Leukämien und Lymphome nehmen EDITORIAL - dgop.org · Hodgkin Lymphoms 4 Infektionen und maligne...

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Onkologische Pharmazie | 16. Jahrgang | Nr. 3/2014 | 3 16. Jahrgang · Nr. 3/2014 Ständige Rubriken Testiertes interaktives Selbststudium 8 Impressum 15 Prüfung „PTA Onkologie (DGOP)“ bestanden 15 Kommentar des Herausgebers 17 Who is who 45 Buchbesprechung „Krebs und Homöopathie“ 54 Buchbesprechung „Das Rote Buch“ 60 EDITORIAL Inhalt Die Rolle der Strahlentherapie in der Behandlung des Hodgkin Lymphoms 4 Infektionen und maligne Lymphome – welche Zusammenhänge gibt es? 10 ECOP 2 in Krakau 18 Kompetenznetz Maligne Lymphome 20 CML Horizons 2014 22 6. NZW-Dresden 24 Antimikrobielle Aktivität von Zytostatika 50 50. ASCO-Meeting in Chicago 56 Reportage „Sport als Therapie“ 58 Eine überstandene Leukämie 62 Ein Gedankenprotokoll vom NZW-Dresden 2014 64 Leukämien und Lymphome nehmen unter den Krebserkrankungen eine Sonderstellung ein, da es sich bei ihnen um systemische Erkrankungen handelt, während solide Tumoren von einem Organ bzw. von Gewebezellen ausgehen. Leukämien und maligne Lymphome sind im Vergleich zu soliden Tumoren wie Brust-, Darm-, Lungen- und Prostatakrebs eher selten. Gleichwohl ist auch hier während der langen Behandlungsdauer die Gewährleistung einer optimalen onkologischen Versorgung über die historisch gewach- senen Grenzen zwischen ambulantem und stationärem Sektor im deutschen Gesundheitswesen hinweg wichtig. Erste Schritte in Richtung „Integrierte Versorgung“ sind getan. Vorhandene Verträge orientieren sich an der indikationsspezifischen Versorgung und erfordern einen sektorenübergreifenden Austausch sowie interdisziplinäre Kommunikation. Diese neuen Strukturen der „Integrierten Versorgung“ werden Steigerungen der Qualität und Effizienz der onkologischen Versorgung ermöglichen. Die integ- rierte Versorgung von Patienten mit malignen Lymphomen (IVML), in der sich bundesweit zahlreiche Krankenkassen, Studiengruppen, Krankenhäuser und hämato-/onkologische Schwerpunktpraxen zusammengefunden haben, ist in diesem Zusammenhang als bei- spielgebend anzusehen. Durch eine multiprofessionelle Zusammenarbeit im Interesse onko- logischer Patienten bietet eine solche „Integrierte Versorgung“ dem pharmazeutischen Berufsstand Zukunftschancen, ebenso wie die vom Vizepräsidenten der Sächsischen Landesapothekerkammer Göran Donner in seinem Grußwort zum 6.NZW-Dresden vorgestellte Arzneimittelinitiative Sachsen-Thüringen „ARMIN“. Chancen für die pharmazeutische Zukunft Zytostatika herstellender Apotheken ergeben sich aber auch aus dem fachlichen Austausch mit den Behörden der pharmazeutischen Überwachung und des Arbeitsschutzes. Dieser Austausch war beim 6.NZW-Dresden durch Kollegialität geprägt und bedarf ebenso wie das Expertenforum „Mikrobiologische Validierung in der Zytostatika-Herstellung“ einer Fortsetzung im nächsten Jahr. Lesen Sie in diesem Heft über die Diskussionen, die in zahlreichen Punkten noch nicht abschlie- ßend waren. Neben dem Bericht zum 6.NZW-Dresden finden Sie, liebe Leser, in der vorliegenden Ausgabe der „Onkologischen Pharmazie“ Beiträge zur Rolle der Strahlentherapie in der Behandlung des Hodgkin Lymphoms, zum Zusammenhang von Infektionen und malignen Lymphomen, zur antimikrobiellen Aktivität von Zytostatika und zur photodynamischen Therapie. Auch die Reportage „Sport als Therapie“, die Erfolgsgeschichte einer überstandenen Leukämie und weitere Kongressberichte tragen zur gewohnten Vielfalt dieser Zeitung mit Berichten aus Theorie und Praxis unseres Fachgebietes, der Onkologische Pharmazie, bei. Ihre Karla Domagk

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Onkologische Pharmazie | 16. Jahrgang | Nr. 3/2014 | 3

16. Jahrgang · Nr. 3/2014

Ständige Rubriken

Testiertes interaktives Selbststudium 8

Impressum 15

Prüfung „PTA Onkologie (DGOP)“ bestanden 15

Kommentar des Herausgebers 17

Who is who 45

Buchbesprechung „Krebs und Homöopathie“ 54

Buchbesprechung „Das Rote Buch“ 60

ED

ITO

RIA

L

Inhalt

Die Rolle der Strahlentherapie in der Behandlung des Hodgkin Lymphoms 4

Infektionen und maligne Lymphome – welche Zusammenhänge gibt es? 10

ECOP 2 in Krakau 18

Kompetenznetz Maligne Lymphome 20

CML Horizons 2014 22

6. NZW-Dresden 24

Antimikrobielle Aktivität von Zytostatika 50

50. ASCO-Meeting in Chicago 56

Reportage „Sport als Therapie“ 58

Eine überstandene Leukämie 62

Ein Gedankenprotokoll vom NZW-Dresden 2014 64

Leukämien und Lymphome nehmen unter den Krebserkrankungen eine Sonderstellung ein, da es sich bei ihnen um systemische Erkrankungen handelt, während solide Tumoren von einem Organ bzw. von Gewebezellen ausgehen. Leukämien und maligne

Lymphome sind im Vergleich zu soliden Tumoren wie Brust-, Darm-, Lungen- und Prostatakrebs eher selten. Gleichwohl ist auch hier während der langen Behandlungsdauer die Gewährleistung einer optimalen onkologischen Versorgung über die historisch gewach-senen Grenzen zwischen ambulantem und stationärem Sektor im deutschen Gesundheitswesen hinweg wichtig.

Erste Schritte in Richtung „Integrierte Versorgung“ sind getan. Vorhandene Verträge orientieren sich an der indikationsspezifischen Versorgung und erfordern einen sektorenübergreifenden Austausch sowie interdisziplinäre Kommunikation. Diese neuen Strukturen der „Integrierten Versorgung“ werden Steigerungen der Qualität und Effizienz der onkologischen Versorgung ermöglichen. Die integ-rierte Versorgung von Patienten mit malignen Lymphomen (IVML), in der sich bundesweit zahlreiche Krankenkassen, Studiengruppen, Krankenhäuser und hämato-/onkologische Schwerpunktpraxen zusammengefunden haben, ist in diesem Zusammenhang als bei-spielgebend anzusehen.

Durch eine multiprofessionelle Zusammenarbeit im Interesse onko-logischer Patienten bietet eine solche „Integrierte Versorgung“ dem pharmazeutischen Berufsstand Zukunfts chancen, ebenso wie die vom Vizepräsidenten der Sächsischen Landesapothekerkammer Göran Donner in seinem Grußwort zum 6.NZW-Dresden vorgestellte Arzneimittelinitiative Sachsen-Thüringen „ARMIN“.

Chancen für die pharmazeutische Zukunft Zytostatika herstellender Apotheken ergeben sich aber auch aus dem fachlichen Austausch mit den Behörden der pharmazeutischen Überwachung und des Arbeitsschutzes. Dieser Austausch war beim 6.NZW-Dresden durch Kollegialität geprägt und bedarf ebenso wie das Expertenforum „Mikrobiologische Validierung in der Zytostatika-Herstellung“ einer Fortsetzung im nächsten Jahr. Lesen Sie in diesem Heft über die Diskussionen, die in zahlreichen Punkten noch nicht abschlie-ßend waren.

Neben dem Bericht zum 6.NZW-Dresden finden Sie, liebe Leser, in der vorliegenden Ausgabe der „Onkologischen Pharmazie“ Beiträge zur Rolle der Strahlentherapie in der Behandlung des Hodgkin Lymphoms, zum Zusammenhang von Infektionen und malignen Lymphomen, zur antimikrobiellen Aktivität von Zytostatika und zur photodynamischen Therapie. Auch die Reportage „Sport als Therapie“, die Erfolgsgeschichte einer überstandenen Leukämie und weitere Kongressberichte tragen zur gewohnten Vielfalt dieser Zeitung mit Berichten aus Theorie und Praxis unseres Fachgebietes, der Onkologische Pharmazie, bei.

Ihre Karla Domagk

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4 | Onkologische Pharmazie | 16. Jahrgang | Nr. 3/2014

Die Rolle der Strahlentherapie in der Behandlung des Hodgkin Lymphoms

4 | Onkologische Pharmazie | 15. Jahrgang | Nr. 3/2013

Die Rolle der Strahlentherapie in der Behandlung des Hodgkin Lymphoms

Von Jan Kriz und Hans-Theodor Eich, Münster

EinleitungIn den letzten vierzig Jahren hat die Therapie des Hodgkin-Lymphoms wesentliche Veränderungen erfahren. Fortschritte sind nicht nur beim Staging, durch die Weiterentwicklung diagnostischer Techniken sowie die signifikante Verbesserung strahlentherapeutischer Techniken erzielt worden, sondern auch durch neue Erkenntnisse in den Dosiswirkungsbeziehungen bei der Behandlung von malignen Lymphomen. Hierdurch sind die Überlebensraten von Patienten mit Hodgkin-Lymphom deutlich gestiegen. Die Stadieneinteilung erfolgt gemäß der Ann Arbor Klassifikation (Abb. 1).Aktuell besteht die Standard-Therapie für Patienten in frühen günstigen und frühen ungünstigen Stadien aus einer Polychemotherapie gefolgt von einer konsolidierenden Radiotherapie. Hiermit können Langzeitüberlebensraten von über 80% erzielt werden (7).

Das Hodgkin-Lymphom ist sehr strahlen-sensibel und Patienten in den Stadien I und II können durch eine alleinige Extended-Field (EF) Radiotherapie in 90 –100% eine kom-plette Remission erreichen. Da jedoch nach alleiniger Radiotherapie ge häuft Rezi dive beobachtet wurden, ist die Kombinations-therapie bestehend aus einer Chemotherapie

gefolgt von konsolidierender Radiatio, ein-geführt worden.

In deutschsprachigem Raum werden Patien-ten mit Hodgkin-Lymphom überwiegend in den Studien der German Hodgkin Study Group (GHSG) behandelt. Seit Ende der 70er Jahre sind bis heute über

17.000 Patienten in die entsprechenden Therapieprotokolle randomisiert worden.

In der HD8 Studie der GHSG konnte der Stellenwert der Involved-Field (IF) Radio therapie im Gegensatz zur Exten-ded-Field Radiotherapie etabliert wer-den. Hiermit konnte eine signifikante Reduktion der Radiotherapie-Volumina und somit eine Verminderung der Dosis an den Normalgeweben mit einhergehender Reduktion der therapieassoziierten Toxizi-täten erreicht werden (4, 8, 14).

Aktuell stellt die Kombination aus einer Chemotherapie gefolgt von einer Involved Field-Radiotherapie den Standard dar (4, 9, 21). Eine weitere Reduktion der Bestrahlungs-Volumina und somit der Toxizitäten wird mit Einführung der Involved Node (INRT) und der durch die International Lymphoma Radiation Oncology Group (ILROG) neu definierten Involved Site (ISRT) erreicht werden (24).

Frühe Stadien

Die Standardtherapie für Patienten in frühen günstigen Stadien bestand früher aus einer alleinigen Radiatio. Mit Großfeldtechniken wie einer total nodalen Bestrahlung oder der Extended-Field-Bestrahlung konnten gute Remissionen erreicht werden. Jedoch traten nach alleiniger Bestrahlung in bis zu 30% Rezidive auf.

In der HD7 Studie der GHSG wurde erst-mals der Stellenwert einer kombinierten Therapie bestehend aus einer systemischen Polychemotherapie gefolgt von einer kon-solidierenden Radiatio geprüft. Patienten in frühen Stadien erhielten zunächst 2 Zyklen ABVD gefolgt von einer Extended-Field-Radiotherapie mit 30Gy + 10Gy im Bereich

Abb. 1: Erhebungsbogen der GHSG; Dokumentation des individuellen Befallsmusters

Nodal involvement

Right

1 Waldeyers ring3 Upper cervical5 cervical7a supraclavicular7b infraclavicular9 axillary11a Upper mediastinum12 lung hilum17a liver hilum17b coeliacal18 mesenterial22 iliacal24 inguinal

Left

2 Waldeyers ring4 upper cervical6 cervical8a supraclavicular8b infraclavicular10 axillary11b lower mediastinum13 lung hilum19 spleen20 splenic hilum21 paraaortal23 iliacal25 inguinal

15 lung right16 Liver26 skeleton27 bone marrow

Organ involvement 14 lung left28 pleura29 pericardium30 other

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Onkologische Pharmazie | 16. Jahrgang | Nr. 3/2014 | 5

Die Rolle der Strahlentherapie in der Behandlung des Hodgkin Lymphoms

Onkologische Pharmazie | 15. Jahrgang | Nr. 3/2013 | 5

eines Involved Fields. Durch den Einsatz einer vorgeschalteten Chemotherapie konn-ten die Rezidiv-Raten deutlich gesenkt wer-den (11). Auch in den Studien der EORTC H7F (22) und H8F (18) konnten ähnliche Ergebnisse erzielt werden, so dass hiermit die Kombinationstherapie für Patienten in frühen günstigen Stadien etabliert werden konnte.

In der darauffolgenden Studiengeneration und der HD10 Studie der GSHG wurde ein neuer internationaler Standard in der Behandlung von Patienten mit Hodgkin-Lymphomen in frühen günstigen Stadien etabliert: Eine Therapie mit 2 Zyklen ABVD gefolgt von lediglich 20Gy im Involved Field ist ausreichend (5).

In der aktuell rekrutierenden HD16 Studie wird randomisiert der Stellenwert der Positronen-Emissions-Tomographie (PET) zur Therapiestratifizierung geprüft. Patienten die nach 2 Zyklen ABVD ein PET-negatives Ergebnis haben, werden lediglich nachge-sorgt und es wird auf eine konsolidierende Radiatio verzichtet.

Auch in der H10F Studie der EORTC wird ein ähnliches Therapie-Stratifi-zierungs vorgehen geprüft. Im Unterschied zur HD16 Studie der GHSG wird hier jedoch eine intensivere Chemotherapie mit 3 Zyklen ABVD appliziert und die Bestrahlungsdosis beträgt 30 – 36Gy als Involved Node-Radiotherapie. Im experi-mentellen Therapiearm erhalten Patienten, die nach 2 Zyklen ABVD PET-negativ sind, lediglich 2 weitere Zyklen ABVD und es wird auf eine additive Radiotherapie ver-zichtet. PET-positive Patienten erhalten 2 Zyklen BEACOPP eskaliert und eine Involved Node-Radiotherapie mit 30 bis 36 Gy. Aufgrund vermehrter Ereignisse

Verfahren Bestrahlung von

Extended-Field Radiotherapie (EFRT) Großfeldern unter Einschluss der Lymphknoten und aller angrenzenden Lymphknotenregionen

Involved-Field Radiotherapie (IFRT) befallenen Lymphkonten und benachbarten Lymphknotenstationen

Involved-Node Radiotherapie (INRT) initial als befallen gewerteten Lymphknoten

Involved Site Radiotherapie (ISRT) initial als befallen gewerteten Lymphknoten mit etwas größeren Sicherheitssäumen als die INRT (= modifizierte Involved Node-Radiotherapie)

im Nicht-Radiotherapiearm wurden diese Therapiearme vorzeitig geschlossen.

Frühe ungünstige Stadien

Auch für Patienten in frühen ungünsti-gen Stadien besteht die Standardtherapie aus der Kombination einer Chemotherapie gefolgt von einer konsolidierenden Radiatio mit 30 Gy im Involved Field. Sowohl in den Therapieprotokollen der EORTC (15, 22) als auch der GHSG (14) konnte gezeigt werden, dass die Kombinationstherapie einer alleinigen Großfeld-Radiotherapie oder lediglich meh-reren Chemotherapie-Zyklen überlegen ist.

Die HD11 Studie der GHSG ver-glich randomisiert 4 Zyklen ABVD vs 4 Zyklen BEACOPP basis gefolgt von einer Radiotherapie mit 20 vs. 30Gy im Involved Field. In der Nachfolge-Studie HD14 wurde eine Modifikation der Chemotherapie-Regime vorgenommen. Patienten, die in den experimentellen Therapiearm randomi-siert wurden, erhalten 2 Zyklen BEACOPP eskaliert gefolgt von 2 Zyklen ABVD und einer Involved Field Radiotherapie mit 30Gy. Patienten im Standard-Arm erhalten 4 Zyklen ABVD gefolgt von einer Involved Field Radiotherapie mit 30 Gy. In der Zwischenauswertung zeigte sich trotz sig-nifikanter Erhöhungen von Akuttoxizitäten ein Vorteil für die Kombination aus 2 Zyklen BEACOPP eskaliert gefolgt von 2 Zyklen ABVD.

Der aktuelle Standard für Patienten in frü-hen ungünstigen Stadien besteht daher aus einer Kombinationstherapie mit 2 Zyklen BEACOPP eskaliert gefolgt von 2 Zyklen ABVD und einer konsolidierenden Radiatio im Involved Field mit 30Gy (5). In der aktu-

ell rekrutierenden HD17 Studie wird eben-falls das PET zur Therapiestratifizierung eingesetzt. Patienten die nach 2 Zyklen BEACOPP eskaliert gefolgt von 2 Zyklen ABVD PET-negativ sind, erhalten im Standardtherapiearm eine konsolidierende Radiatio mit 30Gy. Hier erfolgt hinsicht-lich der Radiotherapie eine Randomisierung zwischen Involved Field und einer Involved Node-Radiotherapie und im Prüfarm wer-den lediglich Patienten mit PET-positiven Ergebnis bestrahlt.

Fortgeschrittene Stadien

Durch Einführung des MOPP- oder ABVD-Schemas konnten erstmals Patienten in fortgeschrittenen Stadien längerfristige Tumorkontrollen erzielen (3).

Mit Einführung des BEACOPP eskaliert Schemas konnte eine weitere Verbesserung des Gesamtüberlebens für Patienten in die-sen Stadien erreicht werden. In der HD9 Studie der GHSG zeigte der Einsatz des BEACOPP eskaliert Schemas ein sig-nifikant verbessertes Tumorfreies- und Gesamtüberleben für Patienten, die mit 8 Zyklen BEACOPP eskaliert behandelt wurden (2). Auch die Auswertung nach 10  Jahren belegt die Daten (10), so dass der Standard für Patienten in fortgeschrittenen Stadien aus 8 Zyklen BEACOPP-eskaliert bestand. Die Endauswertung der Nachfolge-Studie HD15 konnte zeigen, dass 6 Zyklen BEACOPP eskaliert ausreichend sind (1).

Die Rolle der konsolidierenden Radiotherapie für Patienten in fortgeschrittenen Stadien wird international kontrovers diskutiert. Im Rahmen der GHSG Studie wurden initi-ale Bulk- sowie Resttumorregionen nach Chemotherapie bestrahlt.

Die HD12 prüfte die Indikation und die Effektivität einer additiven Radio thera pie nach vorausgeganger intensiver Chemo-therapie im Bereich von initialen Bulk- sowie Resttumorregionen. Die Endauswertung zeigte, dass Patienten, die einen Resttumor nach Chemotherapie aufweisen, von einer konsolidierenden Radiatio profitieren (1, 6).

In der Nachfolgestudie HD15 wur-den ledig lich Patienten mit einem PET-

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Die Rolle der Strahlentherapie in der Behandlung des Hodgkin Lymphoms

positiven Rest ≥ 2,5 cm bestrahlt (1, 12). Die Endauswertung zeigte, dass 6 Zyklen BEACOPP-eskaliert ausreichend sind und daß lediglich Patienten, die einen PET-positiven Resttumoren ≥ 2,5 cm aufweisen, eine additive Radiotherapie benötigen (12).

Auch in der aktuellen rekrutierenden HD18 Studie der GHSG wird die PET zur Therapiestratifizierung eingesetzt.

Neue Zielvolumen-Konzepte (Involved Node und Involved Site Radiotherapie)

Sowohl die Chemotherapie als auch die Radiotherapie gehen mit Spättoxizitäten wie z.B. Sekundärmalignome und kardiopulmo-nale Erkrankungen einher. Da Patienten mit Hodgkin-Lymphom Langzeitüberleber sind, kann dies zu Problemen für diese Patienten führen (21). Die aktuelle Herausforderung an die Therapie ist eine Reduzierung dieser Nebenwirkungen.

Es ist bekannt, dass Hodgkin Patienten ein erhöhtes Mortalitäts-Risiko aufgrund dieser Spättoxizitäten haben und daß dieses Risiko direkt mit dem Auftreten dieser Toxizitäten korreliert (16). Ziel sowohl der GHSG als auch der ILROG ist es, die Spättoxizitäten so weit wie möglich zu senken, ohne die sehr guten Heilungsraten zu beeinträchtigen.

Die EORTC/GELA-Lymphoma Group hat für Patienten in frühen Stadien eines Hodgkin-Lymphoms das Konzept der Involved Node-Radiotherapie erarbeitet; dies wird in der Intergroup-Study H10 eingesetzt (17). Das Konzept der Involved Node-Radiotherapie sieht vor, dass nur ini-tial befallene Lymphknoten nach vorausge-gangener Chemotherapie bestrahlt werden. Die Rationale basiert darauf, dass Rezidive

nach alleiniger Chemotherapie innerhalb ini-tial befallener Lymphknoten auftreten (4). Auch die GHSG setzt die Involved Node-Radiotherapie in der aktuell rekrutierenden HD17 Studie randomisiert ein (19).

Eine Weiterentwicklung dieses Konzeptes wurde von der ILROG beschrieben. In ihrer neu definierten Involved Site-Radiotherapie wird eine modifizierte Involved Node-Radiotherapie beschrieben. Voraussetzung für eine optimale Durchführung der Involved Node-Radiotherapie ist eine sehr gute Schnitt bildgebung, welche vor und nach Chemo therapie vorliegen muss. Da dies nicht in jedem Fall möglich ist, wurde durch die ILROG die Involved Site-Radiotherapie, welche etwas größere Sicherheitssäume als die Involved Node-Radiotherapie aufweist, etabliert.

Zusätzlich kommen heute moderne Bestrah-lungs techniken wie z.B. die intensitätsmodu-lierte Radiotherapie (IMRT) zum Einsatz, bei der die Strahlenintensität innerhalb eines Bestrahlungsfeldes moduliert werden kann und so eine optimale Schonung der Risikoorgane erlaubt (Abb. 2).

Diese modernen Zielvolumenkonzepte werden auch in den folgenden Studien-generationen eingesetzt werden.

AUTOREN:

Dr. Jan Kriz und Univ.-Prof. Dr. med. Hans-Th. Eich Klinik und Poliklinik für Strahlentherapie Universitätsklinikum MünsterAlbert-Schweitzer Campus, Geb. A1 48149 MünsterE-Mail: [email protected]

LITERATUR

1) Borchmann P, Haverkamp H, Diehl V, Cerny T, Markova J, Ho AD, et al. Eight Cycles of Escala-ted-Dose BEACOPP Compared With Four Cycles of Escalated-Dose BEACOPP Followed by Four Cycles of Baseline-Dose BEACOPP With or Without Radiotherapy in Patients With Advanced-Stage Hodgkin’s Lymphoma: Final Analysis of the HD12 Trial of the German Hodgkin Study Group. J Clin Oncol. 2010; 29: 4234-42.

2) Diehl V, Franklin J, Pfreundschuh M et al. Standard and increased-dose BEACOPP chemotherapy com-pared with COPP-ABVD for advanced Hodgkin’s disease. N Engl J Med 12(24) 348:2386-2395, 2003

3) Diehl V, Re D, Harris NL et al. Hodgkin Lymphoma. In: de Vita V, Cancer Principles & Practice of On-cology, Vol 2, Lymphomas, Sec 5:2167-2213, 2008

4) Dühmke E, Franklin J, Pfreundschuh M, et al (2001) Low-dose radiation is sufficient for the nonin-volved extended field treatment in favourable early-stage Hodgkin’s disease: long-term results of a randomized trial of radiotherapy alone. J Clin Oncol 19(11):2905-14

5) Eich HT, Diehl V, Goergen H, et al Intensified che-motherapy and dose-reduced involved field radio-therapy in patients with early unfavorable Hodgkin lymphoma: Final analysis of the German Hodgkin Study Group (GHSG) HD11 trial. J Clin Oncol 2010 Aug 16. [Epub ahead of print]

6) Eich HT, Gossmann A, Engert A, et al German Hod-gkin Study Group. A Contribution to solve the problem of the need for consolidative radiothe-rapy after intensive chemotherapy in advanced stages of Hodgkin’s lymphoma--analysis of a qua-lity control program initiated by the radiotherapy reference center of the German Hodgkin Study Group (GHSG). Int J Radiat Oncol Biol Phys 2007 15 ; 69 (4):1187-92.

Abb. 2: Dosisverteilung einer IMRT bei einem parakardialen Lymphombefall

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Onkologische Pharmazie | 16. Jahrgang | Nr. 3/2014 | 7

Die Rolle der Strahlentherapie in der Behandlung des Hodgkin Lymphoms

7) Eich HT, Hansemann K, Müller R-P (2005) Behand-lung früher Stadien des Hodgkin-Lymphoms unter dem Aspekt der Qualitätssicherung. Onkologe 11:924-932

8) Eich HT, Haverkamp U, Engert A, et al (2005) Bio-physical analysis of the acute toxicity of radio-therapy in Hodgkin’s Lymphoma – a comparison between extended field and involved field radio-therapy based on the data of the German Hodgkin Study Group (GHSG). Int J Radiat Oncol Biol Phys 63(3):860-865

9) Eich HT, Müller R-P, Engert A, et al (2005) Com-parison of 30 Gy versus 20 Gy involved field ra-diotherapy after two versus four cycles ABVD in early stage Hodgkin’s lymphoma: interim analysis of the German Hodgkin Study Group Trial HD10. Int J Radiat Oncol Biol Phys 63 (2) (Suppl 1):1

10) Engert A, Diehl V, Franklin J, et al BEACOPPescala-ted in the treatment of patients with advan-ced-stage Hodgkin Lymphoma: 10 years follow-up of the GHSG HD9 study*. *This work is dedicated to Professor Volker Diehl. J Clin Oncol. 2009 Aug 24. [Epub ahead of print]

11) Engert A, Franklin J, Eich HT et al for the Ger-man Hodgkin’s Study Group (GHSG). Two cycles of ABVD plus Extended Field Radiotherapy is Su-perior to Radiotherapy Alone in Early-Favourable Hodgkin Lymphoma: Final Results of the GHSG HD7 Trial. J Clin Oncol 10;25(23): 3495-3502, 2007

12) Engert A, Haverkamp H, Kobe C, Markova J, Renner C, Ho A, et al. Reduced Intensity of Chemotherapy and PET-giuded Radiotherapy in patients with Advanced Stage Hodgkin lymphoma: an open-la-bel, randomised phase 3 trial. Lancet 2012 379: 1791-1799.

13) Engert A, Plütschow A, Eich HT, et al Reduced treatment intensity in patients with early stage Hodgkin lymphoma. N Engl J Med 2010 Aug 12. [Epub ahead of print].

14) Engert A, Schiller P, Josting A, et al (2003) In-volved-field radiotherapy is equally effective and less toxic compared with extended-field radiotherapy after four cycles of chemotherapy in patients with early-stage unfavourable Hod-gkin’s lymphoma: results of the HD8 trial of the German Hodgkin’s lymphoma Study Group. J Clin Oncol 21;19:3601-3608

15) Fermé C, Eghbali H, Meerwaldt J et al. Chemothe-rapy plus involved-field radiation in early-stage Hodgkin’s disease for the EORTC-GELA H8 trial. N Engl J Med 357:1916-27, 2007

16) Franklin J, Pluetschow A, Paus M, et al (2006) Second malignancy risk associated with treat-ment of Hodgkin’s lymphoma: meta-analysis of the randomised trials. Ann Oncol 17:1749-1760

17) Girinsky T, Maazen R van der, Specht L, et al (2006) Involved-node radiotherapy (INRT) in patients with early Hodgkin lymphoma: concepts and guide-lines. Radiother Oncol 79(3):270-277

18) Hagenbeek A, Eghbali H, Fermé C et al. Three cycles of MOPP/ABV (M/A) hybrid and invol-ved-field irradiation is more effective than subtotal nodal irradiation (STNI) in favourab-le supradiaphragmatic clinical stages (CS) I-II Hodgkin’s disease (HD): Preliminary results of the EORTC-GELA H8-F randomized trial in 543 patients. Blood 11:2472, 2000

19) Involved-node radiotherapy in early-stage Hod-gkin’s lymphoma. Definition and guidelines of the German Hodgkin Study Group (GHSG). Eich HT, Müller RP, Engenhart-Cabillic R, Lukas P, Schmidberger H, Staar S, Willich N; German Hodgkin Study Group. Strahlenther Onkol. 2008 Aug;184(8):406-10.

20) Kobe C, Dietlein M, Franklin J et al. Positron emis-sion tomography has a high negative predictive value for progression or early relapse for patients with residual disease after first-line chemotherapy in advanced-stage Hodgkin Lymphoma. Blood, Nov 112:3989-3994, 2008

21) Müller R-P, Eich HT (2005) Current role of radio-therapy in the treatment of Hodgkin’s disease. In: Perez CA, Brady LW, Halperin EC, Schmidt-Ullrich RK (eds.). Update Principles and Practice of Ra-diation Oncology. Lippincott Williams & Wilkins; Vol 6 Number 2:2-15

22) Noordijk EM, Carde P, Dupouy N et al. Com-bined-modality therapy for clinical stage I or II Hodgkin’s lymphoma: Long-term results of the European Organisation for Research and Treat-ment of Cancer H7 randomized controlled trials. J Clin Oncol 24:3128-3135, 2006

23) Shahidi M, Kamangari N, Ashley S, et al (2006) Site of relapse after chemotherapy alone for stage I and II Hodgkin’s disease. Radiother Oncol 78:1-5

24) Specht L, Yahalom J, Illidge T et al. Modern Ra-diotherapy for Hodgkin lymphoma – Field and Dose Guidelines from the International Lymphoma Radiation Oncology Group (ILROG). Int J Radiat Oncol Biol Phys 2013; epub ahead

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8 | Onkologische Pharmazie | 16. Jahrgang | Nr. 3/2014

Die Rolle der Strahlentherapie in der Behandlung des Hodgkin Lymphoms

Fragen für das testierte interaktive Selbststudium DGOP 3/2014

Nach der Beantwortung der Fragen zu vorangegangenem Artikel in der „Onkologischen Pharmazie“ und der Ergänzung der erforder-lichen Angaben können Sie den gekennzeichneten Bereich der Zeitung ausschneiden oder kopieren und an nachfolgende Fax-Nummer der DGOP faxen. Auch mehrere Antworten können richtig sein. Beim Selbststudium wünschen wir viel Erfolg!Per Fax: +49-40-79 14 03 02

Ich versichere hiermit, dass ich den o.g. Artikel gelesen und die Fragen persönlich beantwortet habe. Zum Zweck der Erreichung von Fortbildungspunkten für „Testiertes interaktives Selbststudium DGOP“ bitte ich um die Registrierung meiner Zusendung bei der DGOP und die Übermittlung der erreichten Punktzahl.

Unterschrift:Datum:

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Vorname:

Testiertes interaktives Selbststudium – DGOP 2014

Die Rolle der Strahlentherapie in der Behandlungdes Hodgkin Lymphoms(Onkologische Pharmazie Nr. 3/2014)

Meine Antwort (X) lautet bei:

Frage 1: a b c d

Frage 2: a b c d

Frage 3: a b c d

Frage 4: a b c d

Frage 5: a b c d

1. Bei der Behandlung des Hodgkin Lymphoms wird eine Reduk-tion der Bestrahlungs-Volumina und somit der Toxizitäten erreicht durch

a) Involved-Field (IF) Radiotherapieb) Extended-Field (EF) Radiotherapie c) Interstitielle Brachytherapied) Involved-Node (IN) Radiotherapie

2. Der neue internationale Standard in der Behandlung von Pa-tienten mit Hodgkin-Lymphomen in frühen günstigen Stadien

a) 2 Zyklen PEB gefolgt von 20Gy im Involved Fieldb) 2 Zyklen ABVD gefolgt von 20Gy im Involved Field c) 2 Zyklen BEACOPP gefolgt von 70Gy im Extended Fieldd) 6 Zyklen ABVD gefolgt von 20Gy im Involved Field

3. Der aktuelle Standard für Hodgkin-Lymphom-Patienten in frühen ungünstigen Stadien besteht aus einer Kombinati-onstherapie mit

a) 2 Zyklen BEACOPP eskaliert gefolgt von 2 Zyklen ABVD und einer konsolidierenden Radiatio im Involved Field mit 30Gy

b) 6 Zyklen BEACOPP eskaliert gefolgt von 2 Zyklen ABVD und einer konsolidierenden Radiatio im Involved Field mit 30Gy

c) 2 Zyklen PEB eskaliert gefolgt von einer konsolidierenden Radiatio im Involved Field mit 30Gy

d) 2 Zyklen BEACOPP eskaliert gefolgt von einer konsolidieren-den Radiatio im Involved Field mit 30Gy

4. Für Hodgkin-Lymphom-Patienten in fortgeschrittenen Sta-dien wurde ein signifikant verbessertes Tumorfreies- und Gesamtüberleben erreicht mit

a) 8 Zyklen BEACOPP eskaliert b) 2 Zyklen BEACOPP eskaliertc) 2 Zyklen ABVDd) 6 Zyklen BEACOPP eskaliert

5. Voraussetzung für eine optimale Durchführung der Involved Node-Radiotherapie ist

a) ein guter Allgemeinzustand des Patientenb) eine sehr gute Schnittbildgebung, welche vor und nach Che-

motherapie vorliegen muss c) das Vorhandensein von computergesteuerten Bestrahlungs-

blenden d) die Implantation von Hohlnadeln in das Gewebe

Richtige Antworten zum Beitrag „Medikamentöse Tumortherapie für Kopf- Hals-Karzinome“in Heft 1/2014

Frage 1: cFrage 2: b

Frage 3: b, dFrage 4: b

Frage 5: c

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10 | Onkologische Pharmazie | 16. Jahrgang | Nr. 3/2014

Infektionen und maligne Lymphome – welche Zusammenhänge gibt es?

Infektionen und maligne Lymphome – welche Zusammenhänge gibt es?

Von Jochem Potenberg und Gisela Sproßmann-Günther, Berlin

Einführung

Die Immunchemotherapie R-CHOP, eine Kombination aus dem Antikörper Rituximab und der Polychemotherapie Cyclophosphamid, Doxorubicin, Vincristin, Prednison kann als Standardtherapie des aggressiven B-Zell Lymphoms betrachtet werden. Die häufigste, bekannte unerwünschte Wirkung der Therapie ist die Neutropenie, insbesondere die febrile Neutropenie (17).

Anhaltende Entzündungen können zur Induktion maligner Lymphome führen. Der Zusammenhang zwischen der Infektion der Magenschleimhaut mit Helicobacter pylori und der Entstehung lymphatischer Neoplasien ist gesichert. Diese Neoplasien tre-ten im Magen indolent als MALT-Lymphom (MALT = mucosa associated lymphoid tis-sue) oder aggressiv als DLCBL-Lymphom (diffuse large cell B cell lymphoma) oder als Kombination beider Entitäten auf.

Der Nachweis von Rückbildungen der MALT-Lymphome des Magens nach antibiotischer Therapie des Helicobacters machte diese vor 15 Jahren experimentelle Therapie zum heutigen Therapiestandard lokal begrenzter Lymphome. Inzwischen konnte diese Wirksamkeit der antibiotischen Behandlung auf das diffus großzellige B-Zell Lymphom (DLCBL) des Magens dargestellt werden (9).

Der Antikörper Rituximab ist eine wirksame Komponente der Therapie von Lymphomen, die CD20 exprimieren. Ofatumumab und Obinutuzumab sind weitere Entwicklungen von CD20-Antikörpern (6) mit zunehmen-der klinischer Bedeutung.

Bei nicht erkannter Infektion mit dem Hepatitis B Virus (HBV) kann die Behand-lung mit Rituximab oder ähnlichen Anti-körpern schwerwiegende, manchmal töd-liche Konsequenzen haben. In den letzten Jahren neu eingeführte Virustatika können bei HBV-Infektion diese Komplikationen

verhindern und sind daher in die Onkologie einzubinden (4).

Virusinfekte und maligne Lymphome

Vor Beginn einer Therapie maligner Lym-phome wird die virale Diagnostik von HIV 1 und 2, Hepatitis B, Hepatitis C, CMV und EBV gefordert, da Virusinfekte die Ergebnisse der Behandlung maligner Lymphome beeinträchtigen können (Abb. 1). Eine Therapie mit einem CD20-Antikörper kann zu einer Reaktivierung der Hepatitis B führen. Umgekehrt kann eine nicht behan-delte Hepatitis C die Entwicklung maligner Lymphomen fördern.

Hepatitis B (HBV)

HBV gehört zur Gruppe der Hepadnaviridae und ist weltweit verbreitet. 40 % der Welt-bevölkerung haben Anti körper gegen HBV, in Deutschland sind es 7 %. Das HBV besitzt eine Doppelstrang DNA, die von dem HB core Antigen (HBc) umgeben ist. Weitere Strukturen sind das Hüllprotein HBsAG (surface Antigen) und das HBeAG (exkre-torisches Antigen). HBeAG ist während akti-ver Virusreplikation nachweisbar (Abb. 2).

Bei der Infektion wird die virale DNA in die DNA der Wirtszellen integriert. Dies erfolgt schrittweise über reverse Transskriptasen durch Umschreibung von DNA auf RNA. Durch die Integration der Virus-DNA in die des Wirtes entzieht sich der Virus der Eradikation durch die Virustatika. Die Medikamente supprimieren die virale Replikation und reduzieren die Aktivität der durch die Immunantwort des Wirtes verur-sachten Hepatitis.

Verlauf der HBV-InfektionHBV Infektionen verlaufen inapparent oder symptomatisch. Die klinischen Symptome Ikterus oder Gliederschmerzen entstehen durch die immunologische Interaktion zytotoxischer T-Zellen mit den infizierten Geweben (12). 90% der primären Infektionen mit HBV heilen aus, in 10% werden sie chro-nisch. Chronische Infektionen sind durch den Nachweis von HBsAg 6 Monate nach der Erstinfektion definiert.

Prognostisch entscheidend für die Entwick-lung von Komplikationen bei chronischer Hepatitis ist die Viruslast (> 2000 IU/ml = 104 Kopien DNA/ml). Eine hohe Viruslast korreliert mit dem Risiko der Entwicklung einer Leberzirrhose und eines hepatozel-lulären Karzinoms (HCC). Der Nachweis der viralen Strukturen und der gegen sie

Abb. 1: Wechselwirkung zwischen Lymphomen und Hepatitis.

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Onkologische Pharmazie | 16. Jahrgang | Nr. 3/2014 | 11

Infektionen und maligne Lymphome –welche Zusammenhänge gibt es?

gerichteten Antikörper sind Grundlage der Labordiagnostik.

Zur Prophylaxe der HBV Infektion steht die Impfung zur Verfügung. Bei Nachweis einer chronischen HBV Infektion wird auch eine Impfung gegen Hepatitis A empfohlen.

DiagnostikEine Hepatitis B Infektion lässt sich durch die Bestimmung von HBsAg, HBe und anti-HBc (IgM) nachweisen. Der Nachweis von Virus DNA beweist die aktive Replikation. Für Diagnostik und Therapie der HBV Infektion steht eine S3-Leitlinie zur Ver-fügung (4).

TherapieAkute Infektionen müssen nicht aktiv behandelt werden. Die Ausheilung wird serologisch festgestellt. Persistiert das Virus 6 Monate nach der Infektion, liegt entweder eine gesunde Trägerschaft des Virus (vira-ler Carrier) oder eine chronische Hepatitis vor. Zur Behandlung der chronischen HBV-Infektion gibt es Therapieoptionen (5).

Indikationen zur virustatischen Therapie sind hohe Viruslast (> 2000 IU/ml), erhöhte Transaminasen oder der Nachweis einer histologischen Leberveränderung (Fibrose, Zirrhose). Vor Einleitung der Therapie sind Laborbestimmungen hilfreich: HBV-

DNA quantitativ, AST, ALT, Bilirubin, TPZ (Quicktest).

Neben dem Status der viralen Replikation wird die Immunreaktion beurteilt (Tab. 1).

Die Tab. 1 zeigt unterschiedliche Kon stel-lationen von Virusinfektion und Immun -

ant wort auf. Asymptomatische Carrier (Träger ohne Infektion) besitzen HBsAg ohne HBeAg. Sie gelten als wenig infektiös und leiden nicht an einer Hepatitis (normale Transaminasen). Bei Immuntoleranz ist akti-ves Virus nach weisbar ohne Einsetzen einer Immunantwort. Bei aktiver Infektion sind HBV und die immunologisch verursachte

Abb. 2: Struktur des HBV: Der Kern besteht aus der DNA mit der für die Replikation erforderlichen Polymerase. Dem Kern liegt das Hepatitis core Antigen (HBcAg) an, dem sich das HBeAg und das HBsAg anschlie-ßen. Bei aktiver Replikation ist HBsAg und HBeAg sowie die Virus-DNA nachweisbar.

Tab. 1: Zusammenhang zwischen Virusinfektion und erforderlicher Behandlung

Status HBeAG HBV DNS ALT ↑ Behandlung

Immun tolerant Positiv Ja Nein Nein

Aktive Infektion Positiv/Negativ

Ja Ja Ja

Träger ohne Infektion Nein Nein Nein Nein

Reaktivierte Infektion Ja Ja Ja Ja

Tab. 2: Wirksame Medikamente zur Behandlung der Hepatitis B

Pharmakon Dosis Bemerkung

Lamivudin (Epivir) 100 mg 1x/ d preiswert

Entecavir 0,5 mg 1x/d Wirksames Nukleosid

Telbivudin (Sebivo) 600 mg 1 x d Myopathie, Schwangerschaft

Adefovir (Hepsera) 10 mg 1 x d Lamivudin Versagen

Tenofovir 300 mg 1 x d HIV-Koinfektion

Interferon alpha2b 10x106 IE sc 3/w Psychiatrische Erkrankung, Fieber Müdigkeit, DepressionPeg-Interferon 180 µg sc w für 48 Wochen

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Infektionen und maligne Lymphome –welche Zusammenhänge gibt es?

Hepatitis nachweisbar. Bei einer reaktivierten Infektion wird aus einem Virus-Träger ein an Hepatitis erkrankter Patient.

Chemotherapie, Immunsuppression oder Immunmodulation (z.B. durch TNFα bei rheumatoider Arthritis) können zu Reaktivierungen der Hepatitis B führen. Die Diagnose einer Hepatitis kann durch den Nach weis erhöhter Transaminasen (ALT, AST) gestellt werden. Das Ausmaß der Leberschädigung kann bildmorpholo-gisch (Sonographie) und durch die Histologie abgeschätzt werden. Folgende Medikamente stehen zur Behandlung der HBV Infektion zur Verfügung (Tab. 2).

Ziel der virustatischen Behandlung ist die Ver hin de rung von Komplikationen. Eine Eradi kation des Virus ist mit die-sen Pharma ka nicht möglich. Durch die Therapie kann die Entwicklung der Fibrose, der Zirrhose oder des hepatozellulären Karzinoms verhindert werden.

Therapie maligner Lymphome mit R-CHOP bei Hepatitis B InfektionDie Therapie mit 6 Zyklen R-CHOP beim diffus großzelligen B-Zell-Lymphom indu-ziert Remissionen und erreicht in lokal begrenzten Stadien häufig die Heilung. Bei einer Hepatitis B-Infektion kann nach Anwendung von CD20-Antikörpern eine Reaktivierung auftreten. Diese Reaktivierung wird auf eine Häufigkeit von 1-24% geschätzt (8). Sie kann sich von der klinisch unbe-merkten viralen Replikation bis hin zu Leberversagen manifestieren.

Diese für Rituximab gut untersuchte Reakti-vierung wird auch auf die anderen neueren Antikörper Ofatumumab und Obinutuzumab übertragen, die zunehmend zur Therapie von B-Zell Neoplasien eingesetzt werden. Unter der Therapie kommt es häufig zum klinisch unbemerkten Anstieg der Virusreplikation. Nach Beendigung der Immunchemotherapie entfällt die Suppression der Immunantwort, das Immunsystem wird zunehmend aktiv und die Reaktivierung der Hepatitis ist durch Anstieg der Transaminasen, Ikterus oder Leberversagen erkennbar.

Prophylaxe durch VirustatikaLamivudin ist zur Prophylaxe bei Nachweis einer durchgemachten HBV Infektion geeig-

net und kann tödliche Komplikationen ver-hindern. Dennoch waren unter Lamivudin reaktivierte Infektionen nachweisbar. Die Mehrheit der Patienten sind inaktive Träger (Virus-DNA negativ). Im direkten Vergleich von Lamivudin erwies sich Entecavir zur Prophylaxe als effektiver und hat Lamivudin in dieser Indikation abgelöst.

Weiterhin stellt sich die Frage, ob bei geplan-ter Immunchemotherapie und Nachweis einer durchgemachten HBV, Entecavir pro-phylaktisch oder aber erst bei Nachweis der Virusreplikation eingesetzt werden soll.

In einer Studie mit 80 Patienten mit einem Z. n. Hepatitis B und durchgeführter Therapie eines CD20+-Lymphoms wurde Entecavir entweder primär als Prophylaxe und beim Anstieg der Virusreplikation als Therapie gegeben (8). Bei 58 Patienten (72,5%) konnte HBsAg initial nachgewie-sen werden, 50 (62,5%) Patienten waren ohne DNA Nachweis des Virus (Tab. 3). Die Prophylaxe war der späteren Therapie signifikant überlegen.

Bei einem Zustand nach Hepatitis B Infektion und geplanter Immunchemotherapie ver-hindert die Prophylaxe mit Entecavir Komplikationen durch eine Reaktivierung von Hepatitis B.

Hepatitis C (HCV)

Global leiden etwa 170 Millionen Menschen an einer chronischen Hepatitis C Infektion. 3% der Weltbe völkerung sind mit dem Virus infiziert (3). 60% der Infektionen sind auf den Genotyp 1 zurückzuführen (14). Hepatitis C wird von einem RNA Virus ausgelöst. Die Übertragung erfolgt häufig parenteral (z.B. häufig durch Kanülen, seltener durch Geschlechtsverkehr). Die akute Infektion verläuft häufig inapparent. Persistiert die Infektion über 6 Monate, ist sie chronisch. Bei einem Teil der Patienten kommt es zur Ausheilung, bei einem weiteren Teil persis-tiert die Virus-Infektion.

Die chronische Hepatitis C ist Ursache für das Entstehen von Leberzirrhosen und hepa-tozellulären Karzinomen. Das Virus repliziert von RNA nach RNA ohne Umschreibung in DNA. Das bedeutet, dass es im Gegensatz zur Hepatitis B, keine latenten Manifestationen gibt, die sich dem Immunsystem entziehen könnten. HCV kodiert eine häufig fehlerhafte RNA Polymerase, die zu unterschiedlichen immunologischen Ausstattung der RNA Viren führt.

Zur Untersuchung dieses Virus wurden Zellkulturen entwickelt und virale nicht

Tab. 3: Ergebnisse der Studie mit Entecavir prophylaktisch bzw. therapeutisch [nach 8]

Endpunkt EntecavirProphylaxe(n = 41)

EntecavirTherapie(n = 39)

Statistik

Hepatitis B Reaktivierung 1 (2,4 %) 7 (17,9 %) p = 0.027

Nach 6 Monaten 0% 8 %

Nach 12 Monaten 0 % 11,2 %

Nach 18 Monaten 4,3 % 25,9 %

Tab. 4: Prävalenz von HCV von in Italien stationär aufgenommener Patienten. Die Wahr-schein lichkeit der Präsenz von HCV war bei malignen Lymphomen auf das Dreifache erhöht.

Entität Anzahl Zahl der HCV Infektionen

% mit HCV Infektion

Relative Wahrscheinlichkeit

Kontroll-Patienten 396 22 5,6% 1

Indolente Lymphome 170 27 15,9 % 2,3

Aggressive Lymphome 230 43 18,7 % 3,5

Alle Lymphome 400 70 17,5 % 3,1

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Onkologische Pharmazie | 16. Jahrgang | Nr. 3/2014 | 13

Infektionen und maligne Lymphome –welche Zusammenhänge gibt es?

strukturelle Proteine 3 bis 5 (NS3-5) beschrieben. Antikörper gegen diese Proteine wurden isoliert, mit denen die Wirksamkeit neuer Medikamente untersucht werden konnte. Inhibitoren der NS3/4a Protease, der NS5A und der NS5B Polymerase wur-den entwickelt (13). Die Abbildung 3 zeigt die Struktur des Hepatitis C Virus.

DiagnostikIn den westlichen Ländern ist der Genotyp 1 die häufigste Ursache der Hepatitis C. Der Nachweis der Infektion erfolgt zunächst durch den Nachweis von Antikörpern gegen HCV (anti-HBC). Die aktuelle Viruslast wird dann durch PCR bestimmt (z.B. mit dem COBAS-TagMan HCV-Test v2). Dieser

hat eine Nachweisgrenze von 10-15 IU/ml. Die Feststellung des Genotyps kann mit der Il28B Genotypisierung erfolgen.

HCV und maligne LymphomeIn Italien wurde die Prävalenz von HCV in Patienten untersucht, die stationär wegen malignen Lymphomen oder aber wegen ande-ren Erkrankungen (z.B. in der Gynäkologie oder Orthopädie) aufge nommen wurden (11). Die Prävalenz von HCV war in Patienten mit Lymphomen dreifach erhöht gegenüber anderen Erkrankungen (Tab. 4).

TherapieInterferon und Ribavirin sind bei der chroni-schen HCV Infektion wirksam. Das Zytokin Interferon aktiviert hunderte humane Gene, die Virusreplikation supprimieren. Ribavirin wirkt antiviral und immunmodulato risch. Die Standardtherapie besteht aus Peg-Interferon und Ribavirin mit dem Ziel eines anhalten-den viralen Ansprechens (SVR = sustained virological response), der viralen Elimination.

Interferon erreicht eine SVR von 10%, die Kombination mit Ribavirin 25%. Bei Verwendung der pegylier ten Form des Interferons (PEG-Interferon) und Ribavirin wird nach 48 Wochen beim Genotyp 1 eine SVR von 45% erreicht (7). Beim Genotyp 2 und 3 legen die SVR zwischen 80 und 90%, bei Vorliegen einer Zirrhose sinkt sie auf 40% (16).

Therapieziel ist die Senkung der Virus-replikation über 2 log Stufen (102) mit dem Ziel der Eradikation.

Das Ansprechen zeigt unterschiedliche zeitliche Abläufe und ist Messgröße der Wirksamkeit eines Virustatikums:

Rapid virological response = Viruslast unter der Nachweisgrenze nach 4 Wochen

Early virological response = Viruslast unter der Nachweisgrenze nach 12 Wochen

Partial early response = Viruslast 1% nach 12 Wochen, virenfrei nach 24 Wochen.

Die Kombination von Ribavirin und Inter-feron mit Protease Inhibitoren (DAA = direct acting antiviral agent) verbesserte die SVR von 45% auf 75% bei von 48 auf 24 Wochen

Abb. 3: Die Struktur des HCV besteht aus der von Proteinen umgebenen viralen RNA. Wichtig sind die nicht-strukturellen Proteine 3 bis 5 (NS 3-5), deren Bildung durch Virustatika inhibiert werden können.

Tab. 5: Medikamente zur Behandlung der Hepatitis C: Peg-Interferon und Ribavirin sind der Standard der Therapie. Boceprevir oder Telaprevir erhöhen die SVR (anhaltendes Ansprechen). Letztere Medikamente erlauben Interferon-freie Therapien mit SVR von 90% bei auf 12 Wochen verkürzter Therapie.

Pharmakon Dosis Bemerkung

Ribavirin (Copegus®) 2 x 500 bis 600 mg oral über 24-48 Wochen

In Kombination mit Interferon

Peg-Interferon (Pegasys/PegIntron®)

180 µg sc w für 48 Wochen Psychiatrische Erkrankung, Fieber, Müdigkeit, Depression

Protease Inhibitor Boceprevir (Victrelis®)

3 x 800 mg mit einer Mahlzeit über 12 Wochen

In Kombination mit IFN und Ribavirin

Protease Inhibitor Telaprevir (Incivo®)

3 x 750 mg mit einer Mahlzeit über 12 Wochen

In Kombination mit IFN und Ribavirin

Ledipsasir NS5A InhibitorSofosbuvir Nukleotid Polymerase Inhibitor

90 mg/d400 mg/dÜber 12 Wochen

Untersucht als Kombination 1 x 1 Tbl. täglich

Protease Inhibitor Simeprevir

24 bis 48 Wochen In Kombination mit Peginterferon und Ribavirin

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14 | Onkologische Pharmazie | 16. Jahrgang | Nr. 3/2014

Infektionen und maligne Lymphome –welche Zusammenhänge gibt es?

Tab. 6: Die Kombinationstherapien Ledipasvir (LDV) und Sobosbuvir (SOF) erreichen inner-halb von 4 Wochen eine nahezu komplette SVR. Der Effekt von Ribavrin (RBV) ist marginal.

HCV RNA <25 IU/ml

LDV/SOF12w, n=109

LDV/SOF/RBV12w, n=111

LDV/SOF24w, n=109

LDV/SOF/RBV24w, n=111

2. Woche 89 (82%) 92 (83%) 89 (82%) 93 (84%)

4. Woche 109 (100%) 110 (99%) 108 (99%) 110 (99%)

Ende der Behandlung 108 (99%) 111 (100%) 109 (100%) 110 (99%)

4. Woche nach 103 (94%) 107 (96%) 109 (100%) 110 (99%)

12. Woche nach 102 (94%) 107 (96%) 108 (99%) 110 (99%)

Durchbrüche 0 0 0 0

Rezidive 7 (6%) 4 (4%) 0 0

verkürzter Behandlung. Uner wünschte Wirkungen sind Zytopenien, Depressionen, Induktion von Autoimmunphänomenen sowie Hautausschlag, die bei Vorliegen einer Leberzirrhose ausgeprägter sein kön-nen. Neuere Inhibitoren der nicht struk-turellen Proteine (NS3-5) ereichen in der Kombination eine SVR von 90% (Tab. 5).

Weitere direkt wirkende antivirale Substanzen erzielen nach 12wöchiger Therapie auch ohne Interferon eine SVR. Die FDA hat 2013 zur Behandlung des Genotyps 1 die Kombination des Nukleotid Polymerase Inhibitor Sofos-buvir und Ribavirin zugelassen, falls Kontra-indikationen gegen Interferon vorliegen. Dieses virologische Ansprechen hält meh-rere Monate an.

Die Heilungschancen werden durch den Einsatz dieser direkt antiviralen Substanzen in Kombination mit Peginterferon alfa (PEG-IFN) plus Ribavirin deutlich erhöht und erreichen mit ca. 75% das Niveau der SVR-Raten bei der chronischen HCV-Infektion vom Genotyp 2 und 3. Darüber hinaus kann die Therapiedauer durch die Triple-Therapie auf 24 Wochen verkürzt werden.

Eine weitere Option nach Interferon Ver-sagen bei der Infektion mit dem Genotyp 1 ist die Kombination aus dem NS5A-Inhibitor Daclatasvir (60 mg /d) und dem NS3-Protease-Inhibitor Asunaprevir (2 x 600 mg/d). Hier wurde ein Ansprechen von 27% nach 48 Wochen erreicht, bei Kombination mit Interferon Ribavirin betrug dieses 90% (10).

Die Kombination mit dem Protease-Inhibitor ABT-450, der NS5A-Inhibitor ABT-267 und der Polymerase-Inhibitor ABT-333 bei chronischer Hepatitis C führten zum einem Ansprechen von 99 % bei unbehandel ten Patienten und zu 93% Interferon/Ribavirin Non-Respondern (15).

Die Zulassung von Telaprevir erfolgte nach Durchführung von drei Phase 3 Studien: Advance3, Realize4 und Illuminates. 79 % der behandelten Patienten erreichten ein anhaltendes Ansprechen. 58 % der Patienten erlangten das Ansprechen schon nach 24 Wochen statt der geplanten Therapie über 48 Wochen. Unerwünschte Wirkungen waren

Hautausschlag, Anämie, Juckreiz, Übelkeit und Erbrechen.

Ledipasvir, Sobosbuvir und Ribavirin wurden als second line Therapie nach Therapieversagen von Interferon, Ribavirin und/oder einem Protease Inhibitor untersucht (1). Ledipasvir und Sobosbuvir wurden in einer festen Kombination einmal pro Tag oral verabreicht. Eine SVR von 94% wurde nach 12 Wochen und eine von 99% nach 24 Wochen erreicht. Unterwünschte Wirkungen waren Fatigue, Kopfschmerzen und Übelkeit, die nicht zum Therapieabbruch führten (Tab. 6).

Virustatika führen bei chronischer Hepatitis C häufig zu einem kompletten viralen Ansprechen. Da das Hepatitis C Virus an der Entstehung maligner Lymphome beteiligt ist, müssen Überlegen zur Eradikation dieses Virus in der Onkologie angestellt werden.

Zusammenfassung

Infektionen mit Helicobacter pylori indu-zieren Lymphome des Magens. Durch eine Therapie mit Antibio tika kommt es in der Mehrzahl der Fälle zur Rückbildung der indolenten MALT-Lymphome. Dieses Prinzip wurde auch für lokal begrenzte, aggressive DLCBL-Lymphome des Magens gezeigt. Damit ist die Antibiotika-Therapie in der Behandlung maligner Lymphome eta-bliert worden.

Vor Beginn einer Immunchemotherapie (z.B. mit R-CHOP) sind Untersuchungen auf Virusinfekte geboten (z.B. HIV, HBV, HCV).

Die Anwendung von Rituximab und ähnli-chen Antikörpern ist bei Hepatitis B kon-traindiziert. Unter einer Prophylaxe mit Entecavir kann bei Hepatitis B Infektion eine Therapie mit CD20-Antikörpern ohne schwerwiegende Komplikationen durchge-führt werden.

HCV fördert die Entstehung maligner Lym-pho me. Neue Virustatika können HCV eradizieren. Damit sind neue Ansätze zur Prophy laxe und Therapie maligner Lym-phome möglich.

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FÜR DIE AUTOREN

Dr. Jochem PotenbergOnkologisches Zentrum im Evangelischen Waldkrankenhaus13589 [email protected]

Herausgeber: Klaus Meier, Soltau

Verlag: onkopress, Theo-Mülders-Straße 92, 47918 Tönisvorst, www.onkopress.de ISSN-Nr.: 1437-8825

Chefredakteurin: Dr. Karla Domagk, Cottbus

Fotos: Seite 45 oben: www.istockphoto.com/Knape, Seiten 54, 60 oben: www.istockphoto.com/Sasa

Redaktion: Prof. Dr. Jens Büntzel, Nordhausen; Dr. Gabriele Gentschew, Frankfurt/M.; Anja Holsing, Köln; Dr. Brigitte Hübner, Quedlinburg; Dr. Petra Jungmayr, Stuttgart; Henrik Justus, Uslar; Michael Marxen, Wesseling; Dr. Jochem Potenberg, Berlin; Dr. Susanne Rau, Hannover; Thomas Schubert, Mönchen-gladbach; Wioletta Sekular, Oldenburg; Dr. Gisela Sproßmann-Günther, Berlin; Dr. Robert Terkola, Wien; Dr. Sabine Thor-Wiedemann, Ravensburg; Andrea van Treeck, Mistelbach; Simone Widmer-Hungerbühler, Winterthur.

Wissenschaftlicher Beirat:Prof. Dr. U. Jaehde, Pharmazeutisches Institut, Abt. Klinische Pharmazie, Universität Bonn; Prof. Dr. Günter Wiedemann, Klinik für Innere Medizin, Hämatologie, Onkologie und Gastroenterologie, Oberschwabenklinik Ravensburg; Univ. Prof. DI Dr. Robert Mader, Universitäts klinik für Innere Medizin I, Medizinische Universität Wien; Sigrid Rosen-Marks, Hamburg; Carola Freidank, Hannover.

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am 21. Juni 2014Passmann, Till/BonnPrause, Andreas/LudwigsfeldeRuszkowski, Lucia/MannheimSelkovski, Julia/MannheimSodemann, Christiane/RostockStickel, Christine/Koblenz

am 4. Juli 2014Brandt, Katja / ErlangenHabermann, Michaela / GröbenzellHutzfeldt, Annika / LübeckLemke, Stefan / HalleMachner, Anne / BerlinMichailow, Olga / Frankfurt

Mündliche Gruppen-Prüfung im Rahmen der PTA-Weiterqualifizierung: „PTA Onkologie (DGOP)“Folgende PTAs haben diese Prüfung bestanden:

Offenborn, Male / LübeckScholl, Doreen / LeipzigStrube, Frauke / ErlangenVolenec, Jana / DresdenZenker, Melanie / Jena

am 5. Juli 2014Dietrich, Anja / KulmbachHalbey, Michael / KasselKrawutschke, Nicole / GelsenkirchenRößler, Florian / SiegburgSpranger, Maria / BerlinWertenbruch, Susanne / SiegburgZakner, Sebastian / Leipzig

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Onkologische Pharmazie | 16. Jahrgang | Nr. 3/2014 | 17

Kommentar des Herausgebers

Kommentar des Herausgebers

Orale Medikation für Krebspatienten –

die Stunde der Pharmazie ist gekommen

Ende Juni (1) sind in Krakau über 500 Men schen aus 40 Ländern zu-

sammen gekommen, um sich auf der 2. Europäischen Konferenz für Onkologische Pharmazie (ECOP 2) wissenschaftlich phar-mazeutisch-onkologisch auszutauschen.

Das Wort Krebs stigmatisiert noch immer Menschen in der Welt. Es hat immer noch nichts von seiner finalen Wirkung verloren. Bald wird der Krebs zur primären Todesur-sache erklärt werden.

Natürlich können wir uns sagen, dass dies mit der Überalterung der Gesellschaft zu-sammen hängt und durch die Tatsache, dass 66 % aller Krebserkrankungen im Alter von über 65 Jahren zum Tragen kommen. Da un-sere veränderten Lebensumstände in den entwickelten und sich entwickelnden Staa-ten das Durchschnittsalter weiter steigen lässt, nimmt auch die beeinflussende Rolle der Krebserkrankung zu.

Dennoch ist durch neue Therapieformen und Entwicklung neuer Medikamente der Krebs seiner grundsätzlich finalen Spitze beraubt und der onkologische Patient wird immer mehr zu einem chronisch Kranken.

Dadurch steigt die Rolle der Pharmazie, die eben in der Ganzheitlichkeit des Menschen ihre Herausforderung sieht und mit besserer pharmazeutische Betreuung und Versorgung darauf eingeht.

Gleichwohl müssen wir daneben aber auch erkennen, dass wir als Menschen an einem

widersprüchlichen Prozess teilnehmen. Die Weltpolitik hat sich verändert. Grenzen, durch Friedensschlüsse gezogen, schei-nen keinen Bestand mehr zu haben. Unter-schiedliche Interessen prallen aufeinander.

Ärzte propagieren: „Do not harm“ – Das ist auch unser Ziel. Wir haben nur die eine Welt und die wollen wir uns allen erhalten.

Deshalb müssen wir als Pharmazeuten an den Orten, an denen wir leben und arbeiten, die Kraft aufbringen, unsere Profession mit Nachdruck einzubringen. Pharmazie ist ge-fragt, dies hatte auch der EU-Kommissar To-nio Borg erkannt und die Schirmherrschaft über den ECOP 2 in Krakau übernommen.

Werden die politisch Verantwortlichen auch in Deutschland diese Rolle in Prävention und Therapie erkennen und nutzen? Werden die Apotheker selbst über den Schatten der Ökonomie springen können, um die Leistun-gen im Licht ihres Könnens zu präsentieren? Neben Studien, die in der Vergangenheit belegten, dass bei zunehmender Dauer der regelmäßigen Einnahme von Tabletten die Adherence abnahm, weist eine Studie, die auf dem letzen ASCO publiziert wurde (Abstract e11562), auf einen gegenläufigen Effekt hin:

Bei der Untersuchung über das Einnahme-verhalten von 150 Patienten mit verschie-denen Krebsformen, die nur die generelle Einnahme von Oralia gemeinsam hatten, fiel nicht so sehr deren Adherence auf, sondern

die Einnahmetreue trotz auftretender starker Nebenwirkungen.

Die Autoren stellten fest, dass ein großes Risikopotenzial für Patienten dadurch ent-steht, sich nicht mit einem Fachkundigen auszutauschen. Denn diese Patienten hiel-ten unbeirrt an der Therapie fest, wohl mei-nend, dass eben solche Effekte grundsätz-lich Begleiteffekte der Therapie sind, die zu akzeptieren seien!

Die Information und die pharmazeutische Begleitung von Krebspatienten ist ein un-abdingbares Gut, dass sich die Apotheker nicht aus der Hand nehmen lassen sollten. Alle Pharmazeuten sollten gezielt ihre Fach-kenntnisse vertiefen und sich auf eine stei-gende Nachfrage vorbereiten.

Die 1. Fachtagung orale Krebstherapie in München (2) macht jedem diesen Einstieg möglich.

Ihr Klaus Meier

(1) 26. bis 28. Juni 2014 ECOP 2 in Krakau,

organisiert von der Europäischen Gesellschaft

für Onkologische Pharmazie (ESOP)

(2) 1. Fachtagung orale Krebstherapie am 13.09.2014

im Rahmen des 13. NZW-Süd, am neuen

Veranstaltungsort München

Klaus Meier

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18 | Onkologische Pharmazie | 16. Jahrgang | Nr. 3/2014

ECOP 2 – European Conference of Oncology Pharmacy, Krakau, 26.–28. Juni 2014

ECOP 2 – European Conference of Oncology Pharmacy, Krakau, 26.–28. Juni 2014

Von Sabine Thor-Wiedemann, Weingarten

Bonjour, Buenos Días, Dziem Dobry – so begrüßte der ESOP-Vorsitzende, Klaus Meier, beim 2. ECOP die französischen, spanischen und natürlich polnischen

Kongressteilnehmer, die beim europäischen Treffen der Onkologischen Pharmazeuten in Krakau zahlenmäßig am stärksten vertreten waren. Insgesamt hatten sich mehr als 500 Teilnehmer aus 40 Ländern angemeldet, um sich in den Räumen der 650 Jahre alten Jagellonian Universität in Krakau fachlich und privat auszutauschen. Nach kurzen Grußworten des Dekans der Medizinischen Fakultät, Piotr Laidler, und der Direktorin der Fakultät für Klinische Pharmazie, Anna Wesolowska, konnte der französische Kongresspräsident Mikael Daouphars die Teilnehmer in die zahlreichen Vorträge, Seminare, Workshops und Posterdemonstrationen entlassen.

Der thematische Bogen war weit gespannt: Er reichte von klinischen über pharma-kologische bis hin zu politischen Themen. Neben klassischen Vorträgen gab es interak-tive Sessions, Roundtable Diskussionen und praktisch orientierte Workshops.

Globales Problem: Lieferengpässe essenzieller Zytostatika

Das Thema „Drug Shortages“ wurde an zwei Kongresstagen aufgenommen, wäh-rend einer Clinical Interactive Session und während eines Roundtables. Etliche Kongressteilnehmer waren überrascht über die Größenordnung des Problems, das übereinstimmend von Referenten aus Italien, Frankreich, Deutschland, Polen, Großbritannien und den Niederlanden geschildert wurde. Unter anderem haben die geringen Gewinnmargen bei Generika und eine Monopolisierung der Herstellung zu teilweise langfristigen Lieferengpässen geführt, während innovative, lediglich pal-liativ eingesetzte Substanzen mit hohen Gewinnmargen einen immer größeren Marktanteil gewinnen.

Ein 2013 durchgeführter europaweiter Survey der ESOP (European Society of Oncology Pharmacy) zeigte, dass in Klinikapotheken in

ganz Europa händeringend nach Lösungen gesucht wird, um die Versorgung von poten-ziell kurablen Krebspatienten mit essenzi-ellen Substanzen wie beispielsweise 5-FU sicherzustellen. Eine ähnliche Erhebung läuft aktuell unter der Federführung der ESMO (European Society of Medical Oncology); die Ergebnisse werden im September auf dem ESMO Kongress in Madrid präsen-tiert werden.

Ernüchternd war in diesem Zusammenhang die Präsentation einer Vertreterin der EMA (European Medicines Agency) aus London, die klar machte, dass vonseiten der euro-päischen Arzneimittelbehörde, wenn überhaupt, dann jedenfalls keine schnelle Lösung für diese Probleme zu erwarten ist. Mehrere Referenten sahen es als eine gang-bare Lösung an, die Herstellung essenzieller Produkte durch adäquate Preise für europä-ische Hersteller wieder attraktiv zu machen. Prof. Arnold Vulto aus Rotterdam ermun-terte zum Schluss alle Apotheker, die eine Herstellungslizenz nach GMP haben, zur Selbsthilfe: You have the license to produce – use it! Und er forderte spürbare finanzielle Sanktionen für Firmen, die ihrer gesetzlich verankerten Lieferpflicht nicht nachkommen.

Attraktive Serviceleistungen der ESOP

Dass die European Society of Oncology Pharmacy mit ihren fast 3200 Mitgliedern mehr ist als ein bürokratisches Konstrukt, zeigte eine Session über ihre konkreten Angebote für Mitglieder.

Clean Working Project: Basierend auf den Anforderungen des DGOP-Zertifikates „Aseptisches Arbeiten“ wurde von der

K O N G R E S S B E R I C H T

Krakau: eine junge, lebensfrohe Stadt mit einer schweren Vergangenheit

Gute Nachbarschaft: Schnapsladen und Apotheke direkt neben dem Kongressort

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Onkologische Pharmazie | 16. Jahrgang | Nr. 3/2014 | 19

ECOP 2 – European Conference of Oncology Pharmacy, Krakau, 26.–28. Juni 2014

Don’t work alone !

Go to centers of exchange !

ESOP ein Trainingsprogramm erarbeitet, das an die nationalen Rahmenbedingungen und Regelwerke angepasst wurde. Unter dem Motto „Train the Trainer“ werden Vertreter der verschiedenen Nationen weitergebildet, die das Wissen in ihre Heimatländer tragen.

Centres of Exchange: Ein ESOP-Project, das gerade angelaufen ist, soll den Austausch von Wissen und Kompetenzen innerhalb Europas fördern. Herstellende Apotheken, die bereit sind, für einige Tage oder Wochen einen hospitierenden Apotheker aus einem anderen Land aufzunehmen, können sich auf der ESOP-Website (www.esop.eu) registrie-ren lassen.

ESOP Spill Kit: ESOP Mitglieder können über die Website für rund 25 Euro ein Spill Kit anfordern, mit dem kleinere Zytostatika-Verschüttungen sachgerecht und risikolos beseitigt werden können. Es enthält neben

präparierten Tüchern, Wegwerfschaufel, Schutzkleidung, Schutzbrille, Atemmaske, Warnaufklebern und Entsorgungsbeuteln auch eine Gebrauchsanleitung (bisher in 10 Sprachen erhältlich) und ein Formular zur Dokumentation des Zwischenfalls.

10 Jahre German-Polish Conference

Zur Feier des zehnjährigen Jubiläums der deutsch-polnischen Treffen der Onko-logieapotheker referierten zwei polnische und zwei deutsche Referentinnen und Referenten zu den Themen Pharmacokinetic-Pharmacodynamic Modeling (Elzbieta Wyska, Krakau), Official Quality Control of Cytotoxic Preparations (Matthias Heuermann, Münster), Off-Label Use of Medicinal Products (Agnieszka Zimmer-mann, Danzig) und Oralia-Initiative in Deutschland (Annette Freidank, Fulda). Klaus Meier aus Hamburg und Jerzy

Eine neue Initiative der ESOP: Centers of Exchange

Lazowski aus Warschau, die den deutsch-pol-nischen Austausch ins Leben gerufen hatten, waren Stolz und Freude über die gewach-senen engen Kontakte zwischen beiden Ländern deutlich anzumerken, als man sich zum Jubiläums-Gruppenfoto aufstellte – ist doch gerade die German-Polish Conference das beste Beispiel für ein zusammenwachsen-des Europa unter dem Motto „Unity within Diversity“.

Do widzenia, Krakow – dobar dan, Dubrovnik!

Zum Abschied wurde endlich der Veranstal-tungsort des nächsten ECOP verraten: Der ECOP 3 findet 2016 in Dubrovnik, Kroatien, statt.

Und auch für die Gewinner verschiedener Preise wurde es zum Schluss noch einmal spannend: Unter mehr als hundert ausge-stellten Postern gewann ein Beitrag von X. Liu aus Plymouth, Großbritannien, den Posterpreis: „Extended Stability Study of Oxaliplatin Infusions for Dose Banding“. Die junge Autorin darf kostenlos am ECOP 3 teilnehmen.

Mit dem „Yellow Hand Award“ wurden mehrere Pharmazeutische Hersteller aus-gezeichnet, die sich um sichere Verpackung und Kennzeichnung von Zytostatika bemü-hen. Sie benutzen die von ESOP online zum Ausdruck zur Verfügung gestellten Transportaufkleber, die in der Sprache des Empfängerlandes (bisher 32 Sprachen) vor Risiken warnen und Notfallmaßnahmen bei Bruch der Sendung erläutern.

Den „Klaus Meier Award 2014“ für beson-dere Verdienste um die Verbesserung der onkologischen Versorgung in Europa erhiel-ten Jerzy Lazowski (Polen) und Alain Astier (Frankreich).

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20 | Onkologische Pharmazie | 16. Jahrgang | Nr. 3/2014

Kompetenznetz Maligne Lymphome

Das Kompetenznetz Maligne Lymphome (KML) ist eines der ersten von mittlerweile 21 Kompetenznetzen in der Medizin, die seit 1999 auf Initiative des Bundesministeriums für Bildung und Forschung (BMBF) gegrün-det wurden, um innovative multidisziplinäre Gesundheitsforschung auf höchstem Niveau zu ermöglichen und Forschungsergebnisse schnellstmöglich in die Patientenversor-gung zu integrieren. Jedes Kompetenznetz behandelt ein spezifisches Krankheitsbild, das durch eine eher seltene Erkrankungs-häufigkeit bzw. hohe Sterblichkeit gekenn-zeichnet ist oder wirtschaftlich einen erheb-lichen Kostenfaktor darstellt.

Das KML befasst sich mit den im Vergleich zu anderen Krebsarten eher selten auftre-tenden Lymphomen. Im KML haben sich für diesen Bereich die führenden Forschergrup-pen und Versorgungseinrichtungen zusam-mengeschlossen, darunter die vier großen Lymphomstudiengruppen (GHSG, DCLLSG, DSHNHL, GLSG).

Nach Ablauf der öffentlichen Förderung durch das BMBF im Jahr 2009 werden die Aufgaben und Projekte des Netzes im 2005 gegründeten wissenschaftlichen gemeinnüt-zigen Verein Kompetenznetz Maligne Lymphome e.V. weitergeführt. Zu den zentralen Organen des Ver-eins gehören die Mitgliederver-sammlung, der Wissenschaftli-che Beirat sowie der Vorstand unter Vorsitz von Prof. Dr. Micha-el Hallek. Zur Koordinierung und Umsetzung der Vereinsziele, der Wahr-nehmung der laufenden Verwaltungsan-gelegenheiten und zur Unterstützung des Vorstands unterhält das KML eine zentrale Geschäftsstelle, die an der Uniklinik Köln angesiedelt ist.

Das Kompetenznetz Maligne Lymphome e.V. versteht sich als Forschungsverbund, des-

sen übergeordnetes Ziel es ist, die optima-le Behandlung, Betreuung und Information für alle Lymphom-Patienten in Deutschland sicherzustellen und kontinuierlich zu ver-bessern.

Die Integrierte Versorgung von Patienten mit malignen Lymphomen (IVML) ist eines von mehreren Projekten des KML. Die IVML leistet einen wesentlichen Beitrag zur sek-tor- und berufsgruppenübergreifenden Ver-netzung in der onkologischen Versorgung,

die aufgrund langfristiger Behand-lungsprozesse und unter Beteili-

gung vieler verschiedener Fach-disziplinen notwendig ist.

Zahlreiche Studiengruppen, Krankenkassen und Behand-

lungszentren, sowohl Kranken-häuser als auch hämato-/onkologische

Schwerpunktpraxen, engagieren sich ge-meinsam dafür, die bestmögliche Behand-lung der Lymphom-Patienten sicherzustel-len (Abb.1). Zugleich bietet die im Rahmen der IVML durchgeführte Dokumentation des Behandlungsprozesses eine gute Grundlage für die Versorgungsforschung und dient als Basis zur Weiterentwicklung von Struktur-

und Qualitätsprozessen. Angestrebt wird die Behandlung aller Lymphom-Patienten nach dem aktuellen Stand der Wissenschaft und dem besten verfügbaren Behandlungs-standard. Dies wird in Deutschland meist durch eine Teilnahme an Therapiestudien garantiert.

Obwohl eine Studienteilnahme für Lym-phom-Patienten viele Vorteile hat, wie z.B. die Behandlung durch ausgewiesene Spezia-listen, die engmaschigere Überwachung des Gesundheitszustandes gegenüber der nor-malen medizinischen Versorgung und eine klar definierte und von Spezialisten über-prüfte Therapie mit umfassender Aufklä-rung, werden bislang schät zungsweise nur 50 % der Hodgkin-Patienten und nur 10 % aller Non-Hodgkin-Patienten von ihren Ärz-ten im Rahmen klinischer Therapiestudien behandelt. Das bedeutet, dass für den weit-aus überwiegenden Teil der Lymphom-Pati-enten nicht bekannt ist, wie sie behandelt werden und ob ihre Behandlung dem aktu-ellen Stand der Wissenschaft entspricht.

Dies zu ändern ist ein Ziel der Inte grierten Versorgung von Patienten mit malignen Lymphomen (IVML). Hier werden Patienten

DCLLSG Deutsche CLL Studiengruppe Chronisch lymphatische Leukämie (CLL)

http://www.dcllsg.de

DSHNHL Deutsche Studiengruppe für Hochmaligne Non-Hodgkin-Lymphome

http://www.dshnhl.org/

GHSG German Hodgkin Study Group http://www.ghsg.org

GLSG Deutsche Studiengruppe für niedrigmaligne Lymphome

http://www.lymphome.de/Gruppen/GLSG/

IVML Integrierte Versorgung von Patienten mit malignen Lymphomen

http://www.lymphome.de/Projekte/IVML/index.jsp

KML Kompetenznetz Maligne Lymphome

http://www.lymphome.de/Netzwerk/ index.jsp

Kompetenznetz Maligne Lymphome

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Onkologische Pharmazie | 16. Jahrgang | Nr. 3/2014 | 21

Kompetenznetz Maligne Lymphome

entweder innerhalb von Studien behandelt, die eine optimale Versorgung gewährleisten sollen und der Verbesserung bestehender Behandlungsstandards dienen, oder außer-halb, wenn z.B. die Behandlungspfade der Studien aufgrund weiterer Erkrankungen nicht angewendet werden können. Dann finden Absprachen mit erfahrenen Spezi-alisten der KML-Studiengruppen statt. Die in diesem Fall in die Therapieentscheidung einfließende Expertise der KML-Studien-gruppen soll dazu beitragen, Fehlversor-

Verband der Ersatzkassen e.V. • Barmer GEK • DAK • HEK • hkk • KKH • Techniker Krankenkasse

Universitätsklinikum Köln stellvertretend für alle teilnehmenden

BehandlungszentrenAOK Rheinland/Hamburg Beitritt zum 01.04.2010

Integrierte Versorgung von Patienten mit

malignen Lymphomen seit 01.01.2009

BNHO Berufsverband der Niedergelassenen

Hämatologen und Onkologen in Deutschland e.V.

ADHOK Arbeitsgemeinschaft der leitenden

Hämatologen und Onkologen im Krankenhaus e.V.

KML-Geschäftsstelle Projektkoordination & Controlling

Abb. 1: IVML Vertragspartner

Ansprechpartner beim Kompetenz-netz Maligne Lymphome e.V.Natalie Schreiber, M.A., Dipl. Med.-Ök. (FH)Kompetenznetz Maligne Lymphome e.V. Universitätsklinikum Köln (AöR) D-50924 KölnTel.: 0221/478-7402 oder -7400E-Mail: [email protected]

gungen zu vermeiden und Behandlungsri-siken einzugren zen.

Die Teilnahme an der IVML ist sowohl für Behandlungszentren als auch für Patienten freiwillig. Listen der IVML-Ansprechpart-ner bei den Krankenkassen und Studien-gruppen sowie der KML-Referenzpatholo-gen unter:

http://www.lymphome.de/Projekte/IVML/Dokumente/Kontakte_Adressen/index.jsp

ß Erfahrene Spezialisten entwickeln maßgeschneiderte Produkt- und Versorgungskonzepte

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22 | Onkologische Pharmazie | 16. Jahrgang | Nr. 3/2014

CML Horizons 2014: Neuigkeiten aus CML-Therapie und CML-Selbsthilfe

CML Horizons 2014: Neuigkeiten aus CML-Therapie und CML-Selbsthilfe beim Treffen von über 100 CML-Patientenvertretern aus 58 Ländern

Von Annette Freidank, Fulda

Vom 2.–4. Mai 2014 trafen sich in Belgrad/Serbien 119 Teilnehmer aus 58 Ländern zur „12. CML Horizons“-Konferenz. Die meisten Teilnehmer waren Leiter von CML-Pati-

entenorganisationen (CML = chronisch myeloische Leukämie). Seit 12 Jahren treffen sich einmal jährlich Leukämiepatientenorganisationen aus der ganzen Welt, um sich über Neu-igkeiten aus CML-Forschung und Therapie zu informieren und sich über Initiativen in der Selbsthilfe und politischen Arbeit auszutauschen. Seit 2012 wird die Konferenz von der in der Schweiz ansässigen und von CML-Patienten geleiteten „Stiftung Leukämiepatien-tenvertreter” durchgeführt, die auch der Koordinator des internationalen Netzwerks „CML Advocates Network” (www.cmladvocates.net) ist. Dem Netzwerk gehören inzwischen 80 Verbände aus 60 Ländern weltweit an.

Ziel des Netzwerkes ist es, Patienten welt-weit aktuelle Informationen zur Diagnose, Therapie(-kontrolle) und Arzneimitteln zur Verfügung zu stellen, Projekte oder Studien zu fördern und somit eine Plattform für den Austausch zu bieten. Die Teilnehmer sind in der Regel selbst betroffen oder haben enge Angehörige, die an CML erkrankt sind. Zu Beginn der Konferenz hatten die ver-schiedenen Regionen die Möglichkeit, ihre

Initiativen und länderspezifische Situatio-nen vorzustellen. Dabei zeigten sich trotz der individuellen Probleme auch viele Ge-meinsamkeiten. In den Ländern mit gerin-gem Einkommen ist die Verfügbarkeit der Arzneimittel ein ernstes Problem. Die Mög-lichkeit, preisgünstigere Generika (zurzeit nur Imatinib) zu beziehen, trägt zur Lösung des Problems bei. In den Diskussionen wäh-rend der Konferenz wurde deutlich, dass Bedenken bezüglich der Qualität dieser Arz-

neimittel bestehen, so dass in einer sepa-raten Sitzung dieses Thema nochmals aus-führlich und kontrovers diskutiert wurde. Hier ist eine Aufklärung zur Zulassung der Generika durch Arzneimittelbehörden und zur Abgrenzung von Arzneimittelfälschun-gen ganz wesentlich und trägt sowohl zur Arzneimittelsicherheit als auch zur Adhä-renzförderung bei. Der Bericht aus Nord-amerika zeigte, dass auch dort aufgrund der Unterversicherung vieler Patienten eine notwendige Therapie nicht immer gewähr-leistet ist. Weitere Probleme sind die Diagnostik und das Monitoring des Therapieverlaufs. Mit Einführung der PCR (Polymerase-Ketten-Re-aktion) kann neben dem hämatologischen und dem zytogenetischen auch das mole-kulare Ansprechen erfasst werden. Diese Methode steht den Patienten jedoch nicht in allen Ländern zur Verfügung.

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Onkologische Pharmazie | 16. Jahrgang | Nr. 3/2014 | 23

CML Horizons 2014: Neuigkeiten aus CML-Therapie und CML-Selbsthilfe

In den weiteren Sitzungen ging es unter an-derem um die Diagnostik, die Beschreibung des Therapieverlaufs, Spättoxizitäten und Komorbiditäten, Interaktionen, die Vor- und Nachteile der verschiedenen Tyrosinkinasein-hibitoren (TKI) und die Frage, ob und wann die Arzneimitteltherapie gestoppt werden kann. Die Teilnehmer sind über die Erkrankung und deren Verlauf sowie über Nebenwirkungen aufgrund von eigenen Erfahrungen sehr gut informiert, das wurde besonders bei den Dis-kussionen nach den Präsentationen deutlich. Aus Sicht des Apothekers war das sehr große Interesse an den Interaktionen zwar etwas überraschend, aber sehr erfreulich. Dieses Thema wird in der Beratung der Patienten häufig vernachlässigt.

Als zusätzliche Kommunikationsmöglich-keit wurden facebook, Twitter und andere

soziale Netze vorgestellt, um mehr Patienten zu erreichen. Gerade in sehr dünn besiedel-ten Gebieten und Regionen mit mangelhafter Infrastruktur ist ein regelmäßiger Austausch über das Internet sehr hilfreich.

Ein weiteres Thema war die Entwicklung von Strategien, um Druck auf die Herstel-ler und Regierungen auszuüben und somit die Verfügbarkeit der Arzneimittel zu verbes-sern oder die Belange der Patienten früh-zeitig in neuen Studien zu berücksichtigen. Hier wurde der Austausch mit Experten der HIV-Selbsthilfegruppen gesucht, um von deren Erfahrungen zu profitieren.

Patienten mit einer CML können durch die Einführung der TKIs in die Therapie über vie-le Jahre erfolgreich behandelt werden. Eine stationäre Aufnahme ist in der Regel nur am

Anfang für kurze Zeit zur Abklärung notwen-dig. Die weitere Therapie erfolgt ambulant, so dass die Patienten mehr oder weniger auf sich selbst gestellt sind.

In Gesprächen wurde deutlich, dass ein deutlicher Kommunikationsbedarf besteht, um Erfahrungen auszutauschen. Durch den oft sehr langen Krankheitsverlauf und die daher hohe Fachkompetenz besteht auch ein großer Informationsbedarf zu Themen wie Diagnose, Therapien und Nebenwirkun-gen sowie Wechselwirkungen mit anderen Medikamenten.

Wünschenswert wäre hier eine enge Vernet-zung zwischen den Onkologen, Medizinern anderer Fachbereiche sowie den Apothe-kern. Der Apotheker, über den idealerweise alle Arzneimittel abgegeben werden, kann durch Aufklärung und Beratung zu den Arz-neimitteln zur Sicherheit der Therapie bei-tragen.

Die vier Tage in Belgrad waren für mich sehr informativ, nicht nur durch die sehr interes-santen Vorträge, sondern auch durch Ge-spräche in den Pausen oder während der Abendveranstaltungen mit Patienten.

AUTORIN

Dr. Annette FreidankApotheke der Klinikum Fulda gAGPacelliallee 436043 Fulda

Blauer Ratgeber: Hodgkin LymphomNach dem englischen Arzt Sir Thomas Hodg-kin, der die Krankheit im Jahr 1832 erstmals beschrieb, wurde die bösartige und früher unheilbare Erkrankung des Lymphsystems benannt: Hodgkin Lymphom.

In bewährter Zusammenarbeit der Deutschen Krebshilfe und der Deutschen Krebsgesell-schaft entstand diese Broschüre 2013 in der Reihe „Blaue Ratgeber“. In die fachliche Be-ratung wurde neben Prof. Dr. P. Borchmann und Prof. Dr. Hans Th. Eich auch die Selbsthil-fegruppe Morbus Hodgkin Köln eingebunden.

Die Kapitel Entstehung, Diagnostik, Therapie und Tumornachsorge werden ergänzt durch die Erklärung von Fachausdrücken, weiter-führende Internetseiten zu medizinischen Informationen und spezialisierten Kliniken. Sehr bereichernd sind die enthaltenen Erfah-rungsberichte von fünf Patienten.

In gewohnter Weise kann der Ratgeber unter http://www.krebshilfe.de/blaue-ratgeber.html kostenlos als pdf-Datei heruntergeladen oder in der gewünschten Anzahl bei der Deut-schen Krebshilfe online bestellt werden [KD].

Hodgkin Lymphom 1

HodgkinAntworten. Hilfen. PersPektiven.

21

lymPHom

die blauen ratgeber

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6. NZW in Dresden

Der 6. Pharmazeutisch-onkologische Fachkong ress NZW-Dresden

mit über 500 Teilnehmern hat nicht nur seine Stellung als größtes nationa-les Arbeitssicherheitstreffen im Bereich der aseptischen Herstellung von CMR-Arzneimitteln erneut bewiesen, sondern Teilnehmer und Referenten sind sich einig, dass der NZW-Dresden von Jahr zu Jahr besser wird. Die Referenten ermög-lichten nicht nur insgesamt 55 Stunden Fortbildung mit richtungsweisenden Fachvorträgen, praxisnahen Workshops und gefragten DGOP-Zertifikatskursen sondern auch einen fachlichen multiprofes-sionellen Austausch zwischen onkologisch Tätigen und Arbeitssicherheitsexperten.

Der 6. NZW-Dresden wurde vom DGOP-Präsidenten Klaus Meier eröffnet. Nach einem Rückblick auf die Anfänge der Fort- und Weiterbildung im Fachgebiet Onkologische Pharmazie vor ca. 25 Jahren stellte er fest: „Wir sind vorangekommen!“

6. NZW-Dresden vom 4.–5. Juli 2014 in Dresden

Das 6. nationale Arbeitssicherheitstreffen im Bereich der aseptischen Herstellung von CMR-Arzneimitteln

Kongressbericht von Karla Domagk, Cottbus

Als Belege führte er neben der Weiterbildung „Onkologische Pharmazie“, der 5. Aus-gabe der Qualitätsstandards für den Pharmazeutisch-onkologischen Service (QuapoS) und der FortbildungsAkademie „Onkologische Pharmazie“ auch die 2. Europäische Konferenz für Onkologische Pharmazie (ECOP 2) an, die von der Europäischen Gesellschaft für Onkologische Pharmazie (ESOP) vom 26.-28.Juni 2014 in Krakau organisiert worden war.

„Wir machen seit über 20 Jahren sehr viel für die Wissenschaft, diskutie-ren über Komplikationen, suchen nach Clinical Pathways in der Onkologie und haben dabei die Zusammenarbeit mit den Aufsichtsbehörden vernachlässigt. Es schei-nen zwei getrennte Welten entstanden zu sein: die Aufsichtsbehörden-Welt und die pharmazeutische Welt…“ sagte Meier. Deshalb sei vor sechs Jahren beginnend der NZW-Dresden mit der Intention organisiert worden, „… Menschen zusammen zubringen,

die in unterschiedlichsten Arbeitsbereichen zum Thema Krebsbehandlung und Pharmazie beschäftigt sind.“

Das Konzept zur Vermittlung von praxisna-hem Wissen verbunden mit dem fachlichen Austausch mit Behörden der pharmazeuti-schen Überwachung und des Arbeitsschutzes sei aufgegangen.

Der Nationale Krebsplan, den das Bundes-ministerium für Gesundheit gemeinsam mit der Deutschen Krebsgesellschaft (DKG), der Deutschen Krebshilfe (DKH) und der Arbeitsgemeinschaft Deutscher Tumorzentren (ADT) am 16. Juni 2008 initiiert hat, komme auf seinen 70 Seiten ohne das Wort Apotheke aus. Deshalb müsse die onkologi-sche Pharmazie sich künftig im Rahmen des multiprofessionellen Ansatzes intensiver dar-stellen und die sich daraus ergebenden Vorteile für Krebspatienten klarer darstellen, damit andere Gremien Pharmazie und Apotheke wahrnehmen und akzeptieren können.

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Onkologische Pharmazie | 16. Jahrgang | Nr. 3/2014 | 25

6. NZW in Dresden

6. NZW-Dresden in Zahlen

500 Teilnehmer 55 Stunden Fortbildung 46 Referenten 14 Workshops 3 DGOP-Zertifikats-Kurse 10 Mini-Satellitensymposien von

Ausstellern 31 Aussteller auf der Interaktiven

Industrieausstellung

Der Vizepräsident Göran Donner überbrachte die Grußworte des Vorstandes der Sächsischen Landesapothekerkammer und des ABDA-Präsidenten Friedemann Schmidt. Er berich-tete von der Arznei mittelinitiative Sachsen-Thüringen „ARMIN“, die der Sächsische und der Thüringer Apothekerverband (SAV, ThAV), die Kassenärztlichen Vereinigungen in Sachsen und Thüringen (KVS, KVT) und die AOK PLUS am 1. April 2014 gemeinsam gestartet haben. Darin sei die Zukunftschance für den pharmazeutischen Berufsstand zuse-hen, insbesondere durch eine multiprofes-sionelle Zusammenarbeit im Interesse des Patienten anstelle der Aufrechterhaltung von Sektorengrenzen.

Auch in diesem Jahr waren wieder Fach-ex perten eingeladen, die in einem Update neueste Erkenntnisse aus ihrem jeweili-gen Bereich der Zytostatika-Herstellung vermittelten:

7. NZW-Dresden: 19./20. Juni 2015 im Hilton-Hotel Dresden

Isolator – DIN 12980 ( Jan Ott, Hamburg) Gefahrstoffrecht (Dr. Erhard Schmidt,

Dresden) Schutzhandschuhe (Michael Klein,

Elmshorn)

Über das Symposium zur Außenkonta-mination, das Expertenforum zur mikrobio-logischen Validierung sowie die wichtigsten Vorträge vom 6. NZW-Dresden wird nach-folgend berichtet.

In seiner Verabschiedung im Auftrag des DGOP-Präsidenten und des Wissenschaft-lichen Komitees fasste Herr Dr. Luzian Baumann zusammen: „Es war ein sehr guter Kongress mit vielen spannenden Themen. Die klärende, kollegiale und nicht konfron-tative Diskussion mit den Behörden sollte unbedingt auch auf dem nächsten NZW-Dresden fortgesetzt werden.“ Als sein per-sönlich absolutes Highlight stellte er heraus, dass am Samstagmorgen um 8.30 Uhr zum Vortrag von Herrn Jürgen Barth alle Plätze im Saal belegt waren!

Für die gelungene Vorbereitung und Durchführung des Kongresses geht auch ein Dankeschön an das Team der Kongress-organisation ConEvent.

Auch der 7. NZW-Dresden garantiert pra-xisnahe Fortbildung – mit Sicherheit! Seien Sie aktiv dabei!

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26 | Onkologische Pharmazie | 16. Jahrgang | Nr. 3/2014

6. NZW in Dresden

6. NZW-Dresden: Symposium

Außenkontamination von Zytostatika-Verpackungen in der Herstellung

1. Einführung Die Moderatoren des Symposiums gaben jeweils eine kurze Übersicht zur Datenlage. Frau Dr. Thekla Kiffmeyer, Duisburg, berichtete vom Ausgangspunkt der Untersuchungen im IUTA, bei denen mikroskopisch sichtbare Rückstände auf den Vials eines Abfüllers ana-lytisch als Außenkontaminationen von Cyclophosphamid nachgewiesen werden konnten.

Basierend auf Einzelmeldungen wurden bereits 1997 auf Anregung von Wilken 6.473 Vials (mit 33 Substanzen) in deut-schen Krankenhausapotheken untersucht (1). Von diesen waren 154 (2,4%) visuell auffällig. Eine Arbeitsgruppe aus München untersuchte die Außenkontamination von Vials mit Cyclo- und Iphosphamid sowie Anbrüche eines Herstellers (2) und fand auf den Cyclophosphamid-Fläschchen Iphosphamid und umgekehrt. Diese Kreuzkontamination hat natürlich Konsequenzen für die Abfüll prozesse der Hersteller.

Die größte Untersuchung stammt von Favier (3), der die sechs wichtigsten Substan-zen mit je 33 bis 200 Fläschchen unter-suchte und zu 100% diese Substanzen als Außenkontamination quantitativ nach-wies. In der Untersuchung von Hedmer (4) wurden Kontaminationen auf Cyclo- und Iphosphamid-Fläschchen von außen inkl. der Kappe (Außenseite und Innenseite) sowie der Gummistopfen mengenmäßig bestimmt, was einen Rückschluss auf den Zeitpunkt der Kontamination zulässt. Die zugehörigen Verpackungen waren innen zu 100 % kon-taminiert (Abb. 1). Auch die von Hedmer unter suchten Blister und Beipackzettel von Cyclo phosphamid waren mit geringen Mengen kontaminiert.

Herr Dr. Dipl.-Chem. Rudolf Schierl, München, stellte die Ergebnisse der Münche ner Arbeits-gruppe vor, die die Außenkontamination von Vials einzelner Chargen mit Cisplatin, Carboplatin, Oxaliplatin, Fluorouracil, Cyclo- und Iphosphamid verschiedener Hersteller im zeitlichen Verlauf ab 2000 untersuchte und keinen eindeutigen Trend innerhalb der letzten 14 Jahre aufzeigen konnte. Allerdings

waren in diesem Zeitraum weniger extreme Ausreißer zu beobachten.

Aus dem Nachweis von Außenkonta mi-na tionen an den Blistern von Endoxan-Tabletten aus den Beständen des Klinikums der Universität München (Abb. 2), auch wenn nicht jeder Blister kontaminiert war, leitet er als Empfehlung/Forderung das Tragen von Schutzhandschuhen für das Pflegepersonal beim Umgang mit diesen Blistern ab.

[email protected] 6. Dresden-NZW Dresden 04.-05. Juli 2014 4

Datenlage III

Probe Kontaminiert Menge Cylo Ifo Cyclo Ifo

Outside (vial + cap) 100% 95% 4,9-130 ng bis 59 ng Cap inner side 35% 15% bis 9,0 ng bis 0,4ng Gummistopfen 45% 0% bis 190 ng 0

Umverpackung innen 100% 100% 1,4-7,1 ng 0,4-25ng Umverpackung außen 100% 25% 0,2-5,1 ng bis 0,1ng

Blister 95% 25% bis 7,4 ng bis 2 ng

Beipackzettel 100 % --- 0,2-3,5 ng ---

Hedmer 2005, Sweden, each 20 Samples of Cyclophosphamide

Abb. 1: Zusammenfassung der Ergebnisse von Hedmer (4)

Abb. 2: Außenkontamination von Endoxan-Tabletten-Blistern im Klinikum der Universität München

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Onkologische Pharmazie | 16. Jahrgang | Nr. 3/2014 | 27

6. NZW in Dresden

2. Außenkontamination-Monitoringprogramm bei Sandoz EBEWE Pharma

Das von Frau Petra Seyer, Unterach/Österreich, vorgestellte Monitoring-Programm wurde initiiert zum Schutze der Mitarbeiter, zur Kontaminationsvermeidung, zur Ver bes-serung des Bewusstseins im Umgang mit Zytostatika, zum Auffinden von „versteck-ten“ Kontaminationsquellen und um den Reinheitsstatus zu überprüfen bzw. aufrecht zu erhalten. Für die Stoffkategorien 2–4 wur-den interne Limits definiert. Viermal jähr-lich erfolgt die Wischprobennahme durch geschultes Personal an festgelegten Stellen in der Steril-Abfüllung, der Verpackung und der Inspektion. Die Auswertung der Wischproben wird im IUTA Duisburg vorgenommen. Zusätzlich erfolgt die stichprobenmäßige Kontrolle abgefüllter Durchstechflaschen aus dem Lager.Als Hauptursache für eine Außenkon - t ami nation trotz einer qualifizierten Außen-waschung unmittelbar nach der Steril-Ab-füllung wird unvorhersehbarer Bruch angese-hen, der bei der Verladung in Lagerkontainer, beim Transport zur Inspektion und zur Verpackung entstehen kann. Erforderliche Reinigungsschritte zur Dekontamination

sind ebenso wie Inhalte des praktischen Spill-Trainings der Mitarbeiter festgelegt. Stellen, die den definierten Limits nicht entsprechen, werden nachgereinigt bzw. geeignete Reinigungsmaßnahmen umge-setzt und einer erneuten Prüfung unterzo-gen. Das Außenkontamination-Monitoring-Programm hat positive Auswirkungen auf die Außenkontamination auf dem fertigen Produkt.

3. Maßnahmen der Industrie zur Verringerung von Außenkontamination bei Zytostatika

Herr Stephan Mielke, Wedel, berichtete, dass Außenkontaminationen nicht nur durch Bruch, sondern auch wegen fehlen-der Integrität (Haarrisse, unzureichender Verschluss) oder während der Abfüllung, der Lyophilisation oder des Trans port es entstehen. Möglich ist auch eine Kreuz-kontamination bei der Endverpackung durch unzureichende Reinigung der vialberühren-den Oberflächen.

Zu den Maßnahmen der pharmazeutischen Industrie zählen u.a.:

Sorgfältige Auswahl der verwendeten Glas quali täten und Lieferanten quali-fizierung für die Glasviallieferanten

Validierte Herstellungsprozesse (z.B. Lyoprozesse, Füllvorgänge, Reinigung)

Gesonderte Ladungsträger für gesleevte/ungesleevte Ware

100% Sichtung auf Glasschäden und Prüfung der Integrität

Außenwäsche der Vials mit qualifizierten Waschanlagen

Kompletter Einschluss der Glasvials in eine Kunststoffhülle oder andere Systeme

Räumliche Trennung zwischen Ansatz, Abfüllung und Endkonfektionierung

Bei Untersuchungen von Vials nach der Waschung gibt es trotz ständig verbesser-ter Waschanlagen und Weiterentwicklung von Waschprogrammen weiterhin nach-weisbare Kontaminationen mit zytotoxi-schen Rückständen: 63% von 133 unter-suchten Vials zeigten Kontaminationen, nach vollständiger Einschließung der Vials waren nur sehr niedrige Kontaminationen (< 1ng/Vial) nachweisbar (5). Auch eigene Stichprobenuntersuchungen bei medac, die bei der IUTA Duisburg analysiert wurden, konnten nachweisen, dass durch Sleeven die

Reduktion der Kontamination

Verhinderung von Haarrissen und

fehlender Integrität

Validierte Außenwäsche

Transportbehälter Reinigung und

Trennung

Sleeve/Kunststoffhülle

17

Verhinderung von Tropfen

an der Abfüllnadel

Verhinderung von

Überschäumen validierte

Prozesse

Abb. 3: Maßnahmen zur Reduktion der Außenkontamination in der pharmazeutischen Industrie

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28 | Onkologische Pharmazie | 16. Jahrgang | Nr. 3/2014

6. NZW in Dresden

Außenkontamination von Vials reduziert werden kann (Abb. 3).

Zur Reduktion der Außenkontamination werden weitere Maßnahmen wie sichere Verpackung mit zusätzlichem Innenbeutel, Durchführung von Transportvalidierungen (Simulation von verschiedenen Transport-wegen und Belastungen für die Ware), ein-deutige Kennzeichnung und Hinweise für das Speditionsunternehmen für den rich-tigen Transport sowie für das Personal der Apotheke umgesetzt (Abb. 3).

4. Außenkontamination von Zytostatika-Verpackungen in der Herstellung: Praktische Vorschläge zur Reduktion in der Apotheke

Technische Maßnahmen zur Reduktion der Belastung durch Außenkontamination in der Apotheke erläuterte Herr Lars Gubelt, Dortmund. Das sind u.a. der Einsatz von

langlebigen und chemikalienresistenten Schubladen aus Trespa, die gut abwasch-bar, glatt (mit abgerundeten Kanten) und wasserdicht verklebt sind sowie

chemikalienresistenten Tabletts bzw. Boxen aus Plastik, die gut abwaschbar und von unterschiedlicher definierter Farbigkeit (zur Vorbereitung, zum Einschleusen etc.) sind.

Bei der Warenannahme werden unste-rile Einmalhandschuhe (PSA) getra-gen, die sofort nach Beendigung der Warenkontrolle gewechselt werden. Die Ware verbleibt nach Öffnen der Kartonage bei der Wareneingangskontrolle in der Tertiärverpackung und wird zeitnah an die Zytostatika-Abteilung weitergege-ben. Beschädigte Ware wird ohne weitere Kontrolle umgehend in Quarantäne versetzt, speziell verpackt, gekennzeichnet und durch einen Mitarbeiter der Zytostatika-Abteilung entsprechend der Arbeitsschutzvorschriften weiter behandelt.

Bei der Lagerung/Vorbereitung mit unste-rilen Einmalhandschuhen wird auf die Vermeidung von Berührung anderer Flächen ein spezielles Augenmerk gelegt, indem immer die gleiche Hand die Schublade bzw. Schleuse öffnet (Abb. 4).

Alle CMR-Substanzen werden im Sekundär-packmittel in Trespa-Schubladen oder Plastikboxen im Kühlhaus ohne direkten Kontakt mit Regalen gelagert. Basierend auf einer Gefährdungsbeurteilung, über ein Partikelmonitoring und mikrobiologi-sches Monitoring validiert, werden benö-tigte Substanzen im Sekundärpackmittel auf Plastiktabletts (Abb. 5) in den Herstellungs-bereich eingeschleust. Dort erfolgen die Entnahme aus der Sekundär verpackung, die Wischdesinfektion (zugleich Dekonta-mination) und Lagerung auf speziellen Tabletts mit aufsaugender unterseits dich-ter Unterlage (Abb. 6). Die Lagerung von Anbrüchen erfolgt in speziellen verschließ-baren Boxen, die nur im Herstellungsraum geöffnet und wöchentlich gereinigt (Wischreinigung) werden (Abb. 7).

Die jährlichen Wischprobentests wer-den an definierten Probenentnahmestellen auch außerhalb des Herstellbereiches (z.B. Infusionsständer auf Station, Infusionsstühle

der Ambulanz, Türklinke Patienten-WC) durchgeführt.

5. Diskussion

Die abschließende Diskussion fokussierte auf drei inhaltliche Schwerpunkte: Abfüllung, Transport und Handling in Apotheken.

5.1. In der Abfüllung: Als Problem für Außenkontaminationen sind visuell nicht erkennbare Haarrisse in den Vials identifiziert worden, zumal auch nach sichtbarem Bruch eine intensive Reinigung entsprechend Standard erfolgt.

Eine dokumentierte Reinigungsvalidierung ist erforderlich, jedoch keine Wischproben-testung nach jedem Bruch an den entspre-chenden Stellen in der Abfüllung.

Man kann davon ausgehen, dass nach jeder Reinigungsstufe bzw. jedem korrekt ausge-

Abb. 4: Entnahme der Arzneimittel in der Sekundärverpackung aus der Trespa-Schublade

Abb. 5: Bereitstellung der Arzneimittel in der Sekundärverpackung auf Plastiktabletts

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Onkologische Pharmazie | 16. Jahrgang | Nr. 3/2014 | 29

6. NZW in Dresden

führten Wischvorgang die nachgewiesene Konzentration um eine Zehnerpotenz redu-ziert werden kann.

Eine Umstellung von Glas auf Kunststoffe für die Primärverpackung von Zytostatika bedarf umfangreicher Voruntersuchungen, z.B. bei luftdurchlässigen Kunststoffen wie COC hinsichtlich der Sauerstoffstabilität der einzelnen Substanzen.

Ein Zusammenhang zwischen der Konzen-tration der enthaltenen Lösung und der Außenkontamination bestehe offensicht-lich bei Zytostatika-Lösungen z. Bsp. 5-Fluorouracil insbesondere nahe der Sättigungskonzentration der Lösungen. Ebenfalls wird bei Lyophilisaten durch den

Herstellungsprozess ein Überschäumen beobachtet, das ursächlich für eine Außen-kontamination sei. Sterilkristallisate spielen in diesem Zusammenhang eine untergeord-nete Rolle.

Das Wasser von der qualifizierten Außen-wäsche der Zytostatika-Fläschchen wird nicht wieder verwendet, sondern abgerei-nigt. Es werden Maßnahmen ergriffen, dass dieses Wasser ausschließlich vorbehandelt in die Umwelt gelangt.

5.2. Transport zur/in der ApothekeAls Lieferanten werden seitens der Apotheke solche ausgewählt, die Zytostatika separat

verpacken und außen entsprechend kenn-zeichnen. Diese Tertiärverpackungen werden keinem „Belastungstest“ unterzogen.

Seitens der Industrie wurden die Forderun-gen auf EG-Ebene entsprechend Good Distribution Practice (GDP) auf sichere Transportverpackungen sowie eine Tempera-turüberwachung und -dokumentation bis zum Anwender umgestellt.

5.3. Handling in der ApothekeBruch von Zytostatika-haltigen Fläschchen ist in den Herstellungsbereichen der Apotheken kein großes Problem, außer wenn diese bereits bei Anlieferung zerbrochen waren. Daraus ergibt sich erneut mit Notwendigkeit das Tragen von Schutzhandschuhen bei der

Annahme von Zytostatika-Lieferungen. Falls diese Tertiärverpackung versiegelt an den Lieferanten zurückgeschickt wird, ist zu berücksichtigen, dass es sich dann um einen Gefahrgut-Transport handelt.

Kritisch wurde der Onco-Safe-Einsatz für kleine Fläschchen hinsichtlich Arbeitsschutz und Mikrobiologie gesehen, denn oftmals ist eine Entnahme aus dem Onco-Safe unter der Werkbank zur vollständigen Entnahme der Lösung erforderlich.

Dringend erscheinen Arbeitsschutz-Maß-nahmen für den Umgang mit Blistern von oralen Zytostatika – sowohl in den

Abb. 6: Lagerung der Arzneimittel auf Tabletts mit aufsaugender unterseits dichter Unterlage

Abb. 7: Lagerung der Anbrüche in verschließbaren Boxen

Apotheken als auch im Pflegebereich. Das Teilen von Zytostatika-Tabletten sollte mög-lichst unterbleiben oder zumindest unter Schutzmaßnahmen erfolgen.

LITERATUR

1 Wilken A. Beobachtungen zur Außenkontamina-tion der Primärverpackungen von Zytostatika. Krankenhauspharmazie 1997;1:37-39

2 Pethran, A., Schierl, R., Schmaus, G. Wischproben an Arbeitsplätzen mit Zytostatika-Exposition. Kran-kenhauspharmazie 2001;1:11-15

3 Favier B, Gilles L, Ardiet C, et al. External cont-amination of vials containing cytotoxic agents supplied by pharmaceutical manufacturers.. doi: 10.1191/1078155203jp102oa J Oncol Pharm Pract March 2003 vol. 9 no. 1 15-20.

4 Hedmer M, Georgiadi A, Ramme E, et al. Surface Contamination of Cyclophosphamide Packaging and Surface Contamination with Antineoplastic Drugs in a Hospital Pharmacy in Sweden Ann. occup. Hyg., Vol. 49, No. 7, pp. 629–637, 2005

5 Fleury-Souverain S, Nussbaumer S et al. Deter-mination of the external contamination and crosscontamination by cytotoxic drugs on the surfaces of vials available on the Swiss market. J Oncol Pharm Pract. 2014 Apr;20(2):100-11. doi: 10.1177/1078155213482683

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6. NZW in Dresden

Störungen, kritische Zustände und Bei-nahe-Ereignisse treten in allen (pharma-zeutischen) Arbeitsprozessen auf und in Abhängigkeit von Komplexität, Stress und Zeitdruck steigt die aufgabenbezogene Fehlerwahrscheinlichkeit. Ein Großteil dieser Störungen bleibt folgenlos und führt nicht unbedingt zur Schädigung eines Patienten. Jedoch gilt es, aus Fehlern zu lernen, um den Medikationsprozess von Arzneimitteln für den Alltag sicherer zu gestalten.

Aufgrund von Organisationsmangel, Kom-muni kations defiziten, Personalmangel, man-gelnder Qualifikation, unklaren Zu stän dig-keiten sowie unklaren Verant wortlichkeiten können Fehler auftreten. Zu den grundsätzli-chen Strategien zur Vermeidung von Fehlern zählen deshalb

Menschliche Fehler als Ursache aus schließen

Methodenänderung

Arzneimitteltherapiesicherheit in der Onkologie

Referentinnen: Pamela Kantelhardt, Mainz und Dr. Gesine Picksak, Hannover

0%

1%

9%

47%

10%

1%1%

7%

3%

1%

9%

4%

2%1% 0% 0%

4%

0%

0%

Abkürzungen

Arbeitsmaterialien

Arbeitsüberlastung

Fehlende Kenntnis

Kommunikation

Look-Alike

Mündliche Anordnung

Organisation

Rechenfehler

Schlechte Handschrift

Nicht bekannt

Unaufmerksamkeit/Unachtsamkeit

Sound-Alike

Soziale Faktoren

Technik

Information (fehlende)

Sonstige (ohne Zuordnung)

Gewohnheit

Falsche Situationseinschätzung

Kommunikation

fehlende Kenntnis

Arbeitsüberlastung

Fehlerursachen (Quelle: DokuPIK )

Abb. 1: Ursachen dokumentierter Fehler lt. Dokumentation Pharmazeutischer Interventionen im Krankenhaus [DokuPIK, Stand: November 2011]

Optimierung der Prozessabläufe und -sicherheit

Stress vermeiden durch geplante, einfa-che und bekannte (schriftlich fixierte) Prozesse.

Laut Dokumentation Pharmazeutischer Interventionen im Krankenhaus (DokuPIK) werden zwei Drittel der dokumentierten Fehler durch fehlende Kenntnis, Kommuni-kation und Arbeitsüberlastung verursacht

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Onkologische Pharmazie | 16. Jahrgang | Nr. 3/2014 | 31

6. NZW in Dresden

Tab. 1: Fehlerquellen und mögliche Strategien/Maßnahmen zu deren Vermeidung

Fehlerquellen bei Mögliche Strategien/Maßnahmen

Übertragung der Verordnung

• Verordnung unleserlich

• falscher Patient durch Schreibweise „ö“ und „oe“ (dadurch z.B. Kumulativdosen nicht aufgerechnet)

• falsches Volumen ◊ falsche Konzentration (dadurch z.B. Stabilität der Lösung nicht mehr gegeben)

• falsche Dosierung durch Kommafehler

• inkompatible Trägerlösung

• falsches Device, falsche Pumpe

• falsche Applikationsart

• unkritisches Duplizieren der letzten Verordnung (Substanz für Herstellung geplant, trotz Pause; Substanz vergessen, da bei letzter Herstellung nicht verordnet

• Sensibilisierung gegenüber Handschriftfehler

• SOP-Namenspflege „ö“ oder „oe“ festlegen

• Therapiestandards im System hinterlegen

• elektronisches Verordnungssystem

• elektronische Plausibilitätsprüfung/ Expertensystem

• elektronische Patientendaten-Übernahme

Transport • Unfallgefahr

• schütteln/werfen/fallen lassen der Zubereitungen

• Kühlkette unterbrochen

• Raumtemperatur nicht erreicht

• fehlende Sensibilisierung für zu transportierende Produkt

• Sprachbarriere

• richtige Kiste auf falscher Station

• falsche Kiste auf richtiger Station

• falsche Kiste auf falscher Station

• Zeitverzug

• Transporte außerhalb der Kernarbeitszeit

• kein klarer Übergabeplatz auf Station

• Personalwechsel/ fehlende Einarbeitung

• Pflichtschulung in unterschiedlichen Sprachen

• „SOS-Karte“ für die (Latz-) Hosentasche in unterschiedlichen Sprachen

• Festlegung der Verfügbarkeit (Ort) eines Spill-Kits

• Bekanntmachung der Notfallnummer (der Apotheke)

Dokumentation • fehlende Dokumentation der Gabe bzw. bei falschem Patient

− Kumulativdosen können nicht berechnet werden

− finanzieller Verlust (NUB + ZE)

• Neubestellung (und Neugabe), aufgrund vermeintlich nicht erfolgter Gabe

• Mitgabe von Dokumentationsetiketten

• Kennzeichnung dokumentations-pflichtiger Präparate (ZE/ NUB) durch Apotheke

• automatische Erfassung ZE/ NUB

• elektronische Datenübergabe von Seiten der Apotheke

• elektronisches Verordnungs- + Dokumentationssystem

Legende: NUB: Entgelte für Neue Untersuchungs- und Behandlungsmethoden; ZE: Zusatzentgelt

(Abb. 1). In diesem Zusammenhang bedeu-tet fehlende Kenntnis nicht nur fehlendes Fachwissen sondern auch, dass erforderliche Informationen zum Zeitpunkt des Bedarfs nicht abgerufen werden können.

Obwohl in jeder Phase des Medikations-prozesses Fehler auftreten können, liegen Fehlerschwerpunkte in den Bereichen:

Verordnung Übertragung der Verordnung

in der Apotheke, Herstellung Transport Applikation Dokumentation

Für jeden dieser Bereiche müssen gezielt Strategien zur Vermeidung von Fehlern und Maßnahmen zur Erhöhung der Arznei-mittel therapiesicherheit ergriffen werden (Tab. 1), denn Arzneimitteltherapiesicherheit ist Patientensicherheit.

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32 | Onkologische Pharmazie | 16. Jahrgang | Nr. 3/2014

6. NZW in Dresden

Bei Tätigkeiten mit Zytostatika sind ver-schiedene Vorschriften, Regelungen und Informationen zu berücksichtigen, dar-unter Gefahrstoffverordnung, TRGS 525, TRGS 526, DIN 12980 und das BGW-Merkblatt M620. Bei allen Tätigkeiten mit Zytostatika ist der Arbeitgeber verpflichtet, eine Gefährdungsbeurteilung durchzuführen und geeignete Schutzmaßnahmen zu tref-fen (Abb. 1 und 2). Die Forderung aus §10 Abs.1 der aktuellen Fassung der GefStoffV ist umzusetzen: „Bei Tätigkeiten mit kreb-serzeugenden Gefahrstoffen der Kategorie 1 oder 2, für die kein Arbeitsplatzgrenzwert … bekannt gegeben worden ist, hat der Arbeitgeber ein geeignetes, risikobezoge-nes Maßnahmenkonzept anzuwenden…“. Dabei kann das Risikokonzept für krebser-zeugende Stoffe (1) als Grundlage für eine Risikoabschätzung dienen (Abb. 3).

Bei der Herstellung von Zytostatika-Lösun-gen im Isolator müssen neben den allge-mein bekannten Arbeitsschutzmaßnahmen bei unbeabsichtigter Freisetzung, Transport, Lagerung und Entsorgung bzgl. des Arbeits-schutzes einige Aspekte besondere Beachtung finden und in eine Gefährdungs beurteilung einfließen:

Schutzhandschuhe und Stulpen, Reinigung, Ergonomie, Beleuchtung und Schalldruckpegel.

Schutzhandschuhe und Stulpen: Als Zugangsvorrichtung verwendete Handschuhe oder mehrteilige Handschuhsysteme müs-sen der DIN EN 374-1 entsprechen, ihre Eignung als Zytostatika-Schutzhandschuh muss zusätzlich nach DIN EN 374-3 mit geeigneten Testsubstanzen geprüft sein. Die Isolator-Hersteller müssen geeig-nete Wechselintervalle vorgeben und die Zugangsvorrichtung/Handschuhe müssen kontaminationsarm gewechselt werden kön-

Zytostatika-Herstellung im Isolator und Arbeitsschutz

Referent: Dr. André Heinemann, Köln

nen. Nach dem Wechsel von Bauteilen der Zugangsvorrichtung muss eine Sicht- und Druckprüfung auf Dichtheit der gesam-ten Zugangsvorrichtung erfolgen. Aus dem Innenraum des Isolators dürfen bei Handschuhabriss keine luftgetragenen Verunreinigungen in die Umgebung austreten.

Reinigung: Die Werkstoffe der Oberflächen im Innenraum des Isolators müssen laut aktuellem Entwurf der neuen DIN 12980 so beschaffen sein, dass sie leicht zu rei-nigen sind. Helle, einfarbige Oberflächen erleichtern die Kontrolle etwa vorhandener Rückstände. Ecken und Winkel innerhalb

www.bgw-online.de 6. NZW Dresden 2014

Festlegung von Schutzmaßnahmen (Schritt 4)

z.B. Rotation am Arbeitsplatz, Spill-Kit

z.B. Schutz-handschuhe, Kittel

z.B. SfZ, IfZ, Überleitsystem, Automaten

bei Arzneimitteln kaum möglich

S-T-O-P - Reihenfolge

Dr. A. H

einemann – 05.07.2014 – Seite 7

www.bgw-online.de 6. NZW Dresden 2014

Sieben Schritte der Gefährdungsbeurteilung

Stoffliche Eigenschaften (krebserzeugend, mutagen, reproduktionstoxisch etc.) Expositionspfade/-grad (oral, dermal, inhalativ)

z.B. Zubereitung im Isolator

Relevanz bewerten

Regelmäßig Schutzhandschuhe und Armstulpen wechseln Wechselhandschuhe/-stulpen bevorraten,

Beschäftigte unterweisen

Werden vorgesehene Wechselzeiten eingehalten?

Erfahrungen auswerten; neue Materialien, Wechseltechniken bekannt?

S T O P

Dr. A. H

einemann – 05.07.2014 – Seite 6

Abb. 1: Sieben Schritte der Gefährdungsbeurteilung (Quelle: www.bgw-online.de)

Abb. 2: Festlegung von Schutzmaßnahmen (in Anlehnung an 2)

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Onkologische Pharmazie | 16. Jahrgang | Nr. 3/2014 | 33

6. NZW in Dresden

des Innenraums und andere üblicherweise zugängliche Bereiche (z.B. während der Reinigung), die mit den AM-Wirkstoffen in Kontakt kommen, müssen abgerundet sein. Da bei Isolatoren die Erreichbarkeit nicht überall gewährleistet ist, muss der Hersteller geeignete Hilfsmittel zur Reinigung zur Verfügung stellen.

Ergonomie: Für Bediener kann Arbeit am Isolator durch Beschränkung der Bewegungsfreiheit (Arme und Beine) bzw. Zwangshaltung belastend sein. Große Armeingriffe, elektr. Schleusentüren/Tabletts, häufigere Pausen oder Wechsel (z.B. alle 2 Std.) sind sinnvoll.

Der aktuelle Entwurf der neuen DIN 12980 sieht vor, dass bei sitzender Tätigkeit die Beinraumtiefe auf Kniehöhe nicht kleiner als 30 cm sein und die Fußraumtiefe nicht kleiner als 63,5 cm sein darf. Ein höhenver-stellbares Untergestell kann zusätzlich die Anpassung an verschiedene Körpergrößen und den Wechsel zwischen sitzender und ste-hender Arbeitsposition ermöglichen.

Beleuchtung: Die mittlere Beleuchtungs-stärke muss nach dem aktuellen Entwurf der neuen DIN 12980 mindestens 800 lx betra-gen (Abb. 4).

Schalldruckpegel: Am vom Hersteller angegebenen Betriebspunkt darf laut aktu-ellem Entwurf der neuen DIN 12980 der erzeugte maximale Schalldruckpegel in 70 cm Höhe über der Arbeitsfläche und 50 cm Abstand vor der Sichtscheibe 60 db(A) nicht überschreiten.

Das Ergebnis der Gefährdungsbeurteilung dient als Ausgangsbasis für die Ableitung von Arbeitsschutzmaßnahmen, deren Wirksamkeit in regelmäßigen Abständen zu prüfen ist.

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Risikoabschätzung für krebserzeugende Stoffe

entspricht einem statistischen zusätzlichen Krebsrisiko von 4 : 1.000 (vergleichbar mit dem Risiko eines Beschäftigten in der Landwirtschaft, tödlich zu verunglücken)

entspricht einem statistischen zusätzlichen Krebsrisiko von 4 : 10.000* (vergleichbar mit der Krebswahrscheinlichkeit außerhalb des Arbeitsplatzes)

* 4 : 100.000 (ab 2018)

Dr. A. H

einemann – 05.07.2014 – Seite 11

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Aspekte des Arbeitsschutzes bei Isolatoren

Beleuchtung (ASR A3.4)

Mindestwerte der Beleuchtungsstärke in Gesundheitseinrichtungen (lx) Flure: während des Tages 200

Flure: während der Nacht 50

Allgemeinbeleuchtung ohne regelmäßigen Aufenthalt von Beschäftigten 200

risikoarme medizinische oder pflegerische Tätigkeiten ohne Kontakt zu Körperflüssigkeiten, Körperausscheidungen oder kontaminierten Gegenständen

300

Arbeitsbereiche für medizinische o. pflegerische Tätigkeiten mit erhöhtem Gefährdungs- potenzial durch Umgang mit Körperflüssigkeiten, -ausscheidungen oder kontaminierten Gegenständen oder mit spitzen, scharfen, sich bewegenden oder heißen Instrumenten

500

Teilfläche f. medizinische o. pflegerische Tätigkeiten mit erhöhtem Gefährdungspotenzial durch Umgang mit Körperflüssigkeiten, -ausscheidungen oder kontaminierten Gegen-ständen oder mit spitzen, scharfen, sich bewegenden oder heißen Instrumenten

1000

Instrumentenaufbereitung 500

Laboratorien für den Gesundheitsdienst 500

Die mittlere Beleuchtungsstärke muss mindestens 800 lx betragen.

Dr. A. H

einemann – 05.07.2014 – Seite 17

LITERATUR:

(1) Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedi-zin. Das Risikokonzept für krebserzeugende Stoffe des Ausschusses für Gefahrstoffe - Von der Gren-zwertorientierung zur Maßnahmenorientierung. 1. Auflage, Oktober 2012

Abb. 3: Risikoabschätzung für krebserzeugende Stoffe (1)

Abb. 4: Mindestwerte der Beleuchtungsstärke in Gesundheitseinrichtungen (3)

(2) Heinemann, A. Kap. 2.4 Abb. 1 in Eickmann, U.; Halsen, G.; Heinemann, A.; Wegscheider, W.: Che-mische Gefährdungen im Gesundheitsdienst – Hilfestellungen für die Praxis, Heidelberg 2014

(3) Technische Regel für Arbeitsstätten „Beleuchtung“ (ASR A3.4), Ausgabe 2011

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34 | Onkologische Pharmazie | 16. Jahrgang | Nr. 3/2014

6. NZW in Dresden

Die Apothekenbetriebsordnung (ApBetrO) trifft zur Beantwortung der Fragestellung, ob die Überwachung von Reinräumen zur aseptischen Herstellung eine Aufgabe für pharmazeutisches Fachpersonal ist, keine eindeutige Aussage. Aus den §§ 3 und 35 ApBetrO lässt sich die Möglichkeit einer Delegation ableiten, wenn „Das Apothekenpersonal ... entsprechend seiner Ausbildung und seinen Kenntnissen einge-setzt“ und regelmäßig unterwiesen wird. So erfolgte die Anstellung eines Reinraum- und Qualifizierungstechnikers und seine organisa-torische Einbindung in die Klinik-Apotheke des Universitätsklinikums Dresden mit defi-nierten Arbeitsaufgaben (Abb. 1).

In der Klinik-Apotheke übernimmt er Aufgaben im mikrobiologischen Routine- bzw. Umgebungsmonitoring wie

Erstellung Monitoring-Plan mit Fest le-gung der Zeitintervalle,

Vorbereitung der MIBI-Set’s, Bebrütung der Nährmedien, Befundung und Bewertung der

Nähr medien, ggf. Ursachensuche und Abstellung bei

Abweichung, Dokumentation und Schulung

sowie darüber hinaus im Pharmamonitoring die Überwachung der Reinraum- und Lagerbereiche von Arzneimitteln, die Herstellung von Wasser für Injektionszwecke (WFI), die Fehlersuche und Beseitigung bei Störungen, GMP-gerechte Dokumentation und Bewertung. Auch Vergleichsmessungen (z.B. Fühlerkalibrierung), Fehlersuche und First Line Service, die Unterstützung externer Firmen bei Wartungs- und Reparaturarbeiten

Überwachung von Reinräumen – eine Aufgabe für pharmazeutisches Fachpersonal?

Referent: Marco Jan Fischer, Dresden

Seite 8 05. Juli 2014

Basismonitoring / Qualifizierung / Requalifizierung Beratung und Planerstellung Risikobetrachtung und Messpunkteauswahl Durchführung der Messungen

• Partikelmessungen (in operation“ und „at rest“) • Aktive Luftkeimmessungen • Passive Luftkeimmessungen (Sedimentation) • Abklatschprobenahmen • Messung sonstiger physikalischer Größen

Ggf. Ursachensuche und Abstellung bei Abweichung Berichterstellung

Aufgaben in der Klinik-Apotheke und im Klinikum

Abb. 1: Arbeitsaufgaben des Reinraum- und Qualifizierungstechnikers

Abb. 2: Bausteine als Schutz gegen unerwünschte mikrobiologische KontaminationenSeite 16 05. Juli 2014

Bausteine unseres risikobasierenden Schutzes gegen unerwünschte mikrobiologische Kontamination

kontinuierliches Partikelmonitoring

unter A

kontinuierliche Raumdrucküberwachung

monatliches mikrobiologischen

Monitoring

Zusätzliche Nährmedienabfüllungen

(Prozesskontrollen)

Mitarbeitereingangsvalidierung

individuelle Schulungen

Herstellung A in B

halbjährliche Requalifizierung

Fremdpersonal begleiten bzw.

vermeiden

Schleusenkonzept eigenes, festes

Stamm- Reinigungspersonal

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Onkologische Pharmazie | 16. Jahrgang | Nr. 3/2014 | 35

6. NZW in Dresden

Abfallschlüssel AS 18 01 03* AS 180104

Einstufung besonders überwachungsbedürftiger Abfall

LAGA Gruppe: C

überwachungsbedürftig bei Beseitigung

LAGA Gruppe: B

Bezeichnung Abfälle, an deren Sammlung und Entsorgung aus infektionspräventiver Sicht besondere Anforderungen gestellt werden.

Abfälle, an deren Sammlung und Entsorgung aus infektionspräventiver Sicht keine besonderen Anforderungen gestellt werden (z.B. Wäsche, Gipsverbände, Einwegkleidung)

Bestandteile mikrobiologische Kulturen, die aus z.B. Instituten für Hygiene, Mikrobiologie und Virologie, Labormedizin, Arztpraxen mit entsprechender Tätigkeit

(d.h. Abfälle, bei denen eine Vermehrung jeglicher Art von Krankheitserregern stattgefunden hat)

Wund- und Gipsverbände, Stuhlwindeln, Einwegwäsche, Einwegartikel (z.B. Spritzenkörper), etc.

Gering mit Zytostatika kontaminierte Abfälle, wie Tupfer, Ärmelstulpen, Handschuhe, Atemschutzmasken, Einmalkittel, Plastik-/ Papiermaterial, Aufwischtücher, leere Zytostatikabehältnisse nach bestimmungsgemäßer Anwendung (Ampullen, Spritzenkörper ohne Kanülen etc.), Luftfilter und sonstiges gering kontaminiertes Material von Sicherheitswerkbänken.

sofern sie nicht AS 18 01 03* zuzuordnen sind.

Sammlung/ Lagerung

Am Anfallort verpacken in reißfeste, feuchtigkeitsbeständige und dichte Behältnisse.

Sammlung in sorgfältig verschlossenen Einwegbehältnissen (zur Verbrennung geeignet, Bauartzulassung).

Kein Umfüllen oder Sortieren.

Zur Vermeidung von Gasbildung begrenzte Lagerung.

Sammlung in reißfesten, feuchtigkeitsbeständigen und dichten Behältnissen.

Transport nur in sorgfältig verschlossenen Behältnissen (ggf. in Kombination mit Rücklaufbehältern).

Kein Umfüllen (auch nicht im zentralen Lager), Sortieren oder Vorbehandeln (ausgenommen Aufgabe in Presscontainer).

Beispiele aus der Apotheken-Praxis

(Schleusen) sowie konkrete Zuarbeiten für pharmazeutisches Fachpersonal (z.B. Vorbereitung von Behördenbegehungen, Mitwirkung bei der Definition von Warn- und Aktionsgrenzen) erfolgen durch ihn.

Der Schutz gegen unerwünschte mikrobiolo-gische Kontaminationen beinhaltet verschie-dene Bausteine (Abb. 2) und basiert auf einer schriftlichen Risikobetrachtung der konkre-ten technischen, personellen und finanziellen Möglichkeiten.

Materialien der Umgebungskontrollen (Nährmedien) aus sterilen Bereichen wer- Seite 26 05. Juli 2014

Wohin mit Materialien der Umgebungskontrollen (Nährmedien) aus sterilen Bereichen? 4

„Die Abfälle AS 18 01 04 sind unmittelbar am Ort ihres Anfallens in reißfesten, feuchtigkeitsbeständigen und dichten Behältnissen zu sammeln und ohne Umfüllen oder Sortieren in sicher verschlossenen Behältnissen, ggf. in Kombination mit Rücklaufbehältern, zur zentralen Sammelstelle zu befördern. Die Behältnisse sollen nicht zu groß sein, um eine sichere Handhabung zu gewährleisten. Die Abfälle dürfen auch an der Sammelstelle nicht umgefüllt oder sortiert werden.“

Abfallwegweiser Uniklinikum: Nährmedien ohne Keimwachstum B-Abfall Nährmedien mit Keimwachstum C-Abfall

Abb. 3: Sammlung/Lagerung von Materialien der Umgebungskontrollen aus sterilen Bereichen

Tab. 1: Zuordnung der Materialien der Umgebungskontrollen aus sterilen Bereichen [1]

Seite 24 05. Juli 2014

Wohin mit Materialien der Umgebungskontrollen (Nährmedien) aus sterilen Bereichen? 2 „AS 18 01 03* Abfälle, an deren Sammlung und Entsorgung aus infektionspräventiver Sicht besondere Anforderungen gestellt werden“ „In jedem Falle zählen zu diesen Abfällen alle nicht inaktivierten / desinfizierten mikrobiologischen Kulturen, die z.B. in Instituten für Hygiene, Mikrobiologie und Virologie sowie in der Labormedizin und in Arztpraxen oder anderen vergleichbaren Einrichtungen mit entsprechender Tätigkeit anfallen und bei denen eine Vermehrung jeglicher Art von Krankheitserregern stattgefunden hat.“

Seite 24 05. Juli 2014

Wohin mit Materialien der Umgebungskontrollen (Nährmedien) aus sterilen Bereichen? 2 „AS 18 01 03* Abfälle, an deren Sammlung und Entsorgung aus infektionspräventiver Sicht besondere Anforderungen gestellt werden“ „In jedem Falle zählen zu diesen Abfällen alle nicht inaktivierten / desinfizierten mikrobiologischen Kulturen, die z.B. in Instituten für Hygiene, Mikrobiologie und Virologie sowie in der Labormedizin und in Arztpraxen oder anderen vergleichbaren Einrichtungen mit entsprechender Tätigkeit anfallen und bei denen eine Vermehrung jeglicher Art von Krankheitserregern stattgefunden hat.“

Seite 25 05. Juli 2014

Wohin mit Materialien der Umgebungskontrollen (Nährmedien) aus sterilen Bereichen? 3 „AS 180104 Abfälle, an deren Sammlung und Entsorgung aus infektionspräventiver Sicht keine besonderen Anforderungen gestellt werden“

„Bei Abfällen, an deren Sammlung und Entsorgung außerhalb von Einrichtungen des Gesundheitsdienstes aus infektionspräventiver Sicht keine besonderen Anforderungen gestellt werden, handelt es sich um mit Blut, Sekreten oder Exkreten behaftete Abfälle wie Wundverbände, Gipsverbände, Einwegwäsche, Stuhlwindeln, Einwegartikel u. a. m. aus der unmittelbaren Krankenversorgung, sofern sie nicht von AS 18 01 03* erfasst werden.“

den entsprechend LAGA M1811 gesam-melt, gelagert und entsorgt (Tab. 1). Die Behältnisse sollen nicht zu groß sein, um eine sichere Handhabung zu gewährleisten. Im Abfallwegweiser des Universitätsklinikums erfolgt die Zuordnung zu B-Abfall: Nährmedien ohne Keimwachstumm sowie C-Abfall: Nährmedien mit Keimwachstum (Abb. 3).

1 LAGA M18 - Vollzugshilfe zur Entsorgung von Ab-fällen aus Einrichtungen des Gesundheitsdienstes

Mitteilung der Bund/Länder-Arbeitsgemein-schaft Abfall Stand September 2009 (Amtl. Anz. HH Nr. 84 vom 27.10.2009, S. 1993)

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6. NZW in Dresden

Per definitionem ist Kreuzkontamination die Verunreinigung eines Ausgangsstoffes oder eines Produkts mit einem anderen Material oder Produkt1. Frau Dr. Thekla Kiffmeyer, Duisburg, berichtete, dass für die chemi-sche Kreuzkontamination seit 2013 anstelle der bisherigen 1/1000 Dosis (10 ppm) als Grenzwert der produktspezifische, tägliche Expositionswert (permitted daily exposure, PDE oder auch Acceptable Daily Exposure, ADE) gilt, der auch Eingang in die GMP-Leitfäden finden wird 2. Dabei handelt es sich um die erlaubte tägliche Dosis, die ein Patient von einer Kreuzkontamination toleriert, ohne Schäden zu erleiden (Kasten).

Auf Basis des NOEL (no-observed-ef-fect-level, höchste getestete Dosis bei der

keine kritischen Effekte beobachtet werden) stellt dieser einen einheitlichen stoffspezifi-schen Standard für Arbeits-, Produkt- und Umweltschutz auf wissenschaftlicher Basis dar.

Frau Dr. Beate Reutter, Kiel ergänzte an dieser Stelle, dass dies so im veröffentlich-ten EU-GMP-Entwurf von Anfang die-sen Jahres stehe (s.u.). Gegenwärtig werde jedoch der Bestand der bisherigen 1/1000- Dosis erwartet, da diese in den meisten Fällen schärfer sei.

Frau Dr. Thekla Kiffmeyer führte weiter aus, dass hiervon jedoch genotoxische und sensibilisierende Stoffe – zu denen auch die chemisch aktiven Zytostatika gehö-

ren – ausgenommen sind, für die es keinen Schwellenwert, keine sichere Dosis und auch keinen PDE-Ansatz gebe.

Stattdessen gilt hier das TTC-Konzept (Threshold of Toxicological Concern)³ für genotoxische Verunreinigungen. Im Gegen-satz zu herstellungsimmanenten Ver un-reinigungen, wie z.B. Beiprodukten der Synthese oder Lösungsmittelrückständen, für die ein Grenzwert von 1,5 μg/Person/Tag gilt, handelt es sich nicht um unvermeidliche Rückstände. Deshalb gilt hier ein Grenzwert von 0,15μg/ Person/Tag, da es sich um ver-meidbare Rückstände von bspw. zuvor abge-füllten Lösungen handelt:

„…In contrast to impurities, residual active substances principally are avoidable and are not associated with a related benefit to the patient, thus a more conservative approach is appropriate when setting threshold values for residual active substances. Hence, in the case of residual active substances without a threshold, a limit dose corresponding to a theoretical 1 x 10⁶ excess lifetime cancer risk should be applied, i.e., 0.15 μg/person/day, or 0.0025 μg/kg bw.” 3

Wenn Apotheken nach GMP arbeiten, könne dieser Industriestandard auch Anwendung finden. Zur Einhaltung dieser Grenzwerte ergeben sich zwei Möglichkeiten: räumli-che Trennung, d.h. für eine Substanz erfolgt die Abfüllung ausschließlich in einer Anlage, oder zeitliche Trennung in Kampagnen mit einem hohen Reinigungsaufwand (Kasten 2).

Die „notwendigen Validierungen“ wer-den an dieser Stelle (s. Kasten 2) nicht näher definiert. Zur Klarstellung veröf-fentlichte die EMA zu diesem Sachverhalt zwei Dokumente. Darin fordert sie ein Risiko-Management bevor die Produktion in Kampagnen in den gleichen Räumen/Einrichtungen aufgenommen wird.5 Als mög-liche Ursachen für Kreuzkontaminationen

Kreuzkontaminationen: Entstehungs-möglichkeiten, Relevanz, Handlungsbedarf?

Referenten: Dr. Thekla Kiffmeyer, Duisburg und Dr. Luzian Baumann, Wetzlar

The PDE represents a substance-specific dose that is unlikely to cause an adverse effect if an individual is exposed at or below this dose every day for a lifetime. Determination of a PDE involves

(i) hazard identification by reviewing all relevant data,

(ii) identification of “critical effects”,

(iii) determination of the no-observed-effect level (NOEL) of the findings that are considered to be critical effects, and (iv) use of several adjustment factors to account for various uncertainties. Appendices 3 of the ICH Q3C and VICH GL 18 guidelines present the following equation for the derivation of the PDE:

PDE = (NOEL x Weight Adjustment)/ (F1 x F2 x F3 x F4 x F5)

The PDE is derived by dividing the NOEL for the critical effect by various adjustment factors (also referred to as safety-, uncertainty-, assessment- or modifying factors) to account for various uncertainties and to allow extrapolation to a reliable and robust no-effect level in the human or target animal population. F1 to F5 are addressing the following sources of uncertainty:

F1: A factor (values between 2 and 12) to account for extrapolation between species

F2: A factor of 10 to account for variability between individuals

F3: A factor 10 to account for repeat-dose toxicity studies of short duration, i.e., less than 4-weeks

F4: A factor (1-10) that may be applied in cases of severe toxicity, e.g. non-genotoxic carcinogenicity, neurotoxicity or teratogenicity

F5: A variable factor that may be applied if the no-effect level was not established. When only an LOEL (lowest-observed effect level is available, a factor of up to 10 could be used depending on the severity of the toxicity.

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Onkologische Pharmazie | 16. Jahrgang | Nr. 3/2014 | 37

6. NZW in Dresden

Pharmazeutische Industrie versus Apotheke

werden große Oberflächen in direktem wechselnden Produktkontakt, unkont-rollierte Freisetzung von Staub, Gasen, Dämpfen, Aerosolen oder Organismen von in den Anlagen befindlichen Materialien

und Produkten, aus Rückständen in der Ausrüstung oder aus der Arbeitskleidung genannt. Als Beispiele werden Schwachstellen im Material- und Personalfluss sowie an lüftungstechnischen Anlagen und inef-

fektive Reinigungsverfahren angeführt. Folgende Handlungsmöglichkeiten werden empfohlen6: geeignete Barrieresysteme und Schleusen Einsatz „geschlossener Systeme” und

Einmalartikel Absaugung, Minimierung der Rezirku-

lation kontaminierter Luft Belassen der Arbeitskleidung im Bereich

(Schulung!) Regelmäßige Prüfung der Maßnahmen Gut reinigbare Anlagen und Flächen Validierte/verifizierte Reinigung und

Dekontamination (CIP) Prüfung auf Rückstände („swab“- und „last

rinse“-Methode) Ausreichende Arbeits- und Zwi schenpro-

dukt-Lagerflächen Spezielle Anlagen und Anlagenteile mit

Produktkontakt für verschiedene Produkte Protokollierung von Freisetzungen,

Unfällen und Abweichungen von den festgelegten Prozeduren

Erfassung des Arbeitsverhaltens, um den Erfolg von Trainingsmaßnahmen und die Einhaltung der Vorschriften zu gewährleisten

Regelmäßige Prüfung der Maßnahmen

Herr Dr. Luzian Baumann, Wetzlar, stellte heraus, dass der Ausgangspunkt für das Risiko-Assessment in der Apotheke der für Apothekenmitarbeiter und auch Patienten zulässige Grenzwert von 0,15 μg/Person/Tag ist. Wie sollte diese Kontamination in das Produkt applikationsfertige Zytostatikalösung hinein kommen?

Im Rahmen der MEWIP-Studie (BGW) ergab sich ein Orientierungswert von 0,1ng/cm² (1μg/m²) für gefundene Flächen-kontaminationen. Das würde bedeuten, dass die Kontamination von 0,15m² Fläche (30cm x 50cm) quantitativ in das Produkt „über-führt“ werden müsste. Die von Zytostatika-Herstellern erreichten und nachgewiese-nen Außenkontaminationen bei gelieferten

GMP 2006 [4]

3.6: „Um das Risiko einer ernsten Gesundheitsschädigung durch Kreuzkontamination zu minimieren, müssen für die Produktion bestimmter Arzneimittel, wie solche aus hochsensibilisierenden Stoffen (z.B. Penicilline) oder biologische Zubereitungen (z.B. aus lebenden Mikroorganismen), fest zugeordnete und in sich geschlossene Räume/Einrichtungen zur Verfügung stehen. Die Produktion weiterer Produkte, wie bestimmter Antibiotika, Hormone, Zytostatika, hochwirksamer Arzneimittel sowie von Erzeugnissen, die keine Arzneimittel sind, sollte nicht in den gleichen Räumen/Einrichtungen erfolgen. Für diese Produkte kann jedoch in Ausnahmefällen das Prinzip der Produktion in Kampagnen in den gleichen Räumen/Einrichtungen unter der Voraussetzung akzeptiert werden, dass spezielle Vorsichtsmaßnahmen getroffen werden und die notwendigen Validierungen durchgeführt sind. Die Herstellung technischer Gifte, wie Pestizide und Herbizide, sollte in Räumlichkeiten, die zu Herstellung von Arzneimitteln benutzt werden, nicht erlaubt sein.“

5.9: „Die Bearbeitung unterschiedlicher Produkte sollte nicht gleichzeitig oder nacheinander in demselben Raum durchgeführt werden, es sei denn, es besteht keine Gefahr der Verwechslung oder Kreuzkontamination.“

Abb. 1: Pharmazeutische Industrie versus Apotheke

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6. NZW in Dresden

Vials liegen typischerweise im Bereich von unter 1ng/cm² bis 80-90ng/cm². Die Außen-kontamination eines solchen Vials wäre ebenfalls komplett ins Produkt zu überfüh-ren. Auch bei vorhandener Handschuh- und Luftkontamination würde sich ein solches unwahrscheinliches Szenario ergeben.

Eine Kontamination in der angegebenen Größenordnung von 0,15μg/Person/Tag während einer Zytostatika-Herstellung in ein Produkt zu überführen, bei der offene Flächen von wenigen mm² nur wenige Sekunden vorkommen noch dazu in einer Werkbank (SfZ) der Klasse A und im Vorfeld abgereicherten Außenkontaminationen der eingesetzten Vials und dem generell einma-ligen Einsatz von Einmalartikeln sei deshalb praktisch ausgeschlossen.

Wesentlicher Unterschied zwischen der großtechnischen Produktion in der phar-mazeutischen Industrie und der Zubereitung in der Apotheke sind die Größen der tat-sächlich produktberührenden und deshalb zu reinigenden Oberflächen. Ein Vergleich eines Ansatzkessels oder großen offe-nen Behältnissen mit Rohrleitungen und Transportschnecken im Pharmabetrieb (mit produktberührenden Oberflächen im Quadratmeterbereich für mehrere Stunden) mit den konkreten Bedingungen während der Zytostatika-Herstellung in der Apotheke (mit produktberührenden Oberflächen im Quadratmillimeterbereich für wenige Sekunden) und damit die Übertragung aller Forderungen von Industrie auf Apotheke sei nicht zulässig (Abb. 1), da in Apotheken als produktberührende Gefäße und Transfereinrichtungen ausschließlich Einmalartikel verwendet werden. Dies entspricht dem geforderten Einsatz von „dedicated facilities“. Theoretisch möglich wären relevante Kreuzkontaminationen unter diesen Bedingungen lediglich als Folge von Fehlverhalten, wie z.B. der Mehrfachverwendung von Spikes, der unsachgemäßen Verwendung von Brechampullen oder dem Mörsern von Tabletten in der Werkbank. Die Einhaltung der entsprechenden Regelungen wird durch organisatorische Maßnahmen, d.h. insbe-sondere effektive Schulungen erreicht. Aus

den gleichen Gründen ist auch ein Eintrag von Reinigungs- oder Desinfektionsmitteln in die zubereiteten Produkte auszuschließen, da die produktberührenden Einmalprodukte ja nicht für ein anderes Produkt verwendet und daher nicht zwischen dem Kontakt mit zwei Produkten gereinigt und desinfiziert werden.

Die AATB-Umsetzungsempfehlungen bzgl. der Fragen zu Abs. 1 Nr. 2 ApBetrO sind – so stellte Baumann klar – zu prä-zisieren, um die derzeitige inhaltliche Vermischung von Kontamination (hier ist die Verschleppung von Zytostatika gemeint), Kreuzkontamination und Verwechselung zu vermeiden, bspw.:1. Technische Maßnahmen zur Ver-

meidung von Kreuzkontaminationen: Verwendung von Einmalartikeln Zweckbestimmte Räume und Werk-bänke nach Gefährdungspotential

2. Organisatorische Maßnahmen zur Vermeidung von Kreuzkontaminationen: Vollständiges Entfernen aller vorher ver-wendeten Materialien

Kampagnenherstellung3. Organisatorische Maßnahmen zur

Vermeidung von Verwechselungen: 4-Augen-Prinzip

Schnelldesinfektion ohne Zytostatika-Verschleppung sowie Reinigung und Desinfektion der Sicherheitswerkbank für Zytostatika (Abb. 2 und 3) sind klar im QMS der Apotheke geregelt. Wichtig für die Umsetzung der ApBetrO sei vor allem gesunder Menschenverstand sowie die Kenntnis und die Analyse der tatsäch-lich ablaufenden Prozesse. Die Gefahr der Kreuzkontamination ist bei der Art der Herstellung mittels Einmalartikeln ausge-hend von Fertigarzneimitteln praktisch Null. Von produktfernen Oberflächen oder gar der Luftüberströmung von einer Werkbank zu einer anderen gehe keine Gefahr aus.

Anders ist die Gefahr von Verwechslungen bei der Zytostatika-Herstellung (100 % Kreuz kontamination!) einzuschätzen. Durch organis atorische Maßnahmen und Vorgaben sowie ein 4-Augenprinzip bei Art und Menge des Zytostatikums ist auch diese Gefahrenquelle sicher auszuschließen.

Diskussion

Kreuzkontamination im GMP-Bereich bedarf einer realistischen Betrachtung, so Frau Dr. Beate Reutter, Kiel. In die ApBetrO seien

Dr. rer. nat. Luzian Baumann NZW Dresden, 04.-05. Juli 2014 14

Schnell-Desinfektion ohne Zytostatika-Verschleppung

Abb. 2: Schnell-Desinfektion ohne Zytostatika-Verschleppung (Fotos: L. Baumann)

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Onkologische Pharmazie | 16. Jahrgang | Nr. 3/2014 | 39

6. NZW in Dresden

einige GMP-Begriffe eingeflossen. Der eine oder andere Begriff, wie Validierung und Qualifizierung, sei auch zu nutzen, da es dies-bezüglich keine großen Unterschiede zwi-schen Apotheke und Industrie gäbe.

Es ginge jedoch nicht darum, das Fehlen von Kreuzkontaminationen in den Zubereitungen (aus Sicht des Inneren eines Vials) nachzu-weisen, wenn man mit Vials und Beuteln aber nicht mit offenen Ampullen arbeitet. Sondern auf Basis der MEWIP-Studie sei davon auszugehen, dass Kontaminationen von toxischen Substanzen außen am Beutel bis zum Patienten gelangen. Dies sei durch Apotheken im Interesse des Patienten und des Pflegepersonals durch Veränderungen des Materialflusses zu optimieren bzw. gezielt Gefahren zu minimieren. Der Begriff „Crosscontamination“ müsse für die Apotheken in Teilen erweitert ausge-legt werden als für den GMP-Bereich. Hier sei eine weitere Abstimmung der Behörden erforderlich.

Für das AATB-Papier sind die einzel-nen Abschnitte des §35 ApBetrO mit der Zielstellung diskutiert worden, was muss die Behörde zu den einzelnen Punkten sagen. Es ist in diesem Sinne keine wissenschaftliche

Abb. 3: Reinigung und Desinfektion der Sicherheitswerkbank für Zytostatika (Fotos: L. Baumann) Dr. rer. nat. Luzian Baumann

NZW Dresden, 04.-05. Juli 2014 15

Reinigung und Desinfektion der SfZ

Arbeit, sondern eine Zusammenstellung ers-ter Hinweise zur Umsetzung.

Dieses Statement wurde von Frau Dr. Kiffmeyer begrüßt, insbesondere unter dem Aspekt, dass Apotheken ansonsten gezwungen wären, analytische Nachweise zu erbringen, dass während der Zytostatika-Herstellung keine Desinfektionsmittel und Zytostatikareste in Infusionsbeutel gelan-gen. Auf Nachfrage aus dem Auditorium betonte sie, dass eine Reinigungsvalidierung wie im industriellen Maßstab z.B. mit-tels „swab“- oder „last rinse“-Methode für Apotheken nicht relevant sei. Bei größe-ren Kontaminationen sei eine zusätzli-che Reinigung erforderlich, bei der dann Produktschutz und Arbeitsschutz Hand in Hand gehen. Als Grenzfall sei jedoch das Mörsern bei der Kapselherstellung anzuse-hen, da dann produktberührende Oberflächen im größeren Maßstab als bei einem Transfer vom Vial in Infusionsbeutel zu beachten seien.

LITERATUR

1 EudraLex-Volume 4 GMP Annex 1: Manufacture of Sterile Medicinal Products - revision November 2008, Internet: http://www.gmp-compliance.org/guidemgr/files/ANNEX 01 [2008].PDF; Herkunft/

Verlag: European Commission - Enterprise and Industry Directorate General - Consumer goods - Pharmaceuticals - Deutschsprachige Version: http://www.bmg.bund.de/fileadmin/redaktion/pdf_geset-ze/bekanntmachungen/Anhang-1-GMP-Leitfaden.pdf

2 International Conference on Harmonisation of Technical Requirements for Registration of Pharmaceuticals for Human Use: Assessment and Control of DNA-Reactive (Mutagenic) Impurities in Pharmaceuticals to Limit Potential Carcinogenic Risk M7, 23 June 2014, http://www.ich.org/fileadmin/Public_Web_Site/ICH_Products/Guidelines/Multidisciplinary/M7/M7_Step_4.pdf; Concept Paper on revision of Annex 15 of the GMP guide (EMA/INS/GMP/705397/2012), European Medicines Agency, November 2012. http://www.ema.europa.eu/docs/en_GB/document_library/Scientific_guideline/2012/11/WC500135154.pdf

3 International Conference on Harmonisation of Technical Requirements for Registration of Pharmaceuticals for Human Use: Assessment and Control of DNA-Reactive (Mutagenic) Impurities in Pharmaceuticals to Limit Potential Carcinogenic Risk M7, 23 June 2014, http://www.ich.org/fileadmin/Public_Web_Site/ICH_Products/Guidelines/Multidisciplinary/M7/M7_Step_4.pdf; Entwurf der SWP-Guideline on setting health based exposure limits for use in risk identification in the manufacture of different medicinal products in shared facilities: http://ec.europa.eu/health/files/gmp/2013_gmp_pc_en.pdf; Concept Paper on revision of Annex 15 of the GMP guide (EMA/INS/GMP/705397/2012), European Medicines Agency, November 2012. http://www.ema.europa.eu/docs/en_GB/document_library/Scientific_guideline/2012/11/WC500135154.pdf

4 Leitfaden der Guten Herstellungspraxis Anlage 2 zur Bekanntmachung des Bundesministeriums für Gesundheit zu § 2 Nr. 3 der Arzneimittel- und Wirkstoffherstellungsverordnung vom 27. Oktober 2006 (Banz. S. 6887) Leitfaden der Guten Herstellungspraxis, Kapitel 3 Räumlichkeiten und Ausrüstung und Kapitel 5 Produktion

5 EMA Update on revision of Chapters 3 and 5 of the GMP Guide: „Dedicated facilities”2009 EMA/INS/GMP/809387/2009; http://www.ema.europa.eu/docs/en_GB/document_library/Report/ 2010/01/WC500039911.pdf] sowie „dedicated facilities“, wenn Reste aktiver Substanzen nicht weiter reduziert werden können oder keine toxikologischen Grenzwerte vorliegen sollten [Concept Paper on revision of Annex 15 of the GMP guide (EMA/INS/GMP/705397/2012), European Medicines Agency, November 2012. http://www.ema.europa.eu/docs/en_GB/document_library/Scientific_guideline/2012/11/WC500135154.pdf]]. Der Anfang des Jahres veröffentlichte Entwurf der GMP 2014 [Entwurf zu Kapitel 3 des EU-GMP-Leitfa-dens http://ec.europa.eu/health/files/gmp/gmp_chapter3_en.doc; Entwurf zu Kapitel 5 des EU-GMP-Leitfadens http://ec.europa.eu/health/files/gmp/gmp_chapter5_en.doc

6 Entwurf zu Kapitel 3 des EU-GMP-Leitfadens http://ec.europa.eu/health/files/gmp/gmp_chapter3_en.doc; Entwurf zu Kapitel 5 des EU-GMP-Leitfadens http://ec.europa.eu/health/files/gmp/gmp_chap-ter5_en.doc

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6. NZW in Dresden

1. Einführung

Die Moderatorin Frau Dr. Christina Bendas, Dresden, gab in ihrer Einführung einen kurzen Abriss zur historischen Entwicklung dieser pharmazeutisch-onko-logischen Dienstleistung: Ausgehend von der Vorbereitung zur Applikation auf den Stationen bzw. in den Ambulanzen erfolgte in den 1990er Jahren aus gefahrstoffrecht-lichen Gründen die Zentralisierung der Zubereitung in den Apotheken. Die 1998 veröffentlichte AOLG-Richtlinie (1) sollte für eine Vereinheitlichung der unterschiedlichen Länderregelungen zur Überwachung Zytostatika-herstellender öffentlicher und Krankenhaus-Apotheken sorgen. Die Entwicklung der ursprünglichen Zubereitung zu einer qualitätsgesicherten pharmazeutischen Dienstleistung gelang

mit der Etablierung von Qualitätsstandards durch die Apotheker. Die QuapoS (1996), die Leitlinien von BAK (2001) und ADKA (2002) zur aseptischen Herstellung von Parenteralia wurden veröffentlicht und die ApBetrO 2012 nahm mit §35 erstmalig Bezug zur Herstellung von Arzneimitteln zur parenteralen Anwendung.

Kurz vor Ende der zweijährigen Übergangs-frist für die Umsetzung der Forderungen aus §35 wurde das FAQ-Papier der AATB (Länderarbeitsgruppe Arzneimittel-, Apotheken-, Transfusions- und Betäubungs-mittelwesen) im Februar 2014 veröffent-licht (2). Dieses orientiere sich an den Arzneibuchmonografien „Methoden zur Herstellung steriler Zubereitungen“ und „Pharmazeutische Zubereitungen“ sowie dem PIC/S PE 010-Dokument (3–5) und gehe von einer Risikobeurteilung im Einzelfall aus.

Basis einer Risikobewertung könne ein Qualitätsrisikomanagement ähnlich dem des in der ICH Leitlinie Q9 (6) beschriebenen, in vereinfachter Form sein. Die Bewertung der Risiken sollte danach auf wissenschaft-lichen Erkenntnissen beruhen. Zu berück-sichtigen sei, dass die Implementierung eines Prozesses zur Risikoreduzierung immer auch neue Risiken in das System bringen kann.

Probleme bei der Interpretation des §35 ApBetrO entstünden vor allem durch die Verwendung nicht einheitlich definierter Begriffe („geschlossene Systeme“, “offene Systeme“) aber auch durch Ungenauigkeiten bei der Zuordnung bzw. Übersetzung der Begriffe Rekonstitution, Zubereitung oder Herstellung.

Eine Veröffentlichung aus den USA zu ver-gleichenden Untersuchungen des Einflusses der Umgebung auf die mikrobiologische Qualität der i.v.-Zubereitung kam zu der interessanten Schlussfolgerung, dass die aseptische Herstellungstechnik des Personals einen bedeutenderen Einflussfaktor für die mikrobiologische Kontamination darstellt als die Umgebung, in der die Produkte her-gestellt werden (Kasten).

„The most important variable affecting microbial contamination of admixtures was the aseptic technique of personnel, not the environment in which the drugs

were compounded”

(Am J Health-Syst Pharm. 2005; 62:2386-92)

2. Statements der Fachexperten

Auf die Frage, wie hoch das Risiko einer mikrobiellen Kontamination bei der ein-fachen Rekonstitution sei, wies Frau Dr. Margret Seewald, Berlin, darauf hin, dass diese Frage nicht mit einer einfa-chen Prozentangabe zu beantworten sei. Im Vordergrund stehe das persönliche Hygieneverhalten des Mitarbeiters während des Arbeitsprozesses am offenen Produkt in der Laminairflowbox. Die Funktionsfähigkeit der Werkbank und damit die Qualität der dortigen Raumluft wird regelmäßig kont-rolliert, z.B. über Partikelmessungen, aktive Luftkeimsammlung bei Erstaufstellung, Wartung und nach Reparaturen etc.

Die passive Luftkeimsammlung als halbquan-titatives Verfahren über Sedimentations-platten ist hinsichtlich der Bedeutung für die Produktsterilität wissenschaftlich nicht belegt. Es handelt sich um ein gravita-tions abhängiges Verfahren. Damit sind die Ergebnisse turbulenzabhängig, d.h. die Sedimentationsplatten können steril sein, obwohl der Mitarbeiter nicht aseptisch arbei-tet und auch umgekehrt.

6. NZW-Dresden: Expertenforum

Mikrobiologische Validierung in der Zytostatika-Herstellung

Experten:

Dr. Luzian Baumann, Fachapotheker für Klinische Pharmazie, Zentralapotheke der Lahn-Dill-Kliniken GmbH, Wetzlar

Martin Hofmann, Apotheker, Aukamm-Apotheke, Wiesbaden

Dr. Beate Reutter, Landesamt für soziale Dienste Schleswig-Holstein, Außenstelle Kiel

Dr. Margret Seewald, Ärztin für Mikrobiologie und Infektionsepidemiologie, Umweltmedizin, Ärztliches Qualitätsmanagement, MedQM Berlin, Dezernentin für Infektionsschutz am Landesgesundheitsamt Brandenburg,

Elmar Wiederhake, Apotheker, Apotheke am Ansgar, Höxter

Moderatorin:

Dr. Christina Bendas, Fachapothekerin für Klinische Pharmazie und Onkologische Pharmazie, Pharmazeutisches Zentrum, Städtisches Klinikum Dresden-Friedrichstadt

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6. NZW in Dresden

Über die zur Qualitätskontrolle des steri-len Produktes eingesetzten mikrobiologi-schen Verfahren sollte eine belegbare wis-senschaftliche Evidenz vorhanden sein. Für den Nutzen von Laminar-Airflow-Decken in OP-Sälen wird mittlerweile die wissen-schaftliche Evidenz so gering eingestuft, dass deren Installation nicht mehr gefor-dert wird. In gut belegbaren Studien konnte gezeigt werden, dass die Raumluft auf die Rate der postoperativen Wundinfektionen auch im Bereich der Implantationschirurgie keinen Einfluss hat. Durch das technische Equipment und die Komponente Mensch entstehen sehr viele Turbulenzen, so dass der laminare Luftstrom nicht kontinuierlich auf-rechterhalten werden kann. Das gilt auch ana-log für das Arbeiten unter der Zytostatika-Sicherheitswerkbank. Die Aussagefähigkeit des halbquantitativen Verfahrens der Sedimentationsplatten ist damit fraglich. Die weiteren Raumluftbedingungen der Nebenräume sind von sekundärer Bedeutung und ihre Bedeutung für die Produktsterilität über Studien nicht belegt.

Unter Berücksichtigung der Apotheken-betriebsordnung (ApBetrO 2012), die der Stärkung der Patientensicherheit und zur flächendeckenden Aufrechterhaltung einer adäquaten Patientenversorgung dient, muss standortspezifisch über die Implementierung einer mikrobiologischen Validation im Detail entschieden werden. Dabei ist zu berücksichtigen, dass Leitlinien und DIN-Empfehlungen für die nichtindustrielle Zubereitung von Parenteralia in Apotheken keinen Gesetzescharakter haben, sondern als Entscheidungshilfe dienen.

Bei einer Modifikation dieser Vorgaben hin-sichtlich der mikrobiologischen Validierung liegt die Beweislast bei der Apotheke, d.h. vor Ort zu dokumentieren, dass mit dem durchgeführten Verfahren die Produktqualität gewährleistet werden kann. Umgekehrt stellt eine undifferenzierte strikte Einhaltung von Leitlinien und DIN-Empfehlungen keine Garantie bzw. keinen Freibrief für die sterile Herstellung von Parenteralia dar.

„Wöchentliche Sedimentationsplatten kann ich wissenschaftlich bei dem vorgegebenen technischen Equipment zum Nachweis der sterilen Arbeitsweise nicht nachvollziehen.“ Eine initiale personenbezogene Messung der Raumluftkontamination für die einzel-

nen Produktionsverfahren in der LAF über Sedimentationsplatten kann neben pro-duktnahen Kontrollen der herstellenden und assistierenden Person eine Maßnahme sein. Bei entsprechender Ergebnisanalyse, Festlegung interner Grenzwerte und Validierungskriterien ist eine deutliche Erweiterung der Luftkeimmessungsintervalle über Sedimentationsplatten sinnvoll.

Die direkte Produkt- und Personalqualität, z.B. über mikrobiologische Simulations-herstellung mit Nährmedien, Abklatsche der behandschuhten Hände, sind einrich-tungs- und personenbezogen in kürzeren Intervallen nach einem rollierenden Plan im Rahmen der Prozesskontrolle durch-zuführen. Schwerpunkt bei der mikrobio-logischen Validation sollten die Kontrollen der produktrelevanten Parameter mit Reduktion unnötiger Umfeldkontrollen sein. Daher ist die Forderung zu stellen, dass sowohl beratende Krankenhaushygieniker oder Mikrobiologen aber auch Behörden die Souveränität besitzen, individualspezi-fisch auf die so ermittelten mikrobiologi-schen Validierungsergebnisse einzugehen, um praxisnah, ohne Qualitätseinbußen des Produktes in Kauf nehmen zu müssen, Herstellungsprozesse zuzulassen.

Händeabklatsche und mikrobiologische Kontrollen der Endprodukte stehen im

Vordergrund zur Wahrung der Patienteninteressen und zur

Absicherung der Pharmazeuten.

Dr. Margret Seewald, Berlin

Herr Dr. Luzian Baumann, Wetzlar, führte in seinem Statement aus, dass nur eine Nährmedienabfüllung mit möglichst vielen

Transferschritten als Simulationsherstellung statt Realendprodukte zielführend sei. Auch eine regelmäßige möglichst tägliche per-sonenbezogene Validierung, die über die Eingangsvalidierung und die quartalsmä-ßige Revalidierung deutlich hinausgeht, sei erforderlich. Sedimentationsplatten in der Sicherheitswerkbank (SfZ) und im umge-benden Reinraum dienen in erster Linie der mikrobiologischen Reinraumklassifizierung. Wissenschaftliche Daten hierzu sind im ganz aktuell zum NZW Dresden 2014 erschienen QUAPOS 5 veröffentlicht.

Die Definition von Warn- und Aktions-grenzen für die Einzelwert betrach-tung sei ganz ohne komplizierte Formel (s. FAQ-Papier) möglich, bspw. indem man eine Warngrenze von 1 KBE und eine Aktionsgrenze von 5 KBE in der Einzelwertbetrachtung für einen Reinraum der Klasse A (SfZ) festlegt. Die in der Tabelle im Annex aufgeführten Grenzwerte bezie-hen sich immer nur auf Durchschnittswerte. Es sei legitim und auch pragmatisch für die Einzelwertbeurteilung die nächsthöhere Grenze festzulegen.

Herr Martin Hofmann, Wiesbaden, for-derte klare Vorschriften zu Beginn einer

Übergangsphase und nicht am Ende, wie bzgl. §35 ApBetrO, da in der Regel viel Geld in die Hand genommen werden müsste. Hofmann hatte sich bereits im Vorfeld von Umbauten mit seinen Aufsichtsbehörden in Verbindung gesetzt und in das Prozedere mit einbezogen. Da bei Personal- oder Generationswechsel in diesen Gremien mög-licherweise andere Entscheidungen getroffen werden könnten, erwartet er klare bundesein-heitliche Vorgaben.

Dr. rer. nat. Luzian Baumann

4

Warn- und Aktionsgrenzen für die Einzelwertbetrachtung

Warn- (WG) und Aktionsgrenzen (AG) bei mikrobiologischer Kontamination

Klasse Sedimentationsplatten(∅ 90mm) KBE/4h

Abklatschplatten(∅ 55mm) KBE/Platte

Handschuhabdruck(5 Finger) KBE/Handschuh

WG AG WG AG WG AGA 1 5 1 5 1 5B 5 50 5 25 5 25C 50 100 25 50 nicht festgelegt nicht festgelegt

D 100 200 50 100 nicht festgelegt nicht festgelegt

Abb. 1: Warn- und Aktionsgrenzen für die Einzelwertbetrachtung

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6. NZW in Dresden

Die bereits erreichte hohe Qualität der Produkte, so stellte Herr Elmar Wiederhake, Höxter, heraus, sei ebenso wie die Aufrechterhaltung der Qualität zu doku-mentieren. Bei der Umsetzung der Vorgaben aus der ApBetrO wären Augenmaß unter Berücksichtigung einer Risikoeinschätzung und eine kooperative Zusammenarbeit mit den Aufsichtsbehörden erforderlich. Für Wiederhake sei nicht nachvollziehbar, warum im Laufe der Zeit eine deutliche negativere Risikoeinschätzung des Herstellungsszenarios zustande gekommen ist.

3. Diskussion

3.1. Risikoeinschätzung für Zytostatika-Herstellung

Die Moderatorin gab die Frage, ob sich die Risikoeinschätzung verändert habe, gleich weiter an Frau Dr. Beate Reutter, Kiel. Diese betonte, dass die neue ApBetrO mit §35 etwas geregelt habe, das in den letz-ten 15 Jahren „vor sich hin dämmerte“. Denn es gab keine klaren Vorgaben für Überwachungsbeamte, an die sie sich hal-ten konnten, um nachzulesen, was zu tun sei, wenn Sterilherstellung angesagt ist. Und die Behörde sei auch auf Grund mangelnder Erfahrung sehr zurückhaltend gewesen. Von der standespolitischen Seite wären lediglich Einwürfe gekommen wie: Ihr fordert zu viel!

Bis 2008 mit Inkrafttreten des PIC-Leitfadens hätte eine Grauzone bestan-den, d.h. es gab in der Pharmakopoe über-haupt keine Regelungen, wie Compounding zu machen sei. Im Gegensatz zum USP war nichts da und es hat sich auch nie-mand aufgeschwungen, Standards zu set-zen. Auf der Grundlage des PIC-Leitfadens konnte dann auch in Schleswig-Holstein im Sinne von GMP für Apotheken (= GPP - Good Preparation Praxis) inspiziert wer-den. Zwischen 2008 und heute hätte sich das Risikoszenario nicht verändert, son-dern es wäre nur festgelegt worden, wel-che Anforderungen zu stellen seien, z.B. Reinraum A in B oder Reinraum A in C. Dies sei die entscheidende Fragestellung gewe-sen, die immer diskutiert worden wäre und die nun mit der neuen ApBetrO geklärt sei.

Bei der konkreten Umsetzung sah die Moderatorin Frau Dr. Christina Bendas

Probleme und fragte am Beispiel nach: ein Apotheker entscheidet, nach 15 Jahren Zytostatika-Herstellung ohne Abweichungen bei den vorliegenden mikrobiologischen Befunden und auf Basis der neu erstell-ten Risikobewertung, an seinem bisherigen Monitoring keinen Änderungen vorzuneh-men. Auf die Frage: Könne die Behörde den-noch fordern, dass häufigere Probennahmen erforderlich seien? antwortete Frau Dr. Beate Reutter, dass möglicherweise einige Überwachungsbeamte auf Grund mangeln-der Erfahrung die Praxisrelevanz vorliegender mikrobiologischer Befunde nicht ausreichend beurteilen und „über das Ziel hinaus schie-ßen“ könnten. Sie selber führt Erfahrungen im GMP an und habe bereits Strategien ent-wickelt, wie mit einem positiven Mediafill-Befund umzugehen sei.

Die Frage von Herrn Dr. Luzian Baumann, ob der Vorfall in Mainz im Herbst 2010 Einfluss auf die Entwicklung der ApBetrO in Richtung GMP-Maximalforderungen genommen habe, verneinte Frau Dr. Beate Reutter. Sie berichtete, dass der Auslöser für die Novellierung der ApBetrO eine Resolution der Europäischen Gesundheitsminister im Januar 2011 gewesen sei, die Aktivitäten in den Bereichen Apotheke und Ärzte, auch auf den Stationen gefordert haben. Deshalb seien u.a. die §§ 34 und 35 sowie das Qualitätsmanagementsystem in die ApBetrO aufgenommen worden. Bei der Entwicklung des FAQ-Papiers wurden natio nale und insbe-sondere auch internationale Vorgaben berück-sichtigt, denen wir etwas „hinterher hinken“.

3.2. Anzahl Zubereitungen für Validierung

Die Frage eines Ausrüsters und Apotheken-planers aus dem Auditorium war, ob für sechs Zubereitungen am Tag ein Reinraum A in B oder Reinraum A in C erforder-lich sei, wenn zwei Räume mit Schleuse (der Reinraumklasse C) neugebaut wer-den, und ob das Konzept zur Prüfung bei der Aufsichtsbehörde in Schleswig-Holstein vorgelegt werden könne?

Frau Dr. Beate Reutter erklärte: Man muss nicht A in B bauen, es reiche A in C, wenn eine entsprechende Qualifizierung vorge-legt wird. D.h. es besteht in diesem Fall ein Restrisiko. Hier stelle sich aus ihrer Sicht eher die Frage noch der Wirtschaftlichkeit für die Apotheke.

Eine Vertreterin der Landesdirektion Sachsen beurteilte 6 Zubereitungen am Tag in zweifacher Hinsicht als negativ: sowohl wirtschaftlich als auch hinsicht-lich der Produktqualität, da gerade in der Sterilherstellung ein gewisses spezialisier-tes Training des Personals notwendig ist, um ein gutes Produkt herzustellen. Die Qualität von sechs, sechshundert oder sechstausend Zubereitungen müsse gleich sein.

Frau Dr. Beate Reutter ergänzte, dass dies nur eine Einzelfallentscheidung nach Vorlage des kompletten Validierungskonzeptes sein könne, da es keine Standardlösungen gibt.

Neben der Wirtschaftlichkeit sind bei der Frage nach der sog. Mindestmenge weitere Aspekte aus Sicht von Frau Dr. Margret Seewald zu berücksichtigen. Es muss eine valide „saubere“ Basisvalidierung für die Beurteilung des Gesamtprozesses und damit für die Sicherung der Qualität des Endproduktes vorliegen. Die Gleichwertigkeit der Prozesskontrollen im Verhältnis zur Gesamtproduktionsmenge muss gegeben sein, d.h. sehr kleine Produktionsmengen und variable Produktionsintervalle können zur Folge haben, dass mehr Qualitätskontrollen durchgeführt werden müssen, um diese „Gleichwertigkeit“ zu erreichen. Nicht sel-ten spielt aber auch bei der Frage, solche Kleinmengen zu produzieren, die geografi-sche Lage der Apotheke mit der Fragestellung nach möglichen Alternativanbietern eine Rolle. So kann es erforderlich sein, auch kleine Mengen herzustellen, um eine ange-messene Patientenversorgung wohnort-nah aufrechtzuerhalten. In solchen Fällen sind sowohl der Pharmazeut als auch die Überwachungsbehörden gefordert, für die Gleichwertigkeit der Produktionskontrollen eine intensive Risiko-Nutzen-Abwägung vorzunehmen.

Die Qualität der Endprodukte ist nicht nur über Mindestmengen zu definieren.

Dr. Margret Seewald, Berlin

3.3. Flächendeckende Versorgung

„Wer kontrolliert die von der Fach-Info abweichende Haltbarkeit von Zytostatika-lösungen?“ fragte eine Teilnehmerin aus dem

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Auditorium nach. Die Kollegin wies darauf hin, dass aus den ständig wachsenden tech-nischen Anforderungen eine Reduzierung der Anzahl herstellender Apotheken resul-tiere und dadurch Zytostatikabeutel früher hergestellt und über weite Strecken trans-portiert werden. Seit Jahren werde von der Qualität der Zubereitungen gesprochen, aber letztlich nur die aseptische Herstellung kon-trolliert und andere Qualitätsmerkmale über die Sterilität hinausgehend nicht berück-sichtigt. Letztlich sei so die wohnortnahe Versorgung der onkologischen Patienten nicht zu gewährleisten.

Dass Zytostatikalösungen über weite Strecken und dabei drei bis vier Stunden transportiert werden, sei ihr bekannt, so Frau Dr. Beate Reutter. Es ergebe sich aus ihrer Sicht u.a. auch aus dem Ausschreibeverhalten der Krankenkassen. Die ApBetrO schreibt vor, dass zwischen Krankenhaus und ver-sorgender Apotheke nicht mehr als eine Stunde Fahrzeit liegen darf. Eine andere „lockere“ Versorgung von niedergelassenen Ärzten „entspricht möglicherweise politi-schen Intentionen“. Es sei zu hoffen, dass die Auswirkungen des SGB V nicht so massiv seien und die flächendeckende Versorgung aufrechterhalten werden könne.

Herr Martin Hofmann ergänzt, dass die Zytostatika-Herstellung nicht die „Cashcow“ in Offizin- und Krankenhausapotheke sei. Jetzt kämen noch die erhöhten technischen Anforderungen hinzu sowie ausreichendes und hochqualifiziertes Personal (mitunter auch im Schichtbetrieb). Zur Erfüllung der Anforderungen sei deshalb eine vernünftige Entlohnung erforderlich.

3.4. Trendanalyse

Das im FAQ-Papier beschriebene Vorgehen bei der Trendanalyse sei nicht nachvollzieh- und reproduzierbar. Aus dem Auditorium wurde gefragt: Wo gibt es eine entspre-chende Anleitung? Wie geht man bei einer Trendanalyse konkret vor?

Das FAQ-Papier gibt nur einen Rahmen und nicht alle Details vor, so Frau Dr. Beate Reutter. Die Trendanalyse als statistische Methode ist relativ gut im Internet beschrie-ben. Es sei hilfreich, Excel-Tabellen dabei zu nutzen. Man könne aber auch in Metapapier die definierten Grenzen und Werte eintragen

und eine Bewertung vornehmen. Wichtig seien eine Beobachtung über Jahre und der zügige Beginn mit bereits vorhandenen Daten. Von Bedeutung sei die Aussage, dass es sich bei diesen Betrachtungen nicht um Normalverteilungen handle.

Herr Dr. Luzian Baumann ergänzte dazu, die Trendanalyse macht bei Partikelmessung im Reinraum mit Normalverteilung Sinn, bei der Betrachtung von mikrobiologi-schen Werten eher nicht. Deshalb schlägt Baumann erneut anstelle der Ermittlung von Standardabweichungen die pragmati-sche Festlegung der für die Raumraumklassen relevanten Warn- und Aktionsgrenzen vor (Abb. 1). Bspw. beim Nachweis von 5 KBE an den Handschuhen muss diesen gezielt nach-gegangen werden.

Frau Dr. Beate Reutter als GMP-Inspektorin und Behörde könne der Argumentation dieser Folie nicht so zustimmen, sei aber zu einer Diskussion bereit. Im Bereich der Reinraumklasse A gelte für sie: Warngrenze = Aktionsgrenze = 1 KBE. Reutter verwies auf eine sehr schöne und erklärende Publikation zum mikrobiologischen Monitoring von Dr. Seifert in der Zeitschrift „Pharmazeutische Industrie“, die man auch kaufen könne.

Der Autor sei sehr versiert, jedoch sind seine Vorschläge nicht praktikabel für Apotheken, antwortete Herr Dr. Luzian Baumann.

Frau Dr. Margret Seewald schloss sich der pragmatischen Lösung wie von Dr. Luzian Baumann vorgeschlagen an, anstelle großar-tiger statistischer Modelle die mikrobiologi-schen Ergebnisse sowohl der personenbezo-genen als auch der Umgebungsvalidierung in einfachen Excel-Tabellen bzw. als gra-fische Kurven auf Millimeterpapier mit definierten Obergrenzen zu führen. Damit wird leichter erkennbar, an welchen Stellen Kontrollen durchgeführt werden, welche Konsequenzen sich aus den ermittelten Werten ergeben und welche Werte Einfluss auf die produktionstägliche mikrobiologische Herstellungskontrolle haben. Aus dieser ein-fachen Darstellung der mikrobiologischen Ergebnisse wird schnell deutlich, an welchen Stellen produktrelevante mikrobiologische Parameter (= kritische Stellen) erfasst werden. Mit diesen Ergebnissen kann man letztend-lich begründbar unnötige Umfeldkontrollen reduzieren.

Es geht nicht um ein System undifferen-zierter mikrobiologischer Umgebungs-untersuchungen, die gegenüber Behörden aufgezeigt werden können, sondern um die Identifizierung „kritischer Punkte“ in der Produktion und um die Sicherstellung der geforderten Sterilität des Endproduktes. Nur in der Auswertung und Trendanalyse der Mitarbeiter-, Produkt- und Umfeldproben können individuelle Prozessanalysen durch-geführt, unnötige Untersuchungen reduziert und einrichtungsspezifische Vali die rungs-protokolle erstellt werden.

Neben den kontinuierlichen Partikelzahl-messungen liegen bei unkritischer Umsetzung der mikrobiologischen Umgebungs-untersuchungen letztendlich so viele mik-robiologische Daten vor, die weit über das hinausgehen, was im Rahmen akkredi-tierter Laboratorien für mikrobiologische Verfahrens- oder Methodenvalidierungen gefordert wird. Ein sinnvoller Umgang mit einer solch komplexen Datenfülle ist nicht mehr praktikabel.

„Wie sollten uns davor hüten, mikrobiologische Ergebnisfriedhöfe

zu produzieren!“

Dr. Margret Seewald, Berlin

Frau Dr. Beate Reutter betonte, dass sie zwar mit seitenlangen Übersichten von Daten etwas anfangen könne, diese jedoch als Darstellung in Grafiken aussagekräfti-ger sind und eine Aufarbeitung bspw. auf Millimeterpapier oder mittels Excel drin-gend erforderlich sei.

Herr Dr. Luzian Baumann schloss dar-aus zusammenfassend, dass anstelle von Rohdaten eine Visualisierung der Daten für die Behörden unbedingt erforderlich sei.

Frau Dr. Margret Seewald sieht in den vorgelegten Kurven und durchgeführ-ten Trendanalysen aller produktrelevan-ten mikrobiologischen Parameter eine Chance zur Diskussion mit den Behörden „auf Augenhöhe“. Man kann gemein-sam standortspezifisch diskutieren, welche Schlussfolgerungen und Konsequenzen aus den Kurvenverläufen abzuleiten sind. Es ermöglicht die Reduktion unnötiger Umfeldkontrollen, ggf. aber auch notwen-

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6. NZW in Dresden

dige Nachschulungen einzelner Mitarbeiter. Insgesamt kann man so ein risikominimie-rendes Maßnahmenbündel festlegen.

3.1. Transportvalidierung

Eine weitere Frage aus dem Auditorium ging davon aus, dass wir uns bei den vielen Validierungen immer in der Apotheke bewe-gen, jedoch würden Zytostatikalösungen auch zum Anwender transportiert werden. Wie sollte man diesen Transport validieren?

Frau Dr. Beate Reutter gab zu bedenken, dass die grundsätzlichen Transportbedingungen und die Haltbarkeit lt. Fach-Info bekannt sind. Bei Transport innerhalb der vorgegebe-nen Grenzen prüfe sie die Transportboxen. Transporttemperaturen könne man zwischen-zeitlich auch bei geschlossener Box mittels Datenlogger auslesen. Im Augenblick stehe dies jedoch aus Sicht der Behörde noch nicht im Fokus.

Frau Dr. Margret Seewald warnt vor über-bordenden wissenschaftlich nicht zu bele-genden Vorschriften, die dazu führen, dass nur wenige Apotheken Zytostatikalösungen herstellen. Daraus resultiere letztendlich eine weitere Verlängerung von Transportzeiten.

Für zertifizierte Transportunternehmen gehö-ren Thermologger für den Transport tem-peraturkritischer Produkte zum Standard. Wenn notwendig, kann man einen Auszug aus diesen Messprotokollen anfordern. Mikro biologische und immunologische Untersuchungsproben sowie Blutprodukte müssen temperaturkontrolliert transpor-tiert werden. Hinsichtlich der Produkt- und Ergebnisqualität sind die Toleranzbreiten deutlich enger. Unter Einhaltung qualifizier-ter Transportbedingungen ist eine zusätz-liche Transportvalidierung fachlich nicht nachvollziehbar.

Kritischer und damit prüfungsrelevanter wäre mit Aufnahme eines solchen Transportes die Kontaminationsvalidierung. Es sollte nachvollziehbar sein, dass die gewählten Transportkisten und Verpackungen geeig-net sind, Sekundärkontaminationen zu ver-hindern. Dabei ist zu berücksichtigen, dass ein Transport mit Lösungen zur parentera-

len Ernährung oder Schmerzpumpen hin-sichtlich einer möglichen mikrobiologi-schen Kontamination wesentlich kritischer einzustufen ist als eine Zytostatika-Lösung. Art und Häufigkeit einer Kontaminations-validierung sollte man in Absprache mit dem untersuchenden mikrobiologischen oder krankenhaushygienischen Labor treffen.

Die Behörde könne nur für den Verantwor-tungs bereich der Apotheke zuständig sein, betonte Frau Dr. Beate Reutter.

Bei Verlängerung des Transportprozesses sei eine intensivere Validierung erforderlich, so Herr Elmar Wiederhake.

Frau Dr. Beate Reutter warf ein, dass die Apotheke ein steriles Produkt abliefert und dort kein Keim wachsen könne. Das Problem wäre die physikalisch-chemische Stabilität der fertigen Lösung, die bspw. durch Temperaturänderung oder inten-sives Schütteln während des Transportes Veränderungen erfahren könne. Durch die Überwachung würden im Rahmen der GMP-Inspektionen die Transportbedingungen der großen Pharmaunternehmen, die jetzt erst mit Transportvalidierungen begonnen hätten, genauer betrachtet. Diese seien aber noch nicht ausreichend untersucht.

3.2. Kontinuierliches Partikelmonitoring

Als letzte Frage aus dem Auditorium wurde zugelassen: Besteht ein Zusammenhang zwi-schen partikulärer Luftreinheit und mikrobiel-ler Luftreinheit? Wenn nein, ist OP-Kleidung erforderlich und wenn ja, ist dann kontinu-ierliches Partikelmonitoring nötig?

Das sei eine Frage, die die GMP-Inspektoren schon lange umtreibt, antwortet Frau Dr. Beate Reutter. Im Annex 1 des GMP-Leitfadens ist die Partikelgröße von 5μm festgelegt. Der Zusammenhang zwischen partikulärer und mikrobieller Luftreinheit werde immer konstruiert. Dazu gibt es eine Doktorarbeit aus Berlin. Diese belege, dass es keinen Zusammenhang zwischen 5μm-großen Partikeln und einer mikrobio-logischen Kontamination bzw. Luftkeimzahl gibt. Dieses Ergebnis sei als realistisch einzuschätzen.

„Doktorarbeit belegt, dass es keinen Zusammenhang zwischen 5µm-großen Partikeln und einer mikrobiologischen

Kontamination bzw. Luftkeimzahl gibt!“

Dr. Beate Reutter, Kiel

Annex 1 ist ein internationales Konventions-verfahren, wie Sterilherstellung funktionie-ren sollte, wobei die aseptische Herstellung als besonders relevant eingeschätzt wird, stellte Frau Dr. Beate Reutter heraus. Abweichungen vom Konventionsverfahren sind zu begründen und auf Dauer inten-siv zu belegen. Behörden sind gehalten, die Einhaltung der Konventionsverfahren ein-zufordern. Deshalb könne diese Frage nicht beantwortet werden.

Take-home-Message:

Nehmen Sie nichts unkritisch hin, was Ihnen vorgesetzt wird. Hinterfragen

und analysieren Sie das Problem genau. Und setzen Sie sich mit den Behörden

ins Benehmen. Reden Sie mit den Behörden über Ihre Probleme und argu-

mentieren Sie fachlich. Dann lassen sich diese Probleme oft gemeinsam

lösen oder sind keine mehr - wie heute auch zu sehen war.

Die Zytostatika-Herstellung ist und bleibt ein Handwerk!

Dr. Christina Bendas, Dresden

1 Zytostatika-Richtlinie der AOLG: Herstellung applikationsfertiger Zytostatikalösungen in Apotheken.DAZ Jg.138 (1998) Nr. 43, S. 4176-82

2 http://www.akberlin.de/fileadmin/akb/aktuelles/Apothekenbertriebsordnung/ApBerO_Para-gr_35_FAQ_aktuell.pdf

3 Europäisches Arzneibuch, Ph. Eur. Kapitel 5.1.1 „Methoden zur Herstellung steriler Zubereitun-gen“

4 Europäisches Arzneibuch, Ph. Eur. Kapitel 5.1.4 „Mikrobiologische Qualität von nicht sterilen pharmazeutischen Zubereitungen und Substanzen zur pharmazeutischen Verwendung“

5 PIC/S PE 010-3 Good Preparation Practice (GPP), Guide to good practices for the preparation of medicinal products in healthcare establishments

6 http://www.gmp-berater.de

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Who is who

Man könnte sagen, sie ist ein bunter Vogel. Beruflich wie privat verlief ihr Leben alles andere als geradlinig.

Geboren in einem kleinen Dorf in der Eifel, zieht die kleine Sigrid Rosen mit ihrer Familie in eine Stadt nahe Köln. Ein Glück, denn hier gibt es bessere Bildungschancen für Mäd-chen. Nach dem Abitur studiert sie Kunst und Geschichte. Doch die Berufsaussich-ten sind schlecht - im Nachhinein erneut großes Glück: Der Weg für einen anderen, unkonventionellen Weg wird frei. Nach ei-nem Job als „Vorzimmerdame“ wird sie die erste Gleichstellungsbeauftragte des Krei-ses Aachen. Sie baut das Büro auf und lernt nach einigen Jahren in den Sitzungen mit der Handwerkskammer ihren späteren Mann, heute Manager in Hamburg, kennen.

Gemeinsam zieht das Ehepaar nach Schwä-bisch Hall, wo Sigrid Rosen-Marks für zwei private Kunstakademien arbeitet. Sie findet hier zu ihren Wurzeln zurück: Kunst ist ihre Sache. Sie beginnt wieder zu malen. Nach dem Umzug nach Wiesbaden unterrichtet sie an der dortigen VHS Kunstgeschichte.

Doch dann häufen sich gesundheitliche Pro-bleme. Der unerfüllte Kinderwunsch belas-tet ihr Leben. Schließlich die Diagnose: Ova-rialkarzinom. Die Behandlung glückt. Sigrid

Who is who

Rosen-Marks bleibt gesund und ändert ihr Leben: Sport, gesunde Ernährung und psy-chologische Aufarbeitung der traumatischen Kindheit bestimmen nun ihren Alltag. Und sie beginnt zu singen. Fünfzehn Jahre singt sie in Chören.

Sie schreibt immer mehr. Das Malen tritt in den Hintergrund. Nach dem Umzug nach Hamburg drängt sie ein unkundiger Gynä-kologe dazu, ihren Tumormarker bestimmen zu lassen. Ihr erfahrener Arzt in Wiesbaden hatte ihr eigentlich davon abgeraten. „Mein größter Fehler“, wie sie sagt. Es folgen drei angstvolle Jahre mit hoher Strahlenbelas-tung.

Aber sie war und ist gesund! Wieder eine Wende: Die Zeitschrif t „BRIGITTE“ be-richtet 2008 über ihre Krankengeschich-

te. Danach meldet sich die Redaktion der Onkologischen Pharmazie bei ihr und sie bekommt zum zweiten Mal im Leben die Chance, etwas für Menschen zu bewegen: Frau Rosen-Marks wird Patientenvertrete-rin unserer Zeitschrift, die unseren Lese-rinnen und Lesern von zahlreichen „gegen den Strich gebürsteten“ Textbeiträgen und wunderschönen Zeichnungen und Aquarel-len bekannt ist. Und es gibt ein neues Pro-jekt: Sie schreibt ein Buch über ihre Fami-liengeschichte. Aber das wird einige Jahre dauern, wie sie mir sagt. Das Schönste ist heute ihr riesiger Schrebergarten, in dem ihr Atelierhäuschen steht. Den fast 800 qm großen Garten pflegt und gestaltet sie ge-meinsam mit ihrem Mann. Beide sind be-geisterte Gärtner.

Wir, in der Redaktion der ONKOLOGISCHEN PHARMAZIE, kennen Frau Rosen-Marks nur in Begleitung ihres kleinen, schwarzen Pu-dels Felix. „Ein weiterer Glücksfall in mei-nem Leben“, wie sie mir sagt.

Der Weg aus dem Eifeldorf mit einfachem sozialem Hintergrund hinein in ein privi-legiertes Leben war nicht leicht. Vielleicht erklären sich daraus die Lebensziele von Sigrid Rosen-Marks: innere Zufriedenheit, die innige Verbundenheit mit Menschen und das Leben ihrer Talente.

Bearbeitet von Gisela Sproßmann-Günther, Berlin

Heute: Sigrid Rosen-Marks

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Informationen aus der Industrie

Die Deutsche CLL-Studiengruppe (DCLLSG) vergleicht in der CLL10-Stu-

die bei fitten Patienten mit unvorbehan-delter chronischer lymphatischer Leu-kämie (CLL) die Kombination von Ben-damustin und Rituximab (BR) mit dem FCR-Schema (Fludarabin, Cyclophospha-mid und Rituximab). Die Zwischenergeb-nisse (1) deuten an, dass BR bei fitten, älteren Patienten über 65 Jahre ähnlich ef-fektiv ist wie FCR, jedoch erheblich besser verträglich. In dieser Altersgruppe traten unter BR nur halb so viele schwere Infekti-onen auf, wie unter FCR. Bestätigt werden diese Daten durch das deutsche Tumor-register Lymphatische Neoplasien (TLN), dessen Ergebnisse beim ASH Kongress präsentiert wurden (2).

Die CLL gehört zu den niedrig malignen Lymphomen. Sie wird anhand eines klei-nen Blutbildes diagnostiziert, wobei eine Zahl von mehr als 5.000 klonalen B-Zel-len/µL im peripheren Blut als pathologisch gilt. Neue molekulare Methoden ermögli-chen heute eine genaue Klassifikation der Lymphozyten und es zeigt sich, dass bei 10-20% der über 80-jährigen Normalbe-völkerung Veränderungen im Immunsystem nachweisbar sind, sagte Professor Mar-tin Dreyling, München. Wenn noch spezi-fische Veränderungen am Antigen-Rezeptor der B-Zellen sowie zusätzliche genetische Faktoren hinzukommen, entstünde daraus eine maligne Erkrankung. „Für mich ist die CLL gar keine richtige Leukämie, sondern eine chronische Alterserkrankung“, erläu-terte Dreyling. Er verwies auf eine epide-miologische Erfassung des Tumorregisters München, die rund 4,6 Millionen Einwoh-ner einschließt. Sie zeigt, dass nur etwa ein Viertel der CLL-Patienten jünger als 65 Jahre sind.

Kriterien für die Behandlung der CLL

„Stadium C muss immer behandelt wer-den“, so Dreyling. In diesem Stadium sei im Knochenmark nicht genügend Platz für die gesunden Blutzellen vorhanden, um zu wachsen.

Die Therapie der CLL orientiert sich an der biologischen Fitness der Patienten. Bei den meisten, in der Regel älteren und weniger fitten Patienten bestand sie aus milden, gut verträglichen Therapien. Jüngere Patienten mit gutem Allgemeinzustand erhalten hin-gegen eine aggressivere Chemoimmunthe-rapie, die jedoch auch schlechter toleriert wird. Heute wird bei der Therapieentschei-dung grundsätzlich zwischen sehr fitten und sehr unfitten Patienten unterschieden. „Das war der Ausgangspunkt, bevor wir die Ergeb-

nisse der CLL10-Studie hatten“, erläuterte Dreyling. „Bei Patienten, die weder völlig fit noch völlig unfit war, war nicht klar, welche Therapie die bessere ist. Wir wussten, dass FCR für die älteren Patienten zu intensiv ist, sollten sie also BR erhalten?“ Diesbezüg-lich hat die CLL 10-Studie etwas Klarheit geschaffen. Ziele waren die Darstellung der Nichtunterlegenheit von BR im Vergleich zu FCR und Untersuchungen zur Verträglichkeit von BR und FCR.

Denn „Registerdaten zeigen, dass 65% der deutschen CLL-Patienten früher oder später BR erhalten. Trotzdem gab es bisher keinen klaren wissenschaftlichen Beleg dafür, ob BR eine gleichwertige oder günstigere The-rapieoption zu FCR ist“, wie der Studiense-kretär der CLL-Studiengruppe, Prof. Dr. med. Clemens Wendtner, München, erläuterte.

Bei chronischer lymphatischer Leukämie (CLL):Bendamustin plus Rituximab im Vergleich zu Fludarabin, Cyclophosphamid und Rituximab bei unvorbehandelten Patienten

INFORMATIONEN AUS DER INDUSTRIE

Abb. 1: Studiendesign der CLL 10 Studie

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Informationen aus der Industrie

Zwischenergebnisse der CLL10-Studie

In die Studie wurden 564 zuvor unbehandel-te und körperlich fitte CLL-Patienten (Cumu-lative Illness Rating Score, CIRS ≤ 6) in den Binet-Stadien C oder den behandlungsbe-dürftigen Stadien B oder A ohne 17p-Dele-tion und mit guter Nierenfunktion (Kreati-nin-Clearance ≥ 70 ml/min) eingeschlossen. Die Patienten erhielten randomisiert entwe-der 25 mg/m² Fludarabin und 250 mg/m² Cyclophosphamid an den Tagen 1-3 sowie im Zyklus 1 375 mg/m2 Rituximab und in den Zyklen 2-6 500 mg/m2 Rituximab oder 90 mg/m² Bendamustin an den Tagen 1-2 mit 375 mg/m2 Rituximab im Zyklus 1 und 500 mg/m2 Rituximab in den Zyklen 2-6.

Das mediane Alter der Patienten betrug 61 Jahre im FCR-Arm bzw. 62 Jahre unter BR. Wendtner verdeutlichte, dass im BR-Arm mit 21,5% deutlich mehr Patienten über 70 Jahre alt waren als im FCR-Arm (13,8%, p=0,020). Zusätzlich kam es zu einer Unausgewogen-heit bei der Verteilung der Patienten mit un-mutiertem IgHV-Status, der einen ungüns-tigen Prognosefaktor darstellt: im BR-Arm befanden sich signifikant mehr Patienten mit unmutierten IgHV-Status als im FCR-Arm (67,8% vs. 55,3%, p=0,003).

Insgesamt waren zum ASH 2013 die Daten von 547 der 564 eingeschlossenen Patien-ten hinsichtlich des Therapieansprechens auswertbar. „Das Gesamtansprechen be-trägt in beiden Therapiearmen 97,8%“, er-läuterte Wendtner. Ein komplettes Anspre-chen erreichten mehr Patienten unter FCR als unter BR (47,4% vs. 38,1%, p=0,031). FCR induziert zudem eine höhere Rate an MRD (minimal residual disease)-negativen Remissionen. Für FCR war das progressions-freie Überleben (PFS) zum Zeitpunkt der In-terimsanalyse noch nicht erreicht vs. 44,9 Monate im BR-Arm (p=0,041) (unpublizierte Daten, Vortrag Eichhorst, ASH 2013)

In der Gruppe der jüngeren Patienten unter 65 Jahren betrug das mediane PFS mit BR 36,5 Monate, während das mediane PFS mit FCR noch nicht erreicht ist (p=0,016). „Bei den jüngeren Patienten ist aus meiner Sicht relativ klar, dass FCR eine gewisse Über-legenheit hat.“, erläuterte Wendtner und fuhr fort: “Bei den älteren Patienten sieht

das aber anders aus. Hier ist kein signifi-kanter Unterschied zwischen BR und FCR zu verzeichnen“. Bei den Patienten über 65 Jahren, die insgesamt die Mehrheit der Pati-enten darstellen, beträgt das mediane Ge-samtüberleben unter FCR 45,6 Monate und ist unter BR noch nicht erreicht (p=0,757). „Dieselbe Analyse ist auch bei Patienten über 70 Jahren gemacht worden, da ergibt sich dasselbe Bild“, so Wendtner.

Nach 24 Monaten betrug das Gesamtüber-leben unter FCR 94,2% und unter BR 95,8% (p=0,593).

Ein Vergleich der Nebenwirkungen

Hinsichtlich schwerer Nebenwirkungen (Common Toxicity Criteria, CTC Grad 3-5) erwies sich BR als signifikant weniger ag-gressiv als FCR: 78,5% vs. 90,8% (p<0,001). Patienten unter BR hatten signifikant we-niger hämatologische Nebenwirkungen (66,9 vs. 90,0%, p=0,001) wie Neutrope-nien (56,8 vs. 81,7%, p<0.001) und Leuko-penien (47,8 vs. 79,6%, (p<0,001). Unter FCR entwickelten 39% der Patienten schwere Infektionen, dies war signifikant mehr als unter BR (25,4%, p=0,001). Bei Patienten über 65 Jahren betrug die Rate an schweren Infektionen im BR-Arm 24,7% und im FCR-Arm 47,4% (p=0,002). Insgesamt konnten im BR-Arm mehr Patienten alle sechs Be-

handlungszyklen erhalten als im FCR-Arm (80 vs. 71%) (1)

Wendtner erläuterte zusammenfassend die Auswirkung dieser Studiendaten auf seine persönlichen Therapieempfehlungen „BR ist meiner Einschätzung nach der aktuelle Standard für die älteren fitten Patienten“, sagte er. Er betonte noch einmal, dass nur 10-20% der CLL-Patienten jünger und sehr fit seien und für diese FCR weiterhin als Stan-dard gelte. Weniger fitte Patienten können nach seiner Einschätzung eine Bendamus-tin-Monotherapie erhalten, noch weniger fitte Patienten Chlorambucil plus Rituximab oder – bei schlechterem Zustand – nur Chlo-rambucil. Sehr unfitte Patienten sollten eine bestmögliche Supportivtherapie erhalten.

Patientenpopulation in CLL-Studien nicht repräsentativ für die Praxis

Was die zurzeit vorliegenden Studienda-ten für die CLL-Behandlung in der Praxis bedeuten, berichtete Prof. Dr. med. Wolf-gang Knauf, Frankfurt, aus Sicht eines nie-dergelassenen Hämato-Onkologen. Er wies darauf hin, dass die Altersgrenze in Studien häufig bei 65 Jahren liegt, während das me-diane Alter der CLL-Patienten bei Diagnose-stellung 72 Jahre beträgt. „Da wir wissen, dass zwei Drittel der Patienten anfangs gar nicht therapiebedürftig sind, können wir

Transplantatat-bedingte Mortalität

3.9 2.1 0.23

Nebenwirkungen CTC Grad 3-5

Nebenwirkungen(NW) FCR (%) BR (%) p-Wert

Alle 90.8 78.5 <0.001Hämatologische NW 90.0 66.9 <0.001Neutropenien 81.7 56.8 <0.001Leukozytopenien 79.6 47.8 <0.001Anämien 12.9 9.7 0.28Thrombozytopenien 21.5 14.4 0.036Infektionen 39.0 25.4 0.001

Eichhorst B, et al. ASH 2013:526

(Intervall: 1. Zyklus bis 3 Monate nach finalem Staging)

Tab. 1: Nebenwirkungen in der CLL10-Studie

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Informationen aus der Industrie

davon ausgehen, dass das mediane Alter bei Therapiebeginn tatsächlich bei 74-75 Jahren liegt. „Wenn ich Studiendaten mit einem Patientendurchschnittsalter von 61 Jahren betrachte, muss ich mich fragen, was das mit der Realität zu tun hat“, stell-te Knauf in Frage. Des Weiteren erklärte er, dass es problematisch sei, sich bei der Pla-nung von Studien auf das chronologische Alter von Patienten festzulegen. Vielmehr müsse man das biologische Alter berück-sichtigen, wofür es jedoch keine interna-tionalen Regeln, wohl aber Diskussionen hinsichtlich möglicherweise verwendbarer Punkte-Scores gebe.

Einordnung der vorläufigen Ergebnisse der CLL10-Studie für die Praxis

Bei der Rekrutierung für die CLL10-Studie war das biologische Alter – unter Berück-sichtigung des CIRS-Scores – verwendet worden. In der Studie waren jedoch nur etwa 14% der eingeschlossenen Patienten älter als 70 Jahre. Die Altersgruppe der über 70 Jährigen, zu der ein Großteil der CLL-Patien-ten gehört, war in der Studie also deutlich unterrepräsentiert. Ungefähr zwei Drittel der Patienten waren jünger als 65 Jahre. Bei diesen Patienten war das PFS in der Zwi-schenanalyse im FCR-Arm signifikant länger als im BR-Arm. In der Gruppe der Patienten ≥ 65 Jahre war das PFS unter BR genauso lang wie unter FCR. Knauf gab zu bedenken, dass es sich bei den vorgestellten Daten nicht um eine Endanalyse, sondern um eine Zwischenanalyse mit relativ kurzer Beob-achtungszeit handelt. Außerdem sei das statistische Design der Studie für solche Subgruppenanalysen und auch noch zum Zeitpunkt einer solchen Zwischenanalyse gar nicht ausgelegt. Er warnte davor, die Da-ten in die eine oder die anderer Richtung zu euphorisch auszulegen.

Besonders die hohe Infektionsrate unter FCR mit 39% schwere Infektionen (CTC Grad 3-5) stimme ihn bedenklich. Unter BR betrug sie 25,4%. „Das Erschreckende ist, dass das Infektionsrisiko nicht aufhört, sondern wei-tere Infektionen auftreten, wenn wir die Pa-tienten nach Ende der Therapie konsequent weiter beobachten“, berichtete er.

Daten des Tumorregisters zur Primärtherapie

Um zu untersuchen, ob die in Studien einge-schlossenen Patienten die Behandlungsreali-tät in Deutschland widerspiegeln, sammelt das Tumorregister Lymphatische Neoplasien (TLN) prospektive Daten u.a. zu den beiden Che-moimmuntherapien BR und FCR im klinischen Alltag in deutschen hämato-onkologischen Praxen. Im Rahmen des Registers werden die Patienten über fünf Jahre nachbeobachtet. Seit Mai 2009 wurden insgesamt 3.500 Patienten in das Tumorregister eingeschlossen. Auf der ASH Tagung 2013 präsentierte Knauf eine Ana-lyse von 485 CLL-Patienten, die BR oder FCR als Primärtherapie erhalten hatten (2).

Die Daten dieses Tumorregisters bestäti-gen, dass FCR eher bei jüngeren Patienten eingesetzt wird: Unter den mit BR therapier-ten Patienten (n=348) betrug das mediane Alter 70 Jahre, unter FCR (n=137) 63 Jahre (p<0,001). 26% der mindestens 70-Jährigen erhielten FCR, während 58% aller Patienten dieser Altersgruppe BR erhielten. Tumorsta-dien und Begleiterkrankungen waren in etwa gleichmäßig auf beide Therapien verteilt.

Zudem zeigen die Registerdaten, dass der Einsatz von BR seit 2009 kontinuierlich zu-

genommen und der von FCR kontinuierlich abgenommen hat. „Hier scheint sich auch eine Lernkurve unter uns niedergelassenen Hämatologen abzubilden. Das heißt, dass wir mit zunehmender Erfahrung im Umgang mit diesen Regimen natürlich auch unsere Präferenzen setzen“, interpretierte Knauf. Im Jahr 2013 war Bendamustin mit > 65% das am häufigsten eingesetzte Regime. Weniger als 15% der Patienten erhielten FCR.

Wie Knauf zusammenfassend feststellte, spiegelt das TLN-Register die Behandlungs-realität in Deutschland wider und bestätigt die Studiendaten der CLL10-Studie auch im praktischen Alltag.

[Nach einer Pressinformation zum Symposium der Mundipharma GmbH „CLL – die richtige Balance zwischen Wirksamkeit und Verträglichkeit“ anlässlich des 31. Deutschen Krebskongresses vom 19. bis 22. Februar 2014 in Berlin und Mundipharma Experten-gespräch für die Fachpresse am 20. Februar 2014 in Berlin]

LITERATUR:

(1) Eichhorst B et al. ASH Annual Meeting Abstracts, Blood 2013;122: Abstract 526

(2) Knauf W et al. ASH Annual Meeting Abstracts, Blood 2013;122: Abstract 4181

Frequency

Mean age(p<0.001)

≥ 70 yrs.(p<0.001)

B symptoms(p=1.000)

Bulky disease(p=0.420)

Tumour stageBinet C

(p=0.898)

Comorbidities(p=0.240)

Performance statusECOG ≥ 1(p=0.674)

BR(n=348)

FCR(n=137)

57%

62%

35%

15%

29%

26%

63 yrs.

22%

Patient characteristics in 1st-line treatment with BR or FCR

Abb. 2: Patientencharakteristika der CLL-Patienten im Tumorregister Lymphatische Neoplasien (TLN)

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Onkologische Pharmazie | 16. Jahrgang | Nr. 3/2014 | 49

Pressemitteilung

Die Strahlen- oder Radiotherapie, die im letzten Jahrhundert erstmals eine

wirksame Behandlung des Hodgkin-Lym-phoms ermöglicht hat, ist bis heute ein unverzichtbarer Bestandteil der Therapie geblieben. Zu dieser Einschätzung kommt die Deutsche Gesellschaft für Radioonko-logie (DEGRO) anlässlich der Ergebnisse einer europäischen Studie, in der Pati-enten im Frühstadium der Erkrankung keine Radiotherapie erhalten hatten. Da es ohne Bestrahlung häufiger zu Tumor-rückfällen kam, musste die Studie abge-brochen werden.

In Deutschland erkranken jedes Jahr etwa 2.000 Menschen an einem Hodgkin-Lym-phom. Früher war das Hodgkin-Lymphom unheilbar. Heute überleben mehr als 90 Prozent der Patienten. „Die Behandlung besteht im Frühstadium aus einer lokalen Bestrahlung mit vorhergehender Chemo-therapie“, erläutert Prof. Dr. med. F.Wenz, Direktor der Klinik für Strahlentherapie und Radioonkologie am Universitätskli-nikum Mannheim. „Mit den modernen Geräten kann die Bestrahlung exakt auf die Regionen begrenzt werden, die vom Tumor befallen sind, im Frühstadium des Hodgkin-Lymphoms sind dies häufig die Lymphknoten im Halsbereich“, sagt der DEGRO-Pressesprecher. Die Folgen der Bestrahlung auf der Haut, die allgemeine Müdigkeit, Abgeschlagenheit oder Kopf-schmerzen nach der Radiotherapie und insbesondere Spätnebenwirkungen seien heute seltener geworden. Dennoch gebe es seit Jahren Bestrebungen, auf die Be-strahlung zu verzichten. Prof. Wenz: „Dies ist verständlich, da bei vielen Patienten nach der am Anfang der Behandlung ste-

henden Chemotherapie nur noch residuel-le Lymphome, das heißt geringe Reste von Lymphknotenvergrößerungen, bildgebend nachweisbar sind, die vermeintlich als ge-ringes Risiko gewertet werden.“

Da die Positronen-Emissions-Tomographie (PET) auch kleinere Tumorreste sichtbar machen sowie zwischen aktiven und in-aktiven Resttumoren unterscheiden kann, hat die European Organisation for Rese-arch and Treatment of Cancer (EORTC) deshalb in der H10-Studie untersucht, ob bei Patienten, bei denen nach einer anfänglichen Chemotherapie keine Tu-mormanifestationen, also keine aktiven Herde, mehr im PET sichtbar sind, auf eine Bestrahlung verzichtet werden kann. An der Studie nahmen 1.137 Patienten in Frühstadien I und II aus mehreren euro-päischen Ländern teil, bei denen erst we-nige Lymphknotengebiete befallen waren.

„Nach einer geplanten Zwischenauswer-tung musste die Studie abgebrochen wer-den“, berichtet Prof. Dr. med. H. T. Eich, Direktor der Klinik für Strahlentherapie/Radioonkologie am Universitätsklinikum Münster und Sprecher des Radiothera-pie-Expertenpanels der Deutschen Hod-gkin Lymphom Studiengruppe (GHSG): „Nach dem Verzicht auf eine Radiothera-pie war es deutlich häufiger zu einem Tu-morrückfall gekommen. Dieser trat auch in einer Gruppe von zumeist jüngeren Pa-tienten auf, deren Heilungschancen sehr hoch eingestuft wurden.“

Wider Erwarten traten bei Patienten, bei denen eine Bestrahlung nach Abschluss der Chemotherapie nicht durchgeführt

wurde, vermehrt frühzeitige Rezidive auf. Prof. Eich: „Bei Verzicht auf eine Strah-lentherapie, selbst bei negativer PET-Di-agnose, steigt die Rezidivrate um fünf Prozent.“ Die DEGRO rät deshalb auch im Frühstadium des Hodgkin-Lymphoms al-len Patienten zu einer Strahlentherapie.

Nach einem Rückfall haben viele Patien-ten zwar noch eine zweite Heilungschance durch eine Hochdosis-Chemotherapie, die allerdings zumeist mit erheblichen Risi-ken und Nebenwirkungen verbunden ist und durch eine Strahlentherapie bei der Erstbehandlung vermieden werden kann. „Für einige Patienten gibt es nach einem Rückfall keine Rettung mehr, weil sie die Strapazen der Therapie nicht überstehen würden“, warnt der Experte aus Münster.

Die Strahlentherapie bleibe deshalb un-verzichtbarer Bestandteil in der Behand-lung von Hodgkin-Lymphomen auch im Frühstadium. Zumindest vorerst. Die Deut-sche Hodgkin Lymphom Studiengruppe untersucht derzeit in den Studien „HD16“ und „HD17“ ebenfalls, ob es Situationen gibt, in denen auf eine Strahlentherapie verzichtet werden könnte.

LITERATUR:

Raemaekers JMM, Andre MPE, Federico M et al.: Omitting Radiotherapy in Early Positron Emission Tomography-Negative Stage I/II Hodgkin Lympho-ma Is Associated With an Increased Risk of Early Relapse: Clinical Results of the Preplanned Interim Analysis of the Randomized EORTC/LYSA/FIL H10 Trial. Journal of Clinical Oncology, 2014;

[nach einer Pressemitteilung der DEGRO vom 22.07.2014]

Hodgkin-Lymphom: Strahlentherapie im Frühstadium unverzichtbar

PRESSEMITTEILUNG

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50 | Onkologische Pharmazie | 16. Jahrgang | Nr. 3/2014

Antimikrobielle Aktivität von Zytostatika

Antimikrobielle Aktivität von Zytostatika

Und dennoch führt kein Weg an einer strikt aseptischen Herstellung vorbei

Von Carmela Schumacher und Christian Schmutz, Aarau

Patientenspezifisch verordnete Zytostatika werden heute in Spitälern in der Regel zentralisiert in der Spitalapotheke hergestellt. Das fachliche Know-how und die

Erfahrung bezüglich der Herstellung durch geschultes Personal werden hiermit an einem Ort gebündelt. Dies ermöglicht nicht nur eine GMP-konforme aseptische Herstellung, sondern gewährleistet auch den erforderlichen Schutz des herstellenden Personals durch eine adäquate Infrastruktur wie Reinraum und Sicherheitswerkbank. Eine korrekte asep-tische Herstellung und ein dazugehörendes Monitoring sind ohne diese Voraussetzungen nicht zu garantieren.

Die aseptische Herstellung von Parenteralia erfolgt idealerweise streng nach Qualitäts-management- (QM-) Richtlinien, wie dem PIC-Leitfaden einer Guten Herstellungs-praxis für pharmazeutische Produkte (euro-päische Good Manufacturing Practices, GMP), der United States Pharmacopeial Convention (797) und den GMP-Richtlinien zur Herstellung in kleinen Mengen der Helvetischen Pharmakopoe. Die Herstellung erfolgt entsprechend dieser Regeln in einem Reinraum (idealerweise der Klasse B) und unter vertikalem Laminar-Air-Flow (LAF) einer Sicherheitswerkbank der Reinraumklasse A. Diese strengen Herstellungsbedingungen entsprechen dem Stand der Technik und dienen der bestmög-lichen Eliminierung des Risikos einer mik-robiellen und partikulären Kontamination und bieten darüber hinaus einen optimalen Personenschutz.

Traditionelle Zytostatika sind meist per se zytotoxisch. Einige der heute gängigen Zytostatika gehören zur Gruppe von anti-mikrobiell wirksamen Substanzen, so zum Beispiel Doxorubicin (eine Wirksubstanz der Anthracycline), welches allerdings auf-grund der Toxizität keine Anwendung als Antibiotikum gefunden hat.

Vor diesem Hintergrund kann die Überle-gung, solche Zubereitungen als selbstkon-servierend anzusehen, durchaus gemacht werden.

In der vorliegenden Arbeit sollte das Keimwachstum bei einer mikrobiel-len Kontamination einer Zytostatikum-Infusion untersucht werden. Hierbei wurde der Wachstumsverlauf von 4 verschiedenen Mikroorganismen in 4 Zytostatikalösungen studiert.

Hintergrund

Zytostatika werden in der Regel nach der Körperoberfläche, teilweise nach dem Körpergewicht dosiert, weshalb die Zubereitungen patientenspezifisch her-zustellen sind. Die individuell berechnete Wirkstoffmenge wird einer Medikamenten-Stammlösung entnommen und einer Infusionslösung (meist NaCl 0,9%) zugesetzt. Ein Behältnis (Stechampulle) Stammlösung kann bei gegebener physikalisch-chemischer Stabilität und unter aseptischen Bedingungen für mehrere Zubereitungen verwendet wer-den. Die mehrfache Stammlösungsentnahme und die damit einhergehende mehrfache Manipulation des Gummistopfens stellt ein Kontaminationsrisiko dar.

Da Parenteralia nach Vorgabe des Arznei-buches (Pharmacopoe Europeia) ste-ril sein müssen, bei Einzelanfertigungen jedoch keine Sterilitätsprüfung stattfinden kann - deren Resultate bei einer ad hoc Herstellung zur sofortigen Anwendung ohnehin viel zu spät vorliegen würden –,

muss durch geeignete Massnahmen eine mikrobielle Kontamination verhindert wer-den. Dazu gehören Umgebungsmonitoring, Personalmonitoring, Prozessvalidierungen und Endproduktvalidierungen.

In den meisten Fällen werden die Zytostatika für den sofortigen Gebrauch hergestellt. Je nach physikalisch-chemischer Stabilität des Produktes ist eine Aufbewahrung bis zu einigen Tagen oder wenigen Wochen möglich. Bei einer allfälligen Lagerung ist aus mikrobieller Sicht aufgrund einer Keimwachstumsreduktion oder -hem-mung durch niedrige Temperaturen eine Aufbewahrung im Kühlschrank bei 2–8°C grundsätzlich zu bevorzugen. Die Frage nach der Autokonservierung einer Zubereitung durch das Zytostatikum ist durchaus berechtigt.

Für die Versuche wurden vier Substanzen aus-gewählt, die verschiedenen Wirkstoffklassen angehören und als Zytostatika häufig ein-gesetzt werden: 5-Fluorouracil (5-FU, Antimetabolit), Gemcitabin (Antimetabolit), Doxorubicin (Anthracyclin), Vinorelbin (Vinca-Alkaloid). Als Untersuchungskeime wurden die folgenden ubiquitär vorkommen-den, fakultativ pathogenen Bakterienspezies Escherichia coli, Pseudomonas aeruginosa und Staphylococcus epidermidis sowie Candida albicans als Pilzspezies definiert.

Hinweise in der Literatur

Verschiedene Publikationen zu Unter suchun-gen mit vergleichbaren Frage stellungen lie-gen vor. Die Ergebnisse sind nicht einheitlich und lassen somit keine klaren Rückschlüsse zu, was teilweise durch unterschiedliche Versuchsanordnungen zu erklären sein dürfte. Proben wurden zum Teil nur über

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Onkologische Pharmazie | 16. Jahrgang | Nr. 3/2014 | 51

Und dennoch führt kein Weg an einer strikt aseptischen Herstellung vorbei

wenige Stunden [5, 6] oder bis zu mehre-ren Wochen [3] und unter verschiedenen Bedingungen aufbewahrt und untersucht. Auch die Zytostatikakonzentrationen und die Bakterienstämme waren un ter schiedlich.

Deshalb können nur wenige allgemeine Schlüsse gezogen werden: Generell wurde für 5-FU die höchste antimikrobielle Aktivität

sowohl gegen Bakterien als auch C. albi-cans nachgewiesen [1-4, 6, 7]. Auch für Doxorubicin konnte eine gewisse antimik-robielle Aktivität festgestellt werden [1, 6]. Des Weiteren zeigte sich auch Vinorelbin schwach antimikrobiell aktiv, wohingegen bei Gemcitabin keine Aktivität beobachtet werden konnte [5].

Methoden

Die vier Zytostatika-Wirkstoffe wurden in jeweils 2 Konzentrationen untersucht – entsprechend dem Bereich, in dem diese Medikamente therapeutisch eingesetzt werden (5-FU 10 mg/ml und 25 mg/ml;

Doxorubicin 0,15 mg/ml und 1,2 mg/ml; Gemcitabin 8 mg/ml und 20 mg/ml; Vinorelbin 0,15 mg/ml und 0,6 mg/ml).

Diese Versuchslösungen wurden ana-log den zur Chemotherapie eingesetzten Herstellungen in einer LAF-Sicherheits-werk bank der Klasse A in jeweils 50 ml NaCl 0,9% (PP-Infusionsbeutel) hergestellt.

Von diesen Zytostatikalösungen wurden je 990 μl in die Slots einer Mikrotiterplatte gegeben. Anschließend wurden die Slots jeweils im Triplett mit 10 μl einer Keim-suspension (Inokulation 105 Kolonie bil-dende Einheiten, KBE) beimpft. Parallel dazu wurden auch Slots als positive Kontrolle mit NaCl 0,9% (Infusionsträgerlösung) befüllt und mit den jeweiligen Keimen inokuliert. Die Lagerungstemperatur betrug 30-35°C (Inkubator Typ B6060, Firma Heraeus). Proben wurden jeweils nach < 30 min, 24 h, 48 h und nach 5 Tagen entnommen und auf Schafblut-Agarplatten ausgestrichen. Die Proben wurden anschließend für mindestens 48 h bebrütet, bevor die Kolonien/Platten ausgezählt wurden.

Im Weiteren wurden nach dem 5. Tag jeweils weitere 100 μl der Zytostatikalösungen ent-nommen, zu 9 ml des Flüssignährmediums Thio-T (Nährmedium für Anaerobier, Firma bioMerieux) gegeben und nach 14 Tagen Bebrütung wurde das Nährmedium auf Trübung, d.h., auf Keimwachstum hin untersucht.

Zusätzlich wurden mit jedem Mikroorga-nismus Hemmhoftests durchgeführt, bei welchen die Filterpapierscheibchen jeweils mit einer der beiden unterschiedlich kon-zentrierten Zytostatikalösungen getränkt waren.

Die mikrobiologischen Arbeiten wurden mit Unterstützung der Mikrobiologen im mik-robiologischen Institut des Kantonsspitals Aarau durchgeführt. Als Keime wurden E. coli (ATCC 25922), Ps. aeruginosa (ATCC 27853), St. epidermidis (ATCC 12228) und C. albicans (ATCC 10231) eingesetzt, die Stämme wurden bei der Firma LGC Standards GmbH beschafft.

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Bakterien in Doxorubicinlösungen

E. coli in 0.15 mg / ml E. coli in 1.2 mg / ml

Ps. aeruginosa in 0.15 mg / ml Ps. aeruginosa in 1.2 mg / ml

St. epidermidis in 0.15 mg / ml St. epidermidis in 1.2 mg / ml

E. coli in NaCl 0.9% (Kontrolle) Ps. aeruginosa in NaCl 0.9% (Kontrolle)

St. Epidermidis in NaCl 0.9% (Kontrolle) Abb. 1

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52 | Onkologische Pharmazie | 16. Jahrgang | Nr. 3/2014

Und dennoch führt kein Weg an einer strikt aseptischen Herstellung vorbei

Resultate

Insgesamt wurden 576 Proben genom-men. Fünf Tage nach der Inokulation und Bebrütung konnte in keiner der Proben Keimwachstum festgestellt werden. Die Thio-T Flüssignährmedien blieben

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Zeit [d]

C. albicans in Zytostatikalösungen

5-FU [10 mg / ml] 5-FU [25 mg / ml]

Doxorubicin [0.15 mg / ml] Doxorubicin [1.2 mg / ml]

Gemcitabine [8 mg / ml] Gemcitabine [20 mg / ml]

Vinorelbine [0.15 mg / ml] Vinorelbine [0.6 mg / ml]

C. albicans in NaCl 0.9% (Kontrolle)

14 Tage nach Bebrütung klar, d.h. es konnte kein Wachstum nachgewiesen werden. In der Kontrolllösung NaCl 0.9% blie-ben die Keime dagegen, mit Ausnahme von St. Epidermidis, über den ganzen Untersuchungszeitraum von fünf Tagen lebensfähig.

Die eingesetzten Bakterien (Abb. 1) und C. albicans (Abb. 3) zeigten sich deutlich unterschiedlich empfindlich gegenüber den getesteten Wirkstoffen. Am Beispiel E. coli zeigte Gemcitabin die stärkste, Doxorubicin die schwächste antimikrobielle Aktivität

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Zeit [d]

Escherichia coli in Doxorubicin- und Gemcitabinlösungen

Doxorubicin 0.15 mg / ml Doxorubicin 1.2 mg / ml

Gemcitabine 8 mg / ml Gemcitabine 20 mg / ml

E. coli in NaCl 0.9% (Kontrolle)Abb. 2

Abb. 3

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Onkologische Pharmazie | 16. Jahrgang | Nr. 3/2014 | 53

Und dennoch führt kein Weg an einer strikt aseptischen Herstellung vorbei

Abb. 4: Hemmhöfe durch 5-FU bei E. coli [5-FU 10 mg/ml (links) und 25 mg/ml (rechts)]

(Abb. 2). Für 5-FU wurde die stärkste antimykotische Aktivität festgestellt (Abb. 3).

In den Hemmhoftests bildete nur 5-FU bei allen eingesetzten Keimen Hemmhöfe (Abb. 4., 5-FU bei E. coli). Weitere Hemmhöfe bildeten auch Doxorubicin und Gemcitabin bei St. epidermidis.

Diskussion

Die Resultate bekräftigen bezüglich 5-FU und Doxorubicin die Ergebnisse der meisten vergleichbaren, vorangegangenen Studien und dokumentieren, dass die beiden Substanzen gegenüber den ausgewählten Keimen antimi-krobielle Eigenschaften aufweisen. Aber auch die anderen Zytostatika waren so weit antimi-krobiell aktiv, dass nach 5 Tagen Inkubation kein Keimwachstum mehr festgestellt wer-den konnte.

Das unterschiedliche Wachstumsverhalten der eingesetzten Bakterien und des eingesetz-ten Pilzes kann möglicherweise mit der unter-schiedlichen Morphologie von Bakterien und Pilzen erklärt werden. Außer bei 5-FU zeigte sich C. albicans robuster als die Bakterien, was mit der stärkeren Zellmembran von Pilzen und einem daraus resultierenden, im Vergleich zu den Bakterien unterschiedlichen Aufnahmemechanismen für die Wirkstoffe erklärt werden könnte. 5-FU wird tatsäch-lich auch als Antimykotikum eingesetzt, was durch den festgestellten schnellen Wachstumsabfall bei C. albicans verständ-lich ist.

Bei den Bakterien war die Reduktion der Lebensfähigkeit konzentrationsab-hängig, d.h., ausgeprägter bei höherer Wirkstoffkonzentration. Bei C. albicans zeigte sich dagegen keine konzentrations-abhängige Aktivität.

Als einziger Keim war St. epidermidis in der NaCl-Kontrolllösung nur über 48 Stunden überlebensfähig. Bei einer Wiederholung des Versuchs wurde dieses Resultat bestätigt. In anderen Arbeiten wurden für St. aureus ähn-liche Resultate gefunden [5]. Als Begründung hierfür kann eine stärkere Abhängigkeit des Keims von Nährstoffen vermutet werden.

Die Inokulumkonzentration war in die-sem Versuch aufgrund der geringen Sensitivität der Auszählungsmethode mit ca. 105 Mikroorganismen pro ml relativ hoch gewählt. In einer weiteren analogen Untersuchung sollte das Inokulum reduziert werden, z.B. einer Kontaktkontamination entsprechen und die Proben sollten zudem zu früheren Zeitpunkten genommen wer-den, um allenfalls dem genauen Zeitpunkt festzustellen, ab dem kein Keimwachstum mehr feststellbar ist.

Schlussfolgerung

Die untersuchten Zytostatika zeigten unter den Bedingungen dieser Studie in Abhängigkeit von der Wirkstoff-konzentration antimikrobielle Eigenschaften. Die Abnahme der Lebens fähigkeit der Keime erfolgt nicht schlagartig, sondern erstreckte sich über einen Zeitraum von 24 bis über 72 Stunden. Deshalb kann grundsätzlich – insbesondere bei niedrig konzentrierten Wirkstoffen – nicht von einer durch das Zytostatikum bewirkten Autosterilität der Lösung ausgegangen werden.

Die vorliegenden Daten unterstreichen die Notwendigkeit einer strikten aseptischen Herstellung unter den geforderten kontrol-lierten Bedingungen zur Erzielung eines ste-rilen Endproduktes.

LITERATUR

[1] Hamilton-Miller JMY. Br J Cancer 1984; 49:367-9

[2] Bodet et al. Antimicrobial Agents Chemother 1985; 28:437-39

[3] Holmes et al. Am J Hosp Pharm 1988; 45:1089-91

[4] Krämer I. et al. Krankenhauspharmazie 1988; 11:439-42

[5] Krämer I. et al. J Oncol Pharm Pract 1998; 4:32-7

[6] Favier et al. J Oncol Pharm Pract 2001; 6:167-71

[7] Paris et al. J Oncol Pharm Pract 2005; 11:7-12

FÜR DIE AUTOREN:

Dr. Christian SchmutzKantonsspital Aarau AGSpitalapothekeLeiter ZytostatikaherstellungCH 5001 Aarau

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54 | Onkologische Pharmazie | 16. Jahrgang | Nr. 3/2014

Buchbesprechung

Narayana Verlag/Unimedica, 2013, 332 Sei-ten, ISBN 978-3-944 125-15-229 Euro

Ungeachtet zahlreicher Lehrbücher und Lai-enratgeber zur Homöopathie gibt es bisher keinen überzeugenden, evidenzbasierten Nachweis eines über eine Placebowirkung hinausgehenden Effekts dieser Behand-lungsmethode. Welche Berechtigung hat also die Besprechung eines Homöopathie-ratgebers in einer Fachzeitschrift wie der Onkologischen Pharmazie?

Dafür gibt es im Wesentlichen zwei Gründe: Niemand, weder Apotheker noch Ärzte, kann die Bedürfnisse von onkologischen Pati-enten ignorieren und ihr weit verbreitetes Interesse für die Homöopathie einfach als „Unfug“ abtun. Das führt zum Vertrauens-verlust und treibt hilfesuchende Patienten zu teilweise unseriösen Heilern. Der zweite Grund, dass sich „Krebs und Homöopathie“ für eine Rezension empfiehlt, ist die Qualität dieses Buches.

Wie schon der Untertitel verrät, erheben die Therapievorschläge nicht den Anspruch, Krebs heilen oder konventionelle onkolo-gische Therapien ersetzen zu können. Viel-mehr geht es um Linderung therapiebeding-

Rezension von Sabine Thor-Wiedemann, Weingarten

ter unerwünschter Wirkungen. Dies wird in einem „Warnhinweis“ gleich zu Beginn des Buches auch unzweideutig klar gemacht.

Dr. Lionel Bagot ist Mediziner mit Schwer-punkt Homöopathie und behandelt im inter-disziplinären Team einer Straßburger Klinik über viertausend Krebspatienten pro Jahr. Aus dieser klinischen Erfahrung heraus sind seine Behandlungstipps sehr praxisorien-tiert und leicht umsetzbar auch für alle die-jenigen, die wenig oder keine Erfahrung mit der Homöopathie haben.

Das Buch widmet sich der Begleitung von chirurgischer, Strahlen- und Chemotherapie. Beginnend mit eher allgemeinen Problem-stellungen, werden die Behandlungsemp-fehlungen rasch sehr konkret: für homöopa-thische Mittel, die auf bestimmte, klinisch relevante Situationen abgestimmt sind, werden Behandlern und Patienten detaillier-te Therapieschemata an die Hand gegeben. So gibt es für die Chirurgie unterschiedliche Vorschläge für die prä-, intra- und postope-rative Situation, aber auch für unterschied-liche OP-Lokalisationen, z.B. urologische, gynäkologische, gastroenterologische oder orthopädische Eingriffe. Allgemeinere Emp-fehlungen zur Begleitung der Chemothera-pie beschäftigen sich beispielsweise mit

Fatigue, Nausea und Emesis oder Ödemen. Es gibt aber erstaunlicherweise auch ho-möopathische Empfehlungen für konkrete onkologische Therapieschemata, wie FOL-FOX/FOLFIRI oder R-CHOP. Die konkreten Handlungsanweisungen und Tagespläne sind zweifellos für verunsicherte Patienten eine vertrauensbildende Maßnahme und stärken das Gefühl, etwas für die eigene Gesundheit tun zu können, ohne dass mit zusätzlichen unerwünschten Wirkungen zu rechnen ist.

Insgesamt gelingt die Orientierung in die-sem Ratgeber leicht, da ein Zugang zu den Therapieempfehlungen sowohl über Symp-tome, als auch über die unterschiedlichen Therapiemodalitäten und über die diversen homöopathischen Substanzen möglich ist.

Buchbesprechung

Krebs und Homöopathie

Natürliche Hilfe bei den häufigsten Nebenwirkungen

von Chemo-, Strahlentherapie und Operation

Von Jean-Lionel Bagot

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Onkologische Pharmazie | 16. Jahrgang | Nr. 3/2014 | 55

Pressemitteilung

Mit Strahlentherapie verbinden die meisten Menschen die Behandlung

von Krebserkrankungen. Jährlich werden jedoch fast 50 000 Patienten bestrahlt, die eine gutartige Erkrankung haben oder an einer „funktionellen Störung“ leiden. Die Bestrahlung lindert oder beseitigt dauerhaft Schmerzen, beispielsweise bei Arthrose, Fersensporn und Tennisel-lenbogen.

Bei entzündlichen Weichteil-, degenera-tiven Gelenk- sowie Bindegewebserkran-kungen leiden Patienten oft stark und dau-erhaft an Schmerzen. „Viele Patienten, die zu uns kommen, haben schon einiges ver-sucht, um ihre Schmerzen los zu werden: Kortison-Spritzen, Stoßwellentherapie oder Eis-Auflage bringen manchmal nicht den gewünschten Erfolg“, berichtet Privat-dozent Dr. med. Oliver Ott, Erlangen. Die Bestrahlung könne bei bestimmten chro-nischen, degenerativ-entzündlichen Er-krankungen, etwa dem Fersensporn oder dem Tennisellenbogen, Abhilfe schaffen. „Dieses Wissen ist nicht neu. Seit fast 100 Jahren wurde in vielen Publikationen be-stätigt, dass die Bestrahlung antientzünd-lich wirkt und bei Gelenkerkrankungen hilft“, ergänzt Prof. Dr. med. Wilfried Bu-dach, Düsseldorf.

Üblicherweise werden die Patienten an sechs Terminen über einen Zeitraum von

zwei bis drei Wochen kurz bestrahlt. Pro Sitzung erhielten sie bislang 0,5 bis 1,0 Gray (Gy) in ein bis zwei Behandlungsse-rien. „Je nachdem, wie der Patient auf die Bestrahlung ansprach, wurde die Dosis angepasst. Die Gesamtdosis betrug daher in der Regel 3 bis 12 Gy“, erklärt Dr. Ott.

Da neuere Forschungsergebnisse die Ver-mutung aufkommen ließen, dass man einen gleich guten, schmerzlindernden Effekt auch mit einer niedrigeren Strah-lendosis erreichen könnte, wurde an der Universitätsklinik Erlangen eine randomi-sierte Dosisoptimierungsstudie durchge-führt. Zwischen 2006 und 2010 wurden insgesamt 1.080 Patienten per Zufalls-verteilung entweder mit Einzeldosen von 0,5 oder 1,0 Gy behandelt. 312 von ihnen litten an einem Schultersyndrom, 199 an einem Ellenbogensyndrom und 569 an ei-nem schmerzhaften unteren oder oberen Fersensporn. 90% der Patienten erhielten sechs bis acht Wochen danach eine zwei-te Bestrahlungsserie, da sie berichteten, noch keine zufriedenstellende Besserung zu verspüren.

Die Ergebnisse direkt nach der letzten Bestrahlung waren beeindruckend: 84% der Behandelten gaben an, dass sich ihre Schmerzen komplett oder teilweise gebes-sert haben. Nach 32 Monaten wurden die Patienten erneut befragt, zu diesem Zeit-

punkt waren es sogar 92%. Bei 43% der Patienten war der Schmerz komplett und anhaltend verschwunden und 49% gaben eine spürbare und nachhaltige Schmerz-abnahme an. Nur bei acht Prozent aller Be-handelten gab es keine Besserung. Studi-enleiter Dr. Ott bilanziert: „Zwischen den beiden Gruppen mit 0,5 und 1,0 Gy fanden sich keine Unterschiede. Die niedrigere Strahlendosis reichte also aus. Nebenwir-kungen traten zudem nicht auf.“

Die Therapie wird in allen strahlenthera-peutischen Einrichtungen in Deutschland angeboten und ist eine Leistung der ge-setzlichen Krankenversicherung.

LITERATUR:

Ott OJ, Jeremias C, Gaipl US, Frey B, Schmidt M, Fietkau R. Radiotherapy for benign calcaneodynia: Long-term results of the Erlangen Dose Optimiza-tion (EDO) trial. Strahlenther Onkol. 2014 Mar 26. [Epub ahead of print]

Ott OJ, Hertel S, Gaipl US, Frey B, Schmidt M, Fiet-kau R. The Erlangen Dose Optimization trial for low-dose radiotherapy of benign painful elbow syndrome. Long-term results. Strahlenther Onkol. 2014;190:293-7.

[nach einer DEGRO-Pressemitteilung vom 05.06.2014]

Mit Strahlentherapie Schmerzen ohne Nebenwirkung bei Tennisellenbogen & Co. besiegen

PRESSEMITTEILUNG

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56 | Onkologische Pharmazie | 16. Jahrgang | Nr. 3/2014

50. ASCO-Meeting in Chicago, 30. 5.– 4. 6. 2014

50. ASCO-Meeting in Chicago, 30. 5.– 4. 6. 2014

Von Günther J. Wiedemann, Ravensburg und Wolfgang Wagner, Osnabrück

Ein großes Jubiläum wurde in Chicago gefeiert: Das Jahrestreffen der American Society of Clinical Oncology fand zum 50. Mal statt. Welche Entwicklung seit den1960er

Jahren in der Onkologie stattgefunden hat, verdeutlicht ein Paradigmenwechsel, der in die-sem Jahr besonders betont wurde: Onkologische Therapie fokussiert heute viel stärker auf den Aspekt Lebensqualität als noch vor einigen Jahren, als das Thema Lebensverlängerung noch stärker im Vordergrund stand.

Patricia Ganz, Direktorin der „Cancer Prevention and Control“ Forschung an der Universität von Kalifornien in Los Angeles, brachte es auf den Punkt: „Es gibt heute mehr Krebsüberlebende als je zuvor. Doch Onkologie bedeutet nicht nur, Menschen länger am Leben zu erhalten – wir müs-sen sicherstellen, dass Patienten die best-mögliche Lebensqualität haben, in jedem Stadium von der aktiven Therapie bis zum Langzeitüberleben.“

Verbesserung der Lebensqualität im Fokus

Beim ASCO wurden einige Studien vor-gestellt, die erhebliche Verbesserungen der Lebensqualität von onkologischen Patienten zeigten. Im Folgenden einige interessante Beispiele dazu:

1. Goserelin erhält Fertilität prämenopau-saler Brustkrebspatientinnen

Das Erlöschen der Ovarialfunktion ist eine häufige Nebenwirkung der Chemotherapie. Frauen, die prämenopausal an Brustkrebs erkranken, können daher häufig nach erfolg-reicher Krebsbehandlung keine Kinder mehr bekommen. Mit dem LHRH-Analogon

Goserelin können die Ovarien vor Beginn einer Chemotherapie in einen postmenopau-salen Status versetzt werden. Dies könnte die Follikel des Ovars vor den negativen Folgen einer antiproliferativen Chemotherapie schützen.

In einer klinischen Phase III Studie der National Institutes of Health erhielten 257 prämenopausale Patientinnen mit hormonre-zeptornegativem Mamma-Ca eine Standard-Chemotherapie mit oder ohne zusätzliche Gabe von Goserelin. Die erste Goserelin-Injektion erfolgte eine Woche vor Start der Chemotherapie, danach wurde es monat-lich gegeben. Nach zwei Jahren war bei 8% der Frauen unter Goserelin-Schutz ein Versagen der Ovarialfunktion eingetreten, im Vergleich zu 22% ohne Goserelin. 22% der Frauen aus der Goserelingruppe wurden schwanger, vs. 11% in der Kontrollgruppe. Die Goserelintherapie erhöhte nicht das Risiko von Früh- und Fehlgeburten.

Eher unerwartet war ein weiterer Effekt der Goserelintherapie: nach vier Jahren war die Überlebenswahrscheinlichkeit in der Goserelingruppe um 50% höher. Ob sich diese Ergebnisse bei längerer Nachbeobachtung bestätigen, bleibt aber abzuwarten.

Fazit für die Lebensqualität: Größere Chancen auf ein Wunschkind für jüngere Brustkrebspatientinnen.

(Halle CF Moore et al. Phase III trial (Prevention of Early Menopause Study [POEMS]-SWOG S0230) of LHRH analog during chemotherapy (CT) to reduce ovarian failure in early-stage, hormone receptor-ne-gative breast cancer; Abstract #LBA505)

2. Zoledronat alle 3 Monate genauso effek-tiv wie monatliche Gabe

Bisphosphonate wie Zoledronsäure wer-den bei Knochenmetastasen eingesetzt, um die Knochenstabilität zu erhöhen und das Risiko von Knochenbrüchen zu reduzie-ren. Insbesondere Brüche der Wirbelkörper sind gefürchtet, da sie zur Kompression des Rückenmarks führen können. Bisher gilt die monatliche Gabe von Zoledronat als Standard; wie lange und in welchen Intervallen die Therapie nach dem ers-ten Jahr fortgesetzt werden soll, ist aber unklar. Relevante Nebenwirkungen von Bisphosphonaten sind u.a. Nierenschäden und Osteonekrosen des Kieferknochens.

In einer Phase III Studie erhielten 403 Brustkrebspatientinnen mit Knochen-metastasen nach einer einjährigen monat-lichen Zoledronatbehandlung im fol-genden Jahr ihre Zoledronatinfusion weiterhin monatlich oder nur alle drei Monate. Hinsichtlich der Zahl der Knochen-brüche, der Knochenschmerzen und des Knochenstoffwechsels zeigten sich keine signifikanten Unterschiede zwischen bei-

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Onkologische Pharmazie | 16. Jahrgang | Nr. 3/2014 | 57

den Studiengruppen. Unter der monatli-chen Zoledronatgabe traten zwei Fälle von Kiefernekrosen auf, kein Fall dagegen in der Gruppe der Frauen, die das Medikament nur alle drei Monate erhielten.

Fazit für die Lebensqualität: Weniger Arzttermine und geringeres Risiko schwe-rer unerwünschter Wirkungen für Brust-krebs patientinnen mit Kno chen metastasen.

(Gabriel N. Hortobagyi et al. Efficacy and safety of continued zoledronic acid every 4 weeks versus every 12 weeks in women with bone metastases from breast cancer: Results of the OPTIMIZE-2 trial; Abstract #LBA9500^)

3. Schonendere Bestrahlung bei bestimm-ten Kopf- und Halstumoren möglich

Die Strahlentherapie ist eine wichtige Kompo nente der Therapie von Kopf- und Halstumoren. Sie führt aber häufig zu belas-tenden und lang anhaltenden unerwünschten Wirkungen wie Schluckstörungen, Mund-trockenheit, Verlust des Geschmacks sinns, Schilddrüsenschädigung und Bewe gungs-einschränkungen des Halses. Rund 70% der Patienten mit Kopf- und Halstumoren sind HPV-positiv, das heißt, ihr Tumor ist von Human Papilloma Viren (mit)verursacht. Diese Patienten haben eine bessere Prognose als Patienten mit HPV-negativen Tumoren und kommen daher möglicherweise für eine geringer dosierte Strahlentherapie in Frage, die mit weniger Nebenwirkungen einhergeht.

In einer Phase II Studie erhielten 90 Patienten mit operablen (Stadium III/IVa) HPV-positiven Plattenepithelkarzinomen zunächst eine Induktions-Chemotherapie mit Paclitaxel, Cisplatin und Cetuximab. Bei 62 Patienten wurde damit eine kom-plette Remission erreicht. Diese erhielten im Anschluss eine reduzierte Strahlendosis von 54 Gy, Patienten ohne komplette Remission dagegen die Standarddosis von 70 Gy. Das 2-Jahresüberleben lag unter der reduzierten Dosis bei 93% (progressions-freies Überleben 80%). Die prognostisch ungünstigere Patientengruppe, die die höhere Strahlendosis erhalten hatte, zeigte erwar-tungsgemäß schlechtere Überlebensdaten (2-Jahresüberleben 87%, progressionsfreies Überleben 65%).

Der Erstautor der Studie, Anthony Cmelak vom Vanderbilt-Ingram Cancer Center in Nashville, folgert daraus: Eine reduzierte Strahlendosis (im Rahmen von Studien) ist für Patienten mit HPV-positiven Kopf- und Halstumoren bis zum Stadium IVa zu ver-antworten, sofern diese im Vorfeld auf eine Induktions-Chemotherapie gut angespro-chen haben. Klinischer Standard könnte dies jedoch erst nach Bestätigung der Ergebnisse (längeres Follow-up, Phase III Studie) werden.

Fazit für die Lebensqualität: Patienten mit prognostisch günstigen, HPV-positiven Kopf- und Halstumoren erleiden durch eine geringer dosierte Strahlentherapie seltener gravierende und lang anhaltende unerwünschte Wirkungen.

(Anthony Cmelak et al. Reduced-dose IMRT in hu-man papilloma virus (HPV)-associated resectable oropharyngeal squamous carcinomas (OPSCC) after clinical complete response (cCR) to induction chemo-therapy (IC); Abstract #LBA6006)

4. Absetzen von Statinen kann für Pati-enten mit begrenz ter Lebens erwartung von Vorteil sein

Ein großes Problem in der letzten Lebens-phase ist für viele Patienten, die dann häufig unter Schluckstörungen und Appetitlosigkeit leiden, die Mühe der Tabletteneinnahme. Hinzu kommen unerwünschte Wirkungen und Interaktionen unter der Einnahme zahl-reicher verschiedener Präparate.

Es gibt jedoch kaum verlässliche Kriterien, nach denen bei Patienten mit fortge-schrittener Krebserkrankung eine beste-hende Dauermedikation für verschiedene Komorbiditäten fortgeführt oder abgesetzt

werden sollte. Ein Beispiel dafür ist eine Statintherapie zur Primär- oder Sekundär-prävention kardiovaskulärer Er kran kungen.

In einer öffentlich finanzierten amerikani-schen Studie wurden 381 Patienten mit einer krankheitsbedingten Lebenserwartung von unter einem Jahr (knapp die Hälfte davon Krebspatienten) in zwei Gruppen rando-misiert: eine Gruppe nahm weiter ihre frü-her verordneten Statine ein, in der anderen Gruppe wurde diese Medikation abge-setzt. In der Gruppe ohne Statine kam es nicht signifikant häufiger zu kardiovaskulä-ren Komplikationen (13 vs. 11 Ereignisse). Die Sterberate in den ersten zwei Monaten unterschied sich nicht, die mediane Zeit bis zum Tod war sogar kürzer unter einer Statintherapie (190 vs. 229 Tage). Die stan-dardisiert abgefragte Lebensqualität war höher in der Gruppe ohne Statine.

Fazit für die Lebensqualität: Bei unheil-bar erkrankten Krebspatienten kann das Absetzen einer Statin-Dauertherapie unerwünschte Wirkungen und Wirk stoff-interaktionen reduzieren und den Pati-enten die Last der täglichen Tabletten-einnahme nehmen.

(Amy Pickar Abernethy et al. Managing comorbidities in oncology: A multisite randomized controlled trial of continuing versus discontinuing statins in the setting of life-limiting illness; Abstract #LBA9514)

KORRESPONDENZ:

Prof. Dr. G. J. Wiedemann, Oberschwabenklinik, Ravensburg [email protected]

ASCO-Meeting in Chicago

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58 | Onkologische Pharmazie | 16. Jahrgang | Nr. 3/2014

Spezielles Trainingskonzept für Krebspatienten

Sport als Therapie

Die Deutsche Sporthochschule in Köln hat ein spezielles Trainingskonzept für Krebspatienten entwickelt

Von Sabine Thor-Wiedemann, Weingarten

Ein Montagmorgen im Juni. Im Trainingsraum der „Onkologischen Trainingstherapie“ im Erdgeschoss der Kölner Universitäts-Frauenklinik sind fast alle Übungsgeräte

besetzt. Auf Kraftgeräten, Fahrrädern und Crosswalkern schwitzen Männer und Frauen, Junge wie Ältere. Was sie verbindet: Sie alle sind Krebspatienten. Und viele von ihnen stecken mitten in der Chemo- oder Strahlentherapie.

Das unterscheidet das Trainingskonzept der Arbeitsgruppe „Bewegung, Sport und Krebs“ der Deutschen Sporthochschule Köln von herkömmlichen Reha-Konzepten. Ziel der

Onkologischen Trainingstherapie ist nicht vorrangig die Rehabilitation, sondern Sport als Supportivtherapie im Rahmen eines inter-disziplinären Therapiekonzeptes, so der Leiter der Arbeitsgruppe, der Sportwissenschaftler Dr. Freerk Baumann. Seit Ende 2012 exis-tiert dieses besondere Trainingsangebot für Krebspatienten, ein Gemeinschaftsprojekt der Uniklinik Köln und der Deutschen Sporthochschule im CIO Köln/Bonn. Hier sollen wissenschaftliche Erkenntnisse über die positiven Effekte von Kraft- und Ausdauertraining in die therapeutische Praxis umgesetzt und Trainingsempfehlungen für die häufigsten Krebserkrankungen entwi-ckelt werden.

Trainer sind gleichzeitig Wissenschaftler

Die Trainer sind speziell ausgebildete Therapeuten und Sportwissenschaftler der Deutschen Sporthochschule Köln. Sie lei-ten die Patienten an und stimmen sich mit

den Ärzten der Unikliniken regelmäßig über die körperliche Belastbarkeit und die Trainingsziele ihrer Patienten ab. Sie beob-achten die Trainingserfolge und passen die Trainingspläne individuell an.

Die Onkologische Trainingstherapie wird von der Sporthochschule wissenschaft-lich im Rahmen von Studien begleitet. So konnte beispielsweise der positive Effekt eines intensiven Ausdauertrainings auf das Immunsystem gezeigt werden. Gut trainierte Patienten haben u.a. mehr Natural Killer Cells im Blut, die eine wichtige Rolle bei der Krebsabwehr spielen.

Ziel ist es, für die häufigsten Krebs er-kran kungen standardisierte Trainings-empfehlungen zu erstellen. „Idealerweise können in Zukunft Krebspatienten überall in Deutschland gezielt nach unseren Plänen trainieren“, so Projektleiter Baumann.

Therapiebegleitendes Training mindert Nebenwirkungen

Die Onkologische Trainingstherapie wird für jeden Patienten individuell zusammen-gestellt. Hauptziele sind verbesserte all-gemeine Fitness und die Reduktion von

Abb. 1: Otto K. möchte sein regelmäßiges Training nicht mehr missen.

Abb. 2: Dr. Freerk Baumann ist Leiter der Arbeitsgruppe „Bewegung, Sport und Krebs“ der Deutschen Sporthochschule Köln.

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Onkologische Pharmazie | 16. Jahrgang | Nr. 3/2014 | 59

Die Deutsche Sporthochschule in Köln hat ein spezielles Trainingskonzept für Krebspatienten entwickelt

Nebenwirkungen wie Fatigue, Übelkeit, Lymphödeme oder Polyneuropathien. Jeder Patient profitiert von einem Basistraining für Kraft und Ausdauer. Hinzu kommt je nach individuellem Bedarf ein Modultraining. Hier werden Probleme wie Harninkontinenz (z.B. nach Prostatektomie), Lymphödeme (nach Axilladissektion bei Brustkrebs) oder Tumorkachexie gezielt angegangen.

Körperliches Training für kachekti-sche Pa ti enten? Doch, das geht, versi-chert Freerk Bau mann. Zurzeit führt bei-spielsweise ein Patient mit metastasiertem Pankreaskarzinom zweimal pro Woche ein intensives Krafttraining durch, das sich am

Trainingsprogramm von Astronauten in der Schwerelosigkeit orientiert. Der Gedanke dahinter: Durch den Muskelaufbau wird die Proteinbiosynthese angeregt, die der kata-bolen Stoffwechselsituation des Patienten entgegenwirken soll. Ein Ausdauertraining wäre in dieser Situation allerdings kontrain-diziert, da es zu weiterem Gewichtsverlust führen könnte.

Auch für Patienten mit einem hohen Risiko, unter der Therapie eine Polyneuropathie zu entwickeln (Oxaliplatin, Taxane), gibt es ein spezielles Trainingsmodul, das sensomoto-rische Training mit Wackelbrettern, wei-chen Pads und Vibrationstraining, das posi-

tive Auswirkungen auf Oberflächen- und Tiefensensibilität z.B. an den Fußsohlen hat. Nach vorläufigen Ergebnissen einer laufenden Studie kann damit der Anteil der Patienten, die eine Polyneuropathie entwi-ckeln, erheblich reduziert werden.

Belastungsintensität abhängig von Herz-Kreislauffunktion

Die Belastbarkeit der Patienten hängt u.a. davon ab, ob sie eine kardiotoxische Chemotherapie erhalten. Um kardiologische Risiken zu vermeiden, wird jeder Patient vor Beginn des Trainings von der Kardiologin

Dr. Ursula Hildebrandt untersucht, die sowohl an der Bonner Universitätsklinik als auch am Institut für Kreislaufforschung und Sportmedizin an der Sporthochschule tätig ist. Ruhe- und Belastungs-EKG, Echokardiografie und Spirometrie sind Standard, bevor die Patienten mit dem Training beginnen. Normalerweise erfolgt zweimal jährlich eine Kontrolluntersuchung.

Und was halten Patienten von der Onkologischen Trainingstherapie?

Otto K. ist von Anfang an dabei. Nach der Diagnose Prostatakrebs im Jahr 2011

Abb. 4: Echokardiografie zur Kontrolle der Herzfunktion.

wurde er primär medikamentös behan-delt. Zwei Mal pro Woche packt er seine kleine Sporttasche und fährt zum Training in die Uniklinik. Mit einer Chipkarte, auf der seine persönlichen Leistungsparameter gespeichert sind, läuft er zunächst auf dem Crosswalker, danach macht er Krafttraining an den verschiedenen Geräten. Dank der Karte werden Kraftaufwand und zulässi-ger Pulsbereich individuell eingestellt und kontrolliert. Ist der Puls zu hoch, ertönt ein Warnton – da ist es beruhigend zu wissen, dass im Notfall ein qualifizierter Betreuer vor Ort ist, der auch schnell ärztliche Hilfe holen kann. Otto K. schätzt die familiäre Atmosphäre und die intensive persönliche

Betreuung beim Training. Obwohl er vor seiner Krebserkrankung nie Sport gemacht hat, möchte er das durchaus anstrengende Training nicht mehr missen. „Was Besseres konnte mir nicht passieren“, strahlt er. Und ganz nebenbei ist er durch den Sport sogar seine Rückenprobleme losgeworden, die ihn jahrelang gequält hatten.

Mehr Infos zur Onkologischen Trainings-therapie gibt es unter www.dshs-koeln.de/onkologie

Abb. 3: Regelmäßige Kontrolltermine bei der Kardiologin Dr. Ursula Hildebrandt gehören zum Konzept der Trainingstherapie.

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60 | Onkologische Pharmazie | 16. Jahrgang | Nr. 3/2014

Buchbesprechung

5. Auflage 2014, Softcover, 1312 Seiten, € 129,99Ecomed Medizin, Verlagsgruppe Hüthig Jehle Rehm GmbHISBN 978-3-609-51217-4

Die vorliegende, komplett überarbeitete und erweiterte 5. Auflage des Roten Buches stellt ein praxisorientiertes Taschenbuch zur Be-handlung von Krebspatienten dar. Es gibt einen Überblick über moderne Konzepte der Hämatologie und internistischen Onkolo-gie. Unter Berücksichtigung aktueller For-schungsergebnisse werden klare Empfeh-lungen zur Diagnostik und Therapie für die tägliche Arbeit prägnant dargestellt.

Das Buch ist in 14 Kapitel gegliedert, aus-gehend von Grundlagen und speziellen Di-agnoseverfahren über supportive Thera-pien und onkologische Notfälle bis hin zu Chemotherapieprotokollen in Hämatologie/Onkologie, incl. Hochdosistransplantation und vielen anderen Aspekten. Es wurden wieder eine Reihe neuer Beiträge zu thera-

Rezension von Brigitte Hübner, Quedlinburg

peutischen Neuentwicklungen aufgenom-men, z.B. Ausdifferenzierungen bei mo-lekularen Therapien.

Alle bestehenden Kapitel wurden bezüg-lich der Literatur komplett überarbeitet, sämtliche Therapieprotokolle aktualisiert. Sehr gelungen ist das Kapitel 3 Pharmako-therapie, in dem für klinisch eingesetzte Zytostatika, Hormontherapeutika, Zytoki-ne, monoklonale Antikörper und targeted therapies Wirkungsmechanismen, Neben-wirkungen und zugelassene Indikationen, incl. Dosierung und Applikation aufgelistet sind. Neuzulassungen der Jahre 2012 und 2013 wurden berücksichtigt.

Mit diesem Buch steht Ärzt(inn)en und Apo-thekern in Klinik und Praxis ein optimales Nachschlagewerk in der Behandlung hä-matologischer und onkologischer Erkran-kungen mit allen relevanten Informationen auf dem derzeit aktuellen Stand der Wis-senschaft zur Verfügung.

Buchbesprechung

Das Rote Buch

Hämatologie und Internistische Onkologie

Von D.P. Berger, R. Engelhardt, R. Mertelsmann

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62 | Onkologische Pharmazie | 16. Jahrgang | Nr. 3/2014

Dies ist keine Erfolgsgeschichte auf den ersten Blick. Sie erschließt sich erst

bei feinfühligem, genauem Hinsehen. Es ist die Geschichte einer zarten Kraft.

Heute steht Christianes Leben auf vier Pfoten. Während des Interviews umschnur-ren uns ein schwarzer Kater und eine geti-gerte Katzendame, die meinen Hund äußerst misstrauisch beäugen. Vor uns an der Wand hängt das Foto eines braun-weißen Pferdes, das in ihrer Krankengeschichte eine große Rolle gespielt hat. Diese Pfoten und Hufe tragen sie – treiben sie an – und geben ihr Zuversicht und Trost.

Der Bruch

Christiane lebt heute ein Leben, das sie sich so nicht ausgesucht hätte. Die große Wende

kam mit 17 Jahren: Sie ist Schülerin der 12. Klasse eines Gymnasiums und hat zwei Jahre mit eitrigen Mandelentzündungen und einer Entfernung der Mandeln hinter sich. Danach erkrankt sie am Pfeifferschen Drüsenfieber. Und nun die bedrohliche Diagnose, die ihr Leben grundlegend ver-ändern wird: Akute myeloische Leukämie.

Die Therapie

Zu diesem Zeitpunkt empfinden weder Christiane noch ihr damals schon schwer an MS erkrankter Vater die Bedrohung als dramatisch. Nur die Mutter realisiert die Gefahr. Christiane kommt in eine Klinik in St. Georg in Hamburg. Dort klärt sie eine Krankenschwester über den Weg, der vor ihr liegt, schonungslos auf.

Es ist ein Schock. Sie hat wunderschönes, sehr langes Haar in einem seltenen Braunton. Alleine die Vorstellung, dieses Haar zu ver-lieren, lässt das Mädchen verzweifeln. Sie verweigert sich jeder Therapie. Um einer möglichen Suizidgefahr vorzubeugen, ver-legen die Ärzte sie aus dem achten in den zweiten Stock: eine offene Krebsstation. Aber Christianes Lebenswille siegt: Sie akzeptiert die Behandlung.

Die Chemotherapie muss sofort begin-nen. Christiane begreift zum ersten Mal die Dramatik ihrer Situation: Sie erlebt, dass eine Mitpatientin verstirbt. Nach wenigen Wochen ist klar, dass nur eine Knochenmarkspende ihr Leben retten kann. Kurz nach ihrem 18. Geburtstag beginnt die qualvolle Prozedur im UKE in Hamburg. Was – wie mir Christiane am Beispiel einer erkrankten Freundin berich-

Eine überstandene Leukämie und der Umgang mit einer aus geprägten, chronischen Fatigue

Sigrid Rosen-Marks, die Patientenvertreterin in der Redaktion der ONKOLOGISCHEN PHARMAZIE,

stellt Christiane Berkhahn vor

E R F O L G S G E S C H I C H T E

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Onkologische Pharmazie | 16. Jahrgang | Nr. 3/2014 | 63

Eine überstandene Leukämie und der Umgang mit einer aus geprägten, chronischen Fatigue

tet – heute wesentlich erträglicher ist, war damals noch ein brutaler Eingriff in die Überlebensfähigkeit eines Menschen. Nach der Hochdosistherapie erträgt sie wochen-lang alle Nebenwirkungen. Ihre Hände werden wund vom Halten der Nierenschale beim dauernden Erbrechen. Sämtliche Schleimhäute verwandeln sich in rohes Fleisch. Sie kann keine Nahrung mehr zu sich nehmen. Über Wochen wird sie künstlich ernährt. Ihre Leber versagt, die Nierenwerte werden schlecht; sie bekommt Morphium und halluziniert. Ihr Lebenswille verlässt sie.

Die rettende Idee

Christiane ist in akuter Lebensgefahr, als die Eltern nach einem Gespräch mit dem behandelnden Arzt den rettenden Einfall haben: Sie legen ihr einen Scheck auf das Krankenbett: Nach der Entlassung aus dem Krankenhaus darf sich die von Kindesbeinen an begeisterte Reiterin ein Pferd kaufen. Christiane ist so weit weg vom Leben – sie zögert drei Tage, bis sie das Angebot anneh-men kann. Aber genau an diesem Punkt voll-zieht sich die Wende: Ihr neues Leben wird auf vier Hufe gestellt. Diese Aussicht rettet sie und motiviert ungeahnte Kräfte. Sie wird mit Blasenkatheter und Mundschutz aus dem Krankenhaus entlassen. Es dauert Jahre, bis sie wieder schmerzfrei und entspannt zur Toilette gehen kann.

Das Leben danach

Christiane ist bis heute keinen Tag ihres neuen Lebens ohne Beschwerden: Infekte, häufige Lungenentzündungen, Rippenfell-entzündungen, Schmerzen, ständige Müdig-keit und schnelle Erschöpfung begleiten sie.

Nach unzähligen Versuchen wird klar: Ihr Haar wird nie wieder wachsen. Sie trau-ert unendlich über den Verlust und dieser Kummer führt in die Entwicklung einer

Magersucht. Sie isst nicht mehr und will damit die Kontrolle über ihren Körper zurückgewinnen. Und wieder rettet Sie die Liebe zu einem Pferd: Christiane muss wie-der zunehmen, um Ihr großes Tier bewälti-gen zu können. Was bleibt, ist eine Bitterkeit und die Frage, warum ausgerechnet sie ihre Haarpracht verloren hat. Es scheint, als ob der Schmerz um die verlorenen Haare stell-vertretend für den Schmerz über ein Leben steht, das sie sich anders vorgestellt hatte: Kinder kann sie nicht mehr bekommen. Die Behandlung hat die Eierstöcke ver-kümmern lassen. Und auch 1997 hat man sich in Krankenhäusern nicht immer opti-mal verhalten: Man hat Christiane vorher nicht über den Verlust der Eierstöcke und die Folgen aufgeklärt.

Die Fatigue

Die mittlerweile chronischen Knochen-schmerzen und die dauernde Erschöpfung bekommen einen Namen: Christiane leidet an einer chronischen Fatigue.

Es beginnt ein langer Kampf um ein halb-wegs normales Leben. Und alle Bausteine dieses Lebens sind neu, ungewollt und müs-sen gemeistert werden: Eine Ausbildung, die sie körperlich stemmen kann. Ein Job, den sie mit ihren begrenzten Kräften bewältigen kann. Zukunftsängste quälen sie. Irgendwann sind die Schmerzen rund um die Uhr ihre Begleiter. Im Schlaf kann sie sich nicht mehr erholen. Sie vereinsamt: Es ist kaum noch Kraft für intensive soziale Kontakte vorhan-den. Aus Verzweiflung und zum Selbstschutz lässt sie sich freiwillig in eine Psychiatrische Klinik einweisen.

Spätestens jetzt ist klar: Es muss sich etwas ändern!

Nach langen, kräftezehrenden Umwegen kommt endlich Licht am Horizont auf: Sie geht nach Freiburg. Und dort in den

Universitätskliniken bekommt sie kom-petente Hilfe: Die Spezialisten wissen um die Langzeitfolgen, mit denen diese Patienten zu kämpfen haben. Sie wird end-lich verstanden! Ihre körperlichen Qualen sind Folgen der Chemotherapie. Es geht darum, die Symptome zu bekämpfen. Ihre Belastungsgrenze wird ausgetestet; Möglichkeiten der Regeneration werden gesucht. Und vor allem werden Medikamente gegen die Schmerzen gegeben.

Eineinhalb Jahre hat sie danach einigerma-ßen Ruhe. Ihr Leben wird erträglicher. Leider nehmen die Schmerzen dann wieder zu. Aber Christiane gibt nicht auf: Ihr Hausarzt hat ihr vor einigen Wochen ein Opiumpflaster gegen die chronischen Knochenschmerzen verschrieben, dessen Wirkung leider jetzt nicht mehr ausreicht. Christiane ist wie-der auf der dringenden Suche nach neuen Lösungen.

Die wahren Helden sind leise: Christiane Berkhahn ist eine Siegerin. Die zierliche Frau lebt. Sie hat eine gemütliche kleine Wohnung im Grüngürtel Hamburgs. Sie hat einen qualifizierten Teilzeit-Job in ihrem Ausbildungsberuf als kaufmännische Angestellte. Sie hat ein Pferd. Sie nimmt erfolgreich an Reitturnieren teil. Sie macht einen Trainerschein für das Reiten. Sie schafft es, trotz Schmerzen und Müdigkeit ein selbstständiges Leben zu führen.

Es ist nicht leicht für sie einen Partner zu fin-den, der wirklich und ernsthaft zu ihr stehen kann; der ihre Kinderlosigkeit akzeptiert und ihre Patientengeschichte. Sie ist noch auf der Suche. Aber wer die zarte Kraft dieser Frau erlebt hat, weiß, eines Tages wird ihr dieser Mann über den Weg laufen. Er sollte tierlieb sein, soviel steht fest!

Eine dringende Bitte: Frau Berkhahn wäre über jeden Hinweis zur Verbesserung ihrer körperlichen Situation dankbar.

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64 | Onkologische Pharmazie | 16. Jahrgang | Nr. 3/2014

Ein Gedankenprotokoll vom NZW-Dresden 2014

Dresden soll eine schöne und inter-essante Stadt sein. Ich war da und –

um es vorweg zu sagen – es lohnt sich wirk-lich, diese Stadt über ein Wochenende zu besuchen.

Mein eigentliches Besuchsansinnen aber war der 6. NZW-Dresden. Die für mich interes-sante Kongressthematik war die Umsetzung der (neuen) Apothekenbetriebsordnung und des dazugehörigen Fragen- und Antwortkatalogs der AATB1. Nein, AATB ist keine Automarke, sondern ein Ausschuss

1 Arbeitsgruppe Arzneimittel-, Apotheken-, Transfusions- und Betäubungsmittelwesen (AATB) der Arbeitsgemeinschaft der Obersten Landesge-sundheitsbehörden (AOLG)

von Fachleuten, die mir erklären, wie ich Qualität produziere.

Komisch, ich will ja jetzt wirklich nicht ein-gebildet sein, irgendwie war ich bisher sicher, Qualität zu produzieren. Scheinbar nicht. Denn nach Lektüre des Fragenkatalogs hatte ich das Gefühl, eigentlich kaum was richtig zu machen und dass meine Arbeit allerhöchs-tens „Steinzeitqualität“ aufweist.

Was soll ich den PTAs sagen? Wenn ich denen erzähle, dass unsere Arbeitsweise historisch ist, gehen die mir an die Gurgel. „Es ist doch bis jetzt noch nie was vorge-kommen“, würden sie mir entgegen schleu-dern, womit sie ja auch Recht hätten. Aber

der AATB muss es ja besser wissen, da sind ja die Experten drin.

Ich lese viel von Trendanalyse, Partikel, mes-sen, messen, messen und Risikoanalyse. Ich muss mich jetzt mit Risikoanalysen beschäfti-gen. Hmm. Wie mache ich das? Bewerten, ob ein Risiko vorliegt und danach handeln. Ok.

Aber dann müsste ich meinen PTAs Recht geben. Es ist noch nie was vorgekommen. Wieso sollte ich dann was ändern? Vielleicht finde ich ja Antworten in Dresden. Im Expertenforum. Die müssen es ja wissen.

Es waren sogar auch zwei Leute von zwei Aufsichtsbehörden da.

Ein Gedankenprotokoll vom NZW-Dresden 2014

Von Henrik Justus, Uslar

ZU GUTER LETZT

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Onkologische Pharmazie | 16. Jahrgang | Nr. 3/2014 | 65

Ein Gedankenprotokoll vom NZW-Dresden 2014

Plötzlich höre ich meine Frage von einer Apothekerin an die Aufsichtsbehörde: „Warum müssen wir so viel ändern, wenn nichts vorgefallen ist und es somit keinen Anlass gibt?“

Ich dachte schon, dass ich mit meinen Gedanken allein wäre. War ich zum Glück nicht.

Die Aufsichtsbehörde Sachsen gab Antwort: „Solche ketzerischen Fragen sind wir ja gar nicht von Ihnen gewohnt.“

Hä? Sind wir hier auf einem Wissenschafts-kongress oder auf einer mittelalterli-chen Kirchensynode? Jetzt muss sich die Apothekerin für ihre Frage auch noch recht-fertigen. Wo sind wir denn? Unplausible Fragen muss man stellen, das ist der Grundgedanke der Naturwissenschaften. Lernt man spätestens in der 5. Klasse.

Ob denn der Vorfall in Mainz Anlass dazu gegeben hätte? Nein. Aha. Ich höre nur noch was von State of the Art, GMP. Aber so rich-tig wird die Ausgangsfrage nicht beantwortet.

He, Moment, ich will das jetzt aber mal genauer wissen. Aber soweit komme ich nicht. Der Fragesteller berichtet von einer Apotheke mit 6 Zubereitungen am Tag. Auch hier mel-det sich Sachsen zu Wort. 6 Zubereitungen pro Tag seien zu wenig, um in Übung zu sein. Außerdem ließe sich das nicht validieren.

Müssen jetzt alle Apotheken mit 6 Rezepturen und weniger schließen? Scheinbar. Gottes Wort ist gesprochen.

Und meine Frage nach der Qualität ist immer noch nicht beantwortet.

Wieso richtet man jetzt den Fokus so stark auf etwas, was keinen Anlass hat, nur weil es machbar ist? Und weil man gerne GMP haben möchte? – Toll. Ich will auch viel.

He Leutes, habt Ihr mal wirklich mit Onko-logen zusammengearbeitet?

Ich habe ganz andere Probleme als Trend-analysen zu erstellen.

Nämlich zunächst die Plausibilitäts prüfun gen, steht übrigens schon lange in der ApBetrO, durchzuführen und Medikationsirrtümer zu entlarven. Da gibt es nämlich eine Menge.

Dann muss ich meine Patienten mit in das Boot nehmen, dass diese auch ihre Medikamente so einnehmen, wie es gedacht ist, damit die Chemotherapie auch greift.

Seid mir nicht böse. Aber das verstehe ich unter Qualität.

Was nützen mir die besten Partikelzahlen, wenn der Patient alleine gelassen wird. Immerhin hat nicht umsonst die Beratung so einen großen Stellenwert in der öffentli-chen Apotheke.

Da kommt eine neue Frage von einem Apotheker auf: Er habe sich den Fragen-katalog mehrfach durchgelesen, aber das mit der Trendanalyse habe er nicht verstanden.

Stimmt, ich auch nicht. Wie viele hier in dem Raum haben es noch nicht verstanden?

Auf einmal merke ich meinen Grundzorn: Wir haben hier Industrie-GMP hingeknallt bekommen und werden jetzt damit allein gelassen.

He Leutes, ich bin zunächst Apotheker und kein Herstellungsleiter und vor allem ich kann auch keinen fragen. Ihr Aufsichtsbehörden wurdet bestimmt geschult. Toll. Und jetzt guckt ihr erwartungsvoll zu, dass ich euch alles geschniegelt präsentiere. Kommt doch erst mal auf den Boden der Tatsachen zurück!

Doch fairerweise muss ich sagen, dass die Aufsichtsbehörde von Schleswig-Holstein diese Frage prima beantwortet hat. Das ist doch mal was. Lasst uns doch zusammen was erarbeiten. Ich soll mir jetzt Gedanken machen, was ich tun soll, wenn ich meine Warn- und Aktionsgrenzen überschreite.Ok, aber ehrlich gesagt, habe ich da wenig Erfahrung drin. Mich würden wirklich worst-case-Fälle interessieren. Was mache ich dann? Was erwarten die Behörden? Was erwartet meine Behörde?

Das sollten vielleicht auch Themen auf den nächsten NZW sein.

Und vielleicht bequemen sich mal mehr Aufsichtsbehörden, auch dabei zu sein.

Und kommt mir ja nicht mit der Ausrede, dass die dafür keine Zeit hätten. Die habe ich ehrlich gesagt auch nicht.

Ich habe nämlich Patienten und Onkologen, um die ich mich kümmern muss.

Natürlich mit Qualität. Aber ganz ehrlich – hätte ich in den letzten Jahren keine Qualität geliefert, hätte ich schon längst zugemacht.

Ich fahre mit einem Groll im Bauch wieder nach Hause. Aber Dresden ist wirklich schön Und ich komme wieder. Aber erst dann, wenn ich wieder bessere Laune habe.

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Pressemitteilung

Ein Darmkeim, der eigentlich Lebens-mittelvergiftungen auslöst, könnte

zukünftig in der Krebstherapie eingesetzt werden: Das Bakterium Clostridium per-fringens sondert einen Giftstoff ab, wel-cher die Hüllen von Zellen durchlöchert. Berliner Wissenschaftler untersuchen derzeit die Wirksamkeit des Bakterien-giftes gegen Bauchspeicheldrüsenkrebs. Die Deutsche Krebshilfe fördert das For-schungsprojekt mit 240.000 Euro.

Ob Rind, Fisch oder Geflügel: verdorbene Fleischwaren sind der bevorzugte Aufent-haltsort des Lebensmittelkeims Clostridi-um perfringens. Gelangt das stäbchen-förmige Bakterium durch den Verzehr der schlecht gewordenen Lebensmittel in den Magen und weiter in den Darm, drohen Bauchschmerzen, Durchfall und Erbre-chen. Ursache für diese Symptome ist ein spezieller Giftstoff, den der Keim abson-dert, das sogenannte Clostridium perfrin-gens Enterotoxin.

Im Darm freigesetzt, erkennt das Enteroto-xin zwei Moleküle auf der Oberfläche von Zellen der Darmschleimhaut, die als Clau-din-3 und Claudin-4 bezeichnet werden. An diese Moleküle heftet sich der Gift-stoff und beginnt damit, die Zellhülle zu

durchlöchern. Mit verheerenden Folgen: Die schwer beschädigte Zelle stirbt ab.

Diesen Effekt wollen sich die Wissen-schaftler des Experimental and Clinical Research Center der Berliner Charité und des Max-Delbrück-Centrums für Moleku-lare Medizin Berlin-Buch im Kampf gegen Bauchspeicheldrüsenkrebs zunutze ma-chen. Denn ebenso wie Darmzellen be-sitzen auch Tumorzellen der Bauchspei-cheldrüse große Mengen von Claudin-3 und Claudin-4 auf ihrer Oberfläche. „So-mit sind diese Krebszellen ein perfektes Ziel für das Enterotoxin. Es erkennt die Claudine auf den Tumorzellen und greift an“, erläutert der Studienleiter Professor Dr. Wolfgang Walther. „Genau wie Darm-schleimhautzellen bei einer Lebensmit-telvergiftung werden die Tumorzellen per-foriert und zerstört.“

Per nadelloser Hochdruckinjektion wollen die Forscher eine Art Genfähre direkt in das Tumorgewebe schießen. Diese enthält den genetischen Bauplan für das Enteroto-xin und ermöglicht so die Produktion des Giftstoffes. „Das Clostridium perfringens Enterotoxin wird so direkt vor Ort herge-stellt“, so Walther weiter. „Für gesunde Zellen der Bauchspeicheldrüse ist das un-

gefährlich, da diese kein Claudin-3 oder Claudin-4 auf ihrer Oberfläche ausbilden.“

Derzeit überprüfen die Wissenschaftler ihre Theorie im Labor. „Erweist sich unser Therapieansatz als erfolgreich, haben wir eine schlagkräftige Waffe gegen Bauch-speicheldrüsenkrebs an der Hand“, hofft Walther. Rund 17.400 Menschen erkran-ken jährlich in Deutschland an Bauchspei-cheldrüsenkrebs, einem äußerst aggressi-ven Tumor. Meistens wird die Erkrankung erst spät bemerkt und nur wenige Patien-ten überleben die Diagnose länger als ein Jahr. Der Tumor breitet sich schnell aus, verstreut Kolonien in anderen Organen und ist gegenüber gängigen Therapien weitgehend unempfindlich.

Deshalb betont auch Gerd Nettekoven von der Deutschen Krebshilfe: „Bauch-speicheldrüsenkrebs gehört zu den pro-blematischsten Tumorerkrankungen. Die Entwicklung besserer Diagnose- und The-rapiemöglichkeiten ist daher wichtig, um die Überlebenschancen der Betroffenen zu verbessern.“

[nach einer Presseinformation der Deut-schen Krebshilfe vom 16.07.2014]

Bakteriengift soll Krebszellen zerstörenErreger von Lebensmittelvergiftungen könnte im Kampf gegen

Bauchspeicheldrüsenkrebs helfen

PRESSEMITTEILUNG