Löhne - Ein Lohn zum Leben...Löhne in der globalen Bekleidungsindustrie. Clean Clothes Campaign....

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Löhne in der globalen Bekleidungsindustrie Kambodschanische Fabrik. Die Löhne sind so niedrig, dass die ArbeiterInnen ohne Über- stunden nicht genug Geld für Nahrung und Wohnung verdienen. Seite 1 von 6

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Löhne in der globalen Bekleidungsindustrie

Kambodschanische Fabrik. Die Löhne sind so niedrig, dass die ArbeiterInnen ohne Über-stunden nicht genug Geld für Nahrung und Wohnung verdienen.

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Löhne in der globalen Bekleidungsindustrie. Clean Clothes Campaign. April 2014. Seite 2 von 6

Die Bekleidungsindustrie ist auf der ganzen Welt ein wichtiger Arbeitgeber. Der überwältigende Großteil der weltweit verkauften Kleidungsstücke wird von 15 Millionen ArbeiterInnen in Asien und vier Millionen ArbeiterInnen in Europa gefertigt. Der größte Teil der Bekleidungsh-erstellung ist nach Asien, aber auch in EU-Mitgliedsstaaten und Beitrittsländer wie die Türkei, Rumänien, Bulgarien ausgelagert. Europäische Marken wie H&M, Zara, adidas, Hugo Boss und Dolce & Gabbana sind Teil einer boomenden Branche, die jedes Jahr dank billiger Arbeitskräfte Millionengewinne macht. Dafür werden NäherInnen ausgebeutet, deren Löhne bei Weitem nicht für ein menschenwür-diges Leben reichen. In den betreffenden EU-Mitgliedsstaaten und Beitrittsländern liegen die Löhne von etwa 3 Millionen NäherInnen sogar weit unter der Armuts-grenze nach EU-Definition. Im Jahr 2012 importierte die EU Bekleidung und Textilien im Wert von 90 Billionen Euro1 Wegen der niedrigen Löhne müssen Arbei-terInnen und ihre Familien in ärmlichen Unterkünften ohne Wasser, ohne Abwasser-entsorgung und, in Europa, ohne Heizung leben. Die ArbeiterInnen leiden unter Mangelernährung und sind zu langen Arbe-itszeiten gezwungen, um Überstundengeld oder Zulagen zu verdienen. Sie können keinen Urlaub nehmen und nicht in Krank-enstand gehen, obwohl sie unter extrem gesundheitsschädlichen Bedingungen arbeiten. Weil sie Lohneinbußen fürchteten, kehrten ArbeiterInnen bei der Katastrophe im Rana Plaza in Bangladesch im April 2013 in die Fabrik zurück, obwohl in dem Gebäude Risse entdeckt worden waren. Die Auslagerung der Bekleidung-sproduktion innerhalb und außerhalb von Europa ist Sozialdumping in globalem Ausmaß.

1 European Apparel and Textile Confederation, Key figures 2012, Web: http://euratex.eu/uploads/media/keyfig-ures_2012.pdf

Diese Unterkünfte liegen außerhalb des Gewerbegebietes von Phnom Penh, Kamboscha. Ein Raum kostet hier 20 USD pro Monat. Ein privates Unternehmen verkauft Wasser in großen Krügen.

Wohin geht das Geld?Der Lohn der ArbeiterInnen macht tendenziell nur 0,5 bis 3 Prozent des Preises aus, den europäische Konsumenten im Laden für das Produkt zahlen2.

Die Grafik zeigt die übliche Preisbildung für ein T-Shirt, das in Asien hergestellt und in der EU verkauft wird.

2 NorWatch: Mektige merkeklær: Leverandørkjedens jerngrep 2004, S. 18-19. Climbing the Ladder to Living Wages, Fair Wage Foundation 2012, S. 16-17. Cost-ing a Living Wage in the Global Apparel Industry: University of Northhumbria Research Conference.

3% Entlohnung der NäherInnen5% Fracht, Zoll & Transport6% Fabrikation11% Material15% Markenunternehmen60% Einzelhandel und Steuern

3%5%

6%

11%

15%60%

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Löhne und Existenzlöhne in Asien

* In Ländern, in denen der Mindestlohn je nach Region variiert, wurde unter Heranziehung der wichtigsten Produktionsge-biete ein durchschnittlicher monatlicher Mindestlohn für das jeweilige Land errechnet.

** Wechselkurs berechnet auf xe.com am 28.03.2014

*** Existenzlöhne laut Berechnung der Asia Floor Wage Alliance - einer Gruppe asiatischer Gewerkschaften und Arbeitsrecht-sorganisationen, die eine Formel für einen asiatischen Basis-Existenzlohn festgelegt hat. Die Asia Floor Wage Alliance führt in der Region regelmäßig Erhebungen zum Lebensmittel-Warenkorb durch, um den aktuellen asiatischen Basis-Existenzlohn zu berechnen.

**** Länder mit einem nationalen Verfahren zur Unterstützung eines Lohnbildungsmechanismus für einen asiatischen Mind-

Löhne in Osteuropa

* Wechselkurse in allen Tabellen vom 1.2.2014, www.oanda.com; gesetzliche Mindestlöhne am Stand von 1. Mai 2013

** Basierend auf Interviews mit NäherInnen in den Ländern. Aus dem „Global East“-Bericht der Clean Clothes Kampagne, der am 10. Juni 2014 veröffentlicht wird.

21% 25% 41% 27% 34% 57% 19%

242,00 €

289,00 €

369,00 €

196,00 €

259,00 €

348,00 €

289,00 €

0,00 €

50,00 €

100,00 €

150,00 €

200,00 €

250,00 €

300,00 €

350,00 €

400,00 €

450,00 €

Bangladesh Kambodscha ***

China Indien *** Indonesien *** Malaysia Sri Lanka ***

Existenzlohn in Euro **/***

Gesetzlicher Mindestlohn in Euro **

25% 14% 37% 10% 14% 19% 19% 21% 28% 14%

1022,00 €

767,00 €

862,00 €

518,00 €

790,00 €

378,00 €

710,00 €

1360,00 €

890,00 €

553,00 €

0,00 €

200,00 €

400,00 €

600,00 €

800,00 €

1.000,00 €

1.200,00 €

1.400,00 €

1.600,00 €

Bosnien Herzeg.

Bulgarien Kroatien Georgien Mazedonien Moldavien Romänien Slowakei Türkei Ukraine

Geschätzter minimaler Existenzlohn **

60% des nationalen Durchschnittslohns

Gesetzlicher Mindestlohn in Euro *

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Ein Lohn zum Leben sollte in einer normalen Arbeitswoche verdient werden, die nie mehr als 48 Stunden beträgt. Der Lohn muss ausreichend sein, um die Grundbedürfnisse eines Arbeiters oder einer Arbeiterin und seiner/ihrer Familie zu decken. Dazu gehören Wohn-, Bildungs- und Gesund-heitskosten ebenso wie Rücklagen für unvorhergesehene Ausgaben.

Kambodschanische ArbeiterInnen in Bekleidungsfabriken während der Mittagspause. Einige von ihnen bringen Reis von zu Hause mit und teilen kleine gekaufte Mahlzeiten, die oft aus bereits verrot-tendem Gemüse gekocht werden und einen sehr geringen Nährstoff-gehalt aufweisen.

Eine kambodschanische Arbeiterin mit ihrem Kind.

Ein typisches Zimmer einer Näherin. Dort schlafen und leben 7 Menschen.

Was ist ein Lohn zum Leben?

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Ein existenzsichernder Lohn für eine Arbei-terin und ihre Familie ist in der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte1, im Inter-nationalen UN-Pakt über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte2 sowie in den folgenden Dokumenten als Menschenrecht verankert: Im Übereinkommen der ILO (Inter-nationale Arbeitsorganisation) von 1919, in der Präambel der Erklärung von Philadelphia (Internationale Arbeitskonferenz 1944), in der ILO-Erklärung über soziale Gerechtigkeit für eine faire Globalisierung 2008 und schließlich in der Europäischen Sozialcharta. Die von der EU 1989 beschlossene Gemein-schaftscharta der sozialen Grundrechte der Arbeitnehmer (EU-Sozialcharta) beinhaltet den Grundsatz, dass jede Arbeit mit einem angemessenen Entgelt entlohnt werden muss. Eine der Situation im jeweiligen Land entsprechend faire Entlohnung für Arbe-itnehmerInnen sollte also gewährleistet sein. Unter gerechtem Lohn versteht die EU-Sozialcharta ein Arbeitsentgelt, das ArbeitnehmerInnen einen angemessenen Lebensstandard sichert. Auch die Europäische Sozialcharta des Europäischen Rates von 1961 enthält in Artikel 4 „das Recht auf ein gerechtes Arbeitsentgelt, das einen angemessenen Lebensstandard sichert“. Ähnliche Bestimmungen über „gerechte Entlohnung“ finden sich auch in den nationalen Verfassungen vieler EU-Mitgliedsstaaten. Im Vertrag von Lissabon, Artikel 3.5, wird von der Rolle der Europäischen Union in der Welt und ihren Verpflichtungen gesprochen: „ … die nachhaltige Entwicklung der Erde,

1 AEMR, 1948, Artikel 23, 3 2 ICESCR, 1966, Artikel 7 (a)

Solidarität und gegenseitiger Respekt unter den Völkern, freier und fairer Handel, Abschaffung der Armut und Schutz der Menschenrechte.“ Auch die UN-Leitprinzipien für Wirtschaft und Menschenrechte legen fest, was Unternehmen und Regierungen tun sollten, um mögliche Menschenrechtsverletzungen zu verhindern und abzuschaffen. Es gehört zu den Sorgfaltspflichten eines Unternehmens,Menschenrechtsverletzungen in seinen Lieferketten zu verhindern. Die EU hat versprochen, die UN-Leitprinzipien zu unterstützen und zu ihrer Umsetzung beizutragen. Viele EU-Mitgliedsstaaten entwickeln nationale Pläne zu Wirtschaft und Menschenrechten.3 Und schließlich hat die EU selbst ihre Ziele in folgenden Dokumenten festgehalten: „Ein menschenwürdiges Leben für alle: Beseitigung der Armut und Gestaltung einer nachhaltigen Zukunft für die Welt“, „Eine neue globale Partnerschaft: Durch nach-haltige Entwicklung die Armut beseitigen und Volkswirtschaften umgestalten“ , dem Abschlussbericht der Hochrangigen Gruppe namhafter Persönlichkeiten für die Entwick-lungsagenda nach 2015: „Das wichtigste Ziel muss die Schaffung guter und menschenwür-diger Arbeitsmöglichkeiten sowie sicherer Lebensgrundlagen sein. Wachstum soll integrativ sein und Armut und Ungleichheit verringern.“ 4

3 European Commission: Business and human rights, Web: http://ec.europa.eu/enterprise/policies/sustainable-busi-ness/corporate-social-responsibility/human-rights

4 A New Global Partnership: Eradicate Poverty and Trans-form Economies through sustainable Devel

Löhne zum Leben für NäherInnen sind ein Menschenrecht

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“Dafür zu arbeiten, dass die NäherInnen, die weltweit für europäische Unternehmen produzieren, Existenzlöhne verdienen.” Ganz besonders das Europäische Parlament sollte das Menschenrecht auf existenzsich-ernden Lohn schützen: n Mithilfe seiner Länderdelegationen in textilproduzierenden Ländern einschließlich der EU-Mitgliedsstaaten und Beitrittsländer. n Existenzsichernde Löhne in Bekleidungs- und Schuhfabriken in EU-Mitgliedsstaaten sind eine konkrete Maßnahme, um Bürger-Innen aus Armut zu befreien – einem der Schlüsselziele der EU 2020-Strategie. In einem ersten Schritt sollte das Europäische Parlament einen Richtwert für den geset-zlichen Mindestlohn in der EU festlegen: 60% des nationalen Durchschnitt-seinkommens als Minimum – die Armuts-grenze.

n Durch Gewährleistung der Kohärenz seiner Richtlinien und Instrumente, namen-tlich in der Außenpolitik (dazu gehört der Unterausschuss für Menschenrechte), der Handelspolitik (Delegation für die Bezie-hungen zu den Ländern Südostasiens und der Vereinigung südostasiatischer Nationen – ASEAN), der Sozialpolitik, der Menschenrechtspolitik (Europäisches Instrument für Demokratie und Menschen-rechte – EIDHR), der Entwicklungspolitik und der CSR-Politik. Die Kohärenz muss den UN-Leitprinzipien für Wirtschaft und Menschenrechte entsprechen. Die Sorgfal-tspflicht europäischer Unternehmen muss bindend sein und ihre Einhaltung muss durch

EU-Organe überwacht werden. Die Sorgfalt-spflicht muss Teil von EU-Handelsabkommen und der EU-Entwicklungspolitik sein. n Durch verbesserten Zugang zu Rechtshilfe für Opfer von Menschenrechts-verletzungen. n Durch Ausweitung der Unterstützung von Arbeits- und Menschenrechtsor-ganisationen in textilproduzierenden Ländern einschließlich EU-Mitgliedsstaaten und Beitrittsländern, insbesondere durch Finanzierung von Aufklärungskampagnen für NäherInnen über ihre Rechte und ihr Menschenrecht auf existenzsichernden Lohn. n Durch Gewährleistung des Menschen-rechts auf existenzsichernden Lohn bei der Festlegung von Mindestlöhnen durch nationale Regierungen (inklusive EU-Mitgliedsstaaten und Beitrittsländer). n Durch Gewährleistung des Rechts europäischer Konsumenten auf Information über die sozialen Bedingungen, unter denen ihre Bekleidung hergestellt wird. Die sozialen und menschenrechtlichen Kriterien für öffentliche Beschaffung und Konsumenten-information müssen das Menschenrecht auf existenzsichernden Lohn und die Rückverfol-gbarkeit von Lieferketten beinhalten.

Die Mitglieder des Europäischen Parlaments müssen sich verpflichten:

This document has been produced with the financial assist-ance of the European Union. The contents of this document are the sole responsibility of Clean Clothes Campaign and can under no circumstances be regarded as reflecting the position of the European Union.

www.cleanclothes.org