Lesen in der Schule - Gesamtverzeichnis · Jonas 7 ist ein Duplik und lebt in einem Hort,...

28
Lesen in der Schule mit Erarbeitet von: Stephan Fritz Birgit Rabisch Duplik Jonas 7 Band-Nr. 78081 Thematik Dystopie Gentechnologie Wertediskussion Ein Unterrichtsmodell für die Klassen 7–9 http://www.dtv.de/lehrer LESEN IN DER SCHULE MIT DTV JUNIOR: Birgit Rabisch: ›Duplik Jonas 7‹ 1

Transcript of Lesen in der Schule - Gesamtverzeichnis · Jonas 7 ist ein Duplik und lebt in einem Hort,...

Page 1: Lesen in der Schule - Gesamtverzeichnis · Jonas 7 ist ein Duplik und lebt in einem Hort, abgeschottet von der Welt. Er muss nichts anderes tun als auf seine Gesundheit zu achten.

Lesen in der Schulemit

Erarbeitet von: Stephan Fritz

Birgit Rabisch

Duplik Jonas 7Band-Nr. 78081

Thematik• Dystopie• Gentechnologie• Wertediskussion

Ein Unterrichtsmodell für die Klassen 7–9

http://www.dtv.de/lehrer LESEN IN DER SCHULE MIT DTV JUNIOR: Birgit Rabisch: ›Duplik Jonas 7‹ 1

Page 2: Lesen in der Schule - Gesamtverzeichnis · Jonas 7 ist ein Duplik und lebt in einem Hort, abgeschottet von der Welt. Er muss nichts anderes tun als auf seine Gesundheit zu achten.

Jonas 7 ist ein Duplik und lebt in einem Hort, abgeschottet von derWelt. Er muss nichts anderes tun als auf seine Gesundheit zu achten.Die harte Wirklichkeit, der Grund für ihre Existenz wird vor denDupliks geheim gehalten: Sie sind genetische Zwillinge von Men-schen, die draußen in der »normalen« Welt leben, und müssen jeder-zeit als deren Ersatzteillager fungieren. Als Jonas 7 seine Augen fürseinen genetischen Zwilling spenden muss, setzt bei diesem undanderen Menschen »draußen« ein Prozess des Umdenkens ein, derden »Fortschritt« der Gentechnologie radikal in Frage stellt. EineGruppe von Menschenschützern plant die Befreiung von Jonas 7 ausdem Hort. Die Autorin greift mit diesem Buch in die Diskussion desWertewandels ein, der mit der Entwicklung der Gentechnologie imZusammenhang steht.

Zum Text

Inhalt

Das erste Kapitel (Der Hort) versetzt die Leser mit seinerzunächst harmlos anmutenden Überschrift – zusammenmit den nächsten beiden Kapiteln – unvermittelt in eine

2

Page 3: Lesen in der Schule - Gesamtverzeichnis · Jonas 7 ist ein Duplik und lebt in einem Hort, abgeschottet von der Welt. Er muss nichts anderes tun als auf seine Gesundheit zu achten.

bedrückend unheimliche Welt aus dem Bereich Orwell’-scher Visionen: Hinter der Fassade einer funktionierendenScheinwelt aus banalen Freizeitbeschäftigungen (TV, Play-deck, Fußballspielen), in der es scheinbar nur darum geht,gesund zu leben, zeigt sich mit der unbeantworteten Frage»Was ist hinter der Mauer?« bereits auf der ersten Seite fürden Titelhelden Jonas 7 nicht nur die Situation des Einge-sperrtseins, sondern eine bedrohliche Ungewissheit! Wasist das für ein seltsam abgeschlossener »Hort«, in dem vonder »Welt« nur als einem unbekannten »Draußen« die Redeist, in der Frauen als »ganz andere Lebewesen« empfundenwerden und jemand, der es wie er wagt, wissensdurstigeFragen zu stellen, in die Klinik muss und Spritzen be-kommt (S.12/13)?

Trägt das zweite Kapitel zunächst noch einmal scheinbarversöhnliche Züge, wenn von Babypflege durch Jonas’jugendliche Viererwohngemeinschaft die Rede ist, sobricht mit der Einführung des so genannten »Fraßes« alsschlimmster Krankheit vollends die Illusion einer vermeint-lich sorglosen Traumwelt zusammen: Der Fraß gilt im Hortals völlig unbekannte Krankheit, die ohne Voranzeichenauftritt und prinzipiell alle Körperteile (also z. B. Beine,Arme, Herz, Niere usw.) befallen kann. Rettung bringtallenfalls eine Amputation – sie schützt freilich nicht voreinem späteren Befall anderer Organe . . .

Der Leser vermutet bereits hier die grausame Realität,die hinter dieser vermeintlichen Krankheit steht: Die Hort-insassen dienen als »Ersatzteillager« bzw. unfreiwilligeOrganspender für eine Welt, von der sie nichts wissen!

Das dritte Kapitel konfrontiert nun ausgerechnet Jonas 7mit dieser Realität: Obwohl noch kürzlich beim regelmäßi-gen Gesundheitstest kerngesund, wird er plötzlich in die

3

Page 4: Lesen in der Schule - Gesamtverzeichnis · Jonas 7 ist ein Duplik und lebt in einem Hort, abgeschottet von der Welt. Er muss nichts anderes tun als auf seine Gesundheit zu achten.

Klinik gerufen und verliert seine beiden Augen. Verzweif-lung überfällt ihn, doch niemand ist da, ihn zu trösten –außer einer »Dada« (Pflegerin) namens Mirdal, die entge-gen der Strenge anderer Erzieherinnen menschliche Wärmeausstrahlt.

Während Jonas 7 weiterhin völlig im Ungewissen bleibtund unter seiner ungewohnten Blindheit sehr leidet, erfährtder Leser nun durch einen Perspektivenwechsel in die Weltaußerhalb des Horts den Hintergrund von Jonas 7’ Augen-operation.

Der aus reichem Hause stammende Jonas Helcken wurdebei einem Verkehrsunfall an seinen Augen verletzt undträgt einen entsprechenden Verband, wird aber, so bestätigtihm seine am Krankenbett sitzende Schwester Ilka, dochwieder sehen können. Die engagierte Lebensschützerin ver-wickelt ihren Bruder in den folgenden Kapiteln in immertiefer gehende Diskussionen über den Schutz allen Lebens,die dem bisher an solchen Fragen eher desinteressiertenJonas zuletzt schockierende Neuigkeiten seiner eigenenBiografie eröffnen: Da seine vermeintliche »Mutter« nachder Geburt ihres ersten Kindes in hormonell bedingteDepressionen gefallen sei (Post-partum-Depression), habesein Vater sie später zur Annahme einer anonymen Eispen-de gebracht, die dann erneut Depressive aber durch dieBereitstellung eines sog. »Todesautomaten« praktisch inden Selbstmord getrieben. Daraus resultiert der Hass, mitdem Ilka ihrem Vater gegenübersteht.

Jonas wird durch die Gespräche mit Ilka immer nach-denklicher, erfährt schließlich durch seinen Vater, dass ereinen sog. »Duplik« besitze, einen genetischen Zwilling:Nur diesem habe er es zu verdanken, dass er nun wieder

4

Page 5: Lesen in der Schule - Gesamtverzeichnis · Jonas 7 ist ein Duplik und lebt in einem Hort, abgeschottet von der Welt. Er muss nichts anderes tun als auf seine Gesundheit zu achten.

sehen könne, da ihm dessen Augen eingepflanzt wordenseien.

Jonas ist zunächst vor allem darüber erleichtert, dass seinAugenlicht gerettet ist, und setzt den langen Ausführungenseines Vaters über die Berechtigung solcher Praktiken imGegensatz zu seiner kämpferischen Schwester, noch nichtsentgegen. Allerdings beginnt er darüber zu reflektieren, obdas in seinem Ethikunterricht Gelernte (Die Seinsweisenvon Dupliks und Menschen unterschieden sich fundamentalvoneinander) wirklich stimmt. Im Widerstreit zwischenSelbstrechtfertigung (»Wie kann die Duplikhaltung ein Ver-brechen sein, wenn die Duplikgesetze damals mit großerMehrheit im Parlament verabschiedet worden sind?«, S.67)und allmählicher Verunsicherung (»Warum darf man dieDupliks nicht sehen?«, S.65) beginnt er an den vorherungeprüft akzeptierten gesellschaftlich sanktionierten Nor-men und ihrer Wirklichkeit zu zweifeln.

Trotzdem scheint er zunächst noch nicht bereit, auchkonkret zu handeln, als seine Schwester ihn darum bittet,einen Kontaktmann zu einer zunächst anonymen Duplik-Pflegerin zu treffen, die auf Grund ihrer Erfahrungen alsHortpflegerin bzw. ihres eigenen Schicksals zu der Über-zeugung gekommen ist, die Duplikhaltung sei ein Verbre-chen, da die Dupliks gleiche Rechte wie Menschen hätten:Sie erweist sich später als jene Dada Mirdal, die Jonas 7zunächst aufzog, später seine Augenoperation miterlebteund nun aus einem grundsätzlich oppositionellen Akt he-raus Ilkas Lebensschützergruppe in einem Brief einen Planzu seiner Befreiung aus dem Hort vorschlägt!

Der Spannungsbogen baut sich um das Zögern JonasHelckens auf, ob er zum Gelingen dieses Plans beitragensoll. Denn immer noch kann Ilka ihren Bruder in einem

4

Page 6: Lesen in der Schule - Gesamtverzeichnis · Jonas 7 ist ein Duplik und lebt in einem Hort, abgeschottet von der Welt. Er muss nichts anderes tun als auf seine Gesundheit zu achten.

erneuten Streitgespräch nicht davon überzeugen, aktivgegen die Duplikhaltung einzutreten. Dieser besucht zu-nächst erst noch seinen schwerstbehinderten Freund Meh-met, der unter Muskeldystrophie leidet und mit dem er sichnur per Sprachcomputer unterhalten kann. Mehmet setztsich für die Erforschung von Erbkrankheiten ein und plä-diert für neue genetische Therapiemöglichkeiten, um weiter-hin jedem Menschen prinzipiell die Zeugung von Kindernzu ermöglichen. Die Regierung dagegen verfolgt einenanderen Kurs: Erbkrankheiten sollen durch generelles Zeu-gungsverbot für genetisch Vorbelastete vermieden werden.In der Frage der Dupliks vertritt er die Meinung, Dupliksseien ebenso wie Menschen denkende und fühlende Wesen,ihre Tötung bzw. Verletzung daher ein Verbrechen.

Dieses Gespräch gibt Jonas den letzten Anstoß dazu,aktiv bei der Befreiung seines Dupliks mitzumachen, ihnspäter einer die Wirklichkeit bisher verdrängenden Öffent-lichkeit vorzuführen, um augenfällig zu machen, dass einDuplik ein Mensch ist! Bevor dieser Plan umgesetzt wirderfährt der Leser in einem einerseits die Spannung hiergeschickt retardierenden, andererseits im Sinne der durch-gehenden Pro/Contra-Diskussion eingeschobenen Kapitel(vgl. S.101 ff.), wie die Leiterin des Jonas-7-Hortes dieseDuplikhaltung begründet und was sie sich davon erhofft.

Mit Hilfe der Pflegerin Mirdal und eines mit der Gruppeim Geheimen sympathisierenden Professors gelingt einlistiger Plan, der Jonas Helcken und seinen Duplik zumangeblich nötigen Blutaustausch in zwei Nebenräume dergleichen Klinik führt und Jonas 7 dann an Stelle JonasHelckens aus der Klinik gebracht wird. Helcken gelingt essogar, die Aktion als eine alleinige Tat seiner Schwesterauszugeben und wird ebenfalls entlassen.

5

Page 7: Lesen in der Schule - Gesamtverzeichnis · Jonas 7 ist ein Duplik und lebt in einem Hort, abgeschottet von der Welt. Er muss nichts anderes tun als auf seine Gesundheit zu achten.

Während wir nun einerseits die folgende Zeit aus der Sichtdes zwar aus dem Hort befreiten, aber in ein Geheim-versteck gebrachten Dupliks erleben und wir seine Verwir-rung in einer für ihn völlig neuen Welt nachempfinden, ver-folgt Helcken die zunächst zögernd interessierten Reaktio-nen der Medien.

Erst als in einer Talkshow ein Video mit einem persönli-chen Auftritt des Duplik Jonas gezeigt wird, beginnt sichdie öffentliche Meinung zu erhitzen!

Jonas Helcken erkennt, dass sein Duplik im Falle seinerGefangennahme in Lebensgefahr ist, da man ihm aufGrund seiner Erfahrungen niemals die Rückkehr in einenHort gestatten könnte. Gegen seine Schwester, der es umein Signal für die Befreiung aller Dupliks geht und die derMeinung ist, dafür müsse im Notfall sogar das Leben vonJonas 7 riskiert werden, entwickelt Helcken deshalb eineneigenen Plan zur individuellen Befreiung »seines« Dupliks,den er in einem tibetanischen Kloster in Sicherheit bringenwill! Dabei stellt sich heraus, dass die Grenzkontrollen imFalle Helckens einen Sehtest verlangen, Jonas entschließtsich dazu, seinem Duplik durch eine heimliche neuerlicheOperation ein Auge zurückzugeben.

Es kommt zur Ausführung dieses Plans, dabei begegnensich Jonas Helcken und sein Duplik erstmals persönlich: DieBegegnung verläuft wie die zwischen Fremden, die Zwillin-ge können sich nicht als »Brüder« empfinden. Jonas Duplikist dabei, sich zu verändern und u. a. nach dem Wegfall derhortinternen Spritzen nun auch in hormoneller Hinsicht ein»Mensch« bzw. Mann zu werden. Dass dieser Mensch nunauch einen völlig eigenen Willen hat und Selbstständigkeitentwickelt, erfährt Helcken im letzten Kapitel: Statt sichselbst in die Sicherheit einer fragwürdigen neuen Freiheit

6

Page 8: Lesen in der Schule - Gesamtverzeichnis · Jonas 7 ist ein Duplik und lebt in einem Hort, abgeschottet von der Welt. Er muss nichts anderes tun als auf seine Gesundheit zu achten.

oder »Heimat« zu bringen, stellt sich Jonas 7 live einerTalkshow und schildert sein Leben als Duplik, seine Gefüh-le für seine Hortfreunde und sein Pflegebaby, seine Sehn-sucht nach seiner »Heimat« und beweist damit vor laufenderKamera, dass er nichts anderes als ein Mensch ist.

Er entscheidet sich damit, selbst unter Gefahr für seinLeben, für die Befreiung seiner Mitdupliks zu kämpfen.Der Ausgang dieses Kampfes wird nicht mehr dargestellt,das Ende bleibt bereits mit der als Frage formulierten Über-schrift des letzten Kapitels (Das Ende?) offen.

Erzählstruktur und Sprache

In insgesamt 26 teilweise sehr kurzen, teilweise längerenKapiteln wird uns das Geschehen bzw. die Problematikschwerpunktmäßig aus zwei alternierenden Perspektivendargestellt: Aus der des »Menschen« Jonas Helcken undaus der seines »Duplik« – Jonas 7. Ausnahmen stellen nurdas Kapitel 13 »Die Leiterin« bzw. das Kapitel 19 »DerAbschied« dar, der von der angeblichen Beerdigung desDuplik berichtet. Beide Perspektiven sind konsequenter-weise gegeneinander nahezu ausgewogen: Es gilt ja, denDuplik dem Leser von vorneherein als »gleichwertiges«menschliches Lebewesen vorzustellen; dreizehn Kapitel,die aus der Perspektive des »Menschen« Helcken erzählen,stehen zwar nur zehn »Duplik«-Jonas-Kapitel gegenüber,dennoch liegt dieses leichte Übergewicht in der Natur derSache: Ist es zunächst jedenfalls doch nur der »Mensch«Helcken, der aus seiner Welt heraus handeln kann –während das eng umgrenzte Duplik-Dasein natürlichzwangsläufig erst einmal in relativer Statik geschildert wer-den muss und daher wenig Handlungstableau besitzt. Dafür

7

Page 9: Lesen in der Schule - Gesamtverzeichnis · Jonas 7 ist ein Duplik und lebt in einem Hort, abgeschottet von der Welt. Er muss nichts anderes tun als auf seine Gesundheit zu achten.

wendet sich der Duplik aber schon gleich mit dem erstenKapitel praktischen und philosophischen Fragestellun-gen zu (»Was ist hinter der Mauer? [. . .] Woher holen dieFrauen die Neugekommenen?«, S.9) bzw. meldet vorsich-tige Zweifel an der Erklärung »seiner« Welt an (»Draußenist die Welt, sagen die Frauen . . .«, S.12), wohingegenHelckens Gedankenprozess erst durch seinen Unfall unddann vor allem durch seine Gespräche mit der Schwester inGang gesetzt wird.

Vom Aufbau her kulminiert die Handlung – abgesehennatürlich von den spannungserzeugenden Höhepunkten beider Befreiungsaktion (Kapitel 14/15) bzw. Jonas HelckensEntführungsvorhaben (Kap. 24: Die Schuld) – natürlich inder einzigen persönlichen Begegnung der Zwillingsbrüderim drittletzten Kapitel (Die Schuld), also fast gegen Endedes Buches! Die beiden Handlungsstränge sind aber nuraufeinander zugelaufen, um sich sofort wieder zu trennen,wenn auch in einem anderen Sinne, als Helcken und mitihm der Leser zunächst erwartet. In diesem Sinne bleibtauch das Gespräch der beiden letztlich distanziert (»Duwillst mir also ein Auge zurückgeben, Mensch Jonas . . . Duschuldest mir aber zwei Augen, Mensch Jonas«, S.169).Jonas 7 hat längst einen zu starken eigenen Charakter ent-faltet, um bloß ein Teil des Planes seines Zwillingsbruderszu sein – genauso wenig wie er bloß als Teil des Planes vonIlka zu sehen ist: Es ist vielmehr die aus Freundschaft zuseinen Hortfreunden getroffene Entscheidung, die ihn dazubewegt, sein eigenes Leben am Ende zu riskieren.

Der Leser erlebt also das Geschehen subjektiviert aus zweizunächst durch ihre äußere Situation sehr unterschiedlichen

8

Page 10: Lesen in der Schule - Gesamtverzeichnis · Jonas 7 ist ein Duplik und lebt in einem Hort, abgeschottet von der Welt. Er muss nichts anderes tun als auf seine Gesundheit zu achten.

Denk- und Bewusstseinswelten, die aber keine unterschied-lichen Gefühlswelten sind! Der Duplik Jonas erlebt seineBlindheit mit genau der gleichen Panik und emotionalenZerrissenheit wie der »Mensch« Jonas Helcken! Der innereMonolog bzw. der Dialog sind die vorherrschenden Erzähl-techniken, die Handlung wird linear, d. h. ohne Rückblen-den oder Vorausdeutungen dargeboten.

Die Sprache ist trotz der am Ende des Buches erklärtenvielen biologischen bzw. genetisch-medizinischen Fach-ausdrücke und einiger Fantasiebegriffe einer Fantasywelt(der »feeder« zur Ultrakurzzeit-Sterilisation der Baby-flasche oder die »Genkarte«) eine gut verständliche, dabeinüchterne Umgangssprache. Es geht nicht um poetischeStimmungen, Symbolik, komplexe Bildlichkeit, sondern –wie in den zahlreichen Streitgesprächen zwischen Bruderund Schwester – um erörternde Sachlichkeit!

Leitmotivik und Leitthemen

Wie durch eine Erörterung ziehen sich eine Reihe vonLeitmotiven durch die Streitgespräche und Diskussionendes Textes. Es ist das Stellen von »Fragen« und das Rechtauf »Zweifel«, das von Anfang an als zentrale Kategoriemenschlicher Existenz begriffen wird. Die Frage nach demSinn des Lebens wird von Jonas 7 schon gleich am Schlussdes 2. Kapitels aufgeworfen.

Hinzu tritt das Recht freier Entscheidungen – selbst die,»Fehler machen« zu dürfen (S.36). Damit ist der Begriffder Freiheit von Anfang an als zentrales Motiv gekenn-zeichnet (er taucht selbst als eine in Frage stellende Über-schrift auf, vgl. S.122) und verbindet sich mit latentenGrundwerten wie Humanität oder Menschenwürde.

9

Page 11: Lesen in der Schule - Gesamtverzeichnis · Jonas 7 ist ein Duplik und lebt in einem Hort, abgeschottet von der Welt. Er muss nichts anderes tun als auf seine Gesundheit zu achten.

Das Motiv der Blindheit, das auf Grund des Unfalls vonJonas Helcken bzw. der Augentransplantation natürlich reinhandlungsmäßig über weite Strecken das Denken und Spre-chen der Figuren bestimmt, könnte natürlich auch meta-phorisch ausgedeutet werden: Erst seine Blindheit machtJonas 7 zunehmend die wahrhaftige Begrenztheit seinerExistenz im Hort deutlich; erst die durch den Verbandbedingte zeitweilige Blindheit Helckens lässt ihn erahnen,was eine wirkliche Erblindung für einen bisher Sehendenbedeuten muss. Beide reagieren mit der gleichen Panik aufdiese Situation. Andererseits löst für beide diese Situationein »Sehend-Werden« im mehr als rein physischen Sinneaus: Helcken wird durch seine Situation erstmals dazuangeregt, sich wirklich für seine Vergangenheit zu interes-sieren und zu »sehen«, welche Realität sich hinter der Vor-sorge des Vaters verbirgt.

Jonas 7 wird befreit und beginnt erstmals die Realitätaußerhalb des Hortes zunächst akustisch und emotional zuerfahren, zuletzt auch mit einem Auge zu »sehen«! (»Ichsehe.« – »Ich lebe.« – S.172 im Kapitel: Das Licht). Eben-so wie bei Helcken und Jonas 7 vollzieht sich schließlichdurch die Medien eine Aktion gegen die bisherige kollekti-ve, teilweise bewusste, teilweise unbewusste Verdrängung,der Wahrheit über die Duplikhaltung ins Auge zu sehen.

Am Ende wird der Satz »[. . .] ich wollte nicht blind insoffene Messer rennen« (S.174 u. S.182) zum geflügeltenWort: Jonas 7 geht nicht blind, sondern in doppelter Hin-sicht »sehend« das Risiko seiner Verhaftung ein: weil erweiß, nur damit kann er dazu beitragen, auch andere»sehend« werden zu lassen, indem er das Lügengespinstüber die Duplikwelt zerreißt.

10

Page 12: Lesen in der Schule - Gesamtverzeichnis · Jonas 7 ist ein Duplik und lebt in einem Hort, abgeschottet von der Welt. Er muss nichts anderes tun als auf seine Gesundheit zu achten.

Didaktische Überlegungen

Die Wertediskussion, die durch die Lektüre dieses Jugend-romans ausgelöst wird, gibt dem Text eine besonderedidaktische Relevanz.

Das vorliegende Projekt wurde erfolgreich mit einer7. Klasse des Theresien-Gymnasiums in München durch-geführt. Pauschal ist allerdings nicht ganz einfach zu ent-scheiden, für welche Jahrgangsstufe sich die Behandlunganbietet. Möglich ist die Lektüre aber in jedem Fall auch inden Klassen 8 bis 10 der verschiedenen Schularten.

Einerseits ist eine große Bereitschaft erforderlich, sichauf die Beschäftigung mit komplexen, auch vom Text hernatürlich breiten Raum einnehmenden ethischen Fragestel-lungen und Diskussionen jenseits der reinen Handlungs-ebene einzulassen; damit erscheinen Schüler einer 7. Klas-se manchmal vielleicht noch überfordert. Eine 7. Klasseherauszufordern, die besonders diskussionsfreudig ist,erscheint trotzdem als sinnvoll; ein fächerübergreifendesArbeiten bietet sich zum Beispiel im Ethikunterricht der8. und 9. Klasse an (etwa im Zusammenhang mit demThema »Der Sinn des Lebens«).

Auch wenn das Alter der Figuren etwas unbestimmtbleibt, Jonas Helcken als Student aber bedeutend älter als dieLeser ist und daher eine Identifizierung nur indirekt möglichist, schließt die Figurenzeichnung und Perspektivik eine sol-che über weite Strecken prinzipiell nicht aus.

Hier liegen Möglichkeiten kreativer Schreibansätze(z. B.: »Schreibe eine Episode aus der Sicht eines drei-zehn/vierzehnjährigen Hortinsassen« usw.).

Im vorgegebenen Falle wurde viel Wert darauf gelegt,sich in Figuren einzufühlen (vgl. Anhang).

11

Page 13: Lesen in der Schule - Gesamtverzeichnis · Jonas 7 ist ein Duplik und lebt in einem Hort, abgeschottet von der Welt. Er muss nichts anderes tun als auf seine Gesundheit zu achten.

Methodische Anregungen

1. Mögliche Aufgabenstellungen (auch in Partner- oderGruppenarbeit) in thematischer Hinsicht

– Erstellung eines gemeinsamen Übersichtsrasters (vgl.Anhang): Personen/Inhalt/Fragestellungen

– Sammlung sämtlicher grundsätzlicher ethisch-philoso-phischer Fragestellungen (z. B. in einer eigenen Spalteoder auf einem eigenen Blatt)

– Erstellung von Personenskizzen unter folgenden mögli-chen Fragestellungen:• z. B. Eigenschaften/Gefühle/Verhalten des Duplik Jonas:

Wie verhält er sich in seiner Hortgemeinschaft?Wie reagiert er auf seine Operation?Wie reagiert er auf seine neue Umwelt?Warum will er sich am Schluss nicht retten?Inwiefern hat er sich durch seine Befreiung verändert?

• oder Jonas Helcken:Warum hat er sich bisher so wenig Gedanken gemacht?Wie reagiert er auf seinen Unfall?Warum beginnt er nachdenklich zu werden?Warum will er seinen Duplik retten?Inwiefern beginnt er sich zu verändern?

• oder Ilka Helcken:Warum hasst sie den Vater?Wofür kämpft sie?Warum riskiert sie den Tod von Duplik Jonas 7

– Herausarbeiten von Gemeinsamkeiten/Unterschiedenzwischen Jonas Helcken und seinem »Duplik«

– Herausarbeiten und Zusammenstellen einer Übersicht(z. B. Zweispaltenraster) pro/contra Duplikhaltung etc.:Welche Argumente werden im Verlauf des Buches vor-

12

Page 14: Lesen in der Schule - Gesamtverzeichnis · Jonas 7 ist ein Duplik und lebt in einem Hort, abgeschottet von der Welt. Er muss nichts anderes tun als auf seine Gesundheit zu achten.

gebracht? (z. B. Contra-Argumente des Vaters oder FrauDr. Hellmanns)

– Warum entwickelt sich zwischen Jonas und seinemDuplik keine Freundschaft? Warum ist diese Distanzvorhanden? (»Ich hasste ihn nicht mehr. Aber ich liebteihn auch nicht. Er tat mir Leid«, S.173).

2. Methodische und kreative Anregungen zum Umgang mitdem Text

– (z. B. antizipierende) Veränderung des Textes: Angenom-men, ein Mensch (z. B. Jonas Helcken) würde gegeneinen Duplik unbemerkt (!) ausgetauscht: Was könnte erim Hort erleben, wie würde er seine Umwelt empfinden?Könnte er womöglich einen Aufstand organisieren? (Vgl.Anhang, II/Text 1)

– Aus der Fragestellung eines Schülers schloss sich eineDiskussion an: Was würde es bedeuten, wenn einMensch sein Gehirn verlieren würde und es gegen dasseines Dupliks »ausgetauscht« würde: Lebt dann derDuplik im Körper des Menschen weiter? (Vgl. Anhang,II/Text 2)

– Wie wird sich ein befreiter Duplik (z. B. Jonas 7) in un-serer »Menschenwelt« fühlen? (Vgl. Anhang, II/Text 3)

– Einige Schüler warfen die Frage auf, ob es auch»Duplik-Frauenhorts« geben könne und wie es wohl inihnen zugehen würde.

– Reporterberichte (mit szenischer Darstellung):• ein Interview mit Jonas Helcken erstellen: Welche Fra-

gen könnten einen Reporter am meisten interessieren,z. B.: »Warum haben Sie nicht früher gegen dieDuplikhaltung gekämpft?«

13

Page 15: Lesen in der Schule - Gesamtverzeichnis · Jonas 7 ist ein Duplik und lebt in einem Hort, abgeschottet von der Welt. Er muss nichts anderes tun als auf seine Gesundheit zu achten.

• einen sachlichen Bericht einer Tageszeitung bzw. einereißerische Reportage einer Boulevardzeitung über den»Fall Jonas«.

– Zeitungsberichte zu möglichen medizinischen Streitfra-gen aus dem Bereich der Gentechnologie sammeln undin der Klasse einen Schaukasten erstellen.

– Entwurf einer Gerichtsverhandlung (Spielszene/Dialoge,eventuell Hörspiel): Anklage der Entführer bzw. Gegen-klage: Ist das Gesetz über Duplikhaltung rechtens?

– Schreiben eines Fortsetzungskapitels: z. B. Jonas 7 sollvor laufender Kamera verhaftet werden oder: Verfassungeines Zeitungsartikels (vgl. Anhang, II/Texte 4 und 5).

14

Page 16: Lesen in der Schule - Gesamtverzeichnis · Jonas 7 ist ein Duplik und lebt in einem Hort, abgeschottet von der Welt. Er muss nichts anderes tun als auf seine Gesundheit zu achten.

Anhang

I. Übersichtsraster zu Birgit Rabisch ›Duplik Jonas 7‹

15

Kapitel/Personen Inhalt Fragen/ProblemeDer HortDuplik Jonas undseine Wohngemein-schaft (Tim, Martin,Jan)

Der NeugekommeneJonas’ WG,Hannes, ein Säug-ling.

– Schilderung derLebensverhält-nisse im Hort(von Mauerumgeben)

– bevorzugteTätigkeiten: TV,playdeck, 3 Stun-den täglich Sport

– Verbot (denFrauen) Fragenzu stellen

– Jonas Zweifel!

– Alltagsverände-rungen: Säug-lingspflege,Erziehungs-gedanken(Strenge –Milde)

– schlimmsteGefahr im Lebeneines Dupliks:der »Fraß«

– Vergleich Hort-leben »früher« –Gegenwart

– Jonas fragt nachSinn und Zielseines Lebens

– worin unterschei-den sich die vierDupliks (Charak-ter/Interessen)?

– was ist am Hort-leben eigenartig?

– würdest du in demHort leben wollen?

– warum sind Fragenwohl nicht erlaubt?

– wie werden »vor-witzige« Dupliksbehandelt?

– was bedeutetHannes’ Pflege fürJonas und seineWG?

– worin besteht dersog. »Fraß«, waskann gegen ihngetan werden?

– was ist dasSchlimmste an derunheimlichenKrankheit?

– worin besteht derUnterschied zwi-schen früherem/heutigem Hort-leben?

Page 17: Lesen in der Schule - Gesamtverzeichnis · Jonas 7 ist ein Duplik und lebt in einem Hort, abgeschottet von der Welt. Er muss nichts anderes tun als auf seine Gesundheit zu achten.

16

Kapitel/Personen Inhalt Fragen/ProblemeDer FraßDuplik Jonas/Kin-derpflegerin DadaMirdal

Die SchwesterJonas Helcken, mitseiner SchwesterIlka

Der BlindeDuplik Jonas

Der TodesautomatJonas H./Ilka H.

– Jonas verliertseine Augendurch Operation(Schockerlebnis)

– J.H. hat nachAutounfallAugen verloren,wird gesunddurch Transplan-tation

– Ilkas Hass (mili-tante Lebens-schützerin)

– Vater Helcken

– Duplik J. kannsich nicht umge-wöhnen

– Gedanken anFreiheit und freieSelbstentfaltung

– Jonas erfährtseine Geburts-geschichte

– seiner depressi-ven Mutterwurde vom VaterSelbstmordermöglicht

– Diskussion umneue Möglichkei-ten der Genkon-trolle

– welche Gefühleüberfallen Jonas,wie reagiert er?

– wie reagiert JonasH. als er im Kran-kenhaus erwacht?

– was fällt DuplikJonas besondersschwer?

– warum kommenihm gerade jetztimmer mehr Zwei-fel?

– worin bestehenpositive Chancen,worin Gefahrenvon Genfor-schung? (Suchenkonkreter aktuellerBeispiele)

Page 18: Lesen in der Schule - Gesamtverzeichnis · Jonas 7 ist ein Duplik und lebt in einem Hort, abgeschottet von der Welt. Er muss nichts anderes tun als auf seine Gesundheit zu achten.

17

Kapitel/Personen Inhalt Fragen/ProblemeDer Vater(von Jonasund Ilka H.)

Der EinsameDuplik Jonas

Der ZweiflerJonas Helcken/Ilka

Die ZumutungJonas/Ilka

– Jonas erfährt, erhabe einenDuplik, dessenAugen ihm ein-gepflanzt wurden

– Diskussion umGrundfragen derEthik

– Leiden desDuplik an seinerneuen Lebens-situation

– Streitgesprächum die Berechti-gung der Duplik-haltung

– anonymer Briefder Kinderpflege-rin Mirdal,

– Kampfplan zurBeendigung derDuplikhaltung

– Streitgespräch:Sollen behinderteKinder geborenwerden dürfen?

– was ist Jonas’ ersteReaktion, als ervon seiner OP/bzw.seinem Duplikerfährt?

– welche Grundposi-tionen vertritt HerrHelcken?

– (inwiefern) hatsich Jonas amEnde des Kap. ver-ändert?

– woraus entnehmenwir, dass JonasDuplik leidet?

Dupliks: pro odercontra?

Pro/Contra: Darf derStaat eine Geburten-kontrolle im Sinne»gesunden« Erbgutesvornehmen?

internet
Schreibmaschinentext
Page 19: Lesen in der Schule - Gesamtverzeichnis · Jonas 7 ist ein Duplik und lebt in einem Hort, abgeschottet von der Welt. Er muss nichts anderes tun als auf seine Gesundheit zu achten.

Kapitel/Personen Inhalt Fragen/ProblemeMehmetschwerbehinderterFreund von Jonas

Der PlanJonas/Sohn Dada Mirdals

Die Leiterin(des Horts)

Die Entscheidung(für die Befreiung)Jonas/Ilka

– Schicksal Meh-mets und seineran einer Erb-krankheit leiden-den Brüder

– Gespräch überPolitik: Verhin-derung von »erb-kranken« Gebur-ten statt Erfor-schung von The-rapie/Heilungs-möglichkeitenDuplikhaltung –ein »Verbrechen«

– Plan zur Befrei-ung des DuplikJonas 7

– Jonas erfährtDetails vomCharakter seinesDupliks (kreativ,neugierig, lern-willig)

– Erklärung, wa-rum die Duplik-haltung »psychi-sche« Bedürfnis-se nicht aus-klammern soll

– Dupliks »sindkeine Menschen«

– Durchführungder Entführungdes DuplikJonas 7

– wie steht Mehmetzum Thema Ver-hinderung erbkran-ken Nachwuchses?(welche Alternati-ven sieht er?)

– was bedeutet dasGespräch fürJonas H.?

– warum hat Jonaszunächst Beden-ken? Welche?

– warum sind dieneuen Informatio-nen für ihn (undden Plan) so wich-tig?

– worin wird in denAnschauungendeutlich, dass dieDupliks Menschensind und ihre »Hal-tung« unmensch-lich ist?

internet
Schreibmaschinentext
18
Page 20: Lesen in der Schule - Gesamtverzeichnis · Jonas 7 ist ein Duplik und lebt in einem Hort, abgeschottet von der Welt. Er muss nichts anderes tun als auf seine Gesundheit zu achten.

Kapitel/Personen Inhalt Fragen/ProblemeDie Flucht

Die VernehmungJonas

Die VerwirrungDuplik Jonas

Die Freiheit?Duplik J

Der Abschied(im Hort)

Das Bekenner-Video

– Jonas gelingt es,seine Beteiligungabzuleugnen.

– Duplik J. auf derFlucht insGeheimversteck

– neue Erfahrun-gen

– Fremdheitsgefühl

– Totenfeier fürJonas 7

– Trauer seinerFreunde

– TV-Sendung›Kontrovers‹:Duplik Jonas trittper Video auf

– Gegner kündigenseine »Verwer-tung« alsOrganspender an

– Jonas H. möchte»seinen« Duplikretten

– Ilka dagegengeht es um alleDupliks, Jonas 7nur als Mittel,Aufmerksamkeitzu erlangen

– was verstörtDuplik J. am meis-ten?

– warum ist die neue»Freiheit« nur einerelative?

– was fehlt DuplikJ.?

– warum trifft Jander Fortgang Jonasam schlimmsten?

– inwieweit könnenMedien die»öffentliche Mei-nung« beeinflus-sen/verändern?

– wer hat mit seinemStandpunkt Recht?Ilka oder Jonas?

internet
Schreibmaschinentext
19
Page 21: Lesen in der Schule - Gesamtverzeichnis · Jonas 7 ist ein Duplik und lebt in einem Hort, abgeschottet von der Welt. Er muss nichts anderes tun als auf seine Gesundheit zu achten.

Kapitel/Personen Inhalt Fragen/ProblemeDie gefährlicheBefreierin(Jonas bei Mehmet)

Der Hawaii-Trip(Jonas)

Om mani padmehum (Jonas/Prof. Jaffle)

Die SchuldJonas Helcken-Duplik Jonas 7

Das LichtDuplik Jonas 7

Das Ende?

– Jonas plant, sei-nen Duplik nachTibet in ein Klos-ter in Sicherheitzu bringen

– Jonas testet, obsein DuplikChancen hätte,die Grenzkontrol-len zu passieren;scheitert am»Sehtest«

– Operationsplan:Duplik soll einAuge zurücker-halten

– Mehmets Tod

Gespräch und Ent-führung

– neue Gefühle desJonas 7 als»Mensch«

– Jonas 7 verzich-tet auf seineFlucht und stelltsich live imFernsehen, aberer »wollte nichtblind ins offeneMesser laufen«

– mit welchenGefühlen stehensich die Zwillings-brüder gegenüber?

– welche Gefühle hatder Duplik gegen-über JonasHelcken?

– was erfährt erNeues?

– warum ist dieKapitelüberschriftals Frage formu-liert?

– warum ist DuplikJonas nicht geflo-hen?

internet
Schreibmaschinentext
20
Page 22: Lesen in der Schule - Gesamtverzeichnis · Jonas 7 ist ein Duplik und lebt in einem Hort, abgeschottet von der Welt. Er muss nichts anderes tun als auf seine Gesundheit zu achten.

II. Schülerarbeiten zu Birgit Rabisch›Duplik Jonas 7‹

Text 1:Was könnte ein Mensch in einem Hort erleben, wie würdeer seine Umwelt empfinden?

Langsam ging Jonas Helcken durch den schmalen, dunklenGang. Mit zitternden Knien und gedrückt von Angst ging er aufdie große Tür zu. Ihn quälten Fragen über Fragen. Was, wenn esganz andere Wesen sind? Was, wenn sie nicht verstehen, was ichwill? Ganz vorsichtig machte er die Tür auf.

Plötzlich stand er in einem Raum mit vielen Dupliks, die aufden ersten Blick alle wie Menschen aussahen: Aber es musstenDupliks sein!

Denn auf einmal schrie einer: »Da ist Jonas 7 wieder . . .«Erschrocken starrte er die Männer an. Sein Herz hämmerte wie

mit sich selbst um die Wette; er hatte Angst, dass man es im Raumdraußen hören könnte. Er durfte aber seine Angst nicht zeigen. Ermusste sich geben, als ob er hier zu Hause sei. Aber er brachte kei-nen Ton heraus. Da kamen auch schon einige Betreuerinnen. »Wowarst du denn, wir haben uns Sorgen um dich gemacht?« Er standeinfach da, angewachsen wie ein Stück Holz . . .

»Der ist ja wie ausgewechselt . . .«, tönte es von irgendwoher.Er musste jetzt etwas sagen. Mach schon, mach schon, drängte

er sich. »Hallo«, sagte er leise. Er dachte daran, dass es dieDupliks vielleicht gar nicht so schlecht hatten. Doch sie tatenihm auch Leid. Und was würde passieren, wenn er jetzt »aus-packte« . . .? Trotzdem: Er musste ihnen jetzt die Wahrheit sagen,jetzt gleich: Woher er kam, dass er nicht Jonas 7 war. . .

Aber er konnte es nicht . . . noch nicht.

21

internet
Schreibmaschinentext
internet
Schreibmaschinentext
Page 23: Lesen in der Schule - Gesamtverzeichnis · Jonas 7 ist ein Duplik und lebt in einem Hort, abgeschottet von der Welt. Er muss nichts anderes tun als auf seine Gesundheit zu achten.

Endlich hatte er den Tag überstanden.Alle lagen geordnet in ihren Betten. Jetzt musste er es einfach

sagen. Vielleicht gab der Halbdämmer ihm Mut.»Hey . . . hört doch alle mal her . . .«»Aha, Jonas 7 will uns was erzählen.«»Nein – das heißt doch – aber haltet mich nicht für verrückt,

wenn ich jetzt zuerst einmal sage: Ich bin nicht Jonas 7, ich heißeJonas Helcken. Ich bin ein Mensch. Jonas 7 ist mein Duplik. Ihralle hier seid Dupliks!«

Ein ungläubiges Raunen war durch den Saal gegangen, undobwohl irgendwer jetzt das Licht angemacht hatte, fuhr JonasHelcken unbeirrt fort: »Wisst ihr, was hinter der Mauer ist? – Daherkomme ich nämlich! Dort ist die Freiheit! Versteht ihr mich?«

Ungläubig sahen ihn alle an, es war für einige Momente eigen-artig still im Raum geblieben. Niemand schien zu begreifen, waser meinte.

»Hier ist es wie im Gefängnis.«Auch dieses Wort schien niemandem etwas zu sagen.Jonas blickte in ungläubig dreinblickende Gesichter.»Euch gibt es nämlich hinter der Mauer nochmals. Dort ist das

richtige Leben. Ihr erfahrt hier nichts . . .«»Das richtige Leben?«Gespannt und ungläubig zugleich hatten ihm alle zugehört,

plötzlich begann es unruhig zu werden, anwachsendes Stimmenge-wirr wurde laut, gegen das sich Jonas wieder durchsetzte: »Ichweiß, ihr glaubt das alles jetzt wahrscheinlich nicht, aber esstimmt – ich komme von dort draußen: Die Krankheit ›Fraß‹ gibt esnicht, sie ist eine Lüge! Das Körperteil, das bei euch entfernt wird,wird eurem menschlichen Zwillingsbruder eingepflanzt, wenn erdort von einer Krankheit befallen ist oder einen Unfall hatte!

Ihr seid ein Ersatzteillager!«Bei diesem Wort waren die Dupliks plötzlich nicht mehr zu

halten – ein chaotisches Stimmengemurmel folgte. Empörungund Entsetzen verbreitete sich durch die Ungläubigkeit hindurch.

»Wir sind nur Kopien? Abziehbildchen?«, schrie irgendjemandempört. »Unerhört – wir sterben also umsonst am Fraß?«

22

Page 24: Lesen in der Schule - Gesamtverzeichnis · Jonas 7 ist ein Duplik und lebt in einem Hort, abgeschottet von der Welt. Er muss nichts anderes tun als auf seine Gesundheit zu achten.

»Nein, nicht umsonst – für andere, für euren Mensch!«»Das sollten wir uns nicht länger gefallen lassen!«, schrie ein

Duplik aus der Menge, dem man einen Arm amputiert hatte.»Wir müssen uns dagegen wehren!«Schon wollten einige schnell Entschlossene hinaus um das

Haupthaus zu stürmen und das Personal zur Rede zu stellen.»Macht sie fertig«, schrie irgendjemand.

»Halt«, konnte Jonas den Aufruhr gerade noch stoppen: »Diedraußen sind alle bewaffnet – so habt ihr keine Chance! Ein Auf-stand muss gut überlegt sein, wir brauchen einen genauen Plan,kommt, wir müssen alle zusammen helfen . . .«

(Magda Wirth/Vanessa Voit)

Text 2:Was würde passieren, wenn statt einer Augen- eineGehirntransplantation erfolgt wäre?Vorsichtig versuchte ich meine Augen zu öffnen, konnte jedochnichts außer verschwommene Umrisse erkennen und es fiel mirschwer, sie überhaupt offen zu halten. Ich hörte jemanden dasZimmer betreten. Die Person, die mir unbekannt war, stellte sichals »Ilka« vor und fragte mich: »Wie geht’s dir, Bruderherz, hastdu noch große Schmerzen?«

Was faselt diese Ilka da eigentlich? Was ist das, ein Bruder-herz? Was hatte ich mit einer Frau zu tun? Was will die von mir?Ich wollte sie etwas fragen, wenigstens »Wer bist du?« oder»Was willst du?« oder »Kennen wir uns?«.

Mein Mund ließ sich zwar öffnen, meine Lippen versuchtenBuchstaben zu formen, aber es kam kein Ton heraus. Wiederumversuchte ich etwas zu erkennen und es gelang mir auch nacheinigen Versuchen. Die Sekunden streckten sich dabei wie eineEwigkeit: Ich sah eine mir völlig fremde Dada, die jünger zu seinschien als alle, die ich kannte.

»Jonas, hörst du mich? Was ist mit dir?«, gab sie besorgt vonsich. »Hast du Kopfweh?«

Diese Dada machte zwar einen ganz netten Eindruck – war

23

Page 25: Lesen in der Schule - Gesamtverzeichnis · Jonas 7 ist ein Duplik und lebt in einem Hort, abgeschottet von der Welt. Er muss nichts anderes tun als auf seine Gesundheit zu achten.

aber auch wahnsinnig aufdringlich. Schließlich kannte sie michgar nicht. Oder ist mir da was entgangen? Warum kann sie michnicht einfach in Ruhe lassen . . .? Nun kam noch eine neue Personins Krankenzimmer (nicht Dada Mirdal, wie ich heimlich gehoffthatte) – die ich diesmal anhand ihrer Kleidung aber wenigstensklar als Krankenschwester erkannte und die jene Ilka glücklicher-weise aus dem Zimmer schickte.

Doch anstatt mich allein zu lassen, redete auch sie drauflos:»Jonas Helcken, Sie werden in ein bis zwei Wochen entlassen.Doch zuvor muss ich noch einige Untersuchungen machen . . .«

Nachdem auch sie gegangen war, konnte ich mich etwas erho-len und entspannen.

In meinem Kopf war ein dumpfes Gefühl. Ich wiederholte den-noch jedes der gefallenen Worte und versuchte es zu begreifen. Ichstutzte. Warum wurde ich, Jonas 7, nur »Jonas Helcken« genannt?Ich kenne keinen Jonas Helcken! Nicht einmal seinen Namen!Was ging hier eigentlich vor? Die fremde Person, der fremdeRaum und diese jetzt plötzlich anwachsenden Kopfschmerzen . . .

Je näher der Tag meiner Entlassung gerückt war, desto mehrAngst hatte ich bekommen – von Tag zu Tag mehr, weil allesanders war als zuvor. Ich glaube, dass mein Leben niemals mehrso wird, wie es früher war.

Diese Ilka kam nicht nur immer wieder, sondern nahm michschließlich mit. Ich musste mich in einen Rollstuhl setzen, dermich zum Ausgang fuhr, doch diese Türe hatte ich noch nie inmeinem Leben gesehen, diese Eingangstür war doch grün gewe-sen und nicht gelb. Und dann: Warum führte mich Ilka und nichteine Dada? Außerdem ging es nicht zurück zu mir nach Hause,nicht zurück zum Kleeblatt!

Alles war verändert. Überall ist es laut und es stinkt. Überallgibt es eigenartige, stinkende Blechwesen, die diesen Gestankabsondern und diesen Lärm veranstalten. Es sind wahnsinnigviele, Ilka zog mich auch in ein solches hinein, außen ist es dun-kelblau, innen grau, aber bequem. In diesen Wesen sind auchdurchsichtige Wände, Ilka nennt sie »Scheiben«, durch die man

24

Page 26: Lesen in der Schule - Gesamtverzeichnis · Jonas 7 ist ein Duplik und lebt in einem Hort, abgeschottet von der Welt. Er muss nichts anderes tun als auf seine Gesundheit zu achten.

die anderen sich bewegenden Wesen sehen kann. Nachdem einelange Strecke vorüber war – in der Fahrzeit hätte man mehrmalsdurch das gesamte Gelände unseres Horts fahren können –,erreichten wir eine Art Riesenhort, der in einem einzigen Hausuntergebracht ist, und Ilka meinte: »So, nun bist du wieder zuHause . . .« (Stefanie Giel)

Text 3:Ein Duplik in der WeltNirgendwo sind Bäume oder grüne Parkanlagen. Überall nur das,was sie Straßen nennen, Straßen und Parkplätze für etwas, das sieAutos nennen. Hektik, Stress, Staus, Fabriken – Unruhe.

Alles Dinge, die es im Hort nicht gibt. Dort lebt man in Frie-den. Hier ist ein Tag wie der andere, bei uns hat man Zeit für sichund seine Freunde, nur einmal in der Woche muss man zumCheck-up . . . (Stefan Seiler)

Texte 4 und 5: Eine Fortsetzung schreiben4: ZeitungsartikelThe Future TimesKlon City:

25

Beim Fernsehsender Kanal 13kam es gestern in der Skandal-sendung »Heim und aktuell« zueinem Amoklauf der Leiterindes Hortes Nordmark III., FrauDr. Hellmann. Sie gab aus ei-ner Schnellfeuerwaffe mehrereSchüsse auf offener Bühne ab.Ihre vermutlichen Ziele bliebenwie durch ein Wunder unver-letzt. Es sind die bekannte poli-tische Aktivistin Ilka H. (dieEntführerin von Jonas 7) unddieser selbst. Der KommentatorJochen Moderski wurde aller-

dings von zwei Schüssen amOberarm und in den Oberkörperverletzt und musste sofort insKrankenhaus gebracht werden.Eine Lebensgefahr besteht nicht.Außerdem wurden ein Kamera-mann und ein Beleuchtungs-techniker leicht verletzt.

An Kameras entstand im Stu-dio außerdem ein Sachschadenvon einigen tausend Euro. DieAmokläuferin konnte nur schwerüberwältigt werden und befindetsich derzeit in nervenärztlicherBetreuung. Über ihre Motive

Page 27: Lesen in der Schule - Gesamtverzeichnis · Jonas 7 ist ein Duplik und lebt in einem Hort, abgeschottet von der Welt. Er muss nichts anderes tun als auf seine Gesundheit zu achten.

5: Ein weiteres SchlusskapitelJonas Helcken war verzweifelt! Wenn sein Bruder nun wirklichals allgemeiner Organspender getötet würde! Aber jetzt konnte ernichts mehr tun. Die Politiker würden jetzt über das Schicksalvon Jonas und das der anderen Dupliks entscheiden.

Als Jonas 7 nach seinem Interview das Studio verließ, wartetenschon unzählige Reporter auf ihn und Ilka.

Sie mussten Interviews geben und wurden für weitere Sendun-gen ins Fernsehen eingeladen. Politiker begannen tagelang da-rüber zu beraten, was mit den Dupliks geschehen sollte.

Schließlich sollte es nach einem Beschluss des großen Rates zueiner allgemeinen Volksabstimmung kommen.

Auch Jonas Helcken ging am nächsten Tag nervös zur Wahl.Natürlich wählte er »Freiheit für alle Dupliks«.Nach einigen Stunden wurde das Wahlergebnis per TV durch-

gegeben: Ängstlich, nervös und zugleich sehr gespannt setzteJonas sich vor sein TV-Gerät.

Er sprang auf und war außer sich, als er das Ergebnis hörte!Alle Dupliks sollten frei werden und in der Welt der Menschen

weiterleben. Viele Leute wollten sogar einen Duplik in ihr Hausaufnehmen. Das Gespräch mit Jochen Müller hatte viele Men-schen bewegt . . .

Jonas 7 war gespannt auf Tim, Martin, Jan und Hannes: Erwürde sie jetzt alle wieder sehen! Das hätte er sich nie träumenlassen. Er sollte zu den Dupliks in den Hort gehen und ihnenalles, was er erfahren hatte, erzählen. Ein bisschen hatte er Angstvor der Begegnung. Sie dachten ja alle, er wäre tot.

26

besteht keine Gewissheit, dochlässt sich ein Zusammenhang mitder Anti-Duplik Kampagne ver-muten, die derzeit das Parlamentbeschäftigt und möglicherweisezu einer Änderung der gesetzli-chen Grundlagen führen wird.

Auch Ilka H. und DuplikJonas wurden zunächst festge-nommen, gegen Frau H. schwebtnoch ein laufendes Verfahrenwegen Diebstahls bzw. Entfüh-rung.

(Franz Dreßl)

Page 28: Lesen in der Schule - Gesamtverzeichnis · Jonas 7 ist ein Duplik und lebt in einem Hort, abgeschottet von der Welt. Er muss nichts anderes tun als auf seine Gesundheit zu achten.

Aber er musste es einfach schaffen. Eine Krankenschwesterbrachte Jonas 7 in den Hort. Jonas Helcken und Ilka begleitetenihn.

Alle Dupliks waren bereits in der großen Halle versammelt, eswar angekündigt worden, man müsse ihnen etwas Wichtigessagen. Als Jonas 7, Jonas und Ilka auf die Bühne kamen, schrienein paar Dupliks vor Entsetzen und Überraschung, aus Verblüf-fung oder vor Freude laut auf! Als Jonas 7 anfing zu sprechen,wurde es dann totenstill im Saal. Er begann allen zu erzählen,was er erlebt und dazugelernt hatte. Von da an, als er ins Kran-kenhaus gemusst hatte, weil er angeblich Fraß hatte, bis jetzt,zum Wiedersehen.

Immer wieder erzählte Jonas, wie die Menschen in ihrer Weltlebten. Manche der Dupliks waren erbost, als sie erfuhren, alswas man sie gebraucht hatte . . .

Manche freuten sich darauf, in die Menschenwelt zu kommen,manche hatten Angst davor. Andere waren einfach nur sprachlosoder entkräftet angesichts des vielen Neuen, was sie soebenerfahren hatten.

Schon übermorgen sollten sie in eine neue Welt umziehen.Wahnsinn! Unvorstellbar war das für viele Dupliks!

Alle aber freuten sich, dass Jonas 7 wieder da war, und nahmenauch Jonas Helcken und Ilka begeistert auf. Aber vier Dupliksfreuten sich am meisten über Jonas 7, so dass sie seine Rede garnicht richtig mitbekamen: Martin, Tim, Jan und Hannes . . . Siestürmten nach der Rede zu ihm, umarmten ihn und Jan musstesogar ein paar Tränen der Freude des Wiedersehens vergießen.Die Dupliks zogen wirklich in die Menschenwelt. Jonas 7 zogmit Jan, Tim, Martin und Hannes in ein großes Haus neben JonasHelcken und Ilka. Die anderen Dupliks, auch die Duplikfrauen,die ebenfalls befreit wurden, zogen entweder mit ihrem Kleeblattoder mit anderen Menschen oder Dupliks zusammen.

Die meisten begannen sich bald in der Menschenwelt wohl zufühlen. Andere erst nach einiger Zeit der Umgewöhnung.

In Zukunft durften keine neuen Dupliks mehr geschaffen wer-den. (Anna Kern)

27