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?a'znehnittelwesen . Gesundheitspolitik • Industrie,mld Gesellschaft GMP / GLP / GCP Lieferantenqualifizierung Transportdienstleistern von Tim Olflrich gempex GmbH, Mannheim Mit Veröffentlichung der EU-GDP-Leitlinie für Humanarzneimittel im März 2013 ist das Thema Qualifizierung von Transportdienst- leistern immer stärker in den Fokus aller Beteiligten gerückt. Die Anforderungen, die in der Folge an die Transportbranche heran- getragen werden, stellen diese immer wieder vor neue Herausfor- derungen. Oftmals liegen die Probleme weniger in der Durchfüh- rung eines qualitätsgerechten Transportes, sondern vielmehr in der Darstellung der notwendigen Dokumentation und in den Rah- menbedingungen. Auffällig ist, dass immer wieder die pauschale Bestätigung von ,GDP-Konformität" gefordert wird. Diese brau- chen Transportunternehmen, die nicht exldusiv auf die Pharma- industrie ausgerichtet sind, aufgrund ihrer klar abgegrenzten Aufgabe in der Regel nicht zu erbringen. Für eine erfolgreiche Qualifizierung von Transportdienstleistern sind daher andere Wege einzuschlagen als jene, die in den letzten Jahren z.B. für Lohnhersteller oder Wirkstoffiieferanten etabliert wurden. Es ist Wichtig zu verstehen, dass die Transportbranche - als Dienstleister vieler verschiedener Branchen - mit einer großen An- zahl branchenspezifischer Regelwerke konfrontiert ist, die sich in ihren jeweiligen Zielen sehr häufig überlappen oder auch ergänzen. Schlüsselelemente einer erfolgreichen und effizienten Qualifizie- rung von Transportdiensfleistern sind somit die Fokussierung auf die für den jeweiligen Transport tatsächlich notwendigen GDP- Anforderungen und die Nutzung von Synergieeffekten aus vor- handenen, nicht-GDP-spezifischen Strukturen. Die Qualifizierung von Dienstleistern ffir die Durehfiihrung von Herstell- tätigkeiten im Auftrag ist schon seit einigen Jahren im EU-GMP-Leitfaden geregelt. Im Januar 2013 wurde mit Giiltigkeit des novellierten Kapitels 7 des EU-GMP-Leitfadens der Fokus auf alle ausgelagerten Tätigkeiten erwei- tert. Mit Veröffentlichung der über- arbeiteten EU-GDP-Leitlinie im März 2013 war klar, dass dies auch ausgela- gerte Tätigkeiten in der Vertriebs- kette betrifft. Bis dato hatten die meisten Hersteller von Arzneimitteln ihren Fokus bzgl. der Guten Herstel- lungspraxis vor allem auf Zulieferer von Ausgangsmaterialien und auf Lohnhersteller gerichtet. Die GDP- Leitlinie weitet darüber hinaus die Thematik bis auf den Großhandel aus. Hinsichtlich der Anforderungen gibt es zwischen der GDP-Leitllnie und dem GMP-Leitfaden zur Qualifi- zierung von Dienstleistern für aus- gelagerte Tätigkeiten quasi keine wesentlichen Unterschiede (vgl. Abschnitt7.1 in [1] und Abschnitt ùPrineiple" in [2]). So folgt auch die Lieferantenqualifizierung für Trans- portdienstleister dem allgemeinen Grundnmster, bestehend aus der De- finition von Anforderungen, der ggf. risikobasierten Definition von quali- tätsrelevanten Eigenschaften bzw. Fä- higkeiten und dem Nachweis der Ein- haltung anhand dokumentierter Überprüfungen (Abb. 1). Die grundsätzliche Thematik zum sicheren Transport von Arzneimitteln war im Rahmen von Transportvalidie- rungen schon immer auf dem Radar der Pharmabranche. Die konlcrete Auseinandersetzung mit einzelnen Transportdienstleistern stand bis zu diesem Zeitpunkt oftmals nur bei Arzneimittelherstellern mit hochsen- siblen Produkten, z.B. Blutprodukte oder Impfstoffe, auf der Agenda. Die Anforderung, Transportdienst- leister unabhängig von der Kritikalität der transportierten Ware zu qualifi- zieren, bedeutete für Arzneimittelher- steller und Großhandel Neuland zu betreten. In der Beratungspraxis des Autors zeigte sieh, dass viele Herstel- ler versuchten, ihr bestehendes Pro- gramm zur Qualifizierung von Lohn- herstellern auf den Vertriebsweg zu übertragen. Diese Praxis führte teil- weise zu sehr fraglichen Aktionen; an- gefangen bei der Forderung an alle Dienstleister, eine schriftliche Erldä- rung zu unterzeichnen, in der pau- schal ,GDP-Konformität" zugesichert wird, bis hin zum Zweifel an der Kom- petenz der bisherigen Partner und der Diskussion um den Aufbau eigener Transportkapazitäten. Aktuelle Probleme bei der Umsetzung Der Versuch, die bestehenden Quali- fizierungssysteme auf das Thema Lo- gistik zu erweitern, seheitert in der Pharm. lud. 78, Nr. 1, 40-44 (2016) 40 Otgrich • Lieferantenqualifizierung © ECV • Editrio Cantor Verlag, Au]endorf (Germany)

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?a'znehnittelwesen . Gesundheitspolitik • Industrie,mld Gesellschaft

GMP / GLP / GCP

LieferantenqualifizierungTransportdienstleistern

von

Tim Olflrich

gempex GmbH, Mannheim

Mit Veröffentlichung der EU-GDP-Leitlinie für Humanarzneimittel

im März 2013 ist das Thema Qualifizierung von Transportdienst-

leistern immer stärker in den Fokus aller Beteiligten gerückt. Die

Anforderungen, die in der Folge an die Transportbranche heran-

getragen werden, stellen diese immer wieder vor neue Herausfor-

derungen. Oftmals liegen die Probleme weniger in der Durchfüh-

rung eines qualitätsgerechten Transportes, sondern vielmehr in der

Darstellung der notwendigen Dokumentation und in den Rah-

menbedingungen. Auffällig ist, dass immer wieder die pauschale

Bestätigung von ,GDP-Konformität" gefordert wird. Diese brau-

chen Transportunternehmen, die nicht exldusiv auf die Pharma-

industrie ausgerichtet sind, aufgrund ihrer klar abgegrenzten

Aufgabe in der Regel nicht zu erbringen.

Für eine erfolgreiche Qualifizierung von Transportdienstleistern

sind daher andere Wege einzuschlagen als jene, die in den letzten

Jahren z.B. für Lohnhersteller oder Wirkstoffiieferanten etabliert

wurden. Es ist Wichtig zu verstehen, dass die Transportbranche - als

Dienstleister vieler verschiedener Branchen - mit einer großen An-

zahl branchenspezifischer Regelwerke konfrontiert ist, die sich in

ihren jeweiligen Zielen sehr häufig überlappen oder auch ergänzen.

Schlüsselelemente einer erfolgreichen und effizienten Qualifizie-

rung von Transportdiensfleistern sind somit die Fokussierung auf

die für den jeweiligen Transport tatsächlich notwendigen GDP-

Anforderungen und die Nutzung von Synergieeffekten aus vor-

handenen, nicht-GDP-spezifischen Strukturen.

Die Qualifizierung von Dienstleisternffir die Durehfiihrung von Herstell-tätigkeiten im Auftrag ist schon seiteinigen Jahren im EU-GMP-Leitfadengeregelt. Im Januar 2013 wurde mitGiiltigkeit des novellierten Kapitels 7des EU-GMP-Leitfadens der Fokus aufalle ausgelagerten Tätigkeiten erwei-tert. Mit Veröffentlichung der über-arbeiteten EU-GDP-Leitlinie im März2013 war klar, dass dies auch ausgela-gerte Tätigkeiten in der Vertriebs-kette betrifft. Bis dato hatten diemeisten Hersteller von Arzneimittelnihren Fokus bzgl. der Guten Herstel-

lungspraxis vor allem auf Zulieferervon Ausgangsmaterialien und aufLohnhersteller gerichtet. Die GDP-Leitlinie weitet darüber hinaus dieThematik bis auf den Großhandel aus.

Hinsichtlich der Anforderungengibt es zwischen der GDP-Leitllnieund dem GMP-Leitfaden zur Qualifi-zierung von Dienstleistern für aus-gelagerte Tätigkeiten quasi keinewesentlichen Unterschiede (vgl.Abschnitt7.1 in [1] und AbschnittùPrineiple" in [2]). So folgt auch dieLieferantenqualifizierung für Trans-portdienstleister dem allgemeinen

Grundnmster, bestehend aus der De-

finition von Anforderungen, der ggf.risikobasierten Definition von quali-tätsrelevanten Eigenschaften bzw. Fä-higkeiten und dem Nachweis der Ein-haltung anhand dokumentierterÜberprüfungen (Abb. 1).

Die grundsätzliche Thematik zumsicheren Transport von Arzneimittelnwar im Rahmen von Transportvalidie-rungen schon immer auf dem Radarder Pharmabranche. Die konlcreteAuseinandersetzung mit einzelnenTransportdienstleistern stand bis zudiesem Zeitpunkt oftmals nur beiArzneimittelherstellern mit hochsen-siblen Produkten, z.B. Blutprodukteoder Impfstoffe, auf der Agenda.

Die Anforderung, Transportdienst-leister unabhängig von der Kritikalitätder transportierten Ware zu qualifi-zieren, bedeutete für Arzneimittelher-steller und Großhandel Neuland zubetreten. In der Beratungspraxis desAutors zeigte sieh, dass viele Herstel-ler versuchten, ihr bestehendes Pro-gramm zur Qualifizierung von Lohn-herstellern auf den Vertriebsweg zuübertragen. Diese Praxis führte teil-weise zu sehr fraglichen Aktionen; an-gefangen bei der Forderung an alleDienstleister, eine schriftliche Erldä-rung zu unterzeichnen, in der pau-

schal ,GDP-Konformität" zugesichertwird, bis hin zum Zweifel an der Kom-petenz der bisherigen Partner und derDiskussion um den Aufbau eigenerTransportkapazitäten.

Aktuelle Probleme bei derUmsetzung

Der Versuch, die bestehenden Quali-fizierungssysteme auf das Thema Lo-gistik zu erweitern, seheitert in der

Pharm. lud. 78, Nr. 1, 40-44 (2016)40 Otgrich • Lieferantenqualifizierung © ECV • Editrio Cantor Verlag, Au]endorf (Germany)

• Abbildung 1

[der Produkt- Transport- Auswahl Bewertung der Vertraganforderungen bedingungen Transporteur Kandidaten

-B-

[ Betrieb

.j

[ FortlaufendeLeistungs-bewertung

Ablauf der Lieferantenqualifizierung (Quelle: der Autor/gempex GmbH).

Praxis häufig daran, dass die Partnerim Lohnherstellungsbereieh im We-sentlichen in der GxP-Welt zu Hausesind. Daher haben sie auch die GxP-üblichen Vorgehensweisen und Kon-zepte verinnerlicht, während dieTransportbranche bisher hiermitnoch nicht so konkret konfi'ontiertwurde. Die Transport- und Logistik-branche gilt als Partner aller bekann-ten Industriezweige und sieht sich da-her mit einer Vielzahl branchenspezi-fischer Anforderungen konfrontiert.Im Gespräch mit verschiedenenTransportdienstleistern erwiesensich die technischen Eparartungen aneinen GDP-gerechten Transport inden meisten Fällen als beherrschbar,da die Ansprüche aus Bereiehen wieLebensmittel-, Gefahrgut- oder Wert-transport vergleichbar oder gar höhersind. Eine wirldiche Herausforderungstellt nach wie vor die Pharmabran-che dar, in der zusätzlich detaillierteNachweisdokumente und Qualitäts-managementkonzepte als selbstver-ständlich erachtet werden.

In der praktischen Anwendung ha-ben sich aus der Erfahrung des Autorsbisher vor allem drei wesentlicheAspekte der GDP-Leitlinie als proble-matisch erwiesen.

• Die Leitlinie richtet sieh zwar for-mal an den Großhandel, wird aber -zumindest innerhalb der EU - alsRichtschnur für alle Aspekte derArzneimittellogistik verstanden;unabhängig von der zugrunde lie-genden Erlaubnis des jeweiligenArzneimitteldistributeurs. Dieser

Aspekt führt dazu, dass eine all-gemeine, allumfassende Forderungnach ,GDP-Konformität" auf Seitender Transportdienstleister schei-tern muss, da nur bestimmte Teileder Leitlinie tatsächlich auf derenTätigkeiten anwendbar sind.

• Das Grundverständnis, dass Trans-

port - hinsichtlich der Qualitäts-anforderungen - Lagerung auf derStrecke darstellt (vgl. Question 22 in[3]), führt in Kombination mit derstreng regulierten Arzneimittelher-stellung zu ungeahnten Herausfor-derungen. Vor allem die in derheutigen Logistikwelt übliche Fle-xibilität lässt sich nur schwer mitden starren Prozessrahmenbedin-

gungen der Pharmabranche in Ein-ldang bringen.

• Das Thema GDP umfasst mehr alsnur den Transport unter kontrol-lierten Umgebungsbedingungenund die Begleitung der Ware durchentsprechende Frachtpapiere. BeiThemen wie Schulung, zweck-gebundenen Fahrzeugen oder Qua-litätsrisikomanagement stoßennicht auf dieses Thema speziali-sierte Transportdienstleisterschnell an ihre Grenzen.

Sowohl Logistiker und Transporteureals auch die Pharmabranche versuch-ten infolge der EU-GDP-Leitlinie pra-xisorientierte und möglichst all-gemeingültige Anforderungen undGrenzwerte zu etablieren. Dies ÿihrteim Verlauf der öffentlichen Diskus-sion zu sehr umstrittenen Allgemein-sätzen, z.B., dass Arzneimittel stril(t

]

von Lebensmitteln getrennt transpor-tiert werden müssen.

Natürlich gibt es viele Lebensmit-tel, z. B. frischen Fisch oder tropischesObst, deren Transport gemeinsammit bestimmten Arzneimitteln, z.B.Phytopharmalÿa, nicht empfehlens-wert ist. Andererseits sind die meistenNahrungsergänzungsmittel - de jureLebensmittel - in ihrer finalen Auf-machung vom Laien kaum von Fer-

tigarzneimitteln zu unterscheidenund werden in Apotheken und vomvollversorgenden Großhandel ohnebesondere Trennung gelagert undtransportiert.

Die in Teilen nach wie vor andau-ernde Diskussion um die Anwendbar-keit der mittleren kinetischen Tem-peratur (MKT) zeigt, dass viele Arznei-mittel mit Sicherheit die notwendigeStabilität aufweisen, um einen Unter-schied zwischen Lagerungs- undTransportbedingungen zu begründen.Die Vielfältigkeit von Transportpro-zessen und Produkten lassen jedocheine Verallgemeinerung - zumindestaus Sicht der regulierenden Behörden(vgl. Frage 15 in [4]) - nicht zu. Letzt-endlich ist wohl zu akzeptieren, dassman durch Generalisierung der Anfor-derungen immer zu einer Steigerungdes notwendigen Aufwandes gelangt,z.B. durch ausschließlich temperatur-geÿihrte Transporte.

Mittlerweile haben sich die meis-ten nationalen Behörden mit Anwen-dungshilfen oder Frequently AskedQestions (FAQ) in der Öffentlichkeitpositioniert. Diese bekräftigen in derMehrzahl die o.g. Aspekte und ertei-len den besonders kreativen Ansät-zen, z.B. der Anwendung der MKT,

eine Absage.

Vorgehensweise zur Klärungder Anforderungen

In der Praxis kommt also keiner derBetroffenen an einer differenzierten,individuellen Betrachtung seinerTransportsituation vorbei. Es hatsich bewährt, diese differenzierte Be-trachtung mSglichst in zwei Schrittendurehzuführen. Im ersten Schritt giltes, die tatsächlichen Qualitätsanfor-

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dertmgen zu ermitteln. Hierbei ist sei-tens des Herstellers eine intensiveAuseinandersetzung mit seinem Pro-dukt und dessen Verpackung notwen-dig, denn diese Kombination stellt dieerste Verteidigungslinie zum Erhaltder Arzneimittelqualität dar undkann dm'eh den Transportem" nichtwesentlich beeinfusst werden.

Zunächst ist zu prüfen, inwieweitfür das betroffene Produkt überhauptein Qualitätseinfluss zu erwarten ist.In den meisten Fällen konzentriertsich dies auf die Umgebungsparame-ter Temperatur, Feuchtigkeit und me-chanische Einflüsse; in seltenen Fällenauch auf Licht, energiereiehe Strah-lung oder Luftdruck. Typischerweisewerden die Auswirkungen von Feuch-tigkeit und mechanisehen Einflüssen,die auf einem Transport ohnehin nurin geringerem Maße verhindert wer-den können, durch eine geeigneteVerpackung ausreichend begrenzt.Die Umgebungsparameter, die sichwährend des Transportes tatsächlichauf die Qualität auswirken können,stellen die relevanten Prozessparame-ter für den Transportprozess dar.

Vielfach handelt es sieh jedochnoch immer nicht um die Anforde-rungen, die Nr den Transporteur re-

levant sind. Denn gerade für beson-ders sensitive Produkte ist von vorn-herein eine obligatorische Transport-verpackung - z.B. passive Kiihlung,gasdiehte Folie, Polsterung - vorgese-hen, die evtl. eine weitere Barriereschafft. Erst basierend auf diesen ein-lieferungsfertigen Versandstüeken er-geben sich dann die für den Trans-porteur relevanten Prozessbedingun-gen. Diese können deutlich von denanfangs betrachteten Produktquali-tätsanforderungen abweichen. BeiBenutzung einer qualifizierten passi-ven Kühlverpaekung besteht dannkeine Anforderung mehr an die Tem-peratur, sondern nur noch an die

Dauer des Transportes bzw. an dieAufenthaltsdauer im Transportmit-tel.

Erst wenn diese Aspekte geldärtsind, sollten die weiteren Transport-rahmenbedingungen wie zulässigeandere Transportgüter, Sicherheits-aspekte, Routings und mögliche Ver-

kehrsträger betrachtet werden. Mitdiesem konloceten Paket, das aus denfür die Transportpraxis relevantenAnforderungen besteht, kann die Aus-wahl geeigneter Transportdienstleis-

ter beginnen.

Auswahl einesTransportdienstleisters

Bei der Auswahl eines geeignetenTransportdienstleisters muss dannberücksichtigt werden, dass die Lo-gistikbranche Partner aller Industrienist und die Anforderungen an dietransportierten Warenströme eherin seltenen Fällen an Pharmaprodul¢-ten orientiert sind. Große Speditio-nen bieten z.B. alle denkbaren Trans-

portvarianten und Dienstleistungenan, bedienen sich jedoch häufig Drit-ter als Fraehtfiihrer. hn Gegensatzdazu sind kleine oder spezialisierteLogistikunternehmer oftmals auf be-stimmte Regionen, Verkehrsträgeroder Routen beschränkt.

Der wohl wichtigste Aspekt für ei-nen wirtschaftlichen Transport ist daszu transportierende Volumen. Fürhäufige Transporte von kleinen Men-gen sind Kurier- oder Expressdienst-leistet meistens eine giinstige Wahl.Für Transportvolumina im Bereichvon 20 bis 30 Paletten auf einem kon-tinentalen Routing kann hingegen derStraßentransport im Direktverkehrdie sinnvollste Option darstellen. Beiglobalen Routings wiederum sind dieHerausforderungen im multimodalenTransport zu berücksichtigen. Letzt-endlich bewahrheitet sich auch andieser Stelle die eingangs gemachteAussage, dass eine differenzierte, indi-viduelle Betrachtung unumgänglichist.

Die eigentlicheQualifizierung

Nachdem man - mit Hilfe der wirk-lich relevanten Anforderungen - ei-nen oder mehrere potentielle Partnergefunden hat, beginnt die Phase, denerforderlichen Eignungsnachweis zuerbringen. In der Praxis hat es sich

bewährt, hierbei drei zentrale Grund-sätze in den Mittelpunkt zu stellen.• Eine Qualifizierung kann nur er-

folgreich sein, wenn beide Seitenwirkliches Interesse an einer Zu-sammenarbeit haben.

• Der Erlaubnisinhaber, i. d.R. derAuftraggeber, bleibt gegenüber derBehörde in jedem Fall verantwort-lich.

• Ziel der Qualifizierung ist es, nichtden Nachweis der allgemeinenGDP-Umsetzung durch den Auf-tragnehmer zu erbringen, sonderndessen Fähigkeit zu beweisen, dievertraglich vereinbarten Aufgabenin geeigneter Art und Weisedurchzufiihren (vgl. Abschnitt 7.2

Absatz2 in [1]).Insofern sollte zu diesem Zeitpmfi(tder obligatorische schriftliche Vertragmindestens als weit fortgeschrittenerEntwurf vorliegen und die Grundlagefür die Prfitkriterien darstellen. Dienachfolgenden Prüfungen sind dannebenfalls auf die konkret vereinbarteAufgabe auszurichten. So muss einQM-System nach ISO 9001, das in vie-len Unternehmen vorhanden ist, kei-nerlei konkrete GDP-Bezüge enthal-ten, sofern es die vereinbarte Auf-gabenstellung hinreichend berück-sichtigt. Wenn zum Beispiel das Ver-ladepersonal des Auftraggebers, ba-sierend auf dessen QM-System, dieSauberkeit der Laderäume vor Ver-ladung prüft und ein Umladen durchden Auftragnehmer vertraglich unter-sagt ist, ist aus Sicht des Verfasserseine detaillierte Reinlgtmgsvorschriftauf Seiten des Auftragnehmers nichtzwingend erforderlich. Ähnliches giltauch für die vielfaeh diskutierte Un-tervergabe von Tätigkeiten, was in derLogistikbranche alltäglleh ist. Wennein Spediteur für den Transport vonArzneimitteln einen verplombtenKühlauflieger bereitstellt und den na-tionalen Transport an einen Fahrermit Zugmaschine untervergeben ÿ1l,sollte ernsthaft hinterfragt werden, obdieser Fahrer tatsächlich eine GDP-spezifische Schulung oder Ausbildungaufweisen mnss, da sich seine Tätig-keit auf die des I@aftfahrers be-schränkt. Die Anforderung, dass einschriftlicher Vertrag die GDP-rele-

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vanten Verantwortlichkeiten regelnmuss, bliebe auch bei dieser Konstel-lation erhalten, könnte aber entspre-chend einfach umgesetzt werden. Sowäre in diesem Fall der Verzicht aufeinen eigenständigen Verantwor-tungsabgrenzungsvertrag (VAV) zu-gunsten einer Anlage oder Ergänzungzum kaufmännischen Vertrag denk-bar.

Diese Beispiele zeigen, dass einesinnvolle Abstimmung der vertragli-chen Vereinbarungen auf das QM-System des Auftraggebers und die Fä-higkeiten des Auftraguehmers - ggf.kombiniert mit einer Risikoanalyse -die eingangs genannten drei Problem-felder entschärfen kann. Dementspre-chend sollten die Anforderungen andie Inhalte dieser Verträge nicht un-terschätzt werden. In der Praxis zeigtsieh immer wieder, dass in derartigenVerträgen dem Auftragnehmer um-fangreiche Pflichten und Aufgabenzugewiesen werden, während die inden Regelwerken verankerte Pflichtdes Auftraggebers, alle benötigten In-formationen zur Verfügung zu stellen(vgl. Abschnitt7.2 Absatz3 in [1]),gerne vernachlässigt wird. Dabeikönnte man dieser Verpflichtungauch die Information des Auftragneh-mers über Inhalt, Anforderungen undUmsetzung der GDP-Leitlinie zurech-nen.

Wie bereits erwähnt, sind die meis-ten Transportunternehmer Partner fürviele verschiedene Branchen mit ihrenjeweiligen Anforderungen. Ausgehendvon der klar umrissenen Dienstleis-

tung, die Transportunternehmen an-bieten, unterscheiden sich die Anfor-derungen der Branchen an das Trans-portwesen in vielen Punkten nicht. Diefeststellbaren Unterschiede finden sichzumeist in der Detailtiefe bestimmterRegelungen - bestimmt durch derenBedeutung für die jeweilige Branche.Neben den Gestaltungsmöglichkeitender Verträge, liegt in diesem Aspektein in der Praxis bisher stark vernach-lässigtes Potential, das die Qualifizie-rung von Transportunternehmen wei-

ter vereinfachen kann. Gerade dieAspekte, die im GDP-Kontext zu be-achten, aber für den Arzneimittel-bereich nicht im Vordergrund und so-mit wenig konkretisiert sind, könnendurch Synergieeffekte mit anderenBranchen profitieren.

Einer dieser Aspekte ist das ThemaSicherheit der Ware. Dieser Aspektwurde im Kielwasser der Richtlinie2011/62/EU (sogenannte Arzneimit-telfälschungsriehtlinie) in der novel-lierten GDP-Leitlinie besonders he-rausgestellt. Viele Transportdienst-leister sind z.B. vom Luftfahrtbundes-amt als ,bekannte Versender" zuge-

lassen. Für diese Zulassung ist einumfangreiches Sicherheitskonzeptzu etablieren. Dieses umfasst unteranderem

• die Überprüfung der Integrität allerMitarbeiter mit Zugang zu Luft-fracht,

• den Schutz der Betriebsstätte vorunbefugtem Zutritt bzw. Zugriff aufdie Luftfracht und

• die Versiegelung bzw. den Ver-schluss der Fahrzeuge.

Abgenommen wird das Sicherheits-konzept durch die Behörde innerhalbdes Zulassungsverfahrens. Die pralcti-sche Umsetznng der detaillierten An-forderungen zu diesen Punkten geht,in der Erfahrung des Autors, deutlichüber das in der GDP-Leitlinie gefor-derte Maß hinaus. Aus GDP-Sicht istbei einem behördlich zugelassenenùbekannten Versender" nur noch zu

klären, ob das Sicherheitskonzeptauch auf die vorgesehenen Arzneimit-telsendungen angewandt wird (z.B.Videoüberwachung, Einbruchmelde-anlage und Verschließbarkeit des Ge-bäudes für den gesamten Umschlag-bereich). Ist dies der Fall, könnendiesbezügliche GDP-Anforderungenals erfüllt angesehen werden.

Eine weitere, häufig diskutierteFrage ist die mechanische Beeinflus-sung von Transportgütern. Eine ge-wisse Grundbelastung der Transport-güter z. B. durch Vibrationen oder denVerladevorgang kann nicht verhin-dert werden und muss durch eine ge-eignete Transportverpackung ausge-glichen werden. Diese liegt in denmeisten Fällen in der Verantwortungder Auftraggeber bzw. wird von ihnenvorgegeben. Darüber hinaus ist ge-mäß §22 StVO jegliche Ladung so zuverstauen und zu sichern, dass sie beiVollbremsungen oder Ausweichma-növern nicht verrutschen, umfallen,hin- und herrollen oder herabfallenkann. Die zugehörigen anerkanntenRegeln der Technik sind in der Richt-

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;i Produktspezifische Zwischenlagerung in 20 verschiedenen Temperaturbereichenvon - 24°C bis + 24°C

, ,i Überwachter Kühl-Containerservice: Austausch von Batterien, Nachfüllen mit Trockeneis,Monitoring der konstanten Kühltemperatur und der Batteriespannungen

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linie 2700 des Vereins Deutscher In-genieure (VDI) niedergelegt und stel-len die für das gesamte Transportge-werbe gültige Vorgehensweise zur La-dungssicherung dar. Diese Anforde-rungen gehören zum täglichen Hand-werkszeug der Frachtf'ührer inDeutschland und sollten daher imRahmen des Vertrages von jedemTransporteur zugesichert werdenkönnen. Auch dieser Aspekt lässtsich also anhand bestehender Rege-lungen GDP-konform lösen.

Ein weiteres Beispiel sind die um-

fangreichen Regelungen zum Umgangmit Gefahrgütern, die im Sammelgut-verkehr eine hinreichende Sicherheitvor Kontaminationen bieten müssen,sofern die Arzneimittel nicht sogarselbst als Gefahrgut einzustufen sind.

Trotz aller Möglichkeiten, die sichbei der Nutzung solcher Synergie-effekte anbieten, sollte man auf dieseArt der Argumentation nur nach ein-gehender PrUftmg zurückgreifen. Fürdie Eignung von Kühlfahrzeugen wirdseitens der Transportbranche z.B.

gerne auf die Zertifizierung nach Ac-cord relatif aux transports internatio-naux de denrdes p&issables et aux en-gins sp5ciaux ä utilisier pour ces trans-ports (ATP) verwiesen. Die dort nie-dergelegten Standards für die tech-nische Ausrüstung von grenzüber-schreitenden Kühltransporten mit Le-bensmitteln können zur Bewertungder grundsätzlichen Eignung der Aus-

rüstung sicherlich herangezogen wer-den. Eine Qualifizierung der Ausrüs-tung können sie in den meisten Fällenjedoch nicht ersetzen, da die beschrie-benen Testmethoden den Einfluss ei-ner Beladung nicht berücksichtigen.

Fazit

Obwohl die novellierte GDP-Leitlinieschon länger in Kraft ist, stellt diezielgerichtete Qualifizierung vonTransportdienstleistern nach wie voreine Herausforderung dar. Trotz allerBemfihungen lässt sich das weite Feldder Arzneimitteltransporte nicht aufeine Handvoll allgemeingtiltiger Basis-anforderungen zusammenstreichen,

die einen kostengünstigen Transportffir das Gros der Arzneimittel erlau-ben. Letztendlich bleiben die Erlaub-nisinhaber in der Verantwortung, ihreTransportanforderungen nach denRegeln des Qualitätsrisikomanage-ment so weit wie möglich zu konkre-tisieren und gemeinsam mit denTransportunternehmern geeigneteLösungen zu finden. Dazu gehörtauch, seinen Partnern nur das abzu-

verlangen, was sie tatsächlich leistenkönnen und auch nur exakt das in denobligatorischen Verträgen zm" Rege-lung der Verantwortlichkeiten fest-zuschreiben, denn diese stellen dieBasis einer jeden Lieferantenqualifi-zierung dar. Augerdem lohnt es sich,

bestehende Regelungen und Kon-zepte genau unter die Lupe zu neh-men und nicht zu versuchen für GDPdas Rad neu zu erfinden. Wer bereitist, diese nicht unerhebliche Vorarbeitauf sieh zu nehmen, wird feststellen,dass die Qualifizierung der Transport-unternehmer nur noch einen forma-

len Akt darstellt, der das Fundamentfür eine langfristige Partnerschaftohne böse Überraschungen bildet.

• LITERATUR

[1] Gttidelines of 5 November 2013 on GoodDistribution Practices of MedicinalProducts for Human Use, OJC 343,23.11.2013, p. 1.

[2] Bundesministerium ffh" Gesundheit,»GMP Leitfaden, Kapitel 7" nach Be-

kanntmachung zu ÿ2 Nmmner 3der AMWHV, Anlage 4, BAnz AT22.09.2014 B1

[3] European Commission, Good Distribu-tion Practice for Medicinal Products For

Human Use Questions and Answers,Version 1.0, 28.03.2014

[4] Zentralstelle der Länder fih- Gestmd-heitssehutz bei Arzneimitteln und Medi-

zinprodukten, Frage- & AntwortenpapierEFG 09 zum Betreiben eines Großhandelsmit Arzneimitteln, 19.03.2015

Korrespondenz:Tim 0hlrichGempex GmbHBesselstr. 6

68219 Mannheim (Germany)e-mail: [email protected]

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