Lebenslanges Lernen im Beruf: Individuell, virtuell ...€¦ · schem Konzept sowie der Kombination...

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BIBLIOTHEKSFORUM BAYERN 12 | 2018 Keynote Speaker, Referenten 1 aus ganz Deutschland und ein World Café: Es war ein großer Workshop, den die Kom- mission für Aus- und Fortbildung des Bibliotheksverbunds Bayern (KAF) in Kooperation mit der Bibliotheksakademie Bayern (BAB) im vergangenen September veranstaltete. Digitalisierung, demographischer Wandel und eine kul- turell vielfältige Gesellschaft stellen Bibliotheken vor im- mer neue Herausforderungen. Ansprüche und Bedürfnisse der Kunden ändern sich und werden auch geprägt durch kommerzielle Angebote. Ohne Kreativität, Einfallsreichtum und passgenaue Fortbildungen werden Bibliotheken die- sen Herausforderungen nicht begegnen können. Und an- gesichts der sich schnell verändernden Anforderungen ist ein Konzept für lebenslanges Lernen notwendig, das indi- viduellen Bedürfnissen gerecht wird, Möglichkeiten der virtuellen Wissensvermittlung aufgreift und auch infor- melle Lernszenarien zulässt. Fortbildungen sind ein unverzichtbares Instrument der Personalentwicklung in öffentlichen und wissenschaftli- chen Bibliotheken und ein wichtiges Element für eine zu- kunftsorientierte Organisationsentwicklung 2 . Öffentliche Bibliotheken können teilweise auf Angebote ihrer Kommu- nen, Hochschulbibliotheken auf Angebote ihrer Hoch- schule zurückgreifen. Oft ist jedoch Eigeninitiative gefragt, um hausintern passgenaue Fortbildungsmöglichkeiten für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu schaffen. Manch- mal ist es schwierig, ein entsprechendes Angebot zu fin- den, oft reicht das Budget nicht oder die Termine passen nicht zum Bedarf. Auch deshalb gewinnen interne Fortbil- dungen in öffentlichen und wissenschaftlichen Bibliothe- ken eine immer größere Bedeutung. Die KAF wollte wissen: Was hat sich in der internen Fort- bildung bewährt, wie können interne Weiterbildungsange- bote von morgen aussehen? Welchen Blick hat die Wirt- schaft auf das Thema interne Fortbildung? Lebenslanges Lernen im Beruf: Individuell, virtuell, informell? Ein Workshop der Kommission für Aus- und Fortbildung Von Gabriele Fliegerbauer, Caroline Leiß und Doris Schneider Die Teilnehmer diskutieren im Rahmen eines World Cafés mit den Referenten.

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BIBLIOTHEKSFORUM BAYERN 12 | 2018

Keynote Speaker, Referenten1 aus ganz Deutschland undein World Café: Es war ein großer Workshop, den die Kom-mission für Aus- und Fortbildung des BibliotheksverbundsBayern (KAF) in Kooperation mit der BibliotheksakademieBayern (BAB) im vergangenen September veranstaltete.

Digitalisierung, demographischer Wandel und eine kul-turell vielfältige Gesellschaft stellen Bibliotheken vor im-mer neue Herausforderungen. Ansprüche und Bedürfnisseder Kunden ändern sich und werden auch geprägt durchkommerzielle Angebote. Ohne Kreativität, Einfallsreichtumund passgenaue Fortbildungen werden Bibliotheken die-sen Herausforderungen nicht begegnen können. Und an-gesichts der sich schnell verändernden Anforderungen istein Konzept für lebenslanges Lernen notwendig, das indi-viduellen Bedürfnissen gerecht wird, Möglichkeiten dervirtuellen Wissensvermittlung aufgreift und auch infor-melle Lernszenarien zulässt.

Fortbildungen sind ein unverzichtbares Instrument derPersonalentwicklung in öffentlichen und wissenschaftli-chen Bibliotheken und ein wichtiges Element für eine zu-kunftsorientierte Organisationsentwicklung2. ÖffentlicheBibliotheken können teilweise auf Angebote ihrer Kommu-nen, Hochschulbibliotheken auf Angebote ihrer Hoch-schule zurückgreifen. Oft ist jedoch Eigeninitiative gefragt,um hausintern passgenaue Fortbildungsmöglichkeiten fürdie Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu schaffen. Manch-mal ist es schwierig, ein entsprechendes Angebot zu fin-den, oft reicht das Budget nicht oder die Termine passennicht zum Bedarf. Auch deshalb gewinnen interne Fortbil-dungen in öffentlichen und wissenschaftlichen Bibliothe-ken eine immer größere Bedeutung.

Die KAF wollte wissen: Was hat sich in der internen Fort-bildung bewährt, wie können interne Weiterbildungsange-bote von morgen aussehen? Welchen Blick hat die Wirt-schaft auf das Thema interne Fortbildung?

Lebenslanges Lernen im Beruf:Individuell, virtuell, informell?Ein Workshop der Kommission für Aus- und Fortbildung

Von Gabriele Fliegerbauer, Caroline Leiß und Doris Schneider

Die Teilnehmer diskutieren

im Rahmen eines World

Cafés mit den Referenten.

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Ausgehend von diesen Leitfragen wurde der Workshopentwickelt, der am 20. September 2017 an der TechnischenHochschule Ingolstadt stattfand.3 In der Keynote sprachProf. Dr. Werner Widuckel4 über „Wandel der Arbeit, Perso-nalentwicklung und Innovation“. Viele Beispiele aus seinerErfahrung als Personalvorstand bei Audi ließen seine The-sen lebendig werden: Die Zukunft der Arbeitswelt wird zu-nehmend bestimmt durch die Faktoren Digitalisierung,Flexibilisierung und Globalisierung. In der Arbeitswelt wirddie Polarisierung zwischen hochqualifizierten und prekä-ren Jobs zunehmen. Diese Veränderungen haben großeAuswirkungen auf die individuell erforderlichen Wissens-profile und auch auf die soziale Gestaltung des Berufs-und Privatlebens. Entscheidend für gelingende Personal-entwicklung ist die Organisationskultur. Lebenslanges Ler-nen war und ist integraler Bestandteil einer Berufsbiogra-phie und zielt auf Wissen, Können, Wollen und Werten. FürWiduckel ersetzt der Wandel der Arbeit Menschen nicht,sondern lässt die Kompetenzen von Menschen immer ent-scheidender werden.

Wertvoll war der Blick über den Tellerrand. Manche Ent-wicklungen, die Widuckel aus der Wirtschaft beschreibt,lassen sich auch im öffentlichen Sektor beobachten (Pola-risierung, Wandel der Arbeit durch Digitalisierung). Gegenmanche Entwicklungen, wie zum Beispiel die Flexibilisie-rung der Arbeitsverhältnisse, ist der öffentliche Sektor(noch) stärker geschützt. Lebenslanges Lernen auf die As-pekte Wissen, Können, Wollen und Werte zu beziehen,kann als fruchtbarer Ansatz für ein Überdenken der inter-nen Fort- und Weiterbildungsstrukturen in Bibliothekendienen.

Stefanie Schweiger5 war die zweite Hauptreferentin mitihrem Referat "openHPI – Kooperatives Lernen in MOOCs(Massive Open Online Courses) am Beispiel der Plattformdes Hasso-Plattner-Instituts“. Das Hasso-Plattner-Institut(HPI)6 bietet als Dienstleister MOOC-Plattformen an undunterstützt bei der Produktion von MOOCs. Zugleich istdas HPI auch eine Forschungseinrichtung zum Thema E-Learning und Lernverhalten in virtuellen Umgebungen. Fürdas HPI sind E-Learning und speziell MOOCs ein wichtigerBaustein der Mitarbeiterfortbildung. Zur hohen Flexibilitätfür Anbieter und Nutzer hinsichtlich Zeit, Ort und didakti-schem Konzept sowie der Kombination von betreutem und

selbstständigem Lernen kommt der vergleichsweise gerin-ge Aufwand, mit dem MOOCs produziert werden können.Bibliotheken können vom openHPI vieles lernen, um dasPotenzial von E-Learning als Chance für ihre eigene Perso-nalentwicklung zu erkennen.

Praxiserfahrungen aus den Bibliotheken

In den nachfolgenden Kurzpräsentationen stellten Kol-legen aus Dresden, Tübingen, Bielefeld, Duisburg-Essen,München und Berlin Praxisbeispiele und aktuelle Entwick-lungen aus ihren Bibliotheken vor. Gezeigt wurden zumBeispiel Kurzformate für interne Fortbildungen, virtuelleAngebote, strukturierte Vorgehensweisen zur Entwicklungund Evaluierung von Fortbildungsprogrammen sowieüberregionale Ansätze zur Fortbildungsplanung.

Anschließend diskutierten die Teilnehmer im Rahmen ei-nes World Cafés mit den Referenten über strukturelle Vo-raussetzungen, Potenzial und Herausforderungen bei ei-ner Umsetzung im jeweils eigenen Haus. Besonderes Inte-resse galt den Punkten Beliebigkeit versus Bedarfsorientie-rung bei der Fortbildungsplanung, den (teilweise hinderli-chen) Rahmenbedingungen des TVL sowie der Sicherungder Nachhaltigkeit von Fortbildungsangeboten. Angespro-chen wurde die Passgenauigkeit von E-Learning, das nichtfür alle Themen gleich gut geeignet ist. Auch das ThemaPflichtteilnahme versus Freiwilligkeit sowie die grundsätz-liche Frage, ob Fortbildungen eher auf die Förderung vonStärken oder auf die Behebung von Schwächen ausgerich-tet sein sollen, wurden thematisiert. Einigkeit bestand hin-sichtlich der Forderung, niederschwellige interne Fortbil-dungsformate anzubieten, Fortbildungen zu dokumentie-ren und zu bescheinigen. Den Stellenwert von internenFortbildungen deutlich zu machen und Mitarbeiter zurTeilnahme zu motivieren, wurde als Leitungsaufgabe un-terstrichen.

Was haben wir gelernt? Was nehmen wir mit?

Interne Fortbildungen sind ein zentrales Instrument derPersonalentwicklung und integraler Bestandteil einerstrukturierten Organisationsentwicklung. Sie sind nicht

FORUMAUS- UND FORTBILDUNG

Reger Erfahrungsaustausch

unter den Teilnehmern

der Veranstaltung

Viele Teilnehmer berichten

über eigene Erfahrungen mit

Formaten der internen

Fortbildung.

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nur Teil des Wissensmanagements der Bibliothek, sondernhängen eng mit den Werten der Organisation zusammen.Es geht nicht darum, punktuelle Fortbildungsteilnahmenzu genehmigen, sondern eine Zukunft gestaltende undZukunft sichernde Fortbildungskultur zu schaffen. Dasbraucht Freiräume und vielfältige, innovative Formate fürunterschiedliche Zielgruppen und unterschiedliche The-men.

Planung und Durchführung interner Fortbildungen soll-ten einem strukturierten Ablauf folgen. Der Fortbildungs-bedarf muss analysiert werden, Lernziele sollten sowohlhinsichtlich der individuellen Profile als auch des jeweili-gen Arbeitsbereichs festgelegt werden. Jede Art von Fort-bildungsaktivität, auch informelle, muss evaluiert, doku-mentiert und anerkannt werden. Eine Infrastruktur für denregelmäßigen Austausch fördert Reflexion und Nachhal-tigkeit.

Die mit vierzig Teilnehmern gut besuchte Veranstaltungbot dank der fachkundigen Referenten und der engagier-ten Teilnehmer einen Rahmen für den Erfahrungsaus-tausch unter Praktikern und Interessierten über Bundes-land- und Fachgrenzen hinweg. Die Quintessenz des Tagessollte Herausforderung für die Zukunft sein: Bibliothekdarf nicht nur ein Lernort sein, sondern muss selbst einlernender Ort werden.

Anmerkungen

Im Text wird für das bessere Leseverständnis 1.die männliche Form benutzt. Selbstverständlich ist hiermit auch die weibliche Form gemeint.In den vergangenen Jahren hat sich die KAF immer wie-2.der mit den Themen Fort- und Weiterbildung beschäf-tigt, z. B. mit der Entwicklung eines landesweitenE-Learning-Konzeptes für bibliothekarische Fortbil-dungen, der Sondierung zur Einrichtung eines berufs-begleitenden Bachelor-Studienganges in Bayern sowieder Unterstützung der BAB bei der Erstellung des jähr-lichen Fortbildungskataloges.Das vollständige Programm unter http://bit.ly/2s27KVJ3.Langjähriges Mitglied des Vorstands der Audi AG für4.Personal- und Sozialwesen. Seit 2011 Inhaber derAudi-Lehrprofessur für Personalmanagement an derFAU Erlangen-Nürnberg.Referentin für Kommunikation und Relationship Ma-5.nagement beim openHPI (Hasso-Plattner-Institut)https://open.hpi.de/6.

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DIE AUTORINNEN:

Gabriele Fliegerbauer ist Mitarbeiterin der Landesfachstelle für das öffentliche

Bibliothekswesen, Außenstelle Regensburg.

Dr. Caroline Leiß ist Leiterin der Abteilung Informationsdienste und ist

zuständig für das Referat Aus- und Fortbildung an der Universitätsbibliothek

der Technischen Universität München.

Doris Schneider ist Leiterin der Bibliothek der Technischen Hochschule

Ingolstadt.

In mehreren Kurzpräsentationen werden Ansätze

und Formate der internen Fortbildung vorgestellt.

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