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links 5.2014 1 Inhalt Nr.5/2014 Weg mit der Pauschalsteuer! 3 Sparen hinterrücks 4 Kantone nötigen Regionalbahnen 5 Glencore in Peru 6 Null Bodenpolitik in St.Gallen 8 SP-Wahlkampf läuft an 11 Editorial Am 30. November stimmen wir über die Abschaffung der Pauschalbesteuerung ab und damit über das Ende der Steuerprivilegien für einige wenige auslän- dische Multimillionäre. «Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich» heisst es eigentlich. Aber offenbar ist man als reicher Ausländer in diesem Land etwas gleicher als die anderen. Für die Nein-Kampagne haben nun einige Gemeinden in der Schweiz mehr als eine Viertelmillion Franken Steuergelder an ein privates Abstimmungskomitee gezahlt – wahrscheinlich solche Gemeinden, die gegen jedes Asylzentrum demonstrieren würden. Die Bürgerinnen und Bürger dieser Gemeinden müssen also nicht nur hinnehmen, dass ihre ausländischen Multi- millionärsnachbarn steuerliche Extrawürste einheimsen. Sie müssen jetzt mit ihren Steuern auch noch mitfinanzieren, dass dies auch ja so bleibt. Allein Nobelorte wie Zermatt, St.Moritz und Gstaad spendeten mehrere zehntausend Franken, um ihre Pauschal- besteuerten zu halten. In diesem Kontext passt der Slogan der SP-Kampagne «Geldadel schadet der Demokra- tie» perfekt. Trotzdem müssen wir aufpassen, nicht die Falschen anzuprangern. Der Feind ist nicht der Multimillionär, der sich die totale Amoralität der politischen Eliten dieser Gemein- den zu Nutze macht. Unsere Gegner sind diejenigen, die immer noch Politik für einige wenige machen anstatt für alle. Eine Politik, welche die Reichsten in diesem Land privilegiert und allen anderen schadet. Diese Politik gehört bekämpft. Sie macht den Geldadel erst möglich, und sie ist es, die der Demokratie schadet. Monika Simmler, Präsidentin SP Kanton St.Gallen Klartext zur Politik im Kanton St.Gallen www.sp-sg.ch Dezember 2014 Nr. 5 M it 6165 Unterschriften reichte das lin- ke Komitee «Zukunft statt Abbau» im letzten Frühling die Steuergerechtigkeits- initiative ein. Diese sieht vor, dass die Steu- erbelastung wieder progressiv ausgestal- tet werden soll. Das Nettovermögen über 1 Mio. Franken soll statt 1,7 Promille neu mit 2 Promille, dasjenige über 2 Mio. neu mit 3 Promille versteuert wer- den. Dies brächte dem Kanton Mehreinnahmen von 27,6 Mio. und den Gemeinden solche von 36,7 Mio. Franken. Die hohen und höchsten Vermögen leisteten damit endlich wieder einen gerechten Bei- trag an die Sanierung der Haushalte. Die Regierung lehnt die progressive Ausgestal- tung der Vermögenssteuern jedoch rund- weg ab. Sie argumentiert mit der Steuerstrategie, die ausschliess- lich auf dem Wettbewerb ba- siert. Ein Gegenargument lautet, in Zeiten niedriger im Lotto gewonnen haben. Dennoch sol- len der Kanton und die Gemeinden Mehr- einnahmen erhalten. Irgend jemand muss also mehr zahlen. Das sind aber keines- wegs die Reichen und Gutgestellten. 7,2 Mio. Franken kommen nämlich von der geplanten Erhöhung des Selbstbehaltes bei den Krankheitskosten von 2 auf 5%. Zur Kasse werden also die Kranken gebeten, nicht die Vermögenden. Die Regierung hält stur an der Bevor- zugung der Reichen fest. Und es ist abseh- bar, dass die Hauseigentümerlobby sich mit den geplanten Steuergeschenken nicht zufriedengeben wird. Sie wird versuchen, noch mehr herauszuholen. Die Umvertei- lung von unten nach oben geht im Kan- ton St.Gallen munter weiter. Will die Be- völkerung das? Ein allfälliges Referendum gegen diese Pläne könnte darüber Auf- schluss geben. Umverteilung geht munter weiter Die St.Galler Regierung will keine Steuergerechtigkeit. Sie schlägt im Gegenteil weitere Privilegien für Vermögende vor. Bezahlen soll die Bevölkerung. Bild links Von Peter Hartmann, Fraktionschef SP-Grüne, Flawil Realver- zinsung reiche der erziel- te Vermö- gensertrag nicht aus, um die Steuern zu beglei- chen. Dieses Mitleid mit den Reichen ist jedoch haarsträubend. Alle sta- tistischen Daten zeigen, dass die Zahl der Vermö- gensmillionärInnen deutlich ansteigt, ebenso die höchsten Vermögen. Regierung ohne Einsicht Gleichzeitig bringt die Regierung einen Nachtrag zum Steuergesetz ins Parlament. Mit weniger Steuern können u.a. Hausei- gentümerInnen und Leute rechnen, die Die St.Galler Regierung schont die Reichen bei den Steuern. Wie lange noch?

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Klartext zur Politik im Kanton St.Gallen.

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links 5.2014 1

Inhalt Nr.5/2014Weg mit der Pauschalsteuer! 3Sparen hinterrücks 4Kantone nötigen Regionalbahnen 5Glencore in Peru 6Null Bodenpolitik in St.Gallen 8SP-Wahlkampf läuft an 11

E d i t o r i a l Am 30. November stimmen wir über die Abschaffung der Pauschalbesteuerung ab und damit über das Ende der Steuerprivilegien für einige wenige auslän-

dische Multimillionäre. «Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich» heisst es eigentlich. Aber offenbar ist man als reicher Ausländer in diesem Land etwas gleicher als die anderen. Für die Nein-Kampagne haben nun einige Gemeinden in der Schweiz mehr als eine Viertelmillion Franken Steuergelder an ein privates Abstimmungskomitee gezahlt – wahrscheinlich solche Gemeinden, die gegen jedes Asylzentrum demonstrieren würden. Die Bürgerinnen und Bürger dieser Gemeinden müssen also nicht nur hinnehmen, dass ihre ausländischen Multi- millionärsnachbarn steuerliche Extrawürste einheimsen. Sie müssen jetzt mit ihren Steuern auch noch mitfinanzieren, dass dies auch ja so bleibt. Allein Nobelorte wie Zermatt, St.Moritz und Gstaad spendeten mehrere zehntausend Franken, um ihre Pauschal-besteuerten zu halten. In diesem Kontext passt der Slogan der SP-Kampagne «Geldadel schadet der Demokra-tie» perfekt. Trotzdem müssen wir aufpassen, nicht die Falschen anzuprangern. Der Feind ist nicht der Multimillionär, der sich die totale Amoralität der politischen Eliten dieser Gemein- den zu Nutze macht. Unsere Gegner sind diejenigen, die immer noch Politik für einige wenige machen anstatt für alle. Eine Politik, welche die Reichsten in diesem Land privilegiert und allen anderen schadet. Diese Politik gehört bekämpft. Sie macht den Geldadel erst möglich, und sie ist es, die der Demokratie schadet. Monika Simmler, Präsidentin SP Kanton St.Gallen

Klartext zur Politik im Kanton St.Gallen www.sp-sg.ch Dezember 2014 Nr. 5

Mit 6165 Unterschriften reichte das lin-ke Komitee «Zukunft statt Abbau» im

letzten Frühling die Steuergerechtigkeits-initiative ein. Diese sieht vor, dass die Steu-erbelastung wieder progressiv ausgestal-tet werden soll. Das Nettovermögen über

1 Mio. Franken soll statt 1,7 Promille neu mit 2 Promille, dasjenige über 2 Mio. neu mit 3 Promille versteuert wer-den. Dies brächte dem Kanton Mehreinnahmen von 27,6 Mio. und den Gemeinden solche von 36,7 Mio. Franken. Die

hohen und höchsten Vermögen leisteten damit endlich wieder einen gerechten Bei-trag an die Sanierung der Haushalte. Die Regierung lehnt die progressive Ausgestal-

tung der Vermögenssteuern jedoch rund-weg ab. Sie argumentiert mit der Steuerstrategie, die ausschliess-lich auf dem Wettbewerb ba-siert. Ein Gegenargument lautet, in Zeiten niedriger

im Lotto gewonnen haben. Dennoch sol-len der Kanton und die Gemeinden Mehr-einnahmen erhalten. Irgend jemand muss also mehr zahlen. Das sind aber keines-wegs die Reichen und Gutgestellten. 7,2 Mio. Franken kommen nämlich von der geplanten Erhöhung des Selbstbehaltes bei den Krankheitskosten von 2 auf 5%. Zur Kasse werden also die Kranken gebeten, nicht die Vermögenden. Die Regierung hält stur an der Bevor-zugung der Reichen fest. Und es ist abseh-bar, dass die Hauseigentümerlobby sich mit den geplanten Steuergeschenken nicht zufriedengeben wird. Sie wird versuchen, noch mehr herauszuholen. Die Umvertei-lung von unten nach oben geht im Kan-ton St.Gallen munter weiter. Will die Be-völkerung das? Ein allfälliges Referendum gegen diese Pläne könnte darüber Auf-schluss geben.

Umverteilung geht munter weiterDie St.Galler Regierung will keine Steuergerechtigkeit. Sie schlägt im Gegenteil weitere Privilegien für Vermögende vor. Bezahlen soll die Bevölkerung.

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Von Peter Hartmann, Fraktionschef SP-Grüne, Flawil

Realver-zinsung reiche der erziel-te Vermö-gensertrag nicht aus, um die Steuern zu beglei-chen. Dieses Mitleid mit den Reichen ist jedoch haarsträubend. Alle sta-tistischen Daten zeigen, dass die Zahl der Vermö-gensmillionärInnen deutlich ansteigt, ebenso die höchsten Vermögen.

Regierung ohne EinsichtGleichzeitig bringt die Regierung einen Nachtrag zum Steuergesetz ins Parlament. Mit weniger Steuern können u.a. Hausei-gentümerInnen und Leute rechnen, die

Die St.Galler Regierung schont die Reichen bei den Steuern. Wie lange noch?

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Eine Schweiz, die manchmal irritiert

«Die Schweiz hat im nahen Ausland manchmal etwas von einem Ver-

wandten: Man ist sich vielfach sehr nah, es kommt aber auch immer wieder zu Ir-ritationen.» Was Gottfried Christmann, SPD-Mitglied und Gewerkschafter in Süd-württemberg, damit genau meinte, wur-de im Verlauf des Abends immer klarer. Niemand wollte die enge Zusammenar-beit und die starken wirtschaftlichen Ab-hängigkeiten der Schweiz mit dem Rest Europas bestreiten. Gar 80% der Exporte aus dem Kanton St.Gallen landen allein in Baden-Württemberg, betonte auch Clau-dia Friedl, Nationalrätin und Mitglied der Aussenpolitischen Kommission. Aber von Interesse waren natürlich weniger die Ge-meinsamkeiten als die Irritationen.

Problem der SVP-PropagandaSind die SchweizerInnen wirklich so aus-länderfeindlich, wie es gewisse Abstim-mungsergebnisse anzuzeigen scheinen? «Nein», meinte Claudia Friedl, «das Prob-lem ist die Dominanz der ausländerfeind-lichen Propaganda.» Wenn mit der FDP selbst die liberale Partei der Schweiz auf diesen gefährlichen Zug aufspringt, müsse man sich nicht mehr fragen, warum dieser grosse Unterschied zwischen Realität und politischer Wahrnehmung bestehe. We-der Reinhold Einwallner, Landtagsabge- ordneter und Geschäftsführer der SPÖ Vor- arlberg, noch Gottfried Christmann konn-ten bestätigen, jemals persönliche Erfah-rungen mit Schweizer Ausländerfeindlich- keit gemacht zu haben. Ist die Schweiz denn wirklich ein Einzelfall? «Viele EU-Staaten, vor allem aber Grossbritannien, blicken zur Zeit in Richtung Schweiz und fordern mehr Souveränität bei der Migra-

Am SP-Parteitag in St.Gallen gab es eine Europadebatte mit Vertre-tern der Nachbarländer. Die Frage war unter anderem: Wie auslän-derfeindlich ist die Schweiz?

tion ein», so Christmann. In diesen Diskus-sionen liege momentan eine Gefahr für die Schweiz. Die EU habe ohnehin wenig Grund, sich gegenüber der Schweiz ver-handlungsbereit zu zeigen. Die Gefahr, auch intern bei der Personenfreizügigkeit Abstriche machen zu müssen, werde sie noch kompromissloser machen. Und plötz-lich kam sie dann doch auf, die an einem Podium mit drei Linken oft fehlende Aus-einandersetzung. «Auch von Seiten der EU sind klare Interessen da, die wirtschaftli- che Zusammenarbeit mit der Schweiz hoch-zuhalten. Wir können also keineswegs von einem «bösen Ungeheuer» sprechen», ent-gegnete Claudia Friedl optimistisch.

Wohlstandszuwachs fehltDie Einigkeit kehrte auf dem Podium schnell wieder ein, nämlich als Claudia Friedl ihre Erklärung für die europafeind-liche Stimmung trotz wirtschaftlichem Aufschwung abgab: «Das Problem ist, dass der Wohlstandszuwachs nicht bei der all-gemeinen Bevölkerung ankommt: Die Löh-ne steigen nicht, auch wenn das Wachs-tum gesamtwirtschaftlich klar vorhanden ist. Das ist die Saat dieser Abschottungspo-litik.» Auch Reinhold Einwallner pflichtete bei, dass das Wachstum der Nominallöhne fast vollständig durch steigende Mieten

und Lebenskosten aufgezehrt wird. Vom Wachstum der europäischen Wirtschaft merke man gemeinhin nichts. Wenn das Projekt Europa nur durch mehr Zuwanderung sichtbar ist, muss man dann überhaupt noch weiter nach Ursachen für den 9. Februar, den folgen-reichsten Abstimmungssonntag seit lan-gem, suchen? Die Antwort auf diese Fra-ge lag in der Luft: Europa lässt sich nicht ohne soziale Gerechtigkeit verwirklichen. Wirtschaftliches Wachstum muss bei al-len ankommen und darf nicht in den Hän-den von wenigen verbleiben. So der Kon-sens auf dem Podium. Doch die EU müsse auch föderalis-tischer werden, forderte Claudia Friedl: «Bleibt sie, wie sie heute ist, ist der EU-Bei-tritt der Schweiz unrealistisch. Erst eine sozialere, föderalistischere Union wäre für die Schweiz attraktiv.» Dass die institu- tionelle Zukunft wirklich eine so grosse Bedeutung hat, bestritt Gottfried Christ-mann jedoch. Viel zukunftsweisender werde das Mass der Fortführung der wirt-schaftlichen und politischen Zusammen-arbeit zwischen der EU und der Schweiz sein. Die gewohnte Nähe werde wohl auch künftig von Irritationen unterbrochen wer-den. Christmann: «Man ist halt praktisch verwandt.» Samuel Brülisauer

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Engagierte Diskussion am SP-Parteitag: v.l.n.r. Claudia Friedl, Gottfried Christmann, Samuel Brülisauer, Reinhold Einwallner.

Liebe Leserinnen und LeserSeit 15 Jahren berichtet «links» kritisch über die Politik im Kanton St.Gallen. Das Magazin entsteht zum grössten Teil in eh-renamtlicher Arbeit. Wir erlauben uns, für Druck und Produktion einen Einzah-lungsschein beizulegen, mit der Bitte um einen freiwilligen Abo-Beitrag von Fr 15.–. Für SP-Mitglieder ist das Abo im Mitglie-derbeitrag enthalten. Eine Spende ist sehr willkommen. Herzlichen Dank für die Un-terstützung!

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Die Pauschalbesteuerung reicher Ausländer ist ungerecht. Das räumen sogar Bundesrätinnen ein. Also weg damit!

Am 30. November wird über die Abschaf-fung der Pauschalbesteuerung abge-

stimmt. Milliardäre wie Formel I-Boss Bernie Ecclestone oder der russische Oli-garch Viktor Vekselberg leben in der Schweiz und profitieren von ihrer Infra-struktur, liefern aber dem Fiskus nur ein Butterbrot ab. Dank Pauschalbesteuerung. Veranschlagt wird dabei lediglich das Fünf- bis Siebenfache des Mietwerts ih-rer Villen. Eine solche Steuerungerechtig-keit schreit zum Himmel. Immer weniger Leute sind bereit, das amtliche betriebene Steuerdumping zu tolerieren. Dank der Volksinitiative von Niklaus Scherr von der Alternativen Liste Zürich liegt jetzt die Abschaffung dieses unzeit-gemässen Steuerprivilegs aus der neoli-beralen Ära in Griffweite. Die Pauschal-besteuerung verletzt den Grundsatz der fiskalischen Gleichbehandlung ebenso wie das Prinzip, dass jeder nach seiner wirt-schaftlichen Leistungsfähigkeit besteuert werden soll. Demgegenüber können die Befürworter nur den angeblichen Geldse-gen von pauschalbesteuerten Superreichen ins Feld führen. Das zeigt die Pro-Kam- pagne des Gewerbeverbands. Sie beschwört jedoch Verluste, wo keine sind.

Superreiche – ein DefizitgeschäftVon den Ausgaben ausländischer Millionä-re profitieren lediglich einige Firmen am Genfersee, in Gstaad und im Oberengadin. Sicher aber nicht der Bäcker oder der Me-tallbauer um die Ecke. Nicht einmal das zentrale Argument stimmt, dass Steuer-verluste durch den Auszug der Superrei-chen zu befürchten seien. Das beweist der Kanton Zürich, der die Pauschalbesteue-rung im Jahr 2011 abschaffte. In den rei-chen Gemeinden am Zürichsee stiegen die Steuereinnahmen, weil auf die pau-schalbesteuerten Reichen, die in andere Kantone zogen, neue Vermögende folgten. Diese werden ordentlich besteuert und bringen dem Fiskus mehr ein. Gleiches geschah im Kanton Schaffhausen. Die Ab-stimmungspropaganda des Nein-Komitees mit Ständerätin Karin Keller-Sutter und Stadtpräsident Thomas Scheitlin (beide FDP) erscheint deshalb als grober Lügen-prospekt, wenn sie behauptet, Zürich habe Einbus-sen erlitten. Tatsache ist: Statt we-niger gibt's mehr Geld für den Staat und damit auch für die Gesellschaft. An der Pauschalsteuer wird zudem die verlogene Politik der SVP besonders deut-lich. Christoph Blocher war es, der als Jus-

tizminister dafür sorgte, dass die «Mas-seneinwanderung» russischer Oligarchen und somit von Milliardärskollegen in die Schweiz möglich wurde. Aus welch dunk-len Quellen der Reichtum dieser Leute stammt, fragt übrigens niemand. Reiche sind willkommen, Arme nicht: Das ist das Credo nicht nur der SVP, sondern auch an-derer bürgerlicher Verteidiger der Pauch-albesteuerung, etwa bei der CVP. Exemp-larisch zeigt dies Rapperswil-Jona. Dort wohnt der Oligarch Michail Chodorkows-

ki, dessen Söhne im St.Galler Institut am Rosenberg zur Schule gehen. In Rappers-wil-Jona war auch die Asylbewerberin An-na Hutsol untergebracht, die Gründerin der ukrainischen Protestgruppe Femen (sie-he Kasten). Während Hutsol die Schweiz verlassen musste, wird Chodorkowski ho-fiert und darf in Begleitung von Olma-Di-rektor Nicolo Paganini im Freizeithemd durch die Herbstmesse flanieren. Es wird Zeit, dass das Volk dieser «Korruption durch Geld» mit einem Ja ein Ende setzt. (rh)

Helvetia muss bei den Steuern gerecht sein: AktivistInnen plädieren für die Abschaffung der Pauschal-steuer für reiche Ausländer.

Weg mit der Pauschalbesteuerung!

Zugezogen aus der Ukraine ist Anna Hutsol, die Polit-Aktivistin, Gründerin und Präsiden-tin der Frauenorganisation Femen. Das ist eine Organisation, die inzwischen weltweit für die Rechte der Frauen eintritt. Zugezogen aus Russland ist Michail Chodorkowski. Der frühere Oligarch wurde im Ölgeschäft zum Milliardär. Als Oligar-chen werden heute Personen bezeichnet, die in den 1990er-Jahren extrem reich geworden waren, oft auf undurchsichtige Weise bei der Privatisierung der Sowjetwirt-schaft und dann begannen, Massenmedi-en zu kontrollieren und politischen Einfluss auszuüben. Anna Hutsol lebte in einer Asylunter-kunft. Michail Chodorkowski hat eine Villa für 11'500 Franken monatlich gemietet.

C h o d o r k o w s k i u n d H u t s o l : W e r b l e i b e n d a r f u n d w e r n i c h t

Anna Hutsol wurde von Medien zu Inter-views eingeladen. Michail Chodorkowski zum Pizza-Essen mit dem Stadtpräsidenten. Anna Hutsols Asylanträge wurden allesamt abgelehnt, sie durfte nicht in der Schweiz bleiben. Michail Chodorkowski hat eine Aufenthaltsgenehmigung erhalten und ein Pauschalsteuer-Abkommen. Anna Hutsol setzt sich für die Rechte anderer Menschen ein. Michail Chodor- kowski setzt sich für seine Rechte ein. An-na Hutsol hat im Stadthaus keine Freuden-schreie ausgelöst. Michail Chodorkowski dagegen schon: «Klar dass wir uns freuen», erklärte Stadtpräsident Erich Zoller im «Blick». Zwei Gäste von Rapperswil-Jona. Anna Hutsol ist nicht reich. Michail Chodorkowski schon. Hanspeter Raetzo

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Eine Schweiz, die manchmal irritiert

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Der Stadtrat agiert beim Budget 2015 ohne System und nach dem Motto:

Wir sparen dort, wo es sich grad ergibt. Zur Illustration ein Bei-spiel aus der Direktion Schule und Sport. Ende September erfuhren die städtischen Lehrkräfte von ihren Schulleitun-gen, dass das Budget für Stellvertretungen ge- kürzt wird. Künftig wird

für eine erkrankte Lehr-kraft erst am dritten Tag ein Ersatz enga-giert. Das bedeutet, dass zwei Tage lang entweder andere LehrerInnen eine zweite Klasse betreuen oder die HeilpädagogInnen mit ihren teuren Ausbildungen als Sprin-ger eingesetzt werden – und deren Lektio-nen dann halt ausfallen.

Massive VerärgerungHüten statt unterrichten, beaufsichtigen statt fördern: Das hat unter den Lehrper-sonen zu massiver Verärgerung geführt. Der Hintergrund: Seit dem Wechsel zur integrativen Beschulung werden Schüle-rInnen mit besonderen Bedürfnissen in Regel- statt in Kleinklassen beschult. Da-bei wurde im Parlament immer wieder be-tont, dass die Fördermittel nicht gekürzt würden. Integration dürfe keine Spar-massnahme sein. Jetzt passiert aber genau das. Die jährlichen Einsparungen durch den Wegfall der Stellvertretungen sollen 525’000 Franken betragen. Die Neuregelung trat bereits auf den 1. Oktober in Kraft. Diskutiert wurde sie mit den Vertretungen der Lehrerverbände erst, als diese massive Kritik am Schnell-schuss übten. Auch das Parlament kann nur indirekt darauf Einfluss nehmen. In einer Einfachen Anfrage verlangt die SP-Fraktion daher vom Stadtrat Auskunft, ob es im Sinne der Integration ist, wenn Förder- und Therapie-Lehrpersonen für Be-treuungsaufgaben abgezogen werden. Wi-derspricht dies nicht den Vorgaben und Grundsätzen des Förderkonzepts?

Konzeptlose SparereiNicht nur beim Sparen, sondern auch bei den Investitionen hat der Stadtrat keine klare Linie. Für das Schulhaus Riethüsli besteht ein fast fertig ausgearbeitetes Neu-

Daniel Kehl, Fraktionspräsident SP-Juso-PFG

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Hinter dem Rücken des ParlamentsVor zwei Jahren startete der St.Galler Stadtrat das Sparpro-gramm «fit13+». Der Beratungs-konzern PWC kassierte für seine Ratschläge 281'000 Franken. Jetzt ist klar: Die Resultate sind dürftig.

bauprojekt. Der Stadtrat hat die Sanierung der energetisch und baulich ungenügen-den Schulanlage um fünf Jahre verscho-ben, muss jetzt aber eine halbe Million Franken in Sofortmassnahmen stecken. Die SP-Juso-PFG-Fraktion verlangte im Par-lament, dass der Neubau vorgezogen wer-den soll. Das Geld dazu hätte der Stadtrat momentan günstig auf dem Finanzmarkt aufnehmen können. Davon wollten der Stadtrat und die bürgerliche Ratsmehr-heit allerdings nichts wissen, sie versenk-ten den Vorschlag. Stattdessen werden im Schulhaus Riethüsli undichte Fenster aus-gebessert und ein paar Wände neu gestri-chen. In fünf Jahren wird man sagen, dass es in der Stadt weit dringendere Investi- tionen gibt... Auffällig ist auch, dass die Spargrund-sätze offenbar nicht für alle Stadträte gleich verbindlich sind. Die Ausrüstung bei der Polizei muss aus Spargründen län-ger in Gebrauch bleiben. Bei den VBSG wer-den die erst zehn Jahre alten Uniformen dagegen schon 2015 ersetzt. Wer einen gu-ten Draht ins Rathaus hat, kann anschei-nend eher damit rechnen, dass er trotz Spardruck nicht zu kurz kommt. Auch scheint viel Willkür im Spiel. Die Direk-

tion von Finanzchef Scheitlin kürzt die Entwicklungshilfe um 60’000 Franken, will sich aber gleichzeitig unter dem Stich-wort Standortförderung mit dem fast glei-chen Betrag am Aufbau eines Innovations-parks beteiligen.

Parlament tappt im DunkelnParlamentarierInnen, die sich im Budget 2015 über nachhaltige «fit13+»-Einsparun-gen orientieren wollen, verlieren sich leicht in den verwirrenden Begründungen des Stadtrats. Anders als beim Kanton, wo die Sparmassnahmen in einer Botschaft zusammengefasst und dem Parlament vor- gelegt wurden, werden die einzelnen Bud-gets hinter den Kulissen gekürzt. Mitglie-der unserer Fraktion müssen die Sparmass- nahmen in mühsamer Sucharbeit im um-fangreichen Budget aufspüren. Änderungs-anträge können sie erst im Rahmen der Budgetdebatte stellen. Der Stadtrat verspricht sich langfristi-ge Auswirkungen von «fit13+». Welche re- gelmässigen Einsparungen er damit ge-nau meint, weiss er wohl selbst nicht recht. Die GPK-Delegation unserer Fraktion hat die Fragen dazu gestellt. Wir warten auf eine Antwort.

Stadtsanktgaller Sparprogramm im Schleichmodus: Betroffen sind unter anderen die Lehrkräfte.

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Sparpolitik gegen ÖV-AngestellteDie Sparschraube von Bund und Kantonen bleibt nicht ohne Folgen für den öffentlichen Verkehr. Auch die Anstellungs- bedingungen der Mitarbeitenden geraten unter Druck.

Die Bahnen finanzieren sich über die Billetverkäufe, aber auch über Steuer-

mittel von Bund und Kantonen. Denn sie erbringen vor allem im regionalen Perso-nenverkehr Leistungen, die nicht kosten-deckend sein können, aber von der Öffent-lichkeit gefordert und politisch gewollt sind. Ohne die finanziellen Abgeltungen von Bund und Kantonen wäre der ÖV in der heutigen Qualität undenkbar. Etwa die Hälfte der Einnahmen kommt von der öf-fentlichen Hand.

In der Sparschraube Für die Abgeltung des regionalen Perso-nenverkehrs müssen die Transportunter-nehmen den Kantonen Offerten einrei-chen. Es werden die Einnahmen geschätzt, die aus dem Betrieb einer offerierten Linie realistischerweise erzielt werden können, genauso wie die Ausgaben, die dafür not-wendig sind (Personalkosten, Rollmate-rial, Sachaufwand, etc.). Im Sommer 2012 teilte der Bund den Kantonen mit, dass sie künftig einen zusätzlichen Betrag von 95 Millionen selber zu erbringen hätten. Natürlich wälzten die Kantone den Spardruck sogleich auf die Transportun-ternehmen ab. So teilte im Oktober 2012 das Amt für öffentlichen Verkehr des Kan-tons St.Gallen allen Unternehmen mit, dass sie ihre Offerten aufgrund der sehr an-gespannten Finanzlage überprüfen müss-ten. Man gehe nämlich davon aus, dass die Unternehmen effizienter geworden seien. Daher könnten die Abgeltungen der Kan-tone ja um die entsprechenden Beträge ge-senkt werden. Man solle doch bitte mittei-len, um wieviel der Preis für eine bestellte Leistung tiefer ausfallen könne. Auch zu den Personalkosten äusser-te sich das Amt für öffentlichen Verkehr: «Einige Transportunternehmen weisen in ihren Offerten einen teuerungsbeding-ten Anstieg für den Sachaufwand und die Lohn- bzw. Personalkosten von 1 bis 1.5 Pro- zent aus. Dies entspricht nicht der prog-nostizierten Teuerung. Die entsprechen-den Aufwandpositionen sind der aktuell erwarteten Teuerung für das Jahr 2013 anzupassen.» Der Kanton St.Gallen nimmt sich also das Recht heraus, den ÖV-Betrie-ben vorzuschreiben, welche Lohnerhöhun-gen sie gewähren dürfen. Wie kommt das bei den Betroffenen an? Ernst Boos ist Ge-schäftsführer der Thurbo AG, einer Regio-

nalbahn mit über 400 Angestellten. Boos ist mit allen Ostschweizer Kantonen be-züglich Offerten und Abgeltungen im Aus-tausch. Sein Statement gegenüber «links» möchte er daher nicht als ausschliesslich auf den Kanton St.Gallen gemünzt wissen. Wie alle anderen versucht auch Thurbo, den Spardruck bestmöglich aufzufangen. Mit einer ausgeglichenen Balance zwischen Qualität und Kosten sollen die finanziellen Folgen abgefedert werden. Dass dabei auch die Mitarbeitenden unter Druck kommen, verhehlt Boos nicht: «Ich habe aber immer versucht, bei den Arbeitsbedingungen so spät als möglich anzusetzen. Vermeiden lässt es sich jedoch nicht. Auch darum nicht, weil politisch das gute Angebot im Fokus steht und nicht die Menschen, die es erbringen. Am Angebot will man denn auch nie rütteln.»

Kantone gehen zu weitFür Boos gehen einzelne Kantone mit ih-rem Verhalten freilich zu weit – gerade dann, wenn sie sich als Besteller auch in die Diskussion über die Anstellungsbe-dingungen des Personals einmischen. Der Thurbo-Chef formuliert seine Kritik so: «Einzelne Kantone greifen in den unter-nehmerischen Bereich ein, indem sie par-tielle Vorgaben machen, ohne die kon-kreten Rahmenbedingungen zu kennen. Dazu gehört insbesondere die Idee, Lohn-kostenentwicklungen vorzugeben. Aus un- ternehmerischer Sicht mischen sich die Besteller auf diesem Weg in die Sozialpart-nerschaft ein. Das ist höchst problema-tisch.» Auch die Gewerkschaft SEV hält diese Einmischung in die Sozialpartnerschaft für falsch. Gerade das Beispiel Thurbo zeigt,

wie eine jahrelang gut funktionierende Partnerschaft durch äusseren Druck auf die Personalkosten gefährdet wird. Die Be-stellerkantone als Verursacher der finan-ziellen Engpässe sind an den jährlichen Lohnverhandlungen nicht am Tisch. Trotz-dem wirkt sich ihre Sparpolitik zuneh-mend negativ auf die Lohn- und Anstel-lungsbedingungen der Mitarbeitenden im öffentlichen Verkehr aus. Je länger, je weniger entsprechen die Anstellungsbedingungen der hohen Qua-lität des öffentlichen Verkehrs in der Schweiz und somit der Leistung, welche die Mitarbeitenden tagtäglich erbringen. Die Hauptverantwortung dafür liegt bei den Sparzwängen von Bund und Kantonen zu suchen. Dort gilt es den politischen He-bel anzusetzen. Felix Birchler, SEV-Sekretär

Die Kantone setzen als Besteller von Leistungen die Regionalbahnen unter Druck – und reden ihnen bis in die Arbeitsbedingungen drein.

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Von Claudia Friedl,SP-Nationalrätin, St.Gallen

Die Rohstoffbranche setzt Milliar-den um. Doch die Bevölkerung in den Förderländern profitiert nicht davon. Es fehlt überall an Transparenz.

Wo bleibt die Transparenz im Rohstoffhandel?

Transparenz im Rohstoffgeschäft hat eine besondere Bedeutung, weil es

um viel Geld und Macht geht. Zwei Drit-tel der Metall- und Ener-gierohstoffe stammen aus Entwicklungslän-dern. Trotz dieses enor-men Reichtums leben über 300 Millionen Men-schen in diesen Ländern in bitterer Armut mit weniger als zwei Dollar pro Tag. Statt dass sich

ihre Lebensbedingungen dank dem Roh-stoffreichtum verbessern würden, neh-men Konflikte und Korruption zu. Die Be-völkerung verharrt in Armut. Nach Angaben der «Erklärung von Bern» schickte die Schweiz in den Jahren 2011 bis 2013 1.7 Mia. Dollar Entwicklungsgel-der nach Afrika, um die Not zu lindern. Im gleichen Zeitraum zahlten Schweizer Fir-men 55 Mia. Dollar an die zehn wichtigsten äquatorial-afrikanischen Erdölländer für Öl. Dieses Geld ist nie bei der Bevölkerung angekommen. Die Rohstoffzahlungen an die Regierungen verschwinden irgendwo

in den Taschen von PolitikerInnen, hohen Beamten und ihren Familien. Ohne Trans-parenz fehlt der Bevölkerung die Möglich-keit, von ihren Regierungen Rechenschaft über die Verteilung der Einnahmen aus dem Rohstoffgeschäft zu verlangen. Zu-dem werden die fetten Gewinne in den In-dustriestaaten erzielt, wo Konzerne durch komplizierte Firmenstrukturen die Steu-ern optimieren, teilweise bis auf Null.

Mehr Transparenz!In einer Motion fordert die ehemalige St.Galler SP-Nationalrätin Hilde Fässler diese Transparenz bei den Schweizer Fir-men. Auf den Tag genau zwei Jahre nach der Einreichung wurde der Vorstoss in der vergangenen Septembersession behandelt. Ein Tag später, und er wäre von der Lis-te gestrichen worden. Für die Schweiz ist das Thema von besonderer Bedeutung: 20 bis 25 Prozent aller Rohstoffgeschäfte lau-fen über die Schweiz. Unser Land ist der weltweit führende Rohstoffhandelsplatz. Wenn jemand Transparenzregeln aufstel-len muss und kann, dann die Schweiz. Der Bundesrat hat auf Kritik reagiert und im Frühling 2013 einen Rohstoffbe-richt und im Juni 2014 einen Bericht zur Transparenz vorgelegt. In beiden betrach-tet er die Branche kritisch und kommt zum Schluss, dass das Rohstoffgeschäft an-fällig ist auf Korruption, Geldwäscherei, Steuerflucht, Menschenrechtsverletzungen

und Umweltzerstörung. Andere Länder sind bereits aktiv geworden, um die Trans-parenz der Zahlungen an Regierungen zu erhöhen. Die Rohstoffländer selbst haben sich in einer Initiative für mehr Durch-sicht eingesetzt, 44 Länder sind dabei. Aber auch immer mehr Sitzstaaten von Roh-stofffirmen verlangen von ihren ansässi-gen Firmen eine Offenlegung, so etwa die USA, Norwegen oder Hongkong. Der Bundesrat schlägt nun vor, in der laufenden Revision des Aktienrechts eben-falls eine Transparenzregel einzubauen, aber nur für den Bereich Rohstoffabbau. Das ist geradezu grotesk: Die Schweiz ist weltweit der bedeutendste Handelsplatz, und wir machen Regeln für den Abbau! Der Bundesrat behält sich allerdings vor, per Verordnung den Handel dann zu re-geln, wenn andere Länder das auch tun werden, sprich, wenn die Schweiz einmal mehr so stark unter internationalen Druck gerät, dass sie nicht mehr anders kann.

Parlament versagtDer Nationalrat hätte es in der Hand ge-habt, mit einer Zustimmung zur Motion dafür zu sorgen, dass die Schweiz ihre Ver-antwortung wahrnimmt und gute Trans-parenzstandards im Rohstoffabbau und -handel entwickelt. Aber einmal mehr hat die ewige Angstmacherei, die Firmen könnten der Schweiz den Rücken kehren, bei der Mehrheit der Bürgerlichen verfan-

Kupfermine von Glencore in Peru: Nicht nur die Bodenschätze werden ausgebeutet...

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Anfang Oktober besuchte ich mit ei-ner Delegation der Aussenpolitischen

Kommission die Kupferminen Tintaya und Antapaccaya in Espinar/Peru. Hier kam es vor zwei Jahren zu Ausschreitungen mit drei Toten und über hundert Verletz-ten. Die Bevölkerung klagte gegen die Ver-schmutzung von Böden und Flüssen und bekam im Januar 2014 Recht: Das Unter-nehmen wurde zu einer Strafzahlung von 84‘000 Dollar verurteilt, weil die Kupferbe-lastung stellenweise auf den Weiden der Bauern 1800 mal höher war als normal. Wir besuchten die Bürgermeisterin von Espinar und trafen uns mit drei NGO-Ver-tretern: dem ehemaligen Bürgermeister, einem Umweltingenieur und einer An-wohnerin. Sie beschrieben den Kampf um ihre Existenz und den Schutz der eigenen Ge-sundheit und ihrer Tiere. Sie fordern ein seriöses Umweltmonitoring, das von ei-nem unabhängigen Labor gemacht wird. Den Resultaten der schönen Glencore/Xstrata-Berichte trauen sie schon lange nicht mehr. Die Anwohnerin schilderte, wie sie immer wieder Besuch von der Po-lizei bekam, nur weil sie sich über Staub, Lärm und verendete Tiere beschwerte. Sie wurde schikaniert und eingeschüchtert, doch ihr Land hat sie nicht verkauft. Der ehemalige Bürgermeister verlangte, dass sich Glencore aus den Geschäften der Ge-meinde heraushalte. Der Konzern würde die Gemeinschaft entzweien und Beamte und Polizei korrumpieren.

Antigewerkschaftlicher DruckMultiWatch berichtet auf ihrer Home-page, wie unzimperlich Glencore/Xstrata im Dezember 2013 eingriff, um die ge-werkschaftliche Organisation ihrer tech-nischen Arbeiter zu verhindern. Wer die neu gegründete Gewerkschaft nicht wie-der verliess, erhielt die Kündigung. Nur wenige haben dem Druck Stand gehalten, denn andere Arbeitsplätze gibt es kaum. Zudem beantragte Glencore umgehend, die Registrierung der Gewerkschaft zu lö-schen. Dieser Entscheid ist noch hängig. Auf der Fahrt über die staubigen Strassen

Glencore-Kupfermine in Peru: dicke Geschäfte, rechtlose Bauern

zur Mine wird einem bewusst, was uns der ehemalige Bürgermeister erklärt hat: Das riesige Gebiet um Espinar ist von der Regierung zum Abbaugebiet bestimmt worden. Nach erfolgreichen Probebohrun-gen kann eine Firma ein Projekt für die Konzession und Eröffnung einer Mine ein-reichen. Das ganze Land ist von Bauern be-wohnt. Nicht alle wollen ihr Land verkau-fen. Das geht nur mit Druck, und dieser wird rücksichtslos ausgeübt. Sogar die To-ten müssen zuweilen weichen, wenn ein Friedhof auf dem Minenareal liegt. Seitenwechsel. Bei Glencore treffen wir auf kommunikationsgeschulte Perso-nen, die uns einen Vortrag halten und auf unsere Fragen eingehen. Sie dementieren die Vorwürfen der NGOs: Die Firma gebe den Leuten Arbeit, beim Abbau werde die neueste Technik eingesetzt, ein Umwelt-monitoring werde gemacht und man sei auch zu vergleichenden, unabhängigen Studien bereit. Es gebe keine Vermischung der privaten Sicherheitskräfte mit der Po-lizei, und es würden drei Prozent des Ge-winns der Gemeinde für ein Schulzent-rum überwiesen. Also alles paletti? Und was ist mit der Strafzahlung vom letzten Winter für die Umweltsünden? Was mit den Gewerkschaftern? Dazu gibt es keinen

Wo bleibt die Transparenz im Rohstoffhandel?

Kommentar. Das gehe auf Kosten der frü-heren Firma.

Wir müssen Druck machenDie Besichtigung der vor zwei Jahren neu eröffneten Grube Antapaccaya imponiert. Auf gedeckten Förderbändern wird das Material über fast zehn Kilometer in die hochmoderne Aufbereitungsanlage beför-dert. Das Wasser wird in einem internen Kreislauf genutzt. Rauchende Schlote wie in den Glencore-Minen in Sambia sind kei-ne zu sehen. Alles «state of the art» – oder einfach inszeniert? Es lässt sich nicht eru-ieren. Durch die Gitter an der Gelände-grenze fällt der Blick auf die verbliebenen Bauern. Sie zählen nichts beim grossen Geschäft mit den Rohstoffen. Wir aber haben den Auftrag, dafür zu sorgen, dass Rohstoffe von Schweizer Fir-men gerecht, sozial und umweltverträg-lich abgebaut und gehandelt werden. Wir müssen Druck machen, denn die Bauern vor Ort sind hilflos. Wir müssen in der Schweiz für Transparenz in den Zahlungs-strömen und Steuerverschiebungen sor-gen und auf gesetzliche Rechenschaftsbe-richte zur Einhaltung von Umwelt- und Sozialstandards sowie der Menschenrech-te pochen. Claudia Friedl

gen. Mit 83 zu 106 Stimmen wurde die Mo-tion abgelehnt. Die Rohstofffirmen halten sich dis-kret im Hintergrund. Für eine Branche, die über 600 Firmen vor allem im Raum Zug und Genf umfasst, ist das eher unge-wöhnlich. Glencore mit Sitz in Baar ZG

ist eines der grössten Unternehmen die-ser Branche, vor allem seit man 2013 den Rohstoffabbau-Konzern Xstrata übernom-men hat. Sie ist eine der wenigen Schweizer Firmen, die auch im Abbau tätig ist. Seit 2011 ist Glencore börsenkotiert. In den ers-ten zwei Jahren hat sie bereits einige Mil-

liarden Dollar Gewinn erzielt. Der Umsatz belief sich 2012 auf 215 Milliarden Dollar. Steuern hat sie gemäss Angaben ihres Chefs Ivan Glasenberg hier in der Schweiz nicht bezahlt. Komplizierte Firmenstruk-turen ermöglichen diese Steuerumgehung – ein Skandal.

... sondern auch die Standortländer und die lokale Landbevölkerung.

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Aktive Bodenpolitik scheint in St.Gallen ein Fremdwort. Das hat böse Folgen für die Stadtent-wicklung.

Wo bleibt die Bodenpolitik?

Seit zwei Jahren hat die Stadt St.Gallen praktisch keine grössere Liegenschaft

mehr gekauft. Die zuständige Kommis- sion tagte nur gerade zweimal. Kein einzi-ges Objekt wurde im Baurecht abgegeben: Was die Stadt St.Gallen betreibt, grenzt an Boykott – den Boykott einer aktiven Boden- politik. So kritisieren die beiden Stadtpar-lamentarierInnen Daniel Kehl und Doris Königer den Stadtrat. Laufend verpasste Gelegenheiten zei-gen den Missstand an. So hätte die Stadt das «Spanische Klubhaus» nördlich des Hauptbahnhofs kaufen können. Sie besass ein Vorkaufsrecht. Nun muss die beliebte

Beiz spätestens im Frühjahr 2015 weichen. Sie wird an die Peripherie nach Winkeln verlegt. An ihrer Stelle baut die Pensions-kasse des Gewerbes ein Verwaltungsge-bäude. Dadurch droht das zentrale Bahn-hofsquartier Nord noch toter zu werden, als es ohnehin schon ist. Der Fall scheint symptomatisch für eine verkehrte Politik: Statt das Quartier mit Publikumsnutzun-gen zu beleben, wird ein Verwaltungsbau favorisiert, der dort nicht hingehört.

Verpasste ChancenDie Stadt hätte auch den «Tagblatt»-Kom-plex an der Fürstenlandstrasse kaufen können. Sie selber pries ihn als «idealen Standort für einen Innovationspark» an. Jetzt gehört die ehemalige Druckerei einer privaten Immobilienfirma. Die Stadt kann bei der Neunutzung dieser Gebäulich-keiten nicht mehr mitreden. Sie hat das

Heft durch Passivität aus der Hand gege-ben. Ein weiteres Beispiel: Vor Jahren hät-te die Stadt auch den Park der Villa Bürg-li kaufen können. Doch der Preis schien ihr zu hoch, wie so oft. Mit der Folge, dass jetzt ein Schulhof teuer umgebaut werden muss. Und noch ein letztes Beispiel: Im Westen ist seit Jahren von einer Arealent-wicklung in Abstimmung mit der Nach-barstadt Gossau die Rede. Doch eine solche wird erschwert bis verunmöglicht durch den Umstand, dass die Stadt im fraglichen Gebiet keine eigenen Grundstücke besitzt. Es ist zu einem Allgemeinplatz gewor-den: Ohne eigenen Grundbesitz ist für die öffentliche Hand eine vernünftige Stadt-planung kaum möglich. Daher muss sie ei-ne aktive, vorausschauende Bodenpolitik betreiben. Das heisst, sie muss vorsorglich Grundstücke und Objekte erwerben, wo es für die Entwicklung von Arealen, Gebieten und Quartieren sinnvoll ist. Die rein bür-gerlich zusammengesetzte St.Galler Stadt-regierung unter Thomas Scheitlin (FDP) ignoriert dieses weitherum akzeptierte Postulat konsequent. Stattdessen überlässt sie die Entwicklung in freisinniger Manier dem Markt und den Privatinteressen. Dies in der Meinung, es käme dann schon et-was Rechtes heraus. Die Resultat sehen an-ders aus.

Beispiel BielAndere Städte machen es viel besser. Zum Beispiel Biel. Die Uhrenstadt hat sich in den letzten Jahren positiv entwickelt. Eines ih-rer Erfolgsrezepte ist eine aktive Boden- politik im Dienste der Wirtschafts- und Wohnbauförderung. Biel ist gut aufgestellt und hält im Zentrum und in der Peri-pherie über 25 Prozent der Landfläche. Auf diese Weise können Grundstücke und Liegenschaften gezielt für Betriebsansied- lungen und Wohnbauten zur Verfügung gestellt werden. Strategische Verkäufe er- folgen jeweils nur im Baurecht. Die Stadt behält das Verfügungsrecht über den Boden. Dank dieser Strategie konnten im Verlauf der letzten Jahre ganze Quartiere mit gu-ten Wohnungen und neuen Betrieben ent-stehen. Das Argument der knappen Kasse kann gegen eine aktive Bodenpolitik nicht vorgebracht werden. Der Kauf von Liegen-schaften ins Finanzvermögen belastet die laufende Rechnung kaum. Inzwischen hat der Stadtrat den Vor-stoss von Kehl und Königer beantwortet. Er lässt leider keinen Sinneswandel erken- nen. Er habe sehr wohl eine grössere Lie-genschaft gekauft, nämlich an der Haggen-strasse 45 für 5,2 Mio. Franken. Diese solle für die Bedürfnisse der Sozialen Dienste umgebaut werden, rechtfertigt sich der Stadtrat. Ansonsten muss er aber seine Passivität weitgehend einräumen. Wann ändert sich das endlich? (rh/sp)

Bild

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Symbol für eine verfehlte Bodenpolitik: das Areal Bahnhof Nord neben der neuen Fachhochschule.

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Gemeinsinn à la FDPDie Freisinnigen fühlen sich in ihrer Propaganda seit kurzem dem «Gemeinsinn» verpflichtet. Ausge-rechnet die St.Galler Partei hat sich für diesen Slogan eingesetzt.

Schön, möchte man von links der FDP zurufen. Und sie im politischen Kampf

für Solidarität an unserer Seite wissen. Ausgerechnet die Ostschweizer Freisinni-gen sollen sich sehr für die Verwendung des Begriffs «Gemeinsinn» als Parteislo-gan stark gemacht haben. Ausgerechnet, weil wir gerade bei der St.Galler FDP einen auffällig schwach ausgeprägten Sinn fürs Gemeinsame, fürs Allgemeine beobach-ten. Wie könnte jemand, der sich fürs Ge-meinwohl einsetzt, für Kürzungen bei der Krankenkassen-Prämienverbilligung sein? Oder für Kürzungen bei den ausserordent-lichen Ergänzungsleistungen? Beides ge-schah im Rahmen des dritten Sparpakets vor Jahresfrist. Und weiter: Wie könnte jemand, dem Gemeinsinn am Herzen liegt, immer wie-der längere Ladenöffnungszeiten fordern? Oder sich gleichzeitig für Steuerprivile-

gien für Reiche und Unternehmen stark machen? Wir merken: Gemeinsinn heisst für Freisinnige nicht gesellschaftliche So-lidarität. Im Gegenteil: Es bedeutet Abbau von Staat und stattdessen seinen Ersatz durch die freiwillige Mildtätigkeit von Rei-chen und Gutgestellten, die den Staat gar nicht nötig haben. Wie schrieb der freisin-nige Ausserrhoder Nationalrat Andrea Ca-roni Ende Oktober im FDP-Blog? «Gemein-sinn ist das Gegenteil von Sozialismus. Der Gemeinsinn ist etwas Urliberales: der Wil-le, freiwillig an die Gemeinschaft beizutra- gen, mit einem schlanken Staat, der, wo nö-tig, ergänzend hilft, Chancen zu schaffen, die man dann aber selber nutzen muss.» Die Rede von den zu nutzenden Chancen bedeutet zum Beispiel 66 ausländische Pauschalbesteuerte, die an die St.Galler Gemeinden und an den Kanton zusam-men gerade mal 6,3 Mio. Franken an Steu-ern abliefern, obwohl sie sehr vermögend sind und an sich bedeutend mehr zahlen müssten. Ist das eine Schaffung von Chan-cen? Nein, das ist vielmehr ein Skandal. Verständnis und Einsatzbereitschaft für die Allgemeinheit: Das meint Gemein-sinn laut Duden. Es wäre zu wünschen, dass die Partei, die unseren Bundesstaat

1848 gegründet hat, noch einmal über die Bücher ginge und statt von «schlankem Staat» von einem gerechten Staat sprechen würde. Von echter Chancengleichheit also und von einer Res publica für alle statt für wenige. Guido Berlinger-Bolt

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Die Kamera als WaffeTina Modotti schaffte es vom friaulischen Ar-beitermädchen zur weltberühm-ten Fotografin. Ihr Können stell-

te sie in den Dienst der Emanzipation. So schuf sie die Bildikonen der mexikani-schen Revolution mit Gitarre, Sichel und Patronengurt (Bild). Das Historische und Völkerkundemuseum zeigt in einer se-henswerten Schau ihr teils rätselhaftes Le-ben, das eng mit der kommunistischen Be-wegung der 1930er-Jahre verbunden war. Ob sie mit 46 Jahren wegen trotzkistischer Sympathien ein Opfer Stalins wurde, ist bis heute unklar geblieben (Ausstellung bis 4. Januar 2015).

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Wird das Polenmusem geopfert?Die Behörden von Rapperswil-Jona beugen sich mit ihren Zukunfts-plänen für das Schloss dem Druck kommerzieller Interessen.

Bei der Vorstellung der Pläne schien das Rapperswiler Schloss in Rosen-Rot ge-

taucht. Mit Begeisterung wurde eine Vi- sion ausgebreitet, wie das Schloss dereinst aussehen und betrieben werden soll. Ohne rosenrote Brille, nüchtern betrachtet, soll es einen neuen Eingangsbereich erhalten. Auf allen Etagen wird es jährlich wech-selnde Ausstellungen geben, Events und Gastronomie. Opfer dieser geplanten Neuausrichtung ist aber das Polenmuseum. Dieses wurde 1870 gegründet, von hier aus wurde der Kampf um die Unabhängigkeit und Frei-heit Polens unterstützt. Grosse Verdiens-te erwarb sich die Stätte, als sie während und nach dem Zweiten Weltkrieg 15'000 in der Schweiz internierte Polen betreute.

Entsorgte ErinnerungDieser Teil der Rapperswiler Schlossge-schichte soll vergessen werden. Alles, was an die Polen erinnert und nicht niet- und nagelfest ist, wird entsorgt. Was bleibt, ist das ins Schloss integrierte Mausoleum von Tadeusz Kosciuszko, einem polnischen Un- abhängigkeits-Kämpfer, das Grab von Wla- dyslaw Plater, der das Schloss vor dem völ- ligen Zerfall rettete und das Polenmuseum gründete, sowie die Freiheitssäule, ein Symbol für die polnisch-schweizerische Freundschaft. Und es bleibt der von den Po-

len erstellte «Rittersaal» samt Dachstuhl. Es soll nicht wie früher hineinregnen. Die-se Überbleibsel geben die Behörden als Zu-geständnis an die Polen aus, damit deren Spuren weiterhin sichtbar bleiben. Aller-dings wird kein historischer Zusammen-hang mehr erklärt, die Einzelstücke blei-ben isoliert. Der Kampf um das Schloss

Unsinnige Geld-Verlochete Das Referendum gegen einen zweiten Autotunnel am Gotthard läuft. Unterschreiben ist Pflicht.

Die Arbeiten für die Neat sind weit fort-geschritten. Die Eröffnung ist auf

2016 geplant. Der neue Tunnel verkürzt die Bahnreisezeit ins Tessin massiv. Gerade deshalb mutet es eigenartig an, dass die Bürgerlichen jetzt einen zweiten Au-totunnel am Gotthard durchdrücken wollen. Umwelt- und finanz-, aber auch verkehrspo-litisch ist dieser Ent-

scheid ein Unsinn. Zu Recht bekämpfen ihn Umweltkreise mit dem Referendum. Eine breite Allianz sammelt derzeit Un-

Von Barbara Gysi, Wil, SP-National-rätin, Mitglied Finanzkommission

terschriften. Noch vor den National- und Ständeratswahlen im Jahr 2015 haben wir die Möglichkeit, diese Geldverschwende-rei an der Urne zu stoppen.. Unglaublich, mit welcher Leichtig-keit die autogläubige Mehrheit im Parla-ment dieses Milliardengeschäft mit Ar-gumenten durchgeboxt hat, die einen die Haare zu Berge stehen lassen. Der Alpen-schutzartikel in der Verfassung wird mit Füssen getreten. Ein zweiter Autotunnel widerspricht diesem Artikel und stösst ei-nen hart erkämpften Volksentscheid um. Gleichzeitig will man das Volk für dumm verkaufen, wenn man behauptet, die bei-den Röhren würden nur einspurig befah-ren werden. Im Gegenteil gehen damit die Schleusen für weitere Transitfahrten auf. Mehr Sicherheit bringt eine zweite Strassenröhre nur auf den ersten Blick. Der Sicherheitsgewinn eines richtungsge-trennten Strassentunnels wird von einem

geringen Mehrverkehr bereits wieder auf-gefressen. Gemäss einer Studie der Bera-tungsstelle für Unfallverhütung müssen lediglich drei Prozent mehr Autos durch-fahren, und das Mehr an Sicherheit ist weg. Doch es wird massiven Mehrverkehr ge-ben. Damit zerfällt das einzig echte Argu-ment dieses Vorhabens. Wesentlich sind auch die Finanzen. Eine zweite Strassenröhre ist eine Geld-verschwendung sondergleichen. Sie wird dazu führen, dass wichtige Vorhaben in den Agglomerationen auf die lange Bank geschoben werden. Die Variante «zweite Strassenröhre» kostet in der finanziellen Gesamtbetrachtung rund 2 bis 3 Milliar-den Franken mehr als die Variante «Sanie-rung und Huckepackbetrieb» während der Sanierung. Auch viele TessinerInnen wol-len sich gegen die Mehrkosten und den Mehrverkehr wehren. Gute Gründe, das Referendum zu unterschreiben!

und gegen das Polenmuseum begann be-reits vor zehn Jahren. Damals war es das Ziel, ein Stadtmuseum im Schloss einzu-richten. Doch die BürgerInnen entschie-den anders. Der Kampf aber ging weiter, jetzt mit nur noch einem einzigen Ziel: Das Polenmuseum sollte raus. Eine gros-se Pressekampagne der lokalen Gratiszei-

Polenmuseum raus, Kommerz rein: Sieht so die Zukunft von Schloss Rapperswil aus?

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Die Wahlen 2015 haben begonnenDie SP wird bei den National- und Ständeratswahlen 2015 die drei Sitze von Claudia Friedl, Barbara Gysi und Paul Rechsteiner verteidigen. Und so gehen wir das an.

Wir könnten jammern. Wir könnten sagen, dass wir kein Geld für Inse-

rate und Plakate haben und dass dies un-gerecht sei, weil die Konkurrenz Geld hat, viel Geld. Wir könnten sagen, dass die bürger-liche Medienlandschaft uns benachteiligt. Wir könnten – tun wir aber nicht. Weil wir etwas viel Wichtigeres ha-ben: Wir haben Men-schen statt Millionen.

Das ist ein guter Grund, und es gibt noch mehr Gründe, sich auf den Wahlkampf im nächsten Jahr zu freuen.

Never change a winning…Der Wahlkampf 2015 baut auf demjeni-gen von 2011 auf. «Für alle statt für we-nige» bleibt unser Wahlslogan. Und auch thematisch werden wir keine Experi-mente machen. Die SP steht ein für faire Löhne, gerechte Steuern, Chancengleich-heit, Demokratie und eine nachhaltige Wirtschaft. Sie steht ein für bezahlbaren Wohnraum, für sichere und gute Renten und für ein hochstehendes Gesundheits-system. Die SP bleibt sich und ihren Wäh-lerInnen treu. Unsere drei Bisherigen in Bern sind Claudia Friedl und Barbara Gysi im Na-tionalrat sowie Paul Rechsteiner im Stän-

derat. Sie alle sollen für weitere vier Jahre nach Bern. Alle drei haben sich in ihrem Amt einen Namen gemacht: Claudia Friedl als kompetente Aussenpolitikerin, Barba-ra Gysi als Finanzpolitikerin und als Vize- präsidentin der SP Schweiz sowie Paul Rechsteiner als Sozialpolitiker, Gewerk-schafter und Ständerat, der für unseren Stand St.Gallen viel erreicht hat. Siehe die erfolgreichen Vorstösse zum Bahn-Y in der Verkehrspolitik oder zur Metropolitanre-gion in der Standortförderung. Unser Wahlkampf steht technisch ge-sehen auf zwei Beinen: Es wird eine Dach-kampagne geben sowie eine Kampagne zur Mobilisierung. Die Vorarbeiten auf dem SP-Sekretariat in St.Gallen haben be-reits begonnen. Die Dachkampagne ist je-ner Teil, den die Engagierten von 2011 her bereits kennen: Flyer, Standaktionen, Stra-ssenaktionen, Plakatierung etc.

Die Früchte hängen tief Es geht aber auch darum, das umzuset-zen, was wir seit 2011 dazugelernt haben. Wir wollen gemeinsam eine wohldurch-dachte Telefonkampagne lancieren, Post-karten und SMS verschicken, Facebook-Nachrichten posten und viele persönliche Gespräche führen. Mobilisieren kann viel bewirken: Diese These steht hinter einem Prinzip, das im Campaigning als «Low-hanging-fruit-Prinzip» bekannt ist. Wir wollen die tiefhängenden Früchte unserer langjährigen politischen Arbeit ernten. Also zum Beispiel solche Leute für uns ge-winnen und einbinden, die uns seit lan-gem nahestehen. Bemühungen in diese Richtung liefen bereits in den Kantonen Freiburg, Grau-bünden, Luzern und Zürich. In den drei, vier Wochen vor den Nationalratswahlen treffen sich überall im Kanton und in der

ganzen Schweiz Mitglieder, KandidatIn-nen und SympathisantInnen, Freiwillige, zu Hunderten an Mobilisierungsanlässen. Unsere Botschaft: «Geh wählen! Wähle SP!» Dazu werden wir in der ersten Jahres-hälfte ein Netz von Freiwilligen nutzen, das seit der 1:12-Kampagne aufgebaut wur-de. Überall soll es Mobilisierungsevents geben. Für diese Aufgabe wird das Sekreta-riat personell verstärkt. Das Schöne an einem solcherart auf-gezogenen Wahlkampf ist der Kontakt mit den verschiedensten GenossInnen und das Erlebnis einer vielfältigen linken Bewe-gung, die auf ein bestimmtes Ziel ausge-richtet ist: nämlich die kommenden Wah-len zu gewinnen.

Von Guido Berlinger-Bolt, Sekretär SP Kanton St.Gallen

tung begann. Sie war schliesslich erfolg-reich: Die Behörden knickten ein, nicht zuletzt auch vor der fremdenfeindlichen Grundstimmung, die sich die Zeitung zu-nutze machte. Nach dem neuen Konzept sollen jähr-lich wechselnde Ausstellungen zu belie-bigen Themen oder Events das Publikum anlocken. Das Schloss als Event-Location, ohne Relevanz für die Stadt oder das Schloss. Doch Events und Austellungen gibt’s auch überall sonst in der Stadt. Und damit wird sichtbar, dass man auch jetzt nicht weiss, was man mit dem Schloss tun soll. Nur eins ist klar: 100'000 Besucher im Jahr sollen angelockt werden. Es müssen auf jeden Fall Einnahmen generiert wer-den, denn die Kosten für die Neuausrich-tung des Schlosses sollen bei über zwan-zig Millionen Franken liegen. Hanspeter Raetzo

Auch 2015 zieht die SP mit dem bewährten Slogan «Für alle statt für wenige» in den National- und Ständeratswahlkampf.

St.Galler Regierung bleibt unsozialDie St.Galler Regierung will die Prämien-hilfe für die Bevölkerung nur minim ver-bessern. Als Reaktion auf die Prämienver-billigungs-Initiative von SP, Grünen und Gewerkschaften schlägt sie eine Aufsto-ckung der Mittel um 6,5 Mio. Franken vor. Das ist genau der Beitrag der unsozialen Kürzung, den das Parlament im vergange-nen Frühjahr beschlossen hatte. Die Ini- tiative fordert hingegen eine substanzielle Verbesserung durch die Anhebung des bis-herigen Kantonsanteils von 33 auf 48 Pro-zent. Dies würde Mittel in Höhe von rund 53 Mio. Franken bedeuten. Der Gegenvor-schlag der Regierung bewegt sich also im Zehntelsbereich des Geforderten. Das Ini-tiativkomitee «Zukunft statt Abbau» zeigt sich empört darüber, dass die Regierung

lediglich die unsoziale Kürzung rückgän- gig machen will und keine wirkliche Ver- besserung der schwierigen Lage für wach-sende Teile der Bevölkerung anstrebt. St.Gallen sei seit jeher knausrig bei der Prämienverbilligung. Der Kanton bewege sich am Schluss der Rangliste der Kanto-ne. Die Volksinitiative bewirke, dass sich St.Gallen zum Durchschnitt verbessert, nicht mehr. Denn die meisten Kantone wei- sen den geforderten Anteil von 48% auf. Die Belastung der Haushalte durch die Krankenkassenprämien sei in den letz-ten Jahren um 60% gestiegen. Heute wür-den 40 bis 70% der Familien mit Kindern mehr für die Prämien bezahlen als für die Steuern. «Das Problem ist gravierend», sagt SP-Präsidentin Monika Simmler. (sp)

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Eidg. Abstimmungen vom 3. NovemberEcopop: NEINPauschalsteuer-Initiat.: JAGold-Initiative: NEIN

Kantonale AbstimmungSpitalvorlagen: 6 x JA

Impressum «links»Klartext zur Politik im Kanton St.Gallen. Erscheint mind. 5x jährlich. Herausgeberin: SP des Kantons St.Gallen, Postfach, 9001 St.Gallen, Tel. 071 222 45 85, [email protected]

An dieser Nummer haben mitgearbeitet: Hansueli Baumgartner, Guido Berlinger-Bolt, Felix Birchler, Laura Bucher, Ralph Hug, Daniel Hungerbühler, Peter Olibet, Ruben Schönenberger, u.a. Gestaltung, Layout: Markus Traber Druck: Brändle Druck AG, Mörschwil

SP Schweiz14. Februar 2015, Parteitag, Martigny

SP Kanton St.Gallen24. – 26. November, Kantons-ratssession, St.Gallen, Regierungsgebäude17. Dezember, Geschäfts- leitungssitzung, St.Gallen, Sekretariat, 19.109. Januar, Neujahrsbegrüs-sung, Chössi-Theater Lich-tensteig, 10. Januar, Nominations- parteitag, voraussichtlich in Wattwil

S e r v i c eSP Toggenburg9. Januar, Neujahrsbegrüs-sung, Chössi-Theater Lich-tensteig,

SP Wil26. November, Stamm SP Wil, Rest. Signal, 19.00

SP Werdenberg12. Dezember, Chlaushöck SP-Grabs, 19.00 6. Januar, Neujahrsbegrüs-sung mit Paul Rechsteiner, Buchserhof, 19.00

SP Rapperswil-Jona25. November, Parteiver-sammlung, Rapperwswil, 19.30

SP Stadt St.Gallen9. Dezember, Stadtparla-mentssitzung, St.Gallen – Waaghaus, 16.0013. Januar, Stadtparlaments-

sitzung, St.Gallen – Waag-haus, 16.00

Vorstösse von SP-Politike-rInnen (17. Mai – 12. Sep-tember)

Einfache Anfragen:� Ruedi Blumer, Gossau; Peter Hartmann, Flawil: Priorität Verkehrssicher-heit� Peter Hartmann, Flawil: Tieflöhne in der Industrie: Was tut der Kanton?

Interpellation� Bettina Surber, St.Gallen: Standortförde-rungskontakte zu China: Sind mit Blick auf Arbeits-bedingungen europäische Standards gewährleistet?� Laura Bucher, St.Margrethen: Trennung von Mutter und Kind? Praxis den Kantons bei Ausschaffungen abgewie-

AZB9000 St.Gallen

sener Asylsuchender mit Kindern.

Motion� SP-Grüne Fraktion: Solidarische Finanzierung und Qualitätssicherung in der Sozialhilfe� SP-Grüne Fraktion: Vereinbarkeit von Beruf und Familie� SP-Grüne Fraktion: Mit mehr Bildungsange-boten gegen den Fachkräf-temangel� SP-Grüne Fraktion et al.: Revision des Sozial- hilfegesetzes: Negativwett-bewerb verhindern. Solidarität zwischen Gemeinden stärken

Postulat:� SP-Grüne Fraktion et al.: Erreichbarkeit St.Gallen-Bodensee/ Rheintal

Die A1-Anschlusspläne in St.Gallen sind für das linke Initiativkomitee kein Grund zum Rückzug seines Vorstosses.

Bitte endlich umdenken!

Kanton und Stadt wollen die Verkehrs-probleme in St.Gallen mit einer drit-

ten Tunnelröhre durch den Rosenberg so- wie einem neuen Autobahnanschluss lö-sen. Um das Güterbahnhofareal zu scho-nen, soll der Anschluss unterirdisch erfol-gen und gleich bis zum Quartier Riethüsli/Liebegg hochgezogen werden. Ein Milliar-denprojekt, dessen Realisierungschancen mehr als fraglich sind. Weil die Teilspange nun unterirdisch projektiert ist, haben FDP und die Auto-lobby in Gestalt der «Interessengemein-schaft Engpassbeseitigung» unter der Füh- rung des freisinnigen Anwalts Walter Lo- cher verlangt, die Volksinitiative «Für ein lebendiges Güterbahnhofareal ohne Auto- bahnanschluss» müsse umgehend zurück- gezogen werden. SP, Grüne und VCS hat-te diese Initiative unlängst eingereicht. Die Stadt wird darin verpflichtet, sich ge-gen ein zweites St.Fiden im Güterbahn-hof einzusetzen. Stattdessen soll diese zentrale Landreserve für eine lebendige

Quartiernutzung offengehalten werden. Das Initiativkomitee hat nicht im Sinn, den Wunsch der Autolobby zu erfüllen. Sprecher Peter Olibet sagt, die Initiative sei bereits ein Erfolg, indem der A1-An-schluss unter die Erde verlegt wurde. Doch seien wichtige Fragen noch unbeant-wortet. Olibet nennt die mutmasslich ex-orbitanten Kosten des Projekts sowie die Tatsache, dass ein solches frühestens in 15 bis 20 Jahren realisiert werden könnte. So lange bleibe die Verkehrsmisere bestehen.

Statt nichts zu tun und auf eine grossartige technokrati- sche Lösung zu hoffen, fordert Olibet flankierende Massnah-men zur Eindämmung des wachsenden Verkehrs. Auch der VCS steht den neu- sten Teilspange-Plänen aus der Küche der Verkehrsingenieure skeptisch gegenüber. Co-Präsi- dentin Doris Königer fordert die Einhaltung der Städteini- tiative. Mit ihrer Gutheissung im Jahr 2012 hat sich die Be-völkerung von St.Gallen dafür ausgesprochen, dass der Ver-

kehrszuwachs durch den öffent-lichen und den Langsamverkehr

aufgefangen werden muss, während der Autoverkehr zu plafonieren ist. Dieser Volkswillen wird von den Behörden jedoch konsequent ignoriert. Mit der neuesten Teilspangen-Variante wird er gleich noch-mals im grossen Stil missachtet. Denn die Spange bringt für den Autoverkehr eine Ka-pazitätsausweitung. Davon würden vor al-lem motorisierte Hüslibesitzer im Appen- zell profitieren, die dann noch bequemer in die Stadt rauschen könnten. (rh/sp)

Ein unterirdischer Kreisel im Güterbahnhofsareal soll nach den Vorstellungen von Kanton und Stadt die Lösung sein.