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#1. 13 HINTER DEN PIXELN Hochreine Gase in der Display-Produktion SAUBER AUF SEE Maritime Infrastruktur für LNG AN DER SEITE DES PATIENTEN Medizingase-Welt von Linde Healthcare WASSERSTOFF AUS WIND Regenerative Energien speichern HEISSE ENERGIEQUELLEN Geothermie optimal nutzen TITELTHEMA: KRAFTWERK NATUR EFFIZIENTERE SONNENFÄNGER Stromausbeute von Solarzellen verbessern LINDE TECHNOLOGY Ausgabe INNOVATIVE TECHNOLOGIEN FÜR MEHR NACHHALTIGKEIT KRAFTWERK NATUR

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Herausgeber

Linde AG Klosterhofstraße 180331 München Telefon +49.89.35757-01 Telefax +49.89.35757-1398www.linde.com

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#1.

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#1. 13 Hinter den Pixeln

Hochreine Gase in der Display-Produktion Sauber auf See Maritime Infrastruktur für LNG

an der Seite deS Patienten Medizingase-Welt von Linde Healthcare

WaSSerStoff auS Wind Regenerative Energien speichern

HeiSSe energiequellen Geothermie optimal nutzen

titeltHeMa: KraftWerK natur

effizientere Sonnenfänger Stromausbeute von Solarzellen verbessern

LINDE TECHNOLOGY

Ausgabe

innovative tecHnologien für MeHr nacHHaltigKeit

KraftwerK Natur

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LINDE TECHNOLOGY #1.13 // IMprEssuM

Impressum

Herausgeber:Linde AG Klosterhofstraße 1, 80331 München Telefon +49.89.35757-01 Telefax +49.89.35757-1398www.linde.com

redaktion: Verantwortlich: Dr. Thomas Hagn, Linde AG; wissen + konzepte, München

Bildredaktion: Judith Schüller, Hamburg

Layout:wissen + konzepte, München;Almut Jehn, Bremen

Anfragen und Bestellungen an: Linde AG, Kommunikation Klosterhofstraße 1, 80331 München oder [email protected] Diese Heftreihe sowie weitere Fachberichte stehen unter www.linde.com als Download zur Verfügung.

Nachdrucke oder elektronische Verbreitung nur mit Zustimmung des Herausgebers. Mit Ausnahme der gesetzlich zugelassenen Fälle (und bei vollständiger Quellen- angabe) ist die Nutzung der Berichte aus „Linde Technology“ ohne Einwilligung des Herausgebers nicht gestattet.

ISSN 1612-2224, Printed in Germany – 2013

# 1. 13

natürliche Kräfte: Die erde bietet vielfältige regenerative energiequellen, die sich mit innovativen technologien effizient nutzen lassen – für eine nachhaltigere Zukunft.

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Bildquellen:Titel: LatitudeStock – TTL/Getty Images // seite 04/05: Linde AG (2), Fraunhofer, Siemens- Pressebild // seite 06/07: Linde AG // seite 08/09: Linde AG (2), Andy Le/Getty Images // seite 10/11: Linde AG, plainpicture/Cultura, DLR (CC-BY-3.0) // seite 13: Steger/SPL/Agentur Focus // seite 14/15: Linde AG, Sean Gallup/Getty Images, Privat // seite 16/17: Linde AG (2), look foto, Victor de Schwanberg/SPL/Agentur Focus // seite 18: Bernhard Edmaier/SPL/Agentur Focus // seite 21: Siemens AG // seite 23: Stocktrek Images/Getty Images // seite 25: Linde AG, Martin Bond/SPL/Agentur Focus // seite 26/27: Privat, Arctic Images/Corbis // seite 28: Lester Lef-kowitz/Getty Images // seite 30/31: Linde AG (2), Paul Rapson/SPL/Agentur Focus // seite 32/33: Swiss Re, Getty Images // seite 35: Sung-Il Kim/Corbis, Serghei Velusceac/Fotolia // seite 36/37: Ed Young/SPL/Agentur Focus, Linde AG, Getty Images // seite 38/39: Linde AG, dpa/picture-alli-ance // seite 40/41: Linde AG, Dieter Klein/laif // seite 42/43: Linde AG (2), Getty Images (2) // seite 44: Linde AG // seite 46/47/48/49: Linde AG, Christian Eisenberg // seite 50: Frank Siemers/laif // seite 52/53: Linde AG, dpa/picture-alliance, Engel & Gielen/Getty Images, Germanischer Lloyd // seite 54: Tim Tadder/Corbis

– 45.000 Tonnen CO2.

LNG-Produktion aus nachwachsenden Rohstoffen: Aus Deponieabfällen wird wertvoller Biokraft-stoff! Gemeinsam mit Waste Management Inc. haben wir in Kalifornien die weltweit größte Anlage zur Umwandlung von Deponiegas gebaut. Inzwischen werden die Müllentsorgungsfahrzeuge von Waste Management mit verflüssigtem Biogas betrieben. Dies entspricht einer Einsparung von jährlich circa 20 Millionen Liter Benzin bzw. Diesel, oder anders ausgedrückt: 45.000 Tonnen CO2. Das ist nur eines von vielen Beispielen, wie wir mit unseren „Clean Technology”-Lösungen zu einer sauberen und nachhaltigen Energiewirtschaft beitragen.Weitere Informationen finden Sie auf unserer Website www.linde.com/cleantechnology

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editorial // liNde teCHNoloGY #1.13

Liebe Leserinnen und Leser,

noch immer haben wir die weitreichenden Auswirkungen der jüngsten Finanz- und Wirtschaftskrise nicht überwunden. Die Ereignisse haben einmal mehr gezeigt: Man muss bewährte Konzepte immer wieder in Frage stellen und an neue Anforderungen anpassen. Dies gilt auch für die Grundlagen unseres Wirtschafts- systems, das auf Wachstum ausgerichtet ist. Es muss uns gelingen, eine weltweite konjunkturelle Dynamik zu entfalten und gleichzeitig den Verbrauch natürlicher Ressourcen zu begrenzen und die CO₂-Emissionen zu senken. Wir brauchen eine neue Art des Wachstums. Ein Wachstum, das auf Nachhaltigkeit gründet.

Dieses Ziel lässt sich nur durch den Ausbau der erneuerbaren Energien erreichen. Um die Kräfte der Natur effizient nutzen zu können, sind innovative Technologien gefragt. Beispiel Windkraft: Die hierdurch erzeugten Energiemengen können beträchtlich sein. Da sie jedoch häufig stark schwanken, benötigen wir geeig-nete Speichermedien – wie zum Beispiel Wasserstoff: Mithilfe dieses gasförmigen Zwischenspeichers lassen sich die Energienetze stabilisieren, und der Windstrom lässt sich sogar auf die Straße bringen.

Ein weiteres wichtiges Zukunftsfeld ist für uns auch die Geothermie: Im bayerischen Kirchwei- dach realisieren wir derzeit ein Kraftwerk, um die Erdwärme bestmöglich zu erschließen. Und auch Solar-module werden mit Linde-Technologie effizienter – dank einer neuen Anti-Reflex-Beschichtung.

In diesem Heft widmen wir uns neben dem Titelthema „Kraftwerk Natur“ noch einem weiteren globalen Megatrend: dem Gesundheitsmarkt. Die Bedeutung dieses Bereichs steigt insbesondere vor dem Hinter-grund der demographischen Entwicklung stetig. Linde ist mit strategischen Akquisitionen zum weltweit führenden Healthcare-Anbieter der Gaseindustrie aufgestiegen. In unserem Themenspezial zeigen wir Ihnen, wo und mit welchen Produkten und Dienstleistungen wir in diesem Geschäftszweig vertreten sind: von Kliniken über Reha-Zentren bis in den Homecare-Bereich.

Professor Dr.-Ing. Aldo BelloniMitglied des Vorstands der Linde AG

EditoriaL

Ich wünsche Ihnen eine spannende Lektüre.

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Display-Technologie: Spezialgase für leistungsfähige Elektronik

schiffsTreibsToff: LNG-terminal für Hamburger Hafen

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gesunDheiT: die Medizingase-Welt auf einen BlickWinDsTrom: Wasserstoff als effizienter Energiespeicher

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titeltHema

03 eDiTorial

06 Die KunsTsToff-schmieDe Linde baut größten Ethancracker-Komplex für Borouge

08 neWs

12 hinTer Den pixeln Die Elektronikbranche baut auf hochreine Spezialgase

18 WaSSErStoff auS WiNd Power-to-Gas: Regenerative Energien flexibel und effizient speichern

22 HEiSSE ENErGiEquELLEN Geothermie: Die Urwärme der Erde bestmöglich erschließen

28 EffiziENtErE SoNNENfäNGEr Anti-Reflex-Glas: Hochtransparente Beschichtungen für höhere Stromausbeute

32 ESSay: „WEGE zu EiNEr NacHHaLtiGEN ENErGiEzukuNft“ Harald Dimpflmaier, Chief Engineer, Swiss Reinsurance Company Ltd.

innovative anlagen- und gasetechnologien von linde helfen dabei, regenerative Quellen besser zu nutzen und die energiezukunft nachhaltiger und klimafreundlicher zu gestalten.

16 kraftWErk Natur

34 eisKalT unTerWegs Flüssigstickstoff für sichere Lebensmitteltransporte

38 plasTiK unTer DrucK Stickstoff senkt Kosten in der Autoteile-Fertigung

40 sauersToff-Turbo für schmelzöfen Energieeffizienz in der Gießereitechnik steigern

42 an Der seiTe Des paTienTen Umfassende Lösungen für den Gesundheitsbereich

44 inTervieW: „es gehT um ganzheiTliche gesunDheiTsversorgung“ Dr. Christian Wojczewski, Leiter Linde Healthcare

46 Die meDizingase-WelT Linde Healthcare: Partner für Ärzte, Patienten und Pflegekräfte

50 sauber auf see LNG-Terminals: Maritime Infrastruktur für flüssiges Erdgas

54 Die gipfelschWimmer Hypoxie-Kanal für Profisportler

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Linde baut größten Ethancracker-komplex für Borouge

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06liNde teCHNoloGY #1.13 // etHYleNproduktioN

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Polyethylen – kurz PE – ist ein Multitalent: Der Massenkunststoff eignet sich unter anderem für Flaschen, Folien, Rohre und Autobauteile. Der PE-Rohstoff Ethylen ist deshalb die am meisten produzierte Petro- chemikalie. Ein führender Anbieter innovativer, hochwertiger PE-Kunststoffe ist das Unternehmen Borouge, ein Joint Venture der Abu Dhabi National Oil Company (ADNOC) und Borealis. Borouge be- treibt am Standort Ruwais, Abu Dhabi, Vereinigte Arabische Emirate, mehrere Ethylen-Produktions- anlagen – gebaut von Linde. Bereits 2010 hat Borouge seine Jahresleistung dank eines zweiten Ethancrackers (im Bild) mit einer Kapazität von 1,5 Millionen Tonnen Ethylen verdreifacht. „Wir bei Linde Engineering sind stolz, der Ethylen-Technologiegeber für den Ruwais-Komplex zu sein“, sagt Prof. Dr.-Ing. Aldo Belloni, Mitglied des Vorstands der Linde AG. Und Borouge ist weiter auf Wachs- tumskurs – wieder mit Linde-Unterstützung: Der Anlagen- und Gasespezialist baut derzeit den dritten Ethancracker in Ruwais, der Ende 2013 in Betrieb gehen soll. Mit einer Jahreskapazität von 3,89 Milli- onen Jahrestonnen entsteht damit der weltweit größte ethanbasierte Polymerkomplex.

linK: www.borouge.com

07etHYleNproduktioN // liNde teCHNoloGY #1.13

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Die Stahlindustrie in Asien boomt – und damit auch die Nachfrage nach Luftzerlegern. In Vietnam wird die Linde AG das dort ansässige Stahlunternehmen POSCO SS-Vina künftig mit den notwendigen Indus-triegasen versorgen. Im Industriepark Phu My in Ba Ria, Vung Tau Provinz, wird Linde die größte Luftzerlegungsanlage des Landes errichten und dafür insgesamt rund 40 Millionen Euro investieren. „Wir freuen uns darüber, erneut bei einem On-site-Projekt mit unserem Kunden POSCO zusammenzuar-beiten. Dabei handelt es sich um die größte Einzelinvestition, die Linde in Vietnam bisher getätigt hat“, sagte Sanjiv Lamba, Mit-glied des Vorstands der Linde AG und verantwortlich für das Asien/ Pazifik-Geschäft des Unterneh-mens. Damit stärkt der Konzern seine Position in der schnell wachsenden Region Südostasien. Die neue, hochmoderne Luftzer-legungsanlage wird über eine Produktionskapazität von 35.000 Normkubikmeter Luftgase pro Stunde verfügen. Die Inbetrieb-nahme ist für 2014 vorgesehen.

Des Weiteren wird Linde für Tata Steel Limited, eines der welt-weit größten Stahlunternehmen, zwei große Luftzerlegungsan-lagen in Indien errichten – eine Investition von rund 80 Milli- onen Euro. Der Bau der beiden Anlagen ist Teil eines Vertrags zur langfristigen On-site-Gase-versorgung für ein neues Stahl-werk von Tata Steel, das derzeit im Industriekomplex Kalinga- nagar im indischen Odisha entsteht. Jede der beiden Luft-zerleger besitzt eine Produkti-onskapazität von 1.200 Tonnen Luftgase pro Tag. Nach der Inbe-triebnahme, die für das Jahr

2014 geplant ist, soll das derzeit im Bau befindliche Stahlwerk von Tata Steel mit gasförmigem Sauerstoff, Stickstoff und Argon ver-sorgt werden. Zudem erzeugen die Luftzerleger Flüssiggase für den regionalen Markt. Darüber hinaus plant Linde, ein ausgedehntes Rohrleitungsnetz im Industriekomplex Kalinganagar einzurichten,um dort künftig auch weitere Stahlproduzenten mit Industriegasen versorgen zu können.

ASIEN:

LuftzErLEGEr iN ViEtNaM uNd iNdiEN

NEWS

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09News // liNde teCHNoloGY #1.13

Für das größte russische Petrochemie-Unternehmen SIBUR LLC hat Linde einen Engineering-Auftrag erhalten, um eine der weltweit größten Ethylen-Anlagen zu bauen. Die neue Anlage wird aus den Rohstoffen Ethan, Propan und n-Butan etwa 1,5 Millionen Jahres- tonnen Ethylen, 500.000 Jahrestonnen Propylen und 100.000 Jah-restonnen Butadien herstellen. Diese Produkte sind wichtige Grundstoffe für die Kunststoff-Erzeugung. Die neue Ethylen-Anlage soll im geplanten Petrochemie-Komplex „ZapSibNeftekhim“ des Petrochemie-Unternehmens ZapsibNef-tekhim, einer Tochtergesellschaft von SIBUR, im westsibirischen Tobolsk entstehen. Linde errichtet derzeit für SIBUR an diesem Standort bereits eine Polypropylen-Anlage mit einer Jahres-kapazität von 500.000 Tonnen, die voraussichtlich 2013 in Betrieb gehen wird. Dieses Projekt zählt derzeit zu den Schlüssel-investitionen in der petrochemischen Industrie Russlands.

RUSSLAND:

auftraG für NEuE EtHyLEN-aNLaGE

VERFLüSSIGUNGSANLAGE FüR MALAySIADas Unternehmen Malaysia LNG Sdn. Bhd., eine Tochtergesellschaft des Öl- und Gaskonzerns PETRONAS, hat Linde mit dem Bau einer mittelgroßen Erdgasverflüssigungsanlage beauftragt. Die neue Anlage zur Rückverflüssigung von so genanntem Boil-off-Gas ver-fügt über eine Kapazität von 1.840 Tonnen Flüssigerdgas, kurz LNG für Liquefied Natural Gas, pro Tag. „Dieses Projekt ist das neueste in einer Reihe von mittelgroßen, technisch besonders anspruchsvol-len LNG-Vorhaben, die wir in letzter Zeit für uns entscheiden konn-ten“, sagte Professor Dr.-Ing. Aldo Belloni, Mitglied des Vorstands der Linde AG. Die neue Anlage entsteht im Bintulu-LNG-Komplex im Bundesstaat Sarawak im Osten Malaysias und soll Ende 2014 ihren Betrieb aufnehmen. LNG-TERMINAL IN SCHWEDENFür das norwegische Unternehmen Skangass AS wird Linde ein mit-telgroßes LNG-Import-Terminal bauen. Die Anlage soll in Lysekil an der schwedischen Westküste entstehen. Neben den Engineering-, Beschaffungs-, Bau- und Inbetriebnahmeleistungen im Wert von rund 44 Millionen Euro übernimmt Linde auch das Schnittstellen-Manage-ment mit dem Tankhersteller. Das neue LNG-Terminal soll im Früh-jahr 2014 in Betrieb gehen und die nahe gelegene Preem-Raffinerie, aber auch die Industrie und den Transportsektor mit Erdgas beliefern. Das neue Terminal besitzt eine Speicherkapazität von 30.000 Kubik-meter LNG und wird zusätzlich mit einer Lkw-Tankstelle ausgerüstet. Das Flüssigerdgas stammt aus der LNG-Anlage bei Stavanger.

FLüSSIGERDGAS:

WEitErE LNG-ProjEktE

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Die Nachfrage nach umweltfreundlichen Energieträgern wächst. Besonders gefragt ist der emissionsfreie Kraftstoff Wasserstoff (H2). Auf der Hannover Messe im April 2013 stellte Linde den neuesten Stand der Wasserstoff-Betankungstechnik vor: Die von der Clean Energy Partnership (CEP) auf der Messe eingesetzten Brennstoffzellen-Fahrzeuge wurden mithilfe einer mobilen, von Linde entwickelten Betankungseinheit mit grünem Wasserstoff versorgt. Dieser wird in Leuna aus Rohglycerin gewonnen. Auch

bei den stationären Betankungslösungen wurden Fortschritte erzielt: In den letzten zwei Jahren entwickelte und baute Linde drei H2-Tankstellen, die den Wasserstoff direkt vor Ort per Elektro-lyse erzeugen. Elektrizität aus erneuerbaren Energien kann damit emissionsfrei in Wasserstoff umgewandelt werden. Mit der Power-to-Gas-Technologie lässt sich Wasserstoff als effizientes Speicher-medium für regenerative Energiequellen nutzen.

SAUBERE MOBILITÄT:

WaSSErStoff-BEtaNkuNGStEcHNik auf dEr HaNNoVEr MESSE

Die Linde AG hat die verbleibenden Anteile im OCAP Joint Venture (Organisches CO2 für die Assimilation in Pflanzen) von Volker Wessels Stevin Deelnemingen übernommen. OCAP liefert Kohlendioxid an Gewächshäuser im Raum Rotter-dam und Amsterdam. Dort unterstützt die mit CO2 angereicherte Atmosphäre das Wachstum der Pflanzen. Das Kohlendioxid stammt aus der größten europäischen Shell-Raffinerie und einer Abengoa-Bioethanol-Anlage im Industriehafen von Rotterdam. Eine 100 Kilometer lange Transportleitung liefert etwa 400.000 Ton-nen des Gases an mehr als 580 umliegende Treibhäuser. Ein kleiner Teil geht in die Lebensmittelindustrie, um Produkte frisch zu halten. Durch die Weiterverwer-tung des Gases vermeidet OCAP die Verbrennung von 115 Millionen Kubikme-ter Erdgas pro Jahr. Das entspricht in etwa dem Ausstoß einer westeuropäischen Stadt mit 150.000 Einwohnern. Mit der übernahme stärkt Linde seine Position als einer der führenden Anbieter von sauberen Technologien.

Kohle gewinnt als Energieträger an Bedeutung. Um den Rohstoff vielfältiger nutzen zu können, werden vermehrt Anlagen zur Koh-leverflüssigung gebaut – auch Coal-to-Liquid genannt, kurz CTL. Das

Verfahren benötigt unter anderem auch Sauerstoff, den Linde mit seinen Luftzerlegern liefert. Der Anlagen- und Gasespezialist wird sechs große Luftzerlegungsanlagen für Shenhua Ningxia Coal Indus-try Group Co. Ltd. und Shenhua Logistics Group Co. Ltd. in yinchuan im Nordwesten Chinas errichten. Jede der sechs Anlagen produziert stündlich rund 100.000 Normkubikmeter gasförmigen Sauerstoff. Dieser wird im CTL-Komplex am Shenhua-Standort Ningdong Energy Chemical Base eingesetzt. Dort sollen vier Millionen Tonnen CTL-Pro-dukte – vorwiegend flüssiger Kraftstoff aus Kohle – pro Jahr erzeugt werden. Damit handelt es sich um eines der derzeit größten Coal-to-Liquid-Vorhaben weltweit. Linde ist für das Engineering, die Liefe-rung der Maschinen und Ausrüstungen, die Montage- und Inbetrieb-nahmeüberwachung, die schlüsselfertige Erstellung der Cold-Boxen sowie die Schulung des Kundenpersonals verantwortlich. Die Inbe-triebnahme der Luftzerleger ist im Jahr 2015 geplant.

CHINA:

SauErStoff für koHLEVErfLüSSiGuNG

CO₂-MANAGEMENT:

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ENERGIEVERSORGUNG:

NEuES ErdGaStErMiNaL aN dEr NordSEEküStE

Die Mobilität der Zukunft muss sauberer werden. Auch Flugzeuge sollen effizienter und umweltfreundlicher fliegen. Zwar hat sich die Leistung der Triebwerke in den letzten Jahrzehnten bereits deutlich verbessert, während sich Schadstoffemissionen und Fluglärm ver-ringerten. Doch die Experten des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR) in Köln sehen noch mehr Optimierungspotenzial. Deshalb baut das DLR seine Flugantriebs- und Kraftwerksforschung weiter aus – auch mit Unterstützung von Linde. Im April 2013 wurden

zwei neue Anlagen eingeweiht: Ein von Linde entwickeltes System zur Wasserstoffversorgung sowie ein moderner Hochdruckverdichter sollen die Erforschung neuer, sparsamer und leistungsstarker Gastur-binen für die Luftfahrt und Energietechnik fördern.

In den Brennkammerprüfständen forscht das DLR nach einer möglichst effizienten, flexiblen und schadstoffarmen Verbrennung von fossilen und alternativen Treibstoffen. Vor allem der Einsatz von Wasserstoff (H2) verspricht große Fortschritte für eine umwelt-

freundliche Turbinentechnik: Das leichte Gas ist nicht nur kompati-bel mit den leistungsstarken Ver-brennungsmaschinen, sondern es besitzt auch eine hohe Ener-gieeffizienz und verbrennt CO2-frei. „Das Projekt zeigt, dass Was-serstoff dank seiner positiven Eigenschaften für viele innova-tive Anwendungen geeignet ist“, sagt Dr. Andreas Opfermann, Lei-ter Clean Energy und Innovati-onsmanagement bei Linde. Die von Linde entwickelte H2-Ver-sorgung umfasst unter anderem einen kryogenen Speichertank und ein höchst effizientes Kryo-pumpensystem, mit dem das bei minus 253 Grad Celsius flüssig gelagerte Gas in Hochdruckwas-serstoff umgewandelt wird. Nach weniger als einem Jahr Bauzeit steht die H2-Versorgung jetzt den DLR-Ingenieuren und Partnern aus der Industrie zur Verfügung.

DEUTSCHLAND:

LiNdE uNtErStützt dLr-GaSturBiNEN-PrüfStaNd

Norwegen ist einer der wichtigsten Energielieferanten Deutsch-lands. Um die Belieferung mit Erdgas in Deutschland sicherzustel-len, wird ein neues Erdgasterminal in Emden errichtet. Linde hat von dem norwegischen Unternehmen Gassco AS den Auftrag zum Bau erhalten. Das neue Terminal soll das seit mehr als 30 Jah-ren bestehende Norsea Gas Terminal ersetzen, das ebenfalls von Gassco betrieben wird. Das Auftragsvolumen beträgt rund 260 Millionen Euro. Linde ist für das Engineering, die Beschaffung und

den Bau des Erdgasterminals verantwortlich. „Mit unserer lang-jährigen Erfahrung auf dem Gebiet der Erdgasverarbeitung leisten wir damit einen weiteren Beitrag zur Nutzung dieses umwelt-freundlichen fossilen Energieträgers“, sagte Professor Dr.-Ing. Aldo Belloni, Mitglied des Vorstands der Linde AG. Die Anlage wird wei-testgehend in Modulen vorgefertigt und dann am endgültigen Standort in Emden komplettiert. Die Inbetriebnahme des neuen Erdgasterminals ist für Ende 2015 vorgesehen.

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HiNtEr dEN PixELNdie Elektronikbranche baut auf hochreine Spezialgase

Der Trend zu hochauflösenden Displays ist ungebrochen. Doch die Produktion der Hightech-Bildschirme stellt immer höhere technische Anforderungen. Linde versorgt die Hersteller mit einem breiten Spektrum hochreiner Elektronikgase und entwickelt umweltfreundliche Lösungen für die Multimedia-Branche.

Im Pixel-Land herrscht Platznot. Immer mehr der winzigen Bildpunkte drängeln sich auf die modernen Displays der Fernsehgeräte: James-Bond-Actionszenen rauschen als gestochen scharfe Bildsequenzen über die schlanken Scheiben, die mit immer größeren Bildschirm- diagonalen begeistern. Und um die Hobbit-Trilogie, Olympia- spektakel oder Naturdokus noch plastischer auf die Screens zu zau-bern, steht schon das nächste Multimedia-High-light in den Startlöchern: dreidimensionales Fern-sehen in höchster Auflösung – oder kurz UHD-3D. Die Abkürzung UHD steht für Ultra High Defini-tion. Die Auflösung dieser Flachbildschirme ist viermal so hoch wie bei so genannten Full HD- Displays. Das bedeutet: Das Bild setzt sich aus mehr als acht Millionen Pixeln zusammen. Und mindestens 480-mal pro Sekunde erscheint ein neues Bild. Das ist viermal so oft wie beim normalen Fernsehen – aber nur so lässt sich der 3D-Effekt erzielen.

Bei den Hochleistungs-Screens der nächsten Generation stößt die heutige Technik allerdings an ihre Grenzen: Jedes einzelne Pixel benötigt zur elektronischen Ansteuerung einen winzigen Transistor. Das bedeutet: Acht Millionen dieser Schaltelemente finden sich auf der Rückwand eines UHD-3D-Displays. „Um die gewünschte höhere

Auflösung zu erreichen, müssten die Transistoren verkleinert werden“, erklärt Andreas Weisheit, Leiter Marktentwicklung Flachbildschirme & Solar bei Linde in Schanghai. Doch die heutigen Schaltelemente sind nicht leistungsfähig genug für die Herausforderungen der neuen Display-Entwicklungen. Der Grund: Die Dünnschicht-Transistoren (Thin Film Transistor, kurz TFT) derzeitiger Flachbildschirme beste-

hen meist aus amorphem Silizium: Die einzelnen Silizium-Atome bilden also keine regelmäßige Kristallstruktur. „Deshalb können sich die lei-tenden Elektronen nicht schnell genug bewe-gen – und das verhindert die benötigte schnelle Bildrate“, so Weisheit.

Die derzeit favorisierte Alternative: Dünn-schicht-Transistoren aus polykristallinem Silizium.

Dank der geordneten atomaren Struktur leitet das Material die Elek-tronen deutlich besser. Allerdings ist auch der Herstellungsprozess teurer, denn das amorphe Silizium muss dazu mit einem Laser in die kristalline Form umgewandelt werden. „Bei kleinen Displays, zum Beispiel in einem Smartphone, ist der höhere Preis noch vertretbar – bei großen Fernsehbildschirmen allerdings nicht“, sagt Weisheit. Hersteller wie Sharp oder LG steigen daher auf ein neues Transistor-Material um: Metalloxide. Die halbleitenden Verbindungen bestehen

ScHarfE ScrEENS: SPiELWiESE für MEHr aLS acHt MiLLioNEN PixEL.

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13multimedia // liNde teCHNoloGY #1.13

Leuchtende Moleküle: organische leuchtdioden – kurz oleDs – versprechen brillantere, flachere und flexible bildschirme.

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aus Oxiden der Metalle Indium, Gallium und Zink. Die Kosten bewe-gen sich im Rahmen der herkömmlichen Silizium-Transistoren – aber die Leistung des Materials ist deutlich besser.

Allerdings zieht der Materialwechsel weitere Veränderungen nach sich. „Die Herausforderung bei der Flachbildschirm-Produktion ist neben der geringen Größe der Transistoren auch die große Fläche“, sagt Weisheit. Die Schalt-elemente selbst sind etwa einen Zehntel Milli- meter groß. Die Kunst besteht darin, Millionen von qualitativ hochwertigen Dünnschicht-Transistoren gleichmäßig auf Glasplatten mit einer Fläche von mehr als fünf Quadratmetern aufzubringen.

Bei solchen Prozessen spielen verschiedene hochreine Gase an ganz unterschiedlichen Stellen eine wichtige Rolle – beispielsweise Argon: Mit diesem Edelgas beschießt man die Materialien, aus denen die verschiedenen Komponenten eines Transistors bestehen – und verdampft sie. Anschließend werden die Substanzen auf der Rückseite der Glasplatte wieder abgeschie-

den. So bilden sich unter anderem die metallischen und halblei-tenden Schichten, Isolatorfilme und Schutzschichten. Anschließend ätzt man das Material teilweise wieder weg, um zum Beispiel Leiter- bahnen gezielt auf der Glasplatte herauszuarbeiten. Für diese Schritte benötigen die Hersteller wieder andere Gase. „Insgesamt werden bis zu

zehn unterschiedliche Gase verwendet“, erklärt Weisheit. „Phosphin benötigt man beispielsweise zum Dotieren des Halbleiters – oder Stickstoff, um die Abgase zu verdünnen. Helium dient zur Kühlung der Glasplatte und fluorhaltige Gase zum Ätzen“, so der Linde-Experte. So wächst nach und nach der Transistor in seiner endgültigen Form heran: ein hochpräzises, elektronisches Bauelement aus

sechs bis sieben hauchdünnen und speziell geformten Schichten.Die neuen, leistungsfähigeren Metalloxid-Transistoren erhalten

eine Isolatorschicht aus Siliziumdioxid zum Schutz vor Feuchtigkeit. Um diese Verbindung herzustellen, benötigt man Distickstoffmon-oxid (N₂O), auch Lachgas genannt. „Ohne eine sichere Versorgung

LacHGaS für diE NäcHStE traNSiStorEN-GENEratioN.

BaNN für klimaGase

Es ist das stärkste Treibhausgas überhaupt: Schwefel- hexafluorid (SF6). Die langlebige Verbindung übertrifft die Wirkung von Kohlendioxid um den Faktor 23.900. Bei der Bildschirmherstellung kommt SF6 seit Langem als Ätzgas zum Einsatz. Und dabei können kleine Mengen in die Umwelt entweichen. „Der Druck auf die Hersteller, die Substanz zu ersetzen, ist enorm“, sagt Andreas Weisheit, Leiter Marktentwicklung Flachbildschirme & Solar bei Linde in Schanghai. Auch in Asien werden Umweltfragen immer wichtiger. Linde hat zusammen mit einem koreanischen Anlagenbauer nach einem klimafreundlichen Ersatz gesucht – mit Erfolg: Reines Fluor-Gas (F₂) ist für das Ätzen von Transistor-Schichten sogar noch besser geeignet. Es löst das überschüssige Material schneller und gleichmäßiger, die Behandlung der entstehenden Abgase ist einfacher und der Stromverbrauch in der Produktion sinkt. Der Verband der koreanischen Display-Hersteller hat das Linde- Verfahren kürzlich offiziell anerkannt. Linde stellt kleine Anlagen – so genannte On-site-Generatoren – her, die F₂ vor Ort erzeugen. Einige Elektronikhersteller haben bereits Erfahrung mit diesen kleinen Fluor-Fabriken: Bereits 2003 entwickelte Linde ein Verfahren, um das Treibhausgas Stickstofftrifluorid (NF₃) ebenfalls durch F₂ zu ersetzen. Die Verbindung wird zur Reinigung der Reaktorkammern eingesetzt, in denen die Bild-schirme bedampft werden.

verdampfen, ab- scheiden, wegätzen:

Bis zu zehn ver- schiedene hochreine Gase werden gezielt

eingesetzt (rechts), um feine Leiterbahnen auf

die transistoren zu bringen. Nur so lassen

sich brillante farben auf die flachen Bild-

schirme zaubern (unten).

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mit hochreinem Lachgas wäre die Umstellung von Silizium- auf Metalloxid-Transistoren nicht möglich“, betont Weisheit. Linde und Linde LienHwa, ein Joint Venture mit der LienHwa MiTAC Group aus Taiwan, betreiben bereits sechs Lachgas-Anlagen mit einer Kapazi-tät von 3.000 Tonnen pro Jahr in Asien. Künftig soll die produzierte Jahresmenge auf 10.000 Tonnen Lachgas steigen. Dazu wird der-zeit eine bestehende Anlage in Taiwan erweitert und in Südkorea eine weitere Produktionsstätte neu gebaut. Zudem erwarb Linde LienHwa eine Anlage in der chinesischen Provinz Jiangsu. Denn der Bedarf ist groß: „Derzeit sind neun Metalloxid-Projekte in der Ent-wicklung. Neue Fabriken werden gebaut oder bestehende nachgerü-stet“, berichtet Bruce Berkhoff, Vorsitzender der Handelsorganisation LCD TV Association. „Mit dem Ausbau der Kapazitäten etabliert Linde in Asien seine Position als führender Anbieter von Elektronikgasen“, sagt Weisheit. „Wir investieren kontinuierlich und unterstützen so Innovationen auf diesem Zukunftsmarkt“, so der Ingenieur.

leistungsfähige transistoren für oled-displaysDie Verdreifachung der Lachgas-Produktion hält der Linde-Experte deswegen für unverzichtbar: „Eine einzige Display-Fabrik braucht bis zu tausend Tonnen dieses Gases pro Jahr“, so Weisheit. Metall-oxid-Transistoren werden aber nicht nur für Flachbildschirme wichtig. Auch für Smartphones sind die leistungsfähigeren Schaltelemente eine interessante Option, weil sie den Stromhunger der Geräte ver-ringern könnten. Denn vor allem das Display ist verantwortlich, wenn der Akku schon nach weniger als einem Tag schlapp macht. Die Leuchtdioden, die noch hinter den Transistoren verbaut sind und den Bildschirm von hinten anstrahlen, verbrauchen den Löwenanteil des Stroms. Da kleinere Transistoren mehr Licht durchlassen, könnte man durch die Metalloxid-Variante eine Menge Strom sparen. Und auch Bildschirme mit organischen Leuchtdioden – abgekürzt OLEDs – könnten von den leistungsfähigen Bauteilen profitieren. OLEDs ver-sprechen noch brillantere Bilder und noch schmalere Bildschirme. Doch die OLED-Displays schafften es bislang nicht auf den breiten Markt (siehe Interview). Eine Hürde sind leistungsfähige Transis-toren, denn die OLEDs benötigen eine hohe Stromstärke, um die organischen Substanzen zum Leuchten zu bringen. Metalloxid-Transis- toren könnten diese Herausforderung meistern.

Die Aussichten für Display-Hersteller sind insgesamt gut, wie eine Marktanalyse von Linde zeigt. Zwar stieg die Zahl verkaufter Flachbildschirme im Jahr 2012 wenig an. „Der Trend geht aber zu immer größeren Displays, sowohl bei Smartphones als auch bei Fern-sehern“, sagt Weisheit. Daher rechnen Analysten für 2013 mit einem Umsatzwachstum der Branche um fünf Prozent. Auch für Linde sind die Aussichten erfreulich. Denn Spezialgase spielen bei der Entwick-lung von neuen Elektronikgeräten eine wichtige Rolle. Weisheit: „Je größer die Display-Flächen, desto mehr Gase werden gebraucht“.

linK: www.oled-info.com

WAS SIND DIE VORTEILE VON OLED-DISPLAyS?

Organische Leuchtdioden bestehen aus einem dünnen orga-nischen Film zwischen zwei Leitern. Wenn ein elektrischer Strom fließt, emittieren sie Licht. Es ist also keine Lichtquelle mehr hinter dem Bildschirm wie bei LCDs, also Flüssig- kristall-Displays. OLED-Bildschirme sind dünner und effizi-enter. Zudem erzeugen sie brillante Farben und reagieren sehr schnell. In Zukunft könnten OLED-Displays auch bieg-sam und durchsichtig sein.

WARUM HABEN SIE BISLANG DEN DURCHBRUCH NOCH NICHT GESCHAFFT?

Einer der wichtigsten Gründe sind die hohen Kosten. OLEDs haben aber das Potenzial, günstiger zu werden als LCDs, weil ihre Struktur einfacher ist. Große Investitionen in die Massenproduktion könnten ein weiteres Hindernis sein. Inzwischen sind aber bereits einige OLED-Produkte auf dem Markt, zum Beispiel in der Samsung Galaxy-Reihe.

WORAN FORSCHEN DIE SHANGHAI UNIVERSITy UND LINDE?

Bei unserer Kooperation konzentrieren wir uns auf eine neue Technologie zur Einkapselung der dünnen Filme. Denn der organische Film ist extrem empfindlich gegenüber Sauerstoff und Feuchtigkeit. Das kann die Lebensdauer drastisch verkürzen. Die Einkapselung der OLEDs ist daher ein entscheidender Schritt bei der Produktion, insbeson-dere bei flexiblen Displays.

WIE LANGE WIRD ES DAUERN, BIS OLED-DISPLAyS KONVEN-TIONELLE FLACHBILDSCHIRME VOM MARKT VERDRÄNGEN?

Das ist schwer zu sagen. Beide Technologien entwi-ckeln sich weiter. Ich bin aber zuversichtlich, dass OLED-Bildschirme in fünf oder zehn Jahren eine wichtige Rolle spielen werden.

„BiEGSaME BiLdScHirME daNk orGaNiScHEr fiLME“

KURZINTERVIEW

Linde technology sprach mit Prof. jianhua zhang, direktorin des key Lab of advanced display and System an der Shanghai univer-sity, über die display-technologien der zukunft. das institut ist kooperationspartner von Linde bei der forschung an oLEds, also organischen Leuchtdioden.

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iNNovative teCHNoloGieN für meHr NaCHHaltiGkeit16

kraftWErk Natur

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SolarenergieMit anti-reflex-Glas mehr Sonnenstrom gewinnen.

Geothermiedie globalen Erdwärme- ressourcen besser nutzen.

WindstromMit Wasserstoff große Energie-mengen effizient speichern.

17titeltHema // liNde teCHNoloGY #1.13

17

Der Energiehunger wächst weltweit. Aber der Klimawandel und knappere fossile Ressourcen zwingen uns dazu, umzudenken und vermehrt erneuerbare Quellen zu nutzen. Doch für einen nachhaltigen Energiemix und eine umweltfreundliche Mobilität sind innovative Technologien gefragt. Die Anlagen- und Gasespezialisten von Linde entwickeln effiziente Prozesse für eine grünere Zukunft und setzen an Schlüsselstellen wichtige Impulse.

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Rotorblätter auf Windfang: Windparks können gigantische energie-mengen erzeugen. um diese dem aktuellen bedarf anzupassen, braucht es effiziente speichertechnologien – wie Wasserstoff.

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WaSSErStoff auS WiNdPower-to-Gas: regenerative Energien flexibel und effizient speichern

Wind- und Sonnenstrom sollen helfen, die Energiezukunft zu sichern. Dazu benötigt man flexible Stromspeicher. Ein vielversprechender Ansatz ist Wasserstoff. Damit können die fluktuierenden Strommengen bis zur Nutzung gelagert werden: Das Gas lässt sich durch Elektrolyse von Wasser herstellen, effizient lagern und transportieren – und wieder in Strom umwandeln. Die Power-to-Gas- Technologie realisieren Linde-Ingenieure in einem Kooperationsprojekt mit Enertrag und Total.

Sturmböen peitschen die Rotoren zu Höchstleistungen – eine reiche Ernte für das Stromnetz. Wenig später weht über den Windpark nur eine schwache Brise. Dann müssen Gas- oder Kohlekraftwerke ein-springen, um den Strombedarf zu decken. Denn das Energienetz ist empfindlich: Um Strom sicher und zuverlässig bereitzustellen, müssen Energieerzeugung und -verbrauch optimal aufeinander abgestimmt sein. Für die Netze ist der Umgang mit dem launenhaften Strom aus Wind und Sonne eine echte Herausforderung. Denn Angebot und Nachfrage klaffen zeitweilig weit ausein- ander: Nachts, wenn der Bedarf gering ist, gibt es kaum Abnehmer für den Öko-strom. Und tagsüber müssen die Netze sonnen- und windreiche Zeiten neben Flauten und Schattenphasen bewälti-gen. Die extremen Leistungsschwan-kungen, die innerhalb weniger Minuten entstehen und sich im Gigawatt-Bereich bewegen, muss das Stromnetz ausgleichen können. „Und dieser Effekt wächst mit dem steigenden Anteil von Wind- und Sonnen- strom“, erklärt Dr. Christoph Stiller, der im Bereich Clean Energy Technology bei Linde das Feld Energie- speicherung leitet. In den vergangenen Jahren mussten Windkraftanlagen regelmäßig gedrosselt werden, um die Netze vor Ort nicht zu überlasten – wertvolle Energie geht so verloren. Das Einspeisen des Ökostroms macht die Umgestaltung des Energiesystems zu einer Mammutaufgabe – mit vielen techno- logischen Herausforderungen.

„Neben dem Ausbau der Stromtrassen sind vor allem geeignete Speicher- technologien notwendig, die überschüssige Windenergie aufnehmen und auf Vorrat halten – über Stunden, Tage oder sogar Wochen – und dann wieder ins Netz einspeisen können“, sagt Stiller. Zwar sind aus heutiger Sicht Pumpspeicher eine effiziente Lösung, aber sie lassen sich nur in bestimmten geographischen Regionen errichten. In

Deutschland zum Beispiel sind die Möglichkeiten nahezu er- schöpft. Die installierte Gesamtspeicherkapazität

beträgt hier derzeit rund 40 Gigawattstunden. Doch alleine könnten sie den erwarteten Bedarf an

Stromspeichern bei Weitem nicht decken. Wollte man das Energiesystem zu 100 Pro-zent erneuerbar machen, wäre 2.000-mal so viel an Speicherkapazität notwendig, also 40 bis 80 Terawattstunden.

Eine vielversprechende Lösung bietet der Power-to-Gas-Ansatz: Die Umwand-lung von regenerativ erzeugtem Strom in

Wasserstoff (H₂). „Das leichte Gas ist als Schwankungspuffer bestens geeignet – und

lässt sich aus Wasser per Elektrolyse gewinnen“, so der Linde-Experte. Den dafür notwendigen

Strom liefern regenerative Energiequellen wie zum Bei-spiel die Windkraft. Für den produzierten Wasserstoff öffnen

sich dann viele Wege in das öffentliche Energienetz: So lässt sich H₂ in Gaskraftwerken zurück in Strom verwandeln oder mit einem Anteil von derzeit bis zu fünf Prozent in das Erdgasnetz einspeisen. Eine weitere Option ist die so genannte Methanisierung. Stiller: „Dabei wird der Wasserstoff für die Produktion von synthetischem Erdgas

ENErGiESPEicHErin einem kilogramm Wasserstoff

steckt dreimal so viel Energie wie in einem kilogramm Erdöl.

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20liNde teCHNoloGY #1.13 // eNerGiespeiCHer titeltHema: kraftwerk Natur

eingesetzt, das dann unbegrenzt in das öffentliche Erdgasnetz strömen könnte.“ Das dafür benötigte Kohlendioxid lässt sich ebenfalls aus erneuerbaren Quellen wie Biogas- oder Kläranlagen gewinnen. Auch Brennstoffzellen können die im Wasserstoff gespeicherte Energie in Form von Wärme und Strom wieder verfügbar machen – und so Heizungen befeuern, Haushaltsgeräte versorgen oder auch Elektro- fahrzeuge antreiben. H₂-Energiespeichersysteme könnten eine wichtige Brücke zwischen den erneuerbaren Energien und dem Stra-ßenverkehr bilden. Brennstoffzellenautos – mit H₂ betankt – ließen sich dann mit erneuerbarem überschussstrom betreiben.

Wie die H₂-Welt künftig Mobilität und Energieversorgung ver-binden kann, soll jetzt das Kooperationsprojekt „H₂-BER“ von Linde und den beiden Energieunternehmen Enertrag und Total zeigen, das

von Linde Gas Deutschland in Zusammenarbeit mit Lindes Clean- Energy-Team koordiniert wird. Das Projekt wird vom Nationalen Inno-vationsprogramm Wasserstoff- und Brennstoffzellentechnologie (NIP) gefördert. Derzeit errichten die Partner am künftigen Berliner Haupt-stadtflughafen die weltweit erste Wasserstofftankstelle, die den Strom direkt aus einem Windpark bezieht. Mit dem H₂-Kraftstoff sollen dann Brennstoffzellen-Busse und -Pkw fahren. Das Unternehmen Enertrag hat den Windpark in der Nähe des Flughafens errichtet und betreibt mit dem dort erzeugten Strom eine große Elektrolyse- Anlage, die den Wasserstoff produziert. Und je nachdem, wie hoch die zur Verfügung stehenden Ökostrom-Mengen sind, kann die Elektro- lyse-Leistung reguliert und die H₂-Produktion entsprechend ange-passt werden. Linde liefert die komplette Technologie, mit der der

windpark

elektro-tankstelle

wasserstoff-tankstelle

elektrolyse/H₂-Produktion

H₂-speicher

methani- sierung

H₂CNG

H₂-abfüllanlage

Blockheiz- kraftwerk

Windparks produzieren große Mengen regenerative Energie: diese kann je nach Bedarf direkt ins Stromnetz fließen, aber auch Elektroautos antreiben – oder zur Wasserstoffproduktion genutzt werden. Für den erzeugten H₂ öffnen sich viele Wege: Dieser kann Brennstoffzellenfahrzeuge antreiben, anteilig ins Erdgasnetz gespeist oder für die Methanisierung zu SNG (Synthetic Natural Gas) genutzt werden. Auch Blockheizkraftwerke können H₂ als Brennstoff nutzen.

VErNEtztE WaSSErStoff-WELt

Strom

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Komprimiertes Erdgas (CNG)

Synthetisches Erdgas (SNG)

erdgas-tankstelle

ionischer kompressor

Wasserstoff

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Biogas

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21eNerGiespeiCHer // liNde teCHNoloGY #1.13titeltHema: kraftwerk Natur

WELCHES POTENZIAL HAT H₂ FüR DIE ENERGIEVERSORGUNG?

Natürlich ist Wasserstoff nur eine Komponente der künftigen Energieversorgung – aber eine sehr wichtige. Der Charme der Technologie besteht darin, dass man mit Wasserstoff nicht nur regenerativ erzeugten Strom speichern kann, sondern ein Produkt schafft, das sich vielseitig nutzen lässt: als Grundstoff für die Industrie, Treibstoff für Fahrzeuge und Energieträger.

WIE LÄSST SICH DIE ENERGIE ZUR H₂-PRODUKTION NACHHALTIG UND EFFIZIENT BEREITSTELLEN?

Wie Projekte der Industriekooperation Performing Energy zeigen, ist es im Hinblick auf den Klimaschutz ideal, Wind- und Sonnenstrom für die H₂-Produktion zu nutzen, da damit tatsächlich ein CO₂-freier Energieträger z. B. für die Mobilität entsteht. Wir fokussieren uns auf Hochdruck-Elektrolyseure mit der Proton-Exchange-Membrane-Technologie, kurz PEM: Diese eignen sich für hohe Stromdichten und können in Milli- sekunden auf große Leistungssprünge reagieren. Zudem brauchen sie keine Aufwärmphase wie herkömmliche Elek-trolyseure und je nach Betriebsweise erreichen sie einen Wirkungsgrad von 65 bis 90 Prozent.

IST DIE TECHNIK REIF FüR EINE INDUSTRIELLE NUTZUNG?

Um die Technologie im großen Maßstab zu nutzen, muss sie robuster, kostengünstiger und für höhere Leistungen ausge-legt werden. Langfristig wollen wir Elektrolyse-Parks mit bis zu dreistelliger Megawatt-Leistung aufbauen, die dann z. B. den überschüssigen Strom großer Windparks in H₂ umwandeln und zum Gleichgewicht im Stromnetz beitragen können.

„rEGELLEiStuNG iM SEkuNdENtakt“

KURZINTERVIEW

Linde technology sprach mit Gaelle Hotellier, Leiterin des Geschäfts- segments Hydrogen Solutions bei Siemens in Erlangen, über die rolle des Wasserstoffs als Baustein der künftigen Energieversorgung.

Wasserstoff vor Ort effizient gespeichert, verdichtet und abgefüllt werden kann sowie die Tankstellentechnik. Der Konzern Total inves-tiert als Betreiber in die dazugehörige Wasserstofftankstelle, die mit Linde-Technologie Pkw und Busse versorgen soll.

„Betrachtet man die technischen Komponenten einer H2- Tankstelle genauer, zeigt sich die Komplexität des gesamten Projekts“, sagt Tim Heisterkamp, Projektleiter für „H₂-BER“ bei Linde Gas Deutschland. „So benötigt man für ihren Betrieb neben Speicher-technologien auch leistungsstarke und verschleißarme Verdichterein-heiten, die den Wasserstoff komprimieren“, sagt Heisterkamp. Dieses Know-how gehört zu den Kernkompetenzen von Linde. „Dennoch ist dieses Projekt für uns sehr anspruchsvoll, weil wir verschiedenste neu entwickelte Technologien in einer Anlage vereinen.“ Weil zum Beispiel Kompressoren an einer Tankstelle im Dauereinsatz laufen, müssen sie besonders verschleißarm sein. Hierfür haben die Linde- Ingenieure den ionischen Verdichter entwickelt, der deutlich weniger Energie verbraucht als herkömmliche Kolben- oder Membrankom-pressoren. „Damit steht ein größerer Anteil des Windstroms für die Wasserstoff-Produktion zur Verfügung“, so Heisterkamp.

wasserstoff effizient speichern – und tankenFür die künftige H₂-Tankstelle am Hauptstadtflughafen wird der Wasser- stoff zunächst in großen Tanks bei rund 45 Bar gespeichert. Denn eine Langzeitspeicherung bei höherem Druck wäre unwirtschaftlich. Die großen Tanks speisen die ionischen Verdichter, die das leichte Gas bei bis zu 900 Bar in kleinere Pufferspeicher pressen – dieser hohe Druck ist nötig, um die Autos später möglichst schnell mit 700 Bar zu betanken. Das Gasvolumen in den Pufferspeichern reicht für etwa zehn Betankungen. Zum Konzept gehört auch eine Abfüll-station für Lkw, die überschüssigen H2 in andere Verbrauchszentren und zu industriellen Abnehmern transportieren können – beispiels-weise zu den Tankstellen der Clean Energy Partnership: Dieser Ver-bund von Automobil-, Energie- und Technologiekonzernen betreibt in Berlin bereits rund 50 Wasserstoffautos. Die Flotte soll in näch-ster Zeit auf etwa 100 Fahrzeuge wachsen – und die benötigen mehr Treibstoff. Generell will Linde für den Ferntransport von Wasserstoff künftig einen neu entwickelten Lkw-Auflieger einsetzen, in dem das H₂-Gas bei einem höheren Druck gespeichert wird. Bisher lassen sich solche Trailer bei einem Druck von 200 Bar mit etwa 6.000 Kubikme-ter H2 „beladen“. In Zukunft sollen die Auflieger mit 500 Bar arbeiten und dann mehr als die doppelte Menge transportieren können.

Das Projekt geht aber weit über die Idee einer Tankstelle hinaus. Stiller: „Wir zeigen bei ‚H₂-BER’ exemplarisch eine vernetzte Wasser- stoffwirtschaft. Denn wir verknüpfen die umweltfreundliche Er- zeugung, die Versorgung von Fahrzeugen und die Weiterverteilung über größere Distanzen.“ Und das bundesweite H₂-Bündnis „Per-forming Energy“, in dem Linde neben 15 Partnern aus Wirtschaft und Forschung vertreten ist, erforscht und erprobt weitere Wasser-stoffspeichersysteme für die Zukunft – beispielsweise wie gut sich riesige Salzkavernen als H₂-Speicher eignen würden. Diese könnten bis zu 200 Gigawattstunden an regenerativ erzeugtem Strom speichern. Das Projekt von Linde, Total und Enertrag ist also erst der Anfang – aber für eine Wasserstoff-Welt von morgen ein wich-tiger Meilenstein.

linK: www.cleanenergypartnership.de

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22titeltHema: kraftwerk NaturliNde teCHNoloGY #1.13 // GeotHermie

über dem Feuerball spannt sich nur eine hauchdünne Hülle: Die Erd-kruste ist ein Puzzle aus riesigen Gesteinsplatten, an deren Rändern flüssige Lava emporquillt. Feuerspeiende Vulkane und sprudelnde Thermalquellen sind die Zeichen des brodelnden Untergrunds. Sie lassen erahnen, welche Temperaturen im Erdinneren herr-schen. Die natürliche Erdwärme, auch Geothermie genannt, ist in menschlichen Dimensionen uner-schöpflich. „Und das macht sie so interessant für unsere Energieversorgung. Denn sie lässt sich bändigen und in Strom umwandeln – eine ideale Form der erneuerbaren Ener-gie“, sagt Prof. Dr. Rolf Bracke, Leiter des Internationalen Geothermie-Zentrums (GZB) in Bochum.

unendliche wärmereservenIn vulkanisch aktiven Ländern wie bei-spielsweise Italien, Island oder Indone-sien gehört die geothermische Energiege-winnung längst zum Alltag. „In einigen Ländern wie den Philippinen decken geothermische Quel-len schon heute bis zu 30 Prozent des nationalen Strom-bedarfs“, so Bracke. Laut der Geothermal Energy Association (GEA) könnten 39 Länder ihre Energie sogar zu 100 Prozent mit der Geo-thermie gewinnen. Doch auch dort, wo die Zeichen der Erdglut an der Oberfläche nicht so sichtbar auftreten, ist Wärme zu holen.

Denn grundsätzlich heizt sich die Erdkruste mit zunehmender Tiefe auf – pro Kilometer um etwa 30 Grad Celsius. „Ausgeklügelte Technologien sowie Verfahren der Wärmeübertragung machen die Geothermie weltweit immer attraktiver“, sagt Martin Weiß, Pro-

jektleiter Vertrieb Carbon and Energy Solutions bei Linde’s Engineering Division in Dresden. Mit der Erfahrung

aus dem Chemie- und Gasanlagenbau und der innovativen Technik der Unternehmenstochter

Cryostar bietet Linde umfassendes Know-how für die effiziente Erschließung der tiefliegenden Wärmereserven.

„Im Idealfall nutzt man Wasserdampf aus geringen Tiefen für den Antrieb strom- erzeugender Turbinen“, so Weiß. Dieses so genannte „Flashverfahren“ setzt aber Wasserdampf mit Temperaturen von

mehreren hundert Grad voraus. „Solche oberflächennahen und hochenergetischen

Thermalfelder gibt es aber nur dort, wo eine Erdplatte an die andere grenzt“, sagt Weiß.

So zum Beispiel in Kalifornien, nördlich von San Francisco in den Mayacamas Mountains. Dort liegt das

derzeit produktivste Geothermie-Feld der Welt: „The Geysers“. Unterhalb der Hügelkette blubbert geschmolzenes Gestein in einer Kammer mit einem Durchmesser von etwa 14 Kilometern. Die abstrahlende Hitze überträgt sich in die höheren Gesteinsschichten

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HEiSSE ENErGiEquELLEN

Erdwärme effizient nutzen

Das Innere der Erde beherbergt unerschöpfliche Energieressourcen. Diese heiße Urkraft lässt Vulkane wachsen und Geysire sprudeln – und könnte die Welt mit Strom und Wärme versorgen. Mit innovativen Technologien helfen Linde-Ingenieure jetzt, die Geothermie effizient zu erschließen.

GEotHErMiE39 Länder könnten ihre Energie zu 100 Prozent

aus der Erdwärme beziehen, schätzt die Geothermal Energy association.

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23GeotHermie // liNde teCHNoloGY #1.13

Entfesselte Energie: Der isländische geysir strokkur –

übersetzt butterfass – spuckt etwa alle zehn minuten eine

20 Meter hohe Fontäne aus Wasser und Dampf in die luft.

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Pazifische Platte

Nordamerikanische Platte

Südamerikanische Platte

Antarktische Platte

EurasischePlatte

AustralischePlatte

AfrikanischePlatte

Neuseeland

Westpazifik

Nordamerika

Mittelamerika

Ostafrika

Anden

Island

Mittel- und Südeuropa

6554.300

016.100

51028.600

17414.000

4.05043.000 4.200

7689.000

3.90074.300

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24titeltHema: kraftwerk NaturliNde teCHNoloGY #1.13 // GeotHermie

und bringt dort das Grundwasser zum Kochen. Deshalb steigt im gesamten Gebiet unter hohem Druck dichter, heißer Dampf aus dem Boden. Schon seit 1960 nutzt man ihn zur Stromerzeugung. Allein die Kraftwerke des amerikanischen Energieversorgers Calpine pro-duzieren damit etwa 725 Megawatt (MW). Das reicht aus, um eine Stadt wie San Francisco – mit immerhin 800.000 Einwohnern – mit Strom zu versorgen.

mit erdwärme effizient strom gewinnenInzwischen ermöglichen neuere Verfahren die Erdwärmegewin-nung auch fernab solcher hochaktiven Grenzgebiete. „Wir ver-wenden dafür anstelle der Direktdampflösung so genannte Binär-systeme“, erklärt Weiß. Diese heißen so, weil sich die Wärme von einem geschlossenen Kreislauf – dem Wärmezyklus – auf den zwei-ten Kreislauf, den so genannten Kältezyklus überträgt. Im Wärme- zyklus fördert eine Hochleistungspumpe heißes Thermalwasser aus der Tiefe an die Oberfläche. Dort überträgt sich die Hitze des

Wassers in einem Wärmetauscher auf ein Arbeitsmittel – meist eine Flüssigkeit – im zweiten Kreislauf. Danach pumpt man das Wasser wieder in die Tiefe. So bleibt der unterirdische Druck im Gleichge-wicht, und die Wasserquelle versiegt nicht.

Die Flüssigkeit im Kältezyklus – an der Oberfläche – wird durch die Wärme aus der Tiefe in Dampf umgewandelt. „Und das schon bei niedrigeren Temperaturen“, so Weiß. Dieser Dampf treibt dann eine Turbine an, die wiederum in einer Anlage sehr effizient Strom erzeugt. Die Linde-Ingenieure setzen dabei auf organische Arbeits-mittel wie Propan oder auf Kältemittel, die auch in Kühlschränken und Klimaanlagen zirkulieren. Die Substanzen sind für den Prozess – den so genannten Organic Rankine Cycle (ORC) – namensgebend.

Die Cryostar-Experten haben sich aber nicht nur auf das Arbeits-mittel, sondern auch auf die thermodynamischen Aspekte des ORC-Verfahrens konzentriert und bieten eine Sonderform an: den überkritischen ORC-Prozess. Dabei unterliegt das Arbeitsmittel im Kältezyklus einem erhöhten Druck. Es befindet sich dann vollständig

riesige Energiepotenziale: die restwärme stammt zwar aus der zeit der Erdentstehung, dennoch könnte die Geothermie unseren Planeten viele tausend jahre mit Energie versorgen.

diE GEotHErMiScHE WELtkartEHochaktive regionen (tektonisch bzw. vulkanisch)

derzeit installierte kapazität in Megawatt

Potenzielle kapazität in Megawatt

Quelle: Íslandbanki, Geothermal Energy association

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25GeotHermie // liNde teCHNoloGY #1.13titeltHema: kraftwerk Natur

in einer gasähnlichen Phase. „Das senkt den Energieverlust und steigert die Stromerzeugung. Und ein wichtiger Nebeneffekt ist eine längere Lebensdauer der Turbine“, sagt Weiß. Denn bei solch hohem Druck können schon feinste Tröpfchen das harte Metall der Turbinenblät-ter beschädigen und erodieren. Weiß: „Doch in dieser gasähnlichen Phase treten erst gar keine Tröpfchen auf.“

Zusammen mit dem Tochter-Unternehmen Cryostar realisieren die Geothermie-Experten der Linde Engineering Division derzeit ihr erstes ORC-System im bayerischen Kirchweidach. „Seit einiger Zeit weiß man von riesigen Heißwasserreservoiren im Untergrund des Voralpenlandes“, sagt Weiß. Die Wassermassen lagern jedoch in porösen Jurakalken, die erst in einer Tiefe von drei bis fünf Kilo- metern anzutreffen sind. Und je tiefer, desto schwieriger ist auch die Suche nach den heißen Wassertaschen. „Im schlimmsten Fall muss man die Bohrung mehrmals umlenken, um überhaupt fündig zu werden“, so Weiß. Und das bedeutet natürlich auch ein wirtschaft-liches Risiko: Denn der Preis für eine einzige Tiefbohrung kann bis zu zehn Millionen Euro betragen. „Deshalb betreuen wir unsere Kunden teilweise schon in den ganz frühen Phasen des Projekts – also bereits bei Konzeption und Finanzierung“, sagt Weiß. Denn er und sein Team verfügen über ein gutes Netzwerk an notwendigen Projektpartnern, die hier gemeinsam unterstützen können.

Globaler Boom der Geothermie-kraftwerkeBeim Bau des Kraftwerks greifen die Linde-Ingenieure auf fundierte und langjährige Expertise aus dem Chemie- und Gasanlagenbau zurück. „Wir liefern das komplette Gerüst des Kältezyklus – vom Luft-kühler und dem Wärmetauscher bis hin zu den Rohrleitungen und der Steuerungselektronik“, so Weiß. Und um das Herz der Anlage mit-samt der Turbine und dem Generator kümmern sich seine Kollegen von Cryostar. Weiß: „So bekommt der Auftraggeber eine schlüssel-fertige Anlage aus einer Hand.“ Zudem bietet Linde auch einen War-tungs- und Betriebsservice: Der Kunde hat die Möglichkeit, das Kraft-werk an das Remote Operation Centre (ROC) am Linde-Standort in Leuna anzuschließen. So lässt sich die Anlage auch aus der Ferne überwachen und bei Bedarf ein Technikerteam losschicken.

Die Nachfrage nach Geothermie-Kraftwerken wächst: „Inzwischen empfangen wir an unserem Forschungszentrum in Bochum regel-mäßig Kollegen aus aller Welt – zuletzt aus Neuseeland, der Türkei oder Lateinamerika“, sagt GZB-Leiter Bracke. „An wenigen Plätzen erforscht man die Geothermie so intensiv und interdisziplinär wie wir in Bochum.“ Auch Studien der GEA zeigen, dass Investitionen in die Geothermie weltweit zunehmen: Die Philippinen wollen den Amerikanern den ersten Rang ablaufen und bis zum Jahr 2030 fast 3.500 MW Strom aus Erdwärme erzeugen. Das Nachbarland Indone-sien hat noch mehr vor: Denn es sitzt auf einem geothermischen Potenzial von 28.000 MW – das sind schätzungsweise 40 Prozent der globalen geothermischen Energiereserven. Und bis 2025 sollen dort bereits 5.000 MW aus geothermischen Anlagen fließen. Weitere aktive Zonen liegen in Afrika und in Süd- und Mittelamerika. Auch dort verfolgen zahlreiche Länder den Auf- beziehungsweise Aus-bau ihrer geothermischen Ressourcen. Besonders Länder am Pazifik sind aufgrund ihrer Lage günstige Standorte für Geothermie. Unter den Küstenbereichen dieses Meeresbeckens stoßen und schrammen

Die erdwärme bändigen: für das Geothermie-kraftwerk im bayerischen kirchweidach (oben) liefert Linde Luftkühler, Wärmetauscher, rohrleitungen und Steuerungs-elektronik. die installation von turbinen und Generatoren (unten) ist aufgabe der kollegen von cryostar.

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liNde teCHNoloGY #1.13 // GeotHermie

26titeltHema: kraftwerk Natur

WARUM IST GERADE BOCHUM ZUM NEUEN INTERNATIONALEN GEOTHERMIEZENTRUM ERNANNT WORDEN?

Das Ruhrgebiet ist für die geothermische Forschung ein bevor-zugter Standort, weil die Menschen hier den Bergbau kennen und viele Unternehmen mit bergbau- und energietechnischer Kompetenz seit über 100 Jahren tätig sind. Die Akzeptanz ist hoch. Inzwischen arbeiten hier regelmäßig Kollegen aus Auck-land, Istanbul, Reykjavik oder San Salvador – und wir bekommen ein sehr positives Feedback. Anfang 2011 hat der Geothermie-Weltverband, die International Geothermal Association, kurz IGA, ihre Hauptgeschäftsstelle im Internationalen Geothermie- Zentrum an der Hochschule Bochum eröffnet. Seither werden die Tagesgeschäfte des IGA-Sekretariats hier abgewickelt. Bochum ist damit auch im globalen Maßstab zu einem Zentrum der Erd-wärmeforschung geworden.

WARUM IST DIE GEOTHERMIE EIN WICHTIGER BAUSTEIN FüR DIE ENERGIEZUKUNFT?

Die Erdwärme zeigt ihr großes Potenzial in der Kraft-Wärme- Kopplung. Aufgrund ihrer hohen Grundlastfähigkeit kann sie eine zentrale Rolle bei der Fernwärmeversorgung großer Ballungsräume spielen. 2050 werden etwa 80 Prozent der Menschen in Ballungsräumen und Megastädten leben. Gerade die Wärmeversorgung wird unterschätzt. Die Abschaltung fossi-ler Kraftwerke wird eine riesige Versorgungslücke auftun – und wir müssen uns Gedanken machen, wie wir die dort gewon-nene Abwärme ersetzen können. Mit der umweltfreundlichen Geothermie ließen sich viele Wohnungen und Gebäude mit Elektrizität und Wärme versorgen. Und auch die Industrie besitzt einen großen Wärmebedarf, der von dieser regenerati-ven Energiequelle gespeist werden könnte. Ein weiterer wich-tiger Punkt: Mit Geothermie lässt sich auch kühlen. Mit der Wärmeenergie lassen sich beispielsweise Absorptionskälte- maschinen betreiben: Klimaanlagen für Kühlhäuser, Hotels oder Messegelände könnten so mit umweltfreundlicher Erd-wärme arbeiten.

WELCHE VORAUSSETZUNGEN BRAUCHT ES FüR EINE UMFANG-REICHE NUTZUNG DER GEOTHERMIE?

Es müssen neue Technologien entstehen, die überall – auch außerhalb geologischer Vorzugsregionen – einsetzbar und gesell-schaftlich akzeptiert sind wie Enhanced Geothermal Systems: Damit lässt sich Energie aus sehr tiefen warmen Gesteinsschich-ten mit geringer natürlicher Wegsamkeit gewinnen: Sie werden angebohrt und unter hohem Druck wird Wasser hinabgepumpt. Der Wasserdruck erweitert vorhandene Mikrorisse und schafft so eine Thermalwasserquelle. Das Wasser erwärmt sich schnell und wird dann zur Energiegewinnung zurück an die Oberfläche geholt. Die Entwicklung solcher Systeme ist weltweit noch in den Anfängen und soll in Bochum erforscht werden. Auf unse-rem 7.000 Quadratmeter großen In-situ-Feldlabor können wir beispielsweise Referenzbohrungen zur Geräteentwicklung und Versuche unter produktionsnahen Bedingungen durchführen.

WIE BEWERTEN SIE DIE GESELLSCHAFTLICHE HALTUNG GEGEN-üBER DER GEOTHERMIE?

Eine der größten Herausforderungen ist es, die Akzeptanz dieser erneuerbaren Energieform zu fördern und den Nutzen zu kommu-nizieren. Wir müssen die Möglichkeiten und Risiken offen erklä-ren. Das ist wichtig, um die Geothermie in die Ballungsräume bringen zu können. Unsere Forschungsergebnisse und ein neues Kommunikationszentrum werden dazu beitragen.

„GroSSE PotENziaLE für diE kraft-WärME-koPPLuNG“

KURZINTERVIEW

Professor rolf Bracke leitet das internationale Geothermie- zentrum in Bochum (GzB). Neben dem wissenschaftlichen forschungsauftrag dient das GzB auch als kompetenz- zentrum und ansprechpartner in allen fragen der Nutzung und Gewinnung von Erdwärme.

was der erde eiNHeizt

Die Wärme, die sich für die Geothermie nutzen lässt, resultiert zum Teil aus der Zeit der Erdentstehung. Zum anderen Teil ist natürliche Kernenergie durch den radioaktiven Zerfall verschiedener Elemente wie Uran, Thorium oder Kalium für die Hitze verantwort-lich. Die Prozesse sorgen dafür, dass ein kontinuier- licher Wärmestrom aus der Tiefe an die Erdoberfläche aufsteigt. Zwar ist die Erdkruste zwischen fünf und 70 Kilometer dick. Jedoch sind mehr als 99 Prozent des Planeten aufgrund des flüssigen Magmakerns heißer als 1.000 Grad Celsius. Nur ein Tausendstel der Erdmasse, die oberen drei Kilometer, sind kühler als 100 Grad Celsius.

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GeotHermie // liNde teCHNoloGY #1.13

27titeltHema: kraftwerk Natur

mehrere Erdplatten auf- und aneinander vorbei. Rings um den Pazifik hat sich so eine 40.000 Kilometer lange Vulkankette mit den aktivsten Feuerkegeln der Erde gebildet. Und die hohen Tempera-turen lassen sich bereits in geringen Tiefen anzapfen.

Doch selbst in geologisch ruhigeren Teilen der Welt, beispiels-weise in Deutschland, sehen Experten ein hohes geothermisches Potenzial. Aufgrund der fortschreitenden Technologie schätzt das Bundesumweltministerium das deutsche Geothermie-Potenzial auf bis zu 15.000 MW. Denn auch dort, wo in der Tiefe keine flüssigen Thermalreservoire vorhanden sind, ist effiziente Geothermie möglich. „Beim so genannten EGS-Verfahren (Enhanced Geothermal Systems) pumpt man Wasser in das Tiefengestein, um bestehende Bruch-

systeme hydraulisch zu aktivieren“, erklärt Bracke. Die Wärme des Gesteins überträgt sich auf das Wasser, und es entsteht eine künst-lich angelegte Thermalquelle.

Um die Auswirkungen auf den Untergrund besser zu verstehen, richten Bracke und seine Kollegen in Bochum ein 7.000 Quadratmeter großes Feldlabor ein. Dort sollen neue Bohr- und Reservoirtechnolo-gien unter realen Bedingungen erforscht und auch Kraftwerkstechnik erprobt werden. In einer Vielzahl von überwachungsbohrungen mes-sen Sensoren dann den Wasserchemismus und erfassen jede noch so kleine Erschütterung. „Wenn wir die verursachten Veränderungen im Untergrund verstehen und vorhersagen können, stellen wir auch die Umweltverträglichkeit und die öffentliche Akzeptanz sicher.“ Er glaubt deshalb an eine erfolgreiche Zukunft für die Geothermie – und an ihre Notwendigkeit, denn: „Durch die Abschaltung fossiler Kraftwerke wird eine riesige Versorgungslücke, insbesondere bei der Kraft-Wärmekopplung, entstehen. Geothermie kann einen wichtigen Beitrag leisten, diese zu schließen“, so Bracke.

Geothermie für die GrundlastSchon jetzt erzeugen Erdwärmekraftwerke mehr als doppelt soviel grundlastfähigen Strom wie die Solarbranche. Hinzu kommt ein vier- bis fünffacher Anteil an Nutzwärme. Und weltweit wird die Förde-rung von Geothermie-Projekten zunehmen. Denn immer mehr Länder erkennen den wirtschaftlichen Wert ihrer geothermischen Ressour-cen. Bracke: „Ab 2020 wird sich der Markt stark entwickeln – vor allem in den geologisch weniger aktiven Regionen.“ Und für Martin Weiß steht fest: „Wenn der Wind nicht weht und die Sonne nicht scheint, kann Geothermie immer noch Strom produzieren.“ Vor allem aber ist sie praktisch unerschöpflich.

linK: www.geo-energy.org

rein regenerativ: Island deckt mit Erdwärme und Wasserkraft 100 Prozent seines Strombedarfs aus erneuerbaren quellen.

iN ViELEN VuLkaNiScH aktiVEN rEGioNEN GEHört GEotHErMiEzuM aLLtaG.

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Wolkenkratzer bei der Sonnenernte: solarmodule verwandeln Dächer und fassaden in stromerzeuger. mit anti- reflex-glas lässt sich die energieausbeute der solarzellen deutlich steigern.

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29titeltHema: kraftwerk Natur pHotovoltaik // liNde teCHNoloGY #1.13

Doch die Sache hat einen Haken: Die Maschinen und Verfahren, mit denen AR-Glas hergestellt wird, sind entweder extrem teuer – das treibt die Kosten für Photovoltaik-Module nach oben. Oder sie liefern minder-

wertige Qualität in Bezug auf Haltbarkeit und Lichtdurchlässig- keit. In einem Kooperationsprojekt haben Linde und die

Firma LiSEC in den vergangenen zwei Jahren deshalb eine alternative Methode für die AR-Glas-Pro-

duktion erarbeitet. Das österreichische Unter- nehmen LiSEC entwickelt Maschinen, mit denen Glas verarbeitet, geschnitten, ge-härtet oder mit Kunststofffolien laminiert wird. In den Maschinen gleiten die Glas-platten auf einem Fließband von Station zu Station. Und das neue Verfahren fügt sich dort nahtlos in die Produktion ein. Dabei ist

S-COAT® – wie Linde und LiSEC das neue Ver- fahren nennen – nicht nur kostengünstiger. Es

erzeugt auch eine sehr gute Beständigkeit und Transmissionswerte, die führend auf dem Markt

sind. Das Prinzip ist relativ einfach: Die Ingenieure sprühen die Beschichtung auf das Glas. Beim Trocknen bildet

sich eine Schicht mit Nanoporen. Ein großer Vorteil des Verfahrens: Die Beschichtungsanlage kann als eigenständiges Modul in bereits bestehende Glasproduktionslinien integriert werden. „Wir kommen ohne große Umbauten aus“, sagt Linde-Projektleiter Steve Carney.

Die Energie kommt aus dem All: Auf Millionen Dächern wandeln Photo- voltaik-Anlagen Sonnenstrahlung zuverlässig in elektrischen Strom um – weltweit. Aber in Sachen Energieausbeute lässt sich die Photovoltaik immer noch weiter verbessern. Rund um den Globus versu-chen Materialforscher und Physiker, den Wirkungs-grad der Module prozentpunktweise höher zu schrauben: Sie mischen neue Halbleitermate- rialien und analysieren deren Atomstruktur mit Messgeräten, die ganze Labore füllen. Doch die Stromausbeute eines Pho-tovoltaik-Moduls lässt sich auch sehr viel einfacher steigern: zum Beispiel durch Glasscheiben mit Anti-Reflexi-ons-Beschichtungen. Diese schützen das Solarmodul und insbesondere die empfindlichen Solarzellen vor Umwelt-einflüssen und Beschädigungen. Und je weniger die Scheiben spiegeln, desto mehr Sonnenlicht dringt in die Photovoltaik-Module – und erhöht deren Effizienz. Bis zu drei Prozent mehr Licht gelangt durch das Glas zu den Solarzellen, und das steigert die Stromausbeute. Nach Schätzungen einer Markt-studie von Glass Global werden heute aber nur etwa 20 Prozent aller Photovoltaik-Module mit Anti-Reflex-Glas – kurz AR-Glas – ausgestat-tet. Bis 2020 soll der Anteil auf rund 80 Prozent steigen.

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SoLarENErGiEExperten schätzen, dass im jahr 2015

weltweit 190.000 Megawatt Strom durch die Sonne gewonnen werden.

EffiziENtErE SoNNENfäNGEr

Hochtransparentes Glas für eine bessere Stromausbeute

Solarmodule sind sensibel. Meist schützt eine Glasschicht die Sonnenfänger vor Umwelteinflüssen. Doch diese hält auch einen Teil der Lichtenergie zurück. Spezielle Oberflächenbeschichtungen sorgen dafür, dass mehr Sonnenstrahlen das Glas passieren, um so die Stromausbeute zu erhöhen. Linde-Experten haben jetzt mit dem Glasverarbeitungs-Maschinenhersteller LiSEC ein wegweisendes Beschichtungsverfahren entwickelt.

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30TiTelThema: KrafTwerK NaTurliNDe TeChNOlOGY #1.13 // PhOTOvOlTaiK

Bei herkömmlichen Verfahren sieht das anders aus. In vielen Fällen werden die Glasscheiben in ein Beschichtungsbad, eine so genannte Sol-Gel-Lösung, getaucht und anschließend getrocknet. Dazu muss man die Scheiben aber aus der Produktionslinie heraus-heben und zwischenlagern. Eine etablierte Alterna-tive ist die Vakuumbedampfung. Die Glasscheiben rollen dabei auf dem Fließband in eine Vakuum-kammer, in der das Glas mit dem Beschichtungs-material bedampft wird. Solche Anlagen kosten ein Vielfaches der S-COAT®-Lösung, weil sie mit Druck-schleusen und aufwendiger Vakuumtechnik ausgestattet werden müssen. „Unser Fokus lag darauf, dass wir eine Lösung entwickeln, die technisch führend, aber deutlich günstiger ist als alle aktuell verfügbaren Verfahren“, sagt Ulrich Hanke, bei Linde zuständig für Marketing und Geschäftsentwicklung im Bereich Metalle & Glas.

Besserer Durchlass für spezielle wellenlängenIm Detail besteht das S-COAT®-Modul aus mehreren Stationen: Zunächst wird die Oberfläche der heranrollenden Glasscheiben aktiviert, damit sich die Beschichtung optimal verteilen kann. Anschließend besprüht man die Glasscheiben mit der von Linde entwickelten Spezial- beschichtung, bevor die Glasscheiben getrocknet werden – alles in einer definierten Gasatmosphäre. Um welche Substanzen es sich bei der Beschichtung handelt, will Carney nicht verraten. Nur so viel: Es gibt eine Hauptkomponente und mehrere Zusatzstoffe. „Wichtig ist, dass die Beschichtung ungiftig ist und sich später, wenn das Photo- voltaik-Modul seinen Dienst getan hat, sehr gut recyceln lässt“, so der Linde-Experte. Was zunächst so simpel klingt, erfordert umfang-reiches Prozess-Know-how, das durch mehrere umfassende Patent-anmeldungen gegen Nachahmer geschützt wird: Denn die Linde- Ingenieure entwickeln eine Beschichtung, die robust ist und zugleich

eine exakt definierte Nanostruktur ausbildet. „Dabei kommt es sehr genau auf die Größe der Poren an, denn davon hängt ab, welche Wellenlängen die Glasscheibe passieren lässt“, erklärt

Carney. Gefragt ist vor allem der Wellenlängen- bereich zwischen 550 und etwa 800 Nanometer, denn in diesem Bereich ist die Stromausbeute der Solarzellen besonders gut.

Anspruchsvoll war auch die Steuerung der Anlage. Damit sich in der aufgesprühten Schicht auch Poren mit exakt definierter Größe bilden,

mussten die Werkstoffspezialisten verschiedene Parameter möglichst genau einstellen: „Dazu gehört die Trocknungszeit und die Tempe-ratur. Auch die Zusammensetzung der Gasatmosphäre ist wichtig, um sowohl die richtigen Produkteigenschaften als auch ein fehler- freies optisches Erscheinungsbild sicherzustellen“, erklärt Carney. „Es hat eine Zeit gedauert, bis wir den Prozess genau justiert hatten“, so der Linde-Experte. Doch die Mühen der Entwicklungs-

NaNoporeN für gläserNes schutzschild.

dank anti-reflex-glas erreichen drei prozent mehr sonnenenergie die solarzelle. das steigert die stromausbeute.

weNiGer reflexiON, mehr SOlarPOwer

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Normales Glas anti-reflex-Glas

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31titeltHema: kraftwerk Natur pHotovoltaik // liNde teCHNoloGY #1.13

sonnige zeiten: immer mehr Gebäude-fassaden erhalten Photovoltaikmodule wie zum Beispiel die city Hall in London (links, oben). Bei der Effizienzsteigerung von Solarzellen (links, unten) zählt heute jeder Prozentpunkt. Neue Beschichtungs-prozesse müssen sich optimal in die Glas- produktionslinien inte-grieren lassen (rechts).

ingenieure wurden belohnt: Verglichen mit unbehandeltem Glas verbessert die Beschichtung die so genannte Transmission – also den Einfall des Lichtes – um bis zu drei Prozent. Das klingt bescheiden, ist aber enorm. Carney: „Wenn man bedenkt, dass man bei der Effizienzverbesserung von Solarzellen und Modulen in der Regel um jedes Prozent kämpfen muss.“

Das S-COAT®-Verfahren sorgt aber nicht nur für gute Anti-Reflex- Eigenschaften beim Glas, sondern kann auch den spezifischen Umweltbedingungen angepasst werden. Der Prozess lässt sich zum Beispiel so steuern, dass die Schicht dichter und damit kratzfester wird. Für Standorte in der Wüste oder am Meer ist das besonders wichtig, denn Sand und Salzkristalle in der Luft wirken auf Dauer wie feines Schmirgelpapier. Das Deckglas wird dadurch mit der Zeit stumpf und lichtundurchlässiger. Die neue AR-Deckschicht aber ist robust genug, um das andauernde Schmirgeln zu überstehen. Nach detail-lierten Tests in der Klimakammer geben die Entwickler ihrer Beschich-tung eine Lebensdauer von mindestens 25 Jahren. „Je nach Kunden-wunsch stellen wir den Prozess entsprechend ein“, erklärt Carney. Momentan arbeiten die Experten daran, die Beschichtung sogar so zu modifizieren, dass sie biologisch aktiv wird und Bakterien, Algen oder Moose abwehren kann. Sie ist dann keineswegs giftig, verhindert durch ihre Nanostruktur aber, dass sich Ablagerungen bilden oder Mikroben darauf ansiedeln. Denn diese Biofilme würden ebenfalls die Transmission verringern – und damit die Stromausbeute.

Bei LiSEC ist seit Mitte 2012 eine Pilotanlage in Betrieb. Für aus-gewählte Kunden werden dort bereits Gläser beschichtet. 15 Meter Glas pro Minute kann das S-COAT®-Modul beschichten. Das ist schnell genug, um mit dem Takt der Glasproduktionslinie mitzuhalten. Die maximale Breite der Glasbahnen liegt bei 1,7 Metern. Damit lassen sich also leicht die üblichen Solarmodule fertigen, deren Standard-maß 1,68 mal 1,1 Meter beträgt. „Unsere Anlage zeichnet sich auch

durch eine hohe Flexibilität aus. Wir können sie ohne Umrüstzeit ein-fach an- oder abschalten“, sagt Johann Weixlberger, zuständig für die Geschäftsentwicklung bei LiSEC. Denn fertigt die Fabrik eine Charge Glas an, das unbeschichtet bleiben soll, dann gleiten die Gläser ein-fach durch das abgeschaltete Modul hindurch. Bei Bedarf kann der Sprühvorgang sofort starten. Lange Anfahrzeiten oder die Vorberei-tung eines Beschichtungsbads entfallen.

Auf der Messe Intersolar in München Mitte Juni 2013 erlebt die Beschichtungsanlage ihre öffentliche Premiere: „Wir werden den S-COAT®-Prozess einer ganzen Reihe von Glasproduzenten und Her-stellern von Solarmodulen präsentieren“, erklärt Hanke. Er ist zuver-sichtlich, dass das Verfahren die Kunden überzeugt, denn S-COAT® adressiert genau das, was die Solarindustrie in ihrer aktuell schwie-rigen Phase erwartet: Spitzenleistung zu niedrigsten Kosten. Auch wenn die Schlagzeilen bezüglich Solarindustrie momentan im Wesentlichen durch Konsolidierung und überkapazitäten geprägt sind, so entwickelt sich der Endverbrauchermarkt weltweit weiter-hin sehr gut. Nach Angaben des Bundeswirtschaftsministeriums stieg der Anteil des Solarstroms am Stromverbrauch allein in Deutschland zwischen 2004 und 2012 von weniger als einem auf 5,7 Prozent. Dieser Trend wird sich, so Experten, auch international fortsetzen: 2010 waren weltweit Photovoltaik-Module mit einer Gesamtleis- tung von 39.531 Megawatt installiert, was in etwa der Leistung von 40 Atomkraftwerken entspricht. Für 2015 werden bereits rund 190.000 Megawatt erwartet – mit besonders hohen Wachstumsraten in China und den USA.

linK: www.epia.org

6%18%• Spanien

• Andere europäische Staaten

• Japan

• USA

• China

• Andere nicht- europäische Staaten

• Deutschland

• Italien

die global installierte Photovoltaik-kapazität betrug 2011 rund 69 Gigawatt – und verteilte sich prozentual auf folgende Länder:

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4%

13%

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Quelle: Enerdata, EPia

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32liNde teCHNoloGY #1.13 // essaY

Seit mehr als hundert Jahren halten fossile Brennstoffe unsere Wirt-schaft am Laufen und prägen unsere Lebensweise. Sie verhalfen mehr Menschen zu Wohlstand, als dies je zuvor möglich gewesen wäre, und ermöglichten ihnen ein längeres und produktiveres Leben. Parallel zu dieser wirtschaftlichen Erfolgsgeschichte stieg die Welt-bevölkerung in den vergangenen 200 Jahren von einer Milliarde Menschen auf sieben Milliarden an. Zum Vergleich: In den 800 Jah-ren davor ist die Bevölkerung gerade einmal um 700 Millionen Menschen gewachsen.

Auch wenn die fossilen Brennstoffe viel Gutes bewirkt haben, dürfen die Schattenseiten natürlich nicht verschwiegen werden – ins-besondere die von Erdöl und Kohle verursachten Treibhausgasemis-sionen. Diese Abgase binden die Wärme in der Erdatmosphäre und führen so zu einer Erhöhung der weltweiten, durchschnittlichen Tem-peratur. Und das wirkt sich wiederum negativ auf die Umwelt und das globale Klima aus. Die Welt von heute leidet an den Folgen des jahrzehntelangen, von fossilen Energieträgern getriebenen Wachs-tums – und den dadurch ausgelösten klimatischen Veränderungen.

Mit dem zunehmenden Wirtschaftswachstum und der damit einher- gehenden Bevölkerungszunahme wird aber die Nachfrage nach Energie weiterhin ansteigen. Die Internationale Energieagentur schätzt, dass die globale Energienachfrage bis 2035 um 40 Prozent zunimmt und 90 Prozent dieser Nachfrage aus Nicht-OECD-Ländern stammen wird – vor allem aus China und Indien. Für den Bau und die Wartung einer adäquaten Infrastruktur, mit der sich dieser steigende Energiebedarf abdecken lässt, werden in den kommenden 25 Jahren globale Inves- titionen in Höhe von 38 Billionen US-Dollar notwendig sein.

Die Welt steht an einem Scheideweg: Die vermehrte Nutzung fossiler Energieträger setzt immer größere Mengen von Treibhausga- sen in die Atmosphäre frei. Wenn dieser Trend ungebrochen anhält, werden die Emissionen nicht nur den Klimawandel weiter beschleu-nigen, sondern bleibende Umweltschäden verursachen. Bereits der 2009 am Kopenhagener Klimagipfel vereinbarte reduzierte Tem- peraturanstieg auf zwei Grad Celsius über dem Mittelwert im vor- industriellen Zeitalter – ein ohnehin ehrgeiziges und zunehmend unrealistisches Vorhaben – wird die Wettermuster signifikant beein-

„WEGE zu EiNEr NacHHaLtiGEN ENErGiEzukuNft“

Essay

Den Klimawandel zu bekämpfen und gleichzeitig für Energiesicherheit zu sorgen, ist eine der anspruchsvollsten Herausforderungen für unsere wachsende Weltbevölkerung. Mit den zunehmenden Investitionen in neue Technologien steigt auch die Nachfrage nach einem effizienten Risikomanagement und besseren Versicherungsmodellen.

harald Dimpflmaier, chief engineer, swiss reinsurance company ltd.

titeltHema: kraftwerk Natur

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flussen. Die Menschheit wird immer stärker unter ausgeprägteren Hitzeperioden, unregelmäßigen Niederschlägen, Stürmen und über-schwemmungen zu leiden haben.

Den Klimawandel zu bekämpfen und gleichzeitig die Ener-giesicherheit für unsere wachsende und prosperierende Welt zu gewährleisten, ist denn auch eine unserer vordringlichsten Aufgaben. Eine Aufgabe, die gleichermaßen anspruchsvoll wie risiko- behaftet ist. Es steht fest, dass sich die Art und Weise, mit der wir Energie gewinnen und verbrauchen, fundamental verän-dern muss. Und es steht auch fest, dass sich dieses Ziel nur dann erreichen lässt, wenn wir die Energieeffizienz verbessern und vermehrt auf CO₂-arme Energieträ-ger setzen, wozu auch erneuerbare Ener-giequellen zählen. Mit den zunehmenden Investitionen in die entsprechenden Tech-nologien steigt auch die Nachfrage nach einem effizienteren Risikomanagement und bes-seren Versicherungsmodellen.

Risikoanalysen haben ergeben, dass grüne Szenarios, begleitet von konzertierten Maßnahmen zur Bekämpfung des Klima-wandels, das beste Marktpotenzial für erneuerbare Energiequellen bieten. Die Hauptgründe hierfür sind die rascher vonstattengehende Transformation zu einer grünen Ökonomie und ein koordiniertes Vor-gehen zur Förderung kohlenstoffarmer Energieträger. Die speziellen, mit den erneuerbaren Energien verbundenen Risiken, erfordern indes entsprechende Versicherungslösungen.

Während die fundamentalen Risikostrategien sowohl für erneuer-bare als auch für nicht erneuerbare Energiequellen zutreffen, gilt es bei der regenerativen Energieversorgung überdies spezifische Heraus-

forderungen zu bewältigen, die bei den fossilen Energieträgern keine Rolle spielen: Erneuerbare Energiequellen erfordern neue, noch nicht ausgereifte Technologien, hängen von günstigen Witterungsverhält-nissen ab, werden unter schwierigen geografischen Bedingungen produziert wie beispielsweise Offshore-Windfarmen. Und sie sind vorläufig noch von Subventionen der öffentlichen Hand sowie schüt-zenden Wettbewerbsregeln abhängig, wenn sie konkurrenzfähig betrieben werden sollen.

Die mit erneuerbaren Energiequellen verbundenen Risiken erfordern einen ganz spezifischen Risikomanagementansatz sowie innovative Risikotransfermethoden, die gegenüber den herkömmlichen Versi-cherungsprodukten alternative Möglichkeiten bieten. Diese Erkennt-nis treibt die Versicherer dazu an, Partnerschaften mit Unternehmen, die im Bereich erneuerbare Energien tätig sind, einzugehen und

Innovationen in der Solar-, Wind- und Wasserkrafttechno-logie zum Durchbruch zu verhelfen. Ein Beispiel einer

solchen Zusammenarbeit ist das von Swiss Re initiierte European Wind Turbine Committee,

kurz EWTC. Das EWTC bietet europäischen Versicherungsunternehmen eine Platt-form, um sich mit Vertretern der Wind- energiebranche wie Windturbinenher-stellern, Projektentwicklern, Eigentümern und Betreibern von Windrädern, Kre-ditgebern und Ingenieuren, über die neuesten Trends und Technologien aus-

zutauschen. Zentrales Anliegen einer solchen Partnerschaft ist die Vertiefung des

Risiko-Know-hows und Entwicklung kosten-günstiger maßgeschneiderter Versicherungs-

produkte, welche die Möglichkeit schaffen, die für die Erforschung und Einführung erneuerbarer Energieträger

notwendigen Risiken abzudecken. Darüber hinaus hat das EWTC eine Initiative ins Leben gerufen, mit dem Ziel, verbindliche Mindeststan-dards für das Risikomanagement von Offshore-Windenergieprojekten festzulegen. An diesem Projekt sind Versicherer, Rückversicherer und Vertreter des Offshore-Sektors beteiligt.

linK: www.swissre.com

BiS 2035 Wird SicH diE GLoBaLE ENErGiE-NacHfraGE uM 40 ProzENt ErHöHEN.

Teamwork für Turbinen: die Swiss re hat das European Wind turbine committee initiiert. Es bietet europäischen Versicherungsunternehmen eine Plattform, um sich mit Vertretern der Windenergiebranche auszutauschen.

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koNtroLLiErEN – rEGENEratiVE

ENErGiEN ErfordErN NEuE aNSätzE

für VErSicHEruNGS- LöSuNGEN.

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34liNde teCHNoloGY #1.13 // traNsportküHluNG

EiSkaLt uNtErWEGSflüssigstickstoff für sichere Lebensmitteltransporte

Ananas oder Tomaten, Neuseeland-Lamm oder Pazifik-Garnelen: Zu jeder Jahreszeit füllen Lebensmittel aus der ganzen Welt unsere Supermarktregale. Dass die Waren möglichst frisch dort ankommen, erfordert eine ausgeklügelte Logistik – und vor allem eine sichere Kühlkette. Linde-Ingenieure haben jetzt ein effizientes und umweltfreundliches System für die Kühltransporter entwickelt, das mit flüssigem Stickstoff arbeitet.

Tropenfrüchte kennen keinen Jetlag. Die Strapazen einer Tausende Kilo-meter langen Reise ist den Flugmangos nicht anzusehen. Sie wirken so frisch, als wären sie gerade erst vom Baum gepflückt worden. Doch nicht nur Aussehen und Geschmack sind wichtige Kriterien für qualitativ hochwertige Lebensmittel. Gerade bei Fisch und Fleisch stehen Hygiene und Gesundheit im Vordergrund: Denn bei unsach-gemäßer Lagerung vermehren sich krankmachende Keime extrem schnell. Die Anforderungen der Lebensmittelbranche sind hoch – und sie gelten für Fünfsterne-Restaurants genauso wie für Schnell-imbisse oder den Convenience-Food-Vermarkter.

Eine Schlüsselrolle beim Transport spielt die niedrige Lagertemperatur: In der Kälte bleiben nicht nur Nährstoffe und Vitamine besser erhalten, auch Keime haben bei frostigen Temperaturen wenig Chancen. „Nur eine lückenlose Kühlkette kann die Ansprüche an Qualität und Frische erfüllen. Gerade bei langen Transportwegen oder beim Umladen der Ware vom Schiff zum Lkw ist das eine knifflige Aufgabe“, sagt Mark Ewig, bei Linde weltweit zuständig für strategisches Marketing und Entwicklung im Bereich Lebensmittel und Getränke. Besonders wichtig sind daher Fahrzeuge, die die Waren stets gut gekühlt transportieren – vom Containerhafen zum Großmarkt, zu den Händlern oder in die Restau-rants. Ewig und sein Team haben jetzt für die Lebensmittel-Laster ein raffiniertes Kühlsystem entwickelt, das mit flüssigem Stickstoff arbeitet – kurz LIN genannt, abgeleitet von Liquid Nitrogen. Die Idee, das minus

196 Grad Celsius kalte Flüssiggas für die Lebensmittelkühlung zu nut-zen, beschäftigte die Linde-Ingenieure schon länger. Und mit dem Kältesystem FROSTCRUISE® ist es ihnen jetzt gelungen.

Die innovative LIN-Kühlung kommt genau zum richtigen Zeit-punkt: Der Markt für die frostigen Transporte wächst rasant. Allein in Großbritannien wuchs die Zahl der fahrenden Kältekammern im Jahr 2012 auf über 170.000, heißt es in einer Studie des Londoner Marktforschungsinstituts TechNavio. Gegenüber 2010 ist das eine Steigerung um fast 30 Prozent. FROSTCRUISE® kann zudem mit einem

großen Vorteil punkten: Im Vergleich zu den be-kannten dieselbetriebenen Kühlaggregaten ist das System umweltfreundlicher, leiser und schneller.

Ein Schlüsselschritt in der Entwicklungsarbeit war es, die LIN-Kühlung bestmöglich in den Trans-porter zu integrieren. Denn die naheliegende

Variante, den Flüssigstickstoff direkt in den Laderaum zu sprühen, schied aus, weil das Gas den Sauerstoff verdrängt. Die Lieferanten müssten sonst vor dem Entladen der Ware sehr gründlich lüften, damit der Sauerstoffgehalt wieder auf erträgliche 18 Prozent steigt. „Dadurch würde aber viel warme Umgebungsluft in den Transporter gelangen – und der Frosteffekt wäre schnell dahin“, so Ewig.

Die Linde-Ingenieure haben eine bessere Lösung entwickelt: Der Flüssigstickstoff wird aus einem doppelt isolierten Stahlbehälter gepumpt, der sich unter dem Lkw-Boden befindet und strömt dann durch einen Wärmetauscher im Laderaum. „Dadurch kühlt die Luft im

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Gut gekühlt auf Reisen: mit flüssigstickstoff sind fisch und fleisch, obst und gemüse im bauch der laster vor Wärme bestens geschützt.

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Laderaum ab, ohne sich mit dem Stickstoff zu vermischen“, erklärt Ewig. Damit sich die Kälte auch bis in den letzten Winkel ausdeh-nen kann, sind sechs Hochleistungsgebläse im Laderaum integriert, die die Luft ständig umwälzen. Drei Geräte sorgen permanent für eine gemäßigte Zirkulation, die restlichen Gebläse werden – gesteuert über Sensoren – je nach Bedarf zugeschaltet. In herkömmlichen Kühl-systemen bringt dagegen nur ein Ventilator Bewegung in die Luft. Ewig: „Dadurch besteht immer das Risiko, dass nicht alle Produkte gleichmäßig gekühlt werden – und Schaden nehmen können.“

Füllstationen von Linde-Partnern beliefern die Transporter mit dem notwendigen Flüssigstickstoff. Der LIN-Tank der Kältelaster fasst maximal 530 Liter. „Wie lange der Vorrat reicht, hängt von mehreren Faktoren ab – beispielsweise davon, welche Lebensmittel überhaupt transportiert werden“, erklärt Ewig. Für Eiscreme etwa sind minus 25 Grad Celsius ideal. Tiefgefrorene Fertiggerichte oder Gemüse- mischungen benötigen eine Temperatur von minus 18 Grad – und frisches Fleisch darf bei maximal vier Grad Celsius transportiert wer-den. Sogar Äpfel reisen auf dem Weg zum Kunden bei Kühlschrank-temperatur. Zudem ist für den Stickstoffverbrauch ausschlaggebend, wie kalt die Produkte beim Einladen sind, und natürlich haben die Isolierung des Transporters sowie die Außentemperatur Einfluss auf die erforderliche Gasmenge. Und auch, wie oft der Lkw zum Ent-laden geöffnet wird, spielt eine wichtige Rolle. Der Linde-Experte schätzt aber, dass „ein Truck von achteinhalb Metern Länge bei einer Kühltemperatur von zwei Grad Celsius durchschnittlich zwischen 28 und 40 Liter Stickstoff pro Stunde verbraucht. Eine Tankfüllung reicht dann also für mindestens zwölf Stunden“, so Ewig.

weniger energieverbrauch, bessere Co2-Bilanz Bislang sind fast alle Lebensmitteltransporter mit mechanischen Kühl-anlagen ausgestattet. Dabei treibt ein Dieselgenerator eine Kälte- maschine an, die ähnlich wie der Gefrierschrank zu Hause arbeitet: Ein Kältemittel wird abwechselnd komprimiert und wieder entspannt. Dehnt es sich blitzschnell aus, kühlt es ab – und entzieht so seiner Umgebung die Wärme. Doch die Kombination von Dieselaggregaten, Kompressoren, Öl und Filter macht die konventionellen Kühlanlagen auch störanfällig. Das FROSTCRUISE®-System kann auf diese Kompo-nenten verzichten, ist einfacher aufgebaut und deshalb auch leichter und kostengünstiger zu warten.

Der entscheidende Vorteil ist aber die verbesserte Klimaverträg-lichkeit des neuen Kühlsystems. „Die CO₂-Bilanz fällt deutlich niedriger aus. Und das ist ein immer wichtigeres Kriterium für unsere Kunden“, betont Ewig. Zwar benötigt die Produktion von LIN elektrische Energie, und auch der Transport zu den Stickstofftankstellen schlägt in der CO₂-Bilanz zu Buche. Doch sobald die flüssige Kälte im Kühlsystem kreist, sinkt der Energieverbrauch auf Null – und damit auch die Kohlen- dioxidemissionen. Konventionelle Aggregate für Lebensmitteltrans-porte setzen jeden Tag sogar zwischen 20 und 50 Prozent mehr Treib-hausgas frei als die LIN-Kühlung. Hinzu kommen die Stickoxid- und rußpartikelhaltigen Emissionen des Dieselgenerators. Das Linde-System benötigt keine klimaschädlichen Kältemittel wie halogenierte Kohlen- wasserstoffe, die in herkömmlichen Anlagen verwendet werden. Ein wichtiger Aspekt, denn: „Trotz geschlossener Kreisläufe können durch winzige Leckagen beachtliche Mengen der konventionellen Kühl-

mittel in die Umgebung gelangen. „Bis zu einem Liter der Substan-zen kann im Verlauf eines Jahres entweichen“, sagt Ewig: Im Falle der Stickstoffkühlung sind Leckagen kein Problem, denn als Hauptbe-standteil der Luft ist Stickstoff für die Umwelt völlig unbedenklich.

Vor allem in extrem heißen Gegenden ist das LIN-System vorteil-haft: Der Flüssigstickstoff kühlt die Waren deutlich schneller herunter als die herkömmlichen Kältemethoden. Das haben Tests des Lebensmitteltransporteurs McFood gezeigt, der beispielsweise die McDonalds-Filialen im tropisch-warmen Malaysia beliefert. Tagsüber zeigt das Thermometer hier über 30 Grad Celsius im Schatten an, und nachts fällt es selten unter 20 Grad. Auch bei diesen Temperaturen müssen Rinderbuletten, Hühnchenflügel und Fischfilets bis zur Ver-arbeitung in den Fastfood-Restaurants frisch und genießbar bleiben. Eine weitere Herausforderung für die Kühlsysteme: „Jedes Mal, wenn die Tür beim Entladen der Ware geöffnet wird, strömt sehr warme Luft hinein – und das mehrfach in kurzer Zeit“, beschreibt Ewig

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die Herausforderung. Denn die Filialen der Fastfood-Kette liegen nicht weit voneinander entfernt. Beim konventionellen Kühlsystem kann es nach einer Auslieferung bis zu einer Stunde dauern, um den Laderaum wieder auf die gewünschte Temperatur abzukühlen. FROSTCRUISE® braucht dafür selbst bei tropischer Hitze nur knapp 20 Minuten. Und dieser Zeitvorteil ist auch in gemäßigten Klima- zonen wertvoll: In Großbritannien beliefert das Linde-Logistikunter-nehmen Gist bereits eine der größten Supermarktketten des Landes. „Vor allem das Potenzial von FROSTCRUISE® begeistert unsere Kunden“, erklärt Sam de Beaux, Engineering Director von Gist. „Die Fahrzeuge, die wir derzeit einsetzen, sind zwar noch im Entwicklungsprozess des Vor-Produktionsstadiums. Aber die bisherigen Ergebnisse für den Einzelbetrieb zeigen, dass das System konkurrenzfähig ist und gleich-zeitig Umweltvorteile bietet“, so de Beaux.Die neue Linde-Entwicklung ist aber nicht nur umweltfreundlich, sondern auch besonders leise: Das Aggregat läuft mit weniger als

55 Dezibel, also etwa Gesprächslautstärke. Selbst moderne, diesel-betriebene Systeme sind deutlich lauter. Und ältere Modelle können laut Ewig durchaus 95 Dezibel erreichen – das entspricht etwa Disko-lautstärke. Die hohen Schallemissionen sind für viele Transporteure ein echtes Problem: „Denn die meisten Speditionen beliefern ihre Kunden nachts, um das Verkehrschaos vor allem in großen Städten zu umgehen. Doch dann gelten in vielen Metropolen strenge Lautstärke- Grenzen von 60 Dezibel“, erklärt Ewig. Diese Entwicklung begann in Europa beispielsweise in Paris, London, Amsterdam und Stockholm. Mittlerweile ist der Lärmschutz aber auch in vielen weiteren europä-ischen Großstädten vorgeschrieben. Deshalb müssen Unternehmen, die auf Dieselaggregate setzen, ihre lärmenden Maschinen aufwen-dig mit schallschluckendem Kunststoff ummanteln.

Die Linde-Ingenieure um Ewig verfolgen in der Zwischenzeit schon wieder ganz neue Ideen, um die frostigen Technologien immer weiter zu verbessern. Wie das neue Konzept allerdings genau funk-tioniert und ob flüssiger Stickstoff dabei eine Rolle spielen wird, will der Linde-Manager im Detail noch nicht verraten. „Wenn wir das System noch effizienter machen können, senkt das den Energiever-brauch, reduziert die Emissionen und spart zudem bares Geld. Das ist sicher der überzeugendste Mehrwert für den Kunden“, so Ewig. Aber auch noch klimafreundlichere Methoden stehen auf dem Plan der Kälte-Experten. Denn für immer mehr Menschen gilt: Nicht nur das Auge, sondern auch das Umweltgewissen isst mit.

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lückenlose Kühlkette: damit Lebensmittel bei ihrem transport von den kühl- hallen und Großmärkten (links) zum Supermarkt (unten rechts) immer frisch bleiben, braucht es gut gekühlte fahrzeuge. die Linde-Entwick-lung froStcruiSE® für Lkw (unten, links) basiert auf flüssigstickstoff – und ist effizi-ent und umweltfreundlich.

füllstationen von Linde-Partnern beliefern die transporter mit flüssigstickstoff. der LiN-tank eines kühl-Lkw umfasst maximal 530 Liter. im Laderaum sorgen sechs Hochleistungsgebläse für eine gleichmäßige kälte.

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Wärmetauscher KältekreislaufTemperatursensor

regelventil und Kontrolleinheit

Kontrolleinheit in fahrerkabine

Kontroll- und auffülleinheit

isolierter Tank für flüssigstickstoff (lin)

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PLaStik uNtEr druckStickstoff senkt kosten in der autoteile-fertigung

Immer öfter setzen Autobauer ihre Fahrzeuge auf Diät und nutzen Kunststoff statt Stahl oder Glas. Das spart Gewicht und damit Sprit – und bietet auch den Designern neue Freiheiten. Linde- Experten haben innovative Produktionssysteme entwickelt, die mit Hochdruck-Stickstoff arbeiten.

Die Pfunde müssen weichen: Nicht nur die Elektromobilität stellt neue Anforderungen an die Autobauer. Bereits heute zahlt sich jedes Kilogramm weniger an der Tankstelle aus. Autoingenieure setzen auf eine extreme Material-Diät, und Hightech-Kunststoffe ver-wandeln Fahrzeuge in Leichtgewichte. Komponenten aus diesen Materialien wiegen durchschnittlich etwa 50 Prozent weniger als Materialien aus Glas oder Metall. Ob Armaturen, Stoßstangen oder Autositze: Robuste Plastikbauteile machen mittlerweile bis zu 15 Pro-zent des Gesamtgewichts eines Autos aus – Tendenz steigend. Nur so lassen sich Treibstoffverbrauch und CO₂-Ausstoß drosseln und die Reichweite von Batterie- oder Brennstoffzellenautos steigern.

Kunststoffe haben aber noch einen weiteren Vorteil: Sie lassen sich im Spritzgießverfahren leicht verarbeiten und die Werkstoffeigen- schaften sehr gut auf die Anwendung abstimmen. Die Autoindus-trie arbeitet immer häufiger mit der Gas-Innendruck-Technik: Dabei spritzt ein so genannter Extruder den verflüssigten Kunststoff unter hohem Druck in eine Spritzgussform, die Kavität. Anschließend presst

man gasförmigen Stickstoff in die Schmelze und verdrängt so einen Teil des Kunststoffs, beispielsweise in eine Nebenkavität. Der Gas-druck wird aufrechterhalten, bis das Bauteil ausgehärtet ist und aus der Form genommen wird. Das fertige Kunststoffelement ist also innen hohl. Das spart Material und Gewicht. „Dennoch ist das spätere Bauteil ausreichend steif und formstabil“, erklärt Rolf Heninger, Lei-ter des Bereichs Plastics & Cryogenics bei der Linde Gases Division. „Zudem sorgt der hohe Gasdruck dafür, dass die Kunststoffmasse die Form präzise ausfüllt – und beim Abkühlen nicht schrumpft“, so Heninger. Er und seine Kollegen haben die Versorgung mit Hoch-druck-Stickstoff jetzt mit einem neuartigen Gasversorgungssys-tem noch effizienter gestaltet. Denn die Gas-Innendruck-Technik benötigt oft Drücke von mehr als 300 Bar. Für konventionelle Kom-pressoren bedeutet das, physikalisch bedingt, einen enormen Energieaufwand. Linde geht mit seiner Druckerhöhungsanlage PRESUS® N10 einen anderen Weg: Anstatt das Gas zu verdichten, fördert das System flüssigen Stickstoff mit Drücken von bis zu 350 Bar

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Quelle: polymotive

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zu Hochdruck-Verdampfern. „Dort wird das Gas bei unverändertem Druck über die Umgebungswärme verdampft“, erklärt Heninger. Und das senkt die Kosten für Kunststoff-Verarbeiter: PRESUS® N10 spart so rund 90 Prozent Energie im Vergleich zu üblichen Gaskompressoren.

kühler stickstoff für kürzere taktzeitenZu der hohen Energieeffizienz tragen noch weitere Faktoren bei. So muss die Kolbenpumpe für die Gasverdichtung nicht permanent arbeiten: „Sobald die Pumpe den benötigten Arbeitsdruck des Stick-stoffs erreicht hat, bleibt sie einfach stehen. Das wirkt sich auch posi-tiv auf die Wartungsintervalle aus“, sagt Heninger. Darüber hinaus ist PRESUS® N10 sehr robust. „Im Prinzip könnte das System ein Jahr lang ununterbrochen laufen – das ist für unsere Kunden natürlich ein großer Vorteil“, so der Linde-Experte. Denn beim harten Wettbewerb, dem die Automobilzulieferer ausgesetzt sind, zählt jede Produktions- minute. Und auch die Qualität des Stickstoffs erhöht sich, denn konzept- bedingt kommt er an keiner Stelle mit Schmieröl in Kontakt. So entstehen keine Verunreinigungen wie bei herkömmlichen Kom-pressoren. Die PRESUS® N10-Anlage hat zudem bei vergleichbaren Investitionskosten eine vielfach höhere Förderleistung. Und sie deckt einen Bereich ab, für den Kryopumpen meist zu groß sind. Leichte und trotzdem stabile Kunststoffe sind auch in der Luft-fahrt- und Elektronikindustrie gefragt. Mit dem Gasversorgungsystem PRESUS® N10 lassen sich auch die Gehäuse von Laptops effizienter per Gas-Innendruck-Technik herstellen. Zudem bietet es für weitere Hochdruckanwendungen eine vielversprechende Alternative: So lie-fert das System bereits Hochdruck-Stickstoff für das so genannte thermische Spritzen, ein Oberflächenbeschichtungsverfahren. Auch beim eigentlichen Herstellungsprozess, dem Abkühlungsprozess der Plastikmasse, steigert die Linde-Lösung die Wirtschaftlichkeit:

Die Taktzeiten in der Kunststoffproduktion können mehrere Minu-ten betragen, bevor das Spritzguss-Bauteil aus der Form entnommen werden kann. Das neue System zur Innenkühlung, das so genannte Inner Cooling, verkürzt diese Zeiten dank eines zusätzlichen Gas- injektors: Durch einen zweiten Einlass strömt kühler Stickstoff in den Hohlraum des heißen Plastikteils. Das vorhandene, warme Gas ent-weicht durch den ursprünglichen Injektor. „Mit der Innenkühlung härtet der Kunststoff viel schneller aus und senkt die Taktzeit um bis zu 50 Prozent“, erklärt Heninger. Zudem werden die Innensei-ten der Bauteile dadurch glatter. Um die Innenkühlung auch mit her-kömmlichen Gas-Innendruck-Regelmodulen zu betreiben, hat Linde ein Zusatzelement zum Umschalten und Spülen entwickelt.

Jetzt wollen die Linde-Ingenieure die Effizienz des Spritzgießpro-zesses noch weiter verbessern – beispielsweise mit einem Verfahren zum „Inertisieren“ der Formen: Das Einleiten von Stickstoff soll ver-hindern, dass der flüssige Kunststoff beim Befüllen der Form mit dem Sauerstoff der Luft reagiert und störende Rückstände bildet. „Das Ziel ist, über die Inertisierung den Wartungsbedarf zu verringern und die Produktivität zu steigern“, erklärt Heninger. Eine weitere neue Entwicklung: „Wir sehen CO₂ als attraktive Alternative zur ver-breiteten Innendruck-Technik mit Wasser“, sagt Heninger. Denn CO2 besitzt ähnlich gute thermodynamische Eigenschaften, vermindert aber die Gefahr, dass die Spritzguss-Werkzeuge durch Feuchtigkeit beeinträchtigt werden. Ein Serieneinsatz steht kurz bevor. „Die ent-wickelten Verfahren machen die Herstellung von Kunststoffbauteilen einfacher, schneller, präziser und kostengünstiger“, so Heninger. Vor allem aber sparen die Linde-Lösungen eine Menge Energie.

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werkstoffmix auf vier räderN

Ein typischer Mittelklassewagen ist heute eine bunte Mischung aus verschiedenen Materialien, die leicht und trotzdem stabil sind.

• Stahl

• Gusseisen

• Fluide

• Elastomere

• Glas

• Aluminium

• Kunststoffe

• Sonstige

hightech-Karossen: kunststoffe machen fahrzeuge nicht nur stabil und spritsparend, sondern ermöglichen auch futuristische designs.

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SauErStoff-turBo für ScHMELzöfEN

Energieeffizienz in der Gießereitechnik steigern

Zur Produktion von Gusseisen wird viel Energie benötigt. Aber seine besonderen Eigenschaften machen den bewährten Werkstoff unverzichtbar für Wasserrohre, Autos und Maschinenteile. Linde-Ingenieure haben jetzt zusammen mit Gießerei-Experten das Herstellungsverfahren mit innovativer Sauerstofftechnik verbessert. Das schont Ressourcen und Geldbeutel.

Durch diese Pipelines fließt unser Lebenselixier: Gusseiserne Wasser- leitungen durchziehen die Böden der Welt. Ohne das flüssige Nass würden nicht nur ganze Industriezweige stillstehen, auch Privat-haushalte säßen auf dem Trockenen ohne eine sichere Versorgung mit sauberem Trinkwasser. Und für die Rohre zu dessen Transport behauptet sich der jahrtausendealte Werkstoff Gusseisen heute immer noch – trotz starker Konkurrenz durch moderne Hightech- Materialien. Die Industrie nutzt diese kohlenstoff- und siliziumreiche Eisenlegierung aber auch für andere Erzeugnisse wie Kanal- deckel, Eisenbahn-Bremsbacken, Getriebegehäuse, Fahrwerkskom-ponenten oder Maschinenteile. Denn Gusseisen besitzt eine hohe Festigkeit und Dichtheit, lange Lebensdauer, gute Korrosionsbeständigkeit und Formbarkeit sowie eine außergewöhnlich hohe Druckfestigkeit. „Deshalb eignet sich Gusseisen besonders für Rohre zur Versorgung mit Wasser, Gasen und Chemikalien“, erklärt Heinz Kadelka, Leiter des Gießereiteams bei Linde Gas Deutsch-land. Aber die Produktion der Mini-Pipelines ist extrem energieintensiv. Angesichts steigender Energiepreise und der CO₂-Problematik hat das Thema Energieeffizienz in den letzten Jahren stark an Bedeutung gewonnen.

Zur Herstellung des Gusseisens setzen viele Gießereien auf die bewährte Technik der Schachtöfen – auch Kupolöfen genannt. Rund tausend dieser Schmelzöfen gibt es auf der Welt. Die Technologie ist zwar einfach und weit verbreitet, aber seit jeher auch ressourcen- intensiv. „Erst in den letzten zwei Jahrzehnten hat sich die Forschung eingehender mit Kupolöfen beschäftigt“, erklärt Kadelka. Zusam-men mit seinen Kollegen und Experten der Fusoris Engineering GmbH sowie der Gießerei Düker im bayerischen Karlstadt hat der

Linde-Ingenieur jetzt eine Technologie entwickelt, die bei Gießerei- Schachtöfen in puncto Energieeffizienz neue Standards setzt: Das Verfahren High Efficiency Furnace, kurz HEF genannt, reduziert die Abgas-Emissionen sowie den Energie- und Materialverbrauch des Düker-Kupolofens deutlich – ohne negative Auswirkungen auf die Werkstoffgüte. „Zum Teil konnten wir die Qualität des hergestellten Gusseisens sogar noch erhöhen“, sagt Kadelka.

Geschafft haben die Linde-Experten diese Einsparungen durch den innovativen Einsatz von Sauerstoff. üblicherweise wird nur gewöhnliche Luft, der so genannte „Wind“, durch mehrere Düsen in

den unteren Teil eines Kupolofens geblasen. Wenn sich der Koks entzündet, entstehen Kohlendioxid und Kohlenmonoxid. Die heißen Gase strömen nach oben und erwärmen dabei das abwechselnd mit Koks im Kupolofen geschichtete Eisen. Zusam-men mit dem Stickstoff (N₂) aus der Luft bilden Kohlenmonoxid (CO) und Kohlendioxid (CO₂) das so genannte Gichtgas. Um schädliche Emissionen zu vermeiden, saugen die meisten Gießereien das

Abgas im oberen Teil des Kupolofens ab und leiten es in eine separate Brennkammer. Dort wird zum einen das Kohlenmonoxid zu Kohlen-dioxid nachverbrannt, zum anderen werden möglicherweise vorhan-dene organische Schadstoffe zerstört. Die Hitze dieses Verbrennungs-prozesses wird wiederum genutzt, um den „Wind“ vorzuwärmen.

Beim HEF-Verfahren nutzen die Linde-Ingenieure das Gichtgas auf andere Weise. Der Trick ist ein geschickter Gas-Kreislauf, der die che-mische Energie der Abgase besonders effizient nutzt: Denn einen Teil des heißen Gases saugt man ab und bläst diesen dann erneut in den Ofen. Vor dieser so genannten Eindüsung wird das Gichtgas in einer Mischkammer mit reinem Sauerstoff aus einem Tank angereichert.

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Das Gemisch gelangt dann über drei wassergekühlte Kupferdüsen – einer Spezialentwicklung von Kadelka und seinen Kollegen sowie Fusoris Engineering – direkt in die Koksschicht. „Neben einer opti-mierten Ausnutzung der thermischen Energie verbessert sich so auch die technische Nachverbrennung“, sagt Kadelka. Denn die benötigte Windmenge sinkt um etwa 50 Prozent. Weil weniger Luft in den Ofen geleitet wird, reduziert sich zum einen die Wärmemenge, um die Luft – vor allem den nicht an der Verbrennung beteiligten Stickstoff – erst einmal aufzuwärmen. Die Effizienz der Verbrennung wird sogar noch gesteigert, weil das mit Sauerstoff angereicherte Gichtgas bis zu 30 Prozent des brennbaren Gases Kohlenmonoxid enthält. „Kohlenmo-noxid ist im Grunde reine Energie“, sagt Kadelka. Aber die ideale Ver-brennungsatmosphäre in einem Kupolofen einzustellen, ist durchaus eine Kunst. „Man kann Koks zum Beispiel nicht beliebig reduzieren oder durch ein anderes Brennmaterial ersetzen, weil er den Kohlen- stoff für das Gusseisen liefert“, sagt Heinz Kadelka. Das Gichtgas muss genau die richtige Mischung aus Kohlendioxid und Kohlen- monoxid aufweisen. Je nach Temperatur zerfällt ein gewisser Teil des CO₂ zu CO – ein Prozess, der Energie verbraucht. „Entsteht zu viel Kohlenmonoxid, wird der Ofen kalt“, sagt Kadelka.

kosten sparen – mit umweltschonenden prozessenDiese Gefahr sieht Kadelka allerdings beim HEF-Verfahren nicht. Und nach einjähriger erfolgreicher Testphase ging die Düker- Anlage Mitte 2012 in Betrieb. Im Probelauf konnten die Linde- Experten beeindruckende Einsparungen erzielen: Der Verbrauch an Koks reduzierte sich um 27 Prozent und der CO₂-Ausstoß sank um

20 Prozent. Die Abgasmenge verringerte sich insgesamt um mehr als die Hälfte – und der gesamte Schmelzprozess konnte deutlich beschleunigt werden.

Aber das HEF-Verfahren schont nicht nur die Umwelt, sondern auch den Geldbeutel, betont Kadelka: Bei einer Gießerei, die 30.000 Tonnen Koks im Jahr verbraucht, bedeuten zwei Prozent weni-ger bereits eine Einsparung von 300.000 Euro. Bei einem bestimmten Ofentyp, dem so genannten Kaltwind-Ofen, kann das HEF-Verfahren zudem die Betriebsdauer erheblich verlängern. „Diese Öfen müssen normalerweise nach einem Tag aufwendig gereinigt werden. Viele Gie-ßereien haben daher zwei Öfen, die im Wechsel laufen“, sagt Kadelka. Wie sich gezeigt hat, können Kaltwind-Öfen mit HEF-Verfahren fünf, vielleicht sogar sieben Tage am Stück arbeiten. „So können die Gießereien ihre Produktionsleistung ohne Neuinvestition steigern“, sagt Kadelka. Die Gießereien haben großes Interesse – und eine Modernisierung des Schmelzverfahrens würde dann gleich auf viel-fache Weise zur Ressourcenschonung beitragen.

linK: www.thewfo.com

heiße schmelze: die Gusseisen-Produktion (links) lässt sich mit dem HEf-Verfahren (High Efficiency furnace) deutlich effizienter und umweltschonender gestalten. der robuste Werkstoff ist vor allem für trinkwasserrohre (oben) unverzichtbar.

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kette: vom Notfalleinsatz über Untersuchungen beim Haus- oder Facharzt und die Behandlung im Akutkrankenhaus bis hin zur Nach-sorge in einer Rehaklinik oder bei der Langzeittherapie zuhause“, sagt Kenth Drott, Leiter Hospital Care bei Linde Healthcare.

Die Experten von Linde Healthcare beraten auch individuell bei der Auswahl der passenden Geräte. Ein Service, den insbesondere große Krankenhäuser zu schätzen wissen: „Wir Ärzte müssen uns nicht nur darauf verlassen können, dass die medizinischen Gase von höchster Qualität und Reinheit sind, sondern auch auf die technische Ausstattung, mit der die Gase den Patienten verabreicht werden“, sagt Dr. Francisco López, Leiter der Clínica Pichincha in Quito, Ecuador. Mit den QI (Quality Improvement) Medical Gas Services bietet Linde Healthcare Komplettlösungen im Management von Medizingasen. Denn

Atmen heißt Leben – und läuft meist unterbewusst. Doch sobald sich ein Engegefühl in der Brust ausbreitet, bekommen Lunge und Atem-wege die Aufmerksamkeit, die ihnen zusteht. Genau hier setzt Linde Healthcare an: Wenn Menschen, egal welchen Alters, Hilfe beim Atmen oder eine andere Atemwegstherapie brauchen. Die Linde-Experten kennen die Not der Patienten und versorgen zum Beispiel Menschen mit einer chronischen Atemwegserkrankung wie der chronisch obs-truktiven Bronchitis (COPD) mit medizinischem Sauerstoff oder ver-abreichen ihnen während eines schmerzvollen Eingriffs ein inhalier-bares, schmerzlinderndes Medizingasegemisch. Doch die Patienten und das medizinische Umfeld mit Ärzten, Therapeuten und Pflege-kräften benötigen oft mehr als die reinen Medizingase. „Wir begleiten alle Akteure entlang der kompletten medizinischen Versorgungs-

aN dEr SEitE dES PatiENtENWer Patienten mit Medizingasen versorgt, trägt eine große Verantwortung. Denn an den Atemmasken und Schläuchen hängt nicht nur ein Sauerstoffgerät, sondern oft auch ein Menschenleben. Linde Healthcare bietet Patienten ebenso wie Ärzten und Therapeuten individuelle Lösungen, die weit über die reine Medizingase-Versorgung hinausreichen.

umfassende Lösungen für den Gesundheitsbereich

arzneimittel: Medizinische Gase werden im operationssaal eingesetzt.

ersthelfer: Medizingase im Notfallkoffer.

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linK: www.Blindtext.com

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auch das Personal muss zum Beispiel im korrekten Umgang mit den Gasen geschult werden. Linde Healthcare geht daher noch einen Schritt weiter und hat das gesamte Medizingasesystem und alle damit verbundenen Prozesse seiner Kunden im Blick. Diese unterliegen oft strengen Anforderungen im Hinblick auf Sicherheitsvorschriften. Das breite Angebot der QI Medical Gas Services garantiert deshalb nicht nur beste Qualität. Die Experten von Linde Healthcare beraten ihre Kunden auch und eröffnen ihnen Möglichkeiten, wie sich Sicherheit, Verlässlichkeit und Effizienz in der Gaseversorgung etwa in der Kranken-hausumgebung verbessern lassen. Die Kunden wissen dieses Angebot zu schätzen: „Linde Healthcare ist für uns nicht nur Lieferant, sondern ein verlässlicher Partner“, so López. Linde Healthcare arbeitet seit Lan-gem auf diesem Gebiet. Und die Mitarbeiter wissen, dass es gerade bei Notfällen zum Beispiel keine Verzögerungen oder Engpässe geben darf. Die Linde-Experten kommen deshalb in die Klinik, um die besonderen Bedürfnisse jedes einzelnen Kunden zunächst genau zu ermitteln – und entwickeln dann individuelle Lösungen.

Linde Healthcare hat alle Patienten im Fokus, die eine Atem-wegserkrankung haben. Während COPD-Patienten noch lange Zeit aus eigener Kraft atmen können und lediglich mit zusätzlichem Sauerstoff versorgt werden müssen, haben Menschen mit Muskel- dystrophie, Multipler Sklerose oder Amyotropher Lateralsklerose häufig schon in jungen Jahren nicht mehr die Kraft, ihren Brust-korb zu heben und damit einen Unterdruck für den Gasaus-tausch zu erzeugen. Sie müssen mit überdruck künstlich beatmet werden. Unfallopfer können oftmals von der Atemhilfe „entwöhnt“

werden, doch dieser Prozess dauert mehrere Wochen. Linde Health-care errichtet weltweit so genannte REMEO®-Center, in denen die Patienten und ihre Familien auf eine Heimkehr nach Hause vorbereitet werden. Auch Patienten mit einer Sauerstofftherapie können außer-halb der Klinik auf Angebote von Linde Healthcare zurückgreifen: „In Großbritannien haben wir zum Beispiel ein neues Rehabilita-tionsangebot etabliert, das die Lebensqualität von Patienten mit COPD verbessert“, erklärt Heike Thiele, Leiterin Homecare bei Linde Healthcare. In einem achtwöchigen übungs- und Schulungsprogramm treffen die Teilnehmer andere Betroffene, treiben Sport und erhalten Tipps zur richtigen Ernährung. „Das senkt die Wahrscheinlichkeit für einen erneuten stationären Aufenthalt“, so Thiele. „Mit einer Sauer- stofftherapie gewinnen viele Patienten wieder Bewegungsfreiheit und vor allem Sicherheit zurück.“

Ob in der Gymnastikhalle einer Reha-Einrichtung, auf der Intensiv- station, im Notarztwagen oder bei der Lieferung einer Sauerstoffflasche oder eines -konzentrators: „überall wo Linde Healthcare unterwegs ist, steht die Sicherheit für Patienten, Ärzte und Pflegepersonal an oberster Stelle“, betont Drott. Denn er und seine Kollegen wissen: Die Betroffenen sind auf die Versorgung mit den Medizingasen angewie- sen – und können so erst wieder ein selbstbestimmtes Leben führen.

linK: www.linde-healthcare.com

intensivpflege: das medizinische rEMEo®-center ist auf Langzeitbeatmung spezialisiert und hilft Patienten, wieder selbstän-dig atmen zu lernen.

reisebegleiter: tragbare Sauerstoff-geräte ermöglichen dem Patienten, mobil zu sein.

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WORIN UNTERSCHEIDET SICH DAS GESCHÄFT MIT MEDIZI-NISCHEN GASEN VOM HANDEL MIT INDUSTRIEGASEN?

Der entscheidende Unterschied ist der Patient. Unsere Medi-zingase werden nahezu täglich direkt von Menschen genutzt – bei Therapien für Neugeborene ebenso wie für Langzeit-patienten. Oft sind diese Therapien für die Betroffenen sogar überlebenswichtig. Das hat für unsere Produkte, Dienstleis-tungen und unsere Arbeit weitreichende Konsequenzen: Wir müssen bei den jeweils zuständigen Gesundheitsbe-hörden eine Zulassung für unsere Medizinprodukte beantra-gen. Auch nach der Markteinführung werden sie auf Arznei-mittelsicherheit sowie auf andere Standards wie etwa die „Good Manufacturing Practice (GMP)“ überprüft. Das hat seine Berechtigung. Denn bei einem medizinischen Notfall dürfen die eingesetzten Produkte keine Qualitätsmängel

aufweisen. Ärzte und Pflegepersonal zählen in diesen Momen-ten auf uns. Wir sind uns dieser Verantwortung bewusst.

DIE ARBEIT VON LINDE HEALTHCARE GEHT ALSO WEIT üBER DIE REINE BEREITSTELLUNG VON MEDIZINGASEN HINAUS?

Auf alle Fälle. Wir haben viele Dienstleistungen und Therapien im Angebot, die sich entweder an die Mit-arbeiter im Gesundheitswesen oder direkt an die Patien-ten richten. Zum Beispiel kümmern wir uns um alle prakti-schen Einzelheiten beim Monitoring und der Instandhal-tung der Gaseleitungen in einem Krankenhaus. Außerdem schulen wir das medizinische Fachpersonal im Umgang mit den Medizingasen und in der korrekten Anwendung der Therapien. Auch bei der häuslichen Versorgung können sich Patienten, die eine Sauerstofftherapie benöti-

„ES GEHt uM GaNzHEitLicHE GESuNdHEitSVErSorGuNG“Dr. Christian Wojczewski, Leiter der globalen Geschäftseinheit Healthcare bei der Linde AG, erläutert, wie das Unternehmen sein Geschäft mit medizinischen Gasen, Geräten, Dienst-leistungen und medizinischer Versorgung in dem vom demografischen Wandel geprägten Wachstumsmarkt aufstellt.

interview

Dr. christian Wojczewski, leiter der globalen geschäftseinheit healthcare, linde ag

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gen oder die eine andere Atemwegserkrankung haben – wie beispielsweise Schlafapnoe – auf uns verlassen: Wir beraten bei der Auswahl der passenden Therapie, bei der Bedienung der technischen Geräte und liefern Medizingase. Wir helfen aber auch bei Fragen rund um Ernährung oder Bewegung weiter. In Zukunft werden wir unsere medizinischen Kompe-tenzen noch weiter entwickeln. Wir wollen vom reinen Gase-lieferanten zum Anbieter kompletter Healthcare-Lösungen werden.

WELCHE INNOVATIONEN GIBT ES BEI LINDE HEALTHCARE?

Wir konzentrieren uns auf die Entwicklung neuer Produkte, Apparate und Dienstleistungen, die zu unserem Klinik- und Homecare-Geschäft passen. Unser Produkt INOmax® war beispielsweise das erste medizinische Gas, das 2001 als Medikament zur Behandlung von Neugeborenen mit Lungen-funktionsstörung von der Europäischen Arzneimittelagentur EMA zugelassen wurde. Im März 2011 haben wir eine wei-tere Zulassung der EMA erhalten: INOmax® kann seither auch bei peri- und postoperativem Lungenhochdruck in Verbin-dung mit einer Herzoperation eingesetzt werden. Das Gas-mischgerät für Distickstoffmonoxid SEDARA® ist von der ame-rikanischen Arzneimittelbehörde FDA zugelassen und in den USA auf den Markt gebracht worden. Und mit der Linde-Inte-grated-Valve-Technologie – kurz LIV® – haben wir zudem ein mobiles Flaschensystem entwickelt, das sehr bedienungs-freundlich ist und zudem ein hohes Maß an Sicherheit für Ärzte, Krankenschwestern sowie Patienten gewährleistet. Und mit QI Medical Gas Services bieten wir Audits und Dienst-leistungen zur technischen Instandhaltung der Gaseversor-gung in Krankenhäusern an. Auch Kryobanken zum Einfrieren von biologischem Material gehören zu unserem Produktport-folio. REMEO® – unser Versorgungskonzept für langzeitbeat-mete Patienten – eröffnet darüber hinaus für Linde Healthcare ein völlig neues Geschäftsmodell. Es bietet beatmeten Patien-ten die Möglichkeit, außerhalb der akutmedizinischen Versor-gung sowie zu Hause weiter betreut und gepflegt zu werden.

WELCHE TRENDS BEOBACHTEN SIE IM BEREICH HEALTHCARE?

Der Gesundheitssektor wird hauptsächlich vom demo-grafischen Wandel geprägt. Die Zahl an älteren Menschen wächst stetig – und damit auch der Pflegebedarf. Zudem haben sich die Diagnoseverfahren und Therapien für chro-nische Erkrankungen erheblich weiterentwickelt. Daraus ergeben sich für uns viele neue Geschäftsmöglichkeiten. Andererseits ist der Kostendruck auf Klinikbetreiber, vor allem in den westlichen Märkten, enorm. Sie müssen ihre Häuser immer effizienter und kostendeckender aufstellen. Das bekommen auch wir zu spüren. Viele Kliniken konzentrie-ren sich zudem verstärkt auf die akute Patientenversorgung. Doch nicht jeder Patient kann nach einer Akutbehandlung sofort nach Hause.

WIE WIRKEN SICH DIESE VERSCHÄRFTEN RAHMENBEDIN-GUNGEN AUF LINDE HEALTHCARE AUS?

Wir haben immer mehr Kunden jenseits des Klinikgeschäfts– mit veränderten Anforderungen. So beobachten wir, dass sich viele Gesundheitsleistungen jetzt auf Bereiche außer-halb der Kliniken verlagern. Zudem sehen wir einen immer größer werdenden Bedarf an übergangseinrichtungen für Patienten mit Atemwegserkrankungen. Die Nachfrage nach Rehabilitationsangeboten, Pflegeeinrichtungen und Ärztezen-tren steigt. Unsere REMEO®-Center zielen in diese Richtung. Zunehmend wichtiger werden auch ambulante OP-Zentren, die sich auf kleinere Eingriffe, die früher nur im Kranken-haus durchgeführt wurden, spezialisiert haben. Insgesamt bedeutet dies, dass wir die Patienten mit all ihren Bedürf-nissen immer ganzheitlicher im Blick haben müssen. Zudem werden neue Entwicklungen wie auf dem Gebiet der Tele-medizin den Patienten ganz neue Freiheiten eröffnen. Sie können zu Hause bleiben – und wissen dennoch, dass Para-meter wie Blutdruck und Sauerstoffsättigung medizinisch überwacht werden.

WELCHE ZIELE HABEN SIE SICH IN DIESEM DyNAMISCHEN UMFELD GESETZT?

Wir wollen in den kommenden Jahren unsere Position in den großen Healthcare-Regionen Europa und Amerika weiter stärken – mit verlässlicher Qualität und als Partner Nummer eins für Patienten, Kostenträger und Beschäftigte im Gesund-heitswesen. Dank strategischer Zukäufe sind wir im Bereich Homecare jetzt auch global bestens aufgestellt: Mit der über-nahme des kontinental-europäischen Homecare-Geschäfts von Air Products können sich jetzt mehr als 250.000 weitere Patienten auf uns als Partner verlassen. Und mit der Akquisi-tion des US-amerikanischen Homecare-Unternehmens Lincare ist uns ein noch größerer Vorstoß in den mit Abstand größten Homecare-Markt der Welt gelungen. Linde Healthcare betreut heute mehr als 1,3 Millionen Patienten weltweit. Auch in den aufstrebenden Volkswirtschaften nehmen wir eine führende Stellung ein. Dabei konzentrieren wir uns zum Beispiel auf neue Märkte in Ländern wie Brasilien, Russland, Indien und China. Wir sind weltweit die Nummer eins im Bereich medi-zinischer Gase sowie der entsprechenden Service- und Bera-tungsleistungen. Und auch auf dem Gebiet der Atemwegs-therapien im häuslichen Bereich sind wir der weltweit größte Anbieter. Diese Position wollen wir weiter ausbauen.

linK: www.linde-healthcare.com

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notärzte verab-reichen medizini-schen sauerstoff aus gasflaschen in einem kompakten notfallrucksack.

Ärzte in einem ambulanten operations-zentrum verwenden medizinisches Kohlendioxid während einer bauchspie-gelung, um die bauchdecke anzuheben.

ein arzt überprüft die atemfunktion einer patientin mithilfe eines lun-genfunktionstests.

Tragbare sauerstoff-geräte helfen menschen mit atem-wegserkrankungen, mobil zu sein.

linde-lkw befüllt Tank mit medizinischem sauerstoff.

Qi medical gas services unterstützt die gesamte medizingase-versorgung: Design, Konstruktion, logistik, vor-ort-Dienst und verwaltung.

inhalierbares medizinisches lachgas-sauerstoff-gemisch wird auch in der unfallmedizin zur schmerzlinderung eingesetzt.

Kernspin-Tomographie benötigt flüssighelium zur Kühlung der mag-netspulen.

in der Klinik betreibt remeo® rehabilitations-einrichtungen für langzeitbeatmete patienten.

operationssaal mit anschlüssen für medizinischen sauerstoff (weiß), medizinisches Di-stickstoffmonoxid (blau), medizinische luft (schwarz) und vakuum (gelb).

im Kreißsaal: schwangere inhaliert ein schmerzlin-derndes medizinisches lach-gas-sauerstoff-gemisch.

schlafapnoe-patient im schlaflabor.

Qi monitoring der medizinischen gaseversorgungs-anlage mit echtzeit-alarm, Qi nachverfolgung von gasflaschen und Kontrollzentrum zur automati-schen gase-nachfüllung.

linde Qi servi-ces bietet vor-ort-versorgung mit flüssigem stickstoff für die Kryokon-servierung von medizinischen proben.

Krankenschwester gibt ver-letztem Kind schmerzlindern-des medizinisches lachgas-sauerstoff-gemisch.

einsatz von medizinischem stickstoffmonoxid auf säuglings-intensivstation.

Qi Training: linde-experten schulen medizi-nisches fachpersonal im umgang mit gasen in der medizin. lehrvideos zeigen, wie das mobile liv®-flaschensystem genutzt wird.

patient erhält sauerstoff aus einer tragbaren gasflasche – aus-gestattet mit liv®-ventil von linde.

Qi services unterstützen im umgang mit medizinischen gaseversorgungsanlagen. ein linde-healthcare-Techniker kontrolliert die sichere lagerung der gasflaschen und gewährleistet die sicherheit aller damit verbundenen gaseinstallationen.

Qi medair und Qi medvac bieten servicelösungen – vom Design über die versorgung und installa-tion bis zur bereitstellung der on-site-anlage.

cryobox-einheit zur lagerung von proben. linde liefert schlüsselfertige lösungen für die Kryokonser-vierung.

Die Gasflaschen mit dem LIV®-System von Linde besitzen einen eingebau-ten Druckminderer, so dass Patienten direkt über eine atemmaske versorgt werden können. Das LIV®-System ist zudem kompatibel mit den Wandan-schlüssen in Kliniken.

46liNde teCHNoloGY #1.13 // HealtHCare

diE MEdiziNGaSE-WELtLinde Healthcare: Partner für ärzte, Patienten und Pflegekräfte

20.000 Atemzüge: So oft holt ein gesunder Erwachsender täglich Luft, die hauptsächlich aus Sauerstoff und Stickstoff besteht. Aber auch andere Gase sind im Gesundheitsbereich von Bedeutung. Linde Healthcare sorgt für eine sichere Versorgung: in Kliniken und Arztpraxen, in Pflegeeinrichtungenund Remeo®-Centern und auch zu Hause.

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ein arzt erhält per Telehealth medizi-nische Daten eines seiner patienten auf den monitor.

patient erhält während einerzahnbehandlung ein inhalierbares medizinisches lachgas-sauerstoff-gemisch.

professionelle pflege für langzeit-beatmete patienten zu hause. Kran-kenpflege und geräte-management sind 24 stunden am Tag verfügbar.

ein Therapeut führt reha-bilitation mit beatmetem patienten durch.

ein patient, der auf eine sauerstoff-therapie angewiesen ist, übermittelt per Telehealth medizinische Daten an seinen arzt.

Dank der cpap-beatmung (conti-nuous positive airway pressure) können schlafapnoe-patienten besser schlafen und leiden weni-ger an folgeerkrankungen wie herz-Kreislauf-problemen.

ein patient wird in Therapiefragen beraten.

in einem bürgerzentrum zeigenlinde-healthcare-physiotherapeuten patienten mit atemwegserkrankungen gymnastische übungen.

Das medizinische beatmungs-center remeo® ist auf lang-zeitbeatmung spezialisiert und hilft patienten, wieder selbständig atmen zu lernen.

ein linde-experte berät einen patienten in ernährungsfragen.

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Diese grafik ist eine vereinfachte Darstellung, die keinen anspruch auf vollständigkeit erhebt.

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Flüssigerdgas für Hamburgs Frachter: Der schiffsverkehr muss umweltfreund- licher werden. mit lng lassen sich schädliche emissionen deutlich eindämmen.

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Maschinen soweit das Auge blickt: Am Containerterminal Alten- werder des Hamburger Hafens trifft man kaum Menschen – dafür umso mehr Kräne. Ferngesteuert hieven sie die tonnenschweren Stahlboxen aus den Schiffen und laden diese auf führerlose Fahr-zeuge. Der Hamburger Hafen zählt zu den wichtigsten europäischen Ports: über 130 Millionen Tonnen Güter werden hier pro Jahr um- geschlagen. Mehr als 10.000 Schiffe fahren den Hafen jedes Jahr an – und sie alle tanken Treibstoffe, die eine Menge Abgase freisetzen. „Die Schifffahrt ist zwar, gemessen an den Emissionen je Tonnenkilo- meter, sehr umweltfreundlich“, sagt Hamburgs Wirtschaftssenator Frank Horch. „Doch die An-forderungen an den Umweltschutz steigen auch hier.“ Im Fokus der Internationalen Seeschiff- fahrtsorganisation stehen vor allem die Schwefel- dioxidemissionen. Diese müssen nach den neuen Richtlinien deutlich sinken. In den so genannten Emissionskontrollgebieten (Emission Control Areas, ECA), zu denen die Nord- und Ostsee und ein Areal vor den Küsten der USA zählen, dürfen Schiffstreib-stoffe schon ab Januar 2015 nur noch 0,1 Prozent Schwefelverun-

reinigungen enthalten. Weltweit werden die Grenzwerte schritt-weise herabgesetzt – von derzeit 3,5 auf 0,5 Prozent im Jahr 2020. Und für neue Schiffe werden auch die Grenzwerte für Stickoxid- emissionen ab 2016 drastisch gedrosselt.

„Das klingt im ersten Moment hart, ist aber etwa im Vergleich zum erlaubten Schwefeldioxidausstoß im Straßenverkehr, der schon seit Jahrzehnten bei maximal 0,001 Prozent liegt, noch moderat“,

erklärt Dr. Thomas Tork, der bei Linde im Bereich Clean Energy für die LNG-Geschäftsentwicklung zuständig ist. Und das Durchgreifen der Schiff-fahrtsbehörde ist berechtigt. Die Luftschadstoffe versauern Wasser und Böden, und sie können Atembeschwerden auslösen sowie das Herz-Kreislaufsystem schwächen. Wissenschaftler des dänischen Zentrums für Energie, Umwelt und

Gesundheit haben errechnet, dass EU-weit etwa sieben Prozent der Kosten für emissionsbedingte Krankheiten auf das Konto der Schiff-fahrt gehen. Im Jahr 2000 etwa waren es 60 Milliarden Euro. „Die Schifffahrtsindustrie muss jetzt über einen Wechsel zu schadstoff-ärmeren Treibstoffen nachdenken“, sagt Tork. Ein Favorit für den

aB 2020: WELt-WEit StrENGErE GrENzWErtE für EMiSSioNEN.

SauBEr auf SEELNG-terminals: Maritime infrastruktur für flüssiges Erdgas

Häfen sind wichtige Drehscheiben für die Weltwirtschaft. Doch der zunehmende Schiffsverkehr macht der Luft in den Hafenregionen und über den Meeren zu schaffen. Ab 2015 sollen strengere Grenzwerte die Schadstoffemissionen eindämmen. Damit sind auch umweltfreundlichere Treibstoffe gefragt. Flüssigerdgas, kurz LNG, würde die neuen Auflagen mehr als erfüllen. Damit der Durchbruch gelingt, arbeitet Linde mit Hochdruck an einem Netzwerk neuer LNG-Terminals in Europa.

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52liNde teCHNoloGY #1.13 // lNG-iNfrastruktur

Umstieg ist verflüssigtes Erdgas, kurz LNG für Liquefied Natural Gas. Seine Hauptkomponente ist Methan, das im Wesentlichen zu Wasser und Kohlendioxid verbrennt. Das erst kürzlich gegründete Joint Venture Bomin Linde LNG GmbH & Co. KG – ein Zusammenschluss von Linde und Bomin, einem Toch-terunternehmen von Marquard und Bahls – will den Umstieg auf LNG jetzt vorantreiben und die dafür erforderliche Infrastruktur aufbauen. Schließlich waren fehlende Tankmöglichkeiten bislang ein starkes Argument vieler Reedereien gegen einen Wechsel. Das erste Projekt von Bomin Linde: ein LNG-Terminal am Hamburger Hafen. „Linde und die Hamburg Port Authority haben schon in einer Machbarkeitsstudie gezeigt, dass das Projekt technisch zu meistern und sowohl ökonomisch als auch ökologisch sinnvoll ist“, berichtet Tork. So könnten bereits in zwei Jahren mehrere tausend Tonnen Flüssigerdgas in haushohen, weiß lackierten Stahltürmen am Hamburger Hafen lagern – gut gekühlt bei minus 161 Grad Celsius, denn nur dann bleibt es flüssig. Bunkerschiffe, die mit Linde-Technologie aus-gerüstet sind, bringen es zu den ankernden Schiffen und betanken deren Treibstoffspeicher.

Mit dem neuen Schiffskraftstoff können Reedereien die kom-menden Auflagen der Internationalen Seeschifffahrtsorganisation mehr als erfüllen. Schließlich entstehen bei der Verbrennung von Flüssigerdgas fast keine Schwefeloxide und etwa 80 Prozent weniger Stickoxide. Die Emissionen enthalten weder Ruß noch

Schwermetalle. Betrieben mit LNG fahren die Schiffe auch ener-gieeffizienter und pusten bis zu 25 Prozent weniger klimaschäd-liches Kohlendioxid in die Luft. Zudem laufen die Erdgas-Motoren leiser – für Matrosen und Hafenanlieger ein positiver Nebeneffekt. Zwar können auch Schiffe, die mit schwefelarmem Marine-Gasöl (MGO) fahren oder Anlagen zur Treibstoffaufbereitung und Abgas-behandlung an Bord haben, die künftigen Grenzwerte einhal-ten. Tork zufolge sind diese Lösungen jedoch bei weitem nicht so sauber wie der LNG-Betrieb, deutlich aufwendiger – und auch

ökonomisch die schlechteren Alternativen. „Die Vorlaufkosten für eine Umrüstung auf LNG-Betrieb sind heute zwar noch höher als die Investition in eine vergleichbare Abgasnachbehandlung für herkömmliche Schiffe“, räumt er ein. „Auf lange Sicht aber rechnet sich der Umstieg, denn LNG ist der preisgünstigere Treibstoff.“

Das Flüssigerdgas für das neue Terminal der Hamburger Hafenstadt soll vor allem von den großen

internationalen LNG-Importterminals geliefert werden, zum Beispiel aus Rotterdam und Zeebrugge. Als Verteilerstation für Teile der Ost-see könnte Lindes Mid-Scale-Terminal im schwedischen Nynäshamn mit einer Kapazität von 20.000 Kubikmetern fungieren, gebaut und betrieben von den Linde-Töchtern Cryo AB und AGA AB. „Gemeinsam mit Bomin decken wir also die gesamte Wertschöpfungskette ab. Das Flüssigerdgas, die Speicher, weitere Kryotechnik und der Bunker- service stammen aus einer Hand“, betont der Linde-Manager.

LNG-BEdarf StEiGt: BiS 2020 GEScHätzt auf füNf MiLLioNEN toNNEN.

Treibstoff tanken: küstennahe LNG-terminals speichern das flüssigerdgas in großen tanks – und verteilen es von dort in die Welt (ganz oben). die Verteilstationen werden von Verflüssigungsanlagen wie zum Beispiel in Stavanger mit LNG beliefert (oben). Bereits in zwei jahren könnte der Hamburger Hafen (rechts) über eine LNG-infrastruktur ver- fügen – mithilfe von Linde-technologie.

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Und das Vorhaben am Hamburger Hafen ist nur ein erster Meilen- stein auf dem Weg zur LNG-betriebenen Schifffahrt. Bomin Linde plant bereits Terminals in weiteren strategisch wichtigen Häfen, etwa in Bremerhaven, Kiel und Rotterdam. Recht weit gediehen ist zudem ein LNG-Terminal, das zurzeit in Lysekil an der schwedischen Westküste für das norwegische Unternehmen Skangass entsteht – unter der Federführung von Ingenieuren der Linde Kältetechnik- Tochter Cryo AB. Das Terminal soll bereits 2013 den Betrieb auf-nehmen. „Es wird zunächst vorrangig eine Raffinerie und die Indus-trie vor Ort beliefern, aber wir sehen die Schifffahrt als ein riesiges Zukunftsthema“, sagt Lars Persson von der Cryo AB in Götheburg.

flüssigerdgas für Hafenfahrzeuge Olof Källgren, der die LNG-Handelsaktivitäten bei Linde leitet, ist ohnehin überzeugt, dass Flüssigerdgas als Schiffstreibstoff schnell Karriere machen wird. „Nordsee, Ostsee und die Gebiete vor der US-amerikanischen Küste werden wegen der besonders strengen Auf-lagen Vorreiter sein“, schätzt der Linde-Experte. Einer Studie der dänischen Schifffahrtsbehörde Danish Maritime Authority zufolge wird sich der LNG-Bedarf für den maritimen Bereich in Nordsee, Ost-see und Ärmelkanal bis 2020 sogar verfünfzigfachen: von zurzeit etwa 100.000 Tonnen auf bis zu fünf Millionen Tonnen Flüssigerdgas. 2030 könnten es bis zu acht Millionen Tonnen sein. Treffen die Pro-gnosen zu, würden schon in gut 15 Jahren mehr als die Hälfte aller Schiffe mit Flüssigerdgas fahren. Ein aktuelles Beispiel für ein LNG-betriebenes Schiff ist die „Viking Grace“, die größte LNG-betriebene Fähre der Welt. Seit Januar 2013 verkehrt sie zwischen Stockholm und dem finnischen Turku. Sie hat Platz für 2.800 Passagiere, Autos und Lkw. Betankt wird sie mit LNG aus Nynäshamn und über ein mit Linde-Technik bestücktes Bunkerschiff.

Um in den Häfen internationaler Metropolen für gute Luft zu sor-gen, reicht es aber nicht, nur die Schiffe mit LNG zu versorgen. „Die Schadstoffkonzentrationen in der Hamburger Hafenluft zum Beispiel stammen zu einem Drittel auch von Lkw, Rangierlokomotiven und Schleppern – und liegen damit gleichauf mit den Schiffsabgasen“, sagt Tork. Am Hamburger Hafen soll deshalb eine LNG-Tankstelle entstehen, die die Hafenfahrzeuge mit dem sauberen Treibstoff versorgt.

Ob nun für den Verkehr auf See oder auf der Straße – die neue LNG-Infrastruktur ist Tork zufolge auch auf lange Sicht eine zuverläs-sige Alternative und taugt sogar für regenerative Brennstoffe. „Die LNG-Systeme und -Technologien lassen sich direkt für Biomethan, also für aufbereitetes Biogas, nutzen“, sagt der Linde-Experte. Auch auf diesem Gebiet ist Linde ein Pionier: Im US-amerikanischen Alta-mont betreibt das Unternehmen gemeinsam mit den Abfallspezia-listen von Waste Management eine Methanverflüssigungsanlage, die mit Deponiegas arbeitet. So kann selbst aus Müll ein sauberer Brenn-stoff werden, mit dem voraussichtlich schon in den kommenden Jahren ganze Lkw-Flotten betankt werden – und von dem in Zukunft auch die Schifffahrt profitieren könnte.

WIE AUFWENDIG IST ES, SCHIFFE AUF LNG UMZURüSTEN?

Prinzipiell können alle Schiffstypen Flüssigerdgas als Brenn-stoff nutzen. Wie beim Schiffsneubau müssen dafür spezielle LNG-Tanks, Antriebe und Versorgungssysteme installiert werden. Die meisten Motoren, die heute in Schiffen einge- baut sind, lassen sich aufrüsten. Andere müssen dagegen kom-plett ersetzt werden. Die Umrüstung ist also mit zusätzlichen Investitionen verbunden. Am teuersten sind die Tanks. Des-halb werden in den nächsten Jahren vor allem Schiffe mit kürzeren, küstennahen Routen LNG als Treibstoff nutzen.

WAS SIND DIE HERAUSFORDERUNGEN FüR DEN UMSTIEG?

Zurzeit wird LNG als Schiffsbrennstoff nur in Norwegen angeboten. Die Versorgung in anderen nordeuropäischen Häfen wird erst in ein bis zwei Jahren etabliert sein. Erst dann werden mehr Reedereien ihre Schiffe umrüsten bezie-hungsweise neu bestellen. Ankündigungen, wo neue LNG- Terminals geplant sind, helfen sehr. Denn es zeigt den Reedereien, dass die Versorgungsbranche willens ist, den Anfang zu machen und bei steigender Nachfrage die ent-sprechende Infrastruktur bereitzustellen.

WELCHE ROLLE SPIELT LNG FüR DEN GERMANISCHEN LLOyD?

Der Germanische Lloyd hat die Umrüstung des Produkttankers Bit Viking unterstützt. Dieses Schiff fährt seit Herbst 2011 mit LNG. Und wir haben weitere Aufträge für LNG-betriebene Schiffe und sind in vielen Vorprojekten zu Schiffssystemen, Schiffsentwürfen und Betankung aktiv. In einer gemein-samen Studie mit MAN haben wir uns mit den Kosten- und Nutzenaspekten LNG-betriebener Containerschiffe beschäftigt. Daraus geht unter anderem hervor: Die wich-tigsten Faktoren für die Amortisierungsdauer sind der Preis-unterschied zwischen Schweröl und LNG sowie die Zeit, die das Schiff in ECA-Zonen – also den Emissionsüberwachungs-gebieten – verbringt.

„ES HiLft zu WiSSEN, Wo NEuE LNG-tErMiNaLS ENtStEHEN“

KURZINTERVIEW

Linde technology sprach mit Dr. Pierre Sames, Leiter der forschung und Vorschriftenentwicklung beim Germanischen Lloyd in Hamburg, über die zukunft von flüssigerdgas als Schiffstreibstoff.

linK: www.naturalgas.org

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diE GiPfEL- ScHWiMMEr

Hypoxie-kanal für Profisportler

Höhentraining macht fit. Leistungssportler nutzen den Effekt. Jetzt können Schwimmer davon profitieren – dank Gasetechnologie von Linde.

Die Luft in den Pyrenäen ist dünn. Mit jedem Höhenmeter sinkt der Luftdruck – und damit das Sauerstoffangebot. Doch für Sportler sind das ideale Bedingungen. Das Höhentraining auf zwei- bis dreitausend Metern bringt ihnen einen Leistungskick. Bekannt ist das Phänomen seit den olympischen Spielen 1968 in Mexiko, die auf 2.240 Metern Höhe stattfanden. Das Sportereignis war ein Festival der Rekorde – und die Geburt des Höhentrainings: Sportler, die sich länger dort auf-gehalten hatten, brachten zurück im Flachland bessere Leistungen. Der Grund: Der Körper gleicht den Sauerstoffmangel aus, indem er mehr rote Blutkörperchen produziert, die das Gas in die Muskel- zellen bringen und den Sportler leistungsfähiger machen. Hypoxie-gestütztes Training heißt diese gezielte Sauerstoffunterversorgung.

Profischwimmer des Deutschen Schwimmverbandes müssen dafür aber nicht mehr in die Höhentrainingslager der Pyrenäen oder Sierra Nevada reisen: Denn die Experten von Linde bringen das Hochgebirge jetzt zum Olympiastützpunkt Brandenburg in Ostdeutschland. Dessen Schwimmkanal ist seit April 2012 mit einer Hypoxie-Anlage ausgerüs-tet, die den Sauerstoffgehalt herabsetzt, ohne den Luftdruck zu ver-ändern. Fachleute sprechen von der normobaren Hypoxie. „Nach Expertenmeinung kommt diese Art der gezielten Sauerstoffunterversorgung dem normalen Empfinden des Sportlers eher entgegen als die hypobare, also einem niedrigen Luftdruck“, erklärt Johann Kaltenegger aus der Marktentwick-lung Chemie der Linde Gases Division in Unterschleißheim. „Und es gibt Hinweise, dass ein niedrigerer Druck schneller höhenkrank machen kann“, so der Linde-Experte. In Potsdam verändert man deshalb die Zusammensetzung der Luft: Ein Dosiersystem mischt Frischluft mit zusätzlichem Stickstoff von Linde, bevor das Gasegemisch in die Schwimmhalle geleitet wird. Dadurch sinkt der Sauerstoffanteil, der normalerweise 21 Prozent beträgt. Kaltenegger: „Bei einer simulierten Höhe von 4.500 Metern, auf die die Anlage in Potsdam aus Sicherheits- gründen begrenzt ist, liegt die Konzentration bei etwa zwölf Prozent.“ Die Schwimmer trainieren im Extremfall auf Matterhorn-Niveau.

Linde liefert aber nicht nur den Stickstoff, sondern das gesamte verfahrenstechnische Konzept einschließlich der komplexen Mess-, Steuer- und Regeltechnik: Empfindliche Sensoren kontrollieren

permanent Temperatur, Luftdruck, Luftfeuchte sowie Sauerstoff- und Kohlendioxid-Gehalt. Acht- bis zehnmal pro Stunde wird die Atmo-sphäre in der Schwimmhalle von 3.000 Kubikmetern komplett ausge-tauscht: „So sichern wir die nötige Luftgüte auch unter schwierigsten Bedingungen und halten die simulierte Höhe – also die Luftzusammen- setzung – konstant“, erklärt Jörg Steinke, Anwendungstechniker und Produktmanager Hypoxie bei Linde. Hohe Luftfeuchtigkeit und Chlor sind in Schwimmbädern allgegenwärtig – und das macht es der Mess- und Anlagentechnik nicht einfach, für eine stabile Raumluft

zu sorgen. Eine besondere Herausforderung, die die Linde-Ingenieure gemeistert haben, waren vor allem die strengen Richtlinien der Schwimmbä-der im Hinblick auf Luftgüte und Hygiene. Steinke: „Unsere Hypoxie-Anlage bietet einen nahezu hun-dertprozentigen Schutz gegen die Anreicherung

von Bakterien oder Legionellen.“ Die Schwimmprofis können dank einer benutzerfreundlichen Software sogar selbst steuern, auf wel-cher Höhe sie trainieren. „Nach unseren Informationen ist die Anla-gentechnik, wie sie jetzt in Potsdam steht, in Europa bisher einma-lig“, so Steinke. Zwar sind die olympischen Spiele in Rio de Janeiro erst in drei Jahren, aber dann will das Schwimmteam auch bei der Medaillenverteilung die Gipfel stürmen.

MattErHorN-NiVEau für diE ScHWiMMHaLLE.

linK: www.high-altitude-medicine.com

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LINDE TECHNOLOGY #1.13 // IMprEssuM

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Herausgeber:Linde AG Klosterhofstraße 1, 80331 München Telefon +49.89.35757-01 Telefax +49.89.35757-1398www.linde.com

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Bildredaktion: Judith Schüller, Hamburg

Layout:wissen + konzepte, München;Almut Jehn, Bremen

Anfragen und Bestellungen an: Linde AG, Kommunikation Klosterhofstraße 1, 80331 München oder [email protected] Diese Heftreihe sowie weitere Fachberichte stehen unter www.linde.com als Download zur Verfügung.

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ISSN 1612-2224, Printed in Germany – 2013

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natürliche Kräfte: Die erde bietet vielfältige regenerative energiequellen, die sich mit innovativen technologien effizient nutzen lassen – für eine nachhaltigere Zukunft.

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Bildquellen:Titel: LatitudeStock – TTL/Getty Images // seite 04/05: Linde AG (2), Fraunhofer, Siemens- Pressebild // seite 06/07: Linde AG // seite 08/09: Linde AG (2), Andy Le/Getty Images // seite 10/11: Linde AG, plainpicture/Cultura, DLR (CC-BY-3.0) // seite 13: Steger/SPL/Agentur Focus // seite 14/15: Linde AG, Sean Gallup/Getty Images, Privat // seite 16/17: Linde AG (2), look foto, Victor de Schwanberg/SPL/Agentur Focus // seite 18: Bernhard Edmaier/SPL/Agentur Focus // seite 21: Siemens AG // seite 23: Stocktrek Images/Getty Images // seite 25: Linde AG, Martin Bond/SPL/Agentur Focus // seite 26/27: Privat, Arctic Images/Corbis // seite 28: Lester Lef-kowitz/Getty Images // seite 30/31: Linde AG (2), Paul Rapson/SPL/Agentur Focus // seite 32/33: Swiss Re, Getty Images // seite 35: Sung-Il Kim/Corbis, Serghei Velusceac/Fotolia // seite 36/37: Ed Young/SPL/Agentur Focus, Linde AG, Getty Images // seite 38/39: Linde AG, dpa/picture-alli-ance // seite 40/41: Linde AG, Dieter Klein/laif // seite 42/43: Linde AG (2), Getty Images (2) // seite 44: Linde AG // seite 46/47/48/49: Linde AG, Christian Eisenberg // seite 50: Frank Siemers/laif // seite 52/53: Linde AG, dpa/picture-alliance, Engel & Gielen/Getty Images, Germanischer Lloyd // seite 54: Tim Tadder/Corbis

– 45.000 Tonnen CO2.

LNG-Produktion aus nachwachsenden Rohstoffen: Aus Deponieabfällen wird wertvoller Biokraft-stoff! Gemeinsam mit Waste Management Inc. haben wir in Kalifornien die weltweit größte Anlage zur Umwandlung von Deponiegas gebaut. Inzwischen werden die Müllentsorgungsfahrzeuge von Waste Management mit verflüssigtem Biogas betrieben. Dies entspricht einer Einsparung von jährlich circa 20 Millionen Liter Benzin bzw. Diesel, oder anders ausgedrückt: 45.000 Tonnen CO2. Das ist nur eines von vielen Beispielen, wie wir mit unseren „Clean Technology”-Lösungen zu einer sauberen und nachhaltigen Energiewirtschaft beitragen.Weitere Informationen finden Sie auf unserer Website www.linde.com/cleantechnology

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Herausgeber

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Hochreine Gase in der Display-Produktion Sauber auf See Maritime Infrastruktur für LNG

an der Seite deS Patienten Medizingase-Welt von Linde Healthcare

WaSSerStoff auS Wind Regenerative Energien speichern

HeiSSe energiequellen Geothermie optimal nutzen

titeltHeMa: KraftWerK natur

effizientere Sonnenfänger Stromausbeute von Solarzellen verbessern

LINDE TECHNOLOGY

Ausgabe

innovative tecHnologien für MeHr nacHHaltigKeit

KraftwerK Natur