Lk vorlesung 9 preußen

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Dr. I.S. Krestinsky Preußen Der kriegerische Reformstaat Staat mit Januskopf Der deutsch-deutsche Dualismus im 18. Jh.

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Dr. I.S. Krestinsky

Preußen Der kriegerische Reformstaat

Staat mit Januskopf

Der deutsch-deutsche Dualismus im 18. Jh.

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Staat mit JanuskopfDas gute verklärte Preußen (preußische Tugenden)

vs. Das böse Preußen (aggressive Machtpolitik voller

„Blut und Eisen“, mit Größenwahn und Großmannssucht)

Die preußische Mischung aus Ost und West, aus Aufklärung und Absolutismus, aus Fortschritt und

Rückständigkeit, aus Zivilisation und Barbarei

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Gliederung • Zu territorialer Verortung Brandenburg-

Preußens und seiner Geschichte bis zum 18. Jh.• Leistungen Friedrich Wilhelms I.• Leistungen Friedrichs II. • Preußischer Geist, Preußische Tugenden• Begriffe: Preußen, Dualismus, aufgeklärter

Absolutismus, Haus Hohenzollern, Peuplierung, Pragmatische Sanktion, Schlesische Kriege, preußische Tugenden

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Was ist Preußen?• Ursprünglich ein Gebiet, das etwa dem späteren

Ostpreußen entsprach.

• Nach baltischen Ureinwohnern benannt, den Prußen / Pruzzen.

• Seit 1225 – das Zentrum des Deutschordensstaates.

• Seit 1525 durch Säkularisierung des Restordensstaates wird es zum Herzogtum Preußen, das seit 1618 den

Kurfürsten von Brandenburg unterstand.

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• In der 1157 gegründeten Mark Brandenburg regierten die Hohenzollern seit 1415. Zum brandenburgischen Besitz der Kurfürsten gehörten auch das Herzogtum

Preußen, Hinterpommern u.a.

• Nachdem die brandenburgischen Hohenzollern 1701 für das Herzogtum Preußen die Königswürde erworben hatten, wurde die Bezeichnung zunehmend auf den

brandenburgischen Gesamtstaat ausgedehnt.

• Das Königreich Preußen stieg zur europäischen Großmacht auf, verdrängte das Kaisertum Österreich aus

der Führungsposition der deutschen Staaten und gründete 1871 das Deutsche Kaiserreich, dessen dominierender Teilstaat (Bundesglied) es wurde.

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Die Territorialentwicklung Preußens (15.-18.Jh.)

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Brandenburg-Preußen im 18. Jh.

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Friedrich Wilhelm I., der Soldatenkönig (1713 – 1740)

Als tief religiöser Calvinist hatte er Angst vor der ewigen Verdammnis. Das ließ ihn unermüdlich arbeiten. „Gott hat mich auf den Thron gesetzt nicht zu faulenzen, sondern zu arbeiten und seiner Länder Wohl zu mehren“.

Holländischer Ursprung calvinistisch geprägter preußischer Tugenden.

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Der gebildete und vielseitig interessierte König mit rationalistischem Denken und kompromisslosem

Pflichtbewusstsein :• reduziert nach der Thronbesteigung sofort die Staatsausgaben (vor

allem Beendigung der pomphaften Hofhaltung seines Vaters), • vergrößert die Armee (führte dabei keine Kriege),• fördert die Wirtschaft und besiedelt das Land (Peuplierung), • führt 1722 die allgemeine Schulpflicht (früher als alle anderen) ein, • fasst 1723 die Verwaltung im Generaldirektorium zusammen,• eröffnet die Charite als öffentliches Krankenhaus,• lässt einen modernen Verwaltungsstaat nach absolutistischen Muster

mit einer starken Wirtschaft und vorbildlichen Beamten entstehen,• hinterlässt ein großes stehendes Heer und einen geordneten

Staatshaushalt.• „brutaler Modernisierer“, pedantischer Sparkommissar mit der

Sensibilität eines Armeestiefels

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• »Friedrich Wilhelm I. war kein Staatsmann, aber ein Charakter... Und doch trägt er zu Recht den Titel des größten inneren Gestalters

seines Landes... Als Repräsentant eines kleinstaatlichen Despotentums leitete er sein Land aus mittelalterlichen Vorurteilen einen entscheidenden Schritt weiter zum souveränen Königtum.«

(Eberhard Cyran)

• »Die preußische Revolution war also Friedrich Wilhelms ganz persönli ches Werk, seine Leistung, Stunde um Stunde, Tag für Tag,

Jahr um Jahr, ein Leben lang erbracht, gegen Unverständnis, Trägheit und Widerstand ringsumher.« »Die Neigung vieler Väter, Söhne nach dem eigenen Bilde zu formen, steigerte sich daher bei Friedrich Wilhelm zu einer Besessenheit, hinter der als Triebkraft

die Angst um Preußen stand.« »Mit der Thronbesteigung von 1713 beginnt Friedrich Wilhelm I. seine Revolution von oben und legt die

Fundamente; er ist der Vater einer modernen Staatsorganisation und der preußischen Militärmacht. Friedrich aber nutzt, was er vorfindet, und kämpft den Staat zur europäischen Bedeutung

empor.« (Christian Graf von Krockow)

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Friedrich II. der Große (1740 – 1786)• Aufgeklärter Schöngeist; Atheist, Freimaurer,

Philosoph auf dem Königsthron • Expansive Außenpolitik (schlesische Kriege,

Teilung Polens) in Kombination mit der aufgeklärten Innenpolitik (Förderung von Wirtschaft und Gewerbe, Besiedlungspolitik) sollen zur Stärkung Preußens führen und Preußen als 5. Großmacht etablieren.

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Dazu trugen folgende (in der Wirklichkeit halbherzige) Reformen bei:

• Abschaffung der Folter (nie ganz, z.B. barbarisches Spießrutenlaufen etc.);

• Einführung der Religionsfreiheit und Propagierung der Offenheit und Toleranz gegenüber den Einwanderern (Juden und Katholiken wurden in ihren Rechten weiterhin diskriminiert);

• Teilweise Abschaffung der Zensur, Anfänge der Pressefreiheit (Verbot der Kritik an der Majestät);

• Versuche der Minderung von Leibeigenschaft (in Schlesien und Preußen durften Adlige ihre Bauern schikanieren und verkaufen);

• Entwicklung der Phänomene der Weimarer Klassik und der deutschen Kulturnation.

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Die fatale Legende Friedrichs II. • Nicht Sanssouci oder aufklärerische Reformen,

sondern Schlesische Kriege war das Erbe Friedrichs, das die größte Wirkung in deutschen Köpfen erzielte (dazu: fatale Legende vom Präventivkrieg, Weltkriege).

• Tiefere Motive für Preußens Aufstieg– Triebfeder: säkularisierte calvinistische Ethik (an die

Stelle des Profits trat Expansion, an die Stelle von Geld und Arbeit traten Soldaten und Dienst)

– Glück, an morsche Reiche zu grenzen, auf deren Kosten Preußen profitieren konnte (Schweden, Polen).

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Zu den Reformen Friedrich Wilhelms I. und Friedrichs II.

• Modernisierung über Militarisierung• Preußischer Staat als Ausdruck des Willens seiner Eliten• Auswirkung des Calvinismus: Erklärung des Gehorsams zur

Pflichterfüllung und zum Verdienst• Pfeile Preußens Größe: Schule und Armee, eine Armee mit

dem Staat als Anhängsel• Vermittlung den Deutschen des Gefühls der Stärke • Mit den neuen Ressourcen, der Überlegenheit seiner

Armee und durch drei Teilungen Polens (1772, 1793, 1795) wurde Preußen zur fünften Großmacht.

• Nach dem Tod Friedrichs: die Schulden steigen, der Verwaltung verrottete, die Armee verfiel. Preußen wurde von Napoleon besiegt.

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Preußischer Geist, preußische Tugenden

• Preußen war kein Produkt einer gewachsenen Kultur; der Staat hat die Gesellschaft seinen Bedürfnissen geformt und nicht umgekehrt.

• Eine besondere Form der Ethik (von oben beordert):– Protestantische Werte; – Militarismus, Autoritarismus, aggressiver

Imperialismus.

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Auflistung der TugendenImmanuel Kant in der „Kritik der reinen Vernunft“:

Pflichtbewusstsein, Dienst am Gemeinwesen, Bescheidenheit.

• Aufrichtigkeit• Bescheidenheit (Beispiel „Kornblume“)• Fleiß• Gehorsam• Gradlinigkeit• Gerechtigkeitssinn („Jedem das Seine“)• Gottesfurcht bei religiöser Toleranz („Jeder soll nach seiner

Fasson selig werden“)• Härte, gegen sich mehr noch als gegen andere• Ordnungssinn

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• Pflichtbewusstsein• Pünktlichkeit• Redlichkeit• Selbstverleugnung („Wer je auf Preußens Fahne

schwört, hat nichts mehr, was ihm selbst gehört“)• Sparsamkeit• Tapferkeit ohne Wehleidigkeit („Lerne leiden ohne zu

klagen“)• Treue• Unbestechlichkeit• Unterordnung• Zurückhaltung („Mehr sein als scheinen“)• Zuverlässigkeit

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• Diese Tugenden gingen zunächst auf die Könige Friedrich Wilhelm I. und auf dessen Sohn Friedrich den

Großen zurück.

• Diese verstanden sich als moralisches Vorbild (der Vater) und Vertreter der Vernunft (der Sohn) für ihren

multireligiösen und vielsprachigen – nach heutigen Maßstäben multikulturellen – Vielvölkerstaat.

• Sie verschafften Preußen eine fortschrittliche Rechtsordnung und Verwaltung, eine schlagkräftige

Armee und „Vernunftpatriotismus“, der den Aufstieg Preußens zur modernen Großmacht trotz dessen ökonomisch kümmerlicher Voraussetzungen sehr beförderte (sandige, magere Ackerböden, große

Verwüstungen und Menschenentleerungen im 30-jährigen Krieg).