Lästigkeit und Auswirkungen leiser Geräusche im alltÃ...

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astigkeit und Auswirkungen leiser Ger ¨ ausche im allt ¨ aglichen Wohnumfeld Enrica Gissel, J ¨ org Becker-Schweitzer, Sabrina Skoda FH D ¨ usseldorf, Institute of Sound and Vibration Engineering Email: enrica [email protected] Einleitung Durch die Energiewende werden in Zukunft vermehrt Schallquellen niedrigen Schalldruckpegels im direkten Lebensumfeld des Menschen zu finden sein. Zu nen- nen sind hier beispielsweise Wohnrauml¨ uftungen oder armepumpen. W¨ ahrend L¨ armquellen wie Straßen- oder Flugverkehr sich meist in gr ¨ oßerer Entfernung zum orer befinden, wirken die neuen Schallquellen z.B. im Schlafraum (L ¨ uftung) oder im Garten (W¨ armepumpe) aus n¨ achster N¨ ahe auf den Menschen ein. Hierdurch kann es zu einer Beeintr¨ achtigung der Wohnqualit¨ at kommen, da Schlaf und Erholungsphasen gest¨ ort wer- den, vor allem da die Menschen keine M ¨ oglichkeit haben sich den Ger ¨ auschen zu entziehen. Um leise Ger ¨ ausche auf ihre Auswirkungen im Hinblick auf die Durchf ¨ uhrung von T ¨ atigkeiten, die hohe Konzen- tration erfordern, und auf ihre L¨ astigkeit hin zu unter- suchen, wurde im Rahmen einer Bachelorarbeit an der Fachhochschule D ¨ usseldorf der folgende H ¨ orversuch konzipiert. Dieser H ¨ orversuch diente gleichzeitig dazu, eine geeignete Versuchsmethodik zur Evaluation leiser Ger¨ ausche zu entwickeln. Studien befassten sich bisher oftmals mit der Wir- kung von Ger¨ auschen oder Sprache auf die Arbeits- ged¨ achtnisleistung (Stichwort Irrelevant Sound Eect). Bergstr ¨ om et al. [1] untersuchten dies anhand von Schall- quellen moderater Lautst¨ arke und verglichen den Ef- fekt von sprachlichem und nicht-sprachlichem Materi- al miteinander. Hierbei zeigte sich eine gr¨ oßere Ablen- kung der Probanden von der durchgef ¨ uhrten Aufga- be durch Sprachschall, allerdings minderte auch nicht- sprachliches Material die Arbeitsged ¨ achtnisleistung. Bei Schlittmeier und Thaden [2] kamen Sprachsignale in ver- schiedenen Sprachen mit einem Schalldruckpegel von 35 dB(A) zum Einsatz. Es zeigte sich, dass auch Schall mit geringem Pegel kognitive Leistungen vermindert und eine ablenkende Wirkung selbst bei fremdsprachi- gen Signalen, d.h. auch ohne das Vorliegen von Sprach- verst¨ andlichkeit, auftritt. Nicht nur in diesen Studien zur Wirkung von Schall auf die Arbeitsged¨ achtnisleistung spielt die T¨ atigkeit der Versuchspersonen eine entscheidende Rolle. Auch bei der Bewertung der L ¨ astigkeit leiser Ger ¨ ausche sollte die Durchf ¨ uhrung einer T ¨ atigkeit als Versuchsaufgabe in die Untersuchung mit einbezogen werden, da insbeson- dere die Ablenkung von einer ausgef ¨ uhrten T¨ atigkeit von Probanden als l¨ astig eingestuft wird [3]. Um die- sen Aspekt im Versuch zu ber¨ ucksichtigen, gibt es zwei Ans¨ atze. Zum einen gibt es die M ¨ oglichkeit die Proban- den zu bitten, sich eine T¨ atigkeit w¨ ahrend der Beschal- lung mit Ger ¨ auschen vorzustellen, oder aber - und das ist die ¨ okologisch validere Methode - man l¨ asst die Proban- den tats¨ achlich eine Aufgabe ausf ¨ uhren. Dieser zweite Ansatz liegt auch der hier vorgestellten Studie zugrun- de. Methodik Als Versuchsmethode wurde der Blindversuch gew¨ ahlt, da die Probanden sich auf die durchzuf ¨ uhrende Auf- gabe konzentrieren und nicht nach zugespielten So- unds suchen sollten. Somit wurden die Probanden nicht zu einem orversuch, sondern zum Test ei- nes Brain-Computer-Interfaces eingeladen. Es wurden zwei T¨ atigkeiten ausgew¨ ahlt, um die Bewertung der Ger¨ ausche durch die Probanden in verschiedenen Si- tuationen vergleichen zu k ¨ onnen. Im ersten Versuchsteil wurde den Probanden eine Konzentrationsaufgabe ge- stellt, darauf folgte ein Entspannungsteil. Konzentration Das Neuroheadset EPOC der Firma Emotiv fungierte im Versuch als Brain-Computer- Interface, um per Gedanken eine Box im virtuellen Raum steuern zu k ¨ onnen. Bei diesem System werden ¨ uber die 14 Sensoren des Headsets Gehirnstr ¨ ome des Probanden gemessen und in der zugeh ¨ origen Software in Befehle ur die Steuerung umgewandelt. Zun ¨ achst muss hierf ¨ ur das Programm angelernt werden, indem f ¨ ur jeden Be- fehl ein Referenz-Gedankenmuster hinterlegt wird. Um die Box steuern zu k¨ onnen, muss dann der jeweilige Gedankenzustand erneut aufgerufen werden, damit in der Software der zugeh¨ orige Befehl zum Bewegen der Box aufgerufen wird. Dieser Vorgang ist sehr konzen- trationsintensiv und f ¨ uhrte im Versuch dazu, dass viele Probanden ihre Umgebung v ¨ ollig ausblendeten. Entspannung Im anschließenden Entspannungsteil wurde den Probanden ein Video vorgespielt, welches aus sich langsam bewegenden Farbfl ¨ achen bestand. Ver- gleichbar ist dies mit Entspannungsmusik auf auditi- ver Ebene. W¨ ahrend der beiden Aufgabenteile wurden die Probanden mit verschiedenen leisen Ger¨ auschen be- schallt. Ger¨ ausche Die Auswahl bestand aus folgenden f ¨ unf Ger¨ auschen: Brunnen, Wohnrauml ¨ uftung, spielende Kinder, W¨ armepumpe, Regen Die Ger¨ ausche Brunnen, Kinder und Regen wurden der Soundlibrary ’The General Series 6000’ entnommen. Das L¨ uftungsger¨ ausch und die W¨ armepumpe stamm- ten aus einer hausinternen Messreihe. Alle Ger¨ ausche hatten einen Schalldruckpegel von ca. 25 dB(A), gemes- sen mit einem Kunstkopf (HMS II.3, Head acoustics) an der H¨ orposition. Alle Ger¨ ausche lagen als Mono- Datei vor und wurden ¨ uber einen Lautsprecher (Ge- DAGA 2015 Nürnberg 1302

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Lastigkeit und Auswirkungen leiser Gerausche im alltaglichen Wohnumfeld

Enrica Gissel, Jorg Becker-Schweitzer, Sabrina SkodaFH Dusseldorf, Institute of Sound and Vibration Engineering Email: enrica [email protected]

Einleitung

Durch die Energiewende werden in Zukunft vermehrtSchallquellen niedrigen Schalldruckpegels im direktenLebensumfeld des Menschen zu finden sein. Zu nen-nen sind hier beispielsweise Wohnraumluftungen oderWarmepumpen. Wahrend Larmquellen wie Straßen-oder Flugverkehr sich meist in großerer Entfernung zumHorer befinden, wirken die neuen Schallquellen z.B. imSchlafraum (Luftung) oder im Garten (Warmepumpe)aus nachster Nahe auf den Menschen ein. Hierdurchkann es zu einer Beeintrachtigung der Wohnqualitatkommen, da Schlaf und Erholungsphasen gestort wer-den, vor allem da die Menschen keine Moglichkeit habensich den Gerauschen zu entziehen.Um leise Gerausche auf ihre Auswirkungen im Hinblickauf die Durchfuhrung von Tatigkeiten, die hohe Konzen-tration erfordern, und auf ihre Lastigkeit hin zu unter-suchen, wurde im Rahmen einer Bachelorarbeit an derFachhochschule Dusseldorf der folgende Horversuchkonzipiert. Dieser Horversuch diente gleichzeitig dazu,eine geeignete Versuchsmethodik zur Evaluation leiserGerausche zu entwickeln.

Studien befassten sich bisher oftmals mit der Wir-kung von Gerauschen oder Sprache auf die Arbeits-gedachtnisleistung (Stichwort Irrelevant Sound Effect).Bergstrom et al. [1] untersuchten dies anhand von Schall-quellen moderater Lautstarke und verglichen den Ef-fekt von sprachlichem und nicht-sprachlichem Materi-al miteinander. Hierbei zeigte sich eine großere Ablen-kung der Probanden von der durchgefuhrten Aufga-be durch Sprachschall, allerdings minderte auch nicht-sprachliches Material die Arbeitsgedachtnisleistung. BeiSchlittmeier und Thaden [2] kamen Sprachsignale in ver-schiedenen Sprachen mit einem Schalldruckpegel von35 dB(A) zum Einsatz. Es zeigte sich, dass auch Schallmit geringem Pegel kognitive Leistungen vermindertund eine ablenkende Wirkung selbst bei fremdsprachi-gen Signalen, d.h. auch ohne das Vorliegen von Sprach-verstandlichkeit, auftritt.

Nicht nur in diesen Studien zur Wirkung von Schallauf die Arbeitsgedachtnisleistung spielt die Tatigkeitder Versuchspersonen eine entscheidende Rolle. Auchbei der Bewertung der Lastigkeit leiser Gerausche solltedie Durchfuhrung einer Tatigkeit als Versuchsaufgabe indie Untersuchung mit einbezogen werden, da insbeson-dere die Ablenkung von einer ausgefuhrten Tatigkeitvon Probanden als lastig eingestuft wird [3]. Um die-sen Aspekt im Versuch zu berucksichtigen, gibt es zweiAnsatze. Zum einen gibt es die Moglichkeit die Proban-den zu bitten, sich eine Tatigkeit wahrend der Beschal-lung mit Gerauschen vorzustellen, oder aber - und das ist

die okologisch validere Methode - man lasst die Proban-den tatsachlich eine Aufgabe ausfuhren. Dieser zweiteAnsatz liegt auch der hier vorgestellten Studie zugrun-de.

MethodikAls Versuchsmethode wurde der Blindversuch gewahlt,da die Probanden sich auf die durchzufuhrende Auf-gabe konzentrieren und nicht nach zugespielten So-unds suchen sollten. Somit wurden die Probandennicht zu einem Horversuch, sondern zum Test ei-nes Brain-Computer-Interfaces eingeladen. Es wurdenzwei Tatigkeiten ausgewahlt, um die Bewertung derGerausche durch die Probanden in verschiedenen Si-tuationen vergleichen zu konnen. Im ersten Versuchsteilwurde den Probanden eine Konzentrationsaufgabe ge-stellt, darauf folgte ein Entspannungsteil.

Konzentration Das Neuroheadset EPOC der FirmaEmotiv fungierte im Versuch als Brain-Computer-Interface, um per Gedanken eine Box im virtuellen Raumsteuern zu konnen. Bei diesem System werden uber die14 Sensoren des Headsets Gehirnstrome des Probandengemessen und in der zugehorigen Software in Befehlefur die Steuerung umgewandelt. Zunachst muss hierfurdas Programm angelernt werden, indem fur jeden Be-fehl ein Referenz-Gedankenmuster hinterlegt wird. Umdie Box steuern zu konnen, muss dann der jeweiligeGedankenzustand erneut aufgerufen werden, damit inder Software der zugehorige Befehl zum Bewegen derBox aufgerufen wird. Dieser Vorgang ist sehr konzen-trationsintensiv und fuhrte im Versuch dazu, dass vieleProbanden ihre Umgebung vollig ausblendeten.

Entspannung Im anschließenden Entspannungsteilwurde den Probanden ein Video vorgespielt, welchesaus sich langsam bewegenden Farbflachen bestand. Ver-gleichbar ist dies mit Entspannungsmusik auf auditi-ver Ebene. Wahrend der beiden Aufgabenteile wurdendie Probanden mit verschiedenen leisen Gerauschen be-schallt.

Gerausche Die Auswahl bestand aus folgenden funfGerauschen: Brunnen, Wohnraumluftung, spielendeKinder, Warmepumpe, Regen

Die Gerausche Brunnen, Kinder und Regen wurdender Soundlibrary ’The General Series 6000’ entnommen.Das Luftungsgerausch und die Warmepumpe stamm-ten aus einer hausinternen Messreihe. Alle Gerauschehatten einen Schalldruckpegel von ca. 25 dB(A), gemes-sen mit einem Kunstkopf (HMS II.3, Head acoustics)an der Horposition. Alle Gerausche lagen als Mono-Datei vor und wurden uber einen Lautsprecher (Ge-

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Abbildung 1: Terz-Spektren der Gerausche gemessen im Ver-suchsraum an der Horposition (A-bewertet)

nelec 1029A), der 2,5 m vom Ohr des Probanden ent-fernt war, zugespielt. Der Lautsprecher war am Fensterdes Versuchsraums positioniert, um eine moglichst rea-litatsnahe Gerauschsituation zu schaffen. Es sollte derEindruck erweckt werden, dass die Gerausche nichteingespielt, sondern tatsachlich am Horort vorhandensind (z.B. spielende Kinder draußen vor dem Gebaudeoder Regen am Fenster des Versuchsraums). Der Ver-such fand im Postproduktionsstudio der Fachhochschu-le Dusseldorf statt, um eine ruhige Versuchsumgebungsicherzustellen.

Abbildung 2: Ablauf des Versuchs

Pro Proband wurden in jedem Aufgabenteil 2der 5 Gerausche hintereinander eingespielt. Der

Gerauschwechsel folgte jeweils nach 2,5 Minuten, wiein Abbildung 2 zu sehen.

Wahrend der beiden Teile Konzentration und Entspan-nung wurden Hautleitwert und Blutvolumenpuls, auswelchem sich die Herzrate ableiten lasst, gemessen, umunbewusst ablaufende psychophysiologische Reaktio-nen auf die Gerausche sichtbar machen zu konnen. ImAnschluss an die beiden Aufgabenteile fullten die Ver-suchspersonen einen Fragebogen aus.

StichprobeAm Versuch nahmen insgesamt 33 Personen im Al-ter von 20 - 36 Jahren (Durchschnitt 25,2 Jahre, STD:3,67) teil. 21,2% der Versuchsteilnehmer waren weiblichund 78,8% mannlich. Obwohl als Blindversuch konzi-piert, wussten 7 der 33 Versuchsteilnehmer, dass es umGerauschwahrnehmung ging, da ihnen das Thema derBachelorarbeit bekannt war. Somit konnte zusatzlich einVergleich zwischen den Ergebnissen von wissenden undunwissenden Probanden vorgenommen werden.

ErgebnisseWie viele Gerausche haben Sie gehort? Hier solltendie Probanden die Anzahl und jeweils eine moglicheSchallquelle nennen. Abbildung 3 zeigt, wie oft das je-

Abbildung 3: Anzahl der Probanden (prozentual), die das je-weilige Gerausch nicht wahrgenommen haben, aufgeteilt nachSituation

weilige Gerausch in beiden Versuchsteilen nicht gehortwurde. Zu sehen ist, dass die Warmepumpe am ehe-sten nicht wahrgenommen wurde, sowohl im Entspan-nungsteil, als auch wahrend der Konzentrationsphase.Das Kindergerausch und das Regengerausch wurdenwahrend des Entspannungsteils von allen Probandenwahrgenommen, bei denen diese Gerausche zugespieltwurden.

Hatten Sie das Gerausch, wenn moglich, vorzeitig be-endet?

Diese Frage war als Ja-Nein-Frage ausgelegt. Die Pro-zentangabe bezieht sich in diesem Fall nur auf die Pro-banden, die das Gerausch wahrgenommen haben.

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Abbildung 4: Anzahl der Probanden (prozentual), die das je-weilige Gerausch vorzeitig beendet hatten

Die Luftung ware in beiden Situationen von den mei-sten Versuchsteilnehmern beendet worden. Das Brun-nengerausch ware im Konzentrationsfall nur von 12,5%der Probanden, die dieses Gerausch wahrgenommen ha-ben, beendet worden. Hier scheint dieses Gerausch alsnicht sehr storend wahrgenommen worden zu sein. Inder Entspannungssituation lag der Wert hingegen bei36,4%.

Abbildung 5: Rangreihenfolge der Bewertung nach Lastigkeitunabhangig von einer Tatigkeit

Lastigkeitsranking

Im anschließenden Fragebogen hatten die Probandenunter anderem die Aufgabe, alle funf Gerausche nachLastigkeit in eine Rangreihenfolge zu bringen. Hierfurkonnten alle Gerausche beliebig haufig angehort wer-den.

Die unabhangig von einer Tatigkeit aufgestellte Rang-folge ahnelt sehr den Ergebnissen aus der Frage nachBeendigung der Gerausche. Die am lastigsten eingestuf-te Luftung ware auch am ehesten beendet worden. DieWarmepumpe, die am wenigsten lastig bewertet wurde,ware am seltensten beendet worden.

Gerauschsituation Konzentration

Dargestellt im Semantischen Differential ist die Be-wertung der Gerauschsituation wahrend der Kon-zentrationsaufgabe. Die folgenden Gegensatzpaa-re sollten bewertet werden: entspannend/stressig,

Abbildung 6: Bewertung der Gerauschsituation wahrend derKonzentrationsphase im Mittel und aufgeteilt in wissende undunwissende Gruppe

ermudend/anregend, angenehm/unangenehm, stark ab-lenkend/nicht ablenkend, erholsam/anstrengend, beru-higend/aufregend.

Zu sehen ist der Mittelwert der Bewertungen von al-len Probanden (blau) und zusatzlich von beiden Grup-pen ’wissend’ (rot) und ’unwissend’ (gelb). Auffalligist, dass die Gruppe der unwissenden Versuchsperso-nen die Gerauschsituation durchweg positiver bewerte-te als beide Gruppen zusammen, wahrend die wissendeGruppe ein negativeres Urteil abgab. Die Meinungenbeider Gruppen stimmten lediglich bei der Bewertungdes Bezeichners ermudend/anregend uberein. Am mei-sten unterschieden sich die Urteile bei der Bewertungdes Attributs ’ablenkend’, mit einer Differenz von zweiSkalenpunkten.

Biometrische Messungen

Abbildung 7: Hautleitwert in µS uber der Zeit, dargestellt alsMittelwert aus allen Messungen

Hautleitwert

In Abbildung 7 ist der aus allen Messungen gemittel-te Hautleitwert in µS uber der Zeit zu sehen. Im Kon-zentrationsteil steigt dieser kontinuierlich an, im Ent-spannungsteil ist ein deutlicher Abfall zu sehen. DerGerauschwechsel, der nach 150s erfolgte, hat im Kon-zentrationsteil keinen Einfluss auf den Verlauf des mitt-leren Hautleitwerts. Im Entspannungsteil zeigt sich andieser Stelle jedoch ein kleiner Peak.

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Abbildung 8: Mittlere Herzrate aller Probanden in Schlagenpro Minute uber der Zeit, gemittelt uber 10 Sekunden

Herzrate

Die Herzrate, auch hier als Mittelwert aller Probandendargestellt, liegt im Konzentrationsteil generell hoherals im Entspannungsteil (siehe Abbildung 8). Im Ent-spannungsteil ist zu erkennen, dass zum Ende des 1.Gerauschs die Herzrate auf ihr absolutes Minimumabfallt und nach dem Gerauschwechsel uber 30 Sekun-den um 3,5 Schlage pro Minute ansteigt. Im Konzentrati-onsteil ist wiederum kein Einfluss des Gerauschwechselssichtbar.

Fazit

Zur okologisch validen Beurteilung der Wirkung lei-ser Gerausche sollte ein Versuchsdesign als Blindver-such in Betracht gezogen werden. Die Versuchser-gebnisse zeigen, dass die wissenden Probanden dieGerauschsituation tendenziell negativer bewerteten alsdie unwissenden Teilnehmer. Eine derartige Aufmerk-samkeitsfokussierung ist im Alltag jedoch nicht gege-ben und stellt somit eine testbedingte Verzerrung derBewertungsergebnisse dar. In der Konzentrationssitua-tion haben die meisten Probanden ihre Umgebung sehrstark ausgeblendet, was sich auch daran zeigt, dass27,3% der Probanden in diesem Versuchsteil keines derbeiden Gerausche wahrgenommen haben. Im Entspan-nungsteil wurde die Umgebung eher wahrgenommenund somit wurden auch die eingespielten Gerauschevon mehr Probanden gehort als im Konzentrationsteil.Ein Vergleich der Gerauschbewertungen aus beiden Ver-suchsteilen zeigt, dass die Gerausche in Abhangigkeitder beiden Bewertungssituationen Konzentration undEntspannung teilweise sehr unterschiedlich bewertetwurden. Wahrend das Brunnengerausch beispielswei-se im Entspannungsteil von 36,4% der Probanden vor-zeitig beendet worden ware, hatte es im Konzentrati-onsteil offensichtlich eine weniger storende Wirkung.Dieses Ergebnis veranschaulicht, in welchem Maße dieDurchfuhrung einer Tatigkeit die Wahrnehmung undBewertung eines leisen Gerausches verandern kann. ImGegensatz dazu wurde das Luftungsgerausch jedochin beiden Situationen ahnlich und insgesamt storenderals alle anderen Gerausche bewertet. Dies liegt zumeinen daran, dass technische Gerausche im Vergleichzu Naturgerauschen grundsatzlich negativer bewer-tet werden. Zum anderen ist das Luftungsgerausch

dem Menschen sehr viel unvertrauter als beispielswei-se das Naturgerausch Regen. Dadurch fallt es in einerGerauschumgebung starker auf und wird, unabhangigvon der Tatigkeit des Probanden, in beiden Bewertungs-situationen als storend empfunden.

Anhand der biometrischen Daten ist erkennbar, dassder Gerauschwechsel im Entspannungsteil zu sichtbarenVeranderungen im Verlauf des Hautleitwerts und derHerzrate fuhrt. Wie stark welche Art von Gerausch ei-ne Veranderung bewirkt, musste in Zukunft untersuchtwerden, indem bei jedem Versuchsteilnehmer die glei-chen Gerausche zugespielt werden. Im Konzentrations-teil ist der Gerauschwechsel nicht an den Messdaten ab-lesbar, was an der sehr konzentrationsintensiven Aufga-be liegt. Die Aufgabe an sich hat einen großeren Einflussauf den Verlauf von Hautleitwert und Herzrate, als diezugespielten Gerausche.

Weiterfuhrend ist zu untersuchen, ob auch unterschied-liche Gerausche der gleichen Schallquellenart, z.B. ver-schiedene Luftungsgerausche, in einer vergleichbarenVersuchssituation zu ahnlich großen Bewertungsun-terschieden wie in diesem Versuch fuhren. Ziel einersolchen Untersuchung ware die Validierung der hiervorgestellten Versuchsmethodik im Hinblick auf leiseGerausche mit ahnlicher Klangcharakteristik.

Literatur[1] Bergstrom, K.; Lachmann, T.; Klatte, M. (2012):

Wann stort Larm das geistige Arbeiten? Ein-fluss von Aufgaben- und Gerauschcharakteristikenbei der Wirkung moderaten Larms auf Arbeits-gedachtnisleistungen. In Fortschritte der Akustik -DAGA 2012.

[2] Schlittmeier, S.; Thaden, R. (2005): Wirkungirrelevanter Sprache unterschiedlicher Sprach-verstandlichkeit auf die Arbeitsgedachtnisleistung.In Fortschritte der Akustik - DAGA 2005.

[3] Guski, R. (1997): Interference of activities and an-noyance by noise from different sources: Some newlessons from old ideas. In: Schick, A.; Klatte, M. (eds),Contributions to Psychological Acoustics. Results ofthe Seventh Oldenburg Symposium on Psychologi-cal Acoustics.

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