Liebe Freunde des Max-Weber-Kollegs, - uni-erfurt.de · VORWORT in diesem Jahr konnten wir auf 10...

52
VORWORT in diesem Jahr konnten wir auf 10 Jahre Max-Weber- Kolleg zurückblicken. Wie Hans Joas bei seiner Rede anlässlich der feierlichen Eröffnung des akademischen Jahres, verbunden mit der Feier zum zehnjährigen Be- stehen, am 13. Oktober 2008 aufzeigte, kann das Max- Weber-Kolleg auf seine sehr erfolgreiche Geschichte stolz sein. Nach den Gründungs- und Aufbaujahren unter Gründungsdekan Wolfgang Schluchter, dem wir das innovative und wegweisende Konzept des Max- Weber-Kollegs als Kombination eines Institute for Advan- ced Study mit einem auf Dauer gestellten Graduierten- kolleg verdanken, hat das Max-Weber-Kolleg insbesonde- re in den letzten Jahren eine enorme Expansion erfahren. Aus den 12 Kollegiaten der Anfangszeit sind mittlerweile 47 geworden, auch die Zahl der Fellows hat sich von fünf auf neun vermehrt, ohne dass damit eine Erhöhung des Budgets des Max-Weber-Kollegs verbunden wäre. Vielmehr beruht die Expansion auf eingeworbenen Drittmitteln; deren Höhepunkt war die Bewilligung des Antrags auf Einrichtung einer Kolleg-Forschergruppe zum Thema „Religiöse Individualisierung in historischer Per- spektive“ von Hans Joas und Jörg Rüpke durch die DFG im Sommer 2008 (s. S. 2). Während diese Drittmittelein- werbung den Bereich „Institute for Advanced Study“ des Max-Weber-Kollegs unterstützt (durch die Möglichkeit, weitere Fellows an das Kolleg einzuladen), konnte durch die im Oktober 2008 erfolgte Bewilligung der Graduier- tenschule „Religion in Modernisierungsprozessen“ aus Mitteln der ProExzellenz-Initiative des Landes Thüringen der Bereich Graduiertenkolleg und Nachwuchsförderung weiter ausgebaut werden. Das Max-Weber-Kolleg ist ne- ben dem Interdisziplinären Forum Religion und dem For- schungszentrum Gotha einer der drei dauerhaften Trä- ger dieser Graduiertenschule. Durch die Einrichtung der Graduiertenschule werden am Max-Weber-Kolleg erfolg- reich erprobte Verfahren und Standards zur Nachwuchs- förderung für alle Nachwuchswissenschaftler/innen im Bereich religionsbezogener Forschung umgesetzt. Neben diesen wichtigen institutionellen Verände- rungen hat es eine weitere wichtige Neuerung gegeben, die besonders das Max-Weber-Kolleg betrifft: Der Senat der Universität Erfurt hat im November 2008 eine neue Habilitationsordnung beschlossen, die dem Max-Weber- Kolleg in Kooperation mit den Fakultäten Habilitations- möglichkeiten eröffnet. Dies ist ein wichtiger Aspekt der Postdoktorandenförderung, der diese zu einem sinnvollen Abschluss bringt. Die erste Habilitation wurde bereits eingereicht. Auf der Ebene der Drittmittel wurde außerdem das theo- logische Forschungsprojekt von Hermann Deuser bewil- ligt. Auf diese Art wird Professor Deuser für drei Jahre als Fellow für Theologie am Max-Weber-Kolleg tätig sein mit dem Projekt „Veränderungen der theologischen Dogmatik in der Religionsentwicklung der Moderne“. Herr Deuser ist außerdem einer der Hauptherausgeber der Kierkegaard- Tagebücher. In diesem Kontext wurden Mittel von der Carl Friedrich von Siemens Stiftung in Höhe von 7220222 Û gkpigyqtdgp Ï ¦w¦¯inkej gkpgt Wpvgtuv¯v¦wpi fwtej fgp Uvkhvgtxgtdcpf kp J…jg xqp 3230222 Û0 Fwtej diese Mittel und die Tätigkeit von Herrn Deuser am Max- Weber-Kolleg wird das Max-Weber-Kolleg zu einer inter- national bedeutenden Kierkegaard-Forschungsstelle. Die internationale Ausstrahlung des Max-Weber- Kollegs wurde in diesem Jahr besonders gestärkt durch die Tagung „The Axial Age and its Consequences for Subsequent History and the Present“, die geför- dert von der John Temple- ton Foundation vom 3. bis 5. Juli 2008 im Barocksaal der Erfurter Staatskanz- lei stattfand und in deren Rahmen auch die erste Eh- rendoktorwürde des Max- Weber-Kollegs an Professor Dr. Robert N. Bellah verlie- hen wurde. Darüber hin- aus konnte durch den ersten Fellowaustausch (Professor Dr. Marie-Christine Skuncke) der Kooperationsvertrag mit dem SCAS in Uppsala an Leben gewinnen. Die weiteren neuen Fellows im Jahre 2008/09 sind: Professor Dr. Michael Borgolte (Geschichte), Professor Dr. Horst Dreier (Rechtswissenschaft), PD Dr. Thomas Kern (Soziologie), Professor Dr. Gert G. Wagner (Wirtschafts- wissenschaft) (beide bereits seit April 2008) und Profes- sor Dr. Jörg Rüpke (Religionswissenschaft). Professor Dr. Veit Rosenberger (Geschichtswissenschaft) und Professor Dr. Wolfgang Spickermann (Antike Religionsgeschichte) wurden im Rahmen der Kolleg-Forschergruppe kooptiert (s. S. 2ff.). Daneben wurden eine Reihe neuer Kollegiaten (Doktoranden wie Postdoktoranden) an das Max-Weber- Kolleg aufgenommen (s. S. 18ff.). In diesem Jahr konnten auch zwei Promotionen ab- geschlossen werden: die von Patrick Wöhrle zu „Meta- morphosen des ‚Mängelwesens‘. Zu Arnold Gehlen und seiner Wirkung auf die soziologische Theorie“, die er im Promotionskolloquium am 9. Juni 2008 verteidigt hat (summa cum laude), und die Dissertation von Karina Be- cker „Kleine und mittlere Unternehmen im Spannungs- feld von Autonomie und Standardisierungsdruck der neuregulierten Finanzmärkte“, die im Frühjahr 2009 ihr Promotionskolloquium durchführen wird. In diesem Zu- sammenhang bedanken wir uns recht herzlich bei allen Sponsoren und Förderern des Max-Weber-Kollegs, die mit ihren Stipendien und Fördermitteln unsere Arbeit sowie den Abschluss dieser Dissertationen unterstützt haben. Ich wünsche Ihnen eine anregende Lektüre und ein gutes Jahr 2009! Dr. Bettina Hollstein (Kollegreferentin) Liebe Freunde des Max-Weber-Kollegs, Inhaltsverzeichnis: Projekte der Fellows ......................................... S. 2 Projekte der Kollegiat(inn)en ............................ S. 18 Tagungsberichte .............................................. S. 36 Personalia ....................................................... S. 44 Veranstaltungen .............................................. S. 46 Bewerbungsmodalitäten .................................. S. 48 Ausgewählte Publikationen .............................. S. 49 Unsere Förderer ............................................... S. 52 Bettina Hollstein

Transcript of Liebe Freunde des Max-Weber-Kollegs, - uni-erfurt.de · VORWORT in diesem Jahr konnten wir auf 10...

VORWORT

in diesem Jahr konnten wir auf 10 Jahre Max-Weber-Kolleg zurückblicken. Wie Hans Joas bei seiner Rede anlässlich der feierlichen Eröffnung des akademischen Jahres, verbunden mit der Feier zum zehnjährigen Be-stehen, am 13. Oktober 2008 aufzeigte, kann das Max-Weber-Kolleg auf seine sehr erfolgreiche Geschichte stolz sein. Nach den Gründungs- und Aufbaujahren unter Gründungsdekan Wolfgang Schluchter, dem wir das innovative und wegweisende Konzept des Max- Weber-Kollegs als Kombination eines Institute for Advan-ced Study mit einem auf Dauer gestellten Graduierten-kolleg verdanken, hat das Max-Weber-Kolleg insbesonde-re in den letzten Jahren eine enorme Expansion erfahren. Aus den 12 Kollegiaten der Anfangszeit sind mittlerweile 47 geworden, auch die Zahl der Fellows hat sich von fünf auf neun vermehrt, ohne dass damit eine Erhöhung des Budgets des Max-Weber-Kollegs verbunden wäre.

Vielmehr beruht die Expansion auf eingeworbenen Drittmitteln; deren Höhepunkt war die Bewilligung des Antrags auf Einrichtung einer Kolleg-Forschergruppe zum Thema „Religiöse Individualisierung in historischer Per-spektive“ von Hans Joas und Jörg Rüpke durch die DFG im Sommer 2008 (s. S. 2). Während diese Drittmittelein-werbung den Bereich „Institute for Advanced Study“ des Max-Weber-Kollegs unterstützt (durch die Möglichkeit, weitere Fellows an das Kolleg einzuladen), konnte durch die im Oktober 2008 erfolgte Bewilligung der Graduier-tenschule „Religion in Modernisierungsprozessen“ aus Mitteln der ProExzellenz-Initiative des Landes Thüringen der Bereich Graduiertenkolleg und Nachwuchsförderung weiter ausgebaut werden. Das Max-Weber-Kolleg ist ne-ben dem Interdisziplinären Forum Religion und dem For-schungszentrum Gotha einer der drei dauerhaften Trä-ger dieser Graduiertenschule. Durch die Einrichtung der Graduiertenschule werden am Max-Weber-Kolleg erfolg-reich erprobte Verfahren und Standards zur Nachwuchs-förderung für alle Nachwuchswissenschaftler/innen im Bereich religionsbezogener Forschung umgesetzt.

Neben diesen wichtigen institutionellen Verände-rungen hat es eine weitere wichtige Neuerung gegeben, die besonders das Max-Weber-Kolleg betrifft: Der Senat der Universität Erfurt hat im November 2008 eine neue Habilitationsordnung beschlossen, die dem Max-Weber-Kolleg in Kooperation mit den Fakultäten Habilitations-möglichkeiten eröffnet. Dies ist ein wichtiger Aspekt der Postdoktorandenförderung, der diese zu einem sinnvollen Abschluss bringt. Die erste Habilitation wurde bereits eingereicht.

Auf der Ebene der Drittmittel wurde außerdem das theo-logische Forschungsprojekt von Hermann Deuser bewil-ligt. Auf diese Art wird Professor Deuser für drei Jahre als Fellow für Theologie am Max-Weber-Kolleg tätig sein mit dem Projekt „Veränderungen der theologischen Dogmatik in der Religionsentwicklung der Moderne“. Herr Deuser ist außerdem einer der Hauptherausgeber der Kierkegaard-Tagebücher. In diesem Kontext wurden Mittel von der Carl Friedrich von Siemens Stiftung in Höhe von 7220222"Û"gkpigyqtdgp"Ï"¦w¦¯inkej"gkpgt"Wpvgtuv¯v¦wpi"fwtej"fgp"Uvkhvgtxgtdcpf"kp"J…jg"xqp"3230222"Û0"Fwtej"diese Mittel und die Tätigkeit von Herrn Deuser am Max- Weber-Kolleg wird das Max-Weber-Kolleg zu einer inter-national bedeutenden Kierkegaard-Forschungsstelle.

Die internationale Ausstrahlung des Max-Weber-

Kollegs wurde in diesem Jahr besonders gestärkt durch die Tagung „The Axial Age and its Consequences for Subsequent History and the Present“, die geför-dert von der John Temple-ton Foundation vom 3. bis 5. Juli 2008 im Barocksaal der Erfurter Staatskanz-lei stattfand und in deren Rahmen auch die erste Eh-rendoktorwürde des Max-Weber-Kollegs an Professor Dr. Robert N. Bellah verlie-hen wurde. Darüber hin-aus konnte durch den ersten Fellowaustausch (Professor Dr. Marie-Christine Skuncke) der Kooperationsvertrag mit dem SCAS in Uppsala an Leben gewinnen.

Die weiteren neuen Fellows im Jahre 2008/09 sind: Professor Dr. Michael Borgolte (Geschichte), Professor Dr. Horst Dreier (Rechtswissenschaft), PD Dr. Thomas Kern (Soziologie), Professor Dr. Gert G. Wagner (Wirtschafts-wissenschaft) (beide bereits seit April 2008) und Profes-sor Dr. Jörg Rüpke (Religionswissenschaft). Professor Dr. Veit Rosenberger (Geschichtswissenschaft) und Professor Dr. Wolfgang Spickermann (Antike Religionsgeschichte) wurden im Rahmen der Kolleg-Forschergruppe kooptiert (s. S. 2ff.). Daneben wurden eine Reihe neuer Kollegiaten (Doktoranden wie Postdoktoranden) an das Max-Weber-Kolleg aufgenommen (s. S. 18ff.).

In diesem Jahr konnten auch zwei Promotionen ab-geschlossen werden: die von Patrick Wöhrle zu „Meta-morphosen des ‚Mängelwesens‘. Zu Arnold Gehlen und seiner Wirkung auf die soziologische Theorie“, die er im Promotionskolloquium am 9. Juni 2008 verteidigt hat (summa cum laude), und die Dissertation von Karina Be-cker „Kleine und mittlere Unternehmen im Spannungs-feld von Autonomie und Standardisierungsdruck der neuregulierten Finanzmärkte“, die im Frühjahr 2009 ihr Promotionskolloquium durchführen wird. In diesem Zu-sammenhang bedanken wir uns recht herzlich bei allen Sponsoren und Förderern des Max-Weber-Kollegs, die mit ihren Stipendien und Fördermitteln unsere Arbeit sowie den Abschluss dieser Dissertationen unterstützt haben.

Ich wünsche Ihnen eine anregende Lektüre und ein gutes Jahr 2009!

Dr. Bettina Hollstein (Kollegreferentin)

Liebe Freunde des Max-Weber-Kollegs,

Inhaltsverzeichnis:

Projekte der Fellows ......................................... S. 2

Projekte der Kollegiat(inn)en ............................ S. 18

Tagungsberichte .............................................. S. 36

Personalia ....................................................... S. 44

Veranstaltungen .............................................. S. 46

Bewerbungsmodalitäten .................................. S. 48

Ausgewählte Publikationen .............................. S. 49

Unsere Förderer ............................................... S. 52

Bettina Hollstein

PROJEKTE DER FELLOWS

Neue Projekte

2

Kolleg-Forschergruppe „Religiöse Individualisierung in historischer Per-spektive“ (KFG)

Die Kolleg-Forschergruppe „Religiöse Individualisierung kp"jkuvqtkuejgt"RgturgmvkxgÑ"yknn"Ï"wpvgt"fgt"Ngkvwpi"xqp"Hans Joas und Jörg Rüpke und gefördert von der DFG Ï"fkg"dgmcppvg"Oqfgtpkv“vufkcipqug"gkpgt"wohcuugpfgp"Individualisierung aus dezidiert religionsgeschichtlichem Blickwinkel thematisieren und überprüfen. Dabei steht besonders die Frage im Vordergrund, ob individuelle Spielräume religiösen Handelns zu einer (Neu-)Gestal-tung religiöser Traditionen führen und inwiefern dies seinerseits die religiöse Reflexion auf Individualität ver-“pfgtv"Ï"wpf"¦yct"uqyqjn" kppgtjcnd"ykg"cwgtjcnd"fgt"„okzidentalen“ Moderne. Von dieser Untersuchung ver-spricht sich die Forschergruppe zugleich kritische Rück-schlüsse auf die Tragfähigkeit modernitätstheoretischer Modelle: Pauschale Theorien über Individualisierung und entsprechende universalgeschichtliche Konstruk- tionen sollen gezielt dadurch korrigiert werden, dass die historischen Bedingungen und Formen von Individuali-sierungsschüben Berücksichtigung finden. Besonderes Augenmerk ist dabei auf die genaue Gestalt und die le-bensweltliche Verbreitung religiöser Individualitätskon-zepte zu richten, so dass sich in dichter Kommunikation zwischen historischen und religionswissenschaftlichen Disziplinen neue Quellen für die Religionsgeschichte er-schließen lassen und herkömmliche Paradigmen für die Beschreibung von Religionen, religiöser Erfahrung und religiösem Wandel einer geschichtssensiblen Überprü-fung unterzogen werden können.

Jenseits eurozentrischer und „modernistischer“ Eng-führungen also will die Kolleg-Forschergruppe den Zu-sammenhang von religiöser Individualität und Individua-lisierungsprozessen in zeitlicher Tiefe und geographischer Breite neu untersuchen, indem sie die „Bindestrich“-Disziplinen der Religionswissenschaften (Religionsphi-losophie, -soziologie, -psychologie, -geschichte) in einen intensiven Austausch untereinander bringt und den Fel-lows zugleich den Raum bietet, einschlägige eigene For-schungen voranzutreiben. Damit wird sie einerseits zu einem differenzierteren Bild religiöser Individualisierung kp" fgt"Oqfgtpg" dgkvtcigp"wpf" cpfgtgtugkvu" Ï" gdgp"wp-ter ausdrücklichem Einschluss auch des vormodernen wpf"cwgtgwtqr“kuejgp"Tcwou"Ï"kppqxcvkxg"jkuvqtkuejg"Perspektiven auf die Dynamik religiöser Traditionen er-öffnen.

Um die eben umrissenen Forschungsziele zu errei-chen, werden auf methodischer Ebene zwei wichtige An-nahmen getroffen: Zum einen wird Individualisierung nicht als kontinuierlicher Prozess aufgefasst, sondern als ein sich in „Schüben“ abspielendes historisches Gesche-hen, das weder linear und bruchlos vonstatten geht noch cnu"Ï"ko"iguejkejvurjknquqrjkuejgp"Ukppg"Ï"pqvygpfki"¦w"begreifen ist. Diese Vorannahme bedeutet allerdings kei-neswegs, dass die zu beobachtenden Akteure nicht auch auf frühere Durchbrüche, Schübe und Modellvorstellun-gen religiöser Individualität zurückgreifen und so neue Motive unter historisch benennbaren Voraussetzungen artikulieren. Zum zweiten wird die historische Untersu-chung sich nicht vornehmlich am schillernden Indivi-

dualisierungstheorem als solchem abarbeiten, sondern Ï"qjpg"fgp"gtn“wvgtvgp"vjgqtgvkuejgp"Cpurtwej"cwhigdgp"¦w"o¯uugp"Ï"ig¦kgnv"cwh"fgp"Dgtgkej"fgt"Tgnkikqp"tkejvgp0"Gerade hier nämlich lassen sich die anfangs angespro-chenen „großen Erzählungen“ an einem konkreten Ge-genstand relativieren und korrigieren: Den Thesen etwa, „achsenzeitliche“ Entwürfe universalistisch orientierter Religionen oder die reformatorische Radikalisierung per-sönlicher Heilssorge hätten „das Individuum“ zur Gel-tung gebracht, wird im Zuge dieser Vorgehensweise mit einiger Vorsicht zu begegnen sein. Ausgangspunkt ist lediglich die übergeordnete Annahme, dass die Untersu-chung von Religion als einem umfassenden Symbolisie-rungsmedium für den Zusammenhang von Individuum, Gesellschaft und übergreifendem Ganzen methodisch be-sonders geeignet ist, um ein Verständnis auch größerer historischer Prozesse zu ermöglichen. In diesem Sinne vom Unterscheidungszwang der Individualisierungsthe-se in „gute“ und „schlechte“ Religion entlastet, kann der Blick so auf die unterschiedlichsten Formen und Funk-tionen gerichtet werden, in denen sich der Anspruch auf Individualität als kreative Variation religiöser Traditionen zu erkennen gibt. Nicht mehr nur der „große Einzelne“, sondern auch die Spielräume sprachlicher Kompetenz, ritueller Performanz, ästhetischen Ausdrucks, sozialer Distinktion und der hierdurch vermittelten religiösen Er-fahrung werden in ihrer Bedeutung für größere Gruppen und längere historische Entwicklungslinien erschlos-sen und darin zum Gegenstand religions-, kultur- und uq¦kcnykuugpuejchvnkejgt" Hqtuejwpi" Ï" fkgu" pkejv" ¦wngv¦v"auch deswegen, weil gegenüber monokausalen oder mo-nothematischen Verkürzungen die vielfältigen Wechsel-bezüge zwischen religiöser Individualisierung und ande-ren Formen sozialer Differenzierung herauszuarbeiten bleiben.

Im Rahmen der KFG werden Fellows und wissen-schaftliche Mitarbeiter/innen an Projekten arbeiten, die drei Schwerpunkten zugeordnet werden können: (1) An-tike, (2) Spätmittelalter und Humanismus, Reformation und Konfessionalisierung, (3) Von der Sattelzeit zum 20. Jahrhundert: Globale Perspektiven. Folgende Per-sonen arbeiten aktuell im Kontext der Kolleg-Forscher-gruppe: Hans Joas, Jörg Rüpke, Richard Gordon (assozi-iert), Veit Rosenberger, Wolfgang Spickermann, Annette Hupfloher, Magnus Schlette, Marlis Arnhold, Uwe Herr-mann (assoziiert), Jeannine Kunert (assoziiert).

Die Leiter der Kollegforschergruppe: Hans Joas und Jörg Rüpke

PROJEKTE DER FELLOWS

Im Berichtszeitraum wurde ein seit langem verfolgtes Dwejrtqlgmv" Ï" ¦wucoogp"mit Wolfgang Knöbl (Uni-xgtukv“v"I…vvkpigp+" Ï" cdig-schlossen. Es handelt sich dabei um eine Geschich-te der Beschäftigung mit dem Krieg in der Sozial-theorie von Hobbes bis zur Gegenwart. Schon häufig wurde bemerkt, dass zwar der Einfluss von Krie-gen auf die Entstehung von Sozialtheorien enorm ist, diese aber den Krieg selbst nur selten oder nur

sehr eingeschränkt oder verzerrt zum Thema machen. Nur die Überwindung der immer wiederkehrenden Nei-gung zur Kriegsverdrängung erlaubt aber ein angemes-senes Verständnis der Gegenwart. Das Buch beschäftigt sich ausführlich mit 1. den sozialtheoretischen Reflexi-onen über die Gewalt von Thomas Hobbes bis zu den Napoleonischen Kriegen; 2. dem langen Frieden des 19. Jahrhunderts und der Geburt der Soziologie; 3. den Klassikern der Soziologie und dem Ersten Weltkrieg als der Urkatastrophe des 20. Jahrhunderts; 4. der Geschich-te von Soziologie und Sozialtheorie vom Ende des Ersten Weltkriegs bis in die 1970er Jahre; 5. den Entwicklungen der historischen Soziologie nach dem Glaubwürdigkeits-verlust der Modernisierungstheorie und 6. den neuesten Diskussionen über Demokratisierung, Staatszerfall und Imperienbildung nach dem Ende des Ost-West-Konflikts. Mit diesem theoretisch-theoriegeschichtlichen Buch wird der Versuch der beiden Autoren fortgesetzt, die Grundzü-ge einer kontingenzbewussten Theorie des sozialen Wan-dels zu entwickeln. Das Buch ist bereits im November

2008 im Suhrkamp-Verlag erschienen.Aus demselben Arbeitszusammenhang ging ein zu-

sammenfassendes Manuskript „Friede durch Demokra-tie?“ hervor, das auf dem Kongress der Deutschen Ge-sellschaft für Soziologie in Jena im Oktober 2008 als sogenannte Mittagsvorlesung vorgetragen wurde.

Weiterhin wurden die historisch-soziologischen Ar-beiten auf dem Gebiet der Religionsforschung intensiv vorangetrieben. Hier sind aus meiner Arbeit v.a. zu nen-nen der großes Aufsehen erregende Kongress zum Thema „Achsenzeit“, der im Juli 2008 am Max-Weber-Kolleg ab-gehalten wurde und zu dem ich als eigenen Beitrag einen Aufsatz „The Axial Age Debate as Religious Discourse“ beisteuerte. Mit einer Arbeit über „Modernisierung als protestantische Metaerzählung“ habe ich (im Rahmen einer Tagung in Wittenberg) einen Beitrag zu den Arbei-ten in der „Luther-Dekade“ geleistet, dabei aber auch den Zusammenhang zwischen der Arbeit an einer Theorie sozialen Wandels und der Revision unserer Bilder von den Langzeitfolgen der Reformation herzustellen ver-sucht.

Wichtigste neuere Arbeiten von Hans Joas: - Kriegsverdrängung. Ein Problem in der Geschichte der Sozial-

theorie, zusammen mit Wolfgang Knöbl, Frankfurt/Main: Suhr-kamp 2008.

- Über das anthropologische Kreuz der Entscheidung, Herausge-ber zusammen mit Matthias Jung, Baden-Baden: Nomos 2008.

- Europa im Spiegel der Kulturwissenschaften, Herausgeber zu-sammen mit Friedrich Jaeger, Baden-Baden: Nomos 2008.

- Säkularisierung und die Weltreligionen, Herausgeber zusam-men mit Klaus Wiegandt, Frankfurt/Main: Fischer 2007.

- Die kulturellen Werte Europas, Herausgeber zusammen mit Klaus Wiegandt, Frankfurt/Main: Fischer 2005.

- Braucht der Mensch Religion? Über Erfahrungen der Selbst-transzendenz, Freiburg: Herder 2004.

- Sozialtheorie. Zwanzig einführende Vorlesungen, zusammen mit Wolfgang Knöbl, Frankfurt/Main: Suhrkamp 2004.

Hans Joas: Kriegsverdrängung

Hans Joas (Dekan)

Michael Borgolte: Das monotheistische Europa des Mittelalters in welt-geschichtlicher Perspektive

In diversen Studien und Darstellungen habe ich in den letzten Jahren die These zu begründen versucht, dass das mittelalterliche Europa keine lateinisch-christliche „Einheitskultur“ gewesen ist, sondern entscheidend vom fast vollständigen Erfolg der drei monotheistischen Religionen Judentum, Christentum und Islam über den älteren Polytheismus (Kosmotheismus) und den gelegentlich aufflackernden Dualismus geprägt wur-de. Der Eingottglaube, so habe ich weiter darzulegen gesucht, brachte mit Schriftlichkeit, Dogma und Theo-logie zwar interreligiöse Kämpfe und auch innerreli- giöse Spaltungen und Abweichungen hervor, doch bot er gleichzeitig die Basis für einen ständigen Dialog zwi-schen verschiedenen Glaubensrichtungen und Kult- gemeinschaften. Die europäische Kohärenz und Entwick-lungsdynamik, so die Behauptung, beruhte und beruht auf der ambivalenten Wirkung des Monotheismus in seinen Varianten und mit seinen konkurrierenden Derivaten.

Unter der Prämisse des Nebeneinanders und der Wechselwirkungen der Religionen steht zur Zeit auch

das von mir angeregte und (zusammen mit Bernd Schneidmüller, Heidelberg) geleitete Schwerpunkt-programm 1173 der Deut-schen Forschungsgemein-schaft über „Integration und Desintegration der Kulturen im europäischen Mittelalter“. Seit Juli 2005 bis Mitte 2011 wird hier an 21 Projekten verschiedener Disziplinen an etwa einem Dutzend deutschen Uni-versitäten geforscht.

Meine Forschungsplä-ne für Erfurt führen die älteren und laufenden Arbeiten weiter, sollen jedoch in mikro- wie makroskopischer Hinsicht neu ansetzen. Zum einen geht es darum, das Zusammenleben von An-gehörigen verschiedener Religionen (oder von Mehrheits-

Michael Borgolte

3

PROJEKTE DER FELLOWS

religionen mit „Ketzern“ und „Schismatikern“) genauer daraufhin zu untersuchen, wo die Grenzen zwischen Indifferenz, Dialog und Disput, also Frieden und Kon-flikt, verlaufen sind. Methodisch sollen dafür „religiöse Räume“ identifiziert und untersucht werden. „Räume“ werden dabei nicht als natürlich vorgegeben, sondern im Sinne des „spatial turn“ als soziale Konstruktionen und als Produkt sozialer Beziehungen aufgefasst. Als „reli-giös“ werden näherhin Räume verstanden, bei denen ein religiöser Faktor sozialer Beziehungen oder interlokaler Bewegungen als konstitutiv angesehen wird. Religiöse Räume sind also Beziehungs- und Bewegungsräume, sie werden nicht flächenhaft aufgefasst und enden nicht an festen Grenzen. Sie werden auch nicht durch die Sum-me aller ihrer Orte gebildet; diese bringen vielmehr durch ihre Relationen zu anderen ihrer Art den je besonderen Raum hervor. Da religiöse Räume nicht ein gedachtes Vakuum oder eine leere Fläche mit dem Anspruch auf Ausschließlichkeit füllen, können sie sich mit anderen Räumen durchdringen oder überlagern. Das gilt von gleichartigen Räumen, also etwa der Überschichtung von christlichen mit jüdischen, jüdischen mit muslimischen und christlichen mit muslimischen Räumen, ebenso wie von Räumen anderer Qualität, etwa politischen und wirt-schaftlichen Räumen.

Makrohistorisch hat sich erwiesen, dass eine Be-schränkung solcher Untersuchungen auf Europa nicht sachgerecht ist. Denn wenn das europäische Mittelal-ter als monotheistisch qualifiziert wird, dann muss das Gleiche auch für das westliche Asien gelten, wenngleich hier der Islam und nicht das Christentum die dominan-te Eingottreligion war. Als Gegenstand der Studien muss also eine „monotheistische Weltzone“ zwischen Atlantik und Indus bzw. Arabischem Meer, das heißt bis zum Ver-breitungsgebiet des sogenannten Hinduismus und des

Buddhismus, ins Auge gefasst werden. Wenngleich sich meine eigenen Studien auf Europa konzentrieren, sollen die Befunde der Nachbarfächer für die betreffenden Re-gionen vergleichend einbezogen werden.

Neben exemplarischen Detailforschungen und der weiteren Verfeinerung einer Strategie zur Erforschung von Integrations- und Desintegrationsprozessen Europas (und Vorderasiens) auf religionsgeschichtlicher Grundla-ge (Abhandlungen zu Religionsgesprächen, zur christli-chen bzw. muslimischen Kartographie, zur religiös deter-minierten Wahrnehmung von Angehörigen verschiedener Religionen auf Reisen usw.) strebe ich die Abfassung von Beiträgen zu zwei neuen Universalgeschichtswerken an: Zur „Weltgeschichte“ der Wissenschaftlichen Buch-gesellschaft („Kommunikation: Handel, Kunst und Wis-senstausch“) und zur „New World History“ bei Harvard University Press bzw. C. H. Beck, München („The Mono-theistic Europe“).

Sérgio da Mata, Gastprofessor (13.09.-04.10.2008): Die Bedeutung von Max Weber für die Geschichtswissenschaft

Das Jahr 2005 war vom 100. Jahrestag der Veröf-fentlichung von „Die pro-testantische Ethik und der Geist des Kapitalismus“ gekennzeichnet. Auch in Brasilien ging dieses Da-tum nicht unbemerkt vor-über. Die Veröffentlichung von Büchern zu dieser Thematik und die Durch-führung eines Max Weber gewidmeten Symposiums an der Universidade Fe-deral de Minas Gerais im Jahr 2004 verstärken den

Eindruck, dass auch wir eine wahre Renaissance der Weberianischen Studien in unserem Land erleben. Es ist jedoch zu bemerken, dass bei dieser Intensivierung der Forschung über das Denken Webers die brasilianischen Historiker praktisch fehlten.

Sei es als Vorläufer einer besonderen Art von Kultur-geschichte, sei es als Autor feinsinniger Studien über die Grenzen und Möglichkeiten der historischen Erkennt-nis - Weber nimmt einen Platz ersten Ranges in der Ge-

schichtswissenschaft des 20. Jahrhunderts ein. So habe ich vor, die Bedeutung Webers für das historische Den-ken zu zeigen und die Aufmerksamkeit auf die Notwen-digkeit zu lenken, neue Studien über diese wichtige Fa-cette seines Werks zu unternehmen.

Meine Untersuchung wird sich auf die ersten 20 Jah-re seiner Laufbahn konzentrieren (1889-1909). In dieser Phase hat er den Großteil seiner historischen Studien im engeren Sinne hervorgebracht. Auf diese Weise wird es möglich sein, die Implikationen des Übergangs von einem traditionellen historistischen Paradigma (offensichtlich in seinen ersten Arbeiten) zu einer Position zu analysie-ren, die ich provisorisch als post-historistisch bezeich-pgp" m…ppvg" Ï" dguqpfgtu" cd" fgt" Xgt…hhgpvnkejwpi" fgt"„Protestantischen Ethik“ und des berühmten Aufsatzes über die „Objektivität“ der Erkenntnis in den Sozialwis-senschaften.

Ziel dieser Untersuchung soll die Veröffentlichung des Buchs „Max Weber und die Geschichtswissenschaft“ (vorläufiger Titel) sein, das 2009 abgeschlossen wird.

Wichtigste neuere Arbeiten von Michael Borgolte:- Christen, Juden, Muselmanen. Die Erben der Antike und der

Aufstieg des Abendlandes, 300 bis 1400 n. Chr., München: 2006.

/""Gwtqrc"gpvfgemv"ugkpg"Xkgnhcnv."3272"Ï"3472."Uvwvvictv<"42240- Christen und Juden im Disput. Mittelalterliche Religionsge-

spräche im „spatial turn“, in: Historische Zeitschrift 286, 2008, S. 359-402.

- How Europe Became Diverse: On the Medieval Roots of the Plu-rality of Values, in: The Cultural Values of Europe, edd. by Hans Joas and Klaus Wiegandt, translated by Alex Skinner, Liverpool: 2008, p. 77-114.

- Christliche und muslimische Repräsentationen der Welt. Ein Versuch in transdisziplinärer Mediävistik, in: Berlin-Branden-burgische Akademie der Wissenschaften, Berichte und Abhand-lungen, Bd. 14, Berlin: 2008.

4

Wichtigste neuere Arbeiten von Sérgio da Mata:- A dinâmica do historicismo, Herausgeber zusammen mit Helena

Mollo und Flávia Varella, Belo Horizonte: Argumentum 2008.- História & religião, Belo Horizonte: Autêntica (erscheint 2009).

Sérgio da Mata

PROJEKTE DER FELLOWS

Horst Dreier: Verfassungsstaatlichkeit Ï Strukturelemente, Probleme, Herausforderungen

Hermann Deuser: Veränderungen der theologischen Dogmatik in der Religionsentwicklung der Moderne

Dass das Christentum in der Moderne unter mas-sivem Veränderungsdruck stand und dass umgekehrt auch interne Entwick-lungen der christlichen Theologien selbst, zumal im Einfluss der konfes-sionellen Differenzerfah-rungen, dieselbe Moderne mitbestimmt haben, ist ein geschichtliches Fak-tum. Fraglich aber ist bis in die Gegenwart und de-ren Entscheidungsfragen für die Zukunft, wie und mit welcher Berechtigung bestimmte Veränderungen

stattgefunden haben, provoziert wurden, zu vermeiden oder zu fördern wären.

Seit der Epoche scholastischer Theologie (10.-14. Jh.) ist Moderne ein abgrenzender Begriff gegenüber einer veraltenden Tradition: Via moderna heißt die Bewegung, deren wissenschaftstheoretische Neuerungen (in immer weitergreifender Rezeption aristotelischer Philosophie) zum Nominalismus und zur naturwissenschaftlichen Wende der Neuzeit führen: Grundbegriffe des Weltver-stehens werden von (metaphysischen) Abstraktionen auf (empirische) Konkretionen umgestellt, auf Einzeldinge wpf" fgtgp" Hcmvk¦kv“v" dg¦qigp" Ï" wpf" fcokv" vgpfgp¦kgnn"quantifizierbar. Diese Entwicklung hat nicht nur Kritik an der Theologie als Wissenschaft zur Folge, sondern pro-duktiv gewendet auch die Entdeckung des Eigenrechts des religiösen Glaubens und der primären Orientierung an den Texten der eigenen Überlieferung.

Die europäische Moderne um 1800 lebt bereits von dem etablierten Motiv der Entscheidung gegen eine via antiqua und für eine wissenschaftlich besser begründe-

te via moderna; Renaissance, Humanismus und Refor-mation hatten dazu ihre spezifischen Beiträge geliefert. Neu aber ist jetzt im 18./19. Jh. die universale Instanz vernünftiger, empirischer, überprüfbarer Begründungen in den Wissenschaften wie im Blick auf Institutionen der Gesellschaft. Für Kirche und Theologie bedeutet dies bis heute die Herausforderung, diesem Forum vernünftiger Dgit¯pfwpigp"¦w"gpvurtgejgp"Ï"qfgt"cwu"iwvgp"It¯p-den und aufgrund der Dialektik der Aufklärung auch zu widersprechen.

Es sind diese Linien von Tradition, Moderne und Ge-genwart, denen im hier skizzierten Forschungsprojekt nachgegangen werden soll: Nicht primär aus theologie-geschichtlichem Interesse, sondern systematisch und problemorientiert in der Auswahl von drei Feldern, in denen sich am stärksten die Frage nach akuten Verän-derungen zuspitzen lässt: 1.) wissenschaftstheoretische und gesellschaftliche Entwicklungen im Spiegel von Theologie bzw. (christlicher) Religionsphilosophie; 2.) Ent-wicklungsschübe in Kosmologie und Mathematik und die Wiederentdeckung des Zusammenhangs von Metaphysik und Religion; 3.) theologische (ökumenische) Impulse für die christliche Religion.

Hermann Deuser

Wichtigste neuere Arbeiten von Hermann Deuser:- Metaphysik und Religion, Herausgeber, Reihe: Veröffentli-

chungen der Wissenschaftlichen Gesellschaft für Theologie, Bd. 30, Gütersloh: Gütersloher Verlagshaus 2007.

- Søren Kierkegaard: Journale und Aufzeichnungen 1, Herausge-ber zusammen mit Richard Purkarthofer, (Deutsche Søren Kier-kegaard Edition, hrsg. v. H. Anz/N.J. Cappelørn/H. Deuser/H. Schulz, Bd. 1), Berlin/New York: W. de Gruyter 2005.

- Kleine Einführung in die Systematische Theologie, Stuttgart (1999) 2005 (Reclam 9731).

- Die Zehn Gebote. Kleine Einführung in die theologische Ethik, Stuttgart (2002) 2005 (Reclam 18233).

- Gottesinstinkt. Semiotische Religionstheorie und Pragmatis-mus, Reihe: Religion in Philosophy and Theology 12, Tübingen: Mohr Siebeck 2004.

Der moderne Verfassungsstaat hat im letzten halben Jahrhundert einen beeindruckenden Siegeszug um die Welt angetreten und sich als dominantes Modell po-litischer Einheitsbildung durchgesetzt. Zumindest in Europa steht er „ohne äußeren Widersacher“ (Josef Isen-see) da. Somit sind Menschenrechte, Demokratie und Gewaltenteilung zum Signum staatlicher Organisation geworden. Dem Projekt geht es freilich nicht in erster Linie darum, jene substantiellen Gehalte einmal mehr näher auszubuchstabieren. Vielmehr liegt der Schwer-punkt auf der Analyse der strukturellen Elemente mo-derner Verfassungsstaatlichkeit, also vor allem der Vorstellung einer verfassunggebenden Gewalt (pouvoir constituant), dem Vorrang der Verfassung, der Kodifika-tion des Verfassungsrechts in einer Urkunde sowie der besonderen und besonders schwierig zu fassenden Figur eines verfassungsändernden Gesetzgebers. Der ideenge-schichtlichen Konzeptualisierung und verfassungshisto-rischen Durchsetzung sowie der bei rechtsvergleichender

Betrachtung deutlich wer-denden Variationsbreite jener Elemente gilt das Hauptaugenmerk des Pro-jekts. Angestrebt wird da-bei, jedes der genannten Elemente auf seine Ent-stehungs- und Durchset-zungsbedingungen, vor allem auch auf seine oft sehr viel älteren Vorläufer hin zu untersuchen.

Erst wenn man sich vor diesem Hintergrund über die in der allgemei-nen Diskussion eher ver-nachlässigten struktu-rellen Aspekte moderner Verfassungsstaatlichkeit Klarheit verschafft hat, lassen

Horst Dreier

5

PROJEKTE DER FELLOWS

Obgleich die meisten So-zialwissenschaftler darin übereinstimmen, dass In-novationen für die Dynamik sozialer Bewegungen und Protestwellen von zentraler Bedeutung sind, beschäf-tigt sich die überwiegende Zahl der Studien eher mit der Diffusion von Neue-rungen als mit ihrer Ent-stehung. Wenn überhaupt, wird die Entwicklung von Innovationen zumeist auf der Grundlage politischer Prozessmodelle erklärt. Im Mittelpunkt steht dabei die Interaktion zwischen „Her-

ausforderern“ und „politischem Regime“: Auf der einen Seite wird angenommen, dass die Herausforderer fort-während neue Protestformen erfinden (Variation). Auf der anderen Seite bildet die so genannte politische Ge-legenheitsstruktur einen Mechanismus, der die meisten Innovationen bereits im Keim erstickt (Selektion). Neue Protestformen werden folglich als historisch kontingentes Produkt von Wechselwirkungen zwischen Herausforder-ern und politischen Machthabern interpretiert. Obgleich dieser Ansatz wichtige Einblicke in die historische Ent-stehung und Entwicklung neuer Protestformen bietet, werden die situativen Bedingungen ihrer Erzeugung und Gestaltung systematisch ausgeblendet. Erfinderisches Handeln wird vorausgesetzt, aber nicht erklärt. Darüber hinaus konzentrieren sich politische Prozessmodelle zu-meist nur auf Protesttaktiken, während die kulturelle Di-mension von Innovationen ausgeblendet bleibt.

Im Unterschied zur sozialevolutionären Perspekti-ve des politischen Prozessmodells richtet das Projekt seine Aufmerksamkeit auf die genetischen und krea-tiven Prozesse bei der Entstehung von Innovationen. Im Mittelpunkt stehen zum einen die situativen Bedin-gungen der Erzeugung und Gestaltung von Innovati-onen, zum anderen die Nutzungsvisionen, kulturelle Orientierungen und Organisationskonzepte der beteili-gten Akteure. Der Innovationsbegriff der Untersuchung orientiert sich dabei an dem in der Techniksoziologie entwickelten Konzept des kulturellen Leitbildes. Ähnlich dem Paradigmabegriff Kuhns definieren Leitbilder nicht nur Probleme, sondern schränken auch die Bandbrei-te der Vorgehensweisen zur Entwicklung von Lösungen (Praktiken) ein. Die Entstehung beziehungsweise der grundlegende Wandel eines Leitbildes kann demnach als radikale Innovation, die Lösung von Problemen im

Rahmen eines etablierten Leitbildes dagegen als inkre-mentelle Innovation verstanden werden. Der Kreativität von Akteuren kommt dabei eine Schlüsselbedeutung zu.

Kreativität ist dabei keineswegs nur Ausdruck indi-vidueller Genialität. Wie Ergebnisse aus der Netzwerk-forschung nahe legen, entsteht Kreativität vor allem an den Schnittstellen zwischen Gruppen, die sich in unter-schiedlichen Informationsströmen bewegen. Indem zwei zuvor getrennte Gruppen miteinander in Austausch tre-ten, wächst die Wahrscheinlichkeit für die Entstehung neuer Ideen und Praktiken. Davon profitieren besonders jene Akteure, die sich in der Rolle eines Vermittlers zwi-schen beiden Gruppen befinden. Die Struktur sozialer Netzwerke hat folglich einen großen Einfluss auf die Ent-stehung von Innovationen. In der Folge verlagert sich die Aufmerksamkeit besonders auf die Ränder des sozialen Bewegungssektors: in räumlicher Hinsicht auf lokale, regionale und globale Schnittstellen innerhalb der Zivil-gesellschaft, in sozialstruktureller Hinsicht auf Schnitt-stellen zwischen sozialen Bewegungen und Akteuren in anderen gesellschaftlichen Bereichen (Massenmedien, Politik, Religion etc.). Davon ausgehend beschäftigt sich das Projekt mit der Entstehung neuer Leitbilder und sozialer Praktiken im Bewegungssektor am Fallbeispiel Südkoreas. In diesem Rahmen wurden bisher zwei Fall-studien durchgeführt: Die Entstehung und Durchset-zung des so genannten „Bürgerjournalismus“ an der Schnittstelle zwischen dem Bewegungssektor und den Massenmedien sowie die Transformation der südkorea-nischen Umweltbewegung an der Schnittstelle zwischen nationaler und globaler Zivilgesellschaft. Eine dritte Fallstudie wird sich mit der Entstehung regionaler Netz-werke der Frauenbewegung in Ostasien beschäftigen.

Thomas Kern

Thomas Kern: Zivilgesellschaftliche Innovationen und Protest

Wichtigste neuere Arbeiten von Thomas Kern:- „Cultural Performance and Political Regime Change. The De-

mocratic Transition of South Korea in 1987“, in: Sociological Theory, Bd. 27/2009 (zur Publikation angenommen).

- zusammen mit Sang-hui Nam, „The Making of a Social Move-ment: Citizen Journalism in South Korea“, in: Current Sociolo-gy, Bd. 57, Nr. 6/2009 (zur Publikation angenommen).

- „Soziale Bewegungen. Ursachen, Wirkungen, Mechanismen“, in: Heinz Abels, Werner Fuchs-Heinritz, Wieland Jäger und Uwe Schimank (Hg.), Hagener Studientexte zur Soziologie, Wiesba-den: VS-Verlag für Sozialwissenschaften 2008.

- „Modernisierung und Demokratisierung: Das Erklärungspoten-zial neuerer differenzierungstheoretischer Ansätze“, in: Kölner Zeitschrift für Soziologie und Sozialpsychologie, Bd. 59, Nr. 4/2007, S. 30-58.

- „Amerikanisierungskritik und Globalisierung: Das Fallbeispiel Südkoreas“, in: Ivonne Bemerburg und Arne Niederbacher (Hg.), Die Globalisierung und ihre Kritik(er), Wiesbaden: Verlag für Sozialwissenschaften 2007, S. 182-196.

Wichtigste neuere Arbeiten von Horst Dreier:- Grundgesetz-Kommentar, Herausgeber und Mitautor, 2. Aufl.,

Bde. I-III, Tübingen: Mohr Siebeck 2004-2008.- Kulturelle Identität als Grund und Grenze des Rechts (=Akten

der IVR-Tagung vom 28.-30. September 2006 in Würzburg), Herausgeber zusammen mit Eric Hilgendorf, ARSP-Beiheft Nr. 113, Stuttgart: Steiner 2008.

- Richard Thoma: Rechtsstaat - Demokratie - Grundrechte. Aus-gewählte Abhandlungen aus fünf Jahrzehnten, herausgegeben und eingeleitet von Horst Dreier, Tübingen: Mohr Siebeck 2008.

sich auch die Herausforderungen genauer ermessen und analysieren, denen sich der seiner Genese nach nationale Verfassungsstaat durch die geläufigen Phänomene der Europäisierung und Internationalisie-rung ausgesetzt sieht. Insbesondere bei der seit dem ehrgeizigen (und möglicherweise nur vorläufig geschei-terten) Projekt einer „Verfassung für Europa“ geführ- ten Diskussion ist die Bedeutung der Strukturelemente oftmals unberücksichtigt geblieben.

6

PROJEKTE DER FELLOWS

7

Jörg Rüpke: Individuelles religiöses Handeln zwischen legitimer Plurali-tät und Devianz

Seit Cicero findet sich das Wort superstitio im reli- gionsbezogenen lateini-schen Wortschatz und ge-winnt zunehmende Popula-rität; Seneca verfasste eine eigene, nur in Fragmenten erhaltene Monographie „De superstitione“. Das Wort bezeichnet deviante reli-giöse Praktiken, die über die religio, die der pietas gegenüber den Göttern ge-schuldet ist, hinausgehen. Dieser spätrepublikanische normative Diskurs ist neu. Aber die Wortgeschichte

bleibt bei dem spätrepublikanischen Umschwung nicht stehen. In den apologetischen Texten des dritten Jahr-hunderts wird das Wort zu einem zentralen Kampfbegriff; superstitio ist die Religion des anderen. Als solche wird sie dann in den Rechtstexten des vierten und fünften Jahrhunderts kriminalisiert.

Das Projekt zielt auf eine Rekonstruktion von Dis-kursen über die Grenzen akzeptablen religiösen Verhal-tens und ihrer Reflexionen in Äußerungen über Wahl-möglichkeiten und die Ausübung solcher Optionen im Bereich individuellen religiösen Handelns. Im Hinblick auf die religionsgeschichtliche Dynamik nimmt das Pro-jekt so neben den Formen religiöser Alltagspraktiken und

Sinnkonstruktionen auch die Versuche religiöser Kon-trolle von öffentlicher Seite in den Blick, die neben dem intellektuellen Bereich mehr und mehr rechtswirksam werden.

Vorstudien haben gezeigt, dass religio in römischer Zeit als anthropologisches Konzept Verwendung findet und sich nicht eignet, Pluralität oder Individualität zu beschreiben. Begriffe wie secta oder disciplina können in Gruppen praktizierte Lebensführungsstile beschrei-ben, werden aber erst spät auf „Religionen“ übertragen. Solche begriffs- und wortgeschichtlichen Befunde sol-len mit antiken Selbstzeugnissen und -reflexionen reli-giöser Praktiken (insbesondere brieflich und in Gebeten wie Hymnen) wie Rechtstexten und der Entwicklung des Religionsrechtes konfrontiert werden. Hier ist der Ver-gleich mit späteren europäischen Entwicklungen not-wendig, um die Perspektive der Religionsgeschichte des römischen Reiches als Christianisierungsgeschichte zu überwinden.

Wichtigste neuere Arbeiten von Jörg Rüpke:- Fasti Sacerdotum: A Prosopography of Pagan, Jewish, and

Christian Religious Officials in the City of Rome, 300 BC to AD 499. Biographies of Christian Officials by Anne Glock, übersetzt von David Richardson, Oxford: Oxford University Press 2008.

- Historische Religionswissenschaft: Eine Orientierung, Religi-onswissenschaft heute 5, Stuttgart: Kohlhammer, 2007.

- Religion of the Romans, übersetzt von Richard Gordon, Cam-bridge: Polity Press, 2007 (deutsch 22006).

- Zeit und Fest: Eine Kulturgeschichte des Kalenders. München: C.H. Beck 2006.

Jörg Rüpke

Marie-Christine Skuncke: Carl Peter Thunberg, Europe and Japan

The Swedish botanist Carl Peter Thunberg (1743-1828), a pupil of Carl von Linné, visited Japan in 1775-1776, a unique achievement among European eighteenth- century scientists as Japan was closed to Europeans at the time, with the exception of the Dutch East India Com-pany. Passing off as a Dutchman, Thunberg spent sixteen months in Japan and succeeded in establishing contact with members of the Japanese learned elite: interpreters in Nagasaki and medical doctors at the Shogun’s court in Edo (Tokyo). On his way to and from Japan, he stayed in South Africa, Java and Ceylon. Back in Sweden, Thun-dgti"ocfg" c" uykhv" cecfgoke" ectggt" Ï" jg"ycu" rtqhguuqt"of medicine and botany at Uppsala from 1784 until his fgcvj"Ï"cpf"jg"rwdnkujgf"gzvgpukxgn{"cdqwv"vjg"eqwpvtkgu"he had visited. His texts, above all a four-volume travel account from 1788-1793, were rapidly translated into German, English and French. His visit was also of im-portance in Japan, where he is still remembered today.

Thunberg’s writings highlight questions about en- counters between Europe and Asia in the decades around 1800, at a time when Europeans increasingly perceived themselves as superior to non-Europeans. The research project, which is funded by the Bank of Sweden (2009-2011), aims at exploring Thunberg’s images of non-Euro-pean civilisations, with special emphasis on Japan, and the diffusion and reception of these images in Europe. What has Thunberg contributed to the European image of Japan? How far does he reproduce earlier European

views, how far does he go beyond these? The project will be carried out by me, professor of literature at Uppsala University and non-resident permanent fellow at SCAS (Swedish Collegium for Advanced Study), in collaboration with the Swedish intel-lectual historian Andreas Önnerfors, currently at the University of Sheffield. The results will be presen-ted in a book in English Ï" rtgnkokpct{" vkvng<" äE0R0"Thunberg’s Intercontinen-vcn" GpeqwpvgtuÑ" Ï" yjkej"hopefully will also include contributions by Japanese scholars about Thunberg from a Japanese perspective.

Wichtigste neuere Arbeiten von Marie-Christine Skuncke:- Media and Political Culture in the Eighteenth Century, Stock-

holm: 2005.- Riksdag, kaffehus och predikstol (Political culture in Sweden‘s

age of liberty, 1766-1772), with Henrika Tandefelt, Stockholm & Helsinki: 2003.

- Centre(s) and Margin(s): Enlightenment from Belfast to Beijing, Paris: 2003.

Marie-Christine Skuncke

PROJEKTE DER FELLOWS

Wolfgang Spickermann: Mysterienkulte und Bestattungspraktiken in der römischen Antike

Mein Hauptforschungsge- biet ist die Religionsge-schichte der Randprovin-zen des Römischen Reiches der Kaiserzeit, insbeson-dere Galliens und Germa- niens. In diesen Provinzen bildeten sich eigene regio-nale religiöse Systeme (Pro-vinzialreligionen), welche die Einflüsse der Reichs-zentrale Rom aufnahmen und vor dem Hintergrund der eigenen Panthea so-wie Werte-, Zeichen- und Symbolsysteme deuteten. Dieser Prozess verlief re-gional auf höchst unter-

schiedliche Weise; während die hellenisierte Welt des Ostens auf eine jahrhundertealte Tradition entspre-chender religiöser Kontakte zurückblicken konnte, wa-ren die Kulturen an der Peripherie des Reiches im Donau-raum, Gallien, Germanien und Britannien zum großen Teil schriftlos und unterschieden sich in vielerlei Hin- sicht von denen des mediterranen Raumes. Mit der Einführung der römischen Kultur, der Verwaltungs-strukturen und vor allem der lateinischen Sprache als Uejtkhvurtcejg" Ï" cwej" ko" mwnvkuejgp" Dgtgkej" Ï" xqnn¦qi" sich im religiösen Bereich ein eminenter Bruch. Im Rahmen der Romanisation entwickelte sich hier spätestens seit dem 2. Jh. n. Chr. in einem Prozess der gegenseitigen Beeinflussung (Interpretatio) eine eigene regionale Religion. Diese gallo-römische Provinzialreli-gion lässt sich damit weder allein aus keltisch/germa-nischen noch aus römischen Wurzeln ableiten, sie ist ein tertium sui generis. Das Christentum konnte sich zumindest bis zur Mitte des 5. Jahrhunderts im Hinter-land kaum und wohl auch nicht gänzlich in den Städ-ten durchsetzen, so dass zu den noch vorhandenen polytheistischen Religionen der ansässigen Bevölkerung die der germanischen Neusiedler hinzukamen: ein Pro-zess, mit dem dieses Gebiet seit Jahrhunderten vertraut war. Erst das Frühmittelalter brachte eine umfassende christliche Missionierung.

Weitere Forschungen gelten dem Verhältnis von Re-ligion und Literatur im 2. Jh. n. Chr. am Beispiel des Satirikers Lukian von Samosata, einem wichtigen Expo-nenten der 2. Sophistik.

Ausgangspunkt für meine religionsgeschichtliche Untersuchung ist insbesondere die Frage, welche Rol-le die exotischen, fremden Gottheiten in den religiösen Diskursen des Lukian spielen. Was ist fremd, was wird im Gegensatz dazu als Eigenes angesehen?

Religionsgeschichtlich bedeutsam ist hier vor allem die Schrift „Dea Syria“, da es hier um die konkrete Auseinandersetzung mit einem aus griechisch-römischer Sicht exotischem Kult geht. Zentrale Schriften sind ferner das „Deorum concilium“, wo die alte olympische Götteraristokratie vor dem Zustrom neuer Gottheiten gewissermaßen karikiert wird, sowie die Schriften „Iupi-ter confutatus“, „Iupiter tragoedus“ und die „Dialogi De-

orum“. Ferner beschäftige ich mich mit dem Verhältnis

von Kirche und Staat in der Spätantike, insbesondere mit der Organisation der spätantiken Bistümer. Die Bischöfe leiteten häufig einen immensen eigenen Wirt-uejchvudgvtkgd" Ï" qhv" fgt" it…vg" kppgtjcnd" fgt" Uvcfv" Ï" mit großen zu unterhaltenden Bauten und weiteren Bau-vorhaben, organisierten die städtische Armen- und Kran-kenfürsorge, sorgten für den Rückkauf von Gefange- nen, bzw. überwachten deren Haftbedingungen, und fungierten als Richter in innerkirchlichen und außer- kirchlichen Rechtsverfahren. Aber sie wurden in den seltensten Fällen militärische und politische Oberhäup-ter ihrer Stadt. Umso bedeutender war die Stellung des Bischofs an der Spitze eines kirchlichen Verwal-tungsapparates, der sich immer mehr organisierte und professionalisierte und somit innerhalb der Stadt sub-sidiär wirken konnte. Die Kirche wurde zur Ordnungs-macht, weil ihre Organisation sich auch da bewährte, wo die staatliche Verwaltung immer mehr versagte, ins-besondere in Krisenzeiten.

Am Max-Weber-Kolleg werde ich mich in der Kolleg-forschergruppe „Religiöse Individualisierung in histo-rischer Perspektive“ der Frage nach dem Zusammen- hang von sogenannten Mysterienkulten und Bestat- tungspraktiken widmen. Erstmals sollen alle in archäo- logischen, inschriftlichen und literarischen Quellen auffindbaren Zusammenhänge zwischen Mysterienein- weihung und Bestattungspraktiken zusammengestellt und neu interpretiert werden. Aufgrund dieser brei-ten Materialbasis wird individuelle religiöse Praxis an der Schnittstelle zwischen der Option der Einwei-hung in Mysterienkulte und der Wahlmöglichkeit der Bestattungsform diachron von der frühen Kaiser-zeit bis in die Spätantike rekonstruierbar. Gleichzei-tig wird die Frage nach dem Ursprung dieser Verbin-dung gestellt, der offenbar in Griechenland liegt. Im Okvvgnrwpmv" yktf" fcdgk" fkg" Htcig" uvgjgp." ykg" Ï" f0j0" kp"ygnejgp" Ogfkgp" *Kpuejtkhvgp." Tkvwcng." Dknfgt" gve0+" Ï" Individuen oder Gruppen über ihre Einweihung in Mys-terienkulte mit ihrer Um- und Nachwelt kommunizierten, wie sie sowohl sich selbst als auch ihrer Umgebung die Erfahrung der Zugehörigkeit zum Mysterienkult und die Erfahrung des Todes plausibel machten.

Wolfgang Spickermann

Wichtigste neuere Arbeiten von Wolfgang Spickermann:Ï" Igtocpkc" Kphgtkqt" Tgnkikqpuiguejkejvg" fgu" t…okuejgp" Igt-

manien II, Religion der römischen Provinzen Bd. 3, Tübingen: 2008.

Ï" ¥gpvtcnkv“v"wpf"Tgnkikqp0"¥wt"Hqtokgtwpi"wtdcpgt"¥gpvtgp" ko"Imperium Romanum, Herausgeber zusammen mit H. Cancik und A. Schäfer, Studien und Texte zu Antike und Christentum 39, Tübingen: 2006.

Ï" Tqo."Igtocpkgp"wpf"fcu"Tgkej0"Hguvuejtkhv"h¯t"Tckpgt"Ykgignu"anlässlich seines 65. Geburtstages, Herausgeber, St. Kathari-nen: 2005.

Ï" Mgnvkuejg"I…vvgt"ko"T…okuejgp"Tgkej."Jgtcwuigdgt"¦wucoogp"mit R. Wiegels, Osnabrücker Beiträge zur Antike und Antikere-zeption 9, Möhnesee: 2005.

- Germania Superior. Religionsgeschichte des römischen Ger-manien I, Religion der römischen Provinzen, Bd. 2, Tübingen: 2003.

8

PROJEKTE DER FELLOWS

9

Gert G. Wagner: Biologische und ethische Grundlagen menschlichen HandelnsDie Fellowship am Max-Weber-Kolleg gab und gibt mir Gelegenheit, zwei ganz unterschiedliche Bereiche meiner wissenschaftlichen Arbeit zu vertiefen: die biologischen Grundlagen einerseits und die kulturell-ethische Be-herrschung menschlichen Handelns anderseits. Mein Interessensgebiet „Ethische Grundlagen“ ist am Kolleg offensichtlich exzellent vertreten; mein Interessensge-biet „biologische Grundlagen“ ist auf den ersten Blick gar nicht vertreten. Die biologischen Grundlagen mensch-lichen Handelns werden in der Tat am Kolleg nicht natur- oder verhaltenswissenschaftlich diskutiert; wohl aber in literarischer Form. Und letztere Methode zur Erkennt-nisgewinnung über die biologischen Grundlagen unseres Menschseins sollte man, das habe ich am Kolleg gelernt, pkejv" wpvgtuej“v¦gp<" Kp" fgt" Nkvgtcvwt" Ï" wpf" xkgnngkejv"pqej"ogjt"kp"cnvgp"Xqnmuygkujgkvgp"Ï"uvgemv"lgfg"Ogpig"präziser Beobachtung über die Natur des Menschen. Im-mer mehr zeigt sich mit naturwissenschaftlichen Metho-den zum Beispiel, dass bis in die Gehirnstrukturen hin-ein der einzelne Mensch mit widerstreitenden Interessen und Neigungen zurechtkommen muss. Wie plastisch ist dies in der Weltliteratur beschrieben, die damit eine aus-ig¦gkejpgvg"Ï"wpf"dkuncpi"wpvgtuej“v¦vg"Ï"Swgnng"h¯t"fkg"Hypothesengewinnung für moderne empirische Untersu-chungen darstellt. Und wie eindrucksvoll wird die uralte Erkenntnis von Großmüttern von der Psychologie bestä-tigt: „Niemand kann aus seiner Haut heraus“. Was Groß-mütter freilich nicht wissen können: Welche Anteile einer stabilen Persönlichkeit gehen auf Erziehung und welche Anteile auf die genetische Ausstattung von Menschen zu-rück? Und kann man überhaupt von „Anteilen“ reden oder handelt es sich bei der individuellen Persönlichkeitsent-wicklung um eine derart komplexe biologisch-kulturelle Interaktion, dass man aufgrund der Interaktionseffekte eigentlich gar keine aussagekräftigen und für große Be-völkerungen stabile Anteile des Einflusses von Genen be-uvkoogp"mcppA"¥wt"Dgcpvyqtvwpi" fkgugt" Htcigp" Ï" fgt"Größe von Anteilen bzw. der Bedeutung von Interakti-qpgp"Ï"yknn" kej"xgtuwejgp"okv"gkpgo"Hqtuejwpiurtqlgmv"im Detail beizutragen. Dieses hat zum Mittelpunkt die empirische Analyse menschlicher Risikoneigung und das Verhalten in riskanten und gefährlichen Situationen im (wirtschaftlichen) Alltag. An diesem Projekt arbeiten viele Kollegen aus verschiedenen Disziplinen mit; vor allem zu nennen sind: Armin Falk, Martin Reuter und Bernd Weber (Universität Bonn), Thomas Dohmen (Universität Maastricht), Uwe Sunde (Universität St. Gallen), Agnes Jänsch und Nico Siegel (Infratest Sozialforschung Mün-chen) und Jürgen Schupp (DIW Berlin).

Bei der empirischen Analyse menschlicher Risiko- neigung und des Verhaltens in riskanten und gefährlichen Situationen im (wirtschaftlichen) Alltag geht es darum, auf- zuklären, wie risikogeneigt (bzw. risikoscheu) Menschen grundsätzlich und in bestimmten Situationen (Beruf, Fa-milie, Gesundheit) sind und welche Konsequenzen dies für die Wirtschafts- und Sozialpolitik haben sollte. Unser Analyseansatz basiert auf den Mikro-Längsschnittsdaten des Sozio-oekonomischen Panels (SOEP), für das ich ver-antwortlich bin und das gegenwärtig mit neuartigen Da-tentypen angereichert wird. So werden im Rahmen der an sich normalen Survey-Befragung insbesondere Daten

mit Hilfe von Verhaltens-experimenten zur Risiko-neigung gewonnen sowie in Pretests Biomarker zur Bestimmung von Varian-ten (Polymorphismen) von Kandidaten-Genen erho-ben und Real-Time-Daten zur Affektverarbeitung er-probt (wobei diese Pretests bereits substanzielle Ana-lysen zulassen).

Mit Hilfe von Experi-mentaldaten und der Be-stimmung von genetischen Varianten bei den Survey- Personen werden wir ver-suchen, die biologischen Determinanten der Risiko- neigung von den sozialen Ursachen, z. B. Erziehung, zu trennen. Ob dies gelingt, ist unklar; es handelt sich bei diesem Projekt um riskante Grundlagenforschung. Ich persönlich erwarte einen deutlich überwiegenden Anteil der sozialen Ursachen für die Entwicklung einer indivi-duell stabilen Risikoneigung.

Meine sozialethischen Arbeiten sind eng mit meinem Vorsitz der „Kammer für soziale Ordnung“ der Evangeli-schen Kirche in Deutschland (EKD) verbunden. Die „So-¦kcnmcoogtÑ"dkgvgv"Ï"ykg"fcu"Ocz/Ygdgt/Mqnngi"Ï"gkp"cwu-gesprochen multidisziplinäres Umfeld.

Während meiner Anfangszeit als Fellow am Kolleg konnten wir in der Sozialkammer das Manuskript für die Denkschrift „Unternehmerisches Handeln in evangeli-scher Perspektive“ endgültig fertig stellen. Diese Denk-schrift wird inzwischen in Kirchenkreisen äußerst kon-trovers diskutiert; die einen halten den Standpunkt der Denkschrift für richtig, dass das deutsche Ordnungsmo-dell der „Sozialen Marktwirtschaft“ möglichst weltweit exportiert werden sollte, da es einen optimalen Interes-sensausgleich zwischen Unternehmern, Managern und Arbeitnehmern erlaubt. Andere glauben, dass aufgrund der Reformen der letzten Jahrzehnte, aber insbesondre aufgrund der rot-grünen Reformen der Arbeitsmarkt-, Gesundheits- und Altersicherungspolitiken, die soziale Marktwirtschaft faktisch abgeschafft sei.

Im Laufe des Jahres 2009 wird die Denkschrift sicher-lich auf mehreren Veranstaltungen von Evangelischen Akademien diskutiert werden; auch auf dem Kirchentag im Mai.

Gert G. Wagner

Neue Bücher von Gert G. Wagner:/" Wpvgtpgjogtkuejgu"Jcpfgnp"kp"gxcpignkuejgt"Rgturgmvkxg"Ï"Gkpg"

Denkschrift des Rates der Evangelischen Kirche in Deutsch-land, als Vorsitzender zusammen mit den übrigen Mitgliedern der Kammer für soziale Ordnung der EKD, Gütersloh: Güterslo-her Verlagshaus 2008.

- GeisteswissenschaftlerInnen: kompetent, kreativ, motiviert, und doch chancenlos?, Herausgeber zusammen mit Heike Solga, De-nis Huschka und Patricia Eilsberger, Opladen und Farmington Hills: Budrich UniPress 2008.

- Findigkeit in unsicheren Zeiten, Herausgeber zusammen mit Heike Solga, Denis Huschka und Patricia Eilsberger, Opladen und Farmington Hill: Budrich UniPress 2008.

PROJEKTE DER FELLOWS

Die kriegerische Zerstörung von Städten ist zu allen Zeiten und in allen Kulturkreisen zu beobachten. An-hand solcher Zerstörungen lassen sich daher zahlreiche Aspekte von der Waffentechnik über den Symbolgehalt der Stadt bis zur mentalen Verarbeitung von Gewalt und Katastrophen synchron wie diachron vergleichend unter-suchen. Aus praktischen Gründen muss sich das Projekt zunächst auf Stadtzerstörungen im Alten Reich der Frü-hen Neuzeit beschränken. Prinzipiell ist es aber zeitlich und geographisch anschlussfähig.

Das Vorhaben versteht sich als Beitrag zur Kultur-geschichte der Frühen Neuzeit. Methodisch orientiert es sich am wissenssoziologischen Erfahrungsbegriff, der von der gesellschaftlichen Konstruktion der Wirklichkeit ausgeht. Erfahrungen sind nach diesem Ansatz sinnhafte Deutungen von Ereignissen, die immer auch kollektive Vorstellungen reproduzieren und zu erkennen geben.

Folglich dürfte die Analyse einschneidender kriegerischer Ereignisse und ihrer Deutung einen Zugang zu mentalen Strukturen und sozialen Wissensbeständen eröffnen. Da um die Deutung der Ereignisse auch und gerade in der Publizistik und mit künstlerischen Mitteln gerungen wurde, ist das Projekt interdisziplinär ausgerichtet und offen für die Kooperation vor allem mit der Literatur- und Kunstgeschichte.

Wichtigste neuere Arbeiten von Birgit Emich:- Kriegs/Bilder in Mittelalter und Früher Neuzeit, hrsg. von Bir-

git Emich und Gabriela Signori (Zeitschrift für Historische For-schung, Beiheft), Berlin 2009.

- Geschichte der Frühen Neuzeit studieren (UTB, Reihe „Basics“), Konstanz 2006.

- Territoriale Integration der Frühen Neuzeit. Ferrara und der Kir-chenstaat, Köln/Weimar/Wien 2005.

Birgit Emich: Stadtzerstörungen in der Frühen Neuzeit

Hans G. Kippenberg: Sonderweg Europäische Religionsgeschichte

Ein bleibendes Merkmal europäischer Religionsgeschich-te (siehe dazu den Tagungsbericht, Nachrichten Nr. 7, S. 19) ist ein doppelter Pluralismus: neben einer Pluralität von Religionen (paganer Polytheismus, Christentum, Hä-resien, Judentum, Islam) ein Pluralismus gesellschaft-licher Ordnungen und Mächte (Religion, Wissenschaft, Philosophie, Recht, Kunst, Wirtschaft, Politik usw.).

Mein eigener Beitrag thematisiert die Interferenzen und Transfers von Recht und Religion. Mit der Rezeption des Römischen Rechts seit dem 12. Jh. sind die private Prak-tizierung von Ritualen und die Bildung religiöser Vereini-gungen Tatbestände von Recht geworden. Die diesbezüg-lichen Juristendiskurse wurden für das Verständnis von Religion in den europäischen Gesellschaften folgenreich.

Hans G. Kippenberg: Religiöse Gewalt aus handlungstheoretischer Sicht

Medien und Politik betrachten religiöse Gewalt als Aus-wuchs irregeleiteter „Kulte“ bzw. menschenverachtenden „Terrors“ und sprechen den Tätern genuin religiöse Über-zeugungen ab. Das Vorhaben bearbeitet den Sachverhalt aus anderer Perspektive. Soziologen lehren, dass zu je-dem Handeln eine Definition der Situation gehört, aus der es seine Berechtigung und seine Bedeutung gewinnt. Die Definition ergibt sich jedoch nicht zwingend aus der Situation selber, sondern wird ihr von den Akteuren erst gegeben. Dabei erklären sie die Werte und Vorbilder ihrer religiösen Gemeinschaft nicht unabhängig von der Situ-ation, in der sie sich befinden, für praktisch verbindlich. Von einem zwingend notwendigen Zusammenhang zwi-schen Monotheismus und praktizierter Intoleranz kann man daher nicht ausgehen.

Um religiöse Gewalt als situationsbezogene Handlung zu rekonstruieren, wird der Fokus nicht auf die Motive der Täter, sondern auf die Bedeutung der Tat gerichtet. Die von mir untersuchten Fälle zeigen, dass Gewalthand-lungen als heilsgeschichtliche Akte vollzogen werden kön-nen. Regelmäßig stützen sich die Täter auf moderne End-zeittheologien, die die Gegenwart als eine Epoche deuten, in der die Mächte des Bösen an Macht zunehmen, bis sie schließlich am Ende der Zeit gewaltsam vernichtet wer-den. Wir finden im Islam, Judentum und Christentum Gemeinschaften, die sich kraft dieser Geschichtsschau von der dominanten Kultur abwenden und Netzwerke eigener sozialer Institutionen aufbauen („Enklaven“). Al-lerdings ist ihre Definition der Situation im Blick auf die

die daraus abgeleiteten ethischen Forderungen ambiva-lent. Neben einer militanten Gesinnungsethik, die vom Gläubigen den bedingungslosen Kampf gegen das Böse verlangt, gibt es auch die Forderung, der Gläubige möge sich seiner Verantwortung für das Sozialwerk bewusst bleiben und das Ende nicht herbeizwingen wollen, son-dern Geduld üben. Diese Ambivalenz weicht dann jedoch einer gewalttätigen Eindeutigkeit, wenn die Existenz der sozialen Enklave von außen bedroht wird. Medien und staatliche Instanzen, die ihnen den Kampf ansagen, tra-gen daher ihrerseits zur Eskalation von Gewalt und zur Beschleunigung von Gewaltspiralen bei.

Die Einzelvorhaben: 1.) In Vorbereitung ist eine Monographie mit dem Titel „Gewalt als Gottesdienst. Schauplätze und Handlungsskripte religiöser Gewalt“. 2.) Eine Edition mit Kommentar und Analysen der „Geist-lichen Anleitung“ der Attentäter vom 11. September ist im Herbst 2006 auf Englisch erschienen; sie ist gegenü-ber der deutschen Ausgabe erweitert und überarbeitet. 3.) Ein Projekt „Islamische Diskurse über die Berechti-gung von Gewalt“ wird im Rahmen des Verbundprojektes „Mobilisierung von Religion in Europa“ bearbeitet.

Wichtigste neuere Arbeiten von Hans G. Kippenberg:- Gewalt als Gottesdienst. Religionskriege im Zeitalter der Globa-

lisierung, München: C.H. Beck 2008.- The 9/11 Handbook. Annotated Translation and Interpretation

of the Attackers’ Spiritual Manual, Herausgeber zusammen mit Tilman Seidensticker, London: Equinox 2006.

Laufende Projekte

10

PROJEKTE DER FELLOWS

Es geht mir seit 1973 um die Interaktion zwischen An-gehörigen verschiedener Kulturen in Geschichte und Gegenwart, insbesondere im Kontext der europäischen Expansion und der christlichen Mission (vgl. meine Untersuchung „Gelenkter Kulturwandel im 17. Jh.“ 1976/1997). Dabei kommt es heute im Zeichen der „kul-turellen Globalisierung“ mehr denn je auf Gruppen trans-kultureller Orientierung und transkulturelle Phänomene an. Im Augenblick handelt es sich um folgende Vorhaben mit deren Verästelungen:

a) New World History III: Reichsbildung und maritime Interaktion 1350-1750. Der Band wird nach den gro- ßen Kulturregionen gegliedert. Sein Schwerpunkt liegt auf kultureller Interaktion zwischen und natürlich auch in-nerhalb von diesen, denn sie werden nicht als homogene „Kulturkreise“, sondern als Netzwerke intensiver Binnen-interaktion betrachtet. Diese Intensität unterscheidet sie von ihrer Umwelt, mit der sie natürlich auch interagieren.Neben der Bandherausgabe und der Autorenbetreuung sind eine Einleitung und eine vergleichende Zusammen-fassung zu schreiben.

b) Kolonialreiche: Eine Neubearbeitung der „Geschich-te der europäischen Expansion“, jetzt in einem Band neu organisiert ähnlich wie die „Kleine Geschichte des Ko-lonialismus“. Dabei ist zentral nach wie vor der Aspekt des Kulturkontakts in den verschiedenen Erdräumen. Neu ist die stärkere Berücksichtigung der Aktivitäten der „Anderen“ unter dem Gesichtspunkt der Aneignung und der kulturellen Globalisierung, neu die Auffassung des

Kolonialismus als bloße Variante von Reichsbildung und Reich, einschließlich dem Problem der (Un-)Möglichkeit von Reichen in der Gegenwart. IT-Vorarbeiten dafür wur-den am Max-Weber-Kolleg bereits geleistet.

c) Die fünf Pfade der abendländischen Hermeneutik. Hier geht es um die Leitung (zusammen mit Peter Walter, Freiburg) eines Projekts der Gerda Henkel Stiftung am Max-Weber-Kolleg, in dem Meinrad Böhl und Matthias Jung ein zur Hälfte bereits erarbeitetes Handbuch der abendländischen Hermeneutik in den Bereichen Litera-tur/Bibelexegese/Rechtsauslegung/Geschichtsschrei-bung/Philosophie fertig stellen werden. Dieses Vorhaben gehört in den Zusammenhang von Interkulturalität und Transkulturalität, insofern es gezielt den Ausgangspunkt für ein groß angelegtes, von Michael Friedrich, Hamburg, geleitetes Vorhaben darstellen soll, das sich die verglei-chende Untersuchung jüdischer, abendländischer, isla-mischer, hinduistischer, buddhistischer, konfuzianischer und japanischer Textkulturen vorgenommen hat. Als Zwischenbilanz dieses Gesamtprojekts wurde am Max-Weber-Kolleg bereits das Buch „Sakrale Texte“ (Arbeitsti-tel „Textkultur und Lebenspraxis“) erarbeitet.

11

Ein bekanntes Theorem des Soziologen Georg Simmel lautet, dass Konflikte nicht nur destruktiv wirken, son-fgtp"gkpg"mqpuvtwmvkxg"Mtchv"gpvhcnvgp"Ï"ukg"ukpf"mqpuvk/ tutiv an der Identitätsbildung der Kontrahenten betei-ligt. Grundidee des Projektes ist es, die Einsicht Simmels auf die Soziologie selbst zu übertragen, d. h. für eine Beschreibung der Geschichte der soziologischen Fach-disziplin nutzbar zu machen. Die Soziologie bezieht ihre Identität demnach weder aus einer einheitlichen Frage-stellung noch aus einem gemeinsamen Paradigma und auch nicht aus der sukzessiven Abfolge einander ablö-sender Paradigmen. Identitätsstiftend für das Fach sind vielmehr eine Reihe substantieller Debatten und weit reichender Konflikte über die begrifflichen, theoretischen und methodischen Grundlagen einer Wissenschaft vom Sozialen: angefangen beim Werturteilsstreit über die Kontroverse um die Wissenssoziologie, den Positivis-musstreit, die Qualitative/Quantitative Methodendebatte und die Querelen um die Postmoderne bis hin zur ge-

genwärtig erst in Umrissen sichtbar werdenden Debatte zwischen Konstruktivismus und Postkonstruktivismus. Aus dem Projekt wird ein Band entstehen, der im Herbst 2009 in der Reihe stw bei Suhrkamp erscheint.

Stephan Moebius: Soziologische Kontroversen. Eine andere Geschichte der Wissenschaft vom Sozialen

Das Projekt untersucht die disziplinären und interdis-ziplinären Wirkungen sowie handlungstheoretischen und wertkonstitutiven Implikationen des Mauss’schen Denkens. Das Projekt wird von der DFG mit einer Mit-arbeiterstelle gefördert (Mitarbeiter: Frithjof Nungesser).

In engem Zusammenhang mit dem Projekt werde ich bei Suhrkamp die religionssoziologischen Texte von Mauss (Verlag der Weltreligionen) sowie das Buch Denis Hollier: Collège de Sociologie (Suhrkamp stw) herausgeben.

Stephan Moebius: Die elementaren Diskurse der Gabe. Marcel Mauss‘ paradigmatische Wirkung auf die Sozial- und Kulturtheorien

Wichtigste neuere Arbeiten von Wolfgang Reinhard:- Krumme Touren. Anthropologie kommunikativer Umwege, Au-

tor und Herausgeber, Wien: Böhlau 2007.- Geschichte des modernen Staates, München: C.H.Beck 2007.- Menschen und Märkte. Studien zur historischen Wirtschafts-

anthropologie, Herausgeber zusammen mit Justin Stagl, Wien: Böhlau 2007.

Wichtigste neuere Arbeiten von Stephan Moebius:- Kultur. Einführung in die Kultursoziologie, Bielefeld: transcript

(erscheint 2009).- Poststrukturalistische Sozialwissenschaften, Herausgeber zu-

sammen mit Andreas Reckwitz, Frankfurt/Main: Suhrkamp 2008.

- Kultur. Theorien der Gegenwart, Herausgeber zusammen mit Dirk Quadflieg, Wiesbaden: VS Verlag für Sozialwissenschaften 2009 (2. Auflage).

- Avantgarden und Politik, Herausgeber zusammen mit Lutz Hie-ber, Bielefeld: transcript 2009.

- Marcel Mauss, Konstanz: UVK 2006.- Die Zauberlehrlinge. Soziologiegeschichte des Collège de Socio-

logie, Konstanz: UVK 2006.

Wolfgang Reinhard: Interkulturalität und Transkulturalität

PROJEKTE DER FELLOWS

Abgeschlossene Projekte

Ykphtkgf"Dtwiigt"*3214225"Ï"2;1422:+."Cduejnwuudgtkejv<Meine Zeit vom Oktober 2003 bis September 2008 am OczÏYgdgt/Mqnngi" yct" gkpg" fgt" xkgnugkvkiuvgp" wpf" xkgn-schichtigsten Perioden in meinem Wissenschaftlerleben. Obwohl ich auch an der Universität Heidelberg breit an-gelegt gearbeitet hatte, ermöglichte es mir die Fächer-struktur des Kollegs, noch intensiver und extensiver in das Spektrum der Kultur- und Sozialwissenschaften ein-zusteigen: durch das Gespräch mit den Fellows aus den anderen Disziplinen, aber auch durch die regelmäßigen Treffen und Diskussionen mit den Kollegiaten. Über diese Kontakte und die gegenseitige Lektüre der Kollo-quientexte ist meine eigene Arbeit erheblich gefördert worden, wofür ich dem Kolleg wie den Fellows und den Kollegiaten herzlich danken möchte!

In den fünf Jahren habe ich zwei Bücher geschrieben: „Freiheit und Sicherheit. Eine staatstheoretische Skizze mit praktischen Beispielen“ (2004) und „Das anthropo-logische Kreuz der Entscheidung in Politik und Recht“ (2005, 2., erweiterte Auflage 2008). Das letztgenannte Buch verbindet meine juristischen und rechtsphiloso-phischen Interessen mit einem der Schwerpunkte des Max-Weber-Kollegs: der Ausrichtung am Handlungs-begriff. Anders als utilitaristische und präferenztheore-tische Theorien, die mit einer uniformen Letztkategorie von Handeln arbeiten, befürworte ich einen Ansatz, der von vier unterschiedlichen Perspektiven im Handeln, jedenfalls im problematischen Handeln, ausgeht: der rückwärtsgewandten Perspektive (Biographie), der vor-wärtsgewandten Sichtweise (Mittel-Zweck-Reflexion und Zielbestimmung), der abwärtsgewandten Blickrichtung (hin zu den Grundbedürfnissen) sowie dem Blick nach oben (in Richtung geistiger Ausrichtungen: Schönes, Gutes, Transzendentes, Gerechtes). In „hard cases“ (Ro-nald Dworkin) kreuzen sich diese vier Perspektiven im Akteur, dem dadurch sein Charakter als Subjekt vor Augen geführt wird, mit der Qual der Wahl der Entschei-dungsfindung, die die Natur, Gott und/oder die Evolu- tion als Wahl der Qual für den Menschen getroffen haben. Über diesen Ansatz fand am Kolleg eine Tagung statt, bei der das „Kreuz der Entscheidung“ von Vertretern der un-terschiedlichsten Disziplinen untersucht wurde. Die Vor-träge sind inzwischen als Buch publiziert worden: Hans Joas/Matthias Jung (Hrsg.), Über das anthropologische Kreuz der Entscheidung (2008). Zusätzlich zu der Buch-publikation habe ich zahlreiche Aufsätze zu dieser The-matik geschrieben; Übersetzungen und Publikationen solcher Aufsätze gibt es bislang in China, USA und Polen und wird es demnächst geben in Brasilien und der Tür-kei.

Das Kolleg mit seinem Schwerpunkt auf „Religion“ hat wesentlich zu meiner näheren Beschäftigung mit Problemen von Staat und Religion/Kirche beigetragen: Ausdruck hiervon ist ein Sammelband mit dem Titel „Re-ligion in the Public Sphere. A Comparative Analysis of German, Israeli, American and International Law“ (2007, hrsg. mit Michael Karayanni). Im Umkreis dieses Buches und Themas habe ich mehrere Aufsätze publiziert, die in Deutschland und China erschienen sind bzw. demnächst in Brasilien und in einem englischsprachigen Sammel-band erscheinen werden.

„Menschenrechte“ ist ein weiterer Schwerpunkt am Kolleg. Dieses Thema hat sich bei mir in mehreren Aufsät-zen niedergeschlagen, z. B. mit Titeln wie „Zum Verhält-nis von Menschenbild und Menschenrechten“ oder „The Image of the Person in the Human Rights Concept“. In diesen Aufsätzen vertrete ich eine an das „Menschenbild des Grundgesetzes“ angelehnte Integrationsformel für ein universell konsensfähiges Menschenrechtsverständ-nis, das aus fünf Elementen besteht: (1) eigenständige, (2) sinnhafte, (3) verantwortliche (4) Lebens- (5) Füh-rung. Ein modernes Menschenrechtsverständnis beharrt auf der Achtung eines jeden dieser Elemente; allerdings sind kulturspezifische Gewichtungen möglich. Aufsätze, die diesen Ansatz vorstellen, sind in Übersetzung in den USA, China und Brasilien erschienen.

Drei weitere Schwerpunkte meines Arbeitens beziehen sich auf (1) den „liberalen Kommunitarismus“ als die aus meiner Sicht beste und attraktivste Theorie für die Poli-tik der Moderne; (2) Probleme der Meinungsfreiheit als eines besonders wichtigen Rechts im Rahmen der Men-schenrechte sowie (3) die Verfassungsvergleichung, ins-besondere im Verhältnis Deutschland-USA. Zu allen drei Schwerpunkten habe ich in meinen fünf Erfurter Jahren mehrfach publiziert. Ich nenne jeweils nur einen exemp-larischen Titel: (1) Communitarianism as the social and legal theory behind the German Constitution, in: Interna-tional Journal of Constitutional Law 2004, (2) Verbot oder Schutz von Hassrede?, in: Archiv des öffentlichen Rechts 2003, sowie (3) Neuere Rechtsprechung des U.S. Supreme Court, in: Juristenzeitung 2008. Zum Abschluss meiner Zeit habe ich 2008 zusammen mit Ulfrid Neumann und Stephan Kirste den Sammelband „Rechtsphilosophie im 21. Jahrhundert“ im Suhrkamp-Verlag herausgegeben: ein Band mit Beiträgen 20 namhafter deutschsprachiger Rechtsphilosophen, die ein repräsentatives Bild der bei uns vertretenen rechtsphilosophischen Schulen und Konkurrenzen vermitteln.

Alles in allem waren dies für mich fünf ungeheuer pro-duktive Jahre, für die ich mich herzlich bedanke. Ich hof-fe, daß meine Beiträge in den Diskussionen und Bemer-kungen zu den Referaten dasjenige etwas ausgleichen können, was ich selbst aus Erfurt mitnehme als Ertrag meiner Fellow-Zeit dort.

Wichtigste neuere Arbeiten:a) Rechtsphilosophie im 21. Jahrhundert, Hg. mit U.

Neumann und S. Kirste, Frankfurt/M.: Suhrkamp 2008.b) Das anthropologische Kreuz der Entscheidung in

Politik und Recht, 2. erw. Aufl., Baden-Baden: Nomos 2008.

c) Religion in the Public Sphere. A Comparative Ana-lysis of German, Israeli, American and International Law, Hg. mit M. Karayanni, Berlin: Springer Verlag 2007.

d) Freiheit und Sicherheit. Eine staatstheoretische Skizze mit praktischen Beispielen, Baden-Baden: Nomos 2004.Die vollständige Liste meiner 67 am Max-Weber-Kolleg in den letzten 5 Jahren entstandenen Publikationen kann unter http://www.uni-erfurt.de/maxwe/personen/brug-ger/brugger_publi.html eingesehen werden.

12

PROJEKTE DER FELLOWS

13

Vjgq"Mqdwuej"*3214229"Ï"2;1422:+."Cduejnwuudgtkejv<"Während der Fellowship am Max-Weber-Kolleg habe ich insbesondere die Forschungstätigkeiten durchgeführt, die sich auf das vorgenommene Projekt „Person und Würde, Die Grundlagen des modernen Verfassungs-staates aus historischer Sicht“ beziehen. Das Ziel dieses Rtqlgmvgu"yct"wpf"Ï"fc"gu"pqej"pkejv"cdiguejnquugp"kuv"Ï" kuv." fkg" cpvjtqrqnqikuejgp"Itwpfncigp"oqfgtpgt" Fg-mokratien und besonders die Begriffe der Person und der Würde hinsichtlich ihrer historisch gewordenen Bedeu-tungen und Einflussnahmen auf moderne Verfassungen aufzuhellen.

In diesem Zusammenhang war Ausgangspunkt der Forschungen das erstaunliche Phänomen, dass in un-serer Verfassung die Würde des Menschen einmal als „unantastbar“ bezeichnet, andererseits aber auch als ein schutzbedürftiges Gut angesehen wird. Die Würde des Menschen birgt also ein Element des Unverlierbaren und ein Element des Verlierbaren in sich. Diese beiden Ele-ogpvg" ukpf" Ï" uq" yknn" fcu" Rtqlgmv" gu" cwh¦gkigp" Ï" kp" fgt"Tradition der Gottesebenbildlichkeitslehre gedacht und bewahrt worden, indem von Origenes an den beiden aus dem Buch Genesis bekannten Begriffen der imago und similitudo dei ein je verschiedener Sinn untergelegt wurde.

Die Forschungen während des Erfurter Jahres ergaben, dass es eine große, vergessene Tradition der Auslegung dieses Begriffspaares gibt, die von den Kirchenvätern, insbesondere den griechischen, über die Frühscholastik, aber auch die Hochscholastik, wenngleich nicht so sehr die aristotelisch beeinflusste, die Renaissancephilosophie bis hin zu neuzeitlichen Positionen reicht, in der die ima-go dei als jenes unverlierbare Element unserer Freiheit angesehen wurde, das uns zu Menschen macht, während die similitudo dei das verlierbare Element darstellt, weil menschliche Freiheit (durch sich selbst, aber auch von anderen) Schaden leiden und verletzt werden kann.

Im Dienst des Gesamtprojektes standen auch ver-schiedene Vorträge, die ich im angegebenen Zeitraum gehalten habe. Dazu gehört der Titel „Das moralische Wesen der Person. Die Philosophie der Neuzeit und der Freiheitsgedanke“, der inzwischen auch in der WB Darm-stadt im Rahmen des von Schuhmacher / Putallaz or-icpkukgtvgp"Dwejgu"äFgt"Ogpuej"wpf"fkg"RgtuqpÑ"Ï"fcu"zugleich in französischer Sprache bei Vrin, Paris 2008 gtuejgkpv"Ï"rwdnk¦kgtv"kuv0"

Ferner auch der im April dieses Jahres in Porto Alegre (Brasilien) gehaltene Vortrag „Person und Freiheit. Vom absoluten Wert der Menschenwürde“, sowie der in Leip-zig beim Philosophischen Kolloquium gehaltene Vortrag „Die Ontologie des Moralischen“. Der bei der diesjährigen Deutschland-Brasilien-Konferenz beigesteuerte Beitrag „Der Willensbegriff bei den Kirchenvätern“ verfolgte die Idee der in der Freiheit liegenden Würde des Menschen im spätantiken Christentum und ihre Erläuterung durch die Unterscheidung zwischen imago und similitudo dei.

Schließlich wurde das Projektthema auch in dem im September dieses Jahres auf dem Philosophenkongress in Essen gehaltenen Vortrag „Das Moralische versteht sich immer von selbst. Zum Thema der Lebenswelt in der christlichen Tradition“ zumindest berührt.

Darüber hinaus wurden im oben angegebenen Zeit-raum zwei Beiträge fertiggestellt, die das Thema der Wür-de im philosophisch-juristischen Zusammenhang, bzw.

der Natur des Menschen im medizinethischen Kontext behandeln. Sie sind inzwischen unter den Titeln „Die Y¯tfg"fgu"Ogpuejgp"Ï"gkp"Gtdg"fgt"ejtkuvnkejgp"Rjknquq-rjkgÑ."kp<"Fgu"Ogpuejgp"Y¯tfg"Ï"gpvfgemv"wpf"gthwpfgp"im Humanismus der italienischen Renaissance, hrsg. Rolf Gröschner, Stephan Kirste, Oliver W. Lembcke, Mohr Siebeck, Tübingen (2008), S. 235-250 und „Die mensch-liche Natur. Das Sein des Menschen im Spannungsfeld von Philosophie und Medizin, in: Gesundheit im Spiegel der Disziplinen, Epochen, Kulturen, (Ars medicinae. Die Wissenschaft der Medizin und das Heil des Menschen I) hrsg. v. Dietrich Grönemeyer, Theo Kobusch, Heinz Schott, Thomas Welt (Mitarbeit), Niemeyer, Tübingen (2008), 313-332. erschienen.

Das Ziel des ersten Beitrags ist, zwei Traditionen der Würde-Begriff-Bedeutung auseinanderzuhalten: die neu-platonische, die allem, was ist, je seine eigene Würde zu-schreibt, und die Kantische, die allein von der Würde der Person (im Unterschied zum Preis der Sachen) spricht. Der Würde-Begriff, der in der berühmten oratio de homi-nis dignitate des Giovanni Pico della Mirandola verwen-det wird, ist neuplatonischen Ursprungs und geht dem Inhalt nach auf die griechischen Kirchenväter zurück.

Wichtigste neuere Arbeiten:a) The Language of Angels: On the Subjectivity and

Intersubjectivity of Pure Spirits, in: Angels in Medieval Philosophical Inquiry, Isabel Iribarren, Martin Lenz (Hg), Ashgate, (2007), S. 131-142.

b) Philosophische Streitsachen. Zur Auseinanderset-zung zwischen christlicher und griechischer Philosophie, in: Kaiser Julian „Apostata“ und die philosophische Re-aktion gegen das Christentum, (Millenium-Studien zu Kultur und Geschichte des ersten Jahrtausends n. Chr. Bd. 21), hg. v. Christian Schäfer, Berlin (2008), S. 17-40.

c) Das moralische Wesen der Person. Die Philosophie der Neuzeit und der Freiheitsgedanke, in: Der Mensch und die Person, hrsg. v. F.-X. Putallaz, Paris, B. Schuma-cher, WBG, Darmstadt (2008), S. 145-155.

d) Die Person: hypostasierte Freiheit, Der mittelalter-liche Begriff der Person und sein Einfluss auf die Neuzeit“ in. Geist und Psyche, hrsg. Edith Düsing, Hans-Dieter Klein, Königshausen & Neumann, Würzburg (2008), S. 81-90.

e) „Universales Christentum“, in: Religion und Philoso-phie im Widerstreit? Band 2, hrsg. v. Claudia Bickmann, Markus Wirtz, Hermann J. Scheidgen, Nordhausen, Bau-tz Traugott (2008), 465-490.

h+" äFkg"Y¯tfg"fgu"Ogpuejgp"Ï"gkp"Gtdg"fgt"ejtkuvnk-ejgp"RjknquqrjkgÑ." kp<"Fgu"Ogpuejgp"Y¯tfg"Ï"gpvfgemv"und erfunden im Humanismus der italienischen Renais-sance, hrsg. Rolf Gröschner, Stephan Kirste, Oliver W. Lembcke, Mohr Siebeck, Tübingen (2008), S. 235-250.

g) Die menschliche Natur, Das Sein des Menschen im Spannungsfeld von Philosophie und Medizin, in: Ge-sundheit im Spiegel der Disziplinen, Epochen, Kulturen, (Ars medicinae. Die Wissenschaft der Medizin und das Heil des Menschen I) hrsg. v. Dietrich Grönemeyer, Theo Kobusch, Heinz Schott, Thomas Welt (Mitarbeit), Niemey-er, Tübingen (2008), 313-332.

PROJEKTE DER FELLOWS

Lcocn"Ocnkm"*3214229"Ï"2;1422:+."Cduejnwuudgtkejv<Während der zweisemestrigen Fellowship (WS 2007/08- SS 2008) am Max-Weber-Kolleg konnte die Arbeit an der umfangreichen Monographie zum Thema „Islam in South Cukc" Ï" C" Ujqtv" Jkuvqt{Ñ" gthqnitgkej" ¦wo" Cduejnwuu" ig-bracht werden (Leiden: Brill 2008). Von ganz besonderer Bedeutung für diesen Erfolg waren die stimulierenden und zum Teil hart geführten Diskussionen der Kollegrunden, wofür ich dem Kolleg sehr dankbar bin. Die vorgesehenen analytischen Kategorien erfuhren eine Erweiterung und Schärfung, so etwa durch den Zugriff auf die Dynamik religiöser Vergemeinschaftungsformen in ihren religions- und sozialwissenschaftlichen Reflexionen. Auch konnten die für Europa wissenschaftlich erarbeiteten Ergebnisse, die im Rahmen der Kollegsitzungen vorgetragen und kon-trovers diskutiert wurden, für den südasiatischen Kontext fruchtbar gemacht werden. Dazu zählen etwa die Para-digmen von Konfessionalisierung und Neo-Konfessiona-lisierung sowie Tendenzen religiöser Individualisierung. Auf diese Weise halfen komparatistische Kontextualisie-rung historischer Befunde und vor allem deren De-Kon-textualisierung, sprich Generalisierung, die Aussagekraft der vornehmlich sozial- und kulturhistorisch angelegten Arbeit auf das südasiatische Universum heuristisch und wissenschaftstheoretisch wesentlich zu bereichern. Dazu zählten auch die Reflexionen zu Religion als Katalysator für Radikalismus und Gewalt aber auch als Förderer von Toleranz und Pluralismus.

Auf diese Weise wurde eine Religionsgeschichte Süd-asiens unter besonderer Berücksichtigung der Muslime und deren ganz unterschiedlichen Formen kultureller Artikulation in zahlreichen Genres und Kulturartefakten nachgezeichnet, wobei Institutionenbildungsprozesse und Ideengeschichte miteinander verwoben wurden. Die Erfassung der Spannung zwischen diskursiv hergestellter religiöser Identität als relevantem Plausibilisierungs- und Mobilisierungsfaktor und alternativen Markern von Soli-daritäts- und Sinnstiftung wie etwa politischer und so-zialer Zugehörigkeit, Geschlecht, Ethnie einerseits, und der Dynamik religiöser Glaubenswelten und politischer Ordnungen anderseits konnten zu einem komplexen, sich über 1400 Jahre erstreckenden Narrativ verflochten werden. Die Einleitung erläutert neben dem Stand der Forschung und den Forschungsfragen auch die Gliede-rung der Arbeit. Diese lässt sich in vier Blöcke unter-teilen: Ein erster Block (Early Muslim expansion, cultural encounter and its constituencies) erfasst die muslimische Expansion und die formative Phase im Kontext anfäng-licher Kulturkontakte zwischen Muslimen, Hindus und Buddhisten (etwa 700-1300). Dem folgt der Prozess des empire-building (Establishment of Muslim empire cultures oscillating between Islamic and Islamicate), als verschie-dene Kulturen und deren Träger zwischen Islamisch und „Islamicated“ (M. Hodgson), zwischen zentralisierten und regionalisierten Mächten oszillieren (etwa 1300-1700). Der dritte Block (Territorial states and colonial rule. Accommodation and differentiation of Muslim cultures) befasst sich mit den Prozessen regionaler Zentralisie-rung, Territorialität und kolonialer Machtansprüche und verdeutlicht die Prozesse von Integration und Differen-zierung muslimischer kultureller Artikulation auf dem Hintergrund kolonialer Expansion (etwa 1700-1930). Der vierte und letzte Block (Negotiating Muslim pluralism and singularity) fokussiert auf die Spannungen zwischen Plu-

ralismus und Singularität im muslimischen Diskursfeld (etwa 1930-2002). Das Nachwort fasst die Befunde kurz und pointiert zusammen.

Editorische Arbeiten und die Überarbeitung des eng-lischsprachigen Textes, kartographische Arbeiten und das Einholen von copy-rights für notwendige Abbildungen sowie die Erstellung von Indices und Glossar nahmen einige Zeit in Anspruch.

Zwei kurze Forschungsaufenthalte in Südasien hal-fen, bestehende Lücken in der Monographie zu füllen und einzelne Aspekte der Arbeit einer wissenschaftlich interessierten Öffentlichkeit zur Diskussion zu stellen.

Neben den regelmäßigen Besuchen der Kollegveran-staltungen und einem Werkstattbericht am Kolleg konnte im August 2008 am Lehrstuhl Islamwissenschaft nicht nur ein dreiwöchiger Urdu Intensive Course veranstaltet werden, an dem 18 Studenten aus dem deutschspra-chigen Raum teilnahmen. Auch der erfolgreiche An-vtci" dgko"FCCF" kp"J…jg" xqp" Û" 470222" ¦wt"Fwtejh¯j-rung der 7. International Summer-School (3.-17. August 2008), Muslims in the West, mit Studenten aus dem Iran, aus Malaysia, Indien, Pakistan, Ägypten, Bosnien und Marokko wurde umgesetzt.

Ebenso konnte die Arbeit am BMBF-Verbundprojekt Mobilisierung von Religion in Europa (http://www.uni-erfurt.de/mobilisierung_religion/index.htm) mit großem Erfolg weitergetrieben werden. U. a. konnte die wissen-schaftliche Beschäftigung mit diesem virulenten Thema durch die erfolgreiche Durchführung der Fachkonferenz „Institutionalisierung und Repräsentanz von Religion in Europa“ in Kooperation mit der Konrad-Adenauer Stif-tung, Berlin 18.-20. Juni 2008, sowie weiterer Tagungen gekrönt werden. Die Ringvorlesung des Interdisziplinären Forums Religion mit dem Thema „Mobilisierung von Reli-gion in Europa“ wurde ebenfalls in dem Berichtszeitraum durchgeführt. Die Beiträge erscheinen 2009 im Aschen-dorff Verlag unter der Herausgeberschaft von Jürgen Manemann und mir als Religious Turn. Markierungen im religiösen Feld.

Zahlreiche Beiträge auf verschiedenen Diskussionsfo-ren, Ringvorlesungen, Konferenzen, Zeitschriften, Sam-melbände, auch in Urdu, waren das Ergebnis.

Zudem gelang es, zahlreiche muslimische PhD- Uvwfgpvgp" Ï" okv" itq¦¯ikigt" Uvkrgpfkgpcwuuvcvvwpi"(DAAD; KAAD; Higher Education Commission, Islama-dcf="Jgkptkej/D…nn"Uvkhvwpi+"Ï"h¯t"fcu"Rtqoqvkqpuuvwfkwo"in Erfurt zu gewinnen.

Wichtigste neuere Arbeiten: c+"Kunco"kp"Uqwvj"Cukc"Ï"C"Ujqtv"Jkuvqt{."Ngkfgp<"Dtknn"

2008.b) Madrasas in South Asia. Teaching Terror?, Lon-

don and New York: Routledge 2008, mit einer systemati-sierenden Einleitung und einer Schlussbetrachtung.

e+"äKpvgttgnkik…ugt"Fkcnqi"Ï"gkp"Kpvgitcvkqpuygtm¦gwiAÑ."in: Gritt Klinkhammer, Ayla Satilmis (eds.): Interreli- giöser Dialog auf dem Prüfstand. Kriterien und Standards für die interkulturelle und interreligiöse Kommunikation, Münster: LIT 2008, pp. 141-163.

f+" äOwunkou" kp" vjg"Yguv"Ï"C"Owunko" ãFkcurqtcÓAÑ" kp<"Stefan Schreiner (ed.): Religion and Secular State. Role and Meaning of Religion in a Secular Society from Jewish, Christian, and Muslim Perspectives, Zürich & Sarajevo:

14

PROJEKTE DER FELLOWS

15

European Abrahamic Forum 2008, pp. 147-152.e) „Der Islam in Deutschland im Prozess der Neufor-

mierung“, Bertelsmann Stiftung (ed.): Religion und Bil-dung. Orte, Medien und Experten religiöser Bildung, Gütersloh: Bertelsmann 2008, pp. 98-104.

f) „Schlechte Stimmung vor der dritten Islamkonfe-renz. Muslime haben keinen Papst“, TAZ 24.02.2008, p. 11.

g) „Religion und Staat im Islam“, in: Das Europäische Zentrum für Universitäre Studien der Senioren OWL *gf0+<"Ykuugp"ko"Cnvgt"jcv"¥wmwphv"Ï"Mtgcvkxkv“v"ko"Cnvgt."Bad Meinberg 2008, pp. 46-53.

h) „From the Margin to the Centre: Muslims in Europe“, in: Abdul Rashid Moten & Noraini M. Noor (eds.): Terrorism Democracy: The West & The Muslim World, Singapore: Thomson Learning 2007, pp. 277-290.

i) „Introduction“, in: Ghafer Shahzad: Punjab main

khanqahi kalchar, Lahore: Fiction House 2007, pp. 9-18.

j) „Das islamische System der sozialen Sicherung: Theorie und Praxis“, Saeed Chaudhry et alii. (eds.): 60 Jahre Pakistan. Aufbruch, Errungenschaften und Her-ausforderungen, Bonn, Berlin, Lahore: Ferozsons 2007, pp. 89-99.

m+" äTgnkikqp" kp" fgp" Ogfkgp" Ï" Ogfkgp" fgt" Tgnkikqp0" Diaspora, Medien und Muslime“, Jamal Malik, Jörg Rüp-ke und Theresa Wobbe (eds.): Religion und Medien. Vom Kultbild zum Internetritual, Münster: Aschendorff Verlag 2007, pp. 43-57.

l) „Fadl-e Haqq Khairabadi aur 1857“, Ta´rikh (Lahore) 2007, 35/2, pp. 188-203.

m) „Riwayati tasawwuf ke bhais main awami islam ka adabi muhakimah“, Ta´rikh (Lahore) 2007, 33, pp. 138-168.

Rcqnq"Rtqfk"*2714229"Ï"251422:+."Cduejnwuudgtkejv<Vom 9. Mai 2007 bis 15. März 2008 war ich als Preis-träger der Alexander von Humboldt-Stiftung und Gast von Prof. Dr. Hans Joas, Dekan des Max-Weber-Kollegs, sowie Prof. Dr. Wolfgang Reinhard zu einem Forschungs-aufenthalt am Max-Weber-Kolleg in Erfurt. Die Zeit in Erfurt war für mich und meine Frau Adelaide Nicora, die mich während meines Aufenthalts in Deutschland be-gleitete, nicht nur ein großer wissenschaftlicher, sondern auch ein persönlicher Gewinn. Besonders hervorzuheben ist die wissenschaftlich intensive, kollegiale und ausge-sprochen einladend kreative Atmosphäre des Kollegs. Das Max-Weber-Kolleg ist eine exzellente Forschungs-institution, an der ich optimale Arbeitsbedingungen vor-gefunden habe.

Während meiner Zeit in Erfurt habe ich regelmäßig an den Seminaren, Kolloquien und öffentlichen Vorträgen des Kollegs teilgenommen. Besonders geschätzt habe ich hierbei nicht nur die Diskussionen und den intellektu-ellen Austausch mit meinem Freund Wolfgang Reinhard (Geschichte) und Hans Joas (Soziologie), sondern auch mit den Kollegen aus den Disziplinen der Wirtschaft, Religionswissenschaft, Philosophie, Rechtswissenschaft und Theologie: Bettina Hollstein, Hans Kippenberg u. a. Mein besonderer Dank gilt auch der ausgesprochenen Hilfsbereitschaft und Kompetenz des nicht-wissenschaft-lichen Personals.

Ich habe die Zeit in Erfurt vor allem dazu genutzt, intensiv an meinem Forschungsprojekt „Du sollst nicht uvgjngp"Ï"¥wt"Gpvuvgjwpi"fgu"cdgpfn“pfkuejgp"Octmvgu"zwischen Mittelalter und Neuzeit“ zu arbeiten, so dass ich mein Publikationsvorhaben nahezu vollständig abschlie-ßen konnte. Das Buch ist bereits in Druck und wird im März 2009 erscheinen.

Während meiner wissenschaftlichen Laufbahn habe ich viele Jahre in großen Städten, Bibliotheken und For-schungsinstitutionen gearbeitet, so dass ich zum Ab-schluss meines Berichts einen weiteren Vorteil hervorhe-ben darf: die Überschaubarkeit von Stadt und Universität. Erfurt ist zwar eine Großstadt, hat aber den Vorteil, dass man sich über kurze Wege freuen kann.

So machten die Nähe zur Universität und Bibliothek, die hervorragende Organisation und einladende Atmos-phäre des Kollegs es mir möglich, meine Zeit in Erfurt intensiv für meine Forschungen nutzen zu können.

Im Rahmen meines Aufenthaltes am Max-Weber-

Kolleg habe ich eine Reihe von Vorträgen gehalten (u. a. in Frankfurt/Main, Erfurt und Heiligenstadt) und an Colloquia teilgenommen, wie z. B. vom 14. bis 16. Juni 2007 an der Jahrestagung der Alexander von Humboldt-Stiftung in Berlin, am Kolloquium des Historischen Kol-legs und der Bayerischen Akademie der Wissenschaften in München vom 7. bis 9. November 2007.

Wichtigste neuere Arbeiten:a) Il patto politico come fondamento del costituziona-

lismo europeo, in Le radici storiche dell’Europa. L’età mo-derna, a cura di M.A. Visceglia, Roma 2007, pp. 3-23.

b) (a cura con G. Muzzarelli e S. Simonetta) Identità cittadina e comportamenti socio-economici tra Medioevo ed Età moderna, Bologna, CLUEB 2007, di pp.270. Con-tiene alle pp.11-18 il saggio. P. PRODI, Identità civiche e identità economiche in Italia fra Medioevo ed Età moder-na).

c) La storia d’Europa come rivoluzione permanente, in „Il Mulino“ n. 431 (3/2007), pp.495-503.

d) Riflessioni conclusive:conoscenza del territorio e scienza del governo, in L’Italia dell’Inquisitore. Storia e geografia dell’Italia del Cinquecento nella “Descrittione” di Leandro Alberti (Atti del Convegno internazionale di studi, Bologna 27-29 maggio 2004), Bologna University Press, Bologna 2007, pp. 555-558.

e) Diritto e storia in Giuseppe Dossetti, in Giuseppe Dossetti: la fede e la storia. Studi nel decennale della morte a cura di A. Melloni, Bologna, Il Mulino 2007, pp. 343-363.

f) Non rubare. Il settimo comandamento nella storia dell’Occidente, in „Il Mulino“ n. 434 (6/2007), pp. 963-974.

g) Il cristianesimo nell’età moderna, in Storia del cris-tianesimo. Bilanci e questioni aperte (Atti del seminario per il cinquantesimo del Pontificio Comitato di Scienze storiche, Città del Vaticano 3-4 giugno 2005), Città del Vaticano 2007, pp.52-67.

h) ( a cura) La fiducia secondo i linguaggi del potere, Bologna, Il Mulino 2008, di pp. 413 ( con premessa. pp.9-12).

i) Il mercato come sede di giudizio sul valore delle cose e degli uomini, in La fiducia…(n. 163), pp.157-178.

PROJEKTE DER FELLOWS

Fkgvgt"Vjqo“"*3214229"Ï"2;1422:+."Cduejnwuudgtkejv<"Das akademische Jahr 2007/8 durfte ich als Fellow für Philosophie am Max-Weber-Kolleg verbringen. Bei den fä-cherübergreifenden Diskussionen und beim Austausch über Themen und Forschungsprojekte, mit denen ich mal mehr, mal weniger vertraut war, habe ich außeror-dentlich viel gelernt.

Im Rahmen meines Projekts „Wohlergehen und Wohl-fahrt“ habe ich Beiträge zum Verhältnis zwischen indi-viduellem Wohlergehen und staatlicher Wohlfahrt, zum Stellenwert sozialer Beziehungen für individuelles Glück sowie zur Entflechtung der Diskurse um „happiness“ und „welfare“ im 18. Jahrhundert verfasst; diese Beiträge ste-hen im Zusammenhang mit der Herausgabe eines um-fangreichen interdisziplinären Handbuchs zum „Glück“, mit der ich auch noch in der nächsten Zeit befasst sein werde (siehe „Wichtigste neuere Arbeiten“).

Zugleich hat sich während der Arbeit an diesen Fra-gen ein Thema in den Vordergrund geschoben, das im Titel der Projektskizze für das Max-Weber-Kolleg durch die Wendung „mit besonderer Berücksichtigung der Rolle der Familie“ angedeutet war. Wiederum stieß ich hier auf eine Doppelperspektive, wonach die Familie einerseits aus Sicht der Sozial- und Rentenpolitik, also mit Blick auf staatliche Wohlfahrt, eine Schlüsselstellung ein-nimmt und andererseits als Kontext gefragt ist, auf den das Individuum um dessen Wohlergehen willen bezogen ist. Diese Fragestellung hat sich im Laufe der Arbeit am Max-Weber-Kolleg stärker in den Vordergrund gescho-ben. Deren Ergebnis liegt inzwischen in Gestalt eines Buches und einiger Aufsätze vor, in denen die Dynamik moderner Gesellschaften in ihrer politisch-privaten Dop-pelperspektive anhand der Figur des „Vaters“ rekonstru-iert wird (siehe „Wichtigste neuere Arbeiten“).

Im Mittelpunkt dieser Betrachtung steht einerseits die Demontage des politischen Patriarchen in der frühen Neuzeit und ihre Konsequenzen, andererseits die Krise des privaten Patriarchen und dessen verschiedene Fol-gefiguren. Besonders aufschlussreich sind in diesem Zusammenhang die verschiedenen Krisen des sogenann-ten „Generationenspiels“ vom 18. Jahrhundert bis zur Gegenwart, die bevölkerungspolitischen Kontroversen um den Geburtenrückgang, die in verblüffend ähnlicher Form um 1900 wie auch in der Gegenwart ausgefochten

werden, sowie die Frage, wie die Lebensform der Familie in der Perspektive des modernen Individuums wahrge-nommen und beurteilt wird und inwieweit sie aus der Logik der Nutzenmaximierung ausbricht.

Wichtigste neuere Arbeiten:a) Väter. Eine moderne Heldengeschichte. Hanser,

München 2008 (2. Aufl. 2008). b) (mit Christoph Henning und Olivia Mitscherlich)

Glück. Ein interdisziplinäres Handbuch. Metzler, Stutt-gart (in Vorb. für 2009).

c) Philosophische Spiegelungen Europas. In: Friedrich Jaeger/Hans Joas (Hg.): Europa im Spiegel der Kulturwis-senschaften. Nomos, Baden-Baden 2008, S. 299-322.

d) Autorität und Familie in der Gegenwart. In: Rein-hard Voß (Hg.): Autorität und Gewaltprävention. Erfolg durch Erziehungspartnerschaft von Schule und Familie. Carl Auer Verlag, Heidelberg 2008, S. 38-55.

e) „...will ohne Meister selig sein“. Die inneren Span-nungen des Gesamtkunstwerks bei Richard Wagner und Sergej Eisenstein. In: Robert Sollich/Clemens Risi/Se-bastian Reus/Stefan Jöris (Hg.): Angst vor der Zerstö-rung. Verlag Theater der Zeit, Berlin 2008. S. 125-138.

f) Sprung im Kristall. Zu einem Motiv bei Dostojewskij und Wittgenstein. In: Felix Philipp Ingold/Yvette Sanchez (Hg.): Fehler im System. Wallstein, Göttingen 2008, S. 265-280.

g) Lebenskunst zwischen Könnerschaft und Ästhetik. Kritische Anmerkungen. In: Wolfgang Kersting und Claus Langbehn (Hg.): Kritik der Lebenskunst. Suhrkamp Ver-lag, Frankfurt am Main 2007, S. 237-260.

h) Verlorene Passion, wiedergefundene Passion. Arendts Anthropologie und Adornos Theorie des Subjekts. In: Deutsche Zeitschrift für Philosophie 55, 4/2007, S. 627-647.

i) Vom Nutzen und Nachteil der Erzählung für das Le-ben. In: Karen Joisten (Hg.): Narrative Ethik. Das Gute und das Böse erzählen. Akademie Verlag, Berlin 2007, S. 75-93.

j) Väter in vaterloser Welt? Anmerkungen im Ausgang von Adam Smith und Sigmund Freud. In: Westend, Neue Zeitschrift für Sozialforschung, 1/2007, S. 102-112.

Ucumkc"Ygpfgn"*3214229"Ï"2;1422:+."Cduejnwuudgtkejv<Ich habe während meines Aufenthalts am Max-Weber-Kolleg an zwei Forschungsprojekten gearbeitet: 1) Homo Religiosus? Zur Verhältnisbestimmung von Religiosität und Selbstbewusstsein; 2) Inkarniertes Subjekt. Grund-züge theologischer Anthropologie. Zu beiden Projekten ist die Abfassung einer Monographie geplant; für die Mono-graphie des ersten Projekts liegt bereits eine detaillierte Gliederung vor.

Ich habe im Berichtszeitraum ausführlicher am ers-ten Projekt gearbeitet. Neben der Einleitung sind 3 von 6 geplanten Kapiteln der Monographie erstellt worden, zu den weiteren Kapiteln existieren bereits ausführliche Vorarbeiten. In der Einleitung werden die zentralen For-schungsfragen vorgestellt: die Frage nach der Möglich-keitsbedingung des Aufkommens von Religion sowie die Frage nach der Möglichkeit der Unterscheidung von Re-ligion und Nichtreligion bzw. nach der Qualifizierung re-

ligiöser Phänomene als genuin religiöse Phänomene. Im ersten Kapitel wird dann unter dem Titel „Selbstbewusst-ugkp" Ï" fcu" Ykuugp" wo" okejÑ" fcu" Dgywuuvugkpu/" wpf"Freiheitsverständnis erläutert, welches der folgenden Bestimmung von Religiosität zugrunde liegt. Diese Be-stimmung folgt zum einen präreflexiven Bewusstseins-theorien (Sartre, Henrich, Frank, Pothast, Reininger) und zum anderen transzendentalen Freiheitstheorien (Kant, Fichte, Krings). Dabei werden auch die zentralen Einwände gegen diese Bewusstseins- und Freiheitstheo-rien diskutiert. Abschließend wird verdeutlicht, inwie-fern der zugrunde gelegte Bewusstseinsbegriff ‚am Leit-faden des Leibes‘ durchbuchstabiert werden kann; hier spielen insbesondere phänomenologische Zugänge zum Phänomen der Leiblichkeit eine wichtige Rolle (Husserl, Merleau-Ponty, Schmitz, Waldenfels), die dann subjekt-philosophisch reformuliert werden. Das zweite Kapitel

16

PROJEKTE DER FELLOWS

17

widmet sich der Darlegung des aus dem Selbstbewusst-sein entspringenden Gefühls der Verdanktheit (Henrich) bzw. „schlechthinnigen Abhängigkeit“ (Schleiermacher), wobei hier die Kennzeichnung des im Selbstbewusstsein schon gegebenen Kontingenzerlebens im Zentrum steht. Dieses Erleben wiederum wird mit der Selbsttranszen-dierung des Daseins verbunden. Zugleich wird verdeut-licht, worin sich die hier vorgelegte Bestimmung des Ver-danktheitsgefühls sowohl von Schleiermachers als auch Henrichs Konzeptionen unterscheidet und wie damit ein eigener Ansatz verfolgt wird (z. B. Abgrenzung von der Kennzeichnung des Verdanktheitsgefühls als „Gottesbe-wusstsein“, Verhältnisbestimmung Abhängigkeits- und Freiheitsgefühl). Im dritten Kapitel wird das zunächst noch unspezifische und unthematische Verdanktheitsge-fühl durch den Bezug auf den Begriff des Unbedingten als religiöses Gefühl qualifiziert. Dabei wird der Begriff des Unbedingten bestimmt und sowohl vom Begriff des Unendlichen wie auch von demjenigen der Transzendenz unterschieden. So erfolgt die Bestimmung von Religiosi-tät als Gefühl der Verdanktheit von einem Unbedingten, das im Selbstbewusstsein aufkommt. In den weiteren Kapiteln sollen dann Überlegungen zum epistemischen Status des religiösen Gefühls (Wissen oder Glaube?) und zu dessen Unterscheidung von religiöser Erfahrung, zur Verhältnisbestimmung von Religiosität und „Freiheitsge-fühl“ und zur Freiheit des Glaubensaktes sowie schließ-lich zum Verhältnis von Religiosität und Leiblichkeit fol-gen.

Hinsichtlich des zweiten Forschungsprojektes wurden parallel zum ersten Projekt und hier teilweise in Verbin-dung mit der Arbeit am ersten Kapitel des ersten Pro-jektes Bestimmungen von Selbstbewusstsein, Freiheit und Leiblichkeit vorgenommen, denn diese Bestimmun-gen dienen als Grundlage zu einem modernen Zugang zum theologischen Verständnis des Menschen bzw. be-wussten Lebens als Bild Gottes. Gerade in seiner Sub-jektivität und seiner Freiheit, die bewusstes Leben qua Selbstbewusstsein auszeichnet, kann es nämlich als imago Dei bestimmt werden. Dies setzt allerdings Überle-gungen zum Gottesverständnis voraus, in denen Gott als unbedingte Subjekt-Person sowie als unbedingte Freiheit gekennzeichnet wird. Auch diese Bestimmungen liegen vor. In diesem Zusammenhang wurde auch die christ-liche Überzeugung von der Erlösungsbedürftigkeit des Menschen freiheitstheoretisch hergeleitet, und dies u. a.

im Rückgriff auf Überlegungen Søren Kierkegaards zur Kennzeichnung des Daseins als „Krankheit zum Tode“. Damit sind zentrale Teile der anvisierten Monographie er-stellt bzw. in ihren Grundlinien formuliert.

Während meiner Zeit am Max-Weber-Kolleg nahm ich an den Kolloquien, Tagungen und Vorträgen teil, die in der Zeit der Fellowship stattfanden, und präsentierte einen Werkstattbericht zu meinem Projekt „Homo Religio-sus“. Ansonsten führte ich Gespräche mit verschiedenen Doktoranden und Habilitanden des Max-Weber-Kollegs und der Philosophischen Fakultät hinsichtlich ihrer Ha-bilitations- bzw. Promotionsprojekte.

Wichtigste neuere Arbeiten:a) Extremistenbeschluss für Gläubige? Kleine Polemik

gegen fundamentalistische Nichtgläubige. In: Herderkor-respondenz 62 (2008), 7. 359-364.

b) Die Fetischisierung des schönen Körpers. Kritische Bemerkungen zu gegenwärtigen Körperpraxen. In: IKZ Communio 37 (2008). 335-345.

c) Ist die Bibel wahr? Erscheint in: Bibel und Liturgie 6/2008.

d) Der Johannesprolog. Eine Annäherung aus syste-matisch-theologischer Perspektive. Erscheint in: Bibel und Liturgie Sondernummer Dezember 2008.

e) „Nichtsprechendes Sprechen über Transzendenz“: Lyotard - Derrida - Levinas. In: Werner Schüßler (Hg.): Wie lässt sich über Gott sprechen? Von der negativen Theologie Plotins bis zum religiösen Sprachspiel Wittgen-steins. Darmstadt: Wissenschaftliche Buchgesellschaft 2008. 271-284.

f) Zum Zusammenspiel von systematischer und prak-tischer Theologie. Ein Impuls für theologisches Nach-Den-ken. In: Klaus Hagedorn (Hg.): Biotope der Ermutigung. 25 Jahre Hochschulpastoral in Oldenburg. Oldenburg: BIS-Verlag der Universität Oldenburg 2008. 389-396.

g) Gott im Grund der Seele. Meister Eckhart und der Beginn der Mystik. In: Ralf K. Wüstenberg (Hg.): „Nimm und lies!“ Theologische Quereinstiege für Neugierige. Gütersloh: Gütersloher Verlagshaus 2008. 98-109.

h) Der „Patchwork-Gott“. Das christliche Gottesver-ständnis angesichts der Renaissance des Religiösen. In: Severin J. Lederhilger (Hg.): Die Marke „Gott“ zwischen Bedeutungslosigkeit und Lebensinhalt. Frankfurt am Main: Peter-Lang-Verlag 2008. 99-114.

Winfried Brugger, Theo Kobusch und Saskia Wendel (v.l.n.r.)

PROJEKTE DER KOLLEGIATEN

Neue Projekte der Postdoktoranden

Dr. Dominik Fugger: Geschichtsschreibung als Gegenwartsbewälti-gung. Der Weg des Literaten Ferdinand Gregorovius (1821-1891) zur Geschichte

Das Vorhaben beschäftigt sich mit der Ablösung der Religion als Deutungs-macht und der Übernahme dieser Funktion durch die Geschichtswissenschaft im 19. Jahrhundert und untersucht dazu den „Weg zur Geschichte“ des Li-teraten und Historikers Ferdinand Gregorovius *3:43Ï3:;3+0" Cnu" Jkuvqtk-ker setzte sich Gregorovius mit der Geschichte Roms und Athens im Mittelalter auseinander und verfasste zu beiden Städten monu-mentale Geschichtswerke. Daneben entwickelte er mit den „Wanderjahren in Italien“ eine eigene litera-rische Form, nämlich die der historischen Reiseli-teratur. Obwohl er auch heute noch als populärer

historischer Autor präsent ist und seine Hauptwerke seit Erscheinen ununterbrochen von wissenschaftlichen Pu-blikumsverlagen vorrätig gehalten werden, gehört Gre-gorovius zu den wenig erforschten Geschichtsschreibern seiner Zeit. Das mag auch daran liegen, dass er sich selbst dezidiert nicht als Angehöriger des zünftigen Wis-senschaftsbetriebs begriff und sich damit eine wissen-schaftssoziologisch begründete Außenseiterposition bis auf den heutigen Tag fortschreibt. Doch gerade das his-toriographische Lebenswerk von Gregorovius lässt sich als epochentypisches Beispiel für die Suche nach Versi-cherung der eigenen Existenz und ihrer Bedeutsamkeit angesichts brüchig gewordener religiöser Sicherheiten deuten.

Im Zentrum der Studie stehen demzufolge Gregorovi-us’ Abschied von der Theologie und seine Hinwendung zur literarischen Ästhetik und zur Kulturgeschichts-schreibung. Die Untersuchung bezieht sich auf die Zeit zwischen 1838 und 1852, die Gregorovius in Königsberg verbrachte. Zum Studium der protestantischen Theolo-gie dorthin gelangt, erlebte er im liberalen akademischen Milieu der Stadt die radikalen Umbrüche dieser Zeit: die Erschütterung, die das Vordringen der Kritischen Theo-logie mit sich brachte und die für Gregorovius den Ab-fall vom Glauben zur Folge hatte, und das Scheitern der Revolution, für die er sich prominent engagiert hatte.

31 Jahre alt, brach Gregorovius 1852 nach Italien auf und folgte dabei einem aus Erfolglosigkeit und Depres-sion gespeisten Fluchtimpuls, geprägt von religiöser Des-illusionierung und ideeller Enttäuschung. Im Bemühen um ein neues Wirkungsfeld fand er zur Geschichte, wobei er allerdings ausdrücklich auf seinem Selbstverständnis als Literat beharrte. Reiseschriftstellerei und Geschichts-schreibung begriff Gregorovius dabei als zwei literarische Gattungen, die sich nur durch die Wahl des „Stoffes“ und einer sich damit verbindenden Methode unterschieden, nicht jedoch in ideeller oder professioneller Hinsicht. Dementsprechend verstand er sich selbst als Literat, der sich historischen Stoffen nur als einer Themengruppe unter anderen zuwandte, und sah sich damit in der Tra-dition der Weimarer Klassik, die noch selbstverständlich von einem derart erweiterten Literaturbegriff ausgegan-gen war. Mit einer gleichsam künstlerischen Lebensform verband sich für Gregorovius eine Absage an den Wis-senschaftsbetrieb, und er lehnte in späteren Jahren Pro-fessuren mit der Begründung ab, dass er sich „nur als einen Schriftsteller betrachte, welcher historische Stu-dien betreibe, ohne einen praktischen Lebensberuf damit zu verbinden, wie viele englische Historiker“. Zum einen wandte sich Gregorovius also wie so viele andere seiner Zeitgenossen der Geschichte als Stoff zu und tat dies mit dem Anspruch, das kritische Handwerk voll zu beherr-schen. Zum anderen verweigerte er sich einer Entwick-lung, die sich in Deutschland mit Macht Bahn brach und als eines der äußeren Charakteristika des Historismus angesehen wird: Der intellektuelle Zufluss, den die His-toriographie erfuhr, führte zur Ausbildung eines eigenen Hcejdgywuuvugkpu" Ï" ¦wo"Dgtwhujkuvqtkmgt" Ï" wpf" fcokv"zum Ausscheiden der Geschichtswissenschaft aus dem großen Bereich der „schönen Literatur“.

Das Projekt zielt damit darauf ab, Gregorovius’ „Weg zur Geschichte“ nachzuzeichnen und dabei insbesondere die Wechselwirkungen zu untersuchen, die eine kompen-sierte Religiosität sowie die sich dem eigenen Verände-rungswillen gegenüber resistent erweisende gesellschaft-liche Ordnung auf dessen historiographisches Schaffen ausübten. Methodisch stützt er sich auf einen wissen-schaftsgeschichtlichen Ansatz, der (Geschichts-)Wissen-schaft als kulturelle Praxis in wechselseitiger Bezogen-heit von Theorie, (wissenschaftlichem) Lebensalltag und medialer Vermittlung begreift. Leitfragen betreffen den Verlust der religiösen Sinn- und Orientierungsinstanz „Protestantismus“, die Rolle der Ästhetik für Gregorovius sowie die Wurzeln seiner dezidiert kulturgeschichtlichen Prägung. Mit Blick auf die Königsberger Jahre sollen zu-dem Gregorovius’ Umfeld sowie sein umfangreiches pu-blizistisches Werk analysiert werden.

Dominik Fugger, seit Sep-tember 2008 als Postdok-torand am Kolleg, zunächst mit einem Stipendium des Max-Weber-Kollegs, ab Ja- nuar 2009 mit einem Stipendium der Gerda Hen-kel Stiftung.

Dr. Annette Hupfloher: Handlungsspielräume und Erlebniswelten von Individuen im Kontext der „Polisreligionen“ GriechenlandsDas in der altertumswissenschaftlichen Forschung weit- hin akzeptierte Konzept der „Polisreligion“ betont die

18

PROJEKTE DER KOLLEGIATEN

Funktion der antiken griechischen Polis als Personenver-band; mit ihrem alles umfassenden Anspruch auf Rege-lung der Lebensführung ihrer Mitglieder tendierte sie zur Normierung auch der religiösen Praxis. Neben dieser nor-mierenden Tendenz sind aber eigenständige und nicht durch die Polisgemeinschaft vermittelte Aktionsformen Einzelner in der Überlieferung durchaus erkennbar, nicht zuletzt im Spiegel von Platons Polemik gegen Kult-stätten in Privathäusern, nicht poliskonforme Kultadres-saten und gegen Riten, die der Polisgemeinde insgesamt als schadensverdächtig erschienen.

Die Forschungsvorhaben richten sich auf zwei The-menbereiche, in denen die Aktivitäten von Individuen in der Überlieferung antiker polytheistischer Systeme beson-ders gut fassbar sind, aber bisher nicht intensiv erforscht wurden: Handlungsspielräume und Erlebniswelten von Individuen. Die Überlieferungslage zu beiden Bereichen ist schon für die klassische Zeit in Griechenland gut; in hellenistischer Zeit und in der römischen Kaiserzeit nehmen die Zeugnisse (antike Literatur, Inschriften und archäologische Zeugnisse) zu und zeigen zum Teil sogar eine autobiographische Perspektive.

Die Analyse dieses Materials zielt darauf, das Konzept

der „Polisreligion“ durch zusätzliche Perspektiven zu hinterfragen, zu mo-difizieren und nach Mög-lichkeit eine alternative Beschreibung der Relation zwischen Polis und Indivi-duum zu erarbeiten. Die Analyse erfolgt mit histo-rischen und kulturwis-senschaftlichen Methoden (Text- und Kontextanalyse; Ikonologie) und mit verglei-chenden Ansätzen, was die Ausarbeitung von Ähnlich-keiten und Unterschieden in Hinblick auf rezente und zeitgenössische religiöse Praktiken angeht. In die-sem Punkt ist sie angewie-sen auf den Austausch mit Wissenschaftlern verwand-ter Disziplinen.

Cppgvvg" Jwràqjgt." ugkv"Oktober 2008 als wissen-schaftliche Mitarbeiterin der Kollegforschergruppe „Religiöse Individualisie-rung in historischer Per-spektive“ (KFG), gefördert von der DFG, am Kolleg.

Ft0"Ctpg"Oqtkv¦<"Fgt"igtgejvg"Rtgku"Ï"pgwgtg"Iguejkejvg"wpf"u{uvgocvk-sche Bedeutung für die politische Philosophie der Gegenwart

Als wissenschaftlicher Mit- arbeiter am Seminar für Philosophie der Martin-Luther-Universität Halle- Wittenberg und als Gast-Postdoktorand am Max-Weber-Kolleg beschäftige ich mich mit dem Konzept des „gerechten Preises“. Dieses ist bislang überwie-gend historisch erforscht worden, mit einem zeit-lichen Schwerpunkt auf Theorien des Mittelalters, seltener der Antike und der frühen Neuzeit. Das Thema ist indessen von bleibender Relevanz, wie jüngste Dis-kussionen um Einkom-

mensgerechtigkeit, Fair Trade und die Internalisierung ökologischer Kosten zeigen. Dieser Kontinuität entspricht

eine bisher unbeachtete neuere Geschichte des Konzeptes in Theologie, Ökonomie und Philosophie der Moderne, welche im Rahmen des Projektes historisch rekonstru-iert und dabei in ihrer systematischen Bedeutung für die politische Philosophie der Gegenwart erschlossen wer-den soll. Die konstruktive Bearbeitung des Themas als Teil einer zeitgenössischen politischen Philosophie ist die zweite Säule des Projektes. Dabei wird die Vernachlässi-gung von Problemen der Preisgerechtigkeit innerhalb ein-flussreicher philosophischer Gerechtigkeitskonzeptionen der Gegenwart kritisch untersucht werden. Letztlich soll das Projekt jedoch zur Formulierung einer positiven The-orie derjenigen Anforderungen an die soziale Institution des Preises führen, welche aus einem geeigneten Gerech-tigkeitsbegriff folgen. Dies wird metatheoretische Über-legungen zur holistischen bzw. pluralistischen Struktur des entsprechenden Gerechtigkeitsbegriffs ebenso um-fassen wie institutionelle Überlegungen dazu, wie der so verstandenen Forderung nach Preisgerechtigkeit in re-alen Gesellschaften entsprochen werden kann.

Arne Moritz, seit Oktober 2008 als Gast-Postdokto-rand am Kolleg.

19

Dr. des Patrick Wöhrle: Ambivalente Inklusionen des Monströsen. Eine Fallstudie zur komplexen moralischen Grammatik der ModerneDas Forschungsvorhaben verfolgt das Ziel, mit Blick auf einen empirischen, zunächst vielleicht abseitig erschei-nenden, „kleinen“ Gegenstand die „große“ Frage nach dem integrativen bzw. inklusiven Zug der Moderne auf eine neue Weise zu stellen und exemplarisch zu verdich-ten. Dieser „kleine“ Gegenstand soll zunächst wenig mehr sein als das sich seit dem Beginn des 17. Jahrhunderts im europäischen Raum ankündigende Unbehagen, stark missgebildete Menschen als Monster zu qualifizieren. Komplexer allerdings erscheint dieser Gegenstand bereits, wenn man nach den Gründen dieses Unbehagens sucht, denn aus modernitätsdiagnostischer Perspektive nahe-

liegende Vermutungen erweisen sich zumindest in mono-kausaler Zuspitzung als zu kurz greifend. Weder handelt es sich bei diesem Unbehagen um ein genuin moralisch motiviertes, wie es einer aufklärerisch-geltungstheore-tisch geprägten Lesart entsprechen würde, noch ist es erschöpfend am Leitfaden einer an Foucault geschulten Wissens(chafts)soziologie zu verhandeln. Vielmehr handelt es sich bei dem, was hier als „Inklusion des Monströsen“ analysiert werden soll, um naturwissenschaftlich-episte-mologische, religiös-theologische, politisch-institutionelle und teils gar ästhetische Wandlungsprozesse zugleich, wie bereits ein Blick in Michel de Montaignes „Essay über

PROJEKTE DER KOLLEGIATEN

20

ein mißgeborenes Kind“ verdeutlichen kann. Bei ihm verbindet sich schon Ende des 16. Jahrhunderts eine an Augustinus oder Leibniz erinnernde Dezen-trierung des menschlichen Erkenntn isve rmögens auf eigenwillige Weise mit einer Ästhetisierung der Natur, einer experimen-tellen Neugierhaltung und den Ansätzen eines moder-nen Wissenschaftsethos:

„Was wir Mißgeburten nennen, sind für Gott kei-ne, da er in der Unermeß-lichkeit seiner Schöpfung all die zahllosen Formen sieht, die er darin aufgenommen hat. […] Darüber, was man

häufig sieht, wundert man sich selbst dann nicht, wenn einem seine Ursache unbekannt ist. Geschieht aber etwas, das man nie zuvor gesehen hat, hält man es für ein Wunder. Was wider die Gewohnheit geschieht, nen-nen wir wider die Natur. […] Laßt uns an Hand ihrer universalen Vernunft die abwegige Verblüffung abschüt-teln, die uns bei ungewohnten Erscheinungen jedesmal überkommt.“ (Michel de Montaigne: Essais. Hrsg. v. Hans Stilett. Zweites Buch. Frankfurt 1998, S. 252-253.)

Mit Blick auf diese sich hier andeutende mehrdi-mensionale „Inklusion des Monströsen“ will das Projekt durch eine Verschränkung von wissenssoziologischer, begriffs- bzw. wissenschaftsgeschichtlicher, moralgene-tischer und diachron-vergleichender Untersuchungs- ebene die historische Quellen- und Motivvielfalt der Emo-vkqpcnkv“v"gtuejnkggp."okv"fgt"jgwvg"Ï"ogjt"cnu"422"Lcj-tg"ur“vgt"Ï"cwh"fkg"Rncpurkgng"gkpgt"änkdgtcngp"GwigpkmÑ."auf die „präferenzutilitaristische“ Ethik Peter Singers oder auf eine weitere Verwendung der Monster-Metapher reagiert wird. Dem Nachweis dieser Motivvielfalt und In-terdependenz wird auch deswegen besondere Aufmerk-samkeit gewidmet, weil sich an ihn methodologische und sozialtheoretische Konsequenzen anschließen, die eng mit der „Kommunikationsblockade“ zwischen wissen-schaftsgeschichtlich-diskursanalytischer und textherme-neutisch-wertrekonstruktiver Herangehensweise zu tun jcdgp<"Fkumwtucpcn{ug"mcpp" ¦yct" Ï" uq"fkg"ogvjqfkuej"tgngxcpvg"Cwuicpiuvjgug"Ï"ygtvxqnng"Jkpygkug"fctcwh"nkg-fern, wie „Sagbarkeiten“ als Dispositive wissenschaftlich und experimentell hervorgebracht werden und wie diese Sagbarkeiten mit gesellschaftlichen Machteffekten ein-hergehen, aber sie hat wenig darüber mitzuteilen, worin die eigentliche Anziehungskraft dieses neu Sagbaren be-stehen könnte und wie die moralische Zurechnung bzw. die subjektiven Wertevidenzen, von denen die angespro-chene Emotionalität heutiger Debatten unverkennbar zeugt, überhaupt zustande gekommen sind. Für die hier im Vordergrund stehende Fallstudie kommt diese metho-dologische Vorannahme dadurch zum Tragen, dass die „Inklusion des MonströsenÑ" Ï" u{pejtqp"wpf"fkcejtqp" Ï"ebenso anhand geistesgeschichtlicher, moralischer, theo-logischer und ästhetischer Reflexion nachzuweisen bleibt wie anhand wissenschaftlich-experimenteller Praktiken,

institutionell-politischer Arrangements, signifikanter Be-griffsverschiebungen und anhand eines veränderten Ver-hältnisses zur Natur bzw. zum menschlichen Körper.

Wie daraufhin der zweite Untersuchungsschritt zei-gen soll, ist mit der Emergenz dieser Inklusionsebenen allerdings nicht die Annahme eines bruchlosen Para-digmenwechsels von einer mythologischen Überhöhung des Monströsen zu einem aufgeklärten Verständnis von Behinderung verbunden, und der Begriff der „Inklusion“ wird auch deshalb zunächst in einem normativ neutralen Sinne verwendet werden müssen. Er soll nicht mehr be-deuten als die Eingliederung eines ehemals als wider-natürlich, ungestaltet oder teuflisch-dämonisch Quali-fizierten in ein semantisch erweitertes Verständnis von natürlicher Ordnung, ästhetischer Regelförmigkeit oder göttlichem Schöpfungsplan und kennzeichnet in diesem Sinne die Grenzverschiebung einer Innen-Außen-Unter-scheidung, die im weiteren historischen Verlauf beson-ders eine durchaus ambivalente Eigendynamik hervor-bringt bzw. verstärkt. Im Gefolge Darwins nämlich ist gu"igtcfg"fkg"Ï"cwhigmn“tvg"wpf"äkpmnwukxgÑ"Ï"Naturalisie-rung des Monströsen, die ein Dispositiv für eugenische und euthanasische Praktiken schafft: Die konsequente Prozessualisierung des Lebensbegriffs führt dazu, einen neuen Gegensatz zwischen „stehengebliebener“ und „zum Ziel gelangter“ Natur zu konstruieren, und die diagnos-tische Möglichkeit, Entwicklungsstadien und vor allem Entwicklungshemmungen vergleichend zu klassifizieren, lässt die Frage nach der künstlich-selektiven Steuerung dieser Prozesse auftreten. An die Stelle des Widernatür-lichen tritt dann das natürlich Zurückgebliebene und Gehemmte, und zum ethischen Maßstab wird eine ordinale Skalierung von Fähigkeits-, Empfindungs- oder Bewusstseinsniveaus, die sich wiederum an Stei- gerungs- und Überbietungsoptionen von „Leben“ orien-tiert.

Im dritten und abschließenden Teil soll in konzen-trierten Einzelstudien belegt werden, dass die verschie-denen historischen Dimensionen der herausgearbeiteten „Inklusion des Monströsen“ noch die heutigen Debatten um eine mehr oder minder „liberale“ Eugenik, um den „Präferenzutilitarismus“ Peter Singers oder um einen adäquaten Begriff von „Behinderung“ entscheidend prägen. Weil die Ergebnisse voraussichtlich weder dazu Anlass geben, bündig von einer Quelle der „Inklusion“ auszugehen, an die sich problemlos eine humanistische Fortschrittserzählung anschließen ließe, noch dazu, alle Motive der „Inklusion“ zum Gegenstand einer generali-sierten Vernunft- und Wissenschaftsskepsis zu machen, wird sich diese Fragestellung darauf konzentrieren, wie die herausgearbeitete und keineswegs unproblematische Motivvielfalt der Inklusionsebenen überhaupt moralisier-bar wird bzw. wie sie in moralische Zuschreibungen um-schlagen kann. Eine in diesem Sinne „moralgenetische“ Fragestellung wird sich zum einen daran interessiert zei-gen, welche spezifischen Erfahrungen es sind, die aus einem zuvor in weiten Teilen wissenschaftlich codierten Diskurs überhaupt einen moralisch codierten machten und machen. Zum anderen wird genauer zu betrach-ten sein, inwiefern aktuelle Wertkonflikte teils als in das „kollektive Gedächtnis“ diffundierte Transformationen und teils als markante Verschiebungen derjenigen Be-gründungsfiguren und Wissensbestände betrachtet wer-den können, die auf die zuvor herausgearbeiteten „Inklu- sionen des Monströsen“ zurückverweisen.

Patrick Wöhrle, seit Okto-ber 2008 als wissenschaft-licher Mitarbeiter am Kol-leg.

PROJEKTE DER KOLLEGIATEN

Die Frage nach den Ursa-chen und Wirkungen von Vertrauen eröffnet einen Weg, der über ein ratio-nalistisches Konzept so-zialer Ordnung hinaus-führt. Allerdings folgt ein Großteil der einschlägigen Forschung immer noch einer Theorie rationalen Handelns und verweist auf situationsbezogene Nut- zenerwartungen. Weiter führen Konzepte, die Ver-trauen als wesentlich präreflexiv begreifen, sowie Versuche, die emotionale Dimension von Vertrauen herauszuarbeiten (klas-sisch: W. James’ Konzept des faith state). Wie so ein Vertrauen sozial entsteht, ist aber noch weithin un-

klar. Das Projekt, das als Fallstudie in theoretischer Ab-sicht angelegt ist, knüpft hier u. a. an Durkheims Ritual-theorie an, die in der Forschung über Vertrauen bisher kaum Verwendung fand; es nutzt auch die Ergebnisse der neueren Soziologie der Emotionen und soll diese Dis-kussion seinerseits weiterbringen.

Die Forschung zum Vertrauen konzentriert sich meist auf Fälle, in denen das zu beobachtende Vertrauen im Nachhinein durch einen mehrheitlich eintretenden Erfolg gerechtfertigt erscheint. Das fördert unter der Hand eine Rückkehr zu Erklärungen, die Vertrauen letztlich doch auf eine begründete Erwartung des dann eingetretenen Erfolgs zurückführen. Das vorliegende Projekt betrachtet dagegen einen Fall, in dem kein Erfolg eintritt, um da-mit einen Zugang zu den Mechanismen zu gewinnen, die auch in anderen Fällen den Glauben erhalten, dass es schon irgendwie weitergehen wird.

Von den etwa 520 000 deutschen Bürgern, die nach dem Wahlsieg der NSDAP auf die Kategorie ‚Jude‘ fest-gelegt wurden, sind etwa 285 000 nicht geflohen. Viele haben sich gegen eine Flucht entschieden, als ihnen diese Möglichkeit noch offen stand. Dabei konnten sie zwar nicht mit dem Massenmord rechnen; neuere Arbei-ten von Historikern belegen aber ein hohes Maß alltäg-licher Angriffe längst vor dem November 1938. Das zeigt, dass hier ein hoch erklärungsbedürftiges Vertrauen vor-lag. Für die Stabilisierung dieses Vertrauens scheinen kollektive Riten eine wichtige Rolle gespielt zu haben. Einerseits solche, die (wie die „Kulturbund“-Theaterauf- führungen) die Zugehörigkeit zum ‚Deutschtum‘ bekräf- tigen und so Vertrauen erzeugen, indem sie einer Selbst-kategorisierung Evidenz verleihen, die bestimmte Denk-möglichkeiten nahe legt und andere ausschließt. Anderer-seits Riten, die jene reaktive Selbstethnisierung stützen, mit der ein Teil der jüdischen Deutschen bereits während des Ersten Weltkriegs beginnt, die sich aber in Reaktion auf die nationalsozialistische Politik noch verstärkt. Ein für beide Varianten einer derartigen Innenstabilisierung

wichtiger Ort sind Familien, in denen an der Normalisie-rung der Situation gearbeitet wird. Bei allen diesen Riten dürfte eine aktive ‚Emotionsarbeit‘ eine wichtige Rolle ge- spielt haben; ein Teil des auftretenden Vertrauens könnte durch einen Rückwirkungseffekt der Emotionsarbeit zu erklären sein, die für den Vollzug dieser Riten notwen-dig wurde. Ein weiterer wichtiger Typ alltäglicher Riten besteht in der ‚Interaktion‘ mit Artefakten, die wie eine Form der Selbsterhaltung wirkt (so lange man mit diesen Objekten umgeht, ist man trotz allem noch der, der man vorher war) und dadurch auch den allgemeinen Eindruck uv¯v¦v." fcuu" gu" ygkvgtigjgp" yktf0" Ï" Fcu" ukpf" cdgt" pwt"vorläufige Vermutungen; es geht nicht um einen Hypo-thesentest, sondern um eine explorative Fallstudie.

Als Quellen dienen Tagebücher und Briefe von An-gehörigen derjenigen ressourcenstarken Gruppe, die tatsächlich die Möglichkeit gehabt hätte zu fliehen. Ge-fragt wird zunächst: Wie reagieren die Betroffenen auf die einzelnen Wendepunkte der Verfolgungsgeschichte? Wie kommt jeweils der Schluss zustande, dass sich die Situation noch nicht eigentlich zum Schlimmsten ge-ycpfv"jcvA"Fkg"Cwuygtvwpi"iguejkgjv"okv"fgt" Ï"dkujgt"¦wt" Hqtuejwpi" ¯dgt" Xgtvtcwgp" mcwo" igpwv¦vgp" Ï" Og-thode der hermeneutischen Sequenzanalyse; das Projekt sucht also nicht nur nach expliziten Bekundungen von Vertrauen oder Misstrauen, sondern fragt, ob und wie ein fundierendes Vertrauen in diesen Berichten zum Aus-druck kommt. (Je größer das Gewicht des präreflexiven Moments im Vertrauen, desto weniger sinnvoll ist die Me-thode der standardisierten Befragung, auf die sich der größte Teil der empirischen Forschung zum Vertrauen nach wie vor verlässt.) Das soll helfen, ein immer noch rätselhaftes historisches Phänomen genauer zu erklä-ren; zugleich soll es ein besseres theoretisches Verständ-nis davon ermöglichen, wie ein Vertrauen entsteht und sich erhält, das als Grund einer sich grundlos reprodu-zierenden Ordnung wirkt.

Andreas Pettenkofer, ab Januar 2009 als Postdok-torand mit einem Stipendi-um des Stifterverbands für die deutsche Wissenschaft am Kolleg.

21

Dr. Andreas Pettenkofer: Grundloses Vertrauen. Eine Fallstudie über jüdische Deutsche und die Entscheidung zu bleiben

PROJEKTE DER KOLLEGIATEN

22

Neue Projekte der DoktorandenBjørn Schiermer Andersen: Unkreatives Handeln

„Aussi les grands Artistes en ont horreur“. C. Baude-laire über das Klischeehafte [le poncif] in der Kunst. Aus „Salon de 1846“, In Critique d‘art (1992: 128). Zusammenfassend könnte man sagen, dass ich mich mit unkreativem Handeln beschäftigen möchte. Mich interessieren vorerst Grenz-fälle, wo der Handelnde sich schöpferisch empfindet, es aber tatsächlich nicht ist. Als Idealtypus einer sol-chen Selbststeigerung soll der Modenarr gelten. Die-sen Idealtyp verstehe ich

aber zunächst nur als Emblem allgemeiner Erfahrungen, die kennzeichnend für die kulturelle Modernität und das moderne Bewusstsein sind, nämlich das ironische Erleb-nis, der Zeit und den Moden, den Zeitströmungen, den Diskursen usw. ausgeliefert zu sein.

Meine Idee ist, dass das imitierende Handeln ge-wissermaßen wie eine Residualkategorie des von Hans Joas entwickelten pragmatistisch-phänomenologischen Handlungsmodels betrachtet werden kann. Reine Nach-ahmung ist eben besonders unkreativ. Anderseits ist sie aber nur vor dem Hintergrund eines kreativen Handlungs-verständnisses überhaupt zu verstehen. Nicht zuletzt die negative Bewertung des rein imitierenden Handelns ist nur im Zusammenhang mit der Forderung auf individu-elle Autonomie, Rationalität und Kreativität abzugrenzen Ï"qfgt"ykg"gkpg"Fkumtgrcp¦"¦ykuejgp"Cwvjgpvk¦kv“v"wpf"Wahrhaftigkeit (Habermas) zu artikulieren.

Diese Gedanken werde ich nun versuchen innerhalb eines phänomenologischen/pragmatistischen Rahmens zu entfalten.

Im Gegensatz zum konventionellen und bewussten te-leologischen Zweck-Mittel-Schema bietet erst eine prag-matistische Erweiterung des Kreativitätsparadigmas (De-wey) die Möglichkeit, eine Unmenge der alltäglichen (und kreativen) Handlungen richtig zu verstehen. Zum Beispiel ist der alltägliche Umgang mit unserer Kleidung oder mit der Einrichtung der Wohnung sowie das Schreiben eines Buches oder eines Artikels davon gekennzeichnet, dass uns ein gewisses Maß individueller Kreativität normativ abverlangt wird. Gleichzeitig zeigen die pragmatistischen wpf" fkg" rj“pqogpqnqikuejgp" Cpcn{ugp" Ï" wpf" fcu" iknv"pkejv"¦wngv¦v"ko"mtgcvkxgp"Rtq¦guu"Ï"fcuu"fcu"*cnnv“inkejg+"Ich selten „Herr im eigenen Hause ist“, sondern sich so-zusagen immer näher an den Sachen als an sich selbst befindet.

Somit fokussiere ich auf zweierlei. Zum einen darauf, dass wir alle in einem großen Teil unseres Handelns krea- tiv agieren und kreativ agieren sollen. Zum anderen, dass diese Kreativität ein unbewusstes Hingegebensein einschließt: sei es zum ‚Können‘ des eigenen Körpers beim alltäglichen Umgang mit den Sachen, sei es (im en-

geren Sinne) zu den objektiven Zusammenhängen des (Kunst)Werks. Meine These ist nun, dass genau in die-sem Ausgeliefertsein zur Welt oder zum Objekt im krea- tiven Bezug auch der Einfallspunkt des Klischeehaften oder des Unkreativen liegt. Nur vor diesem Hintergrund wird das obenstehende Zitat Baudelaires verständlich. In dem aus der Kultursoziologie bekannten Camp-Phäno-men sieht man genau diesen Widerspruch radikalisiert, denn hier kommt das Klischeehafte eben im ‚individuells-ten‘ Schöpfungsakt zum Vorschein. Eben die falsche krea- tive Selbststeigerung ist das Kennzeichen von echtem Camp.

Diese Ideen könnten mit Hilfe eines ‚Close Reading‘ ausgewählter pragmatistischer Texte weiterentwickelt und stärker begrifflich erfasst werden. Dies könnte wie folgt aussehen:

Das Problem des nichtkreativen Handelns kann, als eine Aufhebung des Unterschieds Deweys zwischen einem Handeln, das äußerlich gesetzte Ziele verfolgt, einerseits und dem Ideal eines sinndurchströmten Han-delns anderseits, das seine Ziele im vorgehenden Pro-zess ständig reflexiv (re)definiert, beschrieben werden. Denn im unkreativen Handeln fallen die beiden Dimen- sionen zusammen: Was als Produkt der eigenen Kreativi-tät erlebt wird, sind in der Realität fremdbestimmte Im-pulse. Es ereignet sich ein Einbruch von Fremdbestim-mung in die ‚Spielhaltung‘.

Bei Mead erscheint diese Dynamik wie ein Einbruch im „I“. Die unantizipierten Spontaneitäten sind vom An-fang an von der Mode oder von dem ‚Diskurs‘ diktiert. Dies wird noch interessanter, wenn in Betracht gezogen wird, dass es eigentlich das „Me“ sein sollte, das den ge-sellschaftlichen Pol in der Persönlichkeit ausmacht und somit die Instanz der Bewertung und Verhaltenserwar-tungen anderer repräsentieren sollte.

Klar ist auch, dass der Begriff des unkreativen Han-delns von Anfang an zureichend definiert werden muss. So liegt zu dem Phänomen der leeren oder ‚puren sozia-len‘ Imitation eine reichhaltige philosophische und sozio-logische Literatur vor, die sich eben normativ abwertend gegenüber dem sozialen Imitationsphänomen verhält: von Tardes ‚Somnambule‘ über Blumer und Simmel, bis zum ‚Man‘ Heideggers. Aber auch in weiteren Zusammenhän-gen spielt Imitation eine große Rolle: in der Militärsozio-logie, in der Massesoziologie und in der Sozialisationsfor-schung. Hier steht noch viel Arbeit aus, um überhaupt das Phänomen der reinen Imitation in der Mode, des dis-tinkt unkreativen Handelns, abzugrenzen.

Bjørn Schiermer Andersen, aus Dänemark, im Winter-semester 2008/2009 als Gastkollegiat am Kolleg.

PROJEKTE DER KOLLEGIATEN

Marlis Arnhold: Transformationen stadtrömischer Heiligtümer

Pagane Heiligtümer wurden im antiken Rom bis zur Durchsetzung des Christentums zwischen dem 5.-7. Jh. zahlreich und zu jeder Zeit errichtet. Zahlreiche ar-chäologische Untersuchungen haben diese Heiligtümer zum Gegenstand ihres Interesses. Sie wurden hinsicht-lich ihrer Architektur und Baudekoration sowie ihrer sozio-politischen Funktion zur Zeit ihrer Entstehung, der Monumentalisierungs- und Ausbauphasen zur Zeit der Republik (5.-1. Jh. v. Chr.), analysiert. Auch stan-den sakraltopographische Überlegungen im Vordergrund der Untersuchungen, ebenso wie die Gottheiten, denen die Sakralstätten geweiht waren. Zwei Aspekten begeg-nete die archäologische Forschung bislang mit einem regelrechten Desinteresse: (1) dem Weiterleben beste-hender Heiligtümer und (2) den Sakralstätten im Kon-text der Stadt Rom in der Kaiserzeit (1.-4. Jh.). Gerade letztere Epoche wurde häufig als ein vermeintlich unin-teressanter Zeitraum betrachtet, in welchem bestehende Heiligtümer nur noch Renovierungen erfuhren. Erst der Einbau von Kirchen, der zumeist im 6.-7. Jh. n. Chr. er-folgte, erschien wieder betrachtenswert.

Die Jahrhunderte zwischen der ausgehenden Repu-blik und dem Einbau von Kirchen können jedoch bereits

aufgrund der Dauer dieses Zeitraums keineswegs als veränderungslos abgetan werden. Ihnen ist nicht al-lein der massiven Verän-derungen der politischen Uvtwmvwtgp"ygigp"Ï"ykg"fgt"Übergang zur Kaiserzeit, fgt"Vgvtctejkg"gve0"Ï" Kpvgt-esse beizumessen. Sondern es vollziehen sich während dieser Zeit überdies zahl-reiche Veränderungspro-zesse in gesellschaftlichen, religiösen und wirtschaft-lichen Lebensbereichen, die nicht außer Acht ge-lassen werden dürfen. Wie sich Heiligtümer innerhalb dieses Zeitraums verän-dern und welchem Funk-tionswandel sie hierbei un-terliegen, ist Gegenstand dieses Dissertationsvorhabens.

23

Marlis Arnhold, seit Ok-tober 2008 als Kollegiatin mit einem Stipendium der Graduiertenschule „Reli-gion in Modernisierungs-prozessen“ am Kolleg.

Oczkoknkcp"Fgjpg<"Cpiuv."Kfgpvkv“v"wpf"igugnnuejchvnkejgt"Ycpfgn"Ï"Vjg-oretische Weiterentwicklungen und empirische Analysen

In den letzten drei Jahr-zehnten hat sich die Emo-tionssoziologie als eigen-ständiges soziologisches Forschungsfeld etabliert. Das vorliegende Projekt greift diese Entwicklungen auf und widmet sich da-bei der gesellschaftlichen Bedeutung der Emotion Angst. In diesem Zusam-menhang werden zwei Ziele verfolgt: Das erste Ziel besteht darin, die Be-ziehungen zwischen Ge-sellschaft, Emotionen und Identitätsprozessen im Anschluss an bestehende Ansätze theoretisch wei-terzuentwickeln. Privile-gierte Aufmerksamkeit hat Angst traditionell vor allem

in jenen soziologischen Forschungszweigen erhalten, die mit dem Selbst bzw. Identitätsprozessen befasst sind. Da auch hier in jüngerer Zeit dezidiert emotionssozio-logische Konzepte der Identität zu finden sind, soll die theoretische Annäherung an den entsprechenden sym-bolisch-interaktionistischen Theorien ansetzen.

Der Soziologe Burke hat mit der Identity Control Theory ein Modell entwickelt, das Emotionen in Identi-tätsprozessen eine zentrale Rolle beimisst und damit das bisher umfangreichste Konzept zum Verständnis der Be-ziehungen zwischen Emotionen und Identität vorgelegt. Dieser symbolisch-interaktionistisch orientierte Ansatz soll in Auseinandersetzung mit anderen emotionssozio-

logischen Konzepten auf drei Ebenen erweitert werden: Erstens soll, über den in der symbolisch-interaktionis-tischen Tradition prominenten Bezug des Identitätsbe-griffs auf soziale Rollen hinaus, durch eine Verlagerung der Betonung auf den Begriff des Identifikationsobjekts erreicht werden, dass Identitätsmerkmale, die sich nicht auf konkrete Rollen beziehen, miterfasst werden können. Zugleich soll durch diese analytische Verschiebung auch die theoretische Einbindung des Umstands erleichtert werden, dass jedem Objekt neben einer denotativen auch eine emotionale Bedeutung beigemessen werden kann, die einen erheblichen Anteil an Angstdynamiken hat. Zweitens kann diese Identitätstheorie um eine Dimension der Attribution ergänzt werden. Die psychologische und zum Teil auch die soziologische Emotionsforschung mes-sen der Ursachenzuschreibung von Ereignissen eine zen-trale Bedeutung für die Emotionsentstehung und -bewäl-tigung bei. Diese Zusammenhänge sollen im Hinblick auf Identitätsprozesse und die Entstehung und Bewältigung von Angst analysiert werden. Drittens soll die makro- soziale Kontextuierung von Identitätsprozessen und Angstdynamiken in den Blick genommen werden. So stellen beispielsweise Attributionsprozesse keine bloß idiosynkratischen Faktoren dar, sondern werden auch durch soziokulturelle Deutungsmuster geprägt. Kultu-relle Wandlungsprozesse in dieser und anderen Dimen-sionen haben daher einerseits einen Einfluss auf Iden-titätsprozesse, andererseits variieren im Zuge solcher Veränderungen auch die sozialen Konsequenzen von kulturell verbreiteten Formen der Angstbewältigung. Diese Faktoren und ihr Wandel sollen entsprechend in den Analysen berücksichtigt werden.

Das zweite, auf dem ersten aufbauende, Ziel des Pro-jektes besteht darin, anhand des „Sozioökonomisches Panel“ (SOEP), einer repräsentativen Längsschnitt-

Maximilian Dehne, seit Oktober 2008 als Kolle-giat mit einem Stipendium des Stifterverbands für die deutsche Wissenschaft am Kolleg.

PROJEKTE DER KOLLEGIATEN

24

studie, die seit 1984 jährlich dieselben Personen zu ih-rem Leben befragt, sowohl Entwicklungen von kulturellen Deutungsmustern und emotionalen Befindlichkeiten in Deutschland empirisch nachzuzeichnen als auch einige zugrunde liegende Kausalmechanismen auf Individual- ebene zu untersuchen. Die Verfügbarkeit von indivi-duellen Längsschnittdaten zu objektiven Lebensbedin-

gungen sowie subjektiven Wahrnehmungen und Ver-haltensweisen erlaubt es, mittelfristige gesellschaftliche Wandlungsprozesse zu erfassen und Kausalmechanis-men in Identitätsprozessen aufzudecken. Auf diese Weise sollen neben der Bearbeitung deskriptiver Fragen auch Erklärungen für die Entstehung und die sozialen Konse-quenzen von Angst getestet und entwickelt werden.

Martina Fetting: Gescheiterte Fürstenehen im Fadenkreuz politischer Diskurse. Ein Beitrag zur Delegitimierung monarchischer Prinzipien in der Endzeit des deutschen Kaiserreiches

Die deutsche „Revolution“ von 1918 wird sich bald zum einhundertsten Mal jähren und damit auch das Ende der konstitutionellen Monarchie in Deutschland.

Dennoch ist bis heute die Frage nach den Ursachen für das Abtreten der zu diesem Zeitpunkt 20 regierenden deutschen Monarchen im November 1918 nicht hinrei-chend geklärt. Was verwundert, ist die scheinbare Pas-sivität, mit der die vier Könige, vier Großherzöge, sechs Herzöge und sechs Fürsten von der Bühne des politischen Lebens traten. Auf den ersten Blick ebenso verwunderlich ist es, dass dieses lautlose Verschwinden bis vor kurzem so wenig Nachfrage herausgefordert hat. Großes Inter-esse galt bislang der Frage nach der deutschen Kriegs-schuld; zudem ließ die lange anhaltende Fokussierung auf Arbeiter- und Bürgertumsgeschichte kaum andere Perspektiven zu, so dass eine „Geschichte von oben“, d.h. biographische und mentalitätsgeschichtliche Unter-suchungsansätze in Bezug auf die vergessenen Verlierer von 1918, in den Hintergrund treten musste.

Erst in jüngster Zeit hat die wissenschaftliche Adels-forschung mit dem Epochenschwerpunkt „Moderne“ eine kleine Konjunktur erfahren. Als einer der ersten hat sich im Zuge dieser Entwicklung der Impulsgeber dieser Arbeit, Prof. Lothar Machtan (Bremen), mit den Abdan-kungen der letzten deutschen Monarchen beschäftigt (vgl. sein Buch Die Abdankung. Wie Deutschlands ge-krönte Häupter aus der Geschichte fielen, Berlin 2008).

Der Schwerpunkt meiner Untersuchung liegt in Er-gänzung dazu nicht auf den Vorgängen, die unmittel-bar vor Toresschluss 1918 kulminierten, sondern auf Legitimationskonzepten für das monarchische Prinzip im Wilhelminismus und ihrem Stellenwert im von den Monarchen selbst geführten sowie im öffentlichen Dis-kurs. Gefragt wird u.a. nach Selbstverständnis und Fremdwahrnehmung der Monarchen und in wieweit sich hier Voraussetzungen für ihr „lautloses Verschwinden“ finden lassen. Wie beispielsweise passt die Herrscher-absetzung im November 1918 zusammen mit dem noch im Frühjahr desselben Jahres vorherrschenden, Schich-ten übergreifenden „monarchischen Gefühl“ bzw. der viel beschworenen „dynastischen Anhänglichkeit“? Unter-sucht werden soll, ob es Konzepte seitens der Monarchen gegeben hat, diese Legitimationsbasis zu stärken und

welche Bezüge sie ggf. zu bestehenden Monarchie-diskursen herstellten. Da einerseits dynastische Poli-tik die Kontinuitätsgrund-lage des monarchischen Prinzips war, andererseits davon ausgegangen werden kann, dass sich speziell in Zeiten drohender Insta-bilität, wie sie durch Norm- und Wertverhandlungen (Skandale) eintreten kön-nen, der Reflektionsgrad über die eigene Position erhöht, dienen als Unter-suchungsgegenstand die nonkonformen Fürsten-ehen in Sachsen-Meinin-gen, Hessen-Darmstadt, Sachsen und Oldenburg. Anhand der Rekonstruktion und Analyse der verdichte-ten Kommunikation anlässlich dieser vier dynastischen Eheskandale sollen die Legitimationsmodi bundesfürst-licher Herrschaft in unterschiedlichen Kommunikations-räumen untersucht werden. In diesen äußern sich die betroffenen Bundesfürsten und -fürstinnen selbst, das höfische Umfeld, der Kaiser, sowie Presse und Land-tage, so dass sich das Quellenkorpus hauptsächlich aus der Korrespondenz der Monarchen untereinander, Gesandtenberichten, Presseartikeln und Parlamentsde-batten zusammensetzt.

Martina Fetting, seit Ok-tober 2008 als Kollegia-tin mit einem Stipendium des Stifterverbands für die deutsche Wissenschaft am Kolleg.

Uwe Herrmann: Zorn, Rache und Gewalt im archaischen Griechenland

Darstellungen von Zorn, Rache und Gewalt sind in den literarischen Zeugnissen der griechischen Kultur er-staunlich zahlreich und oft auch bemerkenswert detail-reich. Dabei ist aber nicht nur an die Historiker Herodot und Thukydides oder an die Tragiker zu denken. Denn

noch schneidender wird die Tatsache, wenn man sich die Zeugnisse der archaischen Epoche vor Augen hält. Die Ilias und die Odyssee, die frühesten literarischen Über-lieferungen der europäischen Kultur, ergehen sich förm-lich in der ausführlichen Beschreibung vom Zorn ihrer

PROJEKTE DER KOLLEGIATEN

Uwe Herrmann, seit Ok-tober 2008 als Kollegiat mit einem Stipendium der Graduiertenschule „Reli-gion in Modernisierungs-prozessen“ am Kolleg.

25

Jgpftkm"Jknngtocpp<"Gfkvj"wpf"Xkevqt"Vwtpgt" Ï" gkpg"ykuugpuejchvnkejg"Doppelbiografie

Das Ethnologenpaar Edith und Victor Turner hat einige hochinteressante Konzepte für die Ritual- und Symbol-forschung entwickelt, dar-unter Soziales Drama, Li-minalität und Communitas. Heute sind diese Konzepte vor allem deshalb noch von Wert, weil mit ihnen Ge-sellschaft nicht mehr sta-tisch, sondern prozesshaft aufgefasst wird, weil sie ein Hilfsmittel zur Analy-se gesellschaftlicher Pro-zesse darstellen können und weil sie Gefühle und Erfahrungen (auch des Forschers) nicht mehr von vornherein ausschließen. So konnten die Beschrän-kungen rein quantitativer Feldforschung u.a. durch die Arbeiten der Turners

überwunden werden. Ein Blick auf ihr Leben lohnt sich also. Mein Promo-

tionsvorhaben geht aber über eine Sammlung biogra-fischer Daten weit hinaus: Ich werde mich mit den Fra-gen befassen, welche Bedeutung die Turners für die heu-tige Forschung speziell in der Religionswissenschaft noch haben, welchen Anteil Edith Turner an der gemeinsamen Ctdgkv"jcv"Ï"fkg"Vwtpgtu"cnuq"cnu"Hqtuejgtrcct"dgvtcejvgp"Ï"wpf"cwej"fkg"wohcpitgkejg"kpvgtfku¦krnkp“tg"Ctdgkv"fgt"beiden Wissenschaftler unter die Lupe nehmen. In diesem Zusammenhang wird die Bedeutung der Erforschung der persönlichen Situation der Turners offensichtlich: Was veranlasste sie, auf Gebieten wie Medizin oder Theologie zu forschen und ihre Konzepte aus der Ethnologie einfach mitzunehmen? Wie stark beeinflusste ihre politische oder auch religiöse Einstellung die Arbeiten? Darüber hinaus werde ich mich auch mit den Forschungen Edith Turners nach dem Tod ihres Mannes im Jahr 1983 beschäftigen und fragen, inwieweit sie heute gemeinsame Projekte fortführt und sich neue Arbeitsfelder erschließt.

Umfassende wissenschaftliche Biografien, wie es sie inzwischen über Edward Evan Evans-Pritchard, Mary Douglas und andere Ethnologen gibt, dienen mir als Richtschnur bezüglich des strukturellen Aufbaus der Ar-beit und der Methodik. Neben der Sekundärliteratur zu Victor Turners Werken, den Arbeiten der Turners selbst wpf"fgp"fctkp"gpvjcnvgpgp"Ï"¦w"¯dgtrt¯hgpfgp"Ï"Ugnduv-analysen werden mir vor allem Edith Turners Autobio-

Hendrik Hillermann, seit Oktober 2008 als Kollegiat mit einem Stipendium der Graduiertenschule „Reli-gion in Modernisierungs-prozessen“ am Kolleg.

Helden und von deren Rachetaten. Auch der Darstel-lung von Gewalt wird dabei ein breiter Raum gewidmet. Hesiod, nur einige Zeit später, fordert Rache nach dem Prinzip der doppelten Vergeltung, der Lyriker Tyrtaios verherrlicht den kriegerischen Kampf, Archilochos sehnt sich unverblümt nach Rache, für Heraklit ist der Krieg der Vater aller Dinge, Herodot sieht Rache als einen hin-reichenden Grund für einen Krieg und noch für Aristo- teles ist der Zorn in bestimmten Situationen unerläss-lich, ja geradezu zwingend. Schon dieser kleine Überblick lässt also erkennen: Zorn, Rache und Gewalt sind ganz offenbar mehr als nur marginale Ingredienzien grie-chischer Kultur, und insbesondere die archaische Epo-che scheint ergiebig für eine Untersuchung dieses Phä-nomens.

Die Dissertation soll sich daher mittels einer einge-henden Analyse der literarischen Zeugnisse jener Zeit mit diesen Sachverhalten beschäftigen. Das Zentrum der Arbeit werden dabei vor allem folgende Fragen bilden: 1) Was ist Zorn in der Archaik und was sind seine Ur-sachen und sein Stellenwert?; 2) Wie funktionieren die Mechanismen und was sind die Formen der Rache?; 3) Und in welcherlei Erscheinungen manifestiert sich die Gewalt? Insbesondere für die Gewaltproblematik sollen Bezüge zur neueren Gewaltforschung (u. a. Popitz, von Trotha, Sofsky, Imbusch, Heitmeyer) fruchtbare Ansätze liefern. Demnach soll, neben den grundlegenden Fragen (wer übt Gewalt aus, gegen wen, auf welche Weise, aus welchem Grund und zu welchem Zweck?), ein Schwer-punkt der Arbeit auf einer Phänomenologie der Gewalt liegen, in der Absicht, in den Formen der Gewalt den Schlüssel zu einem besseren Verständnis ihrer selbst zu finden. Daneben wird immer darauf zu achten sein, wel-che Wertungen und Einstellung gegenüber diesen Phä-

nomenen zu finden sind. Zu untersuchen ist also auch, welchen Zusammen-hang die Werke darstellen zwischen Zorn, Rache und Gewalt und gesellschaft-licher Stellung des in die-ser Weise Handelnden.

In einem weiteren Schritt soll auch der Ver-such gewagt werden, aus den literarischen Werken heraus einen Bezug zur Le-benswirklichkeit der Men-schen in der Archaik Grie-chenlands herzustellen. In hohem Maße nämlich gilt das Erkenntnisinter-esse der Frage, wie, wenn überhaupt, sich die in der frühgriechischen Literatur beschriebenen Phänomene des Zorns, der Rache und der Gewalt angemessen zur vermeintlichen Realität in Beziehung setzen lassen. Da-bei gilt es, speziell die Art der Darstellung, den jeweiligen Kontext und die Intention des Autors zu berücksichtigen, um etwaige Rückschlüsse auf die damalige Zeit ziehen zu können.

Ziel der Arbeit ist letztlich die Beantwortung folgender Fragen: Lässt sich tatsächlich sagen, die Griechen hatten eine „tigerartige Vernichtungslust“ (Nietzsche) oder gar eine sadistische Lust am Töten? War die archaische Epo-che Griechenlands eine Zeit besonders intensiv gelebten Zorns; war sie etwa erfüllt von Rache und Gewalt?

PROJEKTE DER KOLLEGIATEN

Andreas Kewes: Politische Werte in der Einwanderungsgesellschaft

Die unter dem Projekt-titel „Politische Werte in der Einwanderungsgesell-schaft“ entstehende Arbeit befasst sich mit der Frage, wie in der sich neuerdings als Einwanderungsgesell-schaft verstehenden Bun-desrepublik Deutschland politische Werte entstehen oder Bindungen an die-se Werte gefestigt werden. Dabei wird unterstellt, dass diese zu untersu-chenden politischen Werte einen besonderen Bezug zu dieser Einwanderungs-gesellschaft haben, egal ob aufgrund der zuneh-menden Pluralisierung der Gesellschaft oder aufgrund einer jeweils individuellen Migrationserfahrung. Ent-sprechend fokussiert diese Studie empirisch auf Men-

schen mit oder ohne Migrationserfahrung, die in ihrem Leben einen konkreten Bezug zur Thematik Migration haben. Als „Politische Werte“ sollen dabei insbesondere Vorstellungen und Äquivalente zu Begriffen wie Freiheit, Gleichheit und Solidarität untersucht werden und die Frage danach, wie diese ohne eine geteilte kollektive Er-hcjtwpi"Ï"dgkurkgnuygkug"fwtej"Iguejkejvg"Ï"ko"kpvgtmwn-turellen Vergleich gemeinsam entstehen können. Entste-hen meint hierbei nicht das originäre Entstehen im Sinne einer erstmaligen Artikulation, sondern die individuelle Aneignung von und das Orientieren an Werten.

Der empirische Rahmen für die Studie und damit die untersuchte Einwanderungsgesellschaft dieser Ar-beit ist die Bundesrepublik Deutschland. Seit dem Be-ginn des aktuellen Jahrzehnts wird die Tatsache, dass Deutschland ein Einwanderungsland ist, von keiner der demokratischen Parteien mehr bestritten. Dementspre-chend kann zumindest auf einer gesellschaftlichen, po-litischen Ebene davon ausgegangen werden, dass diese Gesellschaftsbeschreibung allgemein akzeptiert wird und eine Orientierung gesellschaftsbezogener Politiken daran unstrittig ist; Beispiele hierfür sind das neue Zuwande-rungsgesetz und das veränderte Staatsbürgerschafts-recht. Dennoch ist das Thema Zuwanderung politisch hoch umstritten und anfällig für populistische Diskurse, die sich insbesondere um die Frage nach gemeinsam ge-vgknvgp"Ygtvgp"ftgjgp"Ï"jkgth¯t"ukpf"Fkumwuukqpgp"¯dgt"

Integrationskurse und Einbürgerungstests, aber auch Leitkultur, Parallelgesellschaften und das Zusammenle-ben von Moslems und Christen deutliche Anzeichen.

Ziel der Arbeit ist es daher, die öffentliche Diskus-sion als Anzeichen einer notwendigen politischen Aus-einandersetzung zu begreifen und ihr aus soziologischer Sicht mit einer wissenschaftlichen, empirisch fundierten Studie zu begegnen, die Typen unterschiedlicher Wert-entstehungen und -bindungen in der Einwanderungs-gesellschaft analysiert. Dabei wird auch intendiert, eine wertmäßige Aussage über die Potentiale von Werten wie Demokratie und Menschenrechte zu treffen, welche als grundlegend für gesellschaftliches Zusammenleben an-gesehen werden.

In der Arbeit möchte ich drei unterschiedliche wissen-schaftliche Stränge miteinander in Verbindung bringen: Zum einen die Theorie zur Entstehung der Werte von Hans Joas, welche mir insbesondere in Verbindung mit der empirischen Studie eine theoretische Fundierung bieten soll. Zum zweiten Überlegungen aus migrationssoziolo-gischen Arbeiten, die sich mit Migration auf individueller Ebene beschäftigen und somit die Einwanderungsgesell-schaft auf handlungstheoretischer Ebene verstehbar ma-ejgp"Ï"¦gpvtcn"y“tgp"jkgt"Dgitkhhg"ykg"Cuukokncvkqp"wpf"Akkulturation. Als dritter Strang sollen abschließend ge-genwärtige sozialphilosophische und politiktheoretische Überlegungen zum Multikulturalismus in Auseinander-setzung mit meinen empirischen Ergebnissen diskutiert werden. Dadurch wird beabsichtigt, die Verknüpfung der Ergebnisse der Arbeit mit einer politischen Konzeption von Zuwanderung zu gewährleisten.

Da für die Arbeit die jeweils individuelle Entstehung von und Bindung an Werte eine zentrale Rolle spielt, soll die Datengrundlage eine qualitativ verfahrende Studie bieten. Vorrangig in Einzelinterviews soll rekonstruk-tiv der Prozess der Werteentstehung und -bindung bei den jeweiligen Gesprächspartnerinnen und -partnern nachvollzogen werden. Da sich für thematisch ähnliche, qualitativ verfahrende Arbeiten in angrenzenden wissen-schaftlichen Disziplinen ein Methodenmix als fruchtbar erwiesen hat, sollen auch für diese Arbeit Erhebungsme-thoden wie teilnehmende Beobachtung und Gruppenin-terviews in Betracht gezogen werden.

Die dieser Arbeit zu Grunde liegende Studie erhebt nicht den Anspruch, einen repräsentativen Überblick über eine bestimmte, spezifische ethnisch homogene Gruppe zu geben. Vielmehr wird mittels eines offenen Zugangs auf das Feld beabsichtigt, gerade die Konstruk-tionen von Ethnizität zu überwinden.

Andreas Kewes, seit April 2008 als Kollegiat mit einem Stipendium der DFG im Rahmen des Graduier-tenkollegs „Menschenwür-de und Menschenrechte“ am Kolleg.

26

grafie, einige Aufsätze über Victor Turners Leben und mein persönlicher Kontakt zu Edith Turner und ihren Söhnen Frederick und Robert von Nutzen sein. In Inter-views werde ich persönliche Daten verifizieren lassen und auch etwas über die Menschen Edith und Victor Turner, ihre Beziehung zueinander und die Zeit, in der sie lebten, erfahren.

Von Bedeutung ist eine Biografie der Turners also we-gen der neuen Erkenntnisse über das Werk, wegen ihrer pcej"ykg"xqt"cmvwgnngp"Ï"ygpp"cwej"wouvtkvvgpgp"Ï"Mqp-

zepte, sowie wegen der Erkenntnisse über gemeinschaft-nkejgu"Hqtuejgp"Ï"xqt"cnngo"Gjgrcctg"cnu"Hqtuejgtrcctg"betreffend: Verschiedene Sichtweisen, verschiedene Qua-lifikationen und Stärken und sogar das unterschiedliche Geschlecht (Zugang zu Frauen- bzw. Männerritualen) machen das gemeinschaftliche Forschen und Erkennt-nisse darüber interessant und relevant. Durch diesen letzten Punkt wird es auch möglich werden, die Turners neben andere berühmte Forscherpaare angemessen zu positionieren.

PROJEKTE DER KOLLEGIATEN

Jeannine Kunert: Der „Juden-Könige“ zwei. Zur Wirkung und Rezeption Sabbatai Zwis und Oliger Paullis

Der aus Smyrna stammen-de Sabbatai Zwi (1626-1676), der von seinen An-hängern als Messias und König verehrt wurde, war in den Jahren von 1665-1667 Mittelpunkt der größ-ten jüdischen Endzeit-bewegung in der Frühen Neuzeit. In der Diaspora zirkulierten Sendschrei-ben, Bußaufrufe, Berichte über Sabbatai und sei-ne Wunder, Kupferstiche und Phantasiebilder, die ihn als Anführer großer Heerscharen darstellten. Dieses Ereignis wurde von christlicher Seite bemerkt und von den Kirchen zum Anlass genommen, einen Angriff gegen christliche Häresien vorzunehmen.

Christliche und jüdische Endzeitbewegungen wur-den hier in einen Kontext gestellt und die sogenannten „Sektierer“, „Schwärmer“ oder „Enthusiasten“ mit der messianischen Bewegung um Sabbatai Zwi verglichen. Die Enttäuschung unter den Juden nach dem Bekannt-werden der Konversion Zwis’ zum Islam im Jahr 1666 sollte Christen eine Warnung sein, sich nicht ebenfalls von einem solchen „falschen Messias“ mitreißen zu las-

sen.Etwa dreißig Jahre später trat der Däne und chilias-

tische Christ Oliger Paulli (1644-1714), der sich selbst in eine Verwandtschaftslinie mit dem jüdischen König David stellte, mit seinen zahlreichen Visionen, seiner Christologie und Naherwartung an die Öffentlichkeit: In Vorbereitung auf das im Jahr 1720 beginnende messia-nische Zeitalter sollten die europäischen Herrschafts-häuser gegen das Osmanische Reich ziehen und Paläs-tina für die Juden erobern. Dort selbst würde ein neuer Judenstaat errichtet werden, an dessen Spitze er sich als Vorläufer und Statthalter des Messias sah. Paulli, der einige wenige Anhänger um sich scharen konnte, sorgte für großes Aufsehen innerhalb kirchlicher und separatis-tischer Kreise. Vertreter der kirchlichen Orthodoxie rea-gierten auf seinen Angriff auf Dogma und Institution mit Polemiken und Gegenschriften, und auch von staatlicher Seite wurden seine Aktivitäten sanktioniert.

Meine Arbeit behandelt die diversen Reaktionen auf Zwi und Paulli in unterschiedlichen Milieus. Zum einen wird mein Projekt eine historisch-empirische Analyse der (religiösen) Aussagen über sie beinhalten und zum an-deren die Modi von Kommunikationsprozessen zwischen gesellschaftlichen Gruppen untersuchen. Mein Interesse gilt dabei dem Diskurs über die „Juden-Könige“, wie sie beide in der zeitgenössischen Literatur tituliert wurden. Die zwei Beispiele werden sich gegenseitig als Kontrast-folie dienen, um das je Diskursspezifische, d. h. den je spezifischen Umgang mit dem jeweiligen religionshisto-rischen Individuum im deutschsprachigen Raum, deut-lich zu machen.

Jeannine Kunert, seit Ok-tober 2008 als Kollegiatin mit einem Stipendium der Graduiertenschule „Reli-gion in Modernisierungs-prozessen“ am Kolleg.

27

Jan Leichsenring: Ist ein kritisches Naturrecht möglich? Naturrechts-philosophische Überlegungen im zeitgenössischen rechtsphilosophischen Denken

In Naturrechtstheorien wird seit der Antike der Versuch unternommen, unbedingte Rechte zu begründen, d. h. solche Rechte, die Menschen nicht aufgrund von Konven-tion, Konsens oder positiver Satzung, sondern „von Natur aus“ zukommen und die Normen faktischer Rechtssyste-me erst legitimieren oder delegitimieren. Dabei wurden und werden verschiedene Begründungswege mit jeweils spezifischen Menschenbildern beschritten, die vom kos-mologisch orientierten Ansatz der Stoa bis zu heutigen Ausprägungen eines „Personenrechts“ reichen. Die Ein-wände gegen den Gedanken eines von Natur aus Rechten sind jedoch Legion. U. a. wird naturrechtlichen Konzep-tionen vorgeworfen, der zugrunde liegende Naturbegriff sei eine Leerformel und die damit begründeten Normative beliebig, es lägen Fehlschlüsse von einem Sein auf ein Sollen vor und es handle sich stets nur um die Schein-universalisierung partikularer Vorstellungen und Inter-essen. Naturrecht wird so als typischer Fall einer Ideolo-gie oder eines Dogmatismus kritisiert, d. h. einer Theorie, in der bestimmte lebensweltliche Zustände als unbedingt gerechtfertigt und ihr Erhalt oder ihre Herstellung gefor-dert werden, wobei die betreffende Theorie als ein Wissen vorgetragen wird, diesen Anspruch aber nicht verifizieren kann, sie also im Status eines Glaubens verbleibt.

Unter Konzentration auf heutige Naturrechtstheo-rien soll daher überprüft werden, ob diese den be-kannten Einwänden entge-hen bzw. inwiefern dies für Naturrechtstheorien über-haupt möglich ist und ob sie sich selbst kritisch zu in diesem Sinne ideologischen Ansprüchen verhalten kön-nen. Es fragt sich also, wel-che Art von Begründung in Naturrechtstheorien gelie-fert wird und wie die Art und Weise ihrer Normfin-dung zu denken ist. Dazu sollen ausgehend von einer Systematisierung jüngerer Naturrechtsarbeiten deren oft nur implizite Vorausset-zungen in z. B. ontologischer und erkenntnistheoretischer Hinsicht untersucht und mit jenen der Totalkritiken am Naturrechtsdenken kontrastiert werden. In Abgrenzung

Jan Leichsenring, seit Ok-tober 2008 als Kollegiat mit einem Stipendium der Graduiertenschule „Reli-gion in Modernisierungs-prozessen“ am Kolleg.

PROJEKTE DER KOLLEGIATEN

zu konkurrierenden Ethik- und Rechtsbegründungen sollen die Methodik und Leistungsfähigkeit dieser Natur-rechtstheorien sowie die praktische Bedeutsamkeit der von ihnen legitimierten Normative und ihre Stellung zu positivem Recht dargelegt werden.

Weiterhin stellt sich die Frage, inwiefern Naturrechts-theorie eine Verständigungsbasis über intra- und in-terkulturelle Bruchlinien hinweg abgeben und einen plausiblen Umgang mit dem Phänomen synchron und diachron divergierender moralischer Anschauungen entwickeln kann. Nun besteht Grund zur Annahme, zumindest im neuzeitlichen Naturrecht nehme ein me-taphysischer und eventuell originär christlicher Perso-nenbegriff, der Menschen als Freiheitswesen beschreibt, eine zentrale Stellung ein und Menschenrechte seien als naturrechtlich legitimierte Freiheitsrechte zu verstehen. Daher sind verschiedene Optionen bezüglich Umfang

und Geltung des Personenbegriffs abzuwägen und sei-ne systematische Stellung im Naturrecht unter Bezug-nahme auf den Naturbegriff zu klären. Ferner führt dies auf das Problem der Verwiesenheit von Rationalität und Weltanschauung, weshalb einerseits der Zusammenhang von Naturrecht, Personenbegriff und theologischer Ethik untersucht, andererseits maßgebliche Arbeiten zum The-ma interkultureller Hermeneutik herangezogen und ihre Bedeutung für die Denkbarkeit natürlicher Rechte und interkultureller Verständigung per Naturrechtstheorie geprüft werden sollen. Das Ergebnis des Forschungsvor-habens soll somit eine geltungstheoretische Topologie von Menschenbild, Werten, Normgewinnung und Menschen-rechten im Naturrechtsdenken sein, die umfassende Ant-worten auf die Frage nach Möglichkeiten und Grenzen desselben einschließt.

Michael März: Antirepressionsprotest nach dem Deutschen Herbst. Linke zwischen Abrechnung und Aussöhnung mit dem Staat

Steht ein rundes Jubilä-um des Deutschen Herbs-tes an, nehmen linke In-tellektuelle dies gern zum Anlass, um die Folgen der Ereignisse in Köln, Moga-dischu und Stammheim für die weitere Entwick-lung der Bundesrepublik abzuschätzen. Zwangsläu-fig rückt das Verhältnis zwischen Linken und Staat in den Mittelpunkt ihrer Betrachtungen (Tolmein 1987, Botzat 1997). Der Deutsche Herbst wird als „nicht erklärter Ausnahme-zustand“ (Kraushaar 2006) bezeichnet oder zu Klimax einer staatlichen Legitima-tionskrise erhoben. Derar-tige Versuche linker Ver-gangenheitsbewältigung beziehen sich stets auf

jene „44 Tage im Herbst“, berücksichtigen jedoch kaum, wie sich das eigene Spektrum in der unmittelbaren Fol-gezeit verhielt. Exakt an dieser Leerstelle setzt mein ge-schichtswissenschaftliches Forschungsvorhaben an: Seine Untersuchungsgegenstände sind die drei Großver-anstaltungen der Linken nach dem Deutschen Herbst, der TUNIX-Kongress (Januar 1978), das 3. Internationale Russell-Tribunal (April 1978/Januar 1979), der Interna-tionale Kongress für und über Rudolf Bahro (November 1978) sowie die damaligen Initiativen für „politische“ Ge-fangene. Damit werden nicht nur stark ausdifferenzierte, sondern auch aktive Teile des linken Spektrums erfasst, die obendrein ein gemeinsames Anliegen verfolgten: den Protest gegen „staatliche Repression“.

Dass die parallele Thematisierung von politischer Un-terdrückung eine direkte Reaktion auf den Deutschen Herbst gewesen ist, scheint zunächst eine plausible Er-klärung. Doch wie die Recherchen zeigten, ging der Anti-repressionsprotest der Jahre 1978/79 auf verschiedene

„Repressionserfahrungen“ von Linken in der Bundes-republik zurück, die vor dem Deutschen Herbst lagen. Demzufolge setzen die vier Initiativen ihr gemeinsames Protestanliegen auch weitgehend unabhängig voneinan-der um: die Gefangeneninitiativen machten sich für bes-sere Haftbedingungen stark, der TUNIX-Kongress wollte Wege zum Ausstieg aus einer als repressiv empfundenen Gesellschaftsordnung aufzeigen, das 3. Russell-Tribunal versprach ein Urteil zur Situation der Menschenrechte in der Bundesrepublik und der Bahro-Kongress eröffnete den gesamtdeutschen Dialog über Meinungsfreiheit.

In meiner Studie möchte ich den Ursprüngen, Hinter-gründen, Entwicklungen und ggf. auch den internatio-nalen Menschenrechtskontexten dieser Protestinitiativen auf den Grund gehen. Dabei soll auch überprüft werden, welche (Betroffenheits-)Motive die jeweiligen Initiatoren zu ihrem Engagement gegen „Repression“ bewegten und inwieweit sie die Menschenrechtsthematik dabei taktisch einsetzten. Ziel ist es, mit Hilfe der gesammelten Infor-mationen vier verschiedene Perspektiven auf „Repressi-on“ in der Bundesrepublik herauszuarbeiten und daraus konkrete Aussagen über das Verhältnis Linker zum Staat nach dem Deutschen Herbst abzuleiten.

Wozu das alles? Ob Neue Soziale Bewegungen, Frau-enbewegung, alternative Lebensentwürfe, Vorstellungen fktgmvgtgt"Fgoqmtcvkg"Ï"cnng"Rtqvguvrj“pqogpg"lgpgt"¥gkv"lassen sich auf die Frage nach dem Verhältnis Individu-um-Staat herunter brechen. Um die Transformation der linken Protestbewegung Ende der Siebziger Jahre besser ¦w" xgtuvgjgp." kuv" ¦w"mn“tgp."ykg"Nkpmg" Ï" cnu"ykejvkiuvgt"Vt“igt" fgt" Dgygiwpi" Ï" fkgug" Htcig" h¯t" ukej" dgcpvyqt-teten. Daraus leitete sich nicht nur ihr eigenes weiteres Vorgehen ab, sondern auch die innenpolitische Reaktion der Kanzlerpartei SPD, die sich ja als parlamentarische Vertretung linker Interessen begriff.

Der Antirepressionsprotest der Jahre 1978/79 stellte die Frage nach dem Verhältnis Linke-Staat/Staat-Linke in seinen Mittelpunkt. Besonders die Russell-Initiative, die auf eine Verurteilung der Bundesrepublik hinaus lief, deutet auf ein dringendes Bedürfnis nach Abrechnung mit dem Staat. Andererseits wurde die „Repression“ in der Bundesrepublik gegenüber jener in der DDR auf dem Bahro-Kongress doch eher relativiert. Es zeichneten sich

28

Michael März, seit Dezem-ber 2007 als Kollegiat mit einem Stipendium der DFG im Rahmen des Graduier-tenkollegs „Menschenwür-de und Menschenrechte“ am Kolleg.

PROJEKTE DER KOLLEGIATEN

also auch Tendenzen zur Aussöhnung mit dem Staat ab, was nicht zuletzt die weitere Entwicklung der Protest-bewegung erklärt: verstärktes Aufkommen von Bürger-

initiativen, Gründung der Grünen 1979, Beginn der Frie-densbewegung 1979/80 u.a.

Gocha Mchedlidze: Asketismus und Wille zur Macht. Nietzsche und die Frage nach dem guten LebenDer Begriff Askese ist heute mit Vorstellungen von Ver-zicht und Weltflucht verbunden, und uns sind tatsäch-lich zahlreiche Belege für eine solche Praxis aus der Ge-schichte des Christentums bekannt. Die ursprüngliche Bedeutung des Wortes war aber eine andere: Es stammt nämlich vom griechischen áskesis ab, was hieß: „sich befleißigen“, „sich in etwas üben“, und zwar sowohl im Kontext der körperlichen Lebensweise von Athleten als auch in Bezug auf die sittlichen Werte einer Gemein-schaft. Im Unterschied zur christlichen Denkweise war in der antiken Welt die Idee verbreitet, dass man sich mit Hilfe von praktischen Übungen und Arbeit an sich selbst einer glücklichen und ethisch wertvollen Lebensform an-nähern könne.

In Gegenüberstellung der negativen Form der Askese als Entsagung zur Praxis der interaktiv-agonalen Selbst-konstitution und Aneignung der tugendhaften Selbst-mächtigkeit rekonstruiert dieses Promotionsprojekt Nietzsches Philosophie als eine Wiederentdeckung der antiken Ethik eines guten Lebens, die Schopenhauers Mitleidsethik entgegengesetzt wird.

Trotz der Flut an Literatur zu Nietzsche gibt es bisher keine systematische Untersuchung zu seinen Reflexionen ¯dgt"Cumgug"wpf"䥯ejvwpiÑ"*Fku¦krnkp+"Ï"qdyqjn"igtcfg"diese für die aktuelle Debatte über die Philosophie der Lebenskunst sowie im Zusammenhang mit der in den letzten Jahrzehnten zu beobachtenden Renaissance der Tugendethik höchst relevant ist.

Mit der Rekonstruktion von Nietzsches praktischer Philosophie als einer bestimmten Form von Tugendethik legt die Dissertation eine neo-aristotelische Deutung sei-nes Denkens vor, die den an Kant (Selbstbestimmung) und an Foucault (Ethik kontingenter Selbstsorge) ori-

entierten entgegengesetzt wird.

Die Auseinandersetzung des Philosophen mit Scho-penhauers pessimistischer Lehre von der asketischen Lebensverneinung sowie seine Forderung nach der Konstitution großer Indivi-duen, die gegen alle Härte des Lebens immun bleiben und eine rastlose, bis zur Selbstzerstörung gehende Aktivität als ihre Lebens-aufgabe begreifen, dienen dabei als Ausgangspunkte und richtungweisende Überlegungen für die Ar-beit.

Im Unterschied zu vielen anderen Publikationen zu Nietzsche handelt es sich bei der Dissertation nicht um eine historisch oder philo-logisch orientierte, sondern vor allem an philosophisch-systematischen Fragen interessierte Arbeit. Angesichts des (oft) Widersprüchlichen, Fragmentarischen und Lite-rarischen seines Werks werden einige seiner Äußerungen als grundlegend angesehen und seine bruchstückhaft ge-bliebenen und aphoristisch formulierten Ideen weiterent-wickelt. Den Schwerpunkt der Lektüre der Forschungs-literatur zu Nietzsche bilden Texte von Autoren aus dem angelsächsischen Raum, da sie wichtige Vorarbeiten zum Dissertationsthema geleistet haben.

Gocha Mchedlidze, seit April 2008 als Kollegiat mit einem Stipendium der Marga und Kurt Möllgaard-Stiftung am Kolleg.

Kristin Reichel: Geschlechternormen im Wandel. Der Beitrag der Inter-nationalen Arbeitsorganisation (ILO) und der Europäischen Gemein-schaften zur Institutionalisierung von Geschlechternormen im westli-chen Europa, 1950-1970

Im Rahmen des Dissertationsprojektes soll untersucht werden, welche Gleichheits- und Geschlechtervorstel-lungen in der Frühphase der europäischen Integration in den 1950er und 1960er Jahren in den sozial- bzw. beschäftigungspolitischen Initiativen der Europäischen Gemeinschaft für Kohle und Stahl (EGKS) und der Eu-ropäischen Wirtschaftsgemeinschaft (EWG) zum Tragen kamen.

Die Untersuchung geht von der Beobachtung aus, dass politische Entscheidungen von kulturellen Leitbil-dern wie z. B. den Vorstellungen über die Geschlechter-verhältnisse geprägt werden. Die Wechselbeziehungen zwischen Geschlechterkulturen, Institutionen und Poli-tik konnten von der Geschlechterforschung in nationalen und international vergleichenden Studien empirisch be-legt werden.

In Hinblick auf die europäischen Gemeinschaften stand in der Forschung bislang oftmals die Genese, Entwicklung und Bewertung geschlechterpolitischer Maßnahmen, ausgehend von der Festschreibung der Lohngleichheit im EWG-Vertrag 1957, im Zentrum des Interesses. Dagegen liegt bisher noch keine systematische Untersuchung vor, welche die prägenden Geschlechter-konzepte bzw. -vorstellungen der Sozial- und Beschäf-tigungspolitik der EGKS und EWG in den 1950er und 1960er Jahren und deren Rückbindung an den Wandel der Gleichheitsvorstellungen analysiert.

Eine solche Untersuchung muss die Entwicklung des Verhältnisses von Staatlichkeit, Gesellschaft und Ge-schlecht berücksichtigen, das in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts unter anderem durch die europäische Integration und den globalen Gleichheitsdiskurs heraus-

29

PROJEKTE DER KOLLEGIATEN

gefordert wurde. Die ökonomische Zu-

sammenarbeit in der EGKS und EWG war kon-zeptionell eng an das Ziel gebunden, soziale Un-gleichheiten abzubauen und gleiche Arbeits- und Lebensbedingungen zwi-schen den Mitgliedstaaten zu schaffen. Damit traten die europäischen Gemein-uejchvgp"cnu"pgwgt"Ï"ygpp"cwej" dguejt“pmvgt" Ï" Ic-rant sozialer Rechte bzw. als Normsetzungs- und Ordnungssystem gegen- über anderen Systemen wie internationalen Organisa-

tionen oder den Nationalstaaten auf. Andererseits griffen die europäischen Regionalorganisationen in der Erarbei-tung ihres sozialpolitischen Programms auf die Expertise der anderen Akteure zurück. Vor allem die Internationale Arbeitsorganisation (ILO) war ein wichtiger Kooperations-partner.

In der projektierten Arbeit soll daher insbesondere der Wissens- und Normentransfer zwischen der ILO und der EGKS bzw. EWG über „Geschlecht“ und „Gleichheit“, so-wie deren Aneignung durch die europäischen Organisa-tionen nachgezeichnet werden.

Kristin Reichel, seit Ok-tober 2008 als Kollegia-tin mit einem Stipendium des Stifterverbands für die Deutsche Wissenschaft am Kolleg.

Die Philosophie des amerikanischen Pragmatismus ver-zeichnet seit einiger Zeit zunehmendes Interesse. Trotz dieser neu aufkeimenden Beachtung ist die Auseinander-setzung mit dem Pragmatismus keineswegs abgeschlos-sen. Das zeigt sich zumal darin, dass es immer noch eine Vielzahl an Denkern der pragmatistischen Tradition gibt, die wenig Anerkennung erfahren haben. In meinem For-schungsprojekt möchte ich einen Beitrag zur Schließung dieser ideengeschichtlichen Lücke leisten und mich mit dem Werk von Horace Meyer Kallen (1882-1974) einge-hend auseinandersetzen. Als ein Student und Mitarbei-ter von William James und Kollege von John Dewey ist Kallen direkt mit den großen Denkern des Pragmatismus verbunden. Gleichzeitig nimmt Kallen deren Ideen auf und entwickelt sie in vielfacher Weise weiter.

Horace M. Kallen nimmt durch seinen soziokultu-tgnngp"Jkpvgtitwpf"Ï"Kookitcpv"wpf"Lwfg"Ï"gkpg"dguqp-dere Stellung in der Geschichte des Pragmatismus ein und eröffnet dadurch eine neue Perspektive auf diese philosophische Bewegung, die hauptsächlich von altein-gesessenen ‚White Anglo-Saxon Protestants‘ geprägt war. Kallens Herkunft ist im Hinblick auf die thematische Ausrichtung seines Werkes ein nicht zu unterschät-zender Faktor. So setzte er sich schon während seines Studiums für den Zionismus ein und vertrat die Theorie eines kulturellen Pluralismus gegen die damals in den USA vorherrschende Meinung einer ‚Amerikanisierung‘ der Einwanderer.

Die Vielfalt seiner Themen und sein Interesse an den unterschiedlichsten gesellschaftlichen Diskursen konn-ten dennoch nicht verhindern, dass Kallens Werk heut-zutage fast vollständig in Vergessenheit geraten ist. In meinem Forschungsprojekt möchte ich die vorhandene Lücke in der Beschäftigung mit Kallen zum Anlass für eine umfassende Bearbeitung seines Schaffens nehmen. Die Dissertation ist deshalb als eine Monographie über Kallen angelegt, die sich nicht nur mit einem Teilbereich seines Denkens beschäftigt, sondern die Verbindung der unterschiedlichen Aspekte seines Werkes anstrebt und ihn in die Geschichte des Pragmatismus einordnet.

Wichtig hierbei ist an erster Stelle die Erarbeitung

eines Überblicks über das Werk von Horace Kallen, da bis heute keine umfassende Bibliographie vorliegt. Ein weiterer Bereich, der im Laufe des Projektes geklärt werden soll, ist die lücken-hafte Biographie Kallens. Die bisher vorliegenden biographischen Darstellun-gen liefern zwar detaillierte Einblicke, reichen aber nur bis zum Beginn seiner Ar-beit an der ‚New School for Social Research‘ (ab 1919). In der Auseinandersetzung mit Kallens theoretischen Beiträgen sollen in meinem Forschungsprojekt die fol-genden Bereiche bearbeitet werden: Philosophie, Reli-gion, Politik und Bildung. Diese vier Themen scheinen mir die leitenden Aspekte im Werk von Horace M. Kallen zu sein. Er ist dabei besonders an der Idee der Freiheit interessiert. Eine Hypothese meines Forschungsprojektes soll lauten, dass Kallens Philosophie als ein Versuch gesehen werden kann, den Begriff der Freiheit in den wpvgtuejkgfnkejgp" Hcegvvgp" ogpuejnkejgp" Ngdgpu" Ï" Rjknquqrjkg."Tgnkikqp."Rqnkvkm."Dknfwpi"Ï"¦w"wpvgtuwejgp0"Freiheit nimmt hierbei eine übergeordnete Position ein. Mit Freiheit ist bei Kallen die Selbstgestaltungsmöglich-keit der Zukunft eines jeden Menschen gemeint. Philoso-phie, Religion, Politik und Bildung stellen für Kallen die Felder dar, in denen Freiheit Methode (Philosophie), Ziel (Religion und Politik) und Inhalt (Bildung) ist. Freiheit bedeutet bei Kallen aber nicht eine absolute Freiheit, sondern eine Freiheit, die eingebettet ist in einen kultu-rellen (Religion) und sozialen (Politik) Hintergrund. Diese sind für ihn die Ermöglichungsbedingungen der Frei-heit.

Kevin Zdiara: Philosophie, Religion, Politik und Bildung. Zum Werk von Horace M. Kallen

Kevin Zdiara, seit Okto-ber 2008 als Kollegiat mit einem Stipendium der Graduiertenschule „Reli-gion in Modernisierungs-prozessen“ am Kolleg.

30

PROJEKTE DER KOLLEGIATEN

Laufende Projekte der PostdoktorandenDr. Daniel Bogner

Seit Januar 2007 als Postdoktorand mit einem Stipendi-um des Stifterverbandes für die Deutsche Wissenschaft am Kolleg. Forschungsprojekt: „Gewalt und Menschen-rechte in Algerien. Ein Beitrag zur Debatte um die univer-sale Geltung der Menschenrechte“

Dr. des. Mihai-Dumitru Grigore

Seit Oktober 2007 als Postdoktorand mit einem Stipendi-um des DAAD am Kolleg. Forschungsprojekt: „Ein Prin-ceps Christianus: Neagoe Basarab. Südosteuropäisches politisches Denken am Anfang des 16. Jahrhunderts im Vergleich mit Erasmus, Luther und Machiavelli“

Dr. Austin Harrington

Seit Juni 2005 als wissenschaftlicher Mitarbeiter am Kolleg, im Studienjahr 2008/2009 beurlaubt zur Wahr-nehmung einer Gastprofessur an der Europa-Universität Viadrina in Frankfurt/Oder. Forschungsprojekte: „Theo-logical Language in Social Thought“ und „Europa in Wei-mar: German Social Thinkers and the Idea of the West, 1914-1945“

Dr. Bettina Hollstein

Seit April 1998 als wissenschaftliche Kollegreferentin am Kolleg. Habilitationsprojekt: „Das Phänomen Ehrenamt“

Dr. Astrid Reuter

Seit April 2004 als Postdoktorandin am Kolleg, zunächst mit einem Kurzzeitstipendium der Universität Erfurt und dann mit einer Drittmittelfinanzierung der Fritz Thyssen Stiftung. Von Oktober 2005 bis Juli 2006 als Fellow am Wissenschaftskolleg zu Berlin; seit August 2006 wieder am Kolleg, bis Sommer 2007 in Elternzeit. Habilitations-projekt: „Die Entzauberung der säkularen Gesellschaft. Der ‚Kopftuchstreit‘ als Brennpunkt einer neuen Debatte

um das Verhältnis von Religion, Staat, Politik und Gesell-schaft in Frankreich und Deutschland“

Dr. Sabine Sander

Seit Januar 2008 als wissenschaftliche Mitarbeiterin im Forschungsprojekt „Jüdisches Sprachdenken“, gefördert von der German-Israeli Foundation, am Kolleg. Habilita-tionsprojekt: „Sprachdenken als Paradigma des Fremd-verstehens. Jüdisch-deutsche Beiträge zur Kultur- und Sozialtheorie der Moderne“

Dr. Magnus Schlette

Seit April 2005 als Postdoktorand am Kolleg, zunächst mit einem Stipendium des Max-Weber-Kollegs, von No-vember 2005 bis September 2008 mit einem Christoph-Martin-Wieland-Stipendium für Habilitationen der Uni-versität Erfurt, seit Oktober 2008 als wissenschaftlicher Mitarbeiter der Kollegforschergruppe (KFG) „Religiöse Individualisierung in historischer Perspektive“. Habilita-tionssprojekt: „Selbstverwirklichung: Lebenspraxis zwi-schen Autokratie und Transgression. Die Philosophie des Protestantismus als Reflexionsgestalt der Moderne“

Dr. Claudio Viale

Seit April 2007 als Gast-Postdoktorand am Kolleg. For-schungsprojekt: „Can the Pragmatist Sociology of Reli-gion Reformulate the Classical Pragmatist Philosophy of Religion? A Comparative Analysis of Josiah Royce’s and William James’ Religious Conceptions and their Sociolo-gical Consequences“

Dr. Detlef von Daniels

Seit April 2007 als Postdoktorand mit einem Stipendium der DFG im Rahmen des Graduiertenkollegs „Menschen-würde und Menschenrechte“ am Kolleg. Forschungspro-jekt: „Idee und Wirklichkeit der Menschenrechte im Aus-gang vom Sozialen“

Laufende Projekte der Doktoranden

Kathi Beier

Von April 2004 bis November 2007 mit einem Stipendi-um der Jutta-Heidemann-Stiftung sowie von Januar bis Juni 2007 mit einem DAAD-Stipendium für einen Aus-landsaufenthalt in Oxford (UK), seit April 2008 als Gast-kollegiatin am Kolleg. Dissertationsprojekt: „Selbsttäu-schung und praktische Identität“

Bernadett Bigalke

Von Oktober 2005 bis September 2008 mit einem Stipen-dium der Vereinigten Kirchen- und Klosterkammer, seit Oktober 2008 als Gastkollegiatin am Kolleg. Disserta-

tionsprojekt: „Die Leipziger alternativ-religiöse Szene um 1900 am Beispiel der ‚Theosophischen Gesellschaften‘“

31

Kollegiat/inn/en während des Sommerfestes am Max-Weber-Kolleg im Juni 2008

PROJEKTE DER KOLLEGIATEN

32

Radu Harald Dinu

Seit April 2007 als Kollegiat mit einem Stipendium der DFG im Rahmen des Graduiertenkollegs „Menschenwür-de und Menschenrechte“ am Kolleg. Dissertationspro-jekt: „Faschismus, Religion und Gewalt in Südosteuropa. ‚Ustaša‘ und ‚Legion Erzengel Michael‘ im historischen Vergleich“

Ismail Ermagan

Seit Oktober 2007 als Kollegiat mit einem Stipendium der Robert Bosch Stiftung am Kolleg. Dissertationspro-jekt: „Der EU-Skeptizismus in der Türkei und dessen Vertreter. Eine Untersuchung der EU-skeptischen/geg-nerischen Einstellungen in der türkischen Politik am Beispiel von der CHP, AKP und MHP“

Fatih Ermis

Seit April 2007 als Kollegiat mit einem Stipendium der Robert Bosch Stiftung am Kolleg. Dissertationsprojekt: „Osmanisches Wirtschaftsdenken, 1750-1808“

Mateusz Falkowski

Seit Oktober 2006 mit einem Stipendium der Marga und Kurt Möllgaard-Stiftung am Kolleg. Dissertationsprojekt: „In the Underground. Sociological analysis of Samizdat publishing in communist Poland between 1977 and 1989“

Anja Finger

Seit April 2004 mit einem Stipendium der Vereinigten Kirchen- und Klosterkammer sowie einem DAAD-Sti-pendium für einen einjährigen Auslandsaufenthalt am Mqnngi0"Fkuugtvcvkqpurtqlgmv<"ä*M+Gkp"ucphvgt"Uejnch"Ï"¦wo"religiösen Umgang mit einer bestimmten Form der Nicht-Handlung und seinen Folgen. Eine vergleichend-reli- gionssoziologische Studie“

Petra Häfner

Seit Oktober 2007 als Kollegiatin mit einem Stipendium des Stifterverbandes für die Deutsche Wissenschaft am Kolleg. Dissertationsprojekt: „Ein europäisches Sozial-modell? Der strukturelle Wandel der Alterssicherungs-systeme in Mittel- und Osteuropa“

Susanne Herrmann-Sinai

Seit April 2006 als Kollegiatin mit einem Stipendium der Universität Erfurt, seit Juni 2006 mit einem Stipendium der Studienstiftung des deutschen Volkes am Kolleg; von Juli 2006 bis September 2007 beurlaubt wegen Eltern-zeit. Dissertationsprojekt: „Formenwandel und Entwick-nwpi"Ï"qfgt"ycu"gu"jgkv."gkpgo"Rtkp¦kr"¦w"hqnigp0"Gkpg"Theorie moralischer Handlungspraxis in Auseinander-setzung mit Christine Korsgaard“

Gregor Klapczynski

Seit Oktober 2007 als Gastkollegiat am Kolleg. Disserta-tionsprojekt: „Katholischer Historismus? Kirchenhistori-ker der Modernismuszeit zwischen Entwicklungsdenken und Dogmenglaube“

Nora Kreft

Seit Oktober 2006 zunächst als Gastkollegiatin, seit Ok-tober 2007 als Kollegiatin mit einem Christoph-Martin-Wieland-Stipendium der Universität Erfurt, seit Novem-ber 2007 mit einem Stipendium der Studienstiftung des deutschen Volkes am Kolleg. Dissertationsprojekt: „Die moralische Relevanz der Liebe: Liebe und der Sinn des Lebens“

Jörg Lange

Seit April 2007 als Kollegiat mit einem Stipendium der DFG im Rahmen des Graduiertenkollegs „Menschen-würde und Menschenrechte“ am Kolleg. Dissertations-projekt: „Konzentrationslager und Menschenrechte: Die Bedeutung des Menschenrechtsbezugs in deutschen Ge-denkstätten“

Christoph Lundgreen

Seit April 2007 als Gastkollegiat am Kolleg. Dissertations-rtqlgmv<"äNgz."kwu."oqu"Ï"cdgt"mgkpg"XgthcuuwpiA"Pqtogp-hierarchie und Metaregeln in der römischen Republik“

Anne Mazuga

Seit April 2007 als Kollegiatin mit einem Stipendium der Jutta-Heidemann-Stiftung am Kolleg. Dissertationspro-lgmv<" äWpfgt"Uqog"Fguetkrvkqp"Ï"⁄dgt"fcu"¥wuejtgkdgp"von Handlungen“

Eva Range

Seit April 2007 als Kollegiatin mit einem Stipendium der DFG im Rahmen des Graduiertenkollegs „Menschenwür-de und Menschenrechte“ am Kolleg. Dissertationspro-jekt: „Menschenrechte, soziale Bewegungen und trans-nationale Akteure in der Republik Südafrika“

Dorothea Reinmuth

Seit April 2006 zunächst mit einem Christoph-Martin-Wieland-Stipendium der Universität Erfurt, seit August 2006 mit einem Stipendium der Studienstiftung des Deutschen Volkes am Kolleg. Dissertationsprojekt: „Die Performativität der Anerkennung. Potentiale und Gren-zen neuerer Anerkennungstheorien (Taylor, Honneth, Fraser)“

PROJEKTE DER KOLLEGIATEN

Dr. Christof Mandry: Europa als „Wertegemeinschaft“? Eine theolo-gisch-ethische Studie zum politischen Selbstverständnis der Euro- päischen Union

33

Von April 2004 bis Februar 2006 als Postdoktorand mit einem Kurzzeitstipendium der ASKO Europa-Stiftung, von März 2006 bis April 2009 als Drittmittelmitarbeiter im Rahmen des vom BMBF finanzierten Verbundprojekts „Mobilisierung von Religion in Europa“ am Kolleg. Ha-bilitationsprojekt: „Europa als ‚Wertegemeinschaft‘? Eine theologisch-ethische Studie zum politischen Selbstver-ständnis der Europäischen Union“. Die Habilitations-schrift wurde 2008 bei der Katholisch-Theologischen Fa-kultät der Universität Erfurt eingereicht.

Die Rede von der Europäischen Union als einer poli-tischen Gemeinschaft „sui generis“ bringt das Problem der ungeklärten und strittigen politischen Identität der EU zum Ausdruck. Seit den 1970er Jahren wird die Iden-tität der Europäischen Union auf politischer Ebene dis-kutiert. Im Europäischen Reformkonvent, der 2002-2003 den Entwurf für einen europäischen Verfassungsvertrag beriet, hat schließlich die Selbstbezeichnung als „Wer-tegemeinschaft“ eine zentrale Stellung eingenommen: Die Union, so heißt es dort, gründet sich auf bestimmte Werte. Auch der Vertrag von Lissabon hält an dieser Lö-sung fest und verknüpft die politische Identität der EU mit Werten. Meine Untersuchung geht von diesen Be- obachtungen aus, um das keineswegs selbstverständli-

che und von vornherein klare Selbstverständnis der EU als „Wertegemeinschaft“ begrifflich zu analysieren und politisch-ethisch einzuordnen.

Der Beginn mit einer Diskursanalyse der einschlägigen Debatten des Verfassungskonvents hat dabei den Vorteil, den tatsächlichen Sprachgebrauch und das semantische Feld des Ausdrucks „Wertegemeinschaft“ zum Ausgangs-punkt für die weitere Untersuchung machen zu können. So konnte gezeigt werden, welche Konfliktlinien und wel-che strittigen Punkte mit den „gründenden Werten“ ver-bunden sind, aber auch welche gemeinsamen Annahmen in den politischen Debatten vorausgesetzt werden. Strit-tiger, so wurde deutlich, sind weniger die einzelnen Werte, sondern sind die Fundamente dieser Werte selbst, die in Religionen, Traditionen und Weltanschauungen erkannt werden. Die Frage nach den Werten der Union ist folglich mit dem „Präambelstreit“ über einen Gottesbezug oder die Erwähnung des Christentums eng verbunden. Nach einer historischen Kontextualisierung in den Debatten über die Identität der EU und über europäische Werte nimmt sich die Untersuchung den Identitätsbegriff vor. Ein engerer Begriff politischer Identität wird von einem weiteren kulturellen Identitätsbegriff abgehoben, um so ein begrenzteres Feld der genuin politischen Debatte zu gewinnen, jedoch ohne die Verbindung zwischen beiden

Christian Scherer

Von Januar 2004 bis Dezember 2006 mit einem Stipen-dium der Vereinigten Kirchen- und Klosterkammer, seit Januar 2007 als Gastkollegiat am Kolleg. Dissertations-projekt: „Die Rezeption des Wertkomplexes der Men-schenwürde und Menschenrechte im deutschen Katholi-zismus von 1871 bis zum II. Vatikanischen Konzil“

Dominik Schlosser

Seit Oktober 2006 mit einem Stipendium der Kirchen- und Klosterkammer am Kolleg. Dissertationspro- jekt: „,...the greatest driving force mankind has ever experienced.‘ Das Islamverständnis MuÎammad Asads“

Stephan Steiner

Seit November 2006 mit einem Stipendium des Stifter-verbandes für die Deutsche Wissenschaft am Kolleg, vom Oktober 2008 bis Juni 2009 beurlaubt zur Wahrnehmung einer Fellowship am Internationalen Forschungszentrum Kulturwissenschaften (IFK) in Wien, finanziert durch ein IFK-Junior-Fellowship der Österreichischen Akademie der Wissenschaften. Dissertationsprojekt: „Leo Strauss und die Marburger Hermeneutik. Eine historisch-syste-matische Rekontextualisierung“

Christian Westerhoff

Seit Oktober 2005 als Kollegiat mit einem Stipendium der Landesgraduiertenförderung am Kolleg, vom Februar bis Dezember 2008 zu einen Forschungsaufenthalt am „Centre d’Etudes et de Documentation Guerre et Sociétiés contem-poraines“ in Brüssel, finanziert durch den DAAD. Disserta- tionsprojekt: „Zwangsarbeit im Ersten Weltkrieg. Rekru-tierung und Beschäftigung osteuropäischer Arbeitskräfte in Deutschland und in den besetzten Gebieten“

Stefanie Westermann

Von Oktober 2007 bis Dezember 2007 als Kollegia-tin mit einem Stipendium der DFG, seit Januar 2008 als Gastkollegiatin im Rahmen des Graduiertenkollegs „Menschenwürde und Menschenrechte“ am Kolleg. Dis-sertationsprojekt: „Die Wiederaufnahme von Erbgesund-heitsprozessen in der Bundesrepublik und die Perspekti-ve der Zwangssterilisierten“

Marc Zivojinovic

Seit Oktober 2007 als Kollegiat mit einem Stipendium des Stifterverbands für die Deutsche Wissenschaft am Kolleg. Dissertationsprojekt: „Der jugoslawische Titokult 1941-1991“

Abgeschlossene Projekte der Postdoktoranden

PROJEKTE DER KOLLEGIATEN

34

Abgeschlossene Projekte der Doktoranden

Patrick Wöhrle: Metamorphosen des „Mängelwesens“. Zu Arnold Gehlen und seiner Wirkung auf die soziologische Theorie

Von April 2004 bis März 2007 mit einem Christoph-Mar-tin-Wieland-Stipendium der Universität Erfurt, von April bis September 2007 beurlaubt aufgrund der Übernahme einer Vertretung an der Technischen Universität Dres-den, von Oktober 2007 bis Juni 2008 als Gastkollegiat am Kolleg. Dissertationsprojekt: „Metamorphosen des ‚Mängelwesens‘. Zu Arnold Gehlen und seiner Wirkung auf die soziologische Theorie“

Die ursprüngliche Motivation des nun abgeschlossenen Projektes, die sich bei einem so umstrittenen, teils auch gemiedenen Autor wie Gehlen ja keineswegs von selbst versteht, lässt sich am Bild des „doppelten Gehlen“, das ich zum Ausgangspunkt der Untersuchung mache, am ehesten nachvollziehen. Dieses Bild bezieht sich auf die seltsam mehrfache Präsenz, in der dieser Autor dem Leser bis heute begegnet: Gehlen tritt zugleich auf als sensibler Beobachter kindlicher Kreisprozesse und als unbelehrbar-autoritärer Institutionalist, er firmiert in seiner Diagnose der post-histoire als Stichwortgeber der Postmoderne, er erregte und erregt Aufmerksamkeit als stilistisch brillanter Zeit- und Kulturkritiker ebenso wie cnu"gkp"Cwvqt."fgt"ukej"Ï"wpv{rkuej"h¯t"gkpgp"äMqpugtxc-tiven“ und ohne jede übliche Trauer über den „Verlust fgt" OkvvgÑ" Ï" okv" fgt" oqfgtpgp" Ocngtgk" mgppvpkutgkej"und durchaus wohlwollend auseinandersetzte. Je mehr Nuancen seines Denkens, aber auch seines oft mehr vermuteten als belegten Wirkens mir bekannt wurden, desto mehr stellte sich mir die Frage, in welchem theore-tischen Schlüsselprinzip eigentlich diese verschiedenen Stränge zusammenlaufen und von welcher Kategorie aus auch die problematischen Dimensionen seines Denkens verständlich gemacht werden können: Hierbei rückte schnell die Kategorie der Handlung ins Zentrum meiner Aufmerksamkeit, mit ihr aber auch das Problem, dass in der Rezeptionsgeschichte über Gehalt und Status dieser Kategorie größte Unklarheit herrscht: Mal wird sie in der Literatur als irrationalistisch oder dezisionistisch, mal als instrumentalistisch oder kompensatistisch, mal als solipsistisch und mal als kollektivistisch be- und verur-teilt. Recht bald stellte sich der Eindruck ein, dass mit fkgugp"Ïkuogp"fgo"fwtejcwu"wpu{uvgocvkuej"gpvykemgn-ten Kategorienreichtum der Gehlenschen Handlungsthe-orie kaum Rechnung getragen werden kann. Vielmehr führten diese oft auch theoriepolitisch motivierten Ver-einheitlichungen des Gehlenschen Werkes dazu, dass

die unkonventionellen und für eine nichtrationalistische Handlungstheorie wichtigen Einsichten in der Rezeption deutlich ins Hintertreffen gerieten.

Aus der gerade geschilderten Problemlage ergibt sich unmittelbar das Ziel des ersten Teils, über die schillernde Mehrschichtigkeit des Handlungsbegriffs Klarheit zu ge-winnen. Es geht um den Nachweis einer „inneren Dyna-mik“, der Gehlens elementare Anthropologie und seine Institutionenlehre verknüpft und der die soziologische Problemstellung seines Denkens erhellen soll: Jene „in-nere Dynamik“ liegt entscheidend darin begründet, dass bei Gehlen ein fast materialistisch anmutendes Verständ-pku" fgt"Jcpfnwpi" Ï"Jcpfgnp" cnu"Ygnvwoctdgkvwpi"wpf"Ugnduvdknfwpi"Ï" kp"itwpfu“v¦nkejgt"Urcppwpi" ¦w"gkpgo"„Handeln mit Sollqualität“ steht, das sich am „Sosein“ der Welt orientieren soll. Paradoxerweise nun werden diese beiden Schwerpunkte von Gehlen zugleich normativ ausgelegt. Aus diesem Spannungsverhältnis werden der Nuancenreichtum des Handlungsbegriffs und jene „inne-re Dynamik“ allererst verständlich, und die destillierten Handlungsgewichtungen sind gewissermaßen Stationen dieser Dynamik: Zunächst wird das von Gehlen so sen-sibel nachgezeichnete „kommunikative Handeln“ des Kindes in den Blick genommen, das in der elemenen-taren Anthropologie allerdings auf einen „instrumen-tellen“ Handlungsbegriff hin finalisiert wird. Dieser „in- uvtwogpvgnngÑ"Jcpfnwpiudgitkhh"igt“v"fcpp"Ï"uq"fkg"Vjgug"Ï"kp"Mqphnkmv"okv"Igjngpu"gkigpgp"qtfpwpiuvjgqtgvkuejgp"Prämissen. Die Folgen aus diesem Konflikt sind in Der Mensch noch widersprüchliche Zusatz- und Verlegen-heitskonstruktionen wie „irrationale Erfahrungsgewiss-heiten“ und „Oberste Führungssysteme“, die allerdings aus einem bestimmten Grund nicht als „letztes Wort“ der Gehlenschen Ordnungstheorie bewertet werden. Diese Entscheidung hat nichts mit einem Verschweigen der frühen faschistischen Ordnungskonzeption Gehlens zu tun, sondern durchweg systematische Gründe: Die ers-te fragmentarische Fassung der „Ordnungstheorie“ Geh-ngpu" Ï" gdgp"fkg" äQdgtuvgp"H¯jtwpiuu{uvgogÑ" Ï" ikdv" h¯t"eine handlungstheoretisch-soziologische Untersuchung kaum etwas her, da dort Handeln selbst überhaupt nicht zum Thema wird; die „Obersten Führungssysteme“ prä-hqtokgtgp"lc"Jcpfgnp"Ï"ykg"Igjngp"kp"Cpdkgfgtwpi"cp"Tq-ugpdgti"uciv"Ï"fwtej"gkp"äkoocpgpvgu"¥wejvdknfÑ"dgtgkvu"erschöpfend. Anders als in diesem früheren Entwurf will bzw. muss er in seiner eigentlichen Institutionentheorie,

Begriffen gänzlich zu kappen. Nach diesen deskriptiven und begrifflichen Teilen besteht ein zentraler Teil der Ar-beit in einem Konzept des Wertes, das den Phänomenen des Werthaltens und der Wertesprache angemessen ist, das die schlichte Alternative zwischen Objektivität und (bloßer) Subjektivität von Werten vermeidet und das schließlich für eine Ethik der Werthaltungen offen ist.

Die Hauptergebnisse meiner Untersuchung bestehen in der sich u. a. auf Charles Taylor stützenden Theo-rie von Werten, die in ihnen ein Brückenkonzept zwi-schen unterschiedlichen Überzeugungsgemeinschaften

erkennt; in einer Ethik des politischen Gebrauchs von Werten, die vor allem auf die Gelingenserfordernisse für Wertedebatten in pluralistischen gesellschaftlichen und politischen Kontexten abhebt, aber auch auf die Grenzen des Wertekonzepts eingeht; und schließlich in einer theo-logisch-ethischen Reflexion auf Erfordernis und Bedin-gungen des religiösen, christlichen Sprechens über Wer-te und ihre „Quellen“ in der politischen Öffentlichkeit, die Ï"pcej"gkpgt"mtkvkuejgp"vjgqnqikuejgp"Tgncvkxkgtwpi"fgu"Ygtvgmqp¦grvu" Ï" cwh" fkg"Fkogpukqpgp" gkpgt"Verantwor-tung für Werte abstellt.

PROJEKTE DER KOLLEGIATEN

die er in Urmensch und Spätkultur entwirft, ein „Handeln mit Sollqualität“ aus der Handlungskategorie selbst ent-wickeln, und verbunden hiermit ist eine weitaus indi-rektere, ja geradezu kontingenzsensitive Argumentation, die sich auch wirkungsgeschichtlich als ungleich frucht-barer erweisen sollte: Gehlens „indirekter“ ordnungstheo-tgvkuejgt"Pgwcpucv¦"Ï"uq"yktf"ig¦gkiv"Ï"kuv"kp"fgo"Ukppg"„überdeterminiert“, dass es sich um phänomenologisch sensible Überschüsse einer Theorie handelt, deren Er-kenntnisinteresse durchaus eine autoritäre Lösung des Ordnungsproblems sein mag. Gehlen nimmt auf seiner Suche nach einem „Handeln mit Sollqualität“ nämlich solche Verselbständigungen, Inversionen, „Virtualisie-rungen“ und Brechungen auch und gerade des instru-mentellen Handelns in den Blick, die sich auf höchst produktive Weise gängigen Dichotomien wie „zweck-rationalem“ vs. „verständigungsorientiertem“ Handeln oder einer handlungstheoretischen Marginalisierung des Experiments, der Gewohnheit und des Rituell-Zeremo-niellen entziehen. Um allerdings der Ambivalenz auch dieses Neuansatzes Rechnung zu tragen, folgt im zwei-ten Teil der Rekonstruktion eine systematische Werkkri-tik, die sich zentralen „Denkmotiven“ bzw. „Denkzwän-gen“ widmet: Ausgehend von Gehlens elitärem Ideal der Selbststeigerung und seiner letztlich doch aporetischen Institutionentheorie werden notwendige Historisierungen dabei durchgehend an einer immanenten Kritik kontrol-liert: So erfolgen Einzeluntersuchungen zur inkonsisten-ten Verhältnisbestimmung von Handlung und Reflexion, zum „halbierten Pragmatismus“ und zur „Dingsozialität“ Gehlens.

An die handlungstheoretische Rekonstruktion der ersten beiden Teile knüpft sich eine Untersuchung der soziologischen Wirkungsgeschichte Gehlens, die sich vor allem mit dem Problem konfrontiert sieht, dass Gehlens Wirkung in den wenigsten Fällen offen zutage liegt und zudem höchst unterschiedliche Einflussbahnen genom-men hat. Daher wird im Zuge dieser Untersuchungen auch nicht retrospektiv der Bildung einer „Gehlen-Schu-le“ beigewohnt, sondern es werden die variantenreichen, oftmals gar schulgeschichtlich konträren Wege verfolgt, in denen die mal subkutane, mal offensichtliche Aneig-nung Gehlens vonstatten ging. Dieses Vorhaben einer soziologischen Wirkungsgeschichte nimmt den Ausgang von Helmut Schelsky, der nicht nur aufgrund seiner be-deutenden soziologischen Vermittlung des Gehlenschen Werkes an erster Stelle steht, sondern auch, weil er sei-ne Detailkenntnis dieses Werkes dazu nutzt, besonders zwei bedeutsame Korrekturen an der Institutionenlehre cp¦wdtkpigp0"Fkgug"Mqttgmvwtgp" ¦gkigp" Ï" ingkejuco"cnu"äCwhj“pigtÑ" Ï" ¦ygk"ygkvgtg"ygugpvnkejg"Tkejvwpigp" cp."in der die soziologische Aneignung Gehlens verlaufen ist. In Schelskys Überlegungen zur „Institutionalisierbarkeit der Dauerreflexion“ und zu einer gegenwartsadäquaten Fassung der „Entlastungsfrage“ klingen bereits Motive an, die sich dann in den so unterschiedlichen Theorieent-würfen von Habermas und Luhmann extensiv wiederfin-den: Habermas und noch radikaler Karl-Otto Apel identi-fizieren in verschiedener Intensität Kommunikation und Institution, und die Analyse zeigt, dass diese wohl über-raschendste Wirkungsgeschichte vor allem darauf grün-det, dass die „Diskursethik“ für das behauptete Primat einer verständigungsorientierten und zugleich verpflich-tungsfähigen Kommunikation jene antiutilitaristischen und antifunktionalistischen Strukturbedingungen veran-

schlagt, die Gehlen seiner Vorstellung „zwecklos obliga-torischen Handelns“ zugrunde legt. Luhmann wiederum knüpft in seinen frühen Schriften an Gehlens Modell des Mängelwesens an, indem er das „Entlastungstheorem“ Ï" wturt¯pinkej" kp" gzrnk¦kv" cpvjtqrqnqikuejgt" Cdukejv" Ï"auf die verschiedensten Zusammenhänge überträgt: auf formale Organisation, auf sich selbst anwendbare „re-flexive Mechanismen“ und schließlich auf die steigende Abstraktion von „inhaltlich“ Verbindlichem, durch die sich Institutionen bzw. Systeme von den wechselnden Zuständen der Umwelt entlasten. „Abstraktion“ ist auch das Stichwort für die mehrgliedrigen Anknüpfungen an Gehlen, die in Dieter Claessens‘ „soziologischer Anthro-pologie“ zu finden sind: Der Gedanke der „Abstraktion“ ist zunächst deswegen leitend für Claessens‘ produktive Auseinandersetzung mit Gehlens Werk, weil er diesem die genaue Ausformung seines Mängelwesentheorems cnu"ähcnuejg"CduvtcmvkqpÑ"xqtj“nv"Ï"p“onkej"cnu"Cduvtcm-tion von den sozialen Konstitutionsbedingungen (Grup-pe, Mutter-Kind-Dyade, Familie), die die Gehlensche „Abhängbarkeit“ der Handlung von den Antrieben erst möglich und so die Rede von einer Selbstformung des Subjekts erst plausibel machen. Claessens‘ späte „Genea- logie des Abstrakten“ nimmt diesen Faden wieder auf, indem sie Institutionen als Agenturen kenntlich macht, die zwischen „abstrakten“ Handlungsanforderungen und nach wie vor konkreter Handlungsmotivation vermit-teln. Hier kündigt sich wiederum Karl-Siegbert Rehbergs Gehlen-Lektüre an, die den Abschluss der Wirkungsge-schichte bildet: Seine kritische Fortführung des Institu-tionenthemas fokussiert zunächst auf die erzählerischen Evokationsprinzipien institutioneller „Eigenauthentizi-tät“, um dann die Aufmerksamkeit mehr und mehr auf die „Visibilisierung von Ordnung“ zu lenken: Seit Anfang der 90er Jahre macht Rehberg die Sichtbarkeit von Gel-tungsansprüchen geradezu zum definitorischen Zentrum von „Institutionen“, wobei er wiederum Impulse von Geh-lens weitem und teils auch unscharfen Symbolbegriff aufnimmt. Auf diese Weise will er den Institutionenbe-griff sowohl vor einer vorschnellen Verabschiedung wie xqt"gkpgt"mqpugtxcvkxgp"Xgtgkppcjowpi"tgvvgp"Ï"wpf"gu"steht gewissermaßen repräsentativ für die in diesem Pro-jekt beleuchtete, durchaus ambivalente Attraktivität des Gehlenschen Werkes, dass sich gerade in jenem Entwurf Rehbergs, der politisch wohl am weitesten von Gehlens Vorlieben entfernt ist, die dichteste Interpretation und detaillierteste Weiterführung von dessen Werk findet.

35

Patrick Wöhrle (links) nach Überreichung des Doktor-hutes durch Prof. Hans Joas im Oktober 2008

TAGUNGSBERICHTE

Veranstalter: Prof. Dr. Winfried Brugger, Prof. Dr. Hans Joas, Prof. Dr. Hans G. Kippenberg, Dr. Astrid Reuter

In der gesellschaftlichen Öffentlichkeit wird über Reli-gion wieder vermehrt gestritten. Sei es die Verletzung islamischer Werte durch Texte oder Karikaturen, die Kopfbedeckung muslimischer Lehrerinnen oder Schüle-rinnen, das Kreuz in der Schule, der Status christlichen oder islamischen Religionsunterrichts in der öffentlichen Schule bzw. seine Substitution durch konfessionsneu-tralen Werte- oder Religionskunde- bzw. Lebenskun-deunterricht oder die rechtliche Anerkennung von Re-nkikqpuigogkpuejchvgp" Ï" Tgnkikqp" kuv" cwh" fkg" …hhgpvnkejg"Aufmerksamkeitsagenda zurückgekehrt. Ihren Ausgang nehmen die neuen Religionskontroversen in der Regel in lokal oder situativ begrenzten Konflikten, deren Streit-potential den jeweiligen Entstehungskontext gleichwohl ¯dgtuvgkiv"wpf"Ï"¯dgt"fkg"co"Cwuicpiumqphnkmv"dgvgknki-vgp"Uvtgkvrctvgkgp"jkpcwu"Ï"dtgkvg"igugnnuejchvnkejg"Mtgkug"zu mobilisieren vermag. Die Intensität der Kontroversen lässt erkennen, dass nicht allein geringfügige religions-rechtliche und -politische Details fraglich geworden, son-dern fundamentale gesellschaftliche Ordnungsentschei-dungen, ja die (unterstellten oder tatsächlich geteilten) normativen Grundlagen der Gesellschaft berührt sind.

Die Tagung führte Religionswissenschaftler, Rechts-wissenschaftler und Soziologen zusammen. Neben den

genannten Veranstaltern waren noch Dr. Schirin Amir-Moazami, (Frankfurt/O., Berlin), Prof. Dr. Christopher Clark (Cambridge/UK), Dr. Hella Dietz (Göttingen, Ber-lin), Dr. Hans-Michael Heinig (Heidelberg, Berlin), Prof. Dr. Matthias Koenig (Göttingen), Prof. Dr. Volkhard Krech (Bochum), Prof. Dr. David Nirenberg (Chicago), Brigitte Schön (Bonn), Dr. Nikola Tietze (Paris, Hamburg) und Prof. Dr. Fabian Wittreck (Münster) mit Vorträgen beteiligt. Ihre Beiträge behandelten in systematischer Perspektive das Konflikt- und Wertfindungspotential religiöser Semanti-ken, fragten nach dem Vergesellschaftungspotential von Religionskontroversen und verorteten die jüngeren Kon-flikte und Kontroversen um Religion in der europäischen Religions- und Verfassungsrechtsgeschichte. Ausgehend von den europäischen ‚Kulturkämpfen‘ des 19. Jahrhun-derts bis hin zu den zahlreichen Kontroversen im letzten Drittel des 20. Jahrhunderts wurden einzelne Religions-kontroversen exemplarisch rekonstruiert und analysiert sowie unter dem Gesichtspunkt religionsrechtlicher Kon-vergenz betrachtet. Der Schwerpunkt lag dabei auf Euro-pa, insbesondere auf Deutschland; vergleichende Blicke, etwa in die USA, haben den Blick auf die europäischen Religionskontroversen geschärft.

Die Tagungsbeiträge werden von Hans G. Kippenberg und Astrid Reuter beim Verlag Vandenhoeck & Ruprecht herausgegeben.

Hans G. Kippenberg

Tagungen und Workshops am Max-Weber-Kolleg

„Religionskontroversen im Verfassungsstaat“, Tagung vom 14. bis 16. Februar 2008 am Max-Weber-Kolleg

36

„Der Ariadnefaden der Anthropologie Paul Ricœurs“, Meisterkurs mit Prof. Dr. Jean Greisch vom 3. bis 7. März 2008

Der vom Forschungsinstitut für Philosophie Hannover jährlich ausgerichtete philosophische Meisterkurs fand diesmal in Kooperation mit dem Max-Weber-Kolleg und der Katholisch-Theologischen Fakultät der Universität Erfurt statt. Gut 20 Teilnehmerinnen und Teilnehmer waren im März 2008 eingeladen, unter der Führung von Prof. Jean Greisch die Anthropologie Paul Ricœurs zu diskutieren.

„Ein Buch zu lesen heißt, seinen Autor als bereits ge-storben und das Buch als ein posthumes zu betrachten ... Der Autor kann nicht mehr antworten, es bleibt nur, ugkp"Ygtm"¦w"ngugpÑ"Ï"okv"fkgugt"koogt"ykgfgt"¦kvkgtvgp"Aussage hat der französische Philosoph Paul Ricœur *3;35Ï4227+"fkg"Gkigpuv“pfkimgkv"gkpgu"Vgzvgu"igigp¯dgt"seinem Autor betont. Sein eigenes Werk hat er dabei aus-drücklich eingeschlossen und sogar erklärt, „dass meine Leser mehr als ich das Recht haben zu interpretieren, da sie sich auf Distanz befinden und somit die Gesamtheit meines philosophischen Werkes sehen können.“

Insofern war es in gewisser Weise stimmig, dass im Rahmen des diesjährigen „Meisterkurses“ zu Ricœurs Anthropologie nicht dieser selbst, sondern ein anderer „Meister“ sein Werk interpretierte: Jean Greisch, Profes-sor am Institut Catholique de Paris, der ein langjähriger Weggefährte Ricœurs war und dem Comité Editorial an-gehört, das dessen Nachlass betreut.

„Fehlbarkeit und Fähigkeit“ lauteten die beiden Leit-linien, unter denen Greisch Ricœurs Anthropologie be-leuchtete, und es wurde im Lauf der Tage deutlich, wie diese beiden Schlüsselkonzepte Ricœurschen Denkens einerseits eine im Lauf seines Schaffens sich einstellende Blickverschiebung markieren: von der starken Akzentu-ierung der Fehlbarkeit des Menschen im Frühwerk bis zur immer ausdrücklicheren Reflexion auf den „homme capable“ in seinen letzten Texten. Andererseits spannt die Htcig"pcej"fgo" Ï" hgjndctgp." uejwnfkigp." urtgejgpfgp."jcpfgnpfgp." ngkfgpfgp." h“jkigp" Ï"Ogpuejgp" gkpgp" itq/ßen Bogen über das gesamte Werk, der gegenüber dem Hauptstrom der Rezeption andere Schwerpunkte setzt. Denn er beginnt bereits bei der bisher selten rezipierten (und auch noch nicht ins Deutsche übersetzten) Früh-schrift Le volontaire et l´involontaire (1950) und endet erst bei Ricœurs letzter Monographie, Parcours de la recon-naissance (2004), „über-spannt“ dabei aber gleichsam die Werke aus Ricœurs mittlerer Schaffensperiode, die in der Regel im Vordergrund der Aufmerksamkeit stehen: So war auf dem Meisterkurs nur am Rande die Rede von der Symbolik des Bösen, Ricœurs Texthermeneutik, der Lebendigen Metapher oder den drei Bänden von Zeit und Erzählung. Auf diese Weise stellte der Kurs zum einen eine Einführung in das Werk Ricœurs dar, die nicht nur ein Potpourri der vielen Themen bot, die Ricœur im Lauf seines Lebens beschäftigten, sondern einen Ariadnefaden

TAGUNGSBERICHTE

37

„The Axial Age and its Consequences for Subsequent History and the Present“, Conference in Erfurt, July, 3-5 2008

durch das Labyrinth; zum anderen war die gebotene Per-spektive auch für diejenigen reizvoll, die sich mit Ricœurs Werk schon länger beschäftigen.

Jean Greisch, der „Interpretations-Meister“, lenkte da-bei den Blick nie auf sich selbst, sondern trat ganz hinter der Arbeit der Interpretation zurück. Zugleich erschloss er in detaillierter Arbeit die Quellen, aus denen Ricœurs Denken sich speist: die offenen und verdeckten Anleh-nungen an und Auseinandersetzungen mit Husserl und

Heidegger, Platon und Kant, Hegel und Honneth ... Der Ariadnefaden war in diesem Labyrinth manchmal sehr nötig. Auflockernd wirkten die gelegentlich eingestreuten Bemerkungen Greischs aus persönlichen Gesprächen mit Ricœur (sehr einprägsam zum Beispiel, dass Ricœur bis fast zum Ende seines Lebens ausschließlich in Texten und nicht in Bildern träumte).

Für eine Weitung des Blicks sorgten vor allem die Dis-kussionen in der Runde, die durch die sehr unterschied-lichen theoretischen Provenienzen und Perspektiven der Teilnehmer besonders an Reiz gewannen und in denen Ricœurs Überlegungen auch dem Kreuzfeuer der Kritik ausgesetzt wurden.

In bereits bewährter Tradition trat der Meisterkurs an einem Abend mit einer Podiumsdiskussion an die Öffentlichkeit. Jean Greisch, Gerhard Kruip (Leiter des Forschungsinstituts für Philosophie Hannover), Michael Gabel (Professor für Fundamentaltheologie an der Uni-versität Erfurt) und Hans Joas (Dekan des Max-Weber-Kollegs) diskutierten dabei Fragen mit Blick auf den kul-turellen Pluralismus.

Einen weiteren wesentlichen Bestandteil des Kurses bildete die Vorstellung von Projekten der Teilnehmer Ï" gkpg" ykejvkig" Gthcjtwpi" h¯t" fkglgpkigp." fkg" cwh" fkgug"Weise Rückmeldungen zu ihrer wissenschaftlichen Ar-beit erhielten, aber ausgesprochen anregend auch für die Zuhörer. Wenn man von der Schwerpunktsetzung der vorgestellten Projekte auf die vorrangigen philoso-phischen Fragen der unmittelbaren Zukunft folgern dürf-te, wäre zu prognostizieren, dass uns die Fragenkreise von Sprachlichkeit und Erinnerung noch eine Weile be-schäftigen werden.

Angesichts dieser reichhaltigen geistigen Kost war es nicht verwunderlich, dass sich die Gespräche häu-fig auch bei den Mahlzeiten und in abendlichen Runden fortsetzten. Und auch wenn es vermutlich einer Greisch- schen Archäologie bedürfte, um solche Verbindungslinien eindeutig aufzudecken, werden die im Kurs gewonnenen Einsichten sicher für viele Teilnehmer zu verborgenen Quellen weiteren Denkens werden.

Veronika Hoffmann

Prof. Dr. Jean Greisch im März 2008 in Erfurt

On 3-5 July 2008 a conference was held at the Thüringer Staatskanzlei in the city of Erfurt, organized by the Max Weber Center for Advanced Cultural and Social Studies of the University of Erfurt and funded by the Templeton

Foundation (USA), on the theme of „The Axial Age and its Consequences for Subsequent History and the Present“. The conference was held in honour of the American so-ciologist Robert N. Bellah of the University of California,

Internationale Konferenz „The Axial Age and its Consequences for Subsequent History and the Present“

vom 3. bis 5. Juli 2008 in der Thüringer Staatskanzlei

TAGUNGSBERICHTE

38

Berkeley, who was awarded an honorary doctorate on behalf of the Max Weber Center. The event was chaired by the Dean of the Max Weber Center, Prof. Dr. Hans Joas, and was attended by the following international-ly renowned speakers: Johann Arnason, Jan Assmann, Robert N. Bellah, José Casanova, Merlin Donald, Shmuel N. Eisenstadt, Jürgen Habermas, Hans Joas, Matthias Jung, Richard Madsen, Manos Marangudakis, David Martin, Gananath Obeyesekere, Heiner Roetz, Walter Garrison Runciman, William M. Sullivan, Ann Swidler, Charles Taylor, Steven M. Tipton, and Björn Wittrock.

The conference was held to determine the historical meaning and contemporary normative significance of the idea of a period of epoch-making transformation in an-cient history known as the „Axial Age“. According to a conception first adumbrated by the German philosopher Karl Jaspers in 1949 in The Origin and Goal of History, this thesis denotes a series of parallel developments in-stanced by the civilizations and religions of ancient China, India, Persia, Israel and Greece between approximately the years of 800 and 200 in the first millennium BCE.

Ever since the publication of Jaspers’s book, the con-cept of a process of axial transformation or axial orien-tation in this period has generally been understood to refer to the advent of ideas of transcendence in ancient civilisations, where human communities begin to break with particular kinds of customary beliefs and practi-ces and construct systematic ideas of higher powers or transcendent spheres that place existing earthly institu-tions, authorities and customs in question. Alluding to a passage in Hegel’s Lectures on the Philosophy of History which spoke of the appearance of Christ on earth as the „axis“ or „hinge“ on which the history of the world turns, Jaspers sought to overcome Hegel’s Christian-centred and Europe-centred vision of history in order to define

multiple parallel courses of axial historical development across multiple world religions and civilizations. Over the past half-century, Jaspers’s thesis has been developed in a number of directions by historians and historical sociologists, including particularly by the Israeli scholar Shmuel N. Eisenstadt. But it is only in recent years that interest in the thesis has attracted intensive attention from scholars from across the full spectrum of the huma-nities and social sciences.

The conference in Erfurt aimed to resolve a number of outstanding questions raised by the thesis of the Axial Age and by the idea of axial transformation in general. What light does the conception throw on the evolution of religions? What features do so-called „axial civilizations“ share in common? How broadly should the scope of the thesis be extended beyond elements originally named by Jaspers or by subsequent scholars such as Eisenstadt, Eric Voegelin or Benjamin Schwartz? How does the con-cept of axiality relate to forms of moral and political uni-versalization in modern times? What impact has been left by the Axial Age on the emergence of modernity and on processes of modernization in different world regions? Must analogous kinds of modern axial transformation imply secularization or can religions continue to develop in axial ways in the present day? How does axial con-sciousness relate to development in language, symboliza-tion, cognition and communication in general?

Broadly five main strands of discussion emerged in the course of the proceedings: (1) an idea of the Axial Age as an overarching thesis about the structure of world his-tory; (2) a focus on practices of cognitive world renuncia-tion in ancient civilizations and religions; (3) a discussion of the significance of the thesis for debate about religion, secularization and political identities in modern global times; (4) an exploration of ideas of axiality in relation to

Reihe 1 (v.l.n.r.): Steven M. Tipton, Richard Madson, William M. Sullivan, Ann Swidler, Frau Taylor, Charles Taylor, Hans Joas, Frau Bellah, Robert N. Bellah

TAGUNGSBERICHTE

Robert N. Bellah (Mitte) im Kreise der Co-Autoren seiner beiden Werke „Habits of the Heart“ and „The Good Society“ nach Verleihung der Ehrendoktorwürde durch das Max-Weber-Kolleg im Juli 2008 in Erfurt

39

theories of cognitive and linguistic evolution; and (5) an examination of problems, criticisms and methodological difficulties with the thesis of the Axial Age as a chronolo-gical framework.

(1) The conference was inaugurated by the sociologist and Dean of the Max Weber Center, Hans Joas, who be-gan by tracing some intellectual antecedents to Jaspers’s conception in the work of Max Weber and notably in the thought of the nineteenth century German scholar Ernst xqp"Ncucwnz"Ï"qpg"qh"vjg"hktuv"ytkvgtu"gzrnkekvn{"vq"gxqmg"an idea of multiple ideas of religious transcendence as an integral part of a Christian understanding of „univer-sal history“. He also interpreted the importance of the Axial Age thesis in the context of Jaspers’s philosophy as a whole. The Canadian philosopher Charles Taylor ad-vanced a proposal for understanding the continuation of Axial ideas in medieval Latin Christendom, where reli- gious conceptions of transcendence come to exist side-by-side with certain pre-Axial elements in a state of un-gcu{"gswknkdtkwo"Ï"uwej"cu"kp"vjg"mkpf"qh"eqpfkvkqpu"fgu/ etkdgf" d{"Okmjckn" Dcmjvkp" kp" vgtou" qh" äectpkxcnÑ" Ï" dwv"where tension between Axial and non-Axial moments is gradually eliminated in the course of processes of Refor- mation. Shmuel Eisenstadt elaborated further aspects of the dynamic of inclusivism and exclusivism in the forma-tion and after-life of Axial visions, where universalistic cognitive developments may pacify and assimilate con-flicting social parties but also sometimes exclude them, in some cases with destructive consequences.

(2) Robert Bellah explicated the significance of acts and ideas of renunciation and reflective self-withdrawal from worldly affairs in ancient contexts such as Plato’s Athens and the Buddha’s India as examples of axial criticism of conventional temporal authorities. In this conception, the Axial Age witnessed forms of willed social and poli-tical exile or homelessness or „a-topic“ or u-topian con- templation that usher in distinctive practices of theore-

tical cognition, or theoria, as the Greeks called it. „Theo-retic culture“ in this sense represents a decisive evolu-tionary step beyond pre-existing forms of mimetic and narrative consciousness embodied in myths and received habits and customs. The Sri Lankan scholar Gananath Obeyesekere (Princeton University) elaborated this thin-king in the Buddha’s teaching of the Middle Way. The Sinologist Heiner Roetz pointed to complementary examples in the case of Confucian China.

(3) Jürgen Habermas addressed some implications of ideas of axiality for challenges to secular self-understan-ding in modern times, outlining ways in which religious historical legacies in the present day can continue to foster practices of universalistic ethical self-understan-ding, though also drawing attention to some limits of this potentiality. The British sociologist David Martin argued for a way of thinking about axiality in terms of a conti-nually evolving, never fully realized capacity for cognitive self-accusation on the part of historical associations of peoples, where claims to universal validity can typically overshoot or betray their own reflective aspirations. The Spanish-American sociologist José Casanova extended this theme to an account of both processes of the se-cularization of religion on the one hand and processes of the „sacralization of the secular“ on the other hand. According to this conception, religions in the modern age do not dwindle to a sphere of privacy but instead continue to inhabit the public sphere in various ways, including notably in the form of legacies of sacrality kpuetkdgf"kp"rqnkvkecn"cpf"lwtkfkecn"eqfgu"Ï"c"vjguku"ftcykpi"closely on writings by Émile Durkheim and Robert Bel-lah on citizenship and „civil religion“. Along similar lines, Hans Joas presented a way of reading Max Weber’s idea of „disenchantment“ (Entzauberung) not in terms of the disappearance of religion tout court but rather in terms of the decline specifically of magical or supernaturalist hqtou"qh"dgnkgh"Ï"cnvjqwij"Lqcu"cnuq"jkijnkijvgf"yc{u"kp"

TAGUNGSBERICHTE

40

„Handlung und Erfahrung. Sozialtheorie zwischen Pragmatismus und Historismus“, Tagung anlässlich des 60. Geburtstages von Prof. Hans Joas vom 28. bis 29. November 2008 am Max-Weber-Kolleg

„Handlung und Erfahrung. Sozialtheorie zwischen Prag-matismus und Historismus“ war der Titel einer am 28./29. November abgehaltenen Tagung des Max-Weber-Kollegs in Erfurt, und es gelang den Organisatoren dieser Veranstaltung gleich zu Beginn, den Anlass derselben zwanglos mit den Grundzügen eines wissenschaftlichen Programms zu verbinden, um das die vielfältigen und aus verschiedenen Disziplinen stammenden Beiträ-ge dann auch tatsächlich kreisen sollten. Dass es sich dabei um mehr als bloße Programmatik handelte, hing zweifelsohne eng mit eben jenem Anlass zusammen, der die Referenten und das zahlreich versammelte Publikum zusammengeführt hatte: Es war der 60. Geburtstag von Hans Joas, dem Dekan des Max-Weber-Kollegs für kul-tur- und sozialwissenschaftliche Studien der Universität

Erfurt, der als willkommene Gelegenheit dazu diente, sich über handlungs- und sozialtheoretische Fragen auszutauschen, die in der langjährigen Beschäftigung des Jubilars insbesondere mit dem US-amerikanischen Pragmatismus und der aus ihm destillierten kreativen Dimension menschlichen Handelns ihren gemeinsamen Referenzpunkt hatten. Entsprechend umriss Matthias Jung zunächst in groben Zügen das Thema der Tagung, indem er den internen Zusammenhang von Handlung und Erfahrung im Pragmatismus näher erläuterte, und ging dann auf die Sensibilität ein, mit der Joas seine tie-fe Kenntnis dieser Denktradition für eine neuartige Aus-einandersetzung mit dem Phänomen der Kontingenz und der historischen Relativität eigener Wertüberzeugungen genutzt hatte. Daraufhin stellte Bettina Hollstein unter

which even Weber’s thinking about magic tends to fail to capture the salience of certain kinds of persistently sacramental religious experience in the modern age.

The four supporting co-authors of Robert Bellah’s Habits of the Heart, a best-selling study of American poli-vkecn"ugnh/wpfgtuvcpfkpi"kp"vjg"3;:2u"Ï"Tkejctf"Ocfugp."Yknnkco"Uwnnkxcp."Uvgxgp"Vkrvqp"cpf"Cpp"Uykfngt"Ï"gzrnq-red a range of applications of ideas of axial change to so-ciological analyses of global patterns, dynamics, inequa-lities and conflicts in the era of globalization, especially in the arenas of education, social mobility and political participation.

(4) The Canadian cognitive scientist Merlin Donald outlined a scheme of stages of cognitive evolution mar-ked by the passage from mimetic and mythic-narrative forms of human interaction with natural environments to forms of „theoretic culture“, as represented by Axial be-lief and consciousness. The German philosophical scho-lar Matthias Jung revisited this proposal in the context of developmental theories of symbolic communication, drawing on resources from American pragmatist philo-sophy and classical German humanistic thought. Two complementary accounts of ideas about cognitive evo-lution came from the British sociological theorist Walter Garrison Runciman and from the Greek scholar Manos Marangudakis, the former elaborating models of selec-tive adaptability drawn from research in the behavioural sciences, the latter focusing on genetic technology and the prospect of its application to human reproduction as a challenge for axial consciousness.

(5) An important set of criticisms and qualifications of the Axial Age thesis and caveats about its overextension were put forward by the distinguished German Egypto-logist Jan Assmann. Assmann’s contribution cautioned particularly against rigidly chronological interpretations of the thesis where too many different civilizational cases Ï"uwej"cu"cpekgpv"Gi{rv."dwv"cnuq"ocp{"qvjgt"ecugu"pqv"qtkikpcnn{" gpeqorcuugf" kp" LcurgtuÔu" htcogyqtm" Ï" eqog"to be invidiously ignored or stretched onto a Procrustean bed of schematic periodization. Assmann warned against overuse of evolutionary theorizing at the expense of alter-native concepts and approaches such as „collective me-mory“, archaeological analysis and phenomenological ex-

plication, especially with respect to the understanding of developments in writing and literacy in the ancient world. The Icelandic sociologist Johann Arnason and the Swe-dish sociologist Björn Wittrock called for both flexibility and specificity in concepts of axiality in ancient as well as modern historical contexts.

Among the many wide-ranging themes of discussion addressed in the conference, some broad points of ge-neral agreement can be highlighted. A loose consensus can be said to have emerged in this conference about the value and interest of an idea of the Axial Age as some-thing referenced more or less specifically to an epoch- making phase of ancient history but not necessarily tightly restricted to the first millennium BCE. A generally shared view emerged that concepts of transcendence and collec-tive fundamental self-reflection can be fruitfully deployed to make sense of far-reaching cognitive structures and trajectories of global historical change or „universal his-tory“. These concepts can be used in tandem with other complementary motifs such as „modernization“, „cogni-tive evolution“, „collective memory“, „globalization“ and „universalization“. The Axial Age can be thought to refer to a more or less definite step in cognitive evolutiona-ry processes, carried by the symbolic languages of reli-gion, metaphysics, art, science and political identity in different ancient civilizational contexts, or it can also be understood to signify a more openly normative idea or a future ethical ideal of some kind that has yet to be fully realised, in the sense of an „unfinished project“. In both cases, whether as a predominantly historical concepti-on or as a more open-ended normative idea, the thesis of axiality indicates that historical, social and political life in general is only adequately understood when it is related to guiding structures of spiritual belief and world-view or to what Max Weber called the „ultimate values“ (Letztwerte) by means of which human communities find orientation in the earthly world and confront their own feelings of vulnerability, finitude and fallibility in the face of the cosmos.

Publication of the proceedings of the conference is planned in English and German versions, but also in other languages.

Austin Harrington

TAGUNGSBERICHTE

ausdrücklichem Verzicht auf eine rückblickende Würdi-gung das Wirken Joas‘ als Leiter des noch recht jungen Max-Weber-Kollegs als ein „work in progress“ vor, das jedoch schon jetzt auf eine außerordentlich erfolgreiche Positionierung in der internationalen Wissenschaftsland-uejchv" xgtygkugp"mcpp" Ï"ycu"Jqnnuvgkp" cpjcpf"fgt" ko-posanten „Expansion“ des Kollegs innerhalb der letzten Jahre und mit Blick auf die höchst erfolgreiche Einwer-bung von Drittmitteln auch quantitativ belegen konnte.

„Transatlantische“ Studien: Im ersten Vortrag der Ta-gung erinnerte Karl-Siegbert Rehberg an die schwierige Rezeptionslage der (philosophischen) Anthropologie in den 70er Jahren, die, so ließ er zwischen den Zeilen an-klingen, den an anthropologischen Fragen stets interes-sierten Joas einen „Umweg über Chicago“ einschlagen ließ Ï"ycu"ngv¦vgpfnkej"¦w"gkpgt"rtqfwmvkxgp"vtcpucvncpvkuejgp"Kommunikation anregen sollte, die bis heute noch nicht beendet ist: Denkfiguren wie die experimentelle Anrei-cherung unseres Weltwissens oder der „psychophysisch neutrale“ Status leibgebundener Erfahrung erwiesen sich jetzt als sowohl philosophisch-anthropologische wie pragmatistische Motive, an deren Horizont nach wie vor die Aufgabe einer anthropologisch informierten Konstitu-tionstheorie menschlicher Handlung aufscheint. Auch in weiteren Vorträgen fanden sich „transatlantische“ Frage-stellungen dieser Art, die mit den Theorieinteressen von Hans Joas stets korrespondierten: Hans-Joachim Schu-bert zeigte auf, dass die pragmatistische „Chicago School of Sociology“ den kulturkritisch unterfütterten Klassikern der europäischen Soziologie besonders in einer Hinsicht einen alternativen Weg weisen könnte. Begreife man mit George Herbert Mead das Verhältnis von Individuierung und Sozialität als konstitutiv verschränktes, so rücke die Kategorie der Persönlichkeit, die sich bei Weber und Dur-kheim zunehmend in der Forderung nach (Selbst-)Dis-

ziplinierung erschöpfe, in einen entschieden anderen In-terpretationsrahmen ein. Ist das „Selbst“ eine objektive Phase im Handlungsprozess, das dem Akteur vor allem bei Handlungsproblemen begegnet, so wird „Persönlich-keit“ zu einer permanenten Aufgabe, deren Definitions-arbeit an generalisierbaren Interaktionsregeln nicht für eine schroffe Entgegensetzung, sondern weitaus eher für eine kreative Interdependenz von „Individuum und Ge-sellschaft“ spricht. Charles Camic präsentierte für den Entstehungskontext dieses pragmatistischen Denkens eine bildungsbiographisch gesättigte Studie zu der Frage, warum im Werk John Deweys die Diskussion zeitgenös-sischer Konzepte von „Intelligenz“ nur mit starker Verzö-gerung auftrat und inwiefern dieser Umstand mit Deweys Skepsis gegenüber evolutionistischen Denkmodellen in Zusammenhang stand. Die Überlegungen Hans-Peter Krügers zur Öffentlichkeitskonzeption von John Dewey und Helmuth Plessner bereicherten den transatlan-tischen Theorievergleich um ein weiteres Kapitel. Mit der gemeinsamen Ausgangsthese, dass das Politische nur vom Öffentlichen aus zu verstehen sei, scheint allerdings Ï"hqniv"ocp"Mt¯igtu"Cwuh¯jtwpigp"Ï"fkg"Xgtycpfvuejchv"beider Konzepte auch schon erschöpft: Während bei Dewey die Differenz von Verursachern und Betroffenen zum entscheidenden Movens öffentlicher Meinungsbil-dung und Entscheidungsfindung werde und so bereits auf die Notwendigkeit einer „reflexiven Modernisierung“ verweise, sei Plessner in seiner frühen Kritik des so- zialen Radikalismus („Grenzen der Gemeinschaft“) eher daran gelegen, durch eine rollenbezogene „Verdopplung des Ichs“ die Person überhaupt erst öffentlichkeitsfähig ¦w"ocejgp"Ï"ycu"Mt¯igt"¦w"fgt"cduejnkggpfgp"Rqkpvg"veranlasste, dass Plessner nicht so sehr auf eine Theo-rie der Gesellschaft, sondern eher auf eine der Zivilisati-on bzw. des zivilisierten Verhaltens zusteuere. In seiner

41

Tagung anlässlich des 60. Geburtstags von Hans Joas vom 28. bis 29. November 2008 in der Begegnungsstätte Kleine Synagoge in Erfurt

TAGUNGSBERICHTE

in der Anlage vergleichbaren theoriehistorischen Studie zu Ernst Troeltsch und John Dewey widmete Friedrich Jaeger sich dem Verhältnis von Religion und Kultur im Werke dieser beiden Autoren. Während Troeltsch sich Ï"uq"fcu"Gtigdpku"fgt"Wpvgtuwejwpi"Ï"igigp¯dgt"gkpgt"„Versöhnung“ von Religion und Kultur skeptisch zeige, weil erstere dadurch Gefahr laufe, sich selbst zu einer oberflächlichen Moralphilosophie herabzustufen und mit der verlebendigenden Kraft ihrer Symbole auch ihre eigene autonome Geltungssphäre aufs Spiel zu setzen, falle Deweys diesbezügliches Urteil optimistischer aus: Er rechne mit einer kulturellen Universalisierbarkeit reli- giöser Gehalte und halte diese Transformation aus moral-praktischen und demokratietheoretischen Gründen auch für durchaus begrüßenswert. Der Beitrag José Casano-vas fokussierte auf eine verwandte Problemlage: Er fragte in Auseinandersetzung mit Joas‘ „Entstehung der Werte“, ob ein genetisch-phänomenologisches Verständnis des Religiösen als „Erfahrung von Selbsttranszendenz“ wo-möglich nicht der klassischen Bestimmung Durkheims zuwiderlaufe, dass es sich beim Heiligen grundsätzlich um ein kollektiv Geteiltes handle.

Pragmatismus, Historismus und die „Kreativität des Handelns“ – multidisziplinäre Anwendungen: Hans G. Kippenberg nahm aus religionswissenschaftlicher Per-spektive diesen Faden in einer besonderen Hinsicht auf, indem er sich dem prominent von Jan Assmann be-haupteten internen Zusammenhang von Monotheismus und Gewalt widmete, diese Annahme aber aus dezidiert handlungstheoretischen Gründen zugleich relativierte. Fkg"Ï"okv"Jcpu"Lqcu"igurtqejgp"Ï"ämtgcvkxgpÑ"Oqogpvg"des Handelns würden sich in dem hier interessierenden Kontext nämlich gerade darin zeigen, dass auch gewalt-

förmiges Handeln eine situativ bedingte Deutungsan-strengung der Akteure voraussetze, auf deren Grundlage subjektive Heilserwartungen allererst formulierbar wer-den und zu religiös begründeter Gewalt führen können. Eine zumindest in disziplinärer Hinsicht anders gelager-te Interpretation der „Kreativität des Handelns“ präsen-tierte Jens Beckert in seinem wirtschaftssoziologischen Beitrag. Er nahm Joas‘ innovative Pragmatismus-Inter-pretation von 1992 zum Anlass, die blinden Flecken des ökonomischen Handlungsbegriffs offenzulegen: So kri-tisierte Beckert mit Verweis auf die routinisierten und vorreflexiven Schichten des Handelns die Vorstellung einer nutzenorientierten Dauerkalkulation des „homo oeconomicus“, und an einem höchst anschaulichen Bei-urkgn"Ï"fgt"pkejvkpvgpfkgtvgp"Gthkpfwpi"fgu"ärquv/kvÑ/¥gv-vgnu" Ï" fgoqpuvtkgtvg" gt" fcu"wpvgtmqorngzg"Xgtuv“pfpku"innovativen Handelns innerhalb der Wirtschaftswissen-schaften, die den Ort wirklicher Neuerungen durch die Unterstellung vorgängig feststehender Handlungsziele überhaupt nicht lokalisieren könnten. Einen Einblick in die Historismus-Debatte des juristischen Diskurses ge-währte dann Winfried Brugger, indem er das Werk Ge-org Jellineks als ein rechtsgeschichtliches Dokument in den Blick nahm, das den amerikanisch-britischen Reli-gionskonflikt zwischen Kolonie und Mutterland bereits früh als Katalysator der Menschenrechtsidee verhandelt habe und darin weiterreichende Rückschlüsse auf das juridische Verhältnis von Genese und Geltung erlaube. Zu einer anders gelagerten Konzeption der Beziehung von Genese und Geltung gelangte Axel Honneth in sei-nen sowohl ideengeschichtlich wie sozialtheoretisch im-prägnierten Überlegungen zu Hegel, dessen Verständnis von Sittlichkeit er gegenüber rein normativ argumentie-renden Moral- und Gerechtigkeitskonzepten zu rehabi-litieren suchte. Honneth las Hegels Rechtsphilosophie als den Versuch, unter ausdrücklichem Verzicht auf eine „freistehende“ Gerechtigkeitstheorie die Vernunftgehalte der Gegenwart innerhalb konkreter Lebensformen zu re-konstruieren und so zu einer normativen Verbindlichkeit zu gelangen, ohne die Kriterien dieser Normativität selbst schon ahistorisch voraussetzen zu müssen. Harald Wen-¦gn"ykfogvg"ukej"Ï"gdgphcnnu"okv"Xgtygku"cwh"fkg"okvvngt-weile selbst klassisch gewordene Mead-Interpretation xqp"Jcpu"Lqcu"Ï"fgo"xgt“pfgtvgp"Ejctcmvgt"ärtcmvkuejgt"Intersubjektivität“ unter den Bedingungen medialer Ka-tastrophenkommunikation. Dabei rückte er besonders das schwierige Verhältnis zwischen problemlösenden Kommunikationsroutinen und der Außeralltäglichkeit von Schreckensnachrichten in den Vordergrund. Resul-tat dieser auch empirisch angelegten Untersuchung war, dass mediale „Katastrophenkommunikation“ dann gelin-gen kann, wenn sie „sekundär Leidende“ in ihre Darstel-lung einbezieht, dem Rezipienten die Anwendung alltags-moralischer Parameter auf das Leid der „fernen Anderen“ ermöglicht und dadurch so etwas wie „Parasozialität“ herstellt. Claus Offes abschließender Vortrag über „Fra-mes, Signals, Information Campaigns“ fügte sich treffend kp" fkgugp" ¥wucoogpjcpi<"Gt" wpvgtuwejvg" Ï" qjpg" ukej"dabei dem Urteil schamloser Medienmanipulation einer-seits oder dem Euphemismus einer rein deliberativen ⁄dgt¦gwiwpiuctdgkv"cpfgtgtugkvu"cp¦wuejnkggp"Ï"pgwct-tige Praktiken des öffentlichen Diskurs-„Framing“, deren Erfolg sich nicht so sehr am bloßen moralischen Appell, sondern vielmehr an der anschaulichen, kleinteiligen und messbaren Vermittlung schadhafter Handlungsfolgen zu Familie Joas in Erfurt

42

TAGUNGSBERICHTE

entscheiden scheint. In ihren Schlussworten blickten zwei der Organisa-

toren, Matthias Jung und Wolfgang Knöbl, unter ver-schiedenen Gewichtungen auf das bisherige Werk von Hans Joas zurück. Knöbl rekonstruierte dessen Theorie-entwicklung gleichsam ex negativo anhand des Deside-rats einer pragmatistischen Makrosoziologie und schloss seine Ausführungen mit der Vermutung, dass „Kontin-genz“ als makrosoziologisches Gegenstück zur „Kreati-vität“ auch die zukünftigen Arbeiten Joas‘ entscheidend prägen könnte. Matthias Jung wiederum stellte die auch mit Blick auf die zurückliegenden Beiträge sich auf-drängende Frage, worin die inter- und transdisziplinäre Attraktivität besonders der Joasschen Handlungstheorie

eigentlich begründet liegt. Diese Anziehungskraft schrieb Jung dem Umstand zu, dass Joas seine sorgsam geprüf-ten Einwände gegen eine entweder analytisch, natura-listisch oder utilitaristisch verkürzte Handlungstheorie nicht mit der naheliegenden Gegenstrategie einer Reidea-lisierung vortrage. Weiterführend sei für ihn vielmehr die Annahme, dass soziale Bedingtheit und individuelle Frei-heit aus denselben Quellen einer immer auch expressiven und vorkognitiven, eben „praktischen“ Intersubjektivität erwüchsen und dass auch ein adäquates Verständnis von Zwecksetzung, Normativität, Wert- und Identitätsbil-dung auf diese tieferliegenden Schichten angewiesen blei-be. Nachdem Hans Joas selbst dann einen persönlichen Ausblick auf seine zukünftigen Forschungsvorhaben ge-geben hatte, beschloss er die Veranstaltung mit einem Zitat von Alfred Döblin, das nicht nur den Nukleus sei-nes eigenen Handlungsverständnisses enthielt, sondern fcu" cwej" Ï" ingkejuco"cnu" gkpgpfgu" gtmgppvpkungkvgpfgu"Oqvkx"Ï"¯dgt"fgo"dtgkvgp"Vjgogpurgmvtwo"fgt"Vciwpi"hätte stehen können: „Es ist nicht bloß Handeln das, was unsere Umwelt erreicht und beeinflußt, sondern auch, was mit uns selber vorgeht. Denn auch dies bezeichnet unsere Art, wir werden dadurch charakterisiert, und wir sind ‚wir‘ in allen Stücken und Dingen, und wenn von Jcpfgnp"fkg"Tgfg"kuv."fcpp"ukpf"ãyktÓ"cwej"Ï"ko"Gtngkfgp0"[…] Es heißt immer und notwendig, die Welt an sich her-ankommen lassen, sie empfangen, von ihr aufnehmen, was man aufzunehmen hat, kann und will. Hier erfolgt aber zugleich die Veränderung des Ich, es ‚leidet‘ auch bei der Berührung, es erfolgt die Umformung. Und wir nennen auch dies: Handeln.“

Patrick Wöhrle

Hans Joas mit den Organisatoren der Tagung: Bettina Hollstein, Matthias Jung und Wolfgang Knöbl

43

PERSONALIA

ZdK-Vollversammlung

Die Vollversammlung des Zentralkomitees der deutschen Katholiken (ZdK) hat sich im November 2008 durch die Wahl von 45 Einzelpersönlichkeiten für die nächste vier-jährige Amtsperiode komplettiert. Wahlberechtigt waren die Vertreter aus Verbänden und Organisationen sowie Diözesanräten. Gewählt wurde u. a. Professor Dr. Hans Joas.

Kierkegaard-Forschungsstelle

Durch Finanzierungszusagen aus dem Stifterverband für die Deutsche Wissenschaft und der Carl Friedrich von Siemens Stiftung kann am Max-Weber-Kolleg unter der Leitung von Professor Dr. Dr. h.c. Hermann Deuser eine zentrale Kierkegaard-Forschungsstelle eingerichtet wer-den. Als Mitarbeiter wurde Dr. Markus Kleinert einge-stellt, der mit der Redaktion, Koordination und Heraus-gabe der Deutschen Søren Kierkegaard Edition (DSKE) betraut wurde.

Netzwerk allgemeine Bildung euro-päischer Universitäten

Professor Dr. Matthias Jung ist zum stellvertretenden Vorsitzenden des „Netzwerks allgemeine Bildung europä-ischer Universitäten“ gewählt worden. Für dieses Projekt hat er im Rahmen seiner Tätigkeit am Max-Weber-Kolleg eine Vorstudie erarbeitet, die von der Guardini-Stiftung Berlin veröffentlicht wurde, zu deren Präsidiumsmitglied Professor Jung gewählt wurde.

Académie Francaise

Jean-Luc Marion, der im Dezember 2004 Gast einer vom Max-Weber-Kolleg und der Katholisch-Theologischen Fakultät organisierten Tagung zu seinem Werk (s. Hans Joas/Michael Gabel (Hg.): Von der Ursprünglichkeit der Gabe. Jean-Luc Marions Phänomenologie in der Diskus-sion. Freiburg/München: Alber 2007) war, ist zu einem der 40 Mitglieder der Académie Francaise gewählt wor-den. Damit wurde ihm eine der höchsten Ehrungen in Frankreich zuteil.

Drittmittel

Für das Projekt „Die fünf Pfade der Hermeneutik“ von Professor Dr. Wolfgang Reinhard hat die Gerda Henkel Stiftung für zwei Jahre Mittel in Höhe von ca. 95.000 Û"dgyknnkiv0"H¯t"fcu"igogkpuco"xqp"Rtqhguuqt"Ft0" Ktgpg"Albers (Berlin) und Professor Dr. Stephan Moebius be-antragte Projekt „Deutsche Ausgabe der Schriften des Collège de Sociologie“ hat das Cluster „Languages of GoqvkqpÑ" 470222" Û" ¦wt"Xgth¯iwpi" iguvgnnv0" Ko"Tcjogp"des DFG-Projekt „Die Wirkungsgeschichte des soziolo-gischen Denkens von Marcel Maus“ von Stephan Moe-bius arbeitet Frithjof Nungesser seit dem 1.3.2008 am Max-Weber-Kolleg.

Internationale Gäste

Vom 13.9. bis 4.10.08 war Professor Dr. Sérgio da Mata aus Brasilien zu Gast am Max-Weber-Kolleg. Im Rahmen

des Kooperationsvertrages zum Austausch von Wissen-schaftler/inne/n mit dem SCAS (Uppsala) hat vom 16. bis 31.10.08 Professor Dr. Marie-Christine Skuncke am Max-Weber-Kolleg geforscht. Nähere Informationen zu den Forschungsprojekten finden sich auch auf den Sei-ten 4 und 7.

Preis

Den 3. Preis des „Förderpreises des Botschafters der Republik Polen“ für herausragende innovative Disserta- tionen erhielt Hella Dietz für ihre am Max-Weber-Kolleg im September 2007 abgeschlossene Dissertation mit dem Titel „Von der Opposition der Werte zu den Werten der Opposition. Eine pragmatische Rekonstruktion der zivil-gesellschaftlichen Opposition in Polen“.

Kollegiaten on tour

Dr. Austin Harrington hat zum 15.10.2008 eine knapp einjährige Gastprofessur an der Europa-Universität Viadrina in Frankfurt/Oder angenommen. Christian Westerhoff absolviert vom 11.2. bis 31.12.2008 einen Forschungsaufenthalt am „Centre d’Etudes et de Do-cumentation Guerre et Sociétiés contemporaines“ in Brüssel, finanziert durch den DAAD. Stephan Steiner arbeitet vom 1.10.2008 bis 30.6.2009 am Internationa-len Forschungszentrum Kulturwissenschaften (IFK) in Wien, finanziert durch ein IFK-Junior-Fellowship der Österreichischen Akademie der Wissenschaften. Chris-toph Lundgreen war vom 1.9.07 bis 31.8.08 im Rahmen seiner cotutelle de thèse in Paris an der EPHE-Sorbonne. Dr. Sabine Sander forschte vom 2.11. bis 2.12.2008 an der Jewish National and University Library in Jerusalem, finanziert durch den DAAD, und trug im Rahmen einer Tagung am Van Leer Institute in Jerusalem vor.

Alumni

Zum 1.4.2008 wurde Dr. Andreas Kubik als Juniorpro-fessor für Praktische Theologie an die Universität Rostock berufen. Dr. Martin Gehlen ist seit September 2008 für mehrere Jahre Nahostkorrespondent des Berliner Tages-spiegels in Kairo. Dr. Oxana Stuppo hat eine Stelle als wissenschaftliche Mitarbeiterin im Sonderforschungsbe-reich 640 der Humboldt-Universität zu Berlin angetreten. PD Dr. Thomas Beschorner ist seit 1.8.2007 DAAD-Pro-fessor am Centre canadien d‘études allemandes et eu-ropéennes, Université de Montréal. Er habilitierte sich im vergangenen Jahr an der Universität Oldenburg. Vom September 2007 bis März 2008 war Prof. Dr. Mar-kus Dreßler Fellow am American Research Institute in Turkey in Istanbul. In diesem Semester ist er Resident Fellow am Research Institute for Anatolian Civilizations der Koc University in Istanbul. Im Somersemester 2009 wird er eine Stelle als Assistenz-Professor an der Istan-bul Technical University antreten, wo er Soziologie sowie Türkische Geschichte lehren wird.

Familienfreundliches Kolleg

Wir freuen uns mit den Eltern über den „Nachwuchs“ des Max-Weber-Kollegs: Neele und Frida Hohlstein, Ansgar Dietz, Mira Salome Moebius und Alexander Timofeev.

44

PERSONALIA

Prof. Dr. Wolfgang Schluchter, Gründungsdekan, Soziologie, 01.04.1998-31.03.2002

Prof. Dr. Winfried Brugger, Rechtswissenschaft, 01.10.2003-30.09.2008

Prof. Dr. Sérgio da Mata (Brasilien), Geschichtswissen-schaft, 13.09.-04.10.2008

Prof. Dr. Jaco Dreyer (Südafrika), Theologie, 05.04.-23.06.2007

Prof. Dr. Shmuel N. Eisenstadt (Israel), Soziologie, 01.06.-31.07.1998, 06.06.-08.07.1999, 20.06.-15.08. 2000, 01.07.-15.08.2001

Prof. Dr. Friedrich Wilhelm Graf, Evangelische Theolo-gie, 01.04.1998-30.09.1998

PD Dr. Gerald Hartung, Philosophie, 01.10.2006-30.05.2007

Prof. Dr. Gangolf Hübinger, Geschichtswissenschaft, 01.10.2006-30.09.2007

Prof. Dr. Toby Huff (USA), Soziologie, 04.06.-30.06.2000

PD Dr. Friedrich Jaeger, Geschichtswissenschaft, 01.10.2004-30.09.2005

Prof. Dr. Matthias Jung, Philosophie, 01.04.2005-31.03.2007

Dr. Erkki Kilpinen (Finnland), Soziologie, 01.05.-31.05.2004

Prof. Dr. Wolfgang Knöbl, Soziologie, 01.10.2005-30.09.2006

Prof. Dr. Theo Kobusch, Philosophie, 01.10.2007-30.09.2008

Prof. Dr. Gudrun Krämer, Religionswissenschaft, 01.10.2004-30.09.2005

Prof. Dr. Dieter Langewiesche, Geschichtswissenschaft, 01.04.1998-30.09.2000

Prof. Dr. Chris Lorenz (Niederlande), Geschichtswissen-schaft, 20.04.-20.05.2000

Prof. Dr. Egon Matzner (Österreich), Ökonomie, 01.04.1998-30.09.2001

Prof. Dr. Christoph Menke, Philosophie, 01.04.2003-30.09.2005

Prof. Dr. Wolfgang Mommsen, Geschichtswissenschaft, 01.10.2003-31.07.2004

Prof. Dr. Hans G. Nutzinger, Ökonomie, 01.10.2000-30.09.2003

Prof. Dr. Fabienne Peter, Ökonomie, 01.10.2003-30.09.2004

Bernard Perret (Frankreich), Ökonomie, 01.11.-30.11.2005

Prof. Dr. Josef Pilvousek, Katholische Theologie, 01.10.1998-30.09.2002

Prof. Dr. Sheldon Pollock (USA), Indologie, 01.06.-30.06.2001

Prof. Dr. Paolo Prodi (Italien), Geschichtswissenschaft, 09.05.2007-12.03.2008

Prof. Dr. Jörg Rüpke, „Erfurter Fellow“, Religionswissen-schaft, 01.10.2003-30.09.2004

Prof. Dr. Pietro Rossi (Italien), Soziologie, 01.11.1999-30.04.2000

Prof. Dr. Birgit Schäbler, Geschichtswissenschaft, 01.10.2006-30.09.2007

Prof. Dr. Gunnar Folke Schuppert, Rechtswissenschaft, 01.10.2000-30.09.2003

Prof. Dr. Marie-Christine Skuncke (Schweden), Ge-schichtswissenschaft, 16.10.-31.10.2008

PD Dr. Bernd Stiegler, Leiter des Wissenschaftslekto-rats im Suhrkamp Verlag, 01.06.-31.08.2005

Prof. Dr. Ferenc Tallar (Ungarn), Philosophie, 04.10.-31.10.2002

Prof. Dr. Dieter Thomä, Philosophie, 01.10.2007-30.09.2008

PD Dr. Alexander Thumfart, „Erfurter Fellow“, Politik-wissenschaft, 01.10.2005-30.09.2006

PD Dr. Wolfgang Vögele, Evangelische Theologie, 01.04.-30.09.2003

Prof. Dr. Gerhard Wegner, „Erfurter Fellow“, Wirtschafts-wissenschaft, 01.10.2004-30.09.2005

Prof. Dr. Saskia Wendel, Katholische Theologie, 01.10.2007-30.09.2008

Prof. Dr. Ansgar Weymann, Soziologie, 01.04.-30.09.2005

Prof. Dr. Dorothee Wierling, Geschichtswissenschaft, 01.10.2001-31.01.2003

Ehemalige Fellows und Gastwissenschaftler am Max-Weber-Kolleg

45

VERANSTALTUNGEN

Vorträge im Sommersemester 2008

Prof. Dr. Grace Davie (University of Exeter)Continuity and Change: Understanding Religion in Modern Europe ….….................................…........… 14. April 2008

Prof. Dr. Christian Meier (Ludwig-Maximilians-Universität München)Wie es zu den Griechen kam? ....................................………....................................................…….....… 2. Juni 2008

Prof. Dr. Johannes Weiß (Universität Kassel)„Kultur ist ein Wertbegriff“ – wirklich? Über ein folgenreiches Selbstmissverständnis Max Webers ........... 9. Juni 2008

Prof. Dr. Gert G. Wagner (Universität Erfurt, Max-Weber-Kolleg) Wissenschaftliche Politikberatung: Möglichkeiten und Grenzen einer Nationalen Akademie .................... 23. Juni 2008

Prof. Dr. Robert N. Bellah (University of California, Berkeley)The Heritage of the Axial Age: Resource or Burden …...…......................................................................... 3. Juli 2008

Prof. Dr. Martin Mulsow (Universität Erfurt)Historische Religionswissenschaft in der Frühen Neuzeit .......................................................................... 7. Juli 2008

Seminare im Sommersemester 2008

Prof. Dr. Grace Davie (University of Exeter)The Sociology of Religion ………………………..................................…….…………………......................... 15. April 2008

Prof. Dr. Wolfgang Reinhard (Universität Erfurt, Max-Weber-Kolleg) Wie promoviere ich richtig? ………..………………..................………..................…………....……………….. 23. April 2008

Dr. Cordula ReimannWomen, War, Peace ………..…………….............................…..................…………………....……………….. 30. Juni 2008

Prof. Dr. Nikolaus Knoepffler undProf. Dr. Ralf Gröschner (beide Friedrich-Schiller-Universität Jena)Begründungsmuster ………..………………..........................……..................……..……....…………….. 1. bis 2. Juli 2008

Tagungen/Workshops im Sommersemester 2008

Prof. Dr. Robert N. Bellah (University of California, Berkeley) undProf. Dr. Hans Joas (Universität Erfurt, Max-Weber-Kolleg)The Axial Age and its Consequences for Subsequent History and the Present ..………........………..... 3. bis 5. Juli 2008

46

VERANSTALTUNGEN

47

Vorträge im Wintersemester 2008/2009

Prof. Dr. Dieter Thomä (Universität St. Gallen)Festvortrag im Rahmen der Eröffnung des akademischen Jahres undzum 10-jährigen Bestehen des Max-Weber-KollegsLeben als Teilnehmen. Auch eine Theorie der Moderne ................................................................... 13. Oktober 2008

Prof. Dr. Marie-Christine Skuncke (SCAS Uppsala)Intercontinental Encounters in the Late Eighteenth Century: Carl Peter Thunberg‘s Japanese Voyage ......................................................................................... 27. Oktober 2008

Prof. Dr. Otto Gerhard Oexle (Eh. Direktor Max-Planck-Institut für Geschichte, Göttingen)Max Weber und das Problem der Begriffsgeschichte .................................................................... 24. November 2008

Prof. Dr. Jan Philipp Reemtsma (Hamburger Institut für Sozialforschung)Gewalt und Vertrauen. Grundzüge einer Theorie der Gewalt in der Moderne ..................................... 26. Januar 2009

Prof. Dr. Ludwig Siep (Westfälische Wilhelms-Universität Münster)Staat und Religion im Deutschen Idealismus .................................................................................... 2. Februar 2009

Seminare im Wintersemester 2008/2009

Prof. Dr. Otto Gerhard Oexle (Eh. Direktor am Max-Planck-Institut für Geschichte, Göttingen)Historismus ....………………….......................................…………………...……............................... 25. November 2008

Prof. Dr. Gabriele Cappai (Universität Bayreuth)Workshop zu qualitativen Methoden ................................................................................. 27. bis 28. November 2008

Prof. Dr. Hans Joas und Prof. Dr. Jörg Rüpke (beide Universität Erfurt, Max-Weber-Kolleg)Lektüreseminar zu „Religiöse Individualisierung in historischer Perspektive“ .................................... 13. Januar 2009

Prof. Dr. Hans Joas (Universität Erfurt, Max-Weber-Kolleg)Die Entstehung der Werte ............................................................................................................... 12. Februar 2009

Tagungen/Workshops im Wintersemester 2008/2009

Prof. Dr. Samuel Kerstein (University of Maryland)Human Dignity (Workshop am Ethikzentrum Jena im Rahmen des Graduiertenkollegs „Menschenwürde und Menschenrechte“) ........................................................ 17. November 2008

Prof. Dr. Matthias Jung (Ruhr-Universität Bochum) undProf. Dr. Wolfgang Knöbl (Georg-August-Universität Göttingen)Handlung und Erfahrung. Sozialtheorie zwischen Pragmatismus und Historismus (Eine Tagung anlässlich des 60. Geburtstags von Hans Joas) ........................................... 28. bis 29. November 2008

Prof. Dr. Nikolaus Knoepffler (Friedrich-Schiller-Universität Jena)Die Würde des Menschen ist unantastbar – ein Sonderweg im internationalen Vergleich (Klausurtagung am Ethikzentrum Jena im Rahmen des Graduierten-kollegs „Menschenwürde und Menschenrechte“) ................................................................... 28. bis 30. Januar 2009 Prof. Dr. Hermann Deuser (Universität Erfurt, Max-Weber-Kolleg) „Kierkegaard-Soirée“ .................................................................................................................... 10. Februar 2009

Prof. Dr. Hans G. Kippenberg (Universität Erfurt, Max-Weber-Kolleg)Prof. Dr. Jamal Malik (Universität Erfurt) Abschlusstagung zum Projekt „Mobilisierung von Religion in Europa“ ................................... 26. bis 27. Februar 2009

BEWERBUNG ALS KOLLEGIAT(IN)

The Max Weber Center for Advanced Cul-tural and Social Studies combines the functions of an Institute for Advanced Stu-dy and a Graduate School. This means that Fellows appointed at the Center not only pursue research projects that contri-bute to the core themes of the Center but also offer guidance to doctoral candidates

and to post-doctoral researchers working in similar fields of research. Intensive supervision relationships can therefore develop. Interaction between Fellows, doctoral candidates and post-doctoral researchers follows the basic academic principle of research driven by instruction and instruction driven by research.

Applications for positions of doctoral and post-doctoral study at the Center are welcome from holders of excellent qualifications in any of the disciplines represented at the Center or in related disciplines. Successful applicants for the position of doctoral candidate may register for the awards of Dr. rer. pol, Dr. jur. or Dr. phil. according to their area of specialization.

A work station is made available to every member of the Center. Residence in Erfurt and attendance at the Center’s seminars, workshops, and public lec-tures is mandatory.

Successful applicants may matriculate either for the summer semester or for the winter semester. Applications can be made at any time. Special adver-tisements for positions are displayed on the webpage of the Center.

Acceptance for the position of doctoral candidate is a prerequisite but not a guarantee for a scholarship. However, the Center is in contact with numerous sponsors, which means that allocation of a scholarship to an accepted appli-cant is highly likely. The duration of a scholarship is normally three years, within which time the doctorate must be completed.

Das Max-Weber-Kolleg für kultur- und sozialwissenschaftliche Studien verbin-det die Funktionen eines Institute for Advanced Study und eines Graduierten-kollegs. Das bedeutet: Die an das Kolleg berufenen Fellows arbeiten während ihres Aufenthaltes nicht nur an einem Projekt, das die Forschungsschwer-punkte des Kollegs konkretisiert, sondern unterrichten darüber hinaus auch Doktoranden und Habilitanden (Kollegiaten), die in ihren Arbeiten Aspekte dieses Forschungsprogramms behandeln. Es entstehen auf diese Weise inten-sive, weil in der Sache fundierte Betreuungsverhältnisse.

Die Zusammenarbeit zwischen Fellows und Kollegiaten folgt dem Grundsatz des lehrenden Forschens und des forschenden Lernens sowie dem der aufga-benbezogenen Teamarbeit.

Als Kollegiat(in) kann aufgenommen werden, wer ein hervorragendes Examen in einer der am Kolleg vertretenen Disziplinen oder in einem an diese Disziplinen angrenzenden Fach vorweisen kann und ein Dissertations- oder Habilitationsprojekt skizziert, das von den wissenschaftlichen Mitgliedern des Kollegs akzeptiert wird. Je nach disziplinärem Schwerpunkt können Kollegi-aten zum Dr. rer. pol., zum Dr. jur. oder zum Dr. phil. promoviert werden.

Jedem Kollegiaten wird ein Arbeitsplatz am Kolleg zur Verfügung gestellt. Es besteht Präsenz- und Residenzpflicht sowie die Verpflichtung, am strukturier-ten Studienprogramm des Kollegs – den Kolloquien, öffentlichen Vorträgen und Seminaren – teilzunehmen. Deren Themen hängen mit dem Forschungspro-gramm zusammen, folgen aber keinem formalisierten Curriculum. Die Lehr-veranstaltungen werden in der Regel gemeinsam von den wissenschaftlichen Mitgliedern des Kollegs und den Gastprofessoren geplant und durchgeführt.

Kollegiaten werden in der Regel zum Sommer- oder Wintersemester imma-trikuliert. Bewerbungen sind jederzeit möglich. Spezielle Ausschreibungen werden auf der Internetseite des Max-Weber-Kollegs veröffentlicht.

Die Annahme als Doktorand ist Voraussetzung, nicht aber Garantie für die Gewährung eines Stipendiums. Das Kolleg steht allerdings mit zahlreichen Stif-tungen in Verbindung, so dass bei fachlicher Eignung die Bereitstellung eines Stipendiums sehr wahrscheinlich ist. Die Laufzeit eines Stipendiums ist i.d.R. drei Jahre, innerhalb derer die Promotion abgeschlossen werden muss.

Im Falle eines Antrags auf Annahme am Max-Weber-Kolleg werden folgende Un-terlagen schriftlich und als Datei (max. 2 MB) benötigt:

- Lebenslauf;- Kopie der Hochschulzugangsberechti-

gung (Abiturzeugnis);- Kopie des ersten Hochschulab-

schlusses (Abschluss mit „sehr gut“, bei Juristen mit „voll befriedigend“) bzw. der Promotionsurkunde;

- ein Exemplar der Abschlussarbeit bzw. der Doktorarbeit;

- Gutachten eines Hochschullehrers;- Exposé des Dissertations- bzw.

Postdoktorandenprojektes (ca. 5-10 Seiten).

Die Bewerbung ist zu richten an denDekan des Max-Weber-KollegsProfessor Dr. Hans JoasAm Hügel 1D-99084 Erfurt.

Für Rückfragen steht Ihnen Dr. Bettina Hollstein ([email protected]) zur Verfügung.

All applications, to be sent in printed form and as electronic files (max. 2MB), should include the following docu-ments:

- curriculum vitae;- copy of certificate of admission to first university degree;- copy of certificate of completion of first university degree, with class mark or final grade, or of doctoral certificate;- one copy of the final undergraduate or Masters dissertation, or of the doctoral thesis;- one letter of recommendation;- outline of the research proposal (approximately 5-10 pages in length).

Applications should be addressed to:Dekan des Max-Weber-KollegsProfessor Dr. Hans JoasAm Hügel 1D-99084 Erfurt.

Please contact Dr. Bettina Hollstein for further information ([email protected]).

Application for doctoral and post-doctoral study

48

AUSGEWÄHLTE NEUERE PUBLIKATIONEN

Dorothea Baur, Franziska Birke, Jochen Fehling, Bettina Hollstein,

Mi-Yong Lee-Peuker (Hg.)European Business and Economic

EthicsReihe: Zeitschrift für Wirtschafts-

und Unternehmensethik (Jg. 9, Heft 1)

Mering: Rainer Hampp Verlag 2008ISSN: 1439-880X

173 Seiten, EUR 19,80

Hans Joas, Klaus Wiegandt (Hg.)The Cultural Values of Europe

Liverpool University Press: Liverpool 2008

ISBN: 978-1-84631-139-0374 Seiten, £ 9,99

Hans JoasDo We Need Religion? On the

Experience of Self-TranscendenceBoulder: Paradigm Publishers 2008

ISBN: 978-1-59451-439-5 153 Seiten, $ 26,95

Hans Joas (Hg.)Die Anthropologie von Macht und

Glauben. Das Werk Wolfgang Reinhards in der Diskussion

Göttingen: Wallstein Verlag 2008ISBN: 978-8353-0265-5140 Seiten, EUR 19,90

Hans JoasGeorge Herbert Mead. Une réévalua-

tion contemporaine de sa penséeParis: Economica 2007ISBN: 978-7178-5503-6221 Seiten, EUR 28,00

Winfried Brugger, Ulfrid Neumann,Stephan Kirste (Hg.)Rechtsphilosophie im

21. JahrhundertFrankfurt/Main: Suhrkamp 2008

ISBN: 978-3-518-29494-9480 Seiten, EUR 16,00

49

AUSGEWÄHLTE NEUERE PUBLIKATIONEN

Hans Joas, Matthias Jung (Hg.)Über das anthropologische

Kreuz der EntscheidungReihe: Studien zur Rechtsphiloso-

phie und Rechtstheorie, Bd. 50Baden-Baden: Nomos 2008ISBN: 978-3-8329-3794-2

256 Seiten, EUR 59,00

Matthias JungHermeneutik zur Einführung

50"CwàcigHamburg: Junius Verlag

GmbH 2007 ISBN: 978-388506-334-6184 Seiten, EUR 13,90

Hans G. KippenbergGewalt als Gottesdienst.

Religionskriege im Zeitalter der Globalisierung

München: C.H. Beck 2008ISBN: 978-3-406-49466-6

272 Seiten, EUR 19,90

Matthias JungEinheit in Vielheit? Europas

kulturelle Identität als Forschungsaufgabe

Berlin: Berliner Wissenschafts-Verlag 2008

ISBN: 978-3-8305-1543-2 104 Seiten, EUR 18,90

Friedrich Jaeger, Hans Joas (Hg.)Europa im Spiegel der Kultur-

wissenschaftenReihe: Denkart Europa. Schriften

zur europäischen Politik, Wirtschaft und Kultur, Bd. 7Baden-Baden: Nomos 2008ISBN: 978-3-8329-3414-9

334 Seiten, EUR 45,00

50

Hans Joas, Wolfgang KnöblKriegsverdrängung. Ein Problem in

der Geschichte der SozialtheorieFrankfurt/Main: Suhrkamp 2008

ISBN: 978-3-5182-9512-0386 Seiten, EUR 14,00

AUSGEWÄHLTE NEUERE PUBLIKATIONEN

Michael MakropoulosTheorie der MassenkulturPaderborn: Wilhelm Fink

Verlag 2008ISBN: 978-3-7705-4597-1

170 Seiten, EUR 22,90

51

Jamal MalikIslam in South Asia. A Short History Leiden: Koninklijke Brill NV 2008

ISBN: 978-90-04-16859-6520 Seiten, EUR 152,99

Stephan MoebiusKultur

Reihe: Einsichten. Themen der Soziologie

Bielefeld: transcript-Verlag 2009ISBN: 978-3-89942-697-7

200 Seiten, EUR 17,50

Stephan Moebius, Andreas Reck-witz (Hg.)

Poststrukturalistische Sozialwissenschaften

Frankfurt/Main: Suhrkamp 2008ISBN: 978-3-518-29469-7

471 Seiten, EUR 16,00

Gisela Riescher, AlexanderThumfart (Hg.)

MonarchienBaden-Baden: Nomos 2008ISBN: 978-3-8329-3827-7

347 Seiten, EUR 21,90

Dieter ThomäVäter. Eine moderne

HeldengeschichteMünchen: Carl Hanser Verlag 2008

ISBN: 978-3-446-23024-8367 Seiten, EUR 24,90

FÖRDERER DES MAX-WEBER-KOLLEGS

Alexander von Humboldt-Stiftung

Andrew W. Mellon Foundation

ASKO Europa-Stiftung

Bundesministerium für Bildung und Forschung

Carl Friedrich von Siemens Stiftung

Der Gesandte für thüringisch-französische Angele-genheiten der Thüringer Staatskanzlei

Deutsche Forschungsgemeinschaft

Deutscher Akademischer Austauschdienst

DVA-Stiftung GmbH Stuttgart

Evangelisches Studienwerk Villigst

Forum für Verantwortung

Fritz Thyssen Stiftung

Gerda Henkel Stiftung

German-Israeli Foundation

Irmgard Coninx Stiftung

John Templeton Foundation

Jutta-Heidemann-Stiftung

Landesgraduiertenförderung

Marga und Kurt Möllgaard-Stiftung

Plansecur-Stiftung

Robert Bosch Stiftung

Schwedische Reichsbank Stiftung

Stifterverband für die Deutsche Wissenschaft

Stiftung der Deutschen Wirtschaft

Stiftung Mercator

Stiftung Propter Homines

Studienstiftung des deutschen Volkes

Universitätsgesellschaft Erfurt e.V.

Vereinigte Kirchen- und Klosterkammer

VolkswagenStiftung