LESEPROBE - Academy of Sports - Bildung schafft …€¦ · 2.3 Diabetes mellitus Ursachen, ......

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Diabetesberatung

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Kapitel 2 – Medizinische Grundlagen

2.1 Spezielle Anatomie und Physiologie

2.1.1 Die Bauchspeicheldrüse

2.1.2 Die Nebennieren

2.2 Diabetesarten

2.2.1 Typ-I-Diabetes mellitus

2.2.2 Typ-II-Diabetes mellitus

2.2.3 Diabetes in der Schwangerschaft

2.2.4 Gestationsdiabetes

2.3 Diabetes mellitus Ursachen, Folgen und Komplikationen

2.3.1 Ursachen für einen sekundären Diabetes mellitus

2.3.2 Folgeerkrankungen eines Diabetes mellitus

2.3.3 Komplikationen

2.4 Metabolisches Syndrom

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Lernorientierung

Sie werden nach Bearbeitung dieses Kapitels:

anatomische und physiologische Grundlagen zum Ver-ständnis des Diabetes überblicken,

die verschiedenen Diabetesarten, die Ursachen, Folgen und mögliche Komplikationen kennen und voneinander abgrenzen können,

das metabolische Syndrom und seine Definition, sowie die Grundlagen der Therapie kennen und verstehen.

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Diabetes mellitus ist eine Stoffwechselerkrankung der Bauchspeichel-drüse (Pankreas). Im Groben können zwei Arten der Erkrankung un-terschieden werden:

Es kann kein oder nur unzureichend eigenes Insulin gebildet werden oder

Das Insulin wird nicht richtig freigesetzt und kann aufgrund von Zellstörungen nicht richtig wirken.

2.1 Spezielle Anatomie und Physiologie

2.1.1 Die Bauchspeicheldrüse

2.1.1.1 Aufbau und Lage

Die Bauchspeicheldrüse (Pankreas) liegt hinter dem Magen in Höhe des zweiten Lendenwirbels und hat die Form eines quergestellten Keils. Mit dem Pankreaskopf liegt sie in der C-förmigen Schleife des Dünndarms, genauer gesagt des Zwölffingerdarms (Duodenum), und reicht mit dem Pankreaskörper und dem Pankreasschwanz bis unmit-telbar an den Milzhilus (Gefäßstiel der Milz) im linken Oberbauch(siehe Abbildung 1).

Ihr ca. 2 mm dicker Ausführgang (Pankreasgang) durchzieht die Drüse in ihrer gesamten Länge und mündet mit dem Gallengang in den ab-steigenden Teil des Zwölffingerdarms.

Abbildung 1 – Die Bauchspeicheldrüse (Pankreas)(Quelle: eesom.com)Lese

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Das Pankreas ist eine Drüse mit sowohl endokriner als auch exokriner Funktion. Die exokrine Funktion ist die Produktion von Verdauungs-enzymen wie beispielsweise der Pankreaslipase, die endokrine Funk-tion ist die Produktion von Hormonen, beispielsweise Insulin.

Im Pankreas existieren ca. 1-2 Millionen Langerhans-Inseln. Diese runden/ovalen, Drüsenzellen, welche von zahlreichen Blutkapillaren umgeben sind, gehören zum endokrinen Teil des Pankreas.

Die Langerhans-Inseln werden wie folgt unterteilt: A-Zellen (25 %) B-Zellen (60 %) D-Zellen (15 %)

2.1.1.2 Funktion

Die Bauchspeicheldrüse ist die wichtigste Verdauungsdrüse und pro-duziert als exokrine Drüse ca. 2 l Pankreassaft am Tag. Dieser Saft zeichnet sich durch seinen hohen Bikarbonatgehalt (HCO3- Ionen) aus, und hat die Aufgabe, den sauren Speisebrei, der aus dem Magen in den Zwölffingerdarm gelangt, zu neutralisieren.

Die Bauchspeicheldrüse enthält zahlreiche Enzyme für die Fett- (Lip-ase), Eiweiß- (Protease) und Kohlenhydratverdauung (Amylase). Diese Enzyme werden in inaktiver Form in den Zwölffingerdarm abge-geben, wo sie anschließend aktiviert werden. Die für die Verdauung unentbehrlichen Enzyme haben alle ein pH-Optimum von 7-8.

Der endokrine Anteil (die Langerhans-Inseln) ist an der Regulierung des Blutzuckerspiegels beteiligt. So produzieren

die B (β)-Zellen Insulin, die A (α)-Zellen Glucagon und die D (δ)-Zellen Somatostatin.

Insulin und Glucagon wirken gegensätzlich und besitzen die Schlüs-selfunktion in der Regulation des Blutzuckerspiegels. Somatostatin hemmt die Freisetzung sowohl des Insulins als auch des Glucagons und verhindert damit die Nutzung der aus dem Darmtrakt aufgenom-menen Nahrungsstoffe.

2.1.1.3 Das Insulin

Insulin löst die Speicherung aufgenommener Nährstoffe in Form von Glykogen und Fett aus und führt damit zu einer Senkung des Blutzu-ckerspiegels. Bildlich gesprochen sorgt das Insulin dafür, dass der sich im Blut befindende Zucker dort entfernt und in Zellen eingelagert wird. Le

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Außerdem fördert Insulin die Glykogensynthese in der Leber und er-leichtert damit die Aufnahme des Blutzuckers in die Zelle. Insulin ist ein Peptid (Eiweiß) mit 51 Aminosäuren.

Insulin wird über die Vorstufe Prä-Proinsulin aus Proinsulin (84 Ami-nosäuren) durch Abspaltung eines sogenannten connecting Peptides (C-Peptid) gebildet. Insulin besteht aus zwei Peptidketten (A-Kette mit 21 und B-Kette mit 30 Aminosäuren), die über Disulfidbrücken (Schwefelbrücken) miteinander verbunden sind (siehe Abbildung 2).

Abbildung 2 – Aufbau des Insulins (Quelle: pharmawiki.ch)

Aufgrund dieser Tatsache wird Insulin auch gespritzt und nicht über Tabletten aufgenommen. Eine orale Aufnahme von Insulin würde des-sen Wirkung verhindern, da es im Verdauungssystem sofort abgebaut würde.

Die blutzuckersenkende Wirkung wird durch eine Speicherung von Glucose in der Leber sowie die damit verbundene Induzierung von En-zymen erreicht, die die Glykolyse (Glucoseabbau) und die Glykogeno-lyse (Glykogenabbau) fördern. Gleichzeitig werden die Enzyme ge-hemmt, die für die Mechanismen der Gluconeogenese (Glucoseauf-bau aus Nicht-Kohlenhydratvorstufen) verantwortlich sind. Neben die-sen Mechanismen wirkt Insulin auch anabol (aufbauend), weshalb es auch als Masthormon bezeichnet wird.

Etwa 2/3 der postprandial im Darm aufgenommenen Glucosepartikel werden so zwischengespeichert, um in interdigestiven Phasen (durch Glucagon) wieder mobilisiert zu werden.

Ein Übermaß an Insulin führt zur Hypoglykämie (zu niedriger Blutzu-ckerspiegel, siehe Kapitel 3.3.1), was bei einem Blutzuckerspiegelkleiner als ca. 2 mmol/l zu Energiesubstratmangel im Gehirn führt undeinen hypoglykämischen Schock (schneller Herzschlag, beschleu-nigte Atmung, Heißhunger) zur Folge haben kann.Lese

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Eine übermäßige Kohlenhydratzufuhr überfordert die Glykogen-spei-cherkapazität, so dass die Leber in diesem Fall Glucose auch zu Fett-säuren umbaut, die ins Fettgewebe transportiert und in Form von Tri-acylglycerinen gespeichert werden.

2.1.1.4 Glucagon

Glucagon mobilisiert die Energiereserven während Hungerphasen o-der Stresssituationen.

In solchen Situationen werden die Hormone Adrenalin und Noradre-nalin aus der Nebenniere ausgestoßen. Sie versetzen den Körper quasi in Alarmbereitschaft. Die dabei mobilisierten Energiereserven dienen der schnellen Versorgung mit Energie. Unter der Wirkung von Glucagon wird Glykogen in der Leber zu Glucose abgebaut und somit der Blutzuckerspiegel (Blutglucosespiegel) erhöht.

Beide Hormone kontrollieren somit die Blutglucosekonzentration und halten sie möglichst konstant bei einem Wert von 60-100 mg Glu-cose/100 ml Blut.

Bei einer Unterfunktion der Insulin produzierenden Zellen (B-Zellen)oder einer verschlechterten Insulinsensitivität spricht man von Diabe-tes mellitus.

2.1.2 Die Nebennieren

2.1.2.1 Aufbau und Lage

Kappenartig auf den Polen der Nieren sitzen die jeweils etwa 10 g schweren Nebennieren. Sie sind von der Fettkapsel der Nieren einge-schlossen und zeichnen sich durch eine starke Versorgung mit Blut-gefäßen und Nervensträngen aus. Man kann die Nebennieren unter-teilen in Rinde (Cortex), ca. 80 % des Organs, und Mark (Medulla)(siehe Abbildung 3). Beide haben unterschiedliche Funktionen und sind als endokrines Organ tätig.

Abbildung 3 – Niere und Nebenniere mit Rinde (Cortex) und Mark (Medulla)(Quelle: biokurs.de)

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2.1.2.2 Funktion

Das Nebennierenmark bildet hauptsächlich die beiden Hormone Ad-renalin und Noradrenalin und wird durch das sympathische Nerven-system gesteuert. Die Ausschüttung dieser beiden Hormone in die Blutbahn erfolgt unter Stresseinfluss und wirkt auf den gesamten Or-ganismus im Sinne einer erhöhten Energiebereitstellung. Dies führt u. a. zu einer Steigerung des Blutzuckerspiegels durch Freisetzung von Glucose aus dem Glykogenspeicher der Leber. Außerdem aktvieren sie auch noch die Fettsäurefreisetzung aus den Fettdepots sowie eine Erhöhung des Blutdrucks und des Herzschlagvolumens und führen zu einer Blutgefäßverengung.

Diese Tatsache war für unsere Vorfahren von größter Bedeutung, da bei einem plötzlichen Auftauchen eines Raubtiers schnell gehandelt und gerannt werden musste. Hier war eine erhöhte Energiebereitstel-lung wünschenswert. Heute, da uns nur selten Raubtiere über den Weg laufen und meistens der Chef den Adrenalinspiegel erhöht, ist diese Tatsache oft die Ursache für Bluthochdruck und infolgedessenauch von Herz- bzw. Hirninfarkt. Adrenalin wird auch bei psychischerErregung ausgeschüttet.

Aus der Nebennierenrinde wurden bis heute mehrere hundert Hor-mone isoliert. Die gebildeten Hormone gehören chemisch zu der Gruppe der Steroidhormone. Darüber hinaus ist die Nebennierenrinde am Wasser-, Mineralstoff- und Zuckerhaushalt beteiligt.

Es gibt sechs verschiedene Steroidhormongruppen:

GlucocorticoideSie wirken auf den Kohlenhydratstoffwechsel und erhöhen den Blutzucker, indem sie den Abbau von Glykogen fördern. Sie sind daher Gegenspieler des Insulins. Glucocorticoide wirken stark entzündungshemmend und werden in der Medizin daher oft verwendet. Der bekannteste und wichtigste Vertreter dieser Gruppe ist das Cortisol.

MineralcorticoideSie halten den Salz- und Wasserhaushalt des Körpers kon-stant. Der wichtigste Vertreter ist das Aldosteron.

AndrogeneMännliche Geschlechtshormone. Diese Stoffe geben dem Kör-per eine männliche Gestalt. Der bekannteste Vertreter ist das Testosteron.Lese

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ÖstrogeneWeibliche Geschlechtshormone, die für die Reifung der weibli-chen Geschlechtsorgane, die Regulation des weiblichen Zyklus und die Schwangerschaft verantwortlich sind. Bei beiden Ge-schlechtern beenden sie das Knochenwachstum. Bekanntester Vertreter ist das Östradiol.

GestageneWeibliche Geschlechtshormone, die den Zyklus regulieren und eine zentrale Rolle in der Schwangerschaft spielen. Bekanntes-ter Vertreter ist das Progesteron.

Vitamin DEs regelt den Calcium-Phosphat-Haushalt.

Die Nebennierenrinde gliedert sich funktionell in drei unterschiedliche Zonen. Alle drei Zonen bestehen aus hormonproduzierenden Zell-strängen (siehe Abbildung 4).

Abbildung 4 – Nebennierenrinde und -mark einschließlich der verschiedenen Zonen sowie der dort gebildeten Hormone(Quelle: medizinfo.de)

Äußere Zone (Zona glomerulosa) Die äußere Zone liegt unmittelbar unter der Organkapsel und produziert als wichtigstes Mineralcorticoid das Aldosteron (Stei-gerung des pH-Wertes im Blut durch Senkung der Kaliumkon-zentration sowie Beeinflussung des Wasserhaushaltes). Al-dosteron ist Teil des sogenannten Renin-Angiotensin-Aldoste-ron-Systems und reguliert darüber die Konzentration von Nat-rium und Kalium im Körper. Le

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Mittlere Zone (Zona fasciculata)Die mittlere Zone ist zugleich auch die breiteste. Sie bildet die Glucocorticoide, besonders Cortisol. Cortisol reguliert den Koh-lenhydrat-, Fett- und Eiweißstoffwechsel. Es erhöht den Blutzu-ckerspiegel, wozu es Aminosäuren aus dem Eiweißstoffwech-sel benötigt, die über bestimmte Stoffwechselwege (siehe Glu-coneogenese) schließlich zu Glucose umgebaut werden. Diese Tatsache hat eine große Bedeutung für Diabetiker.Außerdem bewirken die Glucocorticoide eine Abnahme der Lymphozytenanzahl im Blut, hemmen die Phagozytose-tätig-keit (Nahrungsaufnahme der Zellen) der Granulozyten und Mo-nozyten und wirken auf diese Weise entzündungs-hemmend, jedoch auch hemmend auf das Immunsystem.

Innere Zone (Zona reticularis)Die Innere Zone der Nebennierenrinde bildet hauptsächlich die Geschlechtshormone (Androgene, Östrogene, Gestagene). Androgene stimulieren den Proteinstoffwechsel und den Mus-kelaufbau und haben damit einen anabolen (aufbauenden) Ef-fekt. Abkömmlinge werden im Leistungssport oft als Dopingmit-tel (sog. Anabolika) eingesetzt.

2.1.2.3 Unterfunktion der Nebennierenrinde

Bei einem Ausfall der Nebennierenrinden spricht man von einer pri-mären Nebennierenrindeninsuffizienz (Morbus Addison). Innerhalb der Zona glomerulosa sind v. a. die Mineralcorticoide betroffen. Man-gel oder Störung haben zur Folge, dass der Mineralstoffwechsel und der Wasserhaushalt nicht mehr ausreichend funktionieren, mit der Folge eines erhöhten Kochsalzverlustes sowie Anstiegs des Kalium-chloridgehaltes in der Extrazellulärflüssigkeit. Dies kann zu Herzrhyth-musstörungen führen. Eine Unterfunktion der Zona fasciculata hinge-gen verursacht eine Abnahme des Blutzuckerspiegels.

2.1.2.4 Überfunktion der Nebennierenrinde

Eine anhaltende Stimulation der Nebennierenrinde, z. B. durch einen Nebennierenrindentumor, führt zu einer erhöhten Sekretion von Glu-cocorticoiden und damit zu Vollmondgesicht und vermehrter Fettein-lagerung. Ist der Androgenspiegel erhöht, kann das zur frühzeitigen Geschlechtsreife und bei einer Frau zur Vermännlichung der sekun-dären Geschlechtsmerkmale führen.

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2.2 Diabetesarten

Die Entstehung des Diabetes mellitus kann sehr unterschiedlich sein. Es werden zahlreiche Formen des Diabetes mellitus unterschieden. Die ADA (American Diabetes Association) löste 1997 die Klassifikation der WHO (World Health Organization) ab.

Das Auftreten der unterschiedlichen Diabetesarten ist sehr verschie-den. Zahlenmäßig treten die Typen I und II am meisten auf.

In den vergangenen Jahrzehnten wurden diese beiden Typen mit spe-ziellen Namensgebungen belegt.

Typ I: IDDM (insulin-dependent-diabetes mellitus) insulinabhängiger Diabetes mellitus

juveniler Diabetes

Typ II: NIDDM (non-insulin-dependent diabetes mellitus) nicht insulinabhängiger Diabetes millitus

Altersdiabetes

Diese Begriffe werden heute nicht mehr verwendet, da die klare Ein-teilung nicht mehr gegeben ist. Gerade die vermehrte Zunahme von jugendlichen Typ-II-Diabetikern ließ Zweifel an dieser Benennung auf-kommen.

Weitere Diabetes-Typen, die von der ADA eingeteilt worden sind: MODY–Diabetes (genetischer Defekt der Insulinausschüttung) Erkrankungen/Zerstörung des Pankreas als Drüse (Tumor,

Bauchspeicheldrüsenentzündung, Unfall etc.) hormonelle Störungen Gestationsdiabetes (Schwangerschaftsdiabetes, siehe Kapitel

2.2.4) chemikalien-/medikamentenbedingter Diabetes infektionsbedingter Diabetes andere genetische Erkrankungen (Down-Syndrom) → selten

Grundsätzliche können auch diese Diabetesarten in die Nicht-Syn-these von Insulin und die geringe Wirksamkeit des Insulins eingeteiltwerden.

Im Folgenden geht es um die zahlenmäßig am häufigsten vorkom-mende Arten des Diabetes, die Typen I und II.Le

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2.2.1 Typ-I-Diabetes mellitus

Als Ursache des Typ-I-Diabetes wird heute ein Zusammenhang von verschiedenen Faktoren wie Erbfaktoren, Virusinfektionen und Auto-immunerkrankungen vermutet. Die genetische Position des Defektes ist bekannt, und es gibt auch viele Menschen, die trotz Erbdefekt kei-nen Diabetes entwickeln. Es wird vermutet, dass es zu einem soge-nannten auslösenden Moment kommen muss. Dieses Moment wird häufig assoziiert mit Virusinfekten wie Masern und Mumps oder Grip-peviren. Diese Erkrankungen lösen dann die Autoimmunerkrankung aus, und es findet eine Selbstzerstörung des Körpers statt. Bei dieser Selbstzerstörung bilden sich Antikörper gegen körpereigene Substan-zen. Die Körpersubstanz, die beim Typ-I-Diabetes angegriffen wird, sind die β-Zellen der Bauchspeicheldrüse. Es gibt eine große Anzahl von Antikörpern, die diese Zerstörung hervorrufen können. Die Zerstö-rung der Zellen kann bis zu deren vollständigem Funktionsverlust füh-ren. Neben diesen Auslösern gibt es den sogenannten idiopathischen Diabetes. Bei dieser Diabetesart gibt es keine erkennbare Ursache für die Erkrankung.

Bis zur Entdeckung eines Typ-I-Diabetes verläuft die Erkrankung in verschiedenen Stadien (siehe Tabelle 1).

Stadium I genetische Prädisposition (Begünstigung)Stadium II auslösender Faktor, z. B. InfektionStadium III aktive β-Zellzerstörung und InsulinautoantikörperStadium IV Störung der Insulinausschüttung

Tabelle 1 – Stadien der Typ-I-Diabetes-entwicklung(Quelle: Schatz, 2006)

Nach ca. 80%iger Zerstörung der Zellen entstehen die typischen Symptome eines Diabetes mellitus Typ I.

Anzeichen: Polydypsie (quälender Durst) Polyurie (häufiges Wasserlassen) Gewichtsabnahme Müdigkeit Energielosigkeit

Bis zum ersten Eintreten der Symptome können Wochen, Monate o-der auch Jahre vergehen. Die Zerstörung der Zellen kann unterschied-lich schnell voranschreiten. Da dieser Typ aber sehr häufig in der Kind-heit die ersten Symptome zeigt, wurde er früher als juveniler Diabetes bezeichnet. Die Vererbung des Diabetes erfolgt zu 3-6 % durch die Eltern. Sind beide Elternteile Diabetiker, steigt das Risiko, dass das Kind einen Typ-I-Diabetes entwickelt, auf 10-25 % an. Geschwister haben ein 10%iges Risiko, an Diabetes zu erkranken, wenn Schwes-ter oder Bruder bereits Diabetes haben. Bei Zwillingen liegt die Wahr-scheinlichkeit bei 50 Prozent.Lese

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Durch die Zerstörung der Inselzellen kann kein eigenes Insulin mehr gebildet werden. Das Zuführen von außen wird ab dem ersten Tag der Entdeckung notwendig.

Die diagnostischen Kriterien sind:1. klassische Symptome des Diabetes mellitus und ein Blutzu-

ckerwert (Plasmaglucosespiegel) von ≥ 200 mg/dl (11,1 mmol/l) oder

2. Nüchtern-Plasmaglucose ≥ 126 mg/dl (7,0 mmol/l), nüchtern bedeutet: letzte Nahrungsaufnahme vor mehr als acht Stundenoder

3. 2-h-Plasmaglucose ≥ 200 mg/dl (11,1 mmol/l) im 75 mg-oGTT(oraler Glucosetoleranztest, siehe Kapitel 4.2)

Insulin wird beim Typ-I-Diabetes grundsätzlich gespritzt.Es wird in der Insulintherapie immer versucht, den Blutzucker so kon-stant wie möglich zu halten, um mit der niedrigsten möglichen Insulin-gabe auszukommen.

Scannen Sie diesen QR-Code ab und sehen Sie sich das Lehrvideo zu dem Thema Diabetes mellitus Typ Ian.

Alternativ finden Sie das Lehrvideo im Online Campusin der Lerngruppe dieses Lehrgangs.

2.2.2 Typ-II-Diabetes mellitus

Der Typ-II-Diabetes ist gekennzeichnet durch Insulinsekretionsstö-rung (Ausschüttungsstörung) und Insulinresistenz.

Einem Typ-II-Diabetes gehen lange Jahre mit Störungen im Glucose-stoffwechsel voraus. Man geht davon aus, dass bis zu zwölf Jahre vor der Feststellung der Erkrankung bereits eine gestörte Glucosetoleranz auftritt. Gefolgt wird diese von einer postprandialen Hyperglykämie(erhöhter Blutzuckerspiegel, siehe Kapitel 3.3.2). Erst nach diesen Er-eignissen wird, meist durch Zufall, ein Diabetes Typ II festgestellt.

Die Insulinsekretionsstörung wurde früher hauptsächlich bei älteren Menschen beobachtet, wodurch der Diabetes seinen früheren Namen Alterszucker bekam. Die Störung kann aber auch bei jüngeren Men-schen entstehen, besonders durch die Zunahme von Bauchfett.Die Insulinresistenz ist vor allem mit der Skelettmuskulatur assoziiert, näheres hierzu unter Insulinresistenz (siehe Kapitel 3.2).

Es ist heute unumstritten, dass der Typ-II-Diabetes eine hohe geneti-sche Komponente besitzt. Die Untersuchungen an Familien und Zwil-lingen belegen, dass die gestörte Glucosetoleranz meist erblich be-dingt ist. Dennoch muss davon ausgegangen werden, dass auch die Ernährung und vor allem Bewegungsmangel die Insulinresistenz be-einflussen.

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Die Diagnostik ist mit der des Typ-I-Diabetes identisch. Genauer wer-den hier noch der Bauchumfang und das Körpergewicht im Verhältnis zur Körpergröße (BMI) betrachtet.

Der aktuelle Blutzucker nach dem Essen kann meist schneller auf ei-nen gestörten Stoffwechsel hindeuten, als der Langzeitzucker (siehe auch Kapitel 4.1). Daneben können beim Diabetes Typ II dieselben Symptome auftreten wie für den Typ I beschrieben.

Die folgende Tabelle gibt einen genaueren Überblick über die Unter-schiede der beiden Diabetesarten (siehe Tabelle 2).

Typ 1 Typ 2Pathogenese Insulinmangel InsulinresistenzVererbung (1 Elternteil)

3-6 % 25-50 %

Körperbau meist normgewichtig übergewichtigBeginn oft rasch langsamManifestation 15.-24. Lebensjahr > 40. Lebensjahr;

zunehmend auch jüngere

Β-Zellen Schädigung auf < 10 % nur mäßigC-Peptid (s. Kapitel 4.2)

fehlt normal bis hoch

Antikörper (Inselzell (ICA), Insulin (IAA), Glutaminsäure (GADA))

+ /

Stoffwechsellage labil stabilKetoseneigung stark gering

Tabelle 2 – Unterschiede der Diabetesarten(Quelle: Schatz, 2006)

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Alternativ finden Sie das Lehrvideo im Online Campusin der Lerngruppe dieses Lehrgangs.

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