Lernort Geologie Modul g

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Lernort Geologie Wissenschaftsgeschichte 1 Antike 262 2 Mittelalter und Renaissance 265 3 Aufklärung 268 4 Modellvorstellungen im 20. Jahrhundert 272

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Wissenschaftsgeschichte

1 Antike 262

2 Mittelalter und Renaissance 265

3 Aufklärung 268

4 Modellvorstellungen im 20. Jahrhundert 272

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Wissenschaftsgeschichte

Durch die modernen Technologien ist es uns heute möglich, die Erde vom Weltraum aus zubetrachten und zu vermessen, Ozeane und Kontinente mit geophysikalischen Methoden zudurchleuchten und alle ermittelten Daten in Computersimulationen miteinander zu verknüp-fen. Arbeitsgruppen in Forschungsinstituten und Universitäten sind der Entstehung und demFunktionieren des Systems Erde auf der Spur. Die Ergebnisse der Forschungen werden in Bü-chern und Zeitschriften zugänglich gemacht, und diese Publikation der Forschungsergebnissehat noch eine Beschleunigung durch das Internet erfahren. Durch die internationale Vernet-zung der Forschungen können die Ergebnisse verglichen und ausgetauscht werden. Wie hat man sich früher die Entstehung der Erde vorgestellt und welche Erklärungen hatteman für die Phänomene der dynamischen Erde, wie z. B. das Auftreten von Erdbeben und Vul-kanausbrüchen? Dazu gibt dieses Modul einen Überblick, dabei werden zunächst die Vorstel-lungen der früheren Epochen (Antike, Mittelalter) behandelt und dann die Modelle des 20.Jahrhunderts vorgestellt.

1 Antike

Erste überlieferte Vorstellungen sehen dieErde als scheibenartige Fläche, die von einerHimmelssphäre überwölbt wird und auf einerUnterwelt ruht. In der Mitte der Erdfläche be-findet sich das feste Land der bewohntenErde. Die Erdfläche ist umrandet von einemWeltmeer. Die älteste überlieferte Weltkarte,die diese Vorstellung dokumentiert, hat manbei Ausgrabungen im Irak gefunden. Siestammt wahrscheinlich aus dem 6 – 7 Jh. v.Chr. (k G1). Diese Vorstellung einer auf einem Urozeanschwimmenden Erde wurde auch von dengriechischen Naturphilosophen vertreten.Der Begriff „Naturphilosophie“ beinhaltet,dass die mythologischen Vorstellungen überdie Entstehung der Welt durch rationale Er-

klärungen ersetzt wurden. Diese Philosophender Antike betrachteten Feuer, Wasser, Luftund Erde als die sogenannten vier Grundele-mente, wobei es unterschiedliche Meinun-gen über die Bedeutung des Elementes alsUrstoff gab.

Thales von Milet (ca. 624 – 546 v. Chr.) undsein Schüler Anaximandros (611 – 546 v.Chr.) vertraten die Meinung, dass das Was-ser der Urstoff aller Materie sei. Durch Ver-dunstung des Urozeans wurde die Erde frei-gegeben, so stellte sich Thales dieEntstehung der Erde vor. Anaximandros hatdiese Idee erweitert und das erste überlie-ferte Bild einer kosmischen Weltentstehungund -entwicklung entworfen. Am Anfang der

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G2 | Atlas mit dem Him-melsglobus, der die Po-sitionen der Sterne inGradgenauigkeit zeigt.Die Sternbildpositionenentsprechen dem Zu-stand zur Lebenszeitdes Hipparch (125 v. Chr.) und daher wirddie römische Statue alsKopie einer älteren Darstellung angesehen(Farnesische Sammlun-gen, Rom).

Zeit sonderte eine Urwirbelbewegung nachdem Prinzip der Schwere zunächst die Erde,dann die Luft und am Schluss das Feuer vomWasser ab. Ursprünglich war die ganze Ober-fläche der Erde feucht. Durch einen allmäh-lichen Verdunstungsprozess entstanden dieWinde. Er nahm an, die Lebewesen seien ausder Feuchtigkeit entstanden, die unter derEinwirkung der Sonne verdunstete, und dieMenschen haben sich aus fischartigen Le-bewesen entwickelt. Anaximenes dagegen(585 – 525 v. Chr., ebenfalls aus Milet) sahdie Luft als Urstoff an. Diese werde zum Mit-telpunkt des Universums hin zusammenge-presst, wodurch die anderen Elemente Was-ser und Erde entstehen sollten. Heraklit (ca.540 – 475 v. Chr.) aus Ephesus war der An-sicht, dass das sich stets verändernde Feuerder Urstoff sein müsse, da sich im Univer-sum alles wandele.

Allen antiken Naturphilosophen gemein wardie Beobachtung und Vermessung der Na-turphänomene und der Versuch einer wis-senschaftlichen Erklärung. Dabei wurde,wenn man die damaligen Rahmenbedingun-gen bedenkt, Erstaunliches geleistet. Thaleserkannte, dass der Mond von der Sonne be-leuchtet wird und machte die Vorausberech-nung einer Sonnenfinsternis. Weiterhin fander heraus, dass der Sonnendurchmesser zum

Sonnenkreis dasselbe Verhältnis hat, wie derMonddurchmesser zum Mondkreis (1 : 720– ist näherungsweise tatsächlich richtig!).Anaxagoras von Klazomenai (499 – 427 v.Chr.) hat die Sonne als glühende Steinmasseinterpretiert und Demokrit von Abdera (460– 390 v. Chr.) erklärte die Milchstraße durchdas Leuchten zahlloser, sehr weit entfernterSterne. Letzterer gilt gemeinsam mit seinemLehrer Leukipp aus Milet (Mitte des 5. Jh. v.Chr.) als Begründer der Schule der Atomis-ten. Diese sahen unteilbare Kleinstbausteine,die Atome (griech. átomos = das Unzer-schneidbare, Unteilbare) als Urstoff der gan-zen Welt. Bei den Atomisten sind bereits An-sätze zu den theoretischen Grundlagen derPhysik wie Stoß, Kraft, Wirkung und Gegen-wirkung, Massenanziehung, Erhaltung derMaterie und dem Entropiegesetz zu erken-nen.

Die Erkenntnis, dass die Erde keine Scheibe,sondern eine Kugel ist, wird dem griechischenPhilosophen und Mathematiker Pythagoras(um 570 – 480 v. Chr.) zugeschrieben. An-dere Quellen schreiben dies Parmenides(540 – ca. 480 v. Chr.) aus Elea (Italien) zu.Aristoteles (384 – 322 v. Chr.) führte denkreisförmigen Erdschatten bei Mondfinster-nissen als Beweis für eine kugelförmige Erdean. Auch aus der Beobachtung, dass bei an-fahrenden Schiffen am Horizont immer zu-erst der Mast sichtbar war – unabhängig, auswelcher Himmelsrichtung sie kamen – wurdeauf eine Kugelform der Erde geschlossen.

G1 | Die erste überlieferte Weltkarte stammt vonden Babyloniern aus dem 6. – 7. Jh. v. Chr. undwurde in Sippar (Abu Habba/Irak) gefunden.

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G3 | Ausschnitt aus dem Turiner Lagerstätten-Papyrus (ÄgyptischesMuseum, Turin), der äl-testen geologisch-lager-stättenkundlichen Karteder Welt. Sie stellt diegeologische Situationim Wadi Hammamat(Ägypten) dar und ent-hält textliche Erläute-rungen über Goldvor-kommen und -abbauesowie über Werk- undRelief-Steinbrüche.

Dieses neue Weltbild wurde durch den Grie-chen Eudoxos von Knidos (408 – 355 v. Chr.)zu ersten Mal in Form eines Globus mit einemGradnetz als Unterteilung dargestellt. SeineBerechnungen zum Umfang der Erde warenjedoch mit einem großen Fehler behaftet underst mehr als 100 Jahre später wurde derrichtige Wert von etwa 40.000 km durch Era-tosthenes von Kyrene (276 – 196 v. Chr.) be-stimmt. Den Durchmesser des Mondes be-stimmte Aristarchos von Samos (310 – 230v. Chr.) nachdem er beobachtete, wie derMond im Verlauf einer Mondfinsternis durchden Erdschatten zog. Er leitete aus seinenBeobachtungen ab, dass der Durchmesserder Erde dreimal so groß ist wie der des Mon-des. Tatsächlich weicht dieser nicht allzu weitvom tatsächlichen Wert ab. Bei der Bestim-mung der Größe der Sonne (das 20-fachedes Monddurchmessers) lag er jedoch weitunter dem richtigen Wert (400-fach). Aus derTatsache, dass die Sonne um ein Vielfachesgrößer ist als die Erde, hat Aristarchos dasModell mit der Sonne als Mittelpunkt des Pla-netensystems, also das heliozentrische Welt-bild entworfen. Es dauerte aber noch fast2000 Jahre, bis diese Vorstellung wieder auf-gegriffen und belegt wurde. Der Grieche warjedoch nicht der Erste, der diese Idee formu-liert hat, sondern in Sanskrittexten aus In-dien beschreibt Yajnavalkya (um 600 v. Chr.),dass die Sonne den Mittelpunkt des Sonnen-systems bildet und dass es die Erde ist, diesich bewegt. Er bestimmte auch die relati-ven Abstände der Sonne und des Mondesvon der Erde: 108-mal größer als der Durch-messer dieser himmlischen Körper, ziemlich

nah an den modernen Maßen von 107,6 fürdie Sonne und von 110,6 für den Mond.

In der ausgehenden Antike setzte sich dage-gen das von Aristoteles formulierte geozen-trische Weltbild durch, in dem die Erde alsdas Zentrum des Universums gesehen wird.Die weiteren Himmelskörper (Mond, Sonne,Planeten) umkreisen die Erde in verschiede-nen, von innen nach außen konzentrisch an-geordneten sogenannten Sphären. Hipparchvon Alexandria (ca. 190 – 125 v. Chr.) hatdie Positionen der Sterne gemessen (k G2)und diese sind von Ptolemäus (um ca. 70 –147 n. Chr.) auf seine Zeit umgerechnet unddargestellt worden. Diese Darstellung war alssogenanntes Ptolemäisches Weltbild bis indas Mittelalter gültig.

Wie hat man sich in der Antike die Entste-hung der Gesteine vorgestellt? In den Schrif-ten des Aristoteles finden sich Ideen von derUmwandlung (Transmutation) der Elementedurch das tiefe Eindringen der Sonnenstrah-len in den Erdkörper. Aus den resultierendentrockenen Ausdünstungen entstehen dem-nach die Gesteine und aus den feuchten Aus-dünstungen die Metalle. Eine Hebung undSenkung der Erdoberfläche bewirkten die Ab-tragung und Sedimentation und wurden aufeinen langsamen, unregelmäßigen Alterungs-prozess der Erde zurückgeführt. Die Ansich-ten wurden von Theophrast, Schüler des Aris-toteles, in der Schrift „Über die Steine"zusammengefasst. Dieses waren wohl dieersten formulierten Gedanken zur Entste-hung der Gesteine und der darin enthalte-

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nen Erze. Das Wissen um das Auffinden undden Abbau von Gesteinen und das Verhüt-ten von Erz war dagegen schon seit tausen-den von Jahren verbreitet. Das kann man ausden archäologischen Artefakten der Bronze-und Eisenzeit ableiten, wo Besiedlung undgeologischer Untergrund bzw. Erzvorkommenin einem engen Zusammenhang stehen. Diesystematische Suche nach Werksteinen undRohstoffen wird in Kartendarstellungen (Kar-tierungen) der Gesteinsvorkommen doku-mentiert. Die älteste überlieferte geologischeKarte (um 1150 v. Chr.) beschreibt die geo-logische Situation im ägyptischen Wadi Ham-mamat (k G3). Sie stammt aus der Zeit desPharaos Ramses IV und gibt die Lagerstät-ten verschiedener Gesteinsarten an.

Aus der Verbindung des Wissens und der Phi-losophie der griechischen und altägyptischenKulturen entstand um etwa 300 v. Chr. dieAlchemie. Sie stand der Physik nahe und ver-suchte, durch Verbindung von Theorie mitpraktischen Versuchen empirische Gesetz-mäßigkeiten der Natur zu finden. Eine derbedeutendsten Persönlichkeiten der frühenAlchemie war Maria aus Alexandria (genanntdie Jüdin oder Maria Hebraea, 1. oder 2. Jh.n. Chr.), die verschiedene Laborgeräte ent-wickelte. Ihr bekanntestes Schriftwerk ist die„Maria Practica“, die in vielen späteren Wer-ken zitiert wird. Der Grieche Zosimos aus Pa-nopolis (ca. 350 – 420 n. Chr.) verbessertedie Destillation, arbeitete an metallurgischenProblemen und führte die Bezeichnung „Che-mie“ ein.

2 Mittelalter und Renaissance

Bis in das Mittelalter hatte das geozentrischePtolemäische Weltbild Gültigkeit. Erst ab dem15. Jahrhundert hatten einige Astronomen– fast 1600 Jahre nach Hipparch – wiederdamit begonnen, Messungen von Sternen-positionen vorzunehmen. Aus diesen Beob-achtungen wurde dann das heliozentrischeWeltbild entwickelt (k G4).

In der Veröffentlichung „De RevolutionibusOrbium Coelestium“ aus dem Jahr 1543, alsoetwa 1800 Jahre nach Aristarchos, stellt Nikolaus Kopernikus (1473 – 1543) ein Mo-dell der Planetenbewegung um die Sonnevor, d. h. mit Rotation der Erde um die eigeneAchse und damit erstmalig nach der Antike

eine Abkehr vom geozentrischen Modell. Die-ses heliozentrische Modell sah jedoch kreis-förmige Planetenbahnen vor. Erst durch dieexakten Positions- und Bewegungsmessun-gen von Fixsternen, Planeten und Kometenkonnte Tycho Brahe (1564 – 1601) nicht zir-kuläre Bahnen der Himmelskörper nachwei-sen. Die Messungen wurden durch die Ge-räteentwicklung von Brahe möglich, die eineWinkelbestimmung mit einer Präzision voneiner halben Bogenminute (oder 1/120 Grad)erlaubte. Dadurch waren seine Beobachtun-gen etwa hundertmal genauer als frühereMessungen. Brahe schlug zunächst ein Mo-dell vor, in dem sich Sonne und Mond um dieErde, die übrigen Planeten aber um die Sonne

G4 | Darstellungen und Pla-netenanordnungen desgeozentrischen (links)und heliozentrischen(rechts) Weltbildes.

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drehen. Später erst bekannte er sich zu demheliozentrischen Modell von Kopernikus. Diesehr genauen Daten von Brahe wurden nachseinem Tod von Johannes Kepler (1571 –1630) genutzt, um die elliptische Bewegungder Planeten um die Sonne (u Modul A „Pla-netensystem und Aufbau der Erde“) zu be-rechnen und in Kombination mit den eige-nen Beobachtungen Gesetzmäßigkeiten zuformulieren (Kepler’sche Gesetze). Zeitgleichhat Galileo Galilei (1564 – 1642) durch seineBeobachtungen das heliozentrische Modellbestätigt und 1610 in seiner Schrift „Side-reus Nuncius“ beschrieben.

Dieser neue Schub an Wissen stand sicher-lich mit der Erfindung des Fernglases („Hol-landse Kijker“) zusammen, das der Hollän-der Johannes Lipperhey (um 1570 – 1619)im Jahr 1608 konstruierte. Das Fernglaswurde von Galilei nachgebaut (GaliläischesFernrohr), der im Jahr 1609 damit vier Jupi-ter-Monde entdeckte, die sich um diesen Pla-neten und nicht um die Erde drehen. Dies wareine Bestätigung der Beobachtungen von Ko-pernikus! Da Galilei ihm keines der von ihmgebauten Fernrohre zur Verfügung stellte, ent-wickelte Kepler 1611 sein eigenes Gerät, daserste astronomische Fernrohr (Kepler’schesFernrohr).

Dass das Ptolemäische Weltbild im Gebietdes Abendlandes über diese lange Zeit nichtinfrage gestellt wurde, ist in der religiösenbzw. philosophischen Komponente zu sehen,die die Erde und den Menschen in das Zen-trum setzt. In dieser Zeit wurde unter „Na-turwissenschaft“ die Erklärung von Natur-phänomenen durch Studium und Auslegungder Bibel verstanden. Dies galt nicht nur fürdie katholische Kirche, sondern auch für dieVertreter der Reformation (Luther, Melanch-ton, Calvin), die sich eindeutig gegen das Ko-pernikanische Weltbild geäußert hatten. DieSchriften des Kopernikus kamen 70 Jahrenach seinem Tod auf den Index der verbote-nen Bücher der katholischen Kirche, wo sienoch bis 1835 als ketzerische Schriften auf-geführt wurden.

Die Vorstellung über die Entstehung der Erzeund Gesteine basierte vor allem auf den Vor-stellungen aus dem persisch-arabischen Kul-turraum. Ein herausragender Wissenschaft-

ler jener Zeit war Abu Ali Ibn Sina (latinisiert:Avicenna, 980 – 1037), er lieferte eine Klas-sifizierung der Minerale in Salze, Schwefel,Metalle und Steine. Aus der geschichtetenForm von Gesteinen schloss er auf ihre Ent-stehung durch Sedimentation, und die Bil-dung der Gebirge führte er auf die Wirkungvon Erdbeben zurück. Die arabischen und per-sischen Texte wurden erst im 12. Jahrhundertins Lateinische übersetzt, damit das Wissennach Westeuropa getragen, womit die Zeit derAlchemisten des Mittelalters begann. Gerhardvon Cremona (1114 – 1187) stellte 1085durch Übersetzung von arabischen Quellen-texten das erste Chemiebuch Europas „DasBuch der Alaune und Salze“ zusammen. Al-bertus Magnus (um 1200 – 1280) prägte denBegriff des Minerals in „De rebus metalliciset mineralibus“, das bis in das Spätmittelal-ter wichtigste Buch zur Mineralogie und Geo-logie. Er sah die Bildung von Erzadern wieeinen Destillations-Vorgang, wo durch die Hitzedes Erdinneren die feineren Bestandteile derfeuchten Ausdünstungen in die natür lichenPoren und Risse der Erdkruste getrieben wer-den, bei dem sie abgekühlt, ausgeschiedenund konzentriert werden. Er kam damit derheutigen Vorstellung der Bildung von hydro-thermalen Ganglagerstätten sehr nahe.

Das Buch zum Bergbau und Hüttenwesen „Dere metallica libri XII“ von Georgius Agricola(1494 – 1555) wurde 1556 in die deutscheSprache übersetzt und galt für die folgenden200 Jahre als das geowissenschaft- liche Stan-dardwerk des Bergbaus (k G5). Er erklärtedie Mineralentstehung durch Temperaturän-derungen von Lösungen und Schmelzen.

G5 | Holzschnitt zur Sublimation von Schwefel aus„De re metallica“ von Agricola.

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Der Nürnberger Kartograf und Astronom Mar-tin Behaim (1459 – 1507) fertigte 1491 –1493 einen Globus an, den sogenannten„Behaim’schen Erdapfel“, der im Germani-schen Nationalmuseum in Nürnberg ausge-stellt ist (k G6). Nach dem Farneser Globus(k G2) ist dies die älteste überlieferte Dar-stellung der Erde in Kugelgestalt. In Augs-burg wurde 1603 die „Uranometria“ heraus-gegeben, ein Himmelsatlas, der von demdeutschen Juristen und Astronomen JohannBayer (1572 – 1625) erstellt wurde. Sie istdie erste genaue Sternenkarte und enthält

erstmals die Sterne beider Hemisphären. Dadas Teleskop zu dieser Zeit noch nicht erfun-den war, sind nur Sterne dargestellt, die mitbloßem Auge sichtbar sind. Auch in die dar-stellende Kunst wird das Motiv des Sternen-himmels aufgenommen (k G7).

Simon Marius (1573 – 1624), Arzt und Hof-astronom in Ansbach, stand dagegen ein hol-ländisches Fernrohr zur Verfügung, und er hat1610, kurz nach Galilei, die Monde des Jupi-ter beobachtet. In seinem Werk „Mundus Io-vialis“ hat er 1614 Tabellen mit den Umlauf-

zeiten der Jupiter-Monde veröffentlicht. DerAstronom und Mathematiker Christoph Schei-ner (1573 – 1624) lehrte an der UniverstätIngolstadt und baute sich im Jahr 1613 aufder Grundlage der Beschreibungen von Kep-ler ein astronomisches Fernrohr (kG8). Damithat er insbesondere Beobachtungen derSonne und der Sonnenflecken gemacht.

Zu den vielen Forschern dieser Zeit, die durchexakte Messungen Naturgesetze aufdeck-ten und sich zu dem Kopernikanischen Welt-bild bekannten, gehörte auch der EngländerWilliam Gilbert (1544 – 1603). In seinem1600 veröffentlichten Buch „De magnetemagneticisque corporibus et de magno mag-nete tellure“ stellte er dar, dass sich die Erdeselbst wie ein großer Magnet verhält und dieUrsache für die Ausrichtung der Kompass-nadel ist.

G7 | Das Gemälde „DieFlucht nach Ägypten“von Adam Elsheimer(Alte Pinakothek, Mün-chen) stellt mit großerGenauigkeit den Ster-nenhimmel dar, wieElsheimer ihn im Som-mer 1609 beobachtethat.

G6 | Der Behaim’sche Erdapfel, Vorlage für denmodernen Globus.

G8 | Scheiners Fernrohr zurBeobachtung der Son-nenflecken.

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G9 | Ansicht des Vulkans Cotopaxi in Ecuador,Zeichnung von Alexan-der von Humboldt.(Ein Originalfoto des Co-topaxi ist im u Modul C„Plattentektonik“, k C17zu sehen).

Mit der Aufklärung begann man auch, sichvon der rein biblisch geprägten Schöpfungs-geschichte zu lösen und andere Vorstellungvon der Entstehung der Erde zuzulassen.Dabei dienten die in der Renaissance begon-nenen exakten Messungen als Grundlage.Durch das von Isaac Newton (1643 – 1727)aufgestellte Gravitationsgesetz konnten Ga-lileos Fallgesetze und auch Keplers Gesetzeüber die Bewegung der Planeten um dieSonne erklärt werden.

Einer der ersten, der in dieser Zeit eine ei-gene Theorie zur Entstehung der Erde formu-lierte, war der französische Philosoph RenéDescartes (1596 – 1650). Er nahm an, dieErde hätte sich aus einem Stern gebildet, derdurch zunehmende Ansammlung von Son-nenflecken – einer Art Schlacke – langsamerkaltete. Bei der Abkühlung bildeten sichabwechselnd flüssige und feste Schichten,in denen auch Hohlräume vorhanden waren.Brachen solche Hohlräume ein, kollabiertenauch die darüberliegenden Strukturen derErdkruste und falteten sich dabei auf – einGebirge entstand.

Ein wichtiger Schritt zur Etablierung der Geo-logie als eigenständige Wissenschaft gingvon dem dänischen Naturforscher NicolausSteno (1638 – 1686) aus, der 1669 das stra-tigraphische Prinzip einführte. Er begründeteden Grundsatz, dass die räumliche Lagerungvon Sedimentschichten übereinander einer

zeitlichen Abfolge von Gesteinsablagerungennacheinander entspricht und ordnete Fossi-lien bestimmten Schichten zu. Weiterhin beschrieb er die kristallographischen Eigen-schaften der Minerale wie die Richtungs -abhängigkeit und die Kristallwinkel. Ähnlichwie Descartes nahm aber auch Gottfried Wilhelm Leibniz (1646 – 1716) noch an, dassdie Erde aus einem Stern entstanden sei undsich abgekühlt habe. Dabei seien Teile derErdkruste eingestürzt und es hätten sich dieMeere gebildeten. Fossilien in Gesteinen er-klärte er mit sintflutartigen Ereignissen.

Aus der verstärkten Nachfrage nach Rohstof-fen und dem Versiegen der einfach aufzufin-denden und abzubauenden Rohstoffe ent-wickelten sich seit Mitte des 18. Jahrhundertsdie grundlegenden Methoden der geologi-schen Kartierung und der Erstellung strati-graphischer Profile. Erst später, um 1817,etablierte der Engländer William Smith (1769– 1839) die Nutzung von Leitfossilien zur re-lativen Datierung der Gesteinsschichten in-nerhalb einer stratigraphischen Abfolge.Smith hat 1815 auch die erste umfassendeund sehr detaillierte geologische Karte vonEngland und Wales vorgestellt.

Aus dieser detaillierten Beobachtung vonLandschaftsformen und geologischen Phä-nomenen ergeben sich im 18. Jahrhundertzwei Interpretationslinien, die Neptunistenund Plutonisten, deren Vertreter sich einenz. T. scharfen wissenschaftlichen Disput lie-ferten, den sogenannten „Basaltstreit“. DieGrundgedanken des Neptunismus wurdenvon Abraham Gottlob Werner (1749 – 1814)formuliert, der an der Bergakademie in Frei-berg lehrte. Er teilte die Gesteine in das so-genannte „Urgebirge“ und daraus entstan-dene, also geologisch jüngere, Ablagerungenein. Nach seiner Sichtweise kristallisieren diesogenannten Urgebirge, bestehend aus Gra-nit, Gneis, Glimmerschiefer, Tonschiefer undQuarzit, aus einem Urozean durch chemischeAusfällung mit stetig sinkendem Meeresspie-gel. Durch Wind und Oberflächenwasser wer-den sie von der Erosion abgetragen, wodurchsich ihre vertikale Mächtigkeit verringert. ImVorland der Gebirge werden die geschichte-

3 Aufklärung

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G10 | Karte der Insel Tene-riffa, dargestellt vonLeopold von Buch (aus: „Atlas zur physi-calischen Beschrei-bung der CanarischenInseln“, Berlin 1825).

ten Sedimentgesteine nacheinander im Meerabgelagert, die durch anhalten de Regressiondes Meeres (durch Verdunstung) heute aufdem Festland aufgeschlossen sind und nunder Erosion unterliegen. Diese Theorie bot je-doch keine Möglichkeit, die vulkanischen Er-scheinungen zu deuten. Werner vermutete,der Vulkanismus werde durch unterirdischeKohlebrände hervorgerufen und hätte nureine lokale Bedeutung. Alexander von Hum-boldt (1769 – 1859) war ein Schüler von Wer-ner, er hat an der Bergakademie in Freibergstudiert. Seine Eindrücke während seiner For-schungsreise in Südamerika, wo er verschie-dene Vulkane besucht und bestiegen hat (k G9), wurden von ihm noch im neptunisti-schen Sinne interpretiert. Erst nach seinerRückkehr und einem Aufenthalt in Italien(1805), wo er gemeinsam mit Leopold vonBuch (1774 – 1853), seinem Studienkolle-gen aus Freiberg, den Vesuv erkundete unddort einen Vulkanausbruch miterlebte, äu-ßerte er Zweifel an der „Kohlebrandtheorie“.Humboldt widmete sich vielen naturwissen-schaftlichen Fragestellungen, insbesondereauch der Botanik. Buch dagegen hat sich aufdie Geologie konzentriert und erstmalig aufder Grundlage seiner umfangreichen und ge-nauen geologischen Aufzeichnungen ein geo-logisches Bild Mitteleuropas entworfen. Erhat 1826 die erste geologische KarteDeutschlands veröffentlicht. Seine Studienan Vulkanen in der Auvergne und auf den Ka-narischen Inseln wurden international hoch-geachtet (k G10).

Auch Johann Wolfgang von Goethe (1749 –1832) war ein Anhänger der neptunistischenTheorie. Um die Theorie zu belegen, hat erden Kammerbühl im bayrisch-böhmischenGrenzland besucht und eine Probegrabungangeregt. Erst nach seinem Tod verwirklichtesein Freund Kaspar von Sternberg diesen Vor-schlag, der angelegte Stollen lieferte jedochden Beweis für einen vulkanischen Ursprung.

Der Freiberger Mineraloge Johann Carl Wil-helm Voigt (1752 – 1821), Bergrat in Weimarwar ein Schüler Werners, aber erklärter Geg-ner seiner neptunistischen Vorstellungen. Erhat die Vulkane in der Rhön untersucht undaus seinen Beobachtungen die Schlussfolge-rung gezogen, dass die Basalte auf feurig-flüs-sigem Weg entstanden sein müssen. Damit

war er in Deutschland der erste Verfechter derplutonistischen Vorstellung.

James Hutton (1726 – 1797) aus Schottlandhat die plutonistische Idee formuliert und warder Gegenpart von Werner. Er erklärte 1749die Entstehung von Vulkanen und Gebirgenmit einer Ausdehnung des geschmolzeneninneren Erdmaterials. Wenn das geschmol-zene Material durch die darüberliegende Erd-kruste bricht, entstehen Vulkane. Letztend-lich hatten weder Werner noch Hutton mitder Ausschließlichkeit ihrer Vorstellung recht:während Werner den magmatischen Ur-sprung der Gesteine abgelehnt hat, leugneteHutton die Existenz von chemisch ausgefäll-ten Sedimenten. Während der eine die Vul-kane durch Kohlebrand entstanden sah, er-klärte der andere die Salzstöcke zumagmatischen Intrusionen!

Hutton begründete weiterhin die Idee einesimmerwährenden Kreislaufes von Abtragungund Wiederaufbau der Erde (u Modul B „Minerale und Gesteine“, Kreislauf der Ge-steine). Er erkannte, dass Ablagerungen durchVersenkung verfestigt, mineralogisch umge-formt (Metamorphose) und tektonisch ver-stellt werden und dann die Basis für neue Ab-lagerungen darstellen. Lücken in einer zeitlichkontinuierlichen stratigraphischen Abfolge,hervorgerufen durch Unterbrechungen derSedimentation oder durch Erosion bereits ab-gelagerter Schichten, erkannte er auf der

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Grundlage der Interpretation von sogenann-ten gDiskordanzen (kG11). Daraus folgerteHutton, dass die Erde viel älter sein musste,als bis dahin angenommen. Er geriet dadurchin einen scharfen Gegensatz zu denjenigen,die an dem biblischen Schöpfungsbericht fest-halten wollten, demgemäß die Erde nur etwa6000 Jahre alt war. Hutton fasste 1795 seineTheorien in dem Werk „Theory of the Earth“zusammen und formulierte dort auch seineGedanken zum g Aktualismus. Danach soll-ten Prozesse der Ablagerung frü herer Ge-steinsschichten heute beobachtbaren „aktu-ellen“ Prozessen entsprechen und mit gleichbleibender Geschwindigkeit sowie über einensehr langen Zeitraum ablaufen.

Dieses Prinzip der langsamen und stetigenEntwicklung wurde zu Beginn des neunzehn-ten Jahrhunderts wieder in Frage gestellt.Der französische Zoologe und PaläontologeGeorges de Cuvier (1769 – 1832) fand inden abgelagerten Schichten des Pariser Beckens mehrfach große Lücken in der Ab-folge und schloss daraus auf gewaltige glo-bale Katastrophen, die in der Erdgeschichteimmer wieder das Leben zerstört und an-schließend zu einer Neuentwicklung geführthatten (Katastrophismus). In der Zeit von1830 bis 1850 kam es zur kontroversen Dis-kussion über die Entwicklung des Lebens aufder Erde zwischen den Anhängern des Kata-strophismus in der Nachfolge von Cuvier undden Anhängern des Engländers Sir CharlesLyell (1797 – 1875) und dem von ihm for-mulierten Konzept des Aktualismus („Die Ge-genwart ist der Schlüssel zur Vergangen-

heit.“), das von Lyell 1830 in seinem Haupt-werk „Principles of Geology“ dargelegt ist.Basierend auf den Gedanken James Huttonskam Lyell zu dem Schluss, dass die geologi-sche Zeitskala im Vergleich zur menschlichenGeschichte sehr lang ist und dass die Pro-zesse, die zur Bildung von bestimmten Ge-steinen führten, im Wesentlichen identischsind mit den Vorgängen, die man noch heutebeobachten kann (k G12). Die Veränderun-gen im Fossilbestand erklärte Lyell durch fort-dauernde, langsame Hebungen und Senkun-gen der Erdkruste, wie sie sich bereitsAristoteles vorgestellt hatte. Die Schichtgren-zen, an denen sich die Lebewesen anschei-nend sprunghaft veränderten, entsprächeneinfach den Zeiten, in denen sich auf den he-rausgehobenen Festländern keine Sedi-mente abgelagert hätten. Das Prinzip des Ak-tualismus ist auch heute wichtig, um dieehemaligen Abläufe in der Erdgeschichte zurekonstruieren. Die heutige geologische

Situation und die aktuellen geologischen Pro-zesse werden mit den Befunden aus der Ver-gangenheit der Erde verglichen, um Verän-derungen zu erkennen. Auch Charles Darwin

G11 | Die sogenannte Hut-ton’sche Diskordanzam Siccar Point inSchottland. Hier er-kennt man, dass eineSchichtenfolge ver-stellt und danach vonanderen Sedimentenüberlagert wurde.

G12 | Aktualismus: Der Vergleich von Sediment-strukturen oben: Rippelmarken auf derOberfläche von 600 Mio. Jahre alten Sand-steinen, Marwar Formation, Jodphur, Indien,unten: wie sie durch Wellenbewegung undStrömung im Strandbereich entstehen.

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G13 | Die erste geologischeKarte von Bayernwurde 1792 von Ma-thias von Flurl veröf-fentlicht.

(1809 – 1882) folgte in seiner Evolutions-theorie mit ihrer langsamen Entwicklungneuer biologischer Arten weitgehend demaktualistischen Prinzip.

Heute wissen wir, dass sich die katastrophis-tischen und aktualistischen Standpunkte (g Evolution) nicht mehr gegenseitig aus-schließen, sondern ergänzen. Neben demallmählichen Wandel waren auch katastro-phale Ereignisse für die Entwicklung des Le-bens auf der Erde entscheidend (u Modul D„Erdgeschichte“).

Mitte bis Ende des 19. Jahrhunderts hattedie Geologie einen hohen Stellenwert inDeutschland. Erster namhafter bayerischerGeologe war der Professor für Naturge-schichte an der Universität München, Ma-thias von Flurl (1756 – 1823), der 1792 dieerste wissenschaftlich ausgerichtete geolo-gische Landesaufnahme Bayerns und eine„Beschreibung der Gebirge von Baiern undder oberen Pfalz“ veröffentlichte (k G13).Auch legte er die erste systematische Ge-steins- und Mineraliensammlung an.

Durch die Industrialisierung wurden Roh-stoffe benötigt und dazu brauchte man geo-logische Kartierungen. In Bayern ordneteKönig Maximilian II. im Jahr 1850 die „Geo -gnostische Durchforschung des Königrei-ches“ an. Das war die Geburtsstunde desGeologischen Landesamtes, des ältestenstaatlichen geologischen Dienstes inDeutschland und eines der ältesten in derWelt. Rund hundert Jahre später, im Jahr1948, wurde dann das Bayerische Geologi-sche Landesamt aus dem Oberbergamt ge-

löst und als eine eigenständige Fachbehördeeingerichtet. 2005 wurde durch die Verwal-tungsreform daraus die Abteilung „Geologi-scher Dienst, Wirtschaftsgeologie, Boden-schutz“ des neu eingerichteten BayerischenLandesamtes für Umwelt.

Als Begründer der modernen geowissen-schaftlichen Landesaufnahme in Bayern giltCarl Wilhelm von Gümbel (1823 – 1898).Die Ergebnisse seiner Untersuchungen ver-öffentlichte er zwischen 1861 und 1891 inder „Geognostischen Beschreibung des Kö-nigreichs Bayern“ (k G14).

G14 | Von Gümbel hat seine geologischenBeschreibungen durch detaillierte Skizzen bebildert, hier der BayerischePfahl bei Viechtach (u Modul I „Ausser-schulische Lernorte“,Exkursion Nr. 6).

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Sachinformation Wissenschaftsgeschichte

4 Modellvorstellungen im 20. Jahrhundert

Das beginnende 20. Jahrhundert war durchdie Kontroverse zwischen dem sogenanntenFixismus und dem Mobilismus geprägt, diebis in die letzten Dekaden des Jahrhundertsanhielt. Der grundlegende Unterschied derbeiden Ansätze bestand darin, dass die Fi-xisten alle Phänomene der Gebirgsbildungdurch vertikale Bewegungen der Erdkrusteerklärten, während die Mobilisten auch ho-rizontale Bewegungen in die Modellvorstel-lungen mit einbezogen.

Der Fixismus beruht auf der Idee einer fes-ten Verbindung der Erdkruste mit dem Un-tergrund, so dass großtektonische Prozesse ortständig sind. Daraus folgt, dass die Ent-wicklung der Erde überwiegend von vertika-len und sehr wenig von horizontalen tektoni-schen Bewegungen der Erdkruste geprägtist. Diese Modellvorstellung wurde u.a. damitbegründet, dass in der zentralen Achse derGebirge häufig große magmatische Areale

vorkommen und diese magmatischen Ge-steine durch ihren Aufstieg die Gebirgsbil-dung forcieren. Diese Ideen knüpften an dieplutonistischen Vorstellungen von Buch undHutton an. So erklärte der Franzose LéanceÉlie de Beaumont (1852) die Bildung der Fal-tengebirge durch Runzelung der Oberflächeder Erde infolge der Schrumpfung des Erd-körpers während der Abkühlung (Kontrakti-onshypothese). Heute weiß man, dass dieErde sich vergrößert, da durch die Gezeiten-reibung die Rotationsgeschwindigkeit herab-gesetzt wird (16 Millionstel s pro Jahr) (uModul D „Erdgeschichte“). Eine Ausdehnungder Erde postulierte auch der Italiener Ro-berto Mantovani in seiner 1889 und 1909veröffentlichten Theorie der Erdexpansion.Als Ursache sah er eine thermische Ausdeh-nung aufgrund der Erwärmung durch radio-aktiven Zerfall. Eine weitere fixistische Ideewurde von dem deutschen Geologen ErichHaarmann 1930 mit der Ozillationstheorie

Exkurs

Aktualismus und Evolution

James Hutton hat 1795 durch die genaue Be-obachtung und Analyse der Gesteinseinheitenund der daraus abgeleiteten Erkenntnis um denewigen Kreislauf der Gesteine zwei Gedankenformuliert, die einer Revolution der bis dahingültigen biblischen Lehrmeinung gleichkam:

– Die Erde besteht nicht erst seit ein paar Tau-senden von Jahren, sondern ist „uralt“.

– Der Mensch betritt erst lange Zeit nach derEntwicklung der Erde das Geschehen.

Nachdem Nikolaus Kopernikus im Jahr 1543das heliozentrische Weltbild auf der Basis wis-senschaftlicher Erkenntnisse formulierte, hates also noch zwei weitere Jahrhunderte gedau-ert, bis sich auch die Interpretation der Entste-hung der Erde von der biblischen Schöpfungs-geschichte lösen konnte.

Die Erkenntnisse von Hutton wurden durchCharles Lyell vertieft und 1830 ihre Bedeutungin seinem Buch „Principles of Geology“ weiter

ausgeführt und begründet. Dieses Buch hatCharles Darwin auf seine Weltreise auf der Bea-gle mitgenommen. Der darin dargelegte Stand-punkt des Aktualismus hatte sicherlich Einflussauf die Formulierung der evolutionsbiologischenTheorie 1859 in seinem Buch „Über die Entste-hung der Arten“. Lyell wird daher auch als Men-tor von Darwin bezeichnet.

Es ist ein Paradoxon der Wissenschaftsge-schichte, dass zu einer Zeit, in der zum Darwin-Jahr 2009 die Bedeutung des evolutionärenDenkens für die Interpretation der Entwicklungdes Lebens gewürdigt wird, die Evolutionskriti-ker wieder an Stimme gewinnen. Mit ihren na-turwissenschaftlich unhaltbaren Gedanken su-chen sie – und das nicht nur in den USA – ihrenEinflussbereich zu stärken und zu erweitern.Diese als Kreationismus (lat. creare = erschaf-fen) bezeichnete Strömung leugnet die geolo-gischen und evolutionsbiologischen Erkennt-nisse und beharrt auf einer absoluten Gültigkeitder jeweiligen heiligen Schriften.

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Wissenschaftsgeschichte Sachinformation

vorgeschlagen. Er verwirft die Kontraktionals stetigen Prozess und sieht Änderungenim Gleichgewichtszustand der Erde als Ursa-che, die ein An- und Abschwellen der Krusteverursachen (Geotumore und Geodepressio-nen). Durch Absinken der Kruste gleiten Se-dimente an den Rändern der Senken ab undermöglichen so den Bau von Falten und De-cken. Die Veränderungen und Erweiterun-gen der fixistischen Erklärung waren durchdie neuen geophysikalischen Erkenntnisseüber den Aufbau der Erde gesteuert. Derdeutsche Geophysiker Emil Wiechert hat be-reits Ende des 19. Jahrhunderts eine Unter-teilung der Erde in einen schweren Kern undeinen leichteren Mantel postuliert, sein Dok-torand und Mitarbeiter Beno Gutenberg hatdann 1914 durch Auswertung von seismi-schen Wellen die Gliederung des Erdkörpersin Kern, Mantel und Kruste vorgenommen.1936 unterteilte die dänische SeismologinInge Lehmann den Erdkern in einen festeninneren und fließfähigen äußeren Kern.

Die fixistische Idee der Geosynklinaltheoriewurde von Hans Stille (1876 – 1966) inDeutschland fest etabliert. Der Begriff warschon 1873 vom Amerikaner James DwightDana geprägt worden. Stille sah eine Absen-kung der Kruste in langgestreckten g Be-cken (Erdgroßmulden, Geosynklinalen), dieletztendlich in einer Faltung und Metamor-phose endeten. Insbesondere aus Beobach-tungen der Strukturen in den Alpen schlos-sen jedoch schon einige Forscher zu Beginndes 20. Jahrhunderts auf einen maßgebli-chen Einfluss von Horizontalbewegungen.Otto Ampferer (1875 – 1947), ein österrei-chischer Geologe, fand hier ältere metamor-phe Schichten, die jüngere unmetamorpheSchichten überlagerten. Diese Beobachtungführte er auf einen sogenannten Decken-transport zurück, bei dem die Einheiten durchÜberschiebungen aufeinander gestapelt wer-den. Die Ursache dieser Überschiebungenerklärte Ampferer 1906 mit seiner Unterströ-mungstheorie, bei der abwärts gerichteteMassenströmungen unter Gebirgen Einen-gung und Deckentransport ermöglichen. Der Österreicher Robert Schwinner (1878 –1953) erweiterte diese Theorie, indem er fürdiese Strömungen einen konvektiven Mas-sentransport im Erdinneren annahm. Amp-ferer verknüpfte 1925 in einem Vortrag in

Wien die Vorstellung der Kontinentaldrift desdeutschen Meteorologen Alfred Wegener(1880 – 1930) mit seiner Unterströmungs-theorie und skizzierte damit das Prinzip derPlattentekonik, das aber in der damaligenZeit aufgrund des Fehlens von exakten Be-weisen keine Akzeptanz gefunden hat. SelbstWegener äußerte sich kritisch zu den Vor-stellungen von Schwinner und Ampferer.

Seine Idee der Kontinentaldrift hat Alfred We-gener 1912 auf einer Sitzung der DeutschenGeologischen Gesellschaft in Frankfurt a. M.dem geologischen Fachpublikum vorgestelltund 1915 in dem Buch „Die Ursprünge derKontinente und Ozeane“ veröffentlicht. Auf-grund der Verbreitung verschiedener, nur aufdem Land lebender Fossilien sowie der Über-einstimmung der Küstenlinien von Südame-rika und Südafrika (k G15) postulierte We-gener das Auseinanderbrechen einesSuperkontinentes Pangäa und eine Drift derKontinente. Als treibende Kraft der Bewe-gung sieht er die aus der Erdrotation resul-tierenden Zentrifugalkräfte. Durch diesen An-trieb sollen sich die leichten Kontinente ausSial (Kunstwort aus Silizium und Aluminium,den wichtigen Elementen der kontinentalenKruste) auf den schwereren Ozeanböden ausSima (Kunstwort aus Silizium und Magne-sium) bewegen können.

Auch wenn es immer wieder Befürworter derTheorie Wegeners gab, konnte sich das Bild

G15 | Die Rekonstruktion derVerbreitungsgebietevon nur auf den Konti-nenten lebenden Tie-ren und Pflanzen warWegeners Grundlagefür die Theorie derKontinentaldrift.

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Sachinformation Wissenschaftsgeschichte

einer statischen Erde, in der es eine Verbin-dung der Kontinente durch Landbrücken ge-geben hat, die durch Auf- und Abbewegun-gen (isostatische Bewegungen) gebildetworden sind, sehr lange halten. Erst in derzweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts wurdenneue Theorien formuliert, die sich auf denvielen Messdaten von den Ozeanböden grün-deten (Magnetik, Echolot), die während deszweiten Weltkrieges erhoben worden sind.

1952 starteten die Amerikaner Marie Tharpund Bruce Heezen ein Projekt zur Kartierungder Ozeane und präsentierten 1959 die ersteKarte der Meeresböden, welche die Detailsvon Unterwasserbergen und -tälern zeigte (kG16). Weiter stellten sie fest, dass die vondem nach Amerika ausgewanderten deut-

schen Geophysiker Beno Gutenberg und demAmerikaner Charles F. Richter festgestellteVerteilung der Erdbeben in den Ozeanen mitder Lage der Mittelozeanischen Rücken über-einstimmt. Ihre Idee, dass die tiefen Senkenauf dem Kamm der Mittelozeanischen Rü-cken die Ränder von Erdplatten darstellenund hier die Platten auseinanderdriften,wurde jedoch noch von vielen Wissenschaft-lern kritisch gesehen. Erst 1959 wurden siedurch die Kamerabilder des Tauchbootes SP-300 des französischen OzeanographenJacques-Yves Cousteau bestätigt.

Das Konzept der Ozeanbodenspreizung („seafloor spreading“), also der Neubildung vonOzeanboden am Mittelozeanischen Rückenund dem Auseinanderdriften der Platten,wurde 1961 von dem amerikanischen Geo-physiker Robert S. Dietz vorgeschlagen. SeinModell wurde 1963 durch die Entdeckungder symmetrischen Magnetstreifenmusterentlang der Spreizungszentren durch den ka-nadischen Geophysiker Lawrence Morley unddie britischen Geologen Fred Vine und Dram-mond Matthews bestätigt. Schon bei der Kar-tierung der Ozeanböden ist der Versatz derMittelozeanischen Rücken entlang vieler Stö-rungszonen deutlich geworden. Diese soge-nannten Transformstörungen wurden 1965von dem kanadischen Geophysiker Tuzo Wilson durch die Plattenbewegung auf derKugeloberfläche der Erde erklärt (u ModulC „Plattentektonik“, k C7).

G17 | Die „Weltkarte der Ozeanböden“ vonBruce Heezen undMarie Tharp.

G16 | Die aus Echolotdatenrekonstruierte unter-meerische Topogra-phie der Weltmeerewurde von Marie Tharpin eine Kartendarstel-lung übertragen.

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Wissenschaftsgeschichte SachinformationExkurs

Geologie

(griech. = Erdwissenschaft) ist die Wissenschaft vomAufbau, der Zusammensetzung sowie der Struktur derErde. Geologen beschäftigen sich mit den physikali-schen Eigenschaften und der dynamischen Entwick-lungsgeschichte der Erde, ihren Materialien und denProzessen, die sie formen. Als wichtiges akademischesFach liefert die Geologie unter anderem die Grundla-gen für jegliche Rohstoffgewinnung (z. B. Wasser, Erdöl,Erdgas, Kohle), die Erforschung von Naturkatastrophenund das Verständnis der Entwicklung des Weltklimasund der Umwelt. Die Bezeichnung Geologie wurde vom Schweizer Na-turwissenschaftler Horace Bénédict de Saussure imJahr 1779 als feststehender Begriff eingeführt. Davorwar der Begriff Geognosie gebräuchlich.

Paläontologie

(griech. = Wissenschaft vom alten Leben) ist die Wissen-schaft prähistorischen Lebens. Paläontologen beschäf-tigen sich mit der Systematik und Evolution des Lebensim Allgemeinen wie im Speziellen sowie mit den Lebens-räumen dieser Organismen (Paläoökologie). Die genaueKenntnis vergangener Lebensformen erlaubt eine rela-tive Altersdatierung sedimentärer Schichten sowie derenKorrelation. Die Paläontologie liefert z. B. wichtige Er-kenntnisse über die Entwicklung des Klimas in der Ver-gangenheit.Der Begriff Paläontologie wurde 1825 vom französi-schen Zoologen Henri Marie Ducrotay de Blainville ein-geführt und ersetzte ältere Bezeichnungen wie Petre-faktenkunde.

Zunächst wurde die Expansionstheorie zurInterpretation der Ozeanbodenspreizung inBetracht gezogen, der amerikanische Geo-loge Harry H. Hess lieferte 1962 jedoch mitder Theorie der Plattentektonik eine schlüs-sigere Modellvorstellung. Wenn an den Mit-telozeanischen Rücken neue ozeanischeKruste entsteht, dann muss sie an andererStelle auch wieder abgeführt werden. Diesgeschieht durch ein Abtauchen (g Subduk-tion) der ozeanischen Kruste unter die Kon-tinente.

Neben den zwei zentralen Revolutionen un-serer Weltanschauung:

1. Der Erkenntnis des Altertums, dass dieErde eine Kugel und nicht flach ist.

2. Der Erkenntnis der Renaissance, dassdiese Kugel nicht der Mittelpunkt des Uni-versums ist, sondern ein Planet, der dieSonne umkreist wie auch die anderenPlaneten.

Im 21. Jahrhundert setzt sich eine weitereErkenntnis durch, die diesen in nichts nach-steht: Die Erde ist ein dynamischer Planetund seine inneren Kräfte und Prozesse (dieendogenen Prozesse) bilden den Motor derPlattentektonik. Sie steuern die auf der Erdeablaufenden exogenen Prozesse, die unserLandschaftsbild formen.

G18 | Geologische Geländearbeit im Hochgebirge von Südtirol.

G19 | Paläontologen bei der Fossilsuche.

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Weiterführende Literatur, Links und Karten (Auswahl):

Cutler, A. 2004. Die Muschel auf dem Berg. Über Nicolaus Steno und die Anfänge derGeologie, 255 S., Knaus Verlag, ISBN 978-3-81350-188-9.

Dawkins, R. 2008. Der blinde Uhrmacher: Warum die Erkenntnisse der Evolutionstheoriezeigen, daß das Universum nicht durch Design entstanden ist, 384 S., dtv, ISBN 978-3-42334-478-4.

Kehlmann, D. 2005. Die Vermessung der Welt, 304 S., Rowohlt Verlag, ISBN 978-3-49803-528-0.

Krenn, D. M. & Lehrberger, G. 2006. Glück auf dann liebes Baiern! Mathias von Flurl undsein Lebenswerk, Hefte zur Bayerischen Geschichte und Kultur 34, 56 S., Haus der Baye-rischen Geschichte, ISBN 978-3-93797-412-5.

Kutschera, U. (Hrsg.) 2007. Kreationismus in Deutschland. Fakten und Analysen, 376 S.,LIT Verlag, ISBN 978-3-82589-684-3.

Neukamm, M. (Hrsg.) 2009. Evolution im Fadenkreuz des Kreationismus: Darwins reli-giöse Gegner und ihre Argumentation, Reihe: Religion, Theologie und Naturwissenschaft, Bd. 19, 400 S. Vandenhoeck & Ruprecht, ISBN 978-3-52556-941-2.

Repcheck, J. 2007. Der Mann, der die Zeit fand: James Hutton und die Entdeckung derErdgeschichte, 269 S., Verlag Klett-Cotta, ISBN 978-3-60894-086-3.

Winchester, S. & Pfleiderer, R. 2003. Eine Karte verändert die Welt: William Smith und die Geburt der modernen Geologie, 336 S., btb Verlag, ISBN 978-3-44273-089-6.

Alfred-Wegener-Institut für Polar- und Meeresforschung, Bremerhaven (Hrsg.) 2005. Wegener, A., Die Entstehung der Kontinente und Ozeane, Nachdruck der 1. Auflage 1915mit handschriftlichen Bemerkungen von Alfred Wegener, Notizen und Briefen sowie neuerstelltem Index, Nachdruck der 4. umgearbeiteten Auflage 1929 mit neu erstelltemIndex, 481 S., ISBN 978-3-44301-056-0.

Wegener, A. 1929. Die Entstehung der Kontinente und Ozeane, Vierte umgearbeitete Auf-lage, Die Originalausgabe des Buches wird von Kurt Stüber, Max Planck Institut in Köln,zur Verfügung gestellt: u www.caliban.mpiz-koeln.mpg.de/wegener/index.html

Herausgeber

Bayerisches Staatsministerium fürUmwelt und Gesundheit (StMUG)

Staatsinstitut für Schulqualität und Bildungsforschung (ISB)