Linde Technology #1.12 Energien aus der Erde - The Linde · PDF fileLinde AG...

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Ausgabe #1. 12 WASSERAUFBEREITUNG Entsalztes Meerwasser trinkbar machen METALLVERARBEITUNG Bauteile verzugsfrei schweißen KRIMINALTECHNIK Mit Gasetechnologie auf Spurensuche COABTRENNEN Klimafreundliche Kohlekraft SCHIEFERGAS NUTZEN Rohstoffe effizienter fördern TITELTHEMA: ENERGIEN AUS DER ERDE KOHLE UMWANDELN Synthetische Erdgasproduktion NEUE WEGE FÜR MEHR EFFIZIENZ UND KLIMASCHUTZ ENERGIEN AUS DER ERDE LINDE TECHNOLOGY

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Herausgeber

Linde AG Klosterhofstraße 180331 München Telefon +49.89.35757-01 Telefax +49.89.35757-1398www.linde.com

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#1.

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Ausgabe

#1. 12 Wasseraufbereitung

Entsalztes Meerwasser trinkbar machen MetaLLVerarbeitung Bauteile verzugsfrei schweißen

KriMinaLtechniK Mit Gasetechnologie auf Spurensuche

cO₂ abtrennenKlimafreundliche Kohlekraft

schiefergas nutzenRohstoffe effizienter fördern

titeLtheMa: energien aus der erde

KOhLe uMWandeLn Synthetische Erdgasproduktion

neue Wege für Mehr effizienz und KLiMaschutz

EnErgiEn Aus dEr ErdE

LINDE TECHNOLOGY

LINDE TECHNOLOGY #1.12 // IMprEssuM

Impressum

Herausgeber:Linde AG Klosterhofstraße 1, 80331 München Telefon +49.89.35757-01 Telefax +49.89.35757-1398www.linde.com

redaktion: Verantwortlich: Dr. Thomas Hagn, Linde AG; wissen + konzepte, München

Bildredaktion: Judith Schüller, Hamburg

Layout:wissen + konzepte, München;Almut Jehn, Bremen

Anfragen und Bestellungen an: Linde AG, Kommunikation Klosterhofstraße 1, 80331 München oder [email protected] Diese Heftreihe sowie weitere Fachberichte stehen unter www.linde.com als Download zur Verfügung.

Nachdrucke oder elektronische Verbreitung nur mit Zustimmung des Herausgebers. Mit Ausnahme der gesetzlich zugelassenen Fälle (und bei vollständiger Quellenangabe) ist die Nutzung der Berichte aus „Linde Technology“ ohne Einwilligung des Herausgebers nicht gestattet.

ISSN 1612-2224, Printed in Germany – 2012

# 1. 12

Mehr erdgas fördern: 670.000 Kubikmeter stickstoff erzeugen die beiden Luftzerleger des Linde-AdnOC-Gemeinschaftsunternehmens Elixier stündlich. N₂ macht die Erdgasproduktion in Abu dhabi effizienter.

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Bildquellen:Titel: Linde AG // seite 04/05: Laurance B. Aluppy, Don Farrall, Sean Gallup/Getty Images, Roche PR // seite 06/07: Linde AG // seite 08/09: Frank Siemers/laif, Linde AG (2) // seite 11: Linde AG // seite 12/13: Linde AG (2), Novosti/SPL/Agentur Focus, BKA // seite 14/15: picture-alliance/dpa, Linde AG (2), Hollandse Hoogte/laif, Image Source/Getty Images // seite 16: John Zoiner/Getty Images // seite 18/19: Linde AG (2), Cuthbert/SPL/Agentur Focus // seite 21: Shuli Hallak/Corbis // seite 22/23: Linde AG, Roy Morsch/Corbis, Justin Sullivan/Getty Images // seite 24/25: Linde AG // seite 27: Cameron Davidson/Corbis // seite 28/29: plainpicture/Design Pics, ddp images, Bloomberg/Getty Images, Linde AG // seite 30/31: Linde AG (2) // seite 32: Jonelle Weaver/ Getty Images // seite 34/35: Linde AG (4), Ruiz/Treal/laif // seite 37: Thomas Ernsting/laif // seite 38/39: Getty Images, plainpicture/Cultura, Tallent Automotive Limited // seite 40/41: Andreas Hub/laif, Bally/Keystone Schweiz/laif // seite 42: Linde AG // seite 44: Janet Forster/Getty Images // seite 46/47: Bloomberg/Getty Images, Yu Fangping/Imaginechina/laif, Linde AG // seite 48/ 49: Linde AG // seite 51: Science Photo Library/Agentur Focus // seite 52/53: Linde AG, Ingram/Getty Images, Roche PR (2) // seite 54: M. Barraud/Getty Images, Bayer AG

Hinter jeder hervorragenden Leistung stehen Menschen mit Ambition.

Ein außergewöhnliches Projekt: Europas größte Erdgasverfl üssigungs-Anlage in Norwegen wurde mit dem Know-how der Linde Group errichtet. Ein perfektes Beispiel dafür, dass wir als eines der weltweit führenden Gase- und Engineering-unternehmen mit rund 50.500 Mitarbeitern in mehr als 100 Ländern innovative Ideen entwickeln, die den Horizont des menschlich Machbaren konsequent erweitern. Herausragende Ingenieurkunst, Exzellenz im operativen Bereich und der Antrieb, bei Technologien und Innovationen weltweit neue Maßstäbe zu setzen, unterstützen uns dabei, richtungsweisende Schritte in eine lebenswerte Zukunft zu machen. Weitere Informationen über The Linde Group fi nden Sie online unter www.linde.com.

editorial // liNde teCHNoloGY #1.12

Liebe Leserinnen und Leser,

der weltweite Energiebedarf steigt rasant, die Rohstoffpreise ebenso, und die globale Erderwärmung bedroht das Klima. Wie ist dieses Spannungsfeld, das Experten als Energie-Trilemma bezeichnen, zu lösen? Darauf gibt es keine einfachen Antworten, fest steht nur: Der Weg zu einer nachhaltigen, verläss-lichen und bezahlbaren Energieversorgung führt nur über innovative, umweltverträgliche Technologien.

Dabei müssen wir uns klar machen, dass der überwiegende Teil der Energieträger derzeit noch immer aus der Erde gewonnen wird. Die fossilen Rohstoffe bleiben auch noch auf absehbare Zeit unsere wich-tigsten Energiequellen – allen voran die Kohle: Sie ist in großen Mengen vorhanden und wird weltweit genutzt. Umso wichtiger ist es deshalb, den CO₂-Ausstoß von Kohlekraftwerken weiter zu senken.

Linde verfügt über alle erforderlichen Kompetenzen, um die weitgehende Abscheidung und Speiche-rung von CO₂ aus Kraftwerksabgasen sicherzustellen. Gepaart mit Verfahren zur Rauchgaswäsche tragen wir dazu bei, den Betrieb von Kohlekraftwerken erheblich klimafreundlicher als bisher zu gestalten. Auch die Umwandlung von Kohle in synthetisches Erdgas ist ein vielversprechendes Verfahren für eine umweltschonendere Nutzung des schwarzen Rohstoffs. In Südkorea realisieren wir derzeit gemeinsam mit Kooperationspartnern ein Referenzprojekt auf diesem Gebiet. In der weltweit größten Gas-to-Liquids-Anlage in Katar wird Erdgas zu flüssigen Kraftstoffen verarbeitet – und sorgt so für eine umweltfreund-lichere Mobilität.

Dass man industrielle Prozesse durch den Einsatz von Gasen verbessern kann, zeigen Projekte aus der Biotechnologie. So arbeiten etwa Bioreaktoren deutlich wirtschaftlicher, wenn reiner Sauerstoff ein-gesetzt wird. Ein anderes Beispiel für die vielfältige Wirkungsweise von Gasen ist die Aufbereitung von entsalztem Meerwasser: Mit CO₂ lassen sich der pH-Wert sowie das chemische Gleichgewicht exakt ein-stellen – so wird das Wasser erst trinkbar.

In unserem Technologie-Magazin zeigen wir Ihnen einmal mehr, wie wir mit innovativer Anlagen-technik und einem ausgeklügelten Gasemanagement eine große Bandbreite von Industrieprozessen verbessern und nicht zuletzt nachhaltiger machen.

Professor Dr.-Ing. Aldo BelloniMitglied des Vorstands der Linde AG

EditoriaL

Ich wünsche Ihnen eine spannende Lektüre.

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04LINDE TECHNOLOGY #1.12 // INHaLT

SchweiSStechnologie: Kälteschock entspannt heiße nähte

waSSer: Den ph-wert optimal einstellen

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Biotechnologie: Sauerstoff kurbelt Prozesse an KohleKraft: Eine saubere Nutzung ermöglichen

05INHaLT // LINDE TECHNOLOGY #1.12

TITELTHEma

03 eDitorial

06 froStige fracht auf reiSen Stickstoff für die Nord-Stream-Pipeline

08 newS

10 Dem täter auf Der SPur Gasetechnologie verbessert die Kriminaltechnik

16 Klimaschutz uNd KohlEKraft Großbritannien: Leistungsstärkste Oxyfuel- Anlage treibt CCS-Technologie voran

20 trEibstoff aus dEr tiEfE Nordamerika: Schiefergas-Boom bringt LNG auf die Straße

24 stratEgiE für rEiNEs rauchgas Deutschland: Gaswäsche für Kraftwerke

26 sYNthEtischEs Erdgas aus KohlE Südkorea: Umweltfreundliches Verfahren zur Energieumwandlung

30 diE Kraftstoff-maschiNE Katar: Gas-to-Liquids-Anlage erzeugt flüssige Treibstoffe aus Erdgas

32 Knollen ohne Keime Ethengas macht Gemüse fit für den Markt

36 weniger SPannung im Blech CO₂-Kühlung sorgt für hochwertige Schweißnähte

40 moBiler Strom – SauBer unD leiSe Innovative Wasserstoffanwendung ersetzt Dieselgeneratoren

42 interview: „waSSerStoff iSt jetzt im halBfinale“ Markus Bachmeier, Leiter Hydrogen Solutions bei der Linde AG

44 DurSt nach meerwaSSer Kohlendioxid sorgt für eine ausgeglichene Wasserchemie

48 entSPannung Bei hochDrucK Herz-OP: Stickstoffmonoxid erweitert verengte Lungenarterien

50 KraftSchuB für zellfaBriKen Sauerstoff macht biotechnologische Prozesse leistungsfähiger

54 mücKenfang mit co₂ Umweltfreundlich gegen Moskitos

auf fossile rohstoffquellen wie Kohle und erdgas wird unsere industriegesellschaft in zukunft noch länger ange-wiesen sein. innovative verfahren von linde helfen, die Schätze der erde effizient und umweltfreundlich zu nutzen.

14 ENErgiEN aus dEr ErdE

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1.224 Kilometer Stahlrohre liegen in rund 100 Metern Tiefe auf dem Mee-resgrund der Ostsee: Die Nord-Stream-Pipeline verbindet das russische Wyborg mit dem deutschen Lubmin nahe Greifswald. 55 Milliarden Kubikmeter Erdgas sollen ab Ende 2012 jährlich durch die Doppelröh- ren strömen – und die Energieversorgung in Europa langfristig sichern.

Bevor das Gas fließen kann, muss die Pipeline frei sein von Stoffen, die mit Erdgas reagieren könnten. Nach einer ersten Reinigung mit Wasser und anschließender Trocknung folgt als einer der letzten Schritte die Inertisierung: Das Durchspülen mit Stickstoff (N₂) entfernt gefährliche, reaktive Substanzen aus den Röhren. Linde erhielt den Auftrag für die

LINDE TECHNOLOGY #1.12 // ErDGas

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Stickstoff für die Nord-Stream-Pipeline

FrOStiGe FrAcht AuF reiSeN

Temperaturextreme: Minus 196 Grad celsius kalt ist der flüssige Stickstoff in den LKW-tanks (links). im August 2011 schlug sich die feuchte Luft als reif auf den eiskalten Anschlüssen nieder (unten). Nach der Anlieferung (oben) wird die frostige Fracht für die inertisierung verdampft. Wärmetauscher verwandeln sie in 40 Grad Celsius warmen N₂.

Bereitstellung der riesigen Stickstoffmengen. Das Ziel: 14.000 Kubikme-ter N₂ mussten pro Stunde und eine Woche lang ohne Unterbrechung durch die Pipeline strömen. Linde meisterte diese logistische Heraus- forderung mit mehr als hundert Tanklastern, die den verflüssigten Stickstoff aus mehreren Luftzerlegungsanlagen nach Lubmin brachten.

ErDGas // LINDE TECHNOLOGY #1.12

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LINDE TECHNOLOGY #1.12 // NEws

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Mehr als 150 Fachleute aus Industrie, Hochschulen und Forschungs- einrichtungen trafen sich Ende März 2012 beim 5. Bundesalgen-stammtisch, der erstmals bei der Linde AG in Pullach stattfand. Die Experten beschäftigten sich unter anderem mit der Verfahrens-technik und Konzeption von Photobioreaktoren, in denen Algen kultiviert werden. Mikroalgen gelten als vielversprechende Liefe-

ranten nachwachsender Rohstoffe. Im Vergleich zu Landpflan-zen erzeugen sie deutlich mehr Ertrag pro Fläche und lassen sich leichter weiterverarbeiten. Linde kooperiert unter anderem mit Sapphire Energy in einem Projekt zur industriellen Algenkulti-vierung. Für die Lebens- und Futtermittelindustrie, aber auch die Treibstoffproduktion bieten Algen große Zukunftschancen.

newsLinde und die Hamburg Port Authority (HPA) treiben die Nutzung von verflüssigtem Erdgas (Liquefied Natural Gas – LNG) voran. Dafür arbeiten beide Unternehmen derzeit gemeinsam an einer umfang-reichen Machbarkeitsstudie, die den wirtschaftlichen Einsatz von LNG im Hamburger Hafen untersucht. Die Ergebnisse könnten als Grundlage für den Aufbau einer LNG-Infrastruktur im Hafen dienen, um den umweltfreundlichen Kraftstoff für Schiffe und andere Transportmittel wie LKW einzu- setzen. Denn im Vergleich zu Diesel oder Schweröl verursacht Erdgas wesentlich geringere Emissionen: Erdgasantriebe ver-ringern beispielsweise den Aus-stoß von Stickoxiden im Vergleich zu Diesel um knapp 90 Prozent und den von Kohlendioxid um bis zu 20 Prozent. Schwefeldi-oxid- und Feinstaubemissionen entfallen nahezu komplett. „Vor dem Hintergrund verschärfter Umweltstandards registrieren wir eine stetig steigende Nachfrage nach LNG-Lösungen im Trans-portsektor“, erklärt Dr. Andreas Opfermann, Leiter Clean Energy und Innovationsmanagement bei Linde. Als Anlagen- und Gase-

spezialist verfügt das Unternehmen über große Erfahrung im Ein- satz von verflüssigtem Erdgas als Kraftstoff. Die schwedische Linde- Tochter Cryo AB hat in Skandinavien bereits 40 Schiffe mit der LNG-Technologie ausgerüstet – und mit Verflüssigern und LNG- Terminals stellt Linde die Versorgung mit dem vorteilhaften Energie-träger sicher.

DEUTSCHLAND:

Flüssiges erdgas Für Hamburger HaFen

DEUTSCHLAND:

algen Für die ZukunFt

NEws // LINDE TECHNOLOGY #1.12

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Linde hat den Auftrag für die langfristige Gaseversorgung des saudi-arabischen Chemieunternehmens Sadara Petrochemical Company erhalten. Am Standort Jubail wird Linde Anlagen zur Kohlenmonoxid-, Wasserstoff- und Ammoniakpro-duktion errichten und hierfür 380 Millionen US-Dollar investieren. „Dieser Auftrag ist unser größtes On-site-Petrochemie-Projekt in der Region und gleichzeitig das erste in Jubail. Damit stärken wir unsere weltweit führende Stellung in der Pro-duktion und Lieferung von Kohlenmonoxid als Chemiebaustein für die Herstel-lung von Polyurethan-Kunststoffen“, sagt Prof. Dr.-Ing. Aldo Belloni, Mitglied des Vorstands der Linde AG. Sadara errichtet am Standort in Jubail Industrial City  II einen großen, inte-grierten Chemiekom-plex. Lindes Enginee-ring Division wird die neuen Gase-Anlagen für den Chemiepark pla-nen, liefern und schlüs-selfertig errichten. Im Jahr 2015 soll die Pro-duktion anlaufen. Den Anlagenbetrieb über-nimmt die Linde Gases Division.

Linde setzt sein Engagement in China weiter fort: Das Unternehmen investiert 70 Millio-nen Euro in den Standort Dalian im Nordosten des Landes und wird dort die Gaseversor-gung des chinesischen Chemieunternehmens Dahua Group übernehmen. Im Rahmen die-ses On-site-Vertrags wird der Anlagen- und Gasespezialist zwei bestehende Luftzerle-gungsanlagen des Chemiekonzerns erwer-ben und betreiben. Zudem baut Lindes Engineering Division dort einen neuen Luft-zerleger, der die beiden älteren Anlagen ersetzen wird. Die neue Anlage, die 2014 in Betrieb gehen wird, hat eine Produktions-kapazität von 38.000 Normkubikmetern Sauerstoff pro Stunde und soll den steigen-den Bedarf von Dahua decken. Die Versor-gungssicherheit des größten chinesischen Herstellers von Basischemikalien und Dün-gemitteln wird damit deutlich erhöht. Der neue Luftzerleger wird auch Flüssiggase für den regionalen Gasemarkt liefern. Für die lokale Versorgung wurde das Joint-Venture Linde-Dahua (Dalian) Gases Company, Ltd. gegründet.

SAUDI-ARABIEN:

investition im naHen osten CHINA:

Joint-venture Für gaseversorgung

Die medizinische Betreuung von Patienten in ihrem häuslichen Umfeld ist ein wichtiger Zukunftsmarkt. Um das Homecare- Geschäft weiter zu stärken, hat Linde jetzt die kontinental-europä- ischen Homecare-Aktivitäten des Unternehmens Air Products über-nommen. Dazu zählen die Länder Belgien, Deutschland, Frankreich, Portugal und Spanien mit insgesamt mehr als 250.000 Patienten. Die Europäische Kommission hat die Übernahme im April 2012 ohne Auflagen genehmigt. Ende April konnte die Akquisition abgeschlos-sen werden. Linde erwirbt die Homecare-Aktivitäten zu einem Enterprise Value von umgerechnet 590 Millionen Euro. Damit stärkt der Konzern seine Position als einer der weltweit führenden Home-care-Anbieter. „Healthcare ist eines unserer drei strategischen Felder. Es ist ein stabiles Geschäft, das von der demographischen Entwicklung profitiert. Mit dieser Akquisition stärken wir unser Produktportfolio und erweitern unsere Kompetenzen“, sagt Prof. Dr.-Ing. Wolfgang Reitzle, Vorsitzender des Vorstands der Linde AG. „Wir schaffen gute Voraussetzungen, um neue Behandlungsmethoden und Pflege-

konzepte zu entwickeln. Durch den Zukauf werden wir zu einem der führenden Anbieter im europäischen Respiratory Homecare- Geschäft“, so Reitzle. Mit Homecare werden medizinische Dienstleis-tungen für die Behandlung von Patienten außerhalb von Kranken- häusern bezeichnet. Dazu gehören unter anderem Beatmungs- und Schlaftherapien.

EUROPA:

stärkung des Homecare-sektors

10LINDE TECHNOLOGY #1.12 // KrImINaLIsTIK

Nach dem Verbrechen kommen die Ermittler: Am Tatort wimmelt es von Menschen in weißen Ganzkörper-Overalls. Penibel sammeln sie Haarproben und Faserreste, fotografieren Beweismittel und suchen nach verborgenen Blutspuren. Und der klassische Fingerabdruck ist nach wie vor eines der wichtigsten Fundstücke am Ort eines Delikts. Ohne die wichtigen Spuren würde Special Agent Leroy Jethro Gibbs bei seinen Ermittlungen in der TV-Sendung Navy CIS ebenso im Dunkeln tappen wie Peter Falk alias Columbo – und auch Sherlock Holmes überführte in vielen Romanen mit akkuratem Fingerprintver-gleich zahlreiche Gangster.

Fingerabdrücke helfen schon seit mehr als 150 Jahren dabei, Menschen eindeutig zu identifizieren. Denn sie sind von Per-son zu Person verschieden, kein Muster gleicht dem anderen. Selbst eineiige Zwillinge haben unter-schiedliche Papillarleisten, so heißen die feinen Linien auf den Fingerkuppen. „Greift ein Ver-brecher mit bloßen Händen eine Tatwaffe, zeichnet sich das Muster dieser unverwech-selbaren Rillen wie ein Stempel auf dem Gegenstand ab“, erklärt Calvin Knaggs, Mar-ketingmanager Speciality Markets Equipment bei Linde in Kanada. Winzige Rückstände von Schweiß und Talg, die ununterbrochen von Hautdrüsen abgesondert werden, bilden die natürliche Stempelfarbe. Um die Abdrücke sicher einer Person zuzuordnen, müssen mehrere Merkmale

übereinstimmen: Feine Verzweigungen, besondere Schleifen oder plötzliche Endungen der Papillarlinien sind wichtige Hinweise. Das individuelle Fingermuster wird schon im Mutterleib festgelegt.

„Aber entscheidend für eine zuverlässige Identifizierung ist ein optimales Abbild des Fingerabdrucks“, so Knaggs. Dafür muss der Abdruck sichtbar gemacht werden. Und je nach Oberflächenbeschaf-fenheit des Beweisstücks ist das eine echte Herausforderung. Meist rücken die Kriminologen an – bewaffnet mit zahlreichen Pinseln – und streichen feines Rußpulver behutsam über Beweisstücke. Aber damit ist das Repertoire der Tatortprofis noch lange nicht erschöpft. Denn diese Technik eignet sich nur für glatte Materialien, beispiels-

weise Glas oder Plastik. Schwieriger wird es auf porösem, saugfähigem Untergrund wie Papier oder Holz. Dann

setzen die Spezialisten auf chemische Substan-zen wie Ninhydrin oder Iod. „Diese Stoffe rea-

gieren mit den Aminosäuren in den Rück-ständen des Fingerabdrucks und machen ihn dadurch sichtbar“, so Knaggs. Dazu mischen die Kriminalisten die Chemika-lien mit einem Lösungsmittel, um sie dann auf die Abdrücke aufzubringen. Der große Nachteil: Die hierfür nötigen Substanzen

wie Methanol, Petrolether oder Hydrofluor- ether sind zum Teil giftig, umwelt- und

gesundheitsschädlich. Dieses Problem wollte Calvin Knaggs lösen: Zusammen mit seinem

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Dem TäTer Auf Der Spur

Gasetechnologie verbessert die Kriminaltechnik

Fingerabdrücke liefern entscheidende Beweise für die Spurensuche. Um sie sichtbar zu machen, benötigen Ermittler aber viel Feingefühl – und auch einen speziellen Chemiecocktail. Linde-Ingenieure haben jetzt eine Technik entwickelt, die die Arbeit der Kriminaltechniker künftig effizienter und umweltfreundlicher macht: Mit der innovativen Gasetechnologie lassen sich die individuellen Täterspuren besonders präzise sichern und archivieren.

70 miLLionen

fingerabdrücke erfasst die welt-größte Datenbank: das integrated Automated fingerprint identification

System des fBi.

Leuchtende Spuren: Fingerabdrücke sind unverwechsel-bar. Die empfindlichen Beweisspuren lassen sich jetzt dank einer neuen Technologie von Linde noch besser sichtbar machen.

12LINDE TECHNOLOGY #1.12 // KrImINaLIsTIK

Team entwickelte er ein innovatives Verfahren, das die Sicherung von Fingerabdrücken revolutioniert.

Das System heißt ADROIT™ FC 300. Der englische Begriff „adroit“ bedeutet soviel wie clever – und der Name ist Programm für die neue Technik: „Das Gerät arbeitet mit einem ungefährlichen und umweltfreundlichen Trägergas und vereinfacht die Entwicklung von unsichtbaren Fingerabdrücken erheblich“, erklärt Knaggs. Bei der Erfindung half ihm vor allem seine langjährige Erfahrung in ver-schiedensten Fachbereichen bei Linde: Knaggs hat Know-how in der Vakuum- und Dünnschicht-Tech-nologie sowie im Bereich der Spezialgase. Und er beschäftigte sich mit Forensik – besonders die gän-gigen Methoden zur Sicherung von Fingerabdrü-cken machten ihn neugierig: „Ich dachte mir, dass es einen einfacheren und vor allem sichereren Weg geben muss, als die Nutzung von leicht entflamm-baren und giftigen Lösungsmitteln“, sagt Knaggs. Und mit dem ADROIT™-System ist ihm das gelun-gen: Das Gerät sieht zwar unscheinbar aus: Eine graue Stahlbox mit Sichtfenster, Schaltern, Schläuchen und einem Display. Doch es kom-biniert Vakuum-, Dünnschicht- und Gasetechnologien.

Herzstück der Entwicklung ist die Vakuumkammer: Dort legen die Kriminaltechniker die Beweisstücke hinein. Selbst ein komplettes Gewehr findet darin Platz. In einem vorgelagerten Vakuum-Dampf-System befinden sich die Substanzen, mit denen die Fingerabdrü-cke sichtbar gemacht werden sollen. Durch Aufheizen verdampfen diese Stoffe, verbinden sich mit einem Trägergas und werden so mit-

tels einer speziellen Düse in die Vakuumkammer transportiert. Dort benetzen sie das Beweisstück, legen sich als dünner, gleichmäßiger Film über die unsichtbaren Spuren – und bringen die Fingerabdrü-cke ans Licht. Knaggs: „Es lässt sich ein breites Substanzspektrum zur Visualisierung in das Gerät einspeisen, unter anderem auch fluores-zierende Substanzen.“ Bestrahlt mit Laser- oder UV-Licht beginnen diese zu leuchten und machen die Spuren sichtbar. Das ADROIT™-System macht die Arbeit der Kriminalisten viel effizienter, denn das

lästige manuelle Auftupfen, Besprühen oder Bepin-seln mit Chemikalien entfällt. „Dies ist ein großer Vorteil, weil dabei die Abdrücke oft beschädigt wer-den“, erklärt Knaggs. Einen ersten Prototypen des Systems hat der Erfinder zunächst auf eigene Faust in der heimischen Garage entworfen – bis ihm seine Frau die Versuchswerkstatt untersagt hat.

Doch Knaggs war von seiner Innovation über-zeugt; mit seinem Team führte er seine Entwick-lung in den Linde-Labors weiter. Um die Technik an

die Anforderungen der Ermittler anzupassen, arbeiteten die Ingeni-eure auch eng mit Spezialisten des Kriminalistiklabors der US-Armee (US Army Criminal Investigation Laboratory – USACIL) zusammen. Die Ermittler prüften die Technik und verglichen das neue Verfahren mit den besten gängigen Methoden. Das Ergebnis: Das ADROIT™-System macht Fingerabdrücke mindestens genauso gut oder besser sichtbar, kommt aber ohne giftige Lösungsmittel aus. Selbst schwer zu unter-suchende Oberflächen wie Thermopapier lassen sich mit der neuen Technologie untersuchen: Diese Papiersorte wird unter anderem für

Präzise Profile: passiert ein Be- weisstück das ADroiT™ fC 300 (oben), werden fingerabdrücke im Detail enthüllt – und helfen so bei der Täter-suche (links).

Erfolgreicher Erfinder: Calvin Knaggs, marketingmanager bei

Linde in Kanada, hat die inno-vative Technik zur Sicherung von

fingerabdrücken entwickelt.

meHr effizienz Beim Spuren-SuCHen: Kein BepinSeLn unD AufSprüHen.

13KrImINaLIsTIK // LINDE TECHNOLOGY #1.12

WELCHE BEDEUTUNG HABEN FINGERABDRüCKE FüR KRIMINALFäLLE IN ZEITEN VON DNA-TESTS?

Beides ist wichtig. Sämtliche Informationen – auch Werk-zeugspuren, Fasern oder Mikrostäube – und natürlich die Aussagen von Personen müssen von den Ermittlern, der Staatsanwaltschaft und den Gerichten interpretiert werden. Denn eine DNA-Spur bedeutet nicht zwingend, dass die identifizierte Person der Täter ist oder überhaupt am Tatort war: DNA-Material kann leicht verschleppt werden – Finger-abdrücke nicht. Ein weiterer Pluspunkt für die Daktylosko-pie, also den Methoden zur Sicherung und Auswertung von Fingerabdrücken: Selbst eineiige Zwillinge sind individuell unterscheidbar, obwohl ihre DNA-Profile identisch sind.

WIE LANGE DAUERT DAS SICHERN VON FINGERABDRüCKEN?

Das hängt vom Spurensicherungsmittel, dem Spurenträger und Folgeuntersuchungen ab. Arbeitet man etwa mit Rußpul-ver und Folienabzug auf nicht saugenden Oberflächen wie Glas oder Metall, ohne auf andere Spuren achten zu müs-sen, lässt sich ein Abdruck in Minuten sichern. Saugende Oberflächen wie beispielsweise Papier können mehr Zeit brauchen. Vor allem, wenn noch mögliche DNA-Anhaftun-gen oder weitere Spuren berücksichtigt werden müssen.

UND WAS SIND DIE GRöSSTEN HERAUSFORDERUNGEN?

Die Abdrücke überhaupt sichtbar zu machen. In den meisten Fällen weiß man nicht, ob daktyloskopische Spuren auf Beweismitteln vorhanden sind. Zudem dürfen die Spurensi-cherer keine Spur beschädigen. Sehr schwierige Materialien sind Styropor, bestimmte Metalle und Fingerspuren, die in Verbindung mit Blut auftreten. Aber auch feuchte Ober-flächen und Geldscheine sind eine Herausforderung. Die Methoden werden deshalb permanent verfeinert und die Analytik verbessert. In Versuchen gelang es beispielsweise sogar, daktyloskopische Spuren auf Haut zu sichern.

„SeLBST zwiLLinGe HABen in-DiviDueLLe finGerABDrüCKe“

KURZINTERVIEWFlugtickets, Quittungen oder Faxe verwendet. Es besitzt eine wärme-empfindliche Beschichtung, die sich durch Hitze schwarz färbt. Für Kriminalisten eine Herausforderung, denn das Papier verfärbt sich auch beim Kontakt mit Lösungsmitteln. Beweisspuren gehen so ver-loren. Der Vorteil des Linde-Verfahrens: Fingerabdrücke lassen sich bei Raumtemperatur entwickeln und die temperaturempfindliche Schicht wird nicht angegriffen. Auch DNA-Spuren oder Drogenrück-stände bleiben unversehrt.

analysen archivieren und weltweit austauschenBasierend auf den Prüfergebnissen der USACIL-Experten optimierten die Linde-Ingenieure ihre Technologie: „Wir konnten so das Verfah-ren hinsichtlich Ergonomie, Abmessungen und Prozessgeschwindig-keit verbessern“, sagt Knaggs. Auf der Tagung der American Aca-demy of Forensic Sciences (AAFS) Anfang 2012 wurde das System erstmals der Fachöffentlichkeit vorgestellt. „Es gab sehr gute Reso-nanz von den Fachleuten, die in unserer Entwicklung eine innova-tive Technologie sehen“, so der Linde-Experte. FBI, US-Armee und die deutsche Bundespolizei zeigten bereits reges Interesse. Das im ADROIT™-System integrierte Computersystem erleichtert den Ermittlern zusätzlich die Arbeit. Die Kriminalisten können bei-spielsweise feste Prozessabläufe programmieren: Wiederkehrende Untersuchungen lassen sich routinierter durchführen – das garantiert Reproduzierbarkeit und gleichbleibende Qualität. Ein weiterer Praxis-nutzen: Das System besitzt eine Netzwerkschnittstelle, die eine Fern-überwachung per Internet und das Abspeichern einzelner Analysen ermöglicht. Ermittlungsteams, die weltweit und mit mehreren Syste-men arbeiten, können ihre Prozessabläufe so besser übertragen und aktualisieren. Die Entwicklung von Linde erweitert den Werkzeug-kasten der Kriminalisten um ein vielversprechendes Instrument. Für Verbrecher wird es künftig schwieriger, ihre Spuren zu verwischen.

LINK: www.interpol.int/inTerpoL-expertise/forensics/fingerprints

VErräTErIsCHE HauTrILLEN

Fingerabdrücke unter-scheiden sich in der Beschaffenheit und Anordnung der Grate. Diese Merkmale heißen Minutien. 150 verschie-dene sind insgesamt bekannt. Die individu-elle Rillenbildung der Haut geschieht bereits im Mutterleib.

Linde Technology sprach mit Alexandra Herrmann-Tamm, Kriminalhauptkommissarin beim Bundeskriminalamt in wiesbaden über die Spuren-sicherung am Tatort.

Linienende

Kreuzung

Kern

Gabelung

DeltaInsel

Pore

14LINDE TECHNOLOGY #1.12 // TITELTHEma

GROSSBRITANNIEN CCS-TECHNOLOGIE Kohlekraftwerke müssen klima-freundlicher werden. Mithilfe des Oxyfuel-Verfahrens lässt sich CO2 leichter aus dem Abgas abtrennen und so besser speichern. Seite 16

USA Schiefergas LKW fahren vermehrt mit Erdgas. Bei der För-derung und Aufarbeitung von unkonven- tionellem Erdgas sorgen Gasetechnologien von Linde für mehr Effizienz. Seite 20

ENErGIEN AuS dEr ErdEAuf Kohle und Erdgas kann unsere Industrie- gesellschaft in absehbarer Zeit nicht verzichten. Moderne Anlagen- und Gasetech-nologien von Linde helfen welt-weit dabei, die Nutzung fossiler Rohstoffe effizienter und klima-freundlicher zu machen.

NEuE WEGE für mEHr EffIzIENz uND KLImasCHuTz

15TITELTHEma // LINDE TECHNOLOGY #1.12

SÜDKOREA

Kohlevergasung Aus Kohle lässt sich

synthetisches Erdgas gewinnen. diese umwandlung macht

die Nutzung des rohstoffs um-weltfreundlicher. Seite 26

KATAR Gas-to-Liquids Aus Erdgas lassen sich

flüssige Treibstoffe herstellen. das erfordert große Mengen

Sauerstoff, den acht Luftzerleger von Linde liefern. Seite 30

DEUTSCHLAND rauchgaswäsche Für die Speicherung im Boden muss CO₂ besonders rein sein. das gelingt mit dem LICONOX®-Verfahren. Seite 24

16LINDE TECHNOLOGY #1.12 // KrafTwErKsTECHNIK

Kraftwerke im Wandel: Mithilfe der CCS-Technologie lassen sich die CO₂-Emissionen eindämmen. Das Oxyfuel-Verfahren und reiner Sauerstoff von Linde helfen dabei, die Energie aus Kohle klimafreundlich zu machen.

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17TITELTHEma: ENErGIEN aus DEr ErDE KrafTwErKsTECHNIK // LINDE TECHNOLOGY #1.12

irdischen Lagerstätten gespeichert. Damit ließen sich bis zum Jahr 2050 etwa 20 Prozent der weltweit nötigen CO₂-Einsparungen errei-chen, um die Klimaerwärmung auf zwei Grad Celsius zu begrenzen.

Auch Linde engagiert sich deshalb intensiv für die weitere Erpro-bung der CCS-Technologie. Zusammen mit den Kraftwerksspezialisten der französischen Firma Alstom und dem britischen Kraftwerksbe-treiber Drax planen die CO₂-Manager von Linde derzeit den Bau einer innovativen Oxyfuel-Anlage in der Grafschaft North Yorkshire in Eng-land. Mit 304 Megawatt Nettoleistung wird es das leistungsstärkste Oxyfuel-Kohlekraftwerk weltweit sein und klimafreundlichen Strom

für mehr als 900.000 Haushalte erzeugen. „Ver- glichen mit einem konventionellen Kraftwerk wer-den wir jährlich zwei Millionen Tonnen CO₂ ein-sparen können, indem wir es in salinen Aquiferen unter der Nordsee speichern“, sagt Beer. Die Anlagenspezialisten von Linde bauen die Luftzer-leger für das geplante Kraftwerk: Diese produzie-ren täglich rund 6.300 Tonnen Sauerstoff. Denn bei der Oxyfuel-Technik wird die Kohle mit reinem

Sauerstoff statt Luft verbrannt. Der Vorteil: Das Rauchgas besteht dann vor allem aus CO₂ und Wasserdampf – und das Kohlendioxid lässt sich durch Abkühlen einfach abtrennen.

Das Kraftwerk in North Yorkshire wird ein wichtiges Demonstra-tionsprojekt für die CCS-Technologie werden – und auch für das Oxy-fuel-Verfahren: Denn bislang gibt es lediglich kleinere Pilotprojekte, wie die von Vattenfall betriebene Oxyfuel-Anlage im Industriepark

Technologien zur klimafreundlichen Kohlenutzung sind gefragter denn je. Denn die Rechnung ist einfach: Der weltweite Energiekon-sum steigt rasant. Nach Prognosen der Internationalen Energieagen-tur (IEA) verdoppelt sich der globale Bedarf bis 2050. Doch erneuer-bare Energien können die steigende Nachfrage längst nicht decken. Daher werden wir wahrscheinlich noch für Jahrzehnte auf fossile Brennstoffe – vor allem Kohle – zur Stromerzeugung angewiesen sein. Um den Klimawandel hierdurch nicht weiter zu forcieren, müssen die CO₂-Emissionen der Kraftwerke dringend eingedämmt werden. Denn in den westlichen Industriestaaten bildet Kohle heute noch das Rück-grat der Stromproduktion: In den USA stammten 2011 noch etwa 42 Prozent des Stroms aus Kohle-kraftwerken, so die U. S. Energy Information Admi-nistration. Selbst in Deutschland, dem Vorreiter bei erneuerbaren Energien, ist der Anteil ähnlich hoch. Auch in Asien setzt man auf Kohle: „Der ein-fachste Weg für Nationen wie China und Indien, schnell und preiswert Strom zu produzieren, ist der Bau neuer Kohlekraftwerke. Der Brennstoff ist günstig, meist vor Ort vorhanden und die Länder verfügen über das Know-how solche Kraftwerke zu bauen“, sagt Philip Beer, Direktor Clean Energy Europa bei Linde.

Eine Strategie, um die CO₂-Emissionen trotz wachsendem Ener-giehunger zu drosseln, ist die CCS-Technologie (CCS = Carbon Capture and Storage): Kohlendioxid, das bei der Kohleverbrennung entsteht, wird im Kraftwerk abgetrennt, gereinigt und anschließend in unter-

Klimaschutz und KohleKraft

ccs-technologie für kommerzielle anwendung

Die Welt braucht klimafreundliche Kohlekraft. Eine Lösung: Das CO₂ aus Kraftwerksabgasen abtrennen und im Erdboden speichern. Das Oxyfuel-Verfahren ist dabei ein wichtiger Baustein. Jetzt planen Linde-Ingenieure zusammen mit weiteren Industriepartnern das weltweit leistungsstärkste Oxyfuel-Kraftwerk in Großbritannien – für die ersten Tests im kommerziellen Maßstab.

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das geplante oxyfuel-Kraftwerk soll jährlich

zwei millionen ton-nen CO₂ einsparen.

18TITELTHEma: ENErGIEN aus DEr ErDELINDE TECHNOLOGY #1.12 // KrafTwErKsTECHNIK

Schwarze Pumpe in Brandenburg mit 30 Megawatt thermischer Leistung. Auch dort hat Linde zahlreiche Komponenten geliefert und das Kon-zept für den Gesamtprozess entwickelt. „Für die Zukunft ist es wichtig, die Technologie schrittweise in den großtechnischen Maßstab zu übertragen, um sie insgesamt weiter zu verbessern“, erklärt CCS- Experte Beer. Und das Kraftwerk in North Yorkshire ist der nächste Ent-

wicklungsschritt: „Die erste CCS-Demonstrationsanlage im kommer-ziellen Maßstab“, sagt Beer. Ist das Projekt erfolgreich, soll die Imple-mentierung in einem Großkraftwerk der Gigawatt-Klasse folgen.

„Um aus den unterschiedlichen CCS-Technologien die beste aus-wählen zu können, müssen sämtliche Verfahren in der Praxis im mitt-leren Maßstab von bis zu 300 Megawatt getestet werden“, erklärt Dr. Bernd Holling, Direktor Geschäftsentwicklung Clean Energy und CCS bei Linde. Denn nur durch den Praxistest lassen sich Oxyfuel-Verfahren, Pre-Combustion- oder Post-Combustion-Verfahren wirklich vergleichen. Die Technologien verfolgen zwar allesamt das gleiche Ziel: den CO₂- Ausstoß zu senken. Aber sie haben jeweils völlig unterschiedliche An- sätze. Beim Pre-Combustion-Verfahren wird die Kohle vor der Ver-brennung zuerst vergast und mit einer CO₂-Abtrennung kombiniert. Das geschieht im so genannten IGCC-Prozess (Integrated Gasification Combined Cycle). Verbrannt wird anschließend reiner Wasserstoff. Die Post-Combustion-Technik hingegen entfernt das Kohlendioxid erst nach dem Verbrennen. Verschiedene Prozesse befreien das Rauchgas schrittweise von Verunreinigungen, bevor das CO₂ eingefangen wird. Verglichen mit einem Oxyfuel-Kraftwerk ist diese Reinigung auf- wendiger, weil die Verbrennungsabgase mehr Schadstoffe enthalten.

Für die Erprobung der CCS-Technik ist der Standort in North York-shire gut geeignet. Denn das abgetrennte Kohlendioxid kann ein-fach per Pipeline zur Küste und auf die offene See weitergeleitet werden, wo es dann im Nordseeboden gespeichert wird. „Verglichen mit anderen Ländern sind die geografischen Bedingungen in Groß-britannien optimal. Es müssen in der Regel nur kurze Strecken bis zur Küste überbrückt werden“, erklärt Beer. Ein weiterer Vorteil: Die poli-tischen Rahmenbedingungen auf der Insel sind eindeutig, denn alle neu gebauten Kohlekraftwerke müssen künftig mit CCS-Technik aus-gestattet werden.

Kraftwerksfutter: die mit Kohle versorgte anlage des britischen Betreibers Drax (oben) zählt zu den effizientesten weltweit. In der Grafschaftnorth Yorkshire, england, wird jetzt der Bau einer innovativen oxyfuel-Anlage inklusive CO₂-Abtrennung (rechts) geplant – und damit einesder wichtigsten CCS-Demonstrationsprojekte.

• Asien/Pazifik

• Nordamerika

• Süd- & Zentral- amerika

• Europa & Eurasien

• Mittlerer Osten

• Afrika

Anteile der Regionen am weltweitenKohleverbrauch

wO am mEIsTEN KOHLE KONsumIErT wIrD

Quelle: BP review of World energy 2011

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TITELTHEma: ENErGIEN aus DEr ErDE KrafTwErKsTECHNIK // LINDE TECHNOLOGY #1.12

mehr Demonstrationsprojekte für die IndustrieIn einigen anderen Ländern, die auch keinen direkten Zugang zur See haben, ist die CO₂-Speicherung teilweise ein strittiges Thema: Gegen die unterirdische Speicherung am Festland gibt es Widerstände. Wichtige CCS-Demonstrationsprojekte können deshalb nicht realisiert werden. Gründe für die Ablehnung sind Befürchtun-gen, dass unterirdische Speicher das Kohlendioxid nicht sicher fixieren oder durch die CO₂-Verpressung in salinen Aquiferen Salzwasser ins Grundwasser gelangen könnte. Forschungsergebnisse haben diese Bedenken allerdings nicht bestätigt: Das Geoforschungszent-rum Potsdam erprobt die Technik bereits seit Juni 2008 im Rahmen des Projekts CO₂MAN (früher CO₂SINK). Am Standort Ketzin werden dafür pro Stunde 1,5 Tonnen Kohlendioxid durch armdicke Rohre in tiefer liegende Gesteinsschichten geleitet. Linde liefert hierfür das nötige Kohlendioxid sowie Technologie zur Zwischenspeicherung und Verpressung des Gases. Am Standort gewährleisten undurchläs-sige Schichten aus Gips und Ton, dass der CO₂-Speicher wie in einer Käseglocke abgekapselt bleibt. Kritiker bemängeln, dass die gespei-cherten Mengen in Ketzin zu gering sind, um auf die Anwendung im großen Maßstab schließen zu können. Deshalb müssen künftig auch Projekte im industriellen Maßstab folgen, um die Speicherung weiter zu erproben – ähnlich dem Projekt in Großbritannien.

Es gibt allerdings weitere Hürden für die Einführung der klima- freundlichen Kraftwerkstechnik: „Die CO₂-Abtrennung und -Speiche-rung erfordert große Investitionen in die Technik und sie senkt auch die Effizienz eines Kraftwerkes“, erklärt Beer. Unabhängig vom ein-gesetzten CCS-Verfahren verbrauchen die zusätzlich dafür benötig-ten Anlagen Energie, um das CO₂ einzufangen. Ein Kohlekraftwerk verliert deshalb nach heutigem Stand der Technik etwa zehn Pro-zent an Wirkungsgrad. Viele Kraftwerksbetreiber stehen der CCS-Technik aus diesem Grund zögerlich gegenüber. Programme wie die NER-300-Förderung durch die Europäische Union sind darum sehr wichtig für die Weiterentwicklung der CCS-Verfahren. Auch Linde hat sich gemeinsam mit den Partnern Alstom und Drax mit dem Oxyfuel-Kraftwerk-Projekt in England für die Förderung beworben. Das Projekt wird derzeit von der EU geprüft. Bekommen die Industriepartner den Zuschlag, verpflichten sie sich auch für ein langfristiges Engagement in Sachen umweltfreundliche Stromproduktion: Denn mit Inanspruch-nahme der Förderung müssen die Betreiber die CO₂-Abtrennung und -Speicherung für mindestens zehn Jahre fortführen. Läuft alles nach Plan, könnte das Kraftwerk ab 2017 ans Netz gehen.

Der Aufwand zur Entwicklung der CCS-Technologie ist hoch, aber er lohnt sich: „Kohlekraftwerke und Industrieverbraucher stoßen signifikante CO₂-Mengen an einem Ort aus. Damit sind sie viel wir-kungsvoller mit klimafreundlicher Technik auszustatten als andere Emittenten“, erklärt Beer. Der Aufwand, um bei Privathaushalten oder im Straßenverkehr die Emissionen vergleichbar zu reduzieren, wäre viel höher. Mit CCS bedeutet ein steigender Energiebedarf nicht automatisch mehr CO₂-Emissionen – und das ist gut fürs Klima.

WARUM SETZEN SIE AUF DIE CCS-TECHNOLOGIE?

Nimmt man den Zusammenhang zwischen Klimaerwärmung und Treibhausgasemissionen ernst, muss der CO₂-Ausstoß begrenzt werden. CCS-Technologien kosten zwar Energie, aber der Nutzen überwiegt das Risiko des Nicht-Handelns. Die Industrienationen haben bei der Umsetzung eine wich-tige Vorbildfunktion. Ohne ihre Anstrengungen wird sie sich nicht durchsetzen – das wäre für die Klimafolgen fatal.

WELCHES VERFAHREN IST DAS BESTE?

Das lässt sich leider noch nicht abschließend beurteilen: Oxyfuel-Kraftwerke haben durch die höhere Temperatur einen etwas höheren Wirkungsgrad bei der Verbrennung – das ist ein Vorteil. Das Post-Combustion-Verfahren hingegen kann bisher als einzige Technologie auch bei bestehenden Kraftwerken nachgerüstet werden. Generell gilt, dass alle drei Technologien – Oxyfuel, Post- oder Pre-Combustion – die Kraftwerkseffizienz senken. Für die abschließende Beur-teilung sind Demonstrationsanlagen wie in Großbritannien immens wichtig. Denn nur in der Praxis lassen sich die Tech-nologien wirklich vergleichen.

WELCHE WEITEREN CCS-PROJEKTE GIBT ES BEI LINDE?

Neben dem geplanten Oxyfuel-Kraftwerk in Großbritan-nien engagieren wir uns beispielsweise bei einer Pilotan-lage des italienischen Energiekonzern ENEL SpA, um abge-trenntes CO₂ aufzureinigen, zu verflüssigen und zu lagern. Die Anlage entsteht bei Brindisi in Apulien. Unterstützt vom U. S. Department of Energy bauen wir zudem eine CCS-Pilot-anlage in Wilsonville, Alabama. Ab 2014 sollen dort innova-tive Verfahren für die CO₂-Wäsche bei der Post-Combustion- Technik getestet werden. Die Anlage soll mindestens 90 Pro-zent des CO₂ entfernen, die Energiekosten sollen aber ledig-lich um 30 Prozent steigen.

„die co₂-emissionen müssen reduziert Werden“

KURZINTERVIEW

Linde Technology sprach mit Dr. Bernd holling, experte für carbon capture and storage (ccs) bei linde, über die Vorteile, Projekte und die Zukunft der CCS-Technologie.

LINK: www.draxgroup.plc.uk

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20TiTelThema: energien aus der erdelinde TeChnOlOgY #1.12 // sChiefergas

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Schiefergas: Basis für die LNG-Mobilität

Mobilität erfordert Energie. Noch basieren Kraftstoffe auf Erdöl, aber der schwindende Rohstoff lässt sich ersetzen – zum Beispiel durch Erdgas. In Nordamerika werden LKW verstärkt mit Flüssig-erdgas angetrieben. Das Land besitzt riesige Schiefergas-Vorkommen. Linde-Technologien helfen bei der Förderung und Aufarbeitung. Auch bei der eigenen Truck-Flotte setzt man auf LNG.

Sie sind die wahren Könige der Straße: amerikanische Trucks. Ihre Welt sind die endlosen Asphaltbänder der Interstates – den Superauto- bahnen der USA. Im Bauch riesiger Sattelschlepper wird Holz von der Ost- an die Westküste transportiert, und auf der Rückfahrt reisen Früchte und Gemüse mit. Fast 5.000 Kilometer zieht sich allein die Interstate 80 – von New York bis nach San Francisco. Dabei schlucken die Verbrennungsmotoren der Trucks Unmengen Diesel. Doch es gibt Alternativen: erdgasbetriebene Fahrzeuge – so genannte Natural Gas Vehicles, kurz NGV. Die Rohstoffsituation ist bei Erdgas im Vergleich zu Erdöl weniger angespannt, mittlerweile ist es auch kostengünstiger. Und die NGVs bieten einen weite-ren Vorteil: „Erdgas verbrennt sauberer als Diesel. Das reduziert die CO₂-Emissionen um 20 Prozent, Schwefel um 100 Prozent sowie NOX (Stickoxide) um bis zu 70 Prozent – und auch die Partikelemis-sionen sind geringer“, sagt Earl Lawson, Vizepräsi-dent für Energielösungen bei Linde Nordamerika.

Auch Linde setzt beim Antrieb der eigenen LKW-Flotte verstärkt auf verflüssigtes Erdgas, kurz LNG für Liquefied Natural Gas: In Süd-Kalifornien testete das Unternehmen während eines Pilotprojekts bereits die Effizienz dreier LNG-Trucks, die flüssiges CO₂ im Ballungsgebiet von Los Angeles liefern. Das Ergebnis: Die Treib-stoffkosten ließen sich mit den erdgasbetriebenen Trucks um 30 Pro- zent reduzieren. Ein wichtiger Faktor, denn die Linde-LNG-Trucks legen pro Jahr etwa 50.000 Meilen zurück, das entspricht etwa 80.000 Kilo- metern. Mittlerweile hat Linde 20 weitere LNG-betriebene LKW beschafft und setzt damit verstärkt auf den alternativen Kraftstoff. Die neuen Fahrzeuge werden nach und nach in die Linde-Flotte mit über

700 Trucks integriert. Sie sollen ab dem dritten Quartal 2012 über die amerikanischen Straßen rollen, um nordamerikanische Kunden mit Flüssiggasen zu beliefern. „Ein weiterer Vorteil ist, dass die LNG- Trucks mehr als 500 Kilogramm leichter sind als dieselbetriebene Fahr- zeuge. Deshalb können wir das Ladegewicht erhöhen“, erklärt Ed Windsor, zuständig für das Flottenmanagement bei Linde Nordamerika. Auch für den Fahrer wird es komfortabler, denn die Maschinen laufen deutlich leiser als die Variante mit Dieselantrieb. Bei einem Zehn-Stunden-Tag am Steuer bedeutet das eine enorme Erleichterung.

Äußerlich erkennt ein Laie kaum den Unterschied zwischen Diesel- und LNG-Truck. „Einzig die Kraft-stofftanks sehen unterschiedlich aus“, erklärt der Linde-Manager. „Diesel-Trucks besitzen einen Sat-teltank aus Aluminium, die erdgasbetriebenen Fahr-zeuge sind mit einem Kryotank aus hochwertigem Edelstahl ausgerüstet“, so Windsor. Mit der neuen Truck-Flotte wird das Unternehmen selbst zum LNG-Kunden. „Das bekräftigt einmal mehr unsere Über-

zeugung, dass LNG ein vorteilhafter Treibstoff ist, und wir damit einen weiteren wichtigen Schritt in Sachen Nachhaltigkeit gehen“, sagt Lawson. Diese Ansicht teilt mittlerweile auch die Politik: US-Präsident Barack Obama sprach sich Ende Januar 2012 in seiner Ansprache zur Lage der Nation für den Einsatz von Erdgas im LKW-Verkehr aus und machte deutlich, dass er stärker auf Erdgas aus den USA setzt. Hinter-grund ist, dass in den Vereinigten Staaten und Kanada in den letzten Jahren große Gasvorkommen in Schiefergestein entdeckt wurden. Das Schiefergas hat eine regelrechte Goldgräberstimmung in der Energie- branche ausgelöst. Mit den neuen Lagerstätten sind die USA zum größten

uSA Schiefergas deckt inzwischen 23 Pro-zent des amerikanischen energie-marktes ab. Bis 2035 sollen es nach Schätzungen der ieA 49 Prozent sein.

21sChiefergas // linde TeChnOlOgY #1.12

Rohstoffrausch: Durch die Schiefer- gas-Vorkommen sind die Vereinigten Staaten zum weltgrößten Erdgas- produzenten aufgestiegen.

22TiTelThema: energien aus der erdelinde TeChnOlOgY #1.12 // sChiefergas

Erdgasproduzenten der Welt aufgestiegen – und haben sogar Russ-land überholt. Das Schiefergas deckt inzwischen etwa 23 Prozent des amerikanischen Erdgasmarktes. Nach Schätzungen der Internationalen Energiebehörde (IEA) sollen es bis 2035 sogar 49 Prozent werden.

erdgasschätze effizienter hebenAber der Gasschatz – kilometertief unter der Erdoberfläche – muss erst aus dem Gestein befreit werden. Um diese so genannten unkonven-tionellen Vorkommen zu erschließen, nutzen Bergbaufirmen eine aus-geklügelte Technologie, das Hydraulic Fracturing. Dabei schraubt sich ein Bohrer erst vertikal tausende Meter tief und dann horizontal in mehrere Richtungen. Anschließend werden Wasser, Sand und Chemi- kalien unter hohem Druck in das Bohrloch gepresst. Dadurch entstehen künstliche Risse im Gestein, die das Erdgas befreien, sodass es ge-fördert werden kann. „Mittlerweile sind die Bohrkosten dramatisch gesunken, und die Schiefergasgewinnung hat in den USA stark zuge- nommen“, erklärt Steve Bertone, Geschäftsführer von Linde Process Plants, USA. „Beispielsweise ist die Anzahl der Bohrpunkte im Marcellus Shale im Bundesstaat Pennsylvania von fast Null im Jahr 2007 auf rund 1.400 im Jahr 2010 angestiegen“, so Bertone.

Auch Linde ist entlang der Wertschöp-fungskette von der Förderung bis zur Reini-gung des Schiefergases beteiligt: Vor allem den hohen Wasserverbrauch wollten die Erd-gasspezialisten reduzieren. „Die große Wassermenge ist nötig, um ausreichend Risse zu erzeugen. Denn je größer die dadurch entste-hende Oberfläche ist, desto mehr Schiefergas kann gefördert wer-den – und desto wirtschaftlicher ist der Prozess“, erklärt Robin Weir, Managerin für Öl- und Gas-Technologie im Team Energielösungen bei Linde Nordamerika. Dazu bietet Linde eine innovative Technologie an: Die Experten versetzen die in den Boden gepumpte Flüssigkeit mit den natürlichen Gasen Stickstoff oder Kohlendioxid. „Der Stick-stoff wird flüssig geliefert, dann vor Ort verdampft und entweder als reines Gas oder gemischt mit wässrigen Lösungen als Emulsion oder Schaum in den Boden gebracht“, sagt Weir. Verflüssigtes CO₂ kann direkt injiziert werden oder ebenfalls in Kombination mit wässrigen Lösungen. Beide Gase reduzieren den Wasserverbrauch und erhö-

hen die Fördermengen. „Wie viel Erdgas letztlich gewonnen werden kann, bestimmen Druck und Viskosität der eingebrachten Flüssigkeit“, sagt Linde-Expertin Weir. Und diese Eigenschaften lassen sich über den CO₂- bzw. N₂-Anteil sehr gut steuern. Ein weiterer Vorteil des Gas-/Wasser-Mixes: Es entsteht weniger Abwasser. Zwar verbleibt ein Teil der Flüssigkeit im Gestein, aber große Mengen werden nach oben gespült und müssen in Spezialbecken gelagert und entsorgt werden. Linde versorgt die Betreiber aber nicht nur mit den Gasen. Das Servicepaket beinhaltet sowohl die professionelle Lagerung der Gase vor Ort als auch Pumpen und Systeme zur Druckerhöhung, bevor die Gase der Mischeinrichtung zugeführt werden. Eine Studie über Schiefergaslagerstätten belegt die Vorteile des Verfahrens: In der Nähe von Montney in der Provinz British Columbia im Westen Kanadas lagern nach Schätzungen von Experten Erdgasvorräte von über 1.400 Billionen Kubikmetern. Die Förderanlagen in diesem Gebiet, die N₂ und CO₂ einsetzten, konnten deutlich mehr Gas produ-zieren und verbrauchten weniger Zusatzstoffe. „Allein die Wasser-

ersparnis rechtfertigt den Einsatz“, so der Inge-nieur Lyle H. Burke von der Beraterfirma RPS Energy in Calgary, Kanada – und Koautor der Studie. Zwar seien die Kosten der Technologie nicht unerheblich, doch das kompensiere die gesteigerte Fördermenge bei weitem.

Das freigesetzte Gas muss nach der För-derung oberirdisch weiterbehandelt werden,

damit Industrie- und Privatverbraucher den Rohstoff nutzen können. „Das extrahierte Schiefergas enthält verschiedene Komponenten wie Kohlendioxid, Methan, Ethan, Propan und Butan, aber auch schwerere Kohlenwasserstoffverbindungen“, erklärt Bertone. „Das Rohgas wird mithilfe etablierter Linde-Verfahren weiterbehandelt – unter anderem komprimiert und kryogen gekühlt – um es in seine Bestandteile auf-zutrennen.“ Produkte, beispielsweise Methan, werden dann zu Privat- und Industriekunden geliefert, während die schweren Komponenten (Ethan, Propan, Butan) von der chemischen und petrochemischen Industrie weiterverarbeitet werden. Ein begehrtes Nebenprodukt der Schiefergasvorkommen sind so genannte NGL (Natural Gas Liquids): Diese bestehen aus Ethan und schweren Kohlenwasserstoffen und bilden einen idealen Rohstoff für die Steamcracker der Petrochemie

WeNiGer WASSer, MeHr erTrAG: GAS-WASSer-Mix oPTi-MierT förderuNG.

23TiTelThema: energien aus der erde sChiefergas // linde TeChnOlOgY #1.12

zur Olefin-Produktion. Zudem besitzt das Flüssiggas einen deutlich höheren Verkaufswert. Zur Rückgewinnung des wertvollen Roh-stoffs bietet die Linde Engineering Division ein bewährtes Verfah-ren an: CRYOPLUS™, das mit einer Effizienz von bis zu 98 Prozent arbeitet. Und die boomende Schiefergasexploration treibt den Markt

an: In weniger als einem Jahr bekam Linde Process Plants den Auf-trag für drei Flüssiggas-Rückgewinnungsanlagen im Williston-Becken sowie für eine Anlage im Anadarko-Becken. „Durch die Schiefergas-vorkommen sind die USA unabhängiger von ausländischem Erdöl geworden“, erklärt Lawson. „Die LNG-Produktion schafft auch neue Jobs vor Ort – das kurbelt die Wirtschaft in der Region an.“ Erdgas ist von allen fossilen Brennstoffen die sauberste Option und kann somit auf dem Weg in eine CO₂-arme Energiezukunft von großer Bedeu-tung sein. Damit die Trucks künftig durchs ganze Land rollen kön-nen, ist aber eine Infrastruktur für LNG-Produktionsanlagen und LNG-Tankstellen nötig. Lawson: „Mittlerweile gibt es offensive Pläne, dieses Versorgungsnetz zu verbessern.“ Denn LNG dient nicht nur als Kraftstoff für LKW, sondern kann Diesel in vielen Anwendungen ersetzen: in der Schifffahrt, auf der Schiene oder bei der Energie- erzeugung. Die Rohstoffquelle ist vorhanden – jetzt muss sie effizient genutzt und verteilt werden.

LINK: www.eia.gov

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die kumulierte förderung bezeichnet die erdgasmenge seit förderbeginn. ressourcen sind nachgewiesene, aber technisch und/oder wirtschaftlich noch nicht gewinnbare sowie geologisch mögliche erdgasmengen. unter reserven versteht man nachgewiesene, zu heutigen Preisen und heutiger Technik wirtschaftlich gewinnbare erdgasmengen.

in Billionen Kubikmeter

* Quelle: derA rohstoffinformationen 2011

Kumulierte Förderung: (Welt gesamt: 95 Bill. m³) Ressourcen konventionell (Welt gesamt: 313 Bill. m³) Ressourcen unkonventionell (Welt gesamt: 217 Bill. m³) Reserven (Welt gesamt:192 Bill. m³)

GeSAMTPoTeNZiAL erdGAS*

Erdgas für die Straße: um das Schiefergas zu fördern (links), müssen künstliche risse in tiefen Gesteinsschich-ten erzeugt werden. im Tank von schweren Trucks dient das aufbereitete erdgas als umweltfreundlicher Treib-stoff (Mitte und rechts).

24TiTelThema: energien aus der erdelinde TeChnOlOgY #1.12 // OxYfuel-Verfahren

Strategie für reineS rauchgaS

Kraftwerksabgase effizient abtrennen

Um Energie aus Kohle weitgehend klimaneutral zu erzeugen, bleibt nur ein Ausweg: Kraftwerke benötigen ein Verfahren, das Kohlen-dioxid in möglichst reiner Form aus dem Abgasstrom abtrennt. Erst dann lässt es sich in geeigneten Bodenstrukturen speichern oder für industrielle Prozesse nutzen. Mittlerweile gibt es bereits markt-reife CCS-Kraftwerkskonzepte (CCS = Carbon Capture and Storage) – und dabei ist die Gewinnung von reinem CO₂ der Schlüsselschritt. Das etablierte Oxyfuel-Verfahren bietet dafür eine vielversprechende Lösung: Denn hierbei wird die Kohle nicht mit Luft verbrannt, wie beim klassischen Kohlekraftwerk, sondern mit reinem Sauerstoff. Der Vorteil: Der Abgasstrom ist deutlich geringer, da der Stickstoffanteil aus der Luft entfällt. Bereits seit mehreren Jahren wird das Verfahren im Vattenfall-Kraftwerk Schwarze Pumpe in Brandenburg getestet.

drei abgassorten auf einen streichAber auch das Oxyfuel-Abgas muss nachbehandelt werden: Bei der Verbrennung entstehen geringe Schadstoffmengen – vor allem Schwefeldioxid und Stickoxide. Die Abgasreinigung ist fundamental, denn für die Verpressung von CO₂ in geologische Formationen gelten hohe Reinheitsstandards: So darf das Kohlendioxid eine Verunreini-gung von höchstens 100 ppm (parts per million) aufweisen: In einer Million CO₂-Moleküle dürfen also nur 100 Fremdmoleküle sein.

„Zwar werden Stickoxide und Schwefeldioxid schon seit rund 30 Jahren aus dem Abgas von Kohlekraftwerken gefiltert, weil sie in der Atmosphäre sauren Regen bilden. Das ungiftige aber klimaschäd-liche Kohlendioxid entweicht hingegen bislang“, erklärt Dr. Roland Ritter, Verfahrenstechniker bei der Linde Engineering Dresden GmbH. Die Abtrennung aller drei Abgasbestandteile – also Schwefeldioxid, Stickoxide und Kohlendioxid – ist neu. Dass eine Rauchgasreinigung

im Dreierpack möglich ist, haben inzwischen Forschergruppen welt-weit gezeigt. Und die Linde-Ingenieure sind bereits einen Schritt weiter: Seit 2008 läuft im Kraftwerk Schwarze Pumpe eine Oxyfuel-Pilotanlage des Kraftwerksbetreibers Vattenfall, die alle drei Kompo-nenten sauber abtrennt und als Nebenprodukte Gips, Pflanzendünger und reines Kohlendioxid produziert. LICONOX® heißt das neu entwi-

Kohlendioxid aus Kohlekraftwerken lässt sich im Boden speichern oder für chemische Prozesse verwenden. Dazu muss das Gas möglichst sauber sein. Linde hat ein effizientes Verfahren entwickelt, das Schwefel- und Stickstoff-verbindungen herausfiltert – und die Kohlekraft umweltfreundlicher macht.

Kesselasche

Brenn- stoff

Rauchgas- rückführung

Elektrische Arbeit

Sauerstoff

Flugasche Wasser

CO₂-Verpressung

Gips

Kondensator

denox-einheit

CO₂- Verdichter

Kessel

entstaubung entschwefelung

Kühler und Kon- densator

WaSchStationen für abgaSe

25TiTelThema: energien aus der erde OxYfuel-Verfahren // linde TeChnOlOgY #1.12

ckelte Verfahren. Es steht für „Linde Cold Denitrification“, wobei NOx das chemische Symbol für Stickoxide darstellt. „Unser Konzept hat eine Reihe von Vorteilen gegenüber herkömmlichen und alternativen Rauchgasreinigungs-Verfahren“, betont Ritter, der das Verfahren bei Linde mitentwickelt hat. Bei der klassischen Entstickung in her-kömmlichen Kohlekraftwerken werden die Stickoxide aus dem rund 350 Grad Celsius heißen Abgas abgetrennt, sobald es die Brennkam-mer verlässt und ein Teil der Wärme abgeführt wurde. Das Gas strömt in einem großen Turm durch eine Art Schüttgut. Dieses Material wirkt wie ein Autokatalysator. Zugleich wird über Düsen eine Ammoniak-lösung in den Turm geleitet. „Das Ammoniak reagiert dabei am Katalysator mit den Stick-oxiden zu harmlosem Stickstoff“, erklärt der Linde-Experte. Der Nachteil: Da die Abluft aus der Brennkammer sehr viel Staub enthält, set-zen sich die Katalysatoren immer wieder zu und müssen ausgetauscht werden – ein teurer Prozess.

Eine besondere Herausforderung ist die Entstickung (DeNOx) vor allem, wenn das Rauchgas geringe Temperaturen hat und nicht unter Druck steht. In diesem Fall lässt sich Stickstoffmonoxid (NO) nur mit-hilfe von Ozon entfernen, indem es zu Stickstoffdioxid (NO₂) oxidiert wird. Diese Verbindung lässt sich dann durch eine Wasserwäsche aus dem Rauchgas abtrennen. Der Nachteil: Ozon ist teuer. Ritter und seine Kollegen entwickelten eine effizientere Strategie, die ohne teure Katalysatoren und Ozon funktioniert. Dabei helfen ihnen die Bedingungen, die für die CCS-Technologie notwendig sind: Das CO₂ soll künftig bei einem Druck von rund 100 bar in den Untergrund gepresst werden. Bei hohem Druck laufen chemische Reaktionen oft viel besser ab – und das gilt auch für die Stickoxide. Schon bei 10 Bar

wandelt sich das NO in Gegenwart von Sauerstoff von selbst in NO₂ um – ganz ohne Ozon. „Für die CO₂-Verpressung muss man das Kraftwerksabgas ohnehin verdichten. Es bietet sich an, die Stick- oxide unter höherem Druck zu entfernen“, erklärt Ritter. Labortests bestätigten die Idee der Linde-Experten: Wie erwartet verwandelte sich NO bereits bei 10 bar in das reaktionsfreudigere NO₂. Gaben die Forscher dann die Ammoniaklösung hinzu, bildeten sich Ammo- niumnitrat und -nitrit. „Das ist nichts anderes als die Basis für flüs-sigen Blumendünger“, sagt Ritter. Aus Kraftwerksabgasen entsteht ein nutzbares Produkt. Die Forscher gingen noch weiter. Es gelang ihnen, gezielt Ammoniumnitrit herzustellen. Der Vorteil: Es wandelt sich durch Erwärmen in harmlosen Stickstoff um. Die Tests zeigten deutlich, dass sich das Prinzip der kalten DeNOX verwirklichen lässt. Nach den erfolgreichen Laborversuchen wurde dann eine große Test-anlage gebaut, die Oxyfuel-Pilotanlage mit integrierter Gaswäsche in Schwarze Pumpe, die seit Mitte 2010 reibungslos arbeitet.

Aber die Linde-Experten mussten noch eine zweite Baustelle in Angriff nehmen: Schwefeloxide, die auch aus dem Abgas entfernt werden müssen. Die neue Oxyfuel-Pilotanlage setzt dabei auf eine altbewährte Technik: In klassischen Kohlekraftwerken filtert man das schwefelhaltige Gas durch das Beregnen mit Kalkmilch heraus. Bei dieser Reaktion entsteht hochreiner Gips, der bereits seit vielen Jahren in der Bauindustrie eingesetzt wird. Eine entsprechende Rauchgas-entschwefelungsanlage arbeitet auch in Schwarze Pumpe. Anders als in herkömmlichen Kraftwerken, befindet sich die Entschwefelungsan-lage vor dem so genannten Entstickungsmodul, also der Abtrennung der Stickoxide. Damit ist das Rauchgas schon abgekühlt, wenn es in den Verdichter der DeNOx-Stufe fließt. „Daher kommt das Wort ‚cold’ in unserem LICONOX®-Verfahren“, erklärt Ritter. Zwar sind inzwischen alternative Reinigungsmodule auf dem Markt, die das Rauchgas gleichzeitig von Stick- und Schwefeloxiden befreien. Aber: „Die Gase werden dabei mit Wasser ausgewaschen, sodass Schwefel- und Sal-petersäure entsteht“, sagt Ritter. Das saure Abwasser greift Leitungen und Behälter an und muss zudem aufwendig entsorgt werden. Pflanzendünger und Ammoniumsalze, wie sie das Linde-Verfahren

erzeugt, sind dagegen nützliche Produkte. Die Ingenieure sind deshalb überzeugt von ihrer Lösung, die inzwischen Marktreife erlangt hat. Die Entstickung bei hohem Druck hat noch einen Vorteil: „Weil das Gas bei einem Druck von 20 Bar stark komprimiert

wird, kann die Anlage sehr viel kleiner ausgelegt werden – das ver-ringert die Baukosten“, erklärt der Linde-Experte.

„Auch die hohen Reinheitsstandards für die CO2-Verpressung erreichen wir mit der LICONOX®-Anlage spielend“, sagt Ritter. Zudem übertrifft die Technologie die vom Gesetzgeber vorgeschriebenen Abgaswerte – und bleibt rund 50 Prozent unter dem Grenzwert. Und damit ist man bei Linde sogar für künftige, noch strengere Abgas-werte gewappnet.

LINK: www.vattenfall.de/de/klimaschutz-ccs.htm

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Vorstufe für Verpressung: Die oxyfuel-Pilotanlage mit integrierter rauch-gaswäsche im Kraftwerk Schwarze Pumpe liefert hochreines CO₂.

DeutSchLanD Der CO₂-Abscheidegrad der oxyfuel-anlage von Vattenfall

beträgt mehr als 90 Prozent.

26TiTelThema: energien aus der erdelinde TeChnOlOgY #1.12 // sYnTheTisChes erdgas

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SynTheTiSCheS erDgAS AuS Kohle

Alternative energiequellen: Südkorea setzt auf Kohlevergasung

Die Industrie der asiatischen Schwellenländer wächst – und der Import von Energierohstoffen wie Erdgas wird immer teurer. Jetzt setzt Südkorea verstärkt auf günstigere Kohle, die sich dank Kohlevergasungstechnologie in synthetisches Erdgas (SNG) umwandeln lässt. Linde arbeitet zusammen mit dem dänischen Unternehmen Haldor Topsøe an einer ersten Anlage dieser Art. Sie soll ab 2013 unter anderem eines der größten Stahlwerke im Land mit SNG versorgen.

Stahl ist unverzichtbar für die Industriegesellschaft: Der Werkstoff bildet das tragende Skelett von Hochhäusern, aus Stahlblechen ent-stehen Autos, und jedes Jahr transportieren stählerne Ozeanriesen eine Milliarde Tonnen Fracht über die Meere. Doch die Stahlerzeu-gung benötigt enorme Mengen Energie. Südkorea zum Beispiel – eine der großen Schiffbaunationen – muss für die Befeuerung seiner Stahlschmelzen jedes Jahr hunderttausende Tonnen Erdgas importie-ren. Um die Kosten für Energierohstoffe zu senken, besinnt sich die Industrie Südkoreas auf einen fossilen Energieträ-ger, der deutlich günstiger aus China oder Austra-lien importiert werden kann: Kohle.

Lange blieb der schwarze Brennstoff für die alternative Erdgaserzeugung unbeachtet. Bisher existiert weltweit nur eine Anlage dieser Art. Doch Kohle lässt sich mittlerweile dank moderner Tech-nik auf umweltfreundlichem Wege in hochreines synthetisches Erdgas umwandeln – in so genanntes Synthetic Natural Gas (SNG). Die Anforderungen der Koreaner sind hoch: Das Gas aus Kohle soll „Pipeline-ready“ sein, sich also direkt ins Versorgungsnetz einspeisen lassen. Entsprechend darf es keine Verunreinigungen enthalten und muss einen ebenso hohen Brennwert einhalten wie natürliches Erdgas. Zusammen mit dem dänischen Unternehmen Hal-dor Topsøe haben Verfahrenstechniker von Linde diese Herausfor-derungen angenommen. Derzeit entsteht in der südkoreanischen Hafenstadt Gwangyang eine erste SNG-Anlage, die den schwarzen Rohstoff in leichtes Erdgas verwandelt. Gebaut wird die Anlage vom Stahlproduzenten POSCO. Sie soll ab Ende 2013 als alternative Erd-gasquelle dienen und hauptsächlich Stahlwerke mit 500.000 Tonnen

Erdgas pro Jahr versorgen. Der Kernprozess der Synthesegasaufberei-tung basiert auf Technologien von Linde und dem dänischen Unter-nehmen Haldor Topsøe. Für Claude Keller, Projektleiter bei der Linde Engineering Division, ist das Vorhaben einzigartig: „Die Anforde-rungen an die Reinheit des Gases sind besonders hoch.“ Und das Projekt verlangte aufgrund der hohen Komplexität eine sehr enge Kooperation mit den Dänen. „In dieser Technologiepartnerschaft haben wir von Anfang an gemeinsam geplant und so einen effizi-

enten und zuverlässigen Produktionsprozess ent-wickeln können“, sagt Keller.

Das Unternehmen Haldor Topsøe ist verant-wortlich für die Methanisierung anhand des so genannten TREMP™-Prozesses (Topsøe Recycle Methanation Process). In diesem Verfahren wird das zuvor aufbereitete Gas (Synthesegas), das aus der Kohle gewonnen wird, an einem Kata-

lysator in den Erdgasbrennstoff Methan umgewandelt. Linde liefert für die SNG-Anlage die Aufbereitung und Reinigung des schmutzigen Gasgemischs, das hauptsächlich aus den Prozesseinheiten Wasser-gas-Shift, RECTISOL® und Schwefelrückgewinnung besteht. Das Gas-gemisch entsteht im ersten Schritt – der Vergasung der Kohle – und enthält Wasserdampf, eine Mischung aus Wasserstoff, Kohlenmo-noxid, Kohlendioxid und allerlei Verunreinigungen wie Schwefel- und Kohlenstoffverbindungen. „Unser Job ist es, daraus sauberes Synthesegas zu gewinnen und dieses in dem richtigen Konzentra-tionsverhältnis in die Methanisierungsstufe einzuspeisen“, erklärt Keller. Eine schwierige Aufgabe: „Wir dürfen dabei im Verhält-nis nur minimal abweichen, um letztendlich den Brennwert des

SüD- KoreA 500.000 Tonnen erdgas jährlich soll die

Kohlevergasungsanlage künftig erzeugen.

Kohle inWartestellung:Südkorea ver-fügt nur über geringe Rohstoff-vorkommen und Bodenschätze. Die Energiewirt-schaft ist stark von Kohleimpor-ten abhängig.

28TiTelThema: energien aus der erdelinde TeChnOlOgY #1.12 // sYnTheTisChes erdgas

SNG zu garantieren. Das ist eine besonders große Herausforderung angesichts möglicher Schwankungen beim Rohstoff Kohle“, so Keller. Wie das natürliche Erdgas soll auch das SNG später hauptsäch-lich Methan enthalten. Es bildet sich, wenn Kohlenmonoxid (CO) und Kohlendioxid (CO₂) mit Wasserstoff (H₂) am Katalysator der Methani-sierungsstufe miteinander reagieren. Die benötigten Gase entstehen direkt bei der Kohlevergasung – jedoch in einem ungeeigneten Ver-hältnis. Das Verhältnis dieser drei Komponenten kann durch die Was-sergas-Shift-Reaktion mit nachgeschalteter Sauer- gaswäsche (RECTISOL®) an die Anforderungen angepasst werden. Genau das haben die Linde- Ingenieure in Gwangyang realisiert. Sie teilen den Gasstrom nach der Vergasung auf: Im ersten Teil-strom wird überschüssiges Kohlenmonoxid aus der Vergasung umgewandelt. Dieser Prozess heißt Wassergas-Shift-Reaktion: Dabei reagiert das CO mit Wasserdampf, und es entsteht Wasserstoff und Kohlendioxid.

Der zweite Strom bleibt zunächst unbehandelt (Unshift-Teilstrom) und enthält das Rohsynthesegas entsprechend dem Verhältnis aus der Vergasung. „Durch eine intelligente Regelung der beiden Teil-ströme können wir die strengen Anforderungen der Methanisierung gewährleisten“, sagt Keller. Linde verfügt über technisches Wissen

und jahrelange Erfahrung, wie sich solche Anforderungen großtech-nisch beherrschen lassen. „Wir können abschätzen, wie schnell sich Veränderungen bei der Kohlevergasung am Anfang auf die spätere Methanisierung auswirken“, sagt Keller. Entsprechend ist es notwen-dig, dass die SNG-Anlage mit Kohle betrieben wird, deren Zusam-mensetzung möglichst konstant bleibt.

Neben dem korrekten Einstellen der Verhältnisse im Synthesegas und der Methanisierung spielt auch die Gasreinigung eine entschei-

dende Rolle, bei der Verunreinigungen wie Schwe-felverbindungen und überschüssiges Kohlendioxid entfernt werden. Denn diese können den kataly-tischen Prozess der Methanisierung stören und die Produktqualität beeinträchtigen. Hier setzt Linde in Südkorea auf den seit vielen Jahrzehnten eta-blierten RECTISOL®-Prozess. Dabei werden aus beiden Teilströmen separat die Schwefelkompo-

nenten und das CO₂ mithilfe des „Waschmittels“ Methanol ausgewa-schen. Das mit CO₂ und Schwefelkomponenten beladene Methanol wird anschließend einer gemeinsamen Regenerierung zugeführt – das macht die Anlage kompakt und sehr effizient.

Und noch etwas zeichnet den verwendeten RECTISOL®-Prozess aus: Beide im Methanol gelösten Komponenten können getrennt

gASe mAnAgen: opTimAler mix für Die meThAn-proDuKTion.

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SchlackeKohleförderung

Die Kohle wird mit Sauerstoff vergast, sodass Synthesegas entsteht. Die Konditionierung und reinigung des gasstroms erfolgt anhand Wassergas-Shift- und reCTiSol®-einheit. mithilfe eines Katalysators bildet sich in der methanisierungsstufe dann synthetisches erdgas (Sng), das perpipeline zum Stahlwerk fließt.

Kohle VergASen – erDgAS geWinnen

29TiTelThema: energien aus der erde sYnTheTisChes erdgas // linde TeChnOlOgY #1.12

voneinander regeneriert und für weitere Prozesse verwendet wer-den – und das macht man sich in der Anlage zunutze: In der ersten Regenerierungsstufe wird gezielt der Druck verringert und man erhält schwefelfreies CO₂, das als Produkt oder auch für weitere Pro-zesse wie Enhanced Oil Recovery und zur CO₂-Sequestrierung geeig-net ist. Im zweiten Schritt werden durch Erwärmen des Methanols hochkonzentrierte Schwefelkomponenten frei, die bestens für nach-geschaltete Prozesse für diverse Schwefelprodukte geeignet sind. Eine solche RECTISOL®-Einheit ist also sehr flexibel und im Prozess-design an die Kundenwünsche anpassbar. Für Projektleiter Claude Keller ist eine SNG-Anlage daher mehr als ein Prozess für die SNG-Produktion. „Wir betrachten sie vielmehr als ,Polygeneration’-Anlage, in der gleich mehrere Produkte hergestellt werden können.“ Die im RECTISOL®-Prozess ausgewaschenen Schwefelkomponenten lassen sich ebenfalls nutzen. Dafür setzen die Linde-Experten auf ein etab-liertes Verfahren, den so genannten Claus Prozess, bei dem am Ende hochreiner elementarer Schwefel entsteht, der sich industriell wei-terverarbeiten lässt.

hochreines Kohlendioxid für die industrie und CCsLetztlich ist es die Kombination aller Schritte, die diese SNG-Anlage bislang einzigartig macht. „Wir verknüpfen die zweisträngige Synthese- gasaufbereitung mit kombinierter RECTISOL®-Einheit und Schwefel-rückgewinnung mit der Methanisierung nach dem TREMP™-Prozess. Das funktioniert nur, weil Experten von zwei Technologieunterneh-men Hand in Hand gearbeitet haben“, erklärt Keller. Hinzu kommen zahlreiche und komplexe Schnittstellen, bei denen Energie- und Stoffströme ausgetauscht und integriert werden, um einen effizi-enten und energieoptimierten Betrieb zu gewährleisten. So ist eine hochintegrierte und effiziente Clean-Coal-Technologie entstanden, die ihresgleichen sucht und einen Maßstab für zukünftige Projekte setzt. Für POSCO-Chairman Joon-yang Chung ist das SNG-Projekt geradezu beispielhaft für eine sichere künftige Energieversorgung – die selbst Kohle sauber zu nutzen weiß.

WIE LäSST SICH DIE STAHLBRANCHE ZUVERLäSSIG MIT ENERGIE VERSORGEN UND ZUDEM DAS KLIMA SCHüTZEN?

Für die energieintensive Stahlproduktion sind Sicherheit und Bezahlbarkeit ein zentraler Faktor im internationalen Wett-bewerb. Beispielsweise wurden in der Europäischen Union die fossilen Energien stark verteuert. Der Emissionshandel hat die Energiekosten der Stahlerzeuger in den letzten Jah-ren drastisch erhöht. Die Energiewende sollte aber auch wirtschaftliche Kriterien berücksichtigen. Wir brauchen einen technologisch orientierten Ansatz, der die Bedingun-gen industrieller Produktion berücksichtigt und auch die Energie- und CO₂-Einsparungen sowie die Recyclingfähigkeit von Stahlprodukten einbezieht. Stahl trägt auch zum Klima-schutz bei: Windräder oder automobiler Leichtbau sparen sechsmal mehr CO₂ ein, als ihre Herstellung verursacht.

WIESO IST KOHLE WICHTIG FüR DIE STAHLPRODUKTION?

Hochöfen können aus verfahrenstechnischen Gründen nicht ohne Kohle oder Koks betrieben werden. Der Anteil der Hochofenkonverter-Route an der Weltrohstahl-Erzeu-gung liegt bei rund 70 Prozent oder 1.060 Millionen Ton-nen. Diese Verfahrensroute ist zudem sehr effizient, sodass man in absehbarer Zeit nicht auf Kohle in der Stahlproduk-tion verzichten kann.

WELCHE CLEAN-COAL-LöSUNGEN BIETEN SICH AN?

Der Einsatz von Kohle bei der Eisenerzreduktion führt zwangsläufig zu CO₂. Zur deutlichen Verringerung der CO₂-Emissionen bietet sich Carbon Capture and Storage (CCS) an. Für die industrielle Einführung dieser Technologie sind jedoch komplizierte technische Fragen und die gesellschaft-liche Akzeptanz zu klären. Zudem ist diese Technologie mit erheblichen Zusatzkosten verbunden, die aus heutiger Sicht vom Stahlerzeuger im weltweiten Wettbewerb nicht finan-ziert werden können.

„STAhlproDuKTe SpAren AuCh energie unD Co₂ “

KURZINTERVIEW

linde Technology sprach mit hans Jürgen Kerkhoff, präsident der Wirtschaftsvereinigung Stahl und Vorsitzender des Stahlinstituts VDeh, über die Bedeutung von Kohle in der Stahlbranche.

LINK: www.topsoe.com

Energie für Stahl: Die importierte Kohle (oben) wird in methan umgewandelt. es dient als energierohstoff im Stahlwerk (links).

30TiTelThema: energien aus der erdelinde TeChnOlOgY #1.12 // Pearl

Die Kraftstoff- Maschine

Linde-Luftzerleger für Gas-to-Liquids-anlage

Die Wüste lebt. Aber nicht Wasser hat die trockene arabische Halb-insel Katar zum Erblühen gebracht, sondern Erdgas. Wo vor kurzem noch Sandstürme über Geröll und verdorrte Flächen fegten, brummt heute ein gigantischer Industriekomplex: die Pearl GTL-Anlage (Gas-to-Liquids) von Shell. Sie wandelt Erdgas in flüssige Kraftstoffe um. Vor allem aus der Luft beeindrucken die gigantischen Ausmaße von Ras Laffan Industrial City am Persischen Golf – Ergebnis modernster Ingenieurskunst: kilometerlange Pipelines, Reaktoren, Destillations-kolonnen und Speichertanks, und auch acht der weltweit größten Luftzerleger-Coldboxen erheben sich aus dem Wüstenboden.

Das Erdgas stammt aus einem der größten Vorkommen der Welt, direkt vor der Küste Katars: 260 Milliarden Kubikmeter des Energie-rohstoffs lagern dort. Pipelines transportieren ihn zur etwa 30 Kilo-meter entfernten GTL-Anlage – „dem weltweit größten Baugelände der Öl- und Gasindustrie“, sagt Andy Brown, Executive Vice Presi-dent für Shell in Katar, und Managing Director von Pearl GTL. Hinter ihm türmt sich ein Industriekomplex der Superlative: 600.000 Kubik-meter Beton wurden vergossen – das würde zum Aufbau von sieben Arenen in der Größe des Wembley Stadions reichen. „Und mit den 120.000 Tonnen Stahl hätte man 15 Eiffeltürme bauen können“, so Brown. 48.000 Mitarbeiter waren insgesamt beschäftigt, um die Anlage zu bauen. Im Juni 2011 wurden die ersten Produkte aus der GTL-Anlage bereitgestellt: Kerosin für Flugzeuge, Dieselkraftstoff für Autos und Naphtha für die petrochemische Industrie. Um das Rohgas in diese Produkte umzuwandeln, sind einige Prozessschritte nötig. Zunächst müssen die Begleitgase des Methans abgetrennt werden. Diese so genannten Kondensate lassen sich durch Abkühlen gewin-nen. Jeden Tag erzeugt die Anlage in Katar 120.000 Barrel (1 Barrel = 159 Liter) dieser Nebenprodukte: Propan, Butan und Ethan sind wich-tige Grundchemikalien. Und auch Schwefelwasserstoff, der im Erdgas

natürlicherweise vorhanden ist, muss vor dem GTL-Prozess entfernt werden. Der daraus gewonnene Schwefel ist ebenfalls eine wichtige Basis für die Chemiebranche. Nach diesen Vorreinigungsschritten fließt schließlich hochreines Methan durch die Rohrleitungen – der Ausgangsstoff für die GTL-Anlage. Eine Schlüsselkomponente für das

Es ist eine Petrochemieanlage der Superlative: Mit Pearl GTL hat Shell die weltgrößte Anlage zur Umwandlung von Erdgas in flüssige Treibstoffe geschaffen. Acht Luftzerlegervon Linde produzieren die enormen Sauerstoffmengen, die für den Prozess nötig sind.

Pearl // linde TeChnOlOgY #1.12

31TiTelThema: energien aus der erde

Verfahren ist Sauerstoff. Das benötigte O₂-Gas stammt aus acht Luft-zerlegungsanlagen von Linde. „Das Pearl GTL-Projekt zog den größ-ten Auftrag nach sich, der jemals in der Geschichte der Luftzerle-ger vergeben wurde“, erinnert sich Dr. Gerhard Beysel, Chemiker und zuständig für die Entwicklung und Vermarktung von Luftzerlegungs-anlagen bei der Linde Engineering Division. Bis dahin war es ein lan-ger Weg, denn es musste ein überzeugendes, technisch-wirtschaft-liches Konzept gefunden werden. Erste Überlegungen dazu liegen mehr als zehn Jahre zurück – als der Ölpreis noch bei 12 Dollar pro Barrel lag. Und im Jahre 2006, dem Jahr des Vertragsabschlusses mit Shell, hatte sich der Ölpreis bereits verfünffacht. Der Auftrag war auch das anspruchsvollste Projekt in der Linde-Unternehmensgeschichte in Sachen Sauerstoffproduktion. „Wir bekamen den Zuschlag von Shell, auch weil wir das Pro-jekt aus einer Hand planen wollten – schlüs-selfertig und in Gesamtverantwortung“, sagt Beysel. Zudem setzt Linde auf globale Vernetzung, auch bei Einkauf und Fertigung. Beysel: „Dadurch wird die Voraussetzung geschaffen, neben einer Topqualität auch den bestmöglichen Preis zu erzielen.“

Täglich 140.000 Barrel flüssige energieWarum die GTL-Anlage in Katar entstand, ist nachvollziehbar: Eine alternative Rohstoffquelle für die Kraftstoffproduktion wird durch das knapper und teurer werdende Erdöl immer dringlicher. Die Erdgas-vorkommen reichen dagegen deutlich länger. „Aus Erdgas lässt sich zudem sauberer, emissionsarmer Diesel produzieren, denn hier kann der störende Schwefel im Vergleich zu Erdöl viel leichter abgetrennt werden“, erklärt Beysel. Ein weiterer Vorteil: Hat man das Erdgas in flüssige Produkte überführt, lässt es sich effizient transportieren. „Die maximal in einem Strang baubare Luftzerlegungskapazität ist durch die Luftverdichtung begrenzt, die der Verflüssigung und -zer-legung vorgelagert ist“, erklärt Beysel. Deshalb waren insgesamt acht Anlagen notwendig, um den Sauerstoffbedarf zu decken.

„Angefangen hat Carl von Linde 1902 mit fünf Kilogramm Sauer- stoff pro Stunde. Heute werden in Katar bis zu 1,25 Millionen Kilo-gramm O₂ pro Stunde produziert“, sagt Beysel. Das ist etwa fünfzig mal so viel Sauerstoff wie die gesamte Bevölkerung von Katar im gleichen Zeitraum als Atemsauerstoff benötigt. Dank leistungsfähiger Maschinen lassen sich solche Mengen heute produzieren: Kompres-

soren, die von Dampfturbinen angetrieben werden, sorgen für die Verdichtung. „Weil beim GTL-Prozess viel Wärmeenergie freigesetzt wird, gibt es für die acht Luftverdichter genügend Dampf, für den es sonst wenig Nutzungsmöglichkeit gegeben hätte“, sagt Beysel.

Zusammen mit dem Sauerstoff aus den Linde-Luftzerlegern wird aus dem Methan zunächst Synthesegas hergestellt: Diese Mischung aus Kohlenmonoxid und Wasserstoff geht dann in den GTL-Reaktor: Hier warten maßgeschneiderte Katalysatoren, die von Shell entwi-ckelt wurden, bei 1.350 Grad Celsius auf ihren Einsatz. „5.000 Tonnen dieser Katalysatoren befinden sich in den Reaktoren“, sagt Shell- Direktor Brown. Diese feinen Partikel haben eine extrem große Ober-

fläche. „Zusammengenommen ist die Kata-lysatoroberfläche 18-mal so groß wie die Landesfläche von Katar“, so Brown. Die Spezial- katalysatoren sorgen dafür, dass sich das Syn-thesegas in langkettige Kohlenwasserstoffe (Wachse) verwandelt. Diese werden dann in

einer Raffinerie weiterverarbeitet: Hier spalten so genannte Hydro-cracker die Kohlenwasserstoffketten in kürzere Einheiten, die sich anschließend destillieren lassen: 140.000 Barrel flüssige Kraftstoffe produziert die Shell-Anlage täglich. Ein weiteres Produkt der GTL-Reak- tion ist Wasser. „Wir gewinnen sogar mehr Wasser als Wachse“, sagt Brown. Die Anlage benötigt kein zusätzliches Wasser.

Bereits die Errichtung der Luftzerleger in Katar war ein Mammut- projekt: Die 60 Meter hohen und 470 Tonnen schweren Coldboxen sind das Herzstück der Luftzerleger: Sie beinhalten die Plattenwärme- tauscher und Rektifikationskolonnen aus Aluminium. Die Schlüssel- komponenten stammen aus Linde-Standorten in Deutschland und China. Dort wurden die Coldboxen für Katar als so genannte Packaged Units montiert. Der Vorteil: Durch die Vormontage reduziert sich ein aufwändiger Zusammenbau vor Ort, wo brütende Hitze, Staub-einwirkung und häufige Sandstürme die Montagearbeiten extrem erschweren. Aber nicht nur für die Menschen sind die Bedingungen eine Bewährungsprobe, sondern auch für Material und Maschinen: Schließlich herrschen im Innern der Coldboxen minus 190 Grad Cel-sius – bei Außentemperaturen von 50 Grad Celsius im Schatten.

Die Maschinenfertigung der Dampfturbinen und Verdichter lief bei MAN in Oberhausen. Dort mussten die kompletten Anlagenstränge auch einen mehrwöchigen Praxistest bestehen, um zu beweisen, dass sie die geforderte Spezifikation erfüllen. Erst dann durften sie ihre Reise nach Katar antreten. Nach schrittweiser Inbetriebsetzung des Gesamtkomplexes wurden im März 2012 die Luftzerleger offiziell an Shell übergeben. Und die Linde-Experten arbeiten bereits an der nächsten, noch leistungsfähigeren Generation von Luftzerlegern. „GTL-Anlagen eignen sich auch für die Verarbeitung von Schiefergas, das derzeit den US-amerikanischen Markt erobert“, so Beysel. Der Erdgas-Boom hat also gerade erst begonnen.

LINK: www.shell.com

Zerlegte Wüstenluft: herzstück der Luft-zerleger (links) sind die 60 Meter hohen coldboxen. hitze und sand sind nicht nur für die Menschen eine Be- währungsprobe (rechts), sondern auch für Material und Maschinen.

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Katar Die erdgasvorkommen vor der Küste zählen zu den größten der Welt: 260 Milliarden Kubikmeter lagern dort.

32LINDE TECHNOLOGY #1.12 // LEbENsmITTELGasE

Bunte Schalenpracht: Kartoffeln variieren in der Farbe und auch im Geschmack – von fruchtig über würzig-kräftig bis nussig- süß. Für alle Sorten gilt: Nur keimfrei landen sie auf dem Marktstand.

33LEbENsmITTELGasE // LINDE TECHNOLOGY #1.12

zige gekeimte Kartoffel aus einer Lieferung fischt, wird die Ware komplett vernichtet. Sie gilt dann als nicht mehr verkehrsfähig“, berichtet Henke.

Beim Kampf gegen die Knollenkeime setzen die Linde-Experten auf das Gasgemisch BANARG®. Der Wirkstoff darin ist das natürliche Pflanzenhormon Ethen, ein einfaches Molekül aus zwei Kohlenstoff-

und vier Wasserstoffatomen. Die Verbindung versetzt die Kartoffeln in eine Art Schlafphase. „Ethen ist ein leicht

süßlich riechendes Gas, das unter anderem bei Reife-prozessen oder beim Laubabwurf von Bäumen und Sträuchern eine Rolle spielt und zum Beispiel auch von Äpfeln freigesetzt wird“, so Henke. Gemischt mit ungefähr der fünfundzwanzigfachen Menge Stickstoff, der auch Hauptbestandteil der Luft ist und als Verdünner dient, ist es ohne Risiko leicht zu handhaben. Nur in höheren Konzentrationen von über fünf Prozent kann sich Ethen entzünden. Das Gasgemisch ist keine Innovation im eigent-lichen Sinn, denn es wird schon seit Jahren

genutzt, um Bananen in Rekordzeit reifen zu lassen. Und auch die keimhemmende Wirkung des Naturgases ist schon seit Jahrzehnten

bekannt. Bisher fehlte allerdings die Technologie, um diesen Effekt in großem Stil für die Lebensmittelindustrie nutzbar zu machen.

Dabei hat Ethen einen großen Vorteil gegenüber konventi-onellen Keimhemmern: Es ist für den Anwender gesundheitlich unbedenklich, belastet die Umwelt nicht und ist sogar für die Behand-

Mittlerweile hat die Knolle alle Kontinente erobert: Selbst in Grönland wachsen Kartoffeln, auf dem nördlichsten Acker der Welt. Das Nacht-schattengewächs steht heute weltweit im Rampenlicht. Ob „Linda“, „Bamberger Hörnchen“ oder „Blauer Schwede“, ob als Knödel, Pommes oder Pellkartoffeln: Nach Angaben der Deutschen Gesell-schaft für Internationale Zusammenarbeit werden heute weltweit 20 Prozent mehr Kartoffeln geerntet als noch vor zwanzig Jah-ren. Insgesamt sind es im Jahr rund 320 Millionen Ton-nen. Und die Tendenz ist weiter steigend, vor allem in Asien und in vielen Schwellenländern.

Und die Knollen könnten sogar einen wichtigen Beitrag leisten, um den Hunger einer wachsen-den Weltbevölkerung zu stillen, denn: „Kartoffeln enthalten viel Eiweiß, Nährstoffe und Spurenele-mente. Sie sind genauso nahrhaft wie Weizen, brauchen aber nur die Hälfte der Anbaufläche“, erklärt Silvia Henke, Marktentwicklung Lebens-mittel bei Linde, den Trend. Henke ist in den letzten Jahren zu einer echten Kartoffel-Ex-pertin geworden. Sie hat eine neue Techno-logie entwickelt, mit der das Keimwachstum der Erdäpfel verhindert werden kann. Im Einzelhandel gelten die krummen Keime als Todesurteil für ganze Lieferungen. Sie sind nicht nur ein ästhetisches Problem – gekeimte Kartoffeln verkaufen sich nicht –, sondern sie enthalten auch das giftige Alkaloid Solanin und müssen deshalb vor dem Verzehr entfernt werden. „Wenn der Prüfer auf dem Großmarkt auch nur eine ein-

Knollen ohne Keimeethengas macht Gemüse fit für den markt

Wenn Kartoffeln keimen, gelten sie als unverkäuflich. Eine neue Technologie von Linde mit einem Gasgemisch nach natürlichem Vorbild verhindert das unerwünschte Sprießen und hält die weltweit gefragte Knolle rundum frisch. Die Methode ist besonders umweltfreundlich und deshalb sogar für die Behandlung von Biokartoffeln zulässig.

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KArtoffeln isst jeder Weltbürger durch-

schnittlich pro Jahr.

34LINDE TECHNOLOGY #1.12 // LEbENsmITTELGasE

Die größte Herausforderung, um die umweltfreundliche Ethenkur in die Praxis umzusetzen, war technologischer Natur. „Für eine erfolg-reiche Behandlung muss möglichst überall im Lager und zu jeder Zeit eine optimale konstante Ethendosis herrschen“, erklärt die Kartof-fel-Expertin. Eine zu geringe Menge erzeugt nicht die gewünschte Wirkung. Bei einer Ethen-Überdosierung wiederum schrumpeln die Knollen rascher und treiben sogar wieder aus. „Für Pflanzkartoffel-Züchter kann das vorteilhaft sein, weil sie die Triebe schneller einset-zen können“, so Henke. Die nötige sorgsame Dosierung scheint nicht umsonst auch die Achillesferse eines Konkurrenzverfahrens zu sein, das mit dem Alkohol Ethanol arbeitet. Bei dieser Methode wird der Wirkstoff Ethen erst im Kartoffellager durch eine chemische Reak-tion produziert. „Unseren Messungen zufolge ist das Verfahren aber ungenauer und die Ethenkonzentration in der Lagerluft schwankt sehr stark“, berichtet Henke.

Von Holzscheunen bis Hightech-HallenDas Gasgemisch von Linde hingegen lässt sich sehr genau dosieren. Henke hat dafür in Zusammenarbeit mit dem Partnerunternehmen HTK Hamburg GmbH eine Steuereinheit mit bis zu acht Sensoren ent-wickelt, die den Ethengehalt der Luft im Kartoffellager kontinuier-lich und an verschiedenen Positionen messen. Die elektronischen Spürnasen machen selbst einzelne Ethenmoleküle unter Millionen Luftteilchen ausfindig. „Die Steuerung selbst funktioniert im Grunde sehr einfach“, berichtet Henke. „Wenn zu wenig Ethen in der Luft ist, öffnet das System ein Magnetventil und dosiert Gas nach. Ist schließ-lich der Sollwert erreicht, schließt das Ventil wieder.“ Auch ein Sau-erstoffsensor ist fester Bestandteil des Systems. „Damit wird sicher-gestellt, dass das Lager auch begehbar ist“, so die Expertin. Zudem lässt sich die Überwachung mit zusätzlichen Sensoren aufrüsten, die

lung von Biokartoffeln zulässig. Die konventionellen Mittel enthalten dagegen meist den chemisch-synthetischen Wirkstoff Chlorpropham, „aber mit BANARG® können die sonst nötigen aufwendigen Arbeits-schutzmaßnahmen und kostenintensive Rückstandskontrollen entfal-len“, betont Henke. Chlorpropham dagegen kann bei unsachgemäßer Verarbeitung die Augen reizen und Verdauungs- und neurologische Störungen hervorrufen. Die Substanz steht sogar im Verdacht, Krebs zu erregen. Zudem wird sie nur sehr langsam abgebaut. Deshalb müssen Kartoffeln, die mit Chlorpropham behandelt wurden, in Deutschland als „Nach der Ernte behandelt“ gekennzeichnet werden. Wegen der unerwünschten Nebenwirkungen ist sogar fraglich, ob der Wirkstoff in ein paar Jahren überhaupt noch verkehrs-fähig sein wird. Die aktuelle Zulassung gilt nur noch bis Ende 2018.

Immer der Größe nach: Sortieranlagen trennen große von kleinen Knollen. Beschädigte oder gekeimte Kartoffeln werden dann von geschultem Personal entfernt.

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Gesamtproduktion im Jahr 2010: 324 Millionen Tonnen

• Afrika

•Asien/Ozeanien

• Europa

• Lateinamerika

• Nordamerika

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Jährlicher Verbrauch pro Kopf in Kilogramm

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Nord-amerika

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Quelle: fAoStAt

35LEbENsmITTELGasE // LINDE TECHNOLOGY #1.12

Henke. Werden sie nach der Lagerung weiterverarbeitet, spielt die Optik dagegen keine so große Rolle.

Dass die neue Technologie funktioniert, haben schon meh-rere Pilotprojekte gezeigt. Ein großes deutsches Unternehmen zum Beispiel, das die Erdäpfel unter anderem zu Fertigknödeln und Kar-toffelbreipulver weiterverarbeitet, attestiert der Linde-Methode die gleiche erfolgreiche Wirkung wie die Standardbehandlung mit Chlorpropham – und das ganz ohne unerwünschte Nebenwirkungen. Für die BANARG®-Anwendung bei Kartoffeln wurde Silvia Henke im November 2011 sogar vom Verein Deutscher Ingenieure e. V. (VDI) in der Kategorie „Jungingenieure aus der Industrie“ mit dem ersten Preis ausgezeichnet. Bisher wird die neue Technologie in Deutsch-land angeboten. Die Linde-Expertin geht aber davon aus, dass eine weltweite Karriere, wie sie die Kartoffel längst geschafft hat, nur eine Frage der Zeit ist.

weitere wichtige Lagerbedingungen wie Luftfeuchtigkeit, Kohlendi-oxidkonzentration oder Temperatur detektieren. „Das System kann außerdem auch mit einer Lüftungsanlage gekoppelt werden, die heute in modernen Lagerhallen Standard ist“, ergänzt Henke. Die Software easyHTK MAPAX® control, entwickelt von HTK, dokumen-tiert die Messergebnisse, macht sie auf einem Computermonitor sichtbar und ermöglicht so eine lückenlose Kontrolle im Lager.

Eine konstante Ethen-Konzentration herzustellen, war allerdings nicht die einzige Herausforderung für die Ingenieure. Sie mussten das System auch individuell an die unterschiedlichen Bedingungen und Ansprüche der Kunden anpassen. „Zum Beispiel können die Gebäude, in denen die Kartoffeln lagern, sehr verschieden sein“, erzählt Henke. Das Spektrum reicht von einer einfachen Holzscheune bis zur Hightech-Halle. So arbeiten manche Betreiber noch mit einer Stoßlüftung über die Fenster, während andere moderne Lüftungs- anlagen installiert haben. Zudem sind manche Kartoffelsorten keim-freudiger als andere. Auch darauf muss die Ethendosis gut ab- gestimmt sein. Und nicht zuletzt sind die Ansprüche der Handels- ketten und weiterverarbeitenden Unternehmen an das Aussehen der Erdäpfel verschieden. „Wenn die Kartoffeln als Ganzes in den Super-markt kommen sollen, müssen sie besonders gut aussehen“, sagt

LINK: www.potato2008.org

Am Saisonende ist Sonne Mangelware. Hunderte grüner Tomaten warten dann auf ihre Ernte. In Gewächshäusern sind das bis zu vier Kilogramm pro Quadratmeter – bezogen auf die Jahresernte können das zehn Prozent des Ertrags sein. Doch die unreifen Früchte sind nicht verloren: Um grüne in rote Tomaten zu verwandeln, setzt man auf einen natürlichen Trick: das Pflanzenhormon Ethen. Schon geringe Mengen des Gases lassen die Früchte nachreifen – ganz ohne Sonne. Bislang wird Ethen indirekt über den Wirk-stoff Etephon erzeugt. „Dabei besteht leicht die Gefahr der Überdosierung, sodass unerwünschte Rückstände auf den Früchten verbleiben können“, sagt Christoph Andreas vom Gartenbauzentrum Straelen der Landwirtschaftskammer Nordrhein-Westfalen. „Wie lange das Mittel noch appliziert werden darf, ist fraglich“, so Andreas. Eine sichere Lösung bietet das Linde-Gasgemisch BANARG®: Es enthält neben Stickstoff vier Prozent Ethen. Die Ethen-Begasung ist für Bananen oder Zwiebeln in Deutschland bereits erlaubt; die Zulassung für Tomaten steht noch aus. Im November 2011 haben Tests im Gartenbauzentrum Straelen stattgefunden. Das Ergebnis: Nach spätestens einer Woche waren die Tomaten rot. „Die Versuchsreihen zeigten, dass zehn ppm (parts per million) Ethen ausreichen, um gute Ergebnisse zu erzielen und vermarktungsreife Tomaten zu produzieren, die auch geschmackvoll sind“, sagt der Agrarexperte.

TurbO für TOmaTEN

Ausgereift: Das Pflanzenhormon Ethen macht Gewächshaustomaten schneller rot.

36LINDE TECHNOLOGY #1.12 // STaHLvErarbEITuNG

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CO₂-Kühlung sorgt für hochwertige Schweißnähte

Im Stahlbau fliegen die Funken: Im Schiffbau oder in der Autoindustrie werden Bleche per Schweißnaht im Sekundentakt verbunden. Doch oft verziehen sich dadurch die Bauteile. Das erfordert teure Nacharbeit. Jetzt haben Ingenieure der britischen Linde-Tochter BOC gemeinsam mit weiteren Unternehmen ein innovatives Verfahren entwickelt: Sie kühlen die Schweißnaht mit CO₂ – das erhöht die Effizienz in der Produktion.

Am Anfang eines Autolebens stehen meterlange Stahlbleche. In den Fabrikationshallen der Stahlverarbeiter werden sie gestanzt, geformt und gepresst – und Schritt für Schritt in die verschiedensten Karos-serieteile verwandelt. Durch die präzisen Arme dutzender Schweiß-roboter entsteht dann ein stabiles, metallenes Autoskelett. Im Roh-zustand, wenn die Bleche aus der Presse fallen, sind die Stahltafeln absolut eben. Liegen sie auf einer waagerechten Fläche, wackelt nichts. Das ändert sich schlagartig beim Schweißen: Denn der Schweißkopf heizt das Metall blitzschnell auf 1.500 Grad Celsius – und das setzt Kräfte frei, die sich beim Walzen des Ble-ches in der Presse aufgestaut haben. Kühlt die Schweißnaht dann ab, bleiben oft erhebliche Spannungen zurück. Entlang der Verbindungsnaht verkürzt sich das Material sogar um etwa ein halbes Prozent. Die Folge: Das Blech verbiegt sich zum Teil so stark, dass es als Kinder- wippe dienen könnte.

Kalte Eskorte für heißen SchweißkopfVon diesem problematischen Phänomen sind die Automobilhersteller besonders betroffen. Sie führen einen nicht enden wollenden Kampf gegen den Schweißstress: Man versucht beispielsweise der entste-henden Krümmung mit zusätzlichem Material entgegenzuwirken. Der Nachteil: Das Bauteil wird schwerer und treibt so später den Spritver-brauch des Autos nach oben. Ein anderer Weg kann die aufwendige

Nachbearbeitung nach sich ziehen, wie Glühprozesse oder das Fixie-ren und Verspannen der Werkstücke, um innerhalb der geforderten Toleranzen zu bleiben. Aber beide Optionen sind teuer – Lösungen also dringend nötig.

„Eine vielversprechende Idee ist es, mit gezielter Kühlung zu arbeiten“, sagt Walter Veldsman, Spezialist für Produktionstechno-

logien bei der britischen Linde-Tochter BOC. Denn der Verzug falle deutlich geringer aus, wenn die Schweißnaht unmittelbar hinter dem Schweißkopf stark abgekühlt wird. Das belegen auch mathe-matische Modelle, Computersimulationen und Versuche, die unter anderem im Anwendungs-technischen Zentrum der Linde Gases Division in Unterschleißheim durchgeführt wurden. Bei vielen

Bauteilen stellt sich allerdings der positive Effekt nur ein, wenn die Kühlung auf der Seite des Blechs erfolgt, wo auch der Schweißkopf entlangfährt – und in möglichst geringem Abstand. Andere Versuche, bei denen die Schweißnaht beispielsweise von der Unterseite des Bleches gekühlt wurde, sind für die Produktionsabläufe von Fahr-zeugkomponenten nicht praktikabel.

Deshalb startete im Jahr 2006 ein Konsortium aus mehreren Unternehmen und Forschungsinstituten, um das Erfolg versprechende Konzept umzusetzen. Koordiniert wurde das Projekt MALCO (Manu-facture of Lightweight Components) vom britischen The Welding Insti-tute in Cambridge. Vom britischen Gase-Hersteller BOC, einer Tochter

EnTSpAnnTE Stahlnähte danK gEziElTEM FrOStSChOCK.

37STaHLvErarbEITuNG // LINDE TECHNOLOGY #1.12

Edle Karossen: Stahlelemente machen Autos erst robust und sicher. Kombiniert mit Aluminiumkomponenten werden moderne Fahrzeuge leichter und damit kraftstoffsparender.

38LINDE TECHNOLOGY #1.12 // STaHLvErarbEITuNG

der Linde AG, stammten große Teile der Technologieentwicklung. Mit von der Partie waren auch Anwender wie die Gestamp-Tochter Tallent Automotive, Bentley Motors und Komatsu. Rund eine Million Pfund floss in die Entwicklung, die Hälfte kam vom Technology Strategy Board, der Innovationsagentur der britischen Regierung. „Das MALCO-Projekt lief dann über vier Jahre. In dieser Zeit haben wir viel gelernt und etliche Hürden überwunden“, so Veldsman.

Die größte Herausforderung war, die Kühlung möglichst nahe an den Schweißkopf zu bringen. Denn die entspannende Wirkung des kühlenden Gases kann sich nur entfalten, wenn die Schweiß-naht noch mindestens 500 Grad heiß ist. Dann ist das Metall weich wie warmes Plastik und die stressbringenden Kräfte können aus-gebügelt werden. „Allerdings darf die Kühlung dem Schweißkopf auch nicht zu nahe kommen, denn sonst erlischt der Lichtbogen – wie eine Kerzenflamme in der Zugluft“, erklärt Veldsman. Zur Küh-lung nutzen die Linde-Experten Kohlendioxid. Denn BOC verfügt über langjähriges Know-how und bietet die komplette Peripherie zur CO₂-Versorgung und zum Abpumpen des verbrauchten Gases aus der Zelle des Schweißroboters.

Um die Kühlung exakt zu dosieren, haben die Ingenieure des Gasespezialisten eine Düse konstruiert, aus der pro Minute etwa 370 Gramm CO₂ unter hohem Druck herausschießen. Das Innere der Düse ist so gestaltet, dass es darin zu einem schlagartigen Druckab-fall kommt. „Der größte Teil des flüssigen Kohlendioxids erstarrt blitz-artig, und aus der Düse schießen winzige CO₂-Hagelkörner“, erklärt

der Linde-Experte. Diese prasseln auf die noch heiße Schweißnaht und verdampfen sofort. „Der Sprung vom festen direkt in den gas-förmigen Zustand bewirkt eine enorme Kühleffizienz und über-steigt sogar die des kälteren Flüssigstickstoffs“, so Veldsman. Aber die Ingenieure mussten noch ein weiteres Problem meistern: Das CO₂ verdampfte unkontrolliert, und es bestand die Gefahr, dass es in der Nähe des Schweißkopfes den Prozess störte. Um das zu ver-hindern, hat das MALCO-Team einen „Vorhang“ entwickelt, der die Kühldüse eng umschließt. Allerdings entpuppte sich die Suche nach einem geeigneten Material schwieriger als gedacht, weil der Vor-

Fliegende Funken: Ob Fassaden in Wolkenkratzern, Schiffsrümpfe oder autoskelette (rechts) – Stahlkonstruktionen verleihen die notwendige Stabilität. Um die Bleche unzertrennbar miteinander zu verbinden, ist Schweißen per hand (links) oder mithilfe hochpräziser roboterarme unerlässlich.

FrOST TrIFFT HITzE

Hinter den Schweißkopf haben die Ingenieure eine spezielle Kühldüse konstru-iert. Sie bringt das flüssige Kohlendioxid gezielt auf die heiße Naht. Durch den Druckabfall an der Düse prasseln winzige CO₂-Hagel-körner auf die Oberfläche.

CO₂-KühlungSchweißfunken

39STaHLvErarbEITuNG // LINDE TECHNOLOGY #1.12

LINK: www.twi.co.uk

WARUM HAT SICH TALLENT AUTOMOTIVE BEIM MALCO-PROJEKT ENGAGIERT?

Es gibt im Auto jede Menge Stellen, wo man beim Schweißen mit Materialverzug rechnen muss. Schweißt man beispiels-weise in ein Rohr eine Gewindebuchse, kann es leicht zu Rissen kommen. Bauteile müssen dann nachgearbeitet oder sogar umkonstruiert werden. Da heute vieles am Computer entsteht und weniger Prototypen gebaut werden, fallen solche Probleme oft erst kurz vor oder während der Serien- fertigung auf. Mit der MALCO-Technologie könnten wir besser verhindern, dass es künftig zu solchen Störungen kommt. Und die Entwicklung darf nicht stehen bleiben.

WIE IST DER STAND DER INDUSTRIELLEN UMSETZUNG?

Gerade arbeiten wir daran, einen Schweißroboter mit der Kühlung unter realen Fabrikbedingungen in unserer Proto-typ-Anlage zu testen. In der Serienproduktion setzen wir das noch nicht ein. Es gibt aber Nischenanwendungen, wo das Verfahren bereits jetzt Vorteile bringt: Wenn es um per-fekte Zentrierung und Rundheit geht – beispielsweise beim Anschweißen eines dünnen Blechs an das äußere Ende eines Rohres.

IST DIE SCHWEISSNAHTKüHLUNG WIRTSCHAFTLICH?

Wenn der Kunde kleinere Toleranzen bei den Bauteilen fordert, haben wir höhere Kosten. Bei hohen Stückzahlen schlägt das merklich zu Buche. Bisher waren das Kosten für die Nachbearbeitung. Wenn wir aber schon beim Schwei-ßen die Toleranzen einhalten können, entfällt die Nachbe-arbeitung. Dadurch wird der Prozess für uns automatisch profitabler – und damit auch für unsere Kunden.

„die entWiCKlUng darF niCht STEhEn BlEiBEn“

KURZINTERVIEWhang nur etwa 35 Millimeter hinter dem Schweißkopf sitzt. Versuche mit Metallfasern schlugen fehl, denn das Material verbrannte schon nach kurzer Zeit: Der Vorhang bekam dort Löcher, wo er über die glühende Schweißnaht entlangfuhr, sodass CO₂ entweichen konnte und den Lichtbogen störte. „Erst durch die Idee, Glas- und Keramik-fasern statt Metall zu verwenden, konnten wir diese Hürde nehmen“, so Veldsman. Die Tests zeigten, dass die Verzerrungen und Verkrüm-mungen bestimmter Bauteile durch die neue Technologie um etwa 40 Prozent geringer ausfallen. Damit ist das Verfahren reif für Tests unter Fabrikbedingungen. Erste Adresse: die Automobilindustrie – und dort vor allem der Projektpartner Tallent Automotive, der Ach-sen, Träger, Fahrwerks- und Karosserieteile an viele europäische Automobilfirmen liefert. Tallent Automotive und BOC haben gemein-sam mit The Welding Institute den Kühlkopf und den Vorhang entwi-ckelt und patentiert.

Schweißnahtkühlung hemmt KorrosionDie Automobilindustrie ist aber nicht die einzige Branche, die von der neuen Technologie profitieren könnte. „Potenzielle Anwender gibt es überall, wo viel Metall verschweißt wird – beispielsweise auch im Schiffbau“, sagt Veldsman. Eine Studie der US-Marine kommt zu dem Ergebnis, dass beim Bau einer Fregatte rund drei Millionen Dollar zusätzliche Kosten entstehen, die direkt oder indirekt auf das Nacharbeiten verformter Metallteile infolge fehlerhafter Schweißpro-zesse zurückzuführen sind. Interessant ist die Schweißnahtkühlung auch, weil sie noch ein weiteres Problem löst: Sie unterbindet auch einen gefährlichen Prozess im Stahl – die so genannte interkristal-line Korrosion. In einem Projekt der Universität in Birmingham gin-gen Studierende dieser Frage nach: Dieses als Kornzerfall bekannte Phänomen tritt in eigentlich korrosionsfesten Stählen auf, wenn sich beim Schweißen Chrom mit Kohlenstoff verbindet. Durch diese Reak-tion kann das Chrom die korrosionsanfälligen Eisenatome nicht mehr schützen und das Metall rostet mit der Zeit – eine Gefahr für tra-gende Bauteile bei Schiffen oder im Auto. Die Studenten konnten zeigen, dass mit der CO₂-Kühlung die Reaktion von Chrom und Koh-lenstoff und damit auch die Korrosionsneigung verringert wird.

Diese Entdeckung ruft viele Interessenten auf den Plan: Die Betreiber von Tiefseepipelines kämpfen beispielsweise mit Rost an den Schweißnähten ihrer Rohre. Auch die Atomindustrie muss Span-nungskorrosionsrisse an den Schweißnähten von Reaktorbehältern verhindern, wo das Metall unter starker innerer Spannung steht. BOC hat ein Patent angemeldet, das solche Korrosionsrisse durch die Schweißkühlung verhindert. „Die Phase der Grundlagenforschung ist zu Ende“, so Veldsman. Nun geht es für ihn darum, das Verfahren für verschiedene Branchen einsatzreif zu machen. „Die Technologie ist zu 95 Prozent fertig“, sagt der Linde-Experte, „die letzten fünf Pro-zent sind die Umsetzung in der Fabrik vor Ort.“ Vier Patente hat BOC bereits 2011 angemeldet – und weitere sollen folgen.

linde technology sprach mit roger O’Brien, Manager für Forschung und entwicklung bei der gestamp-tochter tallent automotive, über das MalCO-Projekt und das Potenzial der Schweißnahtkühlung.

40LINDE TECHNOLOGY #1.12 // BrENNsTOffzELLE

Mobiler StroM – Sauber und leiSe

innovative Wasserstoffanwendung ersetzt dieselgeneratoren

Wenn abseits der Netze Strom gebraucht wird, greift man meist auf Dieselgeneratoren zurück. Jetzt hat Linde eine umweltfreundliche Alternative entwickelt. Die mobile Brennstoffzelle Hymera ist wesentlich effizienter, läuft so gut wie geräuschlos und ganz ohne Abgase – dank innovativer Wasserstofftechnologie.

Elektrizität kann extrem laut sein: Ein dumpfes Wummern und eine Geruchsnote wie an einer Tankstelle verraten sofort, wenn der Strom nicht aus dem Netz, sondern aus einem Generator kommt. Denn die meisten mobilen Stromerzeuger arbeiten mit diesel- oder benzinbe-triebenen Verbrennungsmotoren. Das könnte sich jetzt ändern. Inge-nieure der britischen Linde-Tochter BOC haben in nur drei Jahren gemeinsam mit Horizon Fuel Cells in Schanghai die mobile Brenn-stoffzelle Hymera entwickelt. Sie produziert Strom aus der Reaktion von Sauerstoff mit Wasserstoff – übrig bleibt Wasser. Zudem macht die Brennstoffzelle kaum Geräusche: Mit einem Schallpegel von etwa 45 Dezibel (dB) ist es neben ihr ungefähr so leise wie in einer

Bibliothek. Der Stromgenerator und die H₂-Flasche – der Sauerstoff wird der Umgebungsluft entzogen – bringen zusammen etwa 17 Kilo-gramm auf die Waage. Das ist leichter als ein gepackter Reisekoffer.

Nach und nach erobert die stille, mobile Stromquelle unterschied-lichste Anwendungen. „Gerade haben wir eine größere Stückzahl an einen Wasserversorger geliefert“, erzählt Stewart Dow, Energieex-perte bei der Linde-Tochter BOC in Großbritannien. Hymera versorgt dort die Alarmsysteme und Geräte für die Wasserstandsüberwa-chung. Auch das Bauunternehmen Morgan Sindall, das zurzeit in der Londoner Region neue Bahnstrecken und Tunnel baut, setzt die mobile Stromquelle ein. „Wir müssen unter anderem Geräuschmes-

Energie für alle Fälle: Wenn Geräusch-messungen in u-bahn-tunneln (rechts) anstehen, ist die leise brennstoffzelle ein Stromlieferant der Wahl. auch die led-beleuchtung von Sportstätten (oben) lässt sich damit betreiben.

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41BrENNsTOffzELLE // LINDE TECHNOLOGY #1.12

PrOGNOsE DEs GLOBaLEN BrENNsTOffzELLEN- markTEs Im JaHr 2017

• Stationäre Stromerzeugung

• Frühe Märkte (z. B. Not- stromversorgung, Lager- technik, Mikrobrenn- stoffzellen)

• Fahrzeuge

• Militärische Anwendung

sungen machen und ein lauter Generator kommt dafür einfach nicht in Frage“, berichtet Casey Fleming, der Umweltbeauftragte des Unter-nehmens. Auch bei nächtlichen Wartungsarbeiten an Bahnschienen helfen die mobilen Brennstoffzellen von Linde und liefern Strom für eine ausreichende Beleuchtung. In der Baubranche gibt es noch weitere Möglichkeiten, Hymera zu nutzen. So ist die Brennstoffzelle beispielsweise sehr gut geeignet, um Bürocontainer auf noch nicht erschlossenem Terrain mit elektrischer Energie zu versorgen.

Ein drittes Geschäftsfeld, das von der Technologie bereits profi-tiert, sind Sicherheitsdienste. Dort versorgt Hymera entlegene Über-wachungskameras, die bisher mit Batterien betrieben wurden, schon heute mit Elektrizi-tät. Denn die klassischen Stromspeicher hatten einen großen Nachteil: Sie mussten häufig ge-wechselt werden, was nicht nur lästig war, sondern auch die Aufmerksamkeit auf das Überwachungsinstrument lenken konnte. „Die Batterien mussten wir alle vier bis fünf Tage wechseln. Mit der Brennstoffzelle können wir eine Überwachungs- kamera drei Wochen lang betreiben“, erzählt Tom Ryan, der beim Über-wachungstechnik-Spezialisten Advanced Monitoring in Dublin, Irland, für die Geschäftsentwicklung zuständig ist. Auch Fans von Open-Air- Veranstaltungen auf der grünen Wiese profitieren von der Linde- Innovation, denn sie ersetzt lärmende, stinkende Dieselgeneratoren. Bei einem der führenden britischen Zulieferer von Eventveranstal-tern White Light ist eine Kombination aus Hymera und den Wasser-stoffflaschen von Linde schon fester Bestandteil der Produktpalette. Hymera erzeugt eine elektrische Leistung von bis zu 200 Watt. „Das klingt erst einmal nach nicht so viel, ist aber dank moderner effi-zienter Technik mittlerweile für viele Anwendungen ausreichend“,

meint BOC-Manager Dow. Konnte vor ein paar Jahren mit 100 Watt und einer klassischen Glühbirne bestenfalls der Schreibtisch aus-geleuchtet werden, sorgt die gleiche elektrische Leistung heute für gleißendes Licht beispielsweise auf Tennisplätzen, weil moderne LED-Lampen genutzt werden. Mit einer Flasche Wasserstoff produ-ziert Hymera bis zu drei Kilowattstunden Energie: Damit können LED-Lampen bis zu 40 Stunden lang betrieben werden, oder ein moder-nes Laptop eine ganze Woche lang.

zuverlässig, effizient und gut fürs klimaDiesel- und Benzingeneratoren liefern üblicherweise elektrische Leistung im Kilowattbereich. Klassische Generatormodelle, die auf so kleine Leistungen ausgelegt sind, gibt es schlicht nicht. „In den niedrigen Leistungsbereichen hat die mobile Brennstoffzelle des-halb deutliche Wettbewerbsvorteile“, sagt Dow. Das macht sich in den Anschaffungskosten ebenso bemerkbar wie im Unterhalt, denn Hymera punktet auch in Sachen Energieeffizienz. Konventionelle Generatoren haben für geringere elektrische Leistungen nur einen Wirkungsgrad von wenigen Prozent. Bei Hymera sind es 50 Pro-zent. So schont die neue Brennstoffzelle nicht nur die Ohren, unsere Gesundheit und den Geldbeutel, sondern auch das Klima. Einzig Batterien sind noch effizienter, aber dafür in anderen Punkten unterlegen – nicht nur wenn es um Videoüberwachungen geht. Bleibatterien sind um ein Vielfaches schwerer, was auf Kosten der Mobilität geht. Lithiumbatterien können zwar vom Gewicht her mithalten, sind aber deutlich teurer. Ein weiterer Konkurrent der mobilen Brennstoffzelle ist die Photovoltaik. Sie muss sich aber in Sachen Zuverlässigkeit und Flächenbedarf geschlagen geben. „Die Stromproduktion via Solaranlagen funktioniert nachts gar nicht – und in nebligen oder schattigen Gebieten nur eingeschränkt“, so Dow. Selbst bei optimalen Rahmenbedingungen hängt die Stromernte noch vom Wetter ab, sodass Solaranlagen für eine sichere Stromver-sorgung sehr groß ausgelegt werden müssen. „Für eine 100-Watt-Anwendung bräuchte man ein drei-Kilowatt-Panel. Das entspricht

einer Fläche von über 20 Quadratmetern und ist für viele Anwendungen gar nicht umsetz-bar“, meint der BOC-Experte.

Während sich die 200-Watt-Brennstoffzellegerade zum Verkaufsschlager mausert, haben die Ingenieure Modelle für weitere Leistungs-klassen im Visier, von wenigen bis einigen hundert Watt. „Die Brennstoffzellentechno-

logie ist sehr ausgereift“, sagt Dow. „Wenn die Hersteller, mit denen wir zusammenarbeiten, die nötigen Komponenten verfügbar haben, könnten wir nächstes Jahr marktreife Modelle präsentieren.“ Eine Herausforderung ist die Markteinführung – wegen der enormen Anwen-dungsvielfalt. Dow: „Es ist ein wenig wie in den Anfängen der Com-puterindustrie. Schon heute gibt es bis zu hundert mögliche Anwen-dungen für die mobile Brennstoffzelle. Und jedes Jahr werden es mehr.“

LINK: www.horizonfuelcell.com

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GeräuScHloSe StroMproduKtion: ruHe Wie in einer bibliotHeK.

Effizienzwunder: die brennstoffzelle Hymera punktet mit einem Wirkungs-grad von 50 prozent.

Energiepaket: Mit einer H₂-Flasche lässt sich energie für 40 Stunden led-licht produzieren.

Quelle: Freedonia, Pike research

LINDE TECHNOLOGY #1.12 // WassErsTOff

42

Herr BacHmeier, Linde steHt wie kein anderes Unter-neHmen für die wasserstofftecHnoLogie. geBen sie Uns einen kUrzen einBLick in iHre aktUeLLe arBeit?

nun, derzeit befinden wir uns in einer intensiven Phase der detailarbeit. wir haben in der Vergangenheit ja bereits mit zahl-reichen Pilotprojekten gezeigt, dass die wasserstoffmobilität machbar ist. in den letzten Jahren konnten sowohl fahrzeug- als auch infrastrukturseitig große fortschritte hin zu marktfähigen systemen und Produkten erzielt werden. weltweit sind aktuell 215 H₂-Tankstellen in Betrieb – und mehr als 100 in der konkre-ten Planung. Jetzt geht es darum, die nächste ebene zu errei-chen: Unsere kollegen in wien bauen beispielsweise eine klein-serienfertigung für die ionischen Verdichter auf, und in münchen entwickelt unser team die kryopumpen-technologie weiter. Pa-rallel sprechen wir intensiv mit allen Marktbeteiligten – von der

Autoindustrie bis zu den Energieversorgern – über weitere Ent-wicklungen und Projekte. so wird die wasserstofftechnologie auch bei der speicherung von windstrom immer wichtiger. es gibt hier vielversprechende ansätze ...

... die aBer aLLe nocH weit Von der marktreife entfernt sind.

das mag sein. der aufbau einer infrastruktur für neue energieträ-ger erfordert sehr viel Detailarbeit – und braucht eben Zeit. Aber anders als bei den übergängen von Holz auf kohle und dann zu Erdöl, haben wir dieses Mal keine 50 Jahre Zeit.

kLimascHUtz, energiewende Und aUcH die initiatiVen in scHweLLenLändern drücken aUfs entwickLUngs- temPo. VieLe stUdien Und Programme in sacHen moBiLität

„Wasserstoff ist jetzt im Halbfinale“ Brennstoffzellenautos, speichertechnologien und infrastruktur- aufbau – die Wasserstoffmobilität nimmt Gestalt an. Im Gespräch mit „Linde technology“ erläutert markus Bachmeier, Leiter Hydrogen solutions bei der Linde ag, den aktuellen stand der technik und gibt eine Einschätzung zur Zukunft von H₂.

H₂-Mobilität: Ein Interview zum Stand der Technik

Markus Bachmeier, Leiter Hydrogen

Solutions bei der Linde AG

43WassErsTOff // LINDE TECHNOLOGY #1.12

SEHEn DAS JAHr 2015 AlS WIcHTIGEn MEIlEnSTEIn. WIE weit ist dann die wasserstoffmoBiLität?

Wir werden den Ausbau der H₂-Infrastruktur weiter vorantrei-ben, das ist klar. Und man kann beispielsweise unser 20-H₂-tankstellen-Projekt zusammen mit daimler als einen wichtigen Impulsgeber sehen. Ich gehe davon aus, dass wir im Jahr 2015 eine weitaus größere zahl von wasserstofftankstellen haben. so sind in großbritannien, skandinavien, frankreich und den Beneluxländern neue initiativen entstanden. in den Usa und Japan werden bestehende Projekte weiter ausgebaut. in süd-amerika plant são Paulo jetzt eine flotte von 25 wasserstoff-bussen. für die gesellschaft und selbst für die medien ist ja die „einfache“ eröffnung einer wasserstofftankstelle schon nichts Besonderes mehr. mittlerweile verstärken auch andere Unter-nehmen ihre aktivitäten im infrastruktur- und fahrzeugbereich. Der Mercedes B-Klasse F-cEll ging bereits 2010 in eine Klein-serie mit fast 200 Fahrzeugen für Europa und USA; ab 2014 startet die Produktion großer stückzahlen. Und auch toyota, Hyundai und GM/Opel wollen im Jahr 2015 Brennstoffzellen-autos in serie bauen. selbst die chinesischen autobauer sind bereits auf dem weg. Linde ist dabei ein wichtiger schritt-macher – und das wollen wir auch über 2015 hinaus bleiben.

aBer es Hat sicH Ja ein regeLrecHtes wettrennen zwiscHen Batterie- Und BrennstoffzeLLenaUtos ent- wickeLt. wer gewinnt iHrer meinUng nacH?

ich bin kein Prophet, sondern orientiere mich an fakten und marktdaten. aus meiner sicht ist nach dem enormen Hype um die Elektromobilität – den es übrigens auch beim Wasserstoff gab – Ernüchterung eingetreten. Alle Beteiligten haben erkannt, dass noch viele entscheidende details zu klären sind. Linde besitzt erwiesenermaßen eine große expertise bei der wasserstofftech-nologie und wird diese erfolgreich und konsequent weiterentwi-ckeln. Und dass die H₂-Technologie Erfolg verspricht, lässt sich ja auch am auftauchen völlig neuer marktteilnehmer festmachen. der markt ist sehr dynamisch geworden. es kommen sogar spie-ler wieder zurück aufs feld, die sich schon verabschiedet hat-ten – oder zumindest auf der Ersatzbank saßen. Um im Sprach-bild des fußballs zu bleiben, würde ich sagen: wasserstoff ist im spiel der alternativen kraftstoffe bereits im Halbfinale.

Und Bei den HoHen sPritPreisen dürfte das endsPieL scHon BaLd ansteHen, oder?

nun, die unaufhörlich steigenden Benzin- und dieselpreise zei-gen uns in erster Linie wie wichtig es ist, frühzeitig alternativen aufzubauen. Und das nicht nur aus Umweltgesichtspunkten, sondern auch aus volkswirtschaftlichen und gesellschaftlichen aspekten. denn die individuelle mobilität wollen wir ja auch in 20 Jahren noch genießen – und bezahlen können. Hierfür bietet wasserstoff eben eine umweltschonende und dauerhafte alter-native. aus diesem grund halte ich es für entscheidend, dass wir

diesen weg gemeinsam mit industriepartnern und regierungs-verantwortlichen intensiv weiter beschreiten. denn der Benzin-preis könnte sehr viel schneller steigen, als man die infrastruk-turen für alternative treibstoffe aufbauen kann. das müssen wir unbedingt vermeiden.

mit dem zertifikat für grünen wasserstoff Hat Linde aUcH einen weiteren meiLenstein erreicHt.

richtig. mit dem grünen wasserstoff aus Leuna steht uns erst-mals ein zertifizierter kraftstoff zur Versorgung von emissions-freien Brennstoffzellenfahrzeugen in ganz deutschland zur Ver-fügung.

WAGEn SIE EInE PrOGnOSE ZU WASSErSTOFF IM JAHr 2025?

Heutzutage veralten Prognosen sehr schnell. fest steht: wir werden gemeinsam mit unseren forschungs- und industrie- partnern weitere einsatzstoffe testen und technologien zur nachhaltigen wasserstofferzeugung und -nutzung weiterent- wickeln, um einer umweltschonenden, globalen wasserstoff- mobilität mit einem spürbaren Marktanteil im Jahr 2025 ein gutes stück näher zu sein.

LINK: www.cleanenergypartnership.de

GrüNEr WassErsTOff mIT ZErTIfIkaT

in Leuna produziert Linde wasserstoff aus nebenproduk-ten der Biodieselherstellung. Jetzt wurde der grüne wasserstoff vom tüV süd zertifiziert. es hat sich gezeigt, dass der von Linde entwickelte Pyroreforming-Prozess auf Basis von rohglycerin bereits als Pilotanlage ein Treibhausgas-reduktionspotenzial von über 50 Prozent im Vergleich zur konventionellen wasserstofferzeugung aus erdgas aufweist. eine voll ausgereifte kommerzielle Produktionsanlage bietet sogar ein einsparpotenzial von bis zu 80 Prozent. Auch zur Hannover Messe 2012 ver-sorgte Linde Brennstoffzellenfahrzeuge von gm/opel, Volkswagen, Honda und toyota mithilfe seiner mobilen Betankungseinheit trailH₂-gas mit dem grünen Wasserstoff.

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LINDE TECHNOLOGY #1.12 // WASSERAufbEREITuNG

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Durstige Felder: Die Landwirtschaft verschlingt 70 Prozent des gesamten Weltwasserverbrauchs. Die Niederschläge reichen in trockenen Regionen nicht aus – und die Meerwasser-entsalzung wird immer wichtiger.

45WASSERAufbEREITuNG // LINDE TECHNOLOGY #1.12

ohnehin wenig Niederschlag fällt.“ Zugenommen hat die Bedeu-tung des Grundwassers: Es stellt heute weltweit fast die Hälfte

des gesamten Trinkwassers, heißt es im Weltwasserbericht der Vereinten Nationen. Der Grundwasserspiegel sinkt bereits

weltweit rapide ab – teilweise bis zu einem Meter pro Jahr. Anlässlich des Weltwasserforums im März 2012

in Marseille, Frankreich, warnten Umweltschutzor-ganisationen vor einer weiteren Zuspitzung der

globalen Wasserkrise. „Auch wenn in West-europa die Situation derzeit weitgehend entspannt ist, kann das nicht darüber hin-wegtäuschen, dass wir uns bereits mitten in einer globalen Wasserkrise befinden“, sagte Martin Geiger, Leiter des Bereichs Süßwas-ser beim WWF Deutschland. Eine Analyse

der Umweltorganisation hat ergeben: Seit der Jahrtausendwende kam es weltweit zu über 50

gewaltsamen Konflikten, die mit der Nutzung von Wasser zusammenhängen.

Während in den industrialisierten Staaten sauberes Wasser selbstverständlich ist, haben laut den Vereinten Nationen weltweit etwa 900 Millionen Menschen keinen ausreichenden Zugang zu sicherem Trinkwasser. Nach ihren Schätzungen werden im Jahr 2025 zwei Drittel der Weltbevölkerung von Wasserknappheit betroffen sein. Ab 2070, so warnt eine aktuelle Studie, könnte aber

Die Wasserressourcen auf der Erde werden immer knapper. Viele Regionen leiden bereits heute unter akutem Wasserman-gel – und die Lage spitzt sich weiter zu. Die Ursachen für das schwindende Lebenselixier sind bekannt: Der fortschrei-tende Klimawandel, die parallel dazu wachsende Welt-bevölkerung und die sich ändernden Lebensgewohn-heiten erhöhen den Wasserverbrauch. Vor allem die Landwirtschaft und der steigende Fleisch-konsum verschlingen viel vom wertvollen Nass. Und auch die Industrie benötigt Was-ser für die Produktion von Autos, Medika-menten und Kunststoffen.

Von außen ist es dem blauen Planet nicht anzusehen, dass er unter H₂O-Mangel leidet: Immerhin sind fast zwei Drittel der Erde mit Wasser bedeckt. Doch nur 2,5 Pro-zent der 1,4 Milliarden Kubikkilometer Wasser entfallen auf direkt nutzbares Süßwasser. Und davon sind wiederum fast 70 Prozent in Gletschern eingeschlossen. Hinzu kommt: Süßwasser ist zudem extrem ungleich auf der Erde verteilt. „Vor allem die boomenden Metropol-regionen Asiens, die immer mehr Menschen beherbergen, werden immer durstiger“, sagt Dr.-Ing. Stefan Dullstein, Leiter des Industrie-segments Aquakultur & Wasserbehandlung der Linde Gases Division. „Zudem befinden sich diese Ballungszentren häufig in Regionen, wo

Durst nach Meerwasser

Kohlendioxid sorgt für eine ausgeglichene wasserchemie

In Wüsten ist Wasser Mangelware – und nicht nur dort: Dass Flüsse versiegen und der Grundwasserpegel sinkt, ist ein weltweites Problem. Mit Entsalzungsanlagen lässt sich Meerwasser trinkbar machen. Doch um das kostbare Nass zu nutzen, muss es speziell aufbereitet werden – dabei hilft CO₂-Technologie von Linde.

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wasser verbergen sich in einer Getränkedose.

11.000 LIter wasser stecken in einem Paar Jeans – so viel wie in einem swimmingpool.

380.000 LIter wasser werden zur herstellung

eines autos gebraucht.

46LINDE TECHNOLOGY #1.12 // WASSERAufbEREITuNG

auch Mitteleuropa unter Wassermangel leiden. Zudem wird häufig übersehen, so die UN-Wissenschaftsorganisation UnesCO, dass viele Industriestaaten ihren steigenden Wasserbedarf mithilfe ärmerer Ländern decken. Großbritannien beispielsweise importiert 62 Pro-zent des genutzten Wassers als so genanntes virtuelles Wasser in Form von Reis oder Fleisch.

Ausgeglichene Wasserchemie dank CO₂ Viele Regionen in nordafrika, dem Mittleren Osten oder Australien, den USA und Mexiko sind auf die Entsalzung von Meerwasser ange-wiesen, um Trinkwasser bereitzustellen und Landwirtschaft betreiben zu können. Heute existieren weltweit etwa 12.000 größere Anlagen zur Meerwasserentsalzung, die insgesamt 36 Millionen Kubikmeter Trinkwasser pro Tag produzieren, so die Deutsche MeerwasserEntsal-zung e. V. (DME) – Tendenz steigend. Damit hat sich die Meerwasser-entsalzung zu einem weltweiten Wachstumsmarkt entwickelt.

„Bei der entsalzung entsteht jedoch reines H₂O, also Wasser ohne Mineralien. Es ist nicht zum Trinken oder für die Bewässe-rung von Feldern geeignet“, erklärt Dullstein. Normalerweise enthält Trinkwasser viele verschiedene Mineralien. Um es mit diesen wich-tigen Inhaltsstoffen wie beispielsweise Kalzium- und Magnesiumver-bindungen anzureichern, muss aber erst der pH-Wert des Wassers gesenkt werden. Dieses Ansäuern lässt sich zwar auch mit Salz- oder

Schwefelsäure erreichen. Viel natürlicher und umweltfreundlicher funktioniert dieser Schritt aber mit Kohlendioxid, da so unnatürlich hohe Konzentrationen an Chlorid- und Sulfatverbindungen im Was-ser vermieden werden.

Der Vorteil von Kohlendioxid: „Es kommt auch natürlicher-weise im Süßwasser vor“, so Dullstein. Ein geringer Teil des gasför-migen CO₂ reagiert mit Wasser zu Kohlensäure, einer so genannten schwachen Säure: Diese zeichnet sich durch ein sehr gutes Puffer-verhalten aus. Das bedeutet: Der pH-Wert des Wassers ändert sich kaum, auch wenn Säuren oder Basen zugegeben werden. „Das ist wichtig für eine ausgeglichene Wasserchemie“, sagt der Linde-Inge-nieur. „Wenn man das leicht saure Wasser anschließend über einen Marmorfilter rinnen lässt oder mit Kalkmilch versetzt, löst sich das darin enthalte Kalzium in Form von Kalziumbikarbonat im Wasser.“ Wenn Kalk und Kohlensäure im chemischen Gleichgewicht miteinan-der stehen, wird weder Kalk gelöst noch abgeschieden. Überschüs-siges CO₂ würde die Leitungen angreifen und Korrosionsschäden an Beton- und Metallrohren verursachen. Enthält das Wasser hinge-gen zu wenig gelöstes Kohlendioxid, kommt es zu unerwünschten Kalkablagerungen in den Leitungen und an Armaturen. Um das Gas mit der richtigen Dosierung ins Wasser zu bringen, haben die Linde- Ingenieure das sOLVOCARB®-system entwickelt. Das Angebot reicht von der bloßen Bereitstellung des flüssigen Kohlendioxids bis hin

Bypass-Prinzip: Um größere Wassermengen mit CO₂ zu ver-setzen, wird ein Teil abgezweigt, und dann dem Hauptstrom wie- der zugeführt.

trInKwasser In BaLanceDas Rohwasser durchläuft zuerst einen Qualitätscheck (QH₂O). Enthält es hohe Metallkonzentrationen werden diese durch Sauerstoff in der SOLvOx®-Einheit entfernt. Anschließend dosiert der SOLvOcARb®-Reaktor Kohlendioxid hinzu und bringt den pH-Wert des Wassers ins Gleichgewicht.

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47WASSERAufbEREITuNG // LINDE TECHNOLOGY #1.12

Wasser in Wartestellung: ein techniker kontrolliert die umkehrosmose-einheiten, die zur Meerwasserentsal- zung nötig sind (oben). Bevor das rohwasser (links) ver-wendet werden kann, muss es die CO₂-Anreicherung soLvocarB® von Linde durchlaufen (rechts, vorne).

zur Installation der kompletten Gasregelstrecke mit Druckminderern, Regelventilen und eintragssystemen. Ob das Kohlendioxid per Diffu-sionsschlauch, Reaktor oder Düse ins Wasser eingetragen wird, hängt von den Dimensionen der Anlage und den Anforderungen vor Ort ab. Für die CO₂-einspeisung in Druckrohrleitungen wurde beispiels-weise das sOLVOCARB®-D-Verfahren entwickelt. Dabei injiziert eine Edelstahldüse das Gas direkt in den fließenden Rohwasserstrom. Bei diesem Verfahren benötigt das Kohlendioxid allerdings auch eine gewisse Verweilzeit und damit eine Reaktionsstrecke, um sich im Wasser zu lösen. Für größere Wassermengen haben die Linde-Exper-ten deshalb eine andere Lösung entwickelt. „In diesem Fall zweigen wir einen Teilstrom ab und legen einen Bypass. Dieser wird dann über spezielle Düsen oder Druckbehälter mit CO₂ hochangereichert und wieder in den Hauptstrom zurückgeführt“, erklärt Dullstein.

Simulationen für optimalen CO₂-EintragBei einer Meerwasserentsalzungsanlage in Alge-rien haben die Linde-experten einen sOLVOCARB®-Drucksättiger installiert: Dort sprudeln jährlich 2.000 Tonnen Kohlendioxid in das wertvolle Nass – und machen es für die Menschen und die umliegende Landwirtschaft nutzbar. Dafür stehen Tankanlagen mit flüssigem CO₂, Verdampfer, Druck- und Mengenregelung bereit – alles in doppelter Ausfertigung, um eventuell mögliche Ausfälle zu kompensieren. Denn: Ohne die Linde-Technik würde kein Wasser-tropfen die Aufbereitungsanlage verlassen.

Auch eine australische Meerwasserentsalzungsanlage setzt auf Kohlendioxid: Die Sydney Desalination Drinking Water Plant nutzt CO₂, das bei industriellen Prozessen anfällt, um das blaue Gold nutz-bar zu machen. Bis zu 6.000 Tonnen des Gases fließen dafür jähr-lich in die Anlage. Mithilfe des Kohlendioxids lassen sich täglich bis zu 250 Millionen Liter Wasser produzieren – das entspricht etwa 15 Prozent des Wasserbedarfs von Sydney. Aber die Linde-Ingenieure kümmern sich nicht nur um die richtige Wasserbalance von Entsal-

zungsanlagen. „Auch Wasser aus kalkarmen Regionen oder Talsper-ren weist meist ein zu geringes Puffervermögen auf – und benötigt daher den CO₂-Zusatz. Der Bedarf hängt stark von den geologischen Gegebenheiten ab“, sagt Dullstein. Die größte Herausforderung bei Trinkwasseranlagen ist die gleichmäßige Verteilung des Gases in den riesigen Wassermengen. Um eine effiziente Lösung für die jeweilige Anforderung zu entwickeln, setzen die Gasespezialisten auch auf Simulationen, so genannte fluiddynamische Simulationsverfahren.

„Im Falle einer Trinkwasseranlage in Australien hatte der Betrei-ber Sorge, ob sich das Kohlendioxid gleichmäßig verteilen lässt. Denn das Wasser fließt in einem künstlichen, offenen Kanal“, erin-nert sich der Ingenieur. Die Linde-Experten konnten diese Beden-ken mithilfe der simulationsverfahren ausräumen: Wenn der mit CO₂ angereicherte Bypassstrom über mehrere Düsen mit dem Hauptwas-

serstrom vereinigt wird, sorgen Verwirbelungen für eine optimale Durchmischung der Ströme. Über die Variation der Eintragstiefe und Düsenausrichtung konnte das Team um Dullstein die beste Konstella-tion finden. „Ein Erfolgsrezept ist es, gemeinsam mit dem Kunden maßgeschneiderte Lösungen zu ent-wickeln. Dank unserer Expertise hat er immer die Gewissheit, dass ausreichende Mengen CO₂ zur rich-

tigen Zeit vorhanden sind“, sagt der Linde-Ingenieur.Und das Know-how der Wasser-Experten wird in Zukunft gefragt

sein: Vor allem die rasant wachsenden Megastädte stehen vor großen Herausforderungen, ausreichend Trinkwasser für ihre Bewoh-ner bereitzustellen. Die Wasserversorgung der Welt zu verbessern, ist eine Mammutaufgabe – auch die Gasespezialisten von Linde leis-ten hierzu einen wichtigen Beitrag.

LINK: www.waterfootprint.org

h₂o Für MeGa-cItIes: heraus-ForDerunG Der ZuKunFt.

48LINDE TECHNOLOGY #1.12 // INTENsIvmEDIzIN

Entspannung bEi HocHdruck

Herz-op: stickstoffmonoxid erweitert verengte Lungenarterien

Bei akutem Sauerstoffmangel leiden alle Organe. Zum Beispiel bei Lungenhochdruck, wenn dieser vor, während oder nach einer Herz-OP auftritt. Mit der INOmax®-Therapie von Linde lässt sich der Druck in den Lungengefäßen senken. Das Medizingas Stickstoffmonoxid entspannt die verengten Blutgefäße, sodass sich die Herzfunktion und Sauerstoffversorgung verbessern.

rend einer Operation kann sich der Zustand des Patienten jederzeit schlagartig verändern“, sagt Berit Lindh von Linde Healthcare im schwedischen Lidingö. Bei einigen Patienten kann es zu einer Ver-engung der Blutgefäße kommen, die das Blut vom Herzen zur Lunge führen – mit gefährlichen Folgen: Bei dieser so genannten Vasokon-striktion steigt der Blutdruck in den Pulmonalarterien, also den Lun-genschlagadern, immer weiter an. Das verursacht Lungenhochdruck und belastet in der Folge die rechte Herzkammer, die das Blut zur Lunge pumpt. Und nicht nur das: Von der Lunge gelangt dann weni-ger Sauerstoff aus der Atemluft ins Blut. Das belastet den Kreislauf zusätzlich und birgt die Gefahr eines schwerwiegenden Sauerstoff-mangels im gesamten Körper. Um das zu verhindern und den Kreis-lauf der Patienten wieder zu stabilisieren, gibt es in der Intensivme-dizin mehrere Möglichkeiten – eine davon ist INOmax®: eine Therapie mittels Stickstoffmonoxid, kurz NO. „Klinische Studien haben gezeigt, dass die Gabe von NO den erhöhten pulmonalarteriellen Druck redu-ziert“, erklärt Lindh. „Dadurch verbessert sich die Rechtsherzfunk-tion, der Blutkreislauf und damit auch die Sauerstoffzufuhr.“

NO wirkt selektiv auf den LungenkreislaufIn Europa gibt es jährlich etwa 420.000 Herzoperationen. Erhal-ten die Patienten das medizinisch geprüfte Inhalationsgas, gelangt es mit der Atemluft bis in die Lungenbläschen und dann weiter in die Blutgefäße der Lunge. Dort setzt das Stickstoffmonoxid (NO) eine biochemische Reaktion in Gang, für deren Aufklärung die US- Amerikaner Ferid Murad, Robert Furchgott und Louis J. Ignarro 1998 den Nobelpreis für Medizin und Physiologie erhielten (siehe Text-kasten): Wie körpereigenes NO signalisiert INOmax® den Gefäßen, sich zu entspannen und damit zu weiten. Intravenös gegeben, erwei-tert Stickstoffmonoxid (Nitroglycerin) alle Arterien und verbessert

Eine Herzoperation geht an die Substanz. Sowohl bei Kindern als auch Erwachsenen hängt das Leben dabei häufig am seidenen Faden. Egal ob Bypass, Herzklappe oder Organtransplantationen: Viele Eingriffe sind zwar mittlerweile Routine im medizinischen Alltag. Die OPs erfordern dennoch die volle Konzentration eines Ärzteteams. „Wäh-

Geringer Blutfluss

Stickstoffmonoxid (NO)

Höherer Blutfluss

Angespannte Muskelzelle

Entspannte Muskelzelle

Mehr Blutfluss dank entspannter Muskeln: Wenn sich Muskelzellen anspannen, verengen sich die gefäße und es fließt weniger blut. no entspannt die Muskeln, erhöht blutfluss und sauerstoffversorgung.

49INTENsIvmEDIzIN // LINDE TECHNOLOGY #1.12

NO – KLEINEs mOLEKüL, GrOssE WIrKuNG

Für die Aufklärung der Wirkungsweise des zwei-atomigen Moleküls Stickstoffmonoxid (NO) gab es 1998 den Nobelpreis für Medizin und Physiolo-gie. Gebildet wird NO in den Endothelzellen, der inneren Zellschicht der Arterien. Der Botenstoff diffundiert aber rasch zu den tiefer gelegenen glatten Muskelzellen und aktiviert dort die so genannte Guanylatcyclase (GC). Das Enzym pro-duziert schließlich den Botenstoff zyklisches Guanosinmonophosphat (cGMP), das eigentliche Signalmolekül für die Entspannung (Relaxation) der glatten Muskelzellen. Die Folge: Je mehr cGMP zum Beispiel in den Muskelzellen der Lungen-arterien vorhanden ist, desto dehnbarer sind die Gefäße – und desto eher kann der Blutdruck auf dem Weg vom Herz in die Lunge wieder sinken.

den Blutfluss – und damit die Sauerstoffversorgung in allen Organen und Geweben des Körpers. Zugleich kann es aber auch einen Blut-druckabfall auslösen. Anders bei der Inhalation von Stickstoffmon-oxid: Der direkte Transport über die Atemluft an den gewünschten Wirkort ist ein großer Vorteil: „Das inhalierte NO wirkt selektiv auf den Lungenkreislauf“, betont Lindh. Allein der Lungenhochdruck wird reduziert – und damit auch die Überlastung der rechten Herzkammer. Das verbessert die Sauerstoffzufuhr. Linde Healthcare vertreibt das Inhalationsgas INOmax® seit fast zwölf Jahren. Etwa 300.000 Pati-enten wurden weltweit bereits mit dem gasförmigen Medikament intensivmedizinisch behandelt: INOmax® ist für die Behandlung des Lungenhochdrucks bei Neugeborenen seit 2001 zugelassen und gilt seither als Standardtherapie bei der Behandlung von Lungen-fehlfunktionen. Kürzlich hat die Europäische Kommission INOmax® für Patienten aller Altersklassen neu zugelassen, wenn bei ihnen im Rahmen einer Herzoperation ein Lungenhochdruck auftritt. Europa- weit werden in Zukunft rund 10.000 Patienten pro Jahr von der INOmax®-Therapie profitieren. In der Regel reicht eine Behandlung über etwa 24 bis 48 Stunden aus, um den gewünschten Effekt zu erzielen. Inhaliertes NO kann aber auch über mehrere Tage verab-reicht werden. „Egal wie lange die NO-Zufuhr dauert – wichtig ist, dass das Absetzen danach schrittweise erfolgt“, warnt Lindh. Denn eine zu schnelle Entwöhnung von der Therapie birgt das Risiko des so genannten Rebound-Effekts: Der Druck in den Lungenarterien steigt wieder an, und der Kreislauf wird erneut instabil. Wie die Ent-wöhnung optimal gestaltet und mit welchen NO-Konzentrationen bei welchen Patienten am besten begonnen werden sollte, lernen Inten-sivmediziner, Anästhesisten und Pflegepersonal bei Schulungen, die Linde Healthcare ebenfalls anbietet. „INOmax® ist für uns mehr als nur ein Medikament: Wir bieten den Kliniken ein komplettes Thera-

piesystem samt Geräten, klinischer Unterstützung und Training – das umfasst alles vom Service bis zur technischen Unterstützung“, erklärt Lindh. „Unser INOvent®-Abgabesystem lässt sich mit allen gängigen Apparaturen kombinieren und stellt die richtige Verdünnung mit dem jeweiligen Sauerstoff-/Luftgemisch sicher“, so Lindh weiter.

Linde Healthcare kümmert sich auch um regelmäßigen Service und um die Wartung der Geräte. Von alldem profitieren vor allem die Patienten: „Dank der Überprüfung durch die europäische Arznei-mittelagentur haben Ärzte und Krankenschwestern die Sicherheit, dass sie ihre Patienten im Fall der neuen Indikation mit dem zuge-lassenen Arzneimittel behandeln können“, so Roel Kellenaers, Lei-ter von Global Marketing, Sales and Business Development, Linde Healthcare. „Die INOmax®-Therapie ist ingesamt sehr sicher“, sagt Lindh. Wie bei allen Medikamenten sind Nebenwirkungen natürlich nicht auszuschließen. Und wenn doch, dann sind diese in der Regel abhängig von der Dosis. So wurde bei einigen Patienten zum Beispiel eine geringere Anzahl an Blutplättchen und damit verlängerte Blu-tungszeiten beobachtet. Neben der Gefäßerweiterung bei Lungen-hochdruck wird NO in Form von Nitroglycerin-Sprays oder -Tablet-ten bereits seit langem in der Therapie der Herzerkrankung Angina pectoris eingesetzt. Zudem ist NO wichtig für die Signalweiterleitung im Gehirn, für den Geruchssinn und bei der Immunabwehr. Weltweit laufen Forschungsprojekte zu dem medizinischen Potenzial dieses farblosen Gases – und es ist noch lange nicht ausgeschöpft.

LINK: www.nhlbi.nih.gov/health/health-topics/topics/hlw/system.html

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KrAFtSChuB Für ZeLLFABriKen

Sauerstoff macht biotechnologische Prozesse leistungsfähiger

Die Zukunft der Industrie steckt in der Natur. Weil Erdöl knapp wird, müssen verstärkt nach-wachsende Rohstoffe genutzt werden. Den Schlüssel dazu liefert die Biotechnologie mit maß-geschneiderten Mikroorganismen. Experten von Linde Gas Deutschland und Linde Engineering Dresden wollen die Zellfabriken jetzt auf Höchstleistungen trimmen – mithilfe von Sauerstoff.

Sie haben weder Biologie studiert noch einen Doktortitel in Chemie. Den- noch managen lebende Zellen ein kompliziertes biochemisches Räder-werk. Menschen nutzen die Talente von Einzellern wie Bakterien, Hefen oder Pilze schon lange: Käse, Wein und Joghurt, aber auch Peni- cillin sind bekannte Beispiele für die Leistung der Mikroorganismen. Die optimal aufeinander abgestimmten Stoffwechselprozesse, die in den Zel- len ablaufen, hätte kein Chemieingenieur besser konstruieren können.

Die Industrie hat die Qualitäten der Zellfabriken längst erkannt und nutzt den Ideenreichtum der Natur zur Herstellung von Pharmawirk-stoffen, Grundchemikalien und Biokraftstoffen. „Die Biotechnologie hat das Zeug dazu, die chemische Industrie künftig völlig umzukrem-peln und auf eine grüne Basis zu stellen. Denn die Mikroorganis-men können Biomasse besonders effizient in nützliche Verbindungen umwandeln“, sagt Johann Kaltenegger, Anwendungstechniker in der Marktentwicklung Chemie der Linde Gases Division.

Komplexe Wirkstoffmoleküle, Enzyme, aber auch Massenchemika-lien wie Zitronensäure oder Futtermitteladditive wie die Aminosäure Lysin lassen sich mit maßgeschneiderten Bakterienstämmen und speziell gezüchteten tierischen Zellkulturen viel eleganter und kostengün-stiger produzieren. „Ein wichtiges Verfahren in der Biotechnologie ist die Fermentation, also die großtechnische Kultivierung der Mikro-organismen, die beispielsweise Glukose oder Stärke in chemische Produkte umsetzen“, so Kaltenegger. Der Lebensraum der winzigen Chemiefabriken sind so genannte Fermentationsreaktoren: Die riesigen Behälter aus Edelstahl sind mit einer wässrigen Nährstofflösung befüllt und können beheizt, gekühlt, begast und gerührt werden. Bei 30 bis 40 Grad Celsius fühlen sich die meisten gegenwärtig kommer-ziell genutzten Zellen besonders wohl und vermehren sich rasch.

„Neben dem zuckerhaltigen Futter brauchen die Mikroorganis-men aber für viele Produkte auch Sauerstoff“, erklärt Dr. Michael Buchmann, Disziplin-Manager Industrielle Biotechnologie bei der Linde Engineering Dresden GmbH. Denn viele Fermentationen in der pharmazeutischen und der Spezialchemie-Industrie verlaufen aerob, also mithilfe von Sauerstoff. Das Lebensmolekül O₂ ist eine wich-tige Substanz für alle Zellen: Es ist essentiell für die Atmung, kurbelt

Auf ZuCkEr GEBAuT

Die industrielle Biotechnologie benötigt eine ausreichen- de Zuckerversorgung. Der süße Rohstoff stammt vor allem aus Zuckerrohr und -rübe, aber auch aus Mais, Weizen und Maniok. 160 Millionen Tonnen Kohlenhydrate werden weltweit jedes Jahr von Mikroorganismen umgesetzt. Dennoch übersteigt die globale Zuckernachfrage seit der Jahrtausendwende regelmäßig die Produktion. Spitzen-reiter sind die USA und Brasilien: Sie benötigen mehr als drei Viertel der globalen Zuckerproduktion für die Fer-mentation, vor allem für die Bioethanol-Gewinnung. Die EU-27 benötigt für die industrielle Biotechnologie rund 5,5 Millionen Tonnen Zucker. Weltweit wird intensiv an der Umwandlung von Agrarreststoffen sowie Holz in Zucker gearbeitet, um der wachsenden Konkurrenz zur Nahrungsmittelproduktion zu begegnen.Zahlen: eCO SYS

51BIOTECHNOLOGIE // LINDE TECHNOLOGY #1.12

Frischluft im Fermenter: Mit der richtigen Sauerstoffversorgung wachsen Mikroorganismen schneller. Bei Biotech-Prozessen erhöht dies oft die Aus-beute des gewünschten Produkts.

52LINDE TECHNOLOGY #1.12 // BIOTECHNOLOGIE

etliche Stoffwechselprozesse an und trimmt sie auf Höchstleis-tungen. Und bei vielen Biotech-Prozessen gilt: Je mehr Biomasse erzeugt wird, desto größer ist die Ausbeute am gewünschten Pro-dukt. Herrschen also optimale Wachstumsbedingungen im Fermenter, spiegelt sich das direkt im Ertrag wider. Ein Rührwerk sorgt für eine gute Durchmischung. „Bei steigendem Sauerstoffbedarf muss man die Rührergeschwindigkeit aufgrund des Wachstums der Zellen erhö-hen. Das führt zu einer stärkeren Dispergierung der eingebrachten Luftblasen und wegen der vergrößerten Oberfläche zu einer Erhö-hung des Sauerstoffeintrags“, sagt Dr. Karl-Heinz Schneider, Global Drug Discovery bei der Bayer AG.

Mehr Sauerstoff, weniger rühren „Meist ist der natürliche Sauerstoffgehalt in der Luft mit knapp 21 Pro- zent zu gering für eine optimale Sauerstoffversorgung der Zellen, insbesondere wenn hohe Wachstumsraten gefordert sind“, sagt Buchmann. Es besteht die Gefahr von Sauerstoffmangel und damit einem schlechteren Zellwachstum – vor allem dann, wenn die Mischung sehr viskos ist. „Damit sich unter diesen erschwer-ten Bedingungen genügend O₂ im Wasser löst, muss entweder sehr stark gerührt oder ein höherer Gas-druck angelegt werden“, erklärt Kaltenegger. Doch diese Strategie hat auch Nachteile: Starkes Rühren kann sensible Zellen beschädigen oder sogar zerstö-ren. „Bei der biotechnologischen Produktion von monoklonalen Anti-körpern werden nahezu ausschließlich tierische Zellen verwendet, die extrem scherempfindlich sind“, erklärt Johanna Leisling, Anwen-dungstechnikerin in der Marktentwicklung Chemie der Linde Gases Division. Diese Kulturen können nur leicht gerührt werden. „Um den

wachsenden O₂-Bedarf dennoch zu decken, werden diese mit einem Gemisch aus Luft und Sauerstoff begast“, sagt Schneider. „Für die Fermentation von tierischen Zellen wird also immer reiner Sauerstoff benötigt“, so der Bayer-Experte. Denn die Alternative, den O₂-Gas- druck zu erhöhen, ist nicht vorteilhaft: Zwar können die Zellen dann

leichter Sauerstoff aufnehmen, aber Kohlendioxid auch schwerer in das umgebende Medium abgeben. Das behindert die Atmung der Zellen und macht sie unproduktiver. Deshalb verfolgen die Experten der Linde Gases Division gemeinsam mit ihren Kollegen von Linde Engineering in Dresden eine andere Stra-tegie gegen den O₂-Mangel: Sie wollen die Brutluft mit reinem Sauerstoff anreichern. „Teilweise haben bereits die Kunden den Wunsch, O₂-reicheres Gas einzusetzen – beispielsweise im Pharmabereich.

Hier wird wegen der empfindlichen Zellkulturen häufig sogar beson-ders reine synthetische Luft verwendet, also eine Gasmischung von 20 Prozent Sauerstoff und 80 Prozent Stickstoff“, weiß Buchmann. Versuche im Labor haben bereits gezeigt, dass aerobe Fermentati-onen von mehr Sauerstoff deutlich profitieren. Um die Vorteile für

BiOteCh AuF hOChtOuren: O₂ mACht PrOZeSSe wirt-SChAFtLiCher.

Chemiedesign im Bio-Gewand: in den riesigen edelstahl-Fermentern lassen sich die optimalen wachs-tumsbedingungen für die Zellen ein-stellen (links und unten rechts). Die richtige Sauerstoffversorgung ist beim Kultivieren von Bakterien wichtig (unten), aber auch bei der Fermentation von tierischen Zellen, die zum Beispiel monoklonale Antikörper produzieren (unten links).

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53BIOTECHNOLOGIE // LINDE TECHNOLOGY #1.12

Biotech-Prozesse im Produktionsmaßstab zu untermauern, haben die Linde-Ingenieure neben Wirtschaftlichkeitsberechnungen auch Computersimulationen durchgeführt. „Unsere Basis war das Bakte-rium Escherichia coli in einem 50 Kubikmeter großen Fermenter – ein gängiges System in der Biotechnologie zum Beispiel zur Insulinher-stellung. Mithilfe der Simulationsmodelle konnten wir genau unter-suchen, wie viel Biomasse sich bei normaler Luftbegasung und bei Sauerstoffanreicherung über die Zeit bildet“, erklärt Buchmann.

Zellkulturen im SauerstoffbadDie Ergebnisse sprechen für sich: Wird der O₂-Gehalt auf 30 Prozent erhöht, haben sich durch die damit erzielbare hohe Wachstumsrate bereits nach 15 Stunden 50 Gramm Biomasse pro Liter gebildet. Zum Vergleich: Sprudelt Umgebungsluft in den Fermenter, sind nach 60 Stunden erst 30 Gramm Biomasse pro Liter entstanden. Zudem las-sen sich durch mehr Sauerstoff im Reaktionsgefäß auch höhere Zell-dichten, also mehr Mikroorganismen pro Volumen, kultivieren. Durch den zusätzlichen Sauerstoff wird die Apparatur zum Hochleistungs-fermenter. Buchmann: „Der Biotech-Prozess läuft besser ab. Wir ver-zeichnen ein schnelleres Wachstum in kürzerer Zeit und damit auch mehr Ausbeute an Produkt.“ Ein weiterer Vorteil: Es bildet sich oft weniger Schaum im Bioreaktor. Dank des Sauerstoffs muss weni-ger Gas durch die Lösung sprudeln. Auf so genannte chemische Ent-schäumer, die den Biotech-Prozess stören können, lässt sich also gegebenenfalls verzichten.

Aber das schnelle Wachstum der Mikroorganismen birgt auch Risiken, weiß Leisling: „Wenn der Zellstoffwechsel auf Hochtouren läuft, wird deutlich mehr Wärme produziert. Und das macht natür-lich leistungsfähigere Kühlsysteme erforderlich.“ Die aufwendigere apparative Ausstattung verursacht aber nur zu Beginn Mehrkosten. Denn die Linde-Experten konnten mit ihrer Wirtschaftlichkeits- studie zeigen, dass diese durch den schnelleren Biotech-Prozess, Ein-sparungen bei Energie und Nährstoffmedium sowie eine geringere Abwasserproduktion überkompensiert werden. „Eine O₂-Versorgung zu installieren, ist zudem unkompliziert, denn die Bioreaktoren besit-

zen bereits die Vorrichtung zum Einsprudeln der Luft“, erklärt Leis-ling. Das Sauerstoffversorgungssystem von Linde, OXIMIX®, und das dazugehörige Mess- und Regelsystem FLOWTRAIN® können also ein-fach integriert werden.

Das Turbo-Wachstum mithilfe von Sauerstoff soll in Zukunft auch von einer Forschungsgruppe am Chemisch-Biotechnologischen Pro-zesszentrum in Leuna (siehe Beitrag in LT #2/2011) noch genauer untersucht werden. Dort forschen Wissenschaftler der Fraunhofer Gesellschaft gemeinsam mit Linde-Mitarbeitern und anderen Indus-trieunternehmen sowie wissenschaftlichen Partnern u. a. an der Ent-wicklung neuer Biotech-Verfahren. „Denn trotz aller Vorteile ist die Biotech-Szene noch etwas skeptisch“, so Kaltenegger. „Wenn ein Bakterienstamm das richtige Produkt mit guter Ausbeute herstellt, reicht das den meisten.“ Aber der Linde-Experte ist überzeugt, dass sich die Einstellung „Never change a running system“ in den näch-sten Jahren ändern wird, weil die O₂-Anreicherung großes Ertragspo-tenzial bietet.

BuNTE BIOTECH-WELT

Ein Farbcode erleichtert die Zuordnung der biotechnolo-gischen Anwendungsfelder. Die Weiße Biotechnologie nutzt die Werkzeuge der Natur wie Bakterien, Hefezellen oder Enzyme zur industriellen Produktion. Vor allem in der Ernährung bereichern Produkte der Weißen Biotech-nologie schon jahrtausendelang das Leben der Men-schen: Wein, Brot, Bier, Käse oder Joghurt lassen sich nur mittels Mikroorganismen herstellen. Mittlerweile helfen die natürlichen Werkzeuge auch bei der Produktion von Grund- oder Spezialchemikalien. Die Rote Biotechno-logie, angelehnt an die Farbe des menschlichen Blutes, macht heute den größten Bereich aus und beschäftigt sich mit der Entwicklung neuer therapeutischer und dia-gnostischer Verfahren. Medikamente wie Antikörper oder Hormone sind bekannte Beispiele. Die wissenschaftlichen Grundlagen bildet die moderne Genforschung. Der grüne Blattfarbstoff Chlorophyll hat der Grünen Biotechnologie ihren Namen verliehen. Dabei widmet man sich der Züch-tung neuer Pflanzensorten und entwickelt anhand mole-kularer Methoden beispielsweise verbesserte Nutzpflan-zen und ertragreichere Sorten. Die Blaue Biotechnologie konzentriert sich auf Organismen der Ozeane. Besonders interessant für die Forscher: Hitzestabile Enzyme aus Tiefseebakterien, die in der Nähe heißer, unterseeischer Vulkane leben.

LINK: www.europabio.org

WACHSTuMSMArkT BIOTECHNOLOGIE

Weltweite Umsätze in Milliarden EuroQuelle: DIB, McKinsey

EnzymeChemikalien, Polymere

Pharma-Wirkstoffe

54LINDE TECHNOLOGY #1.12 // INsEkTENfaLLE

Mückenfang Mit cO₂

Umweltfreundlich gegen Moskitos

Sommerzeit ist Mückenzeit. Bislang können nur Insektizide und UV-Lichtfallen die Blutsauger abwehren. Aber darunter leiden auch nützliche Bienen. Die Firma Biogents AG hat eine umwelt- freundliche Falle gegen die Moskitos entwickelt: Sie arbeitet mit Kohlendioxid von Linde.

Jährlich grüßt die Insektenplage. Kaum ist es warm genug, um die Sommerabende auf der Terrasse oder im Garten zu verbringen, schon schwirren die ersten Blutsauger – und die Stiche jucken an Beinen und Armen. Bislang half nur die chemische Keule, um sich vor den lästigen Moskitos zu schützen. Doch Mückensprays enthalten Insek-tengifte, die auch Nützlinge schädigen können.

Eine in Deutschland neue Methode setzt auf eine völlig andere Strategie: Mit Kohlendioxid lassen sich die stechenden Plagegeister an der Nase herumführen und gezielt fangen. Im Vergleich zu Insek-tiziden ist die Alternative umweltfreundlich. Kohlendioxid ist für bei-nahe alle Mücken in Mitteleuropa einer der wichtigsten Lockstoffe. Auch Menschen atmen etwa ein Kilogramm CO₂ pro Tag aus. Das Gas führt die Insekten wie auf einer unsichtbaren Geruchsspur zur Blut-mahlzeit. Die Schwäche der Mücken für Kohlendioxid wird ihnen mit der neu entwickelten Falle zum Verhängnis. Die Firma Biogents AG hat zusammen mit Forschern der Universität Regensburg eine einfache, aber effektive Lösung entwickelt: Der Mosquitaire™ Plus lockt die geflügelten Plagegeister per CO₂ in die Falle. Das Gas stammt von der Linde-Tochter Unterbichler Gase GmbH und wird unter dem Pro-duktnamen BIOGON® C vertrieben. Dr. Stephan Schmitz, Leiter Produktmanagement bei Linde Gas Deutschland, hat die Mückenfalle bereits im eigenen Garten getestet – und ist begeistert: „Die Falle ist leicht aufzubauen, man schließt nur Strom und BIOGON® C an und sie läuft.“ Der Mosquitaire™ Plus selbst besteht aus einem Kunststoffbehälter. Aus einer Düse strömt das angeschlossene CO₂, das die Atemwolke imitiert – je nach Einstellung 200 bzw. 500 Gramm pro Tag. In der Mitte befindet sich ein Loch, in das die angelockten Moskitos über einen Lüfter angesaugt werden. Dort landen sie in einem Beutel und können nicht mehr flüchten. Nur die Mückenweibchen gehen in die Falle. Denn nur diese saugen Blut, während sich die Männchen von Pflanzennektar ernähren. Die

Entwickler versprechen bis zu 85 Prozent weniger Stiche durch die neue Lösung. „Und bei längerem Betrieb der Falle lässt sich auch die Mückenpopulation an sich deutlich reduzieren. Denn jedes Weibchen kann in seinem Leben etwa 200 Eier legen – aus denen dann wieder neue Stechmücken schlüpfen“, erklärt Schmitz.

Die Falle imitiert aber nicht nur die menschliche Atemwolke, sondern auch den Körpergeruch – und zwar durch ein einfaches Kreislaufsystem: Der künstliche Atem wird ebenso wie die Stech- insekten in das Gerät gesogen. Darin wird die mit CO₂ angereicherte

Luft umgeleitet und über einen Geruchspender mit kleinen Mengen an Substanzen versetzt, die auch im menschlichen Schweiß vorkommen. Die-ser Duftmix strömt großflächig aus der Oberseite der Falle. Dadurch wird der Kohlendioxid-Lock-stoff angereichert und gleichzeitig noch reizvoller gemacht. So werden die Mücken aus einer Distanz von bis zu 20 Metern angelockt. Und im Gegensatz

zu Insektiziden oder UV-Lichtfallen, die alle Insektenarten, also auch Blütenbestäuber und Nützlinge anzieht, ist die CO₂-Falle tatsäch-lich selektiv für Stechmücken. „Denn der Mosquitaire™ Plus simu-liert den Menschengeruch. Er ist deshalb nur für Blutsauger attrak-tiv und für Bienen, Schmetterlinge oder Marienkäfer uninteressant“, erklärt Schmitz.

LINK: www.biogents.com

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aUsgetrickste Mückennasen: 85 PrOzent weniger stiche.

LINDE TECHNOLOGY #1.12 // IMprEssuM

Impressum

Herausgeber:Linde AG Klosterhofstraße 1, 80331 München Telefon +49.89.35757-01 Telefax +49.89.35757-1398www.linde.com

redaktion: Verantwortlich: Dr. Thomas Hagn, Linde AG; wissen + konzepte, München

Bildredaktion: Judith Schüller, Hamburg

Layout:wissen + konzepte, München;Almut Jehn, Bremen

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Nachdrucke oder elektronische Verbreitung nur mit Zustimmung des Herausgebers. Mit Ausnahme der gesetzlich zugelassenen Fälle (und bei vollständiger Quellenangabe) ist die Nutzung der Berichte aus „Linde Technology“ ohne Einwilligung des Herausgebers nicht gestattet.

ISSN 1612-2224, Printed in Germany – 2012

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Mehr erdgas fördern: 670.000 Kubikmeter stickstoff erzeugen die beiden Luftzerleger des Linde-AdnOC-Gemeinschaftsunternehmens Elixier stündlich. N₂ macht die Erdgasproduktion in Abu dhabi effizienter.

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Bildquellen:Titel: Linde AG // seite 04/05: Laurance B. Aluppy, Don Farrall, Sean Gallup/Getty Images, Roche PR // seite 06/07: Linde AG // seite 08/09: Frank Siemers/laif, Linde AG (2) // seite 11: Linde AG // seite 12/13: Linde AG (2), Novosti/SPL/Agentur Focus, BKA // seite 14/15: picture-alliance/dpa, Linde AG (2), Hollandse Hoogte/laif, Image Source/Getty Images // seite 16: John Zoiner/Getty Images // seite 18/19: Linde AG (2), Cuthbert/SPL/Agentur Focus // seite 21: Shuli Hallak/Corbis // seite 22/23: Linde AG, Roy Morsch/Corbis, Justin Sullivan/Getty Images // seite 24/25: Linde AG // seite 27: Cameron Davidson/Corbis // seite 28/29: plainpicture/Design Pics, ddp images, Bloomberg/Getty Images, Linde AG // seite 30/31: Linde AG (2) // seite 32: Jonelle Weaver/ Getty Images // seite 34/35: Linde AG (4), Ruiz/Treal/laif // seite 37: Thomas Ernsting/laif // seite 38/39: Getty Images, plainpicture/Cultura, Tallent Automotive Limited // seite 40/41: Andreas Hub/laif, Bally/Keystone Schweiz/laif // seite 42: Linde AG // seite 44: Janet Forster/Getty Images // seite 46/47: Bloomberg/Getty Images, Yu Fangping/Imaginechina/laif, Linde AG // seite 48/ 49: Linde AG // seite 51: Science Photo Library/Agentur Focus // seite 52/53: Linde AG, Ingram/Getty Images, Roche PR (2) // seite 54: M. Barraud/Getty Images, Bayer AG

Hinter jeder hervorragenden Leistung stehen Menschen mit Ambition.

Ein außergewöhnliches Projekt: Europas größte Erdgasverfl üssigungs-Anlage in Norwegen wurde mit dem Know-how der Linde Group errichtet. Ein perfektes Beispiel dafür, dass wir als eines der weltweit führenden Gase- und Engineering-unternehmen mit rund 50.500 Mitarbeitern in mehr als 100 Ländern innovative Ideen entwickeln, die den Horizont des menschlich Machbaren konsequent erweitern. Herausragende Ingenieurkunst, Exzellenz im operativen Bereich und der Antrieb, bei Technologien und Innovationen weltweit neue Maßstäbe zu setzen, unterstützen uns dabei, richtungsweisende Schritte in eine lebenswerte Zukunft zu machen. Weitere Informationen über The Linde Group fi nden Sie online unter www.linde.com.

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Linde AG Klosterhofstraße 180331 München Telefon +49.89.35757-01 Telefax +49.89.35757-1398www.linde.com

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Ausgabe

#1. 12 Wasseraufbereitung

Entsalztes Meerwasser trinkbar machen MetaLLVerarbeitung Bauteile verzugsfrei schweißen

KriMinaLtechniK Mit Gasetechnologie auf Spurensuche

cO₂ abtrennenKlimafreundliche Kohlekraft

schiefergas nutzenRohstoffe effizienter fördern

titeLtheMa: energien aus der erde

KOhLe uMWandeLn Synthetische Erdgasproduktion

neue Wege für Mehr effizienz und KLiMaschutz

EnErgiEn Aus dEr ErdE

LINDE TECHNOLOGY