Ihr Kompetenzzentrum in der arbeits- und wohnintegration

Unsere FörderangeboteBerufsausbildungenSupported EducationSupported EmploymentBerufliche MassnahmenBegleitete ArbeitsplätzeBegleitetes Wohnen

www.gaw.ch Besuchen Sie uns auch unter www.gasparini.ch oder unter www.restaurant-balade.ch

anzeige

Page 11: Leben mit psychischen Erkrankungen_Tagi

Eine crossmediale Publikation der Xmedia Solutions aG iii Leben mit psychischen Erkrankungen iiiii 11

Eine neue Vision für das eigenen Leben entwi-ckeln, wieder auf die Beine kommen, in einem Umfeld, das hilft und unterstützt: Das ist das Angebot des Rütihuses in Frenkendorf. Männern und Frauen mit Suchtproblemen bietet es Hilfe in Krisensituationen, einen geschützten Raum und eine sichere, betreute Umgebung – eine Art Beziehungsort, von dem aus sie sich ein neues Leben ohne Sucht erobern können. Dabei helfen die Therapie- und Rehabilitationsmöglichkeiten des Hauses.

Geschützter ort

Wer hier herkommt, hat vielleicht schon eine längere „Suchtkarriere“ hinter sich, hat auf der Gasse gelebt oder ist auch aufgrund des Alters nicht mehr in der Lage, sich dauerhaft um sich selbst zu kümmern. So unterschiedlich die in-dividuellen Bedürfnisse, so verschieden sind auch die Angebote des Rütihuses. Den äusseren Rahmen geben die vier verschiedenen Wohnan-gebote: das Wohnheim, die Krisenstation, die Aussenwohngruppe und die Langzeit-Aussen-wohngruppe. Je nach individueller Situation finden KlientInnen und BewohnerInnen hier den richtigen Ort, um ihr Leben wieder nach ihren Vorstellungen zu leben.

Dabei existieren die vier Angebote nicht getrennt voneinander. Wie ein Reissverschluss greifen sie ineinander. Bei Bedarf wird zwischen den Wohnformen gewechselt. Sie werden so genutzt, wie es den Möglichkeiten des Einzel-nen entspricht: Für den einen sind sie der Weg nach „draussen“ entsprechend seiner oder ihrer Vision für ein neues Leben. Andere finden im

Rütihus einen zeitlich unbegrenzten Lebensort, an dem sie Autonomie im geschützten und gestützten Rahmen erleben können. Seit 1999 hat das Rütihus über 600 Menschen geholfen.

Das angebot

So sieht das Angebot im Einzelnen aus: Das Wohnheim spricht Männer und Frauen bis ins Pensionsalter an, die wegen Alkoholproblemen beziehungsweise psychiatrischer Diagnosen vorübergehend oder auch längerfristig auf ein betreutes Wohnen angewiesen sind und zur Bewältigung des Alltags Hilfe brauchen. Das Zusammenleben in der Gemeinschaft bietet Schutz vor sozialem Rückzug. Die regelmässi-gen Gespräche mit den Mitarbeitern, die Mög-lichkeiten zur Teilnahme an Freizeitaktivitäten und die Unterstützung in lebenspraktischen Belangen aktivieren und fördern die sozialen Kompetenzen.

Die Krisenstation richtet sich an Frauen und Männer zwischen 18 und 45 Jahren, die vor allem von illegalen Drogen abhängig sind. Hier geht es darum, den Ausstieg zu schaffen und in der ersten Zeit nach dem Entzug eine stabile Basis für eine Neuorientierung zu schaffen. Für viele ist der nächste Schritt die Aussenwohn-gruppe der Rütihus‘.

Diese ist gedacht für suchtmittelabhängige Frauen und Männer, die nach einem Aufenthalt in der Krisenstation Rütihus weitere Betreuung brauchen. Voraussetzung ist eine günstige Pro-gnose für ein zukünftiges, drogenfreies Leben. Die Aussenwohngruppe befindet sich in Liestal

und ist gut mit öffentlichen Verkehrsmitteln erreichbar. Die Langzeit-Aussenwohn-gruppe schliesslich ist eine Art letzte Station vor der Rückkehr in ein selbst-ständiges Leben. Hier leben Suchtpatienten, die in ei-ner stationären Einrichtung wie etwa der Krisenstation gelebt haben und sich ei-nem selbständigeren und suchtfreien Leben zuwen-den möchten. In kleinen Wohneinheiten werden Männer und Frauen mit einer festen Tagesstruktur von einer Bezugsperson begleitet. Die Aufent-haltsdauer ist nicht befristet. Sie können die Förder- und Therapieprogramme des Rütihus‘ als Tagesklienten und bei Krisen dessen stationäres therapeutisches Angebot nutzen.

therapie und kontakt

Das Rütihus wird von verschiedenen Kosten-trägern auf kommunaler, kantonaler und Bun-desebene finanziert. Wer hier Hilfe bekommt, wird von psychiatrischen Kliniken oder behan-delnden Ärzten zugewiesen. Die Wohn- und Therapiegruppen werden vor Ort durch erfah-rene Fachleute betreut. Seinen KlientInnen und BewohnerInnen bietet das Rütihus entsprechend der persönlichen Situation und der Ausrichtung der vier Wohnangebote verschiedene Thera-pieangebote, die auf die Suchtproblematik und

eventuell bestehende weiteren Therapiebedarf eingehen. Mithilfe der systemischen Therapie, Focusing, den Mitteln der Tradtionellen Chi-nesischen Medizin (TCM), in Gruppen- und Einzeltherapie werden die Gründe für den Dro-geneinstieg geklärt, wird die persönliche Ent-wicklung und Heilung in Gang gesetzt und die Grundlage für eine drogenfreie Existenz gelegt: So entsteht eine Vision für ein neues Leben.

Menschen, die an einer psychischen Erkrankung leiden, wissen oft selbst nicht, dass sie Hilfe benötigen. Von grosser Wichtigkeit in ihrer Situation sind insbesondere die Angehörigen sowie Bezugspersonen. Sie bedeuten für die Erkrankten eine immense Stütze, indem sie nicht nur beistehen, sondern auch mithilfe professi-oneller Unterstützung einzuschätzen wissen, welches Wohnumfeld sich für die Betroffenen als ideal erweist.

in der WG zurück in den alltag

Eine dabei zunehmend an Bedeutung gewin-nende Möglichkeit stellen Wohngemeinschaften dar. Beispielhaft hierfür ist die wg neuewelt, eine therapeutische Wohngemeinschaft in Münchenstein, die sich vorwiegend an jüngere Frauen und Männer richtet. Aber auch ältere Bewohner mit psychischen Beeinträchtigungen, wie etwa Schizophrenie, Persönlichkeitsstörun-gen oder Borderline-Syndrom, die Anspruch auf IV-Leistungen haben, fühlen sich in der Gemeinschaft zu Hause. Ohne eine kontinuier-liche individuelle Begleitung im Wohnbereich und eine stützende Alltagsstruktur hätten diese Menschen Schwierigkeiten, ihren Alltag zu gestalten.

Die Wohngemeinschaft neuewelt bietet für psy-chisch Erkrankte ein weit gefächertes Angebot an betreutem Wohnen und ambulanter Wohnbe-gleitung. Hierfür steht eine Angebotskette aus vier Wohnstufen zur Verfügung: Wohngruppen in der Nachklinikbetreuung mit Schwerpunkt ressourcenorientierte Förderung, ein Wohntrai-ning in der Dependance, eine intensive ambu-lante Wohnbegleitung sowie eine ambulante Wohnbegleitung.

facettenreiches therapieprogramm

In der wg neuewelt erfahren die Bewohner in Fragen der Alltags- und Lebensbewältigung eine kontinuierliche, fachlich qualifizierte Beglei-tung auf christlicher Grundlage; die Einrichtung arbeitet konfessionell neutral. Dabei besteht das Ziel des Aufenthalts insbesondere darin, mehrere Lebensbereiche eigenverantwortlich zu gestalten, wie zum Beispiel sorgsam mit sich umzugehen, Grenzen zu setzen und zu wahren sowie mit seinen Einschränkungen möglichst kreativ umzugehen. Darüber hinaus steht die wg neuewelt den psychisch Erkrankten dabei zur Seite, den Alltag und die Freizeit wieder besser selbst gestalten und in die Arbeitswelt einsteigen zu können.

Die von der wg neuewelt offerierten Un-terstützungsleistungen sollen nicht zuletzt krankheitsbedingte Einbussen oder entwick-lungsbedingte Defizite an Selbstständigkeit ausgleichen sowie den Bewohnern ein möglichst selbstbestimmtes, eigenverantwortliches und entwicklungsorientiertes Leben in der Gemein-schaft ermöglichen. In Zusammenarbeit mit dem Kanton Basel-Stadt wurden Unterstüt-zungsleistungen entwickelt, die grundsätzlich assistierend und in einem dialogischen Bezie-hungsklima so intensiv und so lange wie nötig angeboten werden.

kommunikativer austausch

Das Konzept der wg neuewelt basiert vor allem auf einer vernetzten Zusammenarbeit mit festen externen Bezugspersonen: Angehörige, Personen von Kindes- und Erwachsenenschutzbehörden, Psychiater und Psychotherapeuten sowie Ar-beitgeber und Fachpersonen der sozialen Arbeit kommen hierfür infrage. Wesentliches Standbein der Wohngemeinschaft, die rund um die Uhr be-treut wird, ist eine feste Tagesstruktur. An vier Halbtagen in der Woche bestehen Gruppenange-bote zu den Schwerpunkten Lebensgestaltung, Kreativität, Bildung und Freizeit.

Zwar arbeiten die Bewohner vorwiegend ex-tern, genauso ist aber auch eine interne Beschäf-tigung in den Bereichen Küche, Garten, Haus und Werkstatt möglich. Zusätzlich lernen sie in Einzel- und Gruppengesprächen sich mitzuteilen, konkrete Hilfe in Anspruch zu nehmen und ihr Verhalten zu reflektieren. Hinzu kommen: Wö-chentliche Gespräche mit den Bezugspersonen sowie regelmässige Standortbestimmungen, die jeweils mit konkreten Zielvereinbarungen verbunden sind.

Ebenso unabdingbar, um Stabilität zu ver-mitteln, ist eine verbindliche, individuell ange-passte Wohnstruktur. So hat jeder Bewohner ein eigenes Zimmer – insgesamt stehen in der wg neuewelt, die zu den kleineren Institutionen zählt, 24 Plätze zur Verfügung. Diese sind in vier Wohngruppen unterteilt.

Wichtigste Kriterien, um in der wg neue-welt aufgenommen zu werden, sind einerseits die Aufenthaltsbewilligung der zuständigen kantonalen Stellen, andererseits aber auch die Bereitschaft, in der Regel einer externen Be-schäftigung nachzugehen und sich auf eine Gemeinschaft und ein Wohntraining einzulas-sen. Gelingt dies, können sich die psychisch Erkrankten in der Wohngemeinschaft daheim fühlen, etwas Neues wagen und zurück in ein selbstbestimmtes Leben finden.

iiiiiiii untErnEhmEnSBEitraG

Wohnen in der Gemeinschaft: Erholung für die Psyche Die wg neuewelt bietet Menschen mit psychischen Beeinträchti-gungen ein Zuhause. Basis der therapeutischen Tätigkeit ist ein biblisches Wert- und Menschenbild.

iiiiiiii untErnEhmEnSBEitraG

Das Rütihus: Schutzort für ein neues LebenDas Rütihus in Frenkendorf bietet Menschen mit Suchtproblemen einen Ort, an dem sie sich auf ein suchtfreies Leben vorbereiten können.

kontakt

Rütihus, Krisenstation und Wohnheim Liestalerstrasse 2 4402 Frenkendorf

Tel.: 0619012963 www.ruetihus.ch

Das Team der wg neueweltBewohnerInnen beim Billiardspielen im Freizeitraum der wg neuewelt

Page 12: Leben mit psychischen Erkrankungen_Tagi

Verstehen. Vertrauen

Die Psychiatrie Baselland erzielt einen herausragenden stationären Behandlungserfolg*

www.pbl.ch

*gemäss «Nationalem Vergleichsbericht Outcome Stationäre Psychiatrie Erwachsene», ANQ, Mai 2013 (http://www.anq.ch/psychiatrie/messergebnisse/).

Basis: 58 teilnehmende Kliniken, 24‘509 Patientinnen und Patienten.