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Abstrakt

Dieser Bericht befasst sich mit der Situation der ethnischen Minderheiten in der parlamentarischen Republik Georgien. In der Regel werden dabei die Rechte der verschiedenen Minderheiten vom georgischen Staat geachtet. In der gesellschaftlichen Realität sind Einzelfälle von Benachteiligung und Diskriminierung gegenüber Angehörigen von Minderheiten durch Dritte nicht auszuschließen.

Abstract

This report looks into the situation of persons belonging to ethnic minorities in Georgia. In general, the state respects such rights. Isolated cases of discrimination by non-state actors against members of ethnic minorities, however, cannot be ruled out.

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Inhaltsverzeichnis

Vorwort .......................................................................................................................... 3

1. Allgemeine Informationen ............................................................................... 4

2. Ethnische Minderheiten .................................................................................... 5

2.1. Ergebnis der letzten Volkszählung ........................................................... 5

2.2. Gleichbehandlung der Minderheiten – Rechtliche Regelungen ............... 6

2.3. Nationale Strategie für Gleichstellung und Integration ............................ 6

2.4. Ausschuss für Menschenrechte ............................................................... 7

2.5. Büro der Ombudsfrau .............................................................................. 7

3. Gleichstellung und soziale Integration .......................................................... 7

3.1. Allgemeine Erkenntnisse .......................................................................... 7

3.2. Ansiedlung der Roma-Minderheit und Staatsangehörigkeit .................... 8

3.3. Sprache und Bildung ................................................................................ 8

3.4. Kultur ..................................................................................................... 10

3.5. Arbeitsmöglichkeiten ............................................................................. 11

3.6. Information und Medien ....................................................................... 11

3.7. Hate-Speech und Hate-Crimes ............................................................... 11

3.8. Politik und Wahlen ................................................................................ 12

3.9. Häusliche Gewalt ................................................................................... 13

4. Konfliktherde .................................................................................................... 13

4.1. Auseinandersetzungen zwischen ethnischen Gruppen .......................... 13

4.2. Religionszugehörigkeit ........................................................................... 14

5. Medizinische Versorgung und Covid-19-Pandemie ................................... 14

5.1. Gesundheitsversorgung ......................................................................... 14

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5.2. Informationsmanagement der Regierung und Hilfen bei Covid-19 ........ 14

6. Einhaltung der Menschenrechte gegenüber Minderheiten ...................... 15

7. Prognose ............................................................................................................ 17

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Vorwort Menschenrechte und die Rechte von Minderheiten werden vom georgischen Staat weitgehend geachtet und gestärkt. Die Lage der Menschenrechte hat sich weiter internationalen Standards angenähert und in vielen Bereichen einen guten Stand erreicht. In einigen Bereichen der Gesellschaft finden Minderheitenrechte noch zu wenig Akzeptanz, so dass Minderheiten und Andersdenkende im Einzelfall mit Benachteiligung und Diskriminierung rechnen müssen. Ganz vereinzelt kommt es auch zu gewalttätigen Handlungen. Die georgische Ombudsfrau (Public Defender), die im Dezember 2017 vom Parlament ernannt wurde, ist diesbezüglich sehr engagiert. Sie greift Einzelfälle auf und spricht Missstände aller Art regelmäßig öffentlich an.

Eine gesellschaftliche Gleichbehandlung von Minderheiten kann vom Staat allein nicht hergestellt werden. Die gleichberechtigte Teilhabe an Bildung und damit ein sozioökonomischer Aufstieg bleibt vielen Angehörigen ethnischer Minderheiten aufgrund von mangelnden Kenntnissen der georgischen Sprache verwehrt. Die aserbaidschanische und armenische Bevölkerung ist teilweise in den staatlichen Einrichtungen, z. B. Exekutivorganen, unterrepräsentiert. Staatliche Informationsquellen wie Fernsehen und Radio werden überwiegend in georgischer Sprache angeboten. Die georgische Regierung bemüht sich mit einer umfassenden Strategie (State Strategy for Civic Equality and Integration 2015-2020) und jährlichen Aktionsplänen, ethnische Minderheiten, vor allem die im Süden Georgiens in kompakten Siedlungsgebieten lebenden Armenier und Aserbaidschaner, in die georgische Mehrheitsgesellschaft zu integrieren. Georgischer Sprachunterricht einerseits und Fernsehsendungen in Minderheitensprachen andererseits sollen die Integration fördern und den Einfluss russischer Medien verringern. Zudem ist es seit 2015 gesetzlich möglich, in Gemeinden mit hohem Minderheitenanteil an der Bevölkerung die Sprache der Minderheiten zu nutzen.1

1 Auswärtiges Amt: Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in Georgien, 19.10.2019, Stand Juli 2019, Gz.: 508-

516.80/3GEO; Council of Europe (Europarat): Advisory Committee on the Framework Convention for the Protection on national Minorities, Third Opinion on Georgia, 07.03.2019, https://rm.coe.int/3rd-op-georgia-en/1680969b56, abgerufen am 15.09.2020

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1. Allgemeine Informationen Die parlamentarische Republik Georgien befindet sich an der geographischen Grenze zwischen Europa und Asien. Im Norden hat es Anteil am Großen Kaukasus (höchster Berg Georgiens: Schchara, 5.201 Meter hoch; nach dem Elbrus als höchstem Berg Russlands zweithöchster Berg im Kaukasus). Im Süden liegt der seenreiche Kleine Kaukasus, der von Georgien in die Türkei bzw. nach Armenien überleitet. Der heutige Staat Georgien umfasst ein Gebiet von 69.700 km² (unter Einberechnung der beiden de facto von Zentralgeorgien abgespaltenen früheren Autonomen Republiken Abchasien mit einer Fläche von 8.660 km² und Süd-Ossetien mit 3.885 km²) und entspricht damit fast genau der Größe des deutschen Bundeslandes Bayern. Das offizielle Staatsgebiet Georgiens grenzt an die Russische Föderation, Aserbaidschan, Armenien und die Türkei.2

Zum Zeitpunkt der Volkszählung 1989 hatte Georgien 5,4 Millionen Einwohner, 2013 lebten dort nur noch 4,8 Millionen und die Bevölkerungszahl beträgt derzeit etwa 3,7 Millionen Menschen (ohne Abchasien mit rund 240.000 und Süd-Ossetien mit etwa 55.000 Einwohnern). Rund ein Drittel der Bevölkerung Georgiens (knapp 1,2 Millionen) lebt in der Hauptstadt Tiflis (georgisch: Tbilisi) und Umgebung. Seit der Unabhängigkeit 1991 verließen viele Bewohner vorwiegend aus ökonomischen Gründen das Land und gingen zumeist nach Russland. Die Migrationsbilanz hatte sich seit 2013 auf geringe Abwanderungszahlen unter 8.000 stabilisiert, erhöhte sich allerdings 2018 wieder auf über 10.000. Die größte georgische Gemeinschaft im Ausland ist in Moskau (nach russischen Angaben rund 300.000 Personen). Auch Fluchtmigration spielt eine Rolle: Allein im Jahr 2018 haben 20.055 Menschen aus Georgien Asylanträge im Ausland gestellt, vorrangig in Westeuropa. Die Zahl der Binnenflüchtlinge (Internally Displaced People) betrug 2019 insgesamt 283.976 Personen. Die meisten von ihnen verloren Anfang der 1990er Jahre ihre Heimat während der Unabhängigkeitskämpfe um Abchasien und Süd-Ossetien, weitere machte der erneute Krieg um Süd-Ossetien (und Abchasien) im August 2008 längerfristig heimatlos. Der Krieg um Abchasien (und Südossetien) 1992/1993 hatte nach der Niederlage der Georgier zum Exodus der georgischen Bevölkerung aus Abchasien geführt. Eine Rückkehr in größerer Zahl ist bis heute nicht möglich. Im Zuge des Krieges um Süd-Ossetien (und Abchasien) im August 2008 wurden die dort verbliebenen rund 20.000 Georgier aus Süd-Ossetien weitgehend vertrieben, während nach russischen Angaben ca. 30.000 Osseten ins russische Nord-Ossetien flohen.3

2 Munzinger Online Eintrag: Georgien – Grunddaten, Geographie, Bevölkerung. Internationales Handbuch,

https://www.munzinger.de/search/document?index=mol-03&id=03000GEO000&type=text/html&query.key=iqgv4tuW&template=/publikationen/laender/document.jsp&preview, abgerufen am 04.09.2020; CIA: The World Factbook – Georgia, 11.08.2020, https://www.cia.gov/library/publications/the-world-factbook/geos/am.html, abgerufen am 04.09.2020

3 Munzinger Online Eintrag: Georgien – Grunddaten, Geographie, Bevölkerung. Internationales Handbuch, https://www.munzinger.de/search/document?index=mol-03&id=03000GEO000&type=text/html&query.key=iqgv4tuW&template=/publikationen/laender/document.jsp&preview, abgerufen am 04.09.2020; CIA: The World Factbook – Georgia, 11.08.2020, https://www.cia.gov/library/publications/the-world-factbook/geos/am.html, abgerufen am 04.09.2020; Bundeszentrale für politische Bildung: Georgien – Das Land in Daten, https://www.bpb.de/nachschlagen/lexika/fischer-weltalmanach/65674/georgien, abgerufen am 04.09.2020; Fischer Weltalmanach 2019: Länderinformation zu Georgien, S. 178-179

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2. Ethnische Minderheiten

2.1. Ergebnis der letzten Volkszählung

Nach dem letzten aktuellen Zensus aus dem Jahr 2014 liegt der Anteil ethnischer Minderheiten im von der georgischen Regierung kontrollierten Gebiet (d.h. Zentralgeorgien mit der autonomen Republik Adscharien, jedoch ohne die abtrünnigen Regionen Abchasien und Süd-Ossetien) an der Gesamtbevölkerung (rund 3,7 Millionen) bei ca. 13,2%. Die größte ethnische Minderheit stellen dabei die Aserbaidschaner (6,3%), gefolgt von Armeniern (4,5%) und Russen (0,7%). Des Weiteren leben etliche kleinere ethnische Minderheiten in Georgien, wie z. B. Osseten, Griechen, Abchasen, Yeziden(Kurden), Ukrainer, Assyrer, Roma und Kisten.4

Ethnie Anzahl in Tausend Prozentanteil

Gesamt 3.713.800 100

Georgier 3.224.600 86,85

Aserbaidschaner 233.000 6,3

Armenier 168.100 4,5

Russen 26.500 0,7

Osseten 14.400 0,4

Yeziden (Kurden) 12.200 0,3

Ukrainer 6.000 0,15

Kisten 5.700 0,15

Griechen 5.500 0,15

Assyrer 2.400 0,1

andere (z. B. Abchasen, Lasen, Roma) 14.300 0,4

keine Angaben 600 0,0

Ungeklärt 500 0,0

5

4 Georgisches Statistikamt Zensus 2014 (NATIONAL STATISTICS OFFICE OF GEORGIA – GEOSTAT – veröffentlicht am 28.04.2016),

http://census.ge/files/results/Census_release_ENG.pdf, abgerufen am 24.09.2020 5 ebd.

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Angehörige der ethnischen Minderheiten gehören häufig gleichzeitig auch einer religiösen Minderheit an. Während die überwiegende Zahl der Georgier der georgisch-orthodoxen Kirche angehört, sind beispielsweise Aserbaidschaner in der Regel Muslime und Armenier Angehörige der armenisch-apostolischen Kirche.6

Neben der Hauptstadt Tiflis, wo Angehörige aller ethnischen Minderheiten zusammenleben, sind Hauptsiedlungsgebiete der Minderheiten, insbesondere der Armenier und Aserbaidschaner, die wirtschaftlich schwächeren Regionen Niederkartilien (Kvemo Kartli) und Samtskhe-Javakheti. Die kleine ethnische Gruppe der Kisten bewohnt das Pankisi-Tal in der Region Kachetien. Die abtrünnigen Regionen Abchasien und Süd-Ossetien werden überwiegend von der jeweiligen ethnischen Gruppe der Abchasen bzw. Osseten bewohnt.7

2.2. Gleichbehandlung der Minderheiten – Rechtliche Regelungen

Georgien hat neben der Europäischen Menschenrechtskonvention das Internationale Übereinkommen zur Beseitigung jeder Form von Rassendiskriminierung, den Internationalen Pakt über bürgerliche und politische Rechte und den Internationalen Pakt über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte sowie die Istanbul Konvention zur Verhütung und Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen ratifiziert.8

Die georgische Verfassung beinhaltet in Artikel 38 die Gleichbehandlung aller Bürger und Bürgerinnen unabhängig von der ethnischen Zugehörigkeit. Jeder Bürger und jede Bürgerin hat das Recht auf freie Entwicklung der eigenen Kultur und den Gebrauch der Muttersprache privat und in der Öffentlichkeit.9 Die Ausübung der Minderheitenrechte darf der Souveränität, Staatsstruktur, der territorialen Integrität und politischen Unabhängigkeit des Staates nicht entgegenstehen. Das Anti-Diskriminierungsgesetz aus dem Jahr 2014 bietet spezifischen Schutz vor Diskriminierung mit einem doppelten Ansatz: Zum einen wird die Chance des regulären Rechtswegs eröffnet, zum anderen die Möglichkeit der Beschwerde beim Büro der Ombudsfrau geboten.10

2.3. Nationale Strategie für Gleichstellung und Integration

Das Büro des Staatsministers für Versöhnung und bürgerliche Gleichstellung existiert seit 2008. Koordiniert von einer dem Büro zugeordneten Kommission, werden in Form von Aktionsplänen seit 2009 im Rahmen der staatlichen Strategie für Gleichstellung und Integration Maßnahmen zur Förderung der Gleichstellung von ethnischen Minderheiten festgelegt und implementiert. Der aktuelle Aktionsplan vom 17.08.2015 im Rahmen der Strategie für die Jahre 2015-2020 enthält Maßnahmen in den Bereichen Kultur und Bildung, sozioökonomische Situation, Gesellschaft und Politik. Über die Entwicklung und Fortschritte wird in jährlichen Berichten zum Aktionsplan informiert. Sowohl der Aktionsplan als auch die Jahresberichte sind neben Georgisch auch auf Englisch, Armenisch und Aserbaidschanisch verfügbar.11

6 Munzinger Online Eintrag: Georgien – Grunddaten, Geographie, Bevölkerung. Internationales Handbuch,

https://www.munzinger.de/search/document?index=mol-03&id=03000GEO000&type=text/html&query.key=iqgv4tuW&template=/publikationen/laender/document.jsp&preview, abgerufen am 04.09.2020

7 Munzinger Online Eintrag: Georgien – Grunddaten, Geographie, Bevölkerung. Internationales Handbuch, https://www.munzinger.de/search/document?index=mol-03&id=03000GEO000&type=text/html&query.key=iqgv4tuW&template=/publikationen/laender/document.jsp&preview, abgerufen am 04.09.2020; CIA: The World Factbook – Georgia, 11.08.2020, https://www.cia.gov/library/publications/the-world-factbook/geos/am.html, abgerufen am 04.09.2020

8 Auswärtiges Amt: Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in Georgien, 19.10.2019, Stand Juli 2019, Gz.: 508-516.80/3GEO; Council of Europe (Europarat): Advisory Committee on the Framework Convention for the Protection on national Minorities, Third Opinion on Georgia, 07.03.2019, https://rm.coe.int/3rd-op-georgia-en/1680969b56, abgerufen am 15.09.2020

9 Siehe die Verfassung Georgiens, Artikel 38 10 Landinfo Georgia: The situation of ethnic minorities, 14.02.2017, https://landinfo.no/wp-content/uploads/2018/03/Georgia-Situation-of-

ethnic-minorities.pdf, abgerufen am 11.08.2020 11 Regierungsdekret Nr. 1740: State Strategy for Civic Equality and Integration, 17.08.2015, https://smr.gov.ge/en/page/31/state-strategy-

for-civic-equality-and-integration-and-action-plan, abgerufen am 12.08.2020

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2.4. Ausschuss für Menschenrechte

Der Kabinettsausschuss für Menschenrechte unter Vorsitz des Premierministers koordiniert und überwacht die Implementierung des neuen Menschenrechts-Aktionsplans.12 Im Dezember 2019 wurde der Ausschuss um eine Kommission für Gleichheit und Anti-Diskriminierung erweitert. Der Nationale Menschenrechts-Aktionsplan 2018-2020 enthält ein Kapitel zum Schutz ethnischer Minderheiten. Das Büro des Staatsministers für Versöhnung und bürgerliche Gleichstellung ist mit der Koordination und dem Monitoring der Umsetzung betraut. Eine neue Strategie für die kommenden Jahre wird derzeit ausgearbeitet.13

2.5. Büro der Ombudsfrau

Die Ombudsfrau Nino Lomjaria beobachtet die Menschenrechtslage in Georgien und somit auch die Lage der Minderheiten. Im Jahr 2005 wurde der dem Büro der Ombudsfrau nachgeordnete Rat für ethnische Minderheiten eingerichtet. Maßgebliche Ziele des Rats sind es, den Dialog zwischen Minderheiten und der Regierung zu fördern und Empfehlungen im Rahmen der Erarbeitung von entsprechenden Politikprogrammen/Aktionsplänen auszusprechen. Der Rat setzt sich aus Vertretern von mehr als 80 Organisationen, die sich mit Angelegenheiten der ethnischen Minderheiten beschäftigen, sowie Vertretern der Diaspora zusammen. Organisiert werden Arbeitsgruppen zu den Themen Bildung und Kultur, Rechtsfragen, regionale Integration und Konfliktprävention sowie Medien und Jugend. Vertreter des Rats halten regelmäßige Treffen mit Regierungsvertretern, politischen und gesellschaftlichen Organisationen sowie Medienvertretern und der Öffentlichkeit ab.14

Wenn die in den Jahresberichten des Büros der Ombudsfrau ausgesprochenen Empfehlungen an staatliche Institutionen vom parlamentarischen Ausschuss für Menschenrechte und bürgerliche Integration angenommen werden, erhalten sie bindenden Charakter. Dies betraf im Jahr 2019 bezogen auf den Bericht für das Jahr 2018 259 von 308 Empfehlungen.15

3. Gleichstellung und soziale Integration

3.1. Allgemeine Erkenntnisse

Eine generelle und offene staatliche Diskriminierung von ethnischen Minderheiten gibt es in Georgien nicht. Die Gleichstellung und soziale Integration von ethnischen Minderheiten wird trotz weitreichender Maßnahmen der Regierung von der Ombudsfrau noch als teilweise problematisch angesehen. Die Gründe für eine Diskriminierung liegen hauptsächlich im Vorherrschen von Vorurteilen. Diese betreffen generell vulnerable Gruppen und auch ethnische Minderheiten. Zu einer strukturellen Benachteiligung in den Bereichen Bildung, Arbeitsmarkt und gesellschaftlicher Integration im Allgemeinen führt aber auch die mangelnde Kenntnis der georgischen Sprache bei Angehörigen von ethnischen Minderheiten. Diskriminierungen und Benachteiligungen beziehen sich nicht auf jede Ethnie in gleichem Ausmaß, sind nicht in allen nachfolgend dargestellten Bereichen gleichsam ausgeprägt und sind teilweise abhängig von den Wohnorten der Betroffenen.16

12 United Nations Development Programme (UNDP): Implementation of the National Strategy for the Protection of Human Rights in

Georgia 2014-2020, Oktober 2019, https://www.undp.org/content/dam/georgia/docs/publications/DG/UNDP_GE_DG_Human_Rights_Maggie_Nicholson_report_2019_eng.pdf, abgerufen am 14.08.2020

13 Georgia Human Rights Secretariat: Governmental Action Plan on Human Rights 2018-2020, http://myrights.gov.ge/en/news/1778-the-prime-ministers-advisor-on-human-rights-and, abgerufen am 12.08.2020

14 Landinfo Georgia: The situation of ethnic minorities, 14.02.2017, https://landinfo.no/wp-content/uploads/2018/03/Georgia-Situation-of-ethnic-minorities.pdf, abgerufen am 11.08.2020

15 Büro der Ombudsfrau: Jahresbericht 2019, http://tolerantoba.ge/index.php?id=1359536926, abgerufen am 13.08.2020 16 ebd.

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3.2. Ansiedlung der Roma-Minderheit und Staatsangehörigkeit

Nach erstmaliger Ansiedlung in Georgien im 19. Jahrhundert waren nach dem aktuellen Zensus von 2014 bis zu diesem Zeitpunkt 604 Roma in Georgien registriert. Heute sind es bereits rund 1.500 Personen. Ein sich auf die Minderheit der Roma konzentrierendes Problem ist das Fehlen von Ausweisdokumenten, welche den Zugang zu Bildung, medizinischer Versorgung, Sozialhilfe und Renten eröffnen und die Grundlage für die soziale Integration darstellen. Die Regierung hat Maßnahmen zur sozialen Integration der Roma-Minderheit nach den erstmaligen Bestrebungen zur Ausstellung von Dokumenten für bis dato nicht registrierte Roma im Jahr 2012 zuletzt auch wieder in den Aktionsplan 2015-2020 aufgenommen. Die Umsetzung erfolgt fortlaufend. Die Zahl der über die letzten Jahre ausgestellten Dokumente ist trotz diverser Anstrengungen, wie individueller Beratungen „von Tür zu Tür“, niedrig, da das individuelle Interesse der Angehörigen der Roma-Minderheit an der Registrierung häufig gering ist.17 Roma leben überwiegend in Tiflis sowie Kobuleti am Schwarzen Meer, in Kutaissi und in der Munizipalität Gardabani in der Region Kachetien. Darüber hinaus reisen einige Roma saisonal bedingt regelmäßig aus Aserbaidschan ein. Die Roma gehören in Georgien verschiedenen Religionen an, hauptsächlich dem Islam, aber auch der georgisch-orthodoxen Kirche oder der Pfingstgemeinde.18

3.3. Sprache und Bildung

In Georgien ist die Amtssprache Georgisch, in der abtrünnigen Region Abchasien sowohl Georgisch als auch Abchasisch.19 Viele Angehörige ethnischer Minderheiten, insbesondere in Niederkartilien und Samtskhe-Javakheti, dem Hauptsiedlungsgebiet der ethnischen Armenier und Aserbaidschaner, sprechen neben ihrer Muttersprache jedoch kein Georgisch. Das früher noch häufig gesprochene Russisch hat nach dem Zerfall der Sowjetunion im Dezember 1991 stark an Bedeutung verloren. Dieser Gesamtumstand verhindert oftmals die soziale Integration und Beteiligung an der Gesellschaft und ist somit auch häufig der Grund und Ursprung für Benachteiligungen in anderen Lebensbereichen.

Die Regierung hat in den letzten Jahren diverse und nachfolgend beschriebene Maßnahmen in diesem Bereich umgesetzt. Mit dem Gesetz über die offizielle Sprache aus dem Jahr 2015 wird der rechtliche Rahmen für den Umgang mit der Sprachvielfalt im Land geschaffen. Der Staat sorgt demnach für den Erhalt der kaukasischen Minderheitensprachen. Auch wurde gesetzlich festgelegt, dass in den Siedlungsgebieten der ethnischen Minderheiten die Verständigung in Behörden u. a. durch Dolmetscher sichergestellt werden muss; unter bestimmten Voraussetzungen kann die Sprache der ansässigen Minderheit amtlich verwendet werden. Ein zentraler Abschnitt ist der Unterricht in Sprachen der ethnischen Minderheiten und die gleichzeitige Pflicht zur Teilnahme am Georgisch-Unterricht. Trotz des wachsenden Angebots an Georgisch-Sprachunterricht auch in der Erwachsenenbildung, bleibt die fehlende Kenntnis der Landessprache in Siedlungsgebieten ethnischer Minderheiten jedoch eine Herausforderung.20

Gemäß dem Bildungsgesetz von 2005 umfasst die allgemeine Schulbildung in Georgien zwölf Schuljahre. Die Unterrichtssprache ist Georgisch. Schüler, deren Muttersprache nicht Georgisch ist, haben das Recht auf eine

17 Jahresbericht 2019 zur sozialen Integration in Georgien im Rahmen des Aktionsplans 2015-2020; Council of Europe (Europarat): Advisory

Committee on the Framework Convention for the Protection on national Minorities, Third Opinion on Georgia, 07.03.2019, https://rm.coe.int/3rd-op-georgia-en/1680969b56, abgerufen am 15.09.2020; Georgia Today: Roma People, a Stateless Community in Georgia, 23.10.2015, http://georgiatoday.ge/news/1671/Roma-People%2C-a-Stateless-Community-in-Georgia;%20https://humanrightshouse.org/articles/roma-population-in-georgia/, abgerufen am 05.09.2020

18 Büro der Ombudsfrau: Jahresbericht 2019, http://tolerantoba.ge/index.php?id=1359536926, abgerufen am 13.08.2020; Jahresbericht 2019 zur sozialen Integration in Georgien im Rahmen des Aktionsplans 2015-2020; Open Society Georgia Foundation: Study of the Participation of Ethnic Minority Representatives in Political Life, 06.06.2019, https://osgf.ge/en/publication/study-of-the-participation-of-ethnic-minority-representatives-in-political-life/, abgerufen am 20.08.2020; Landinfo Georgia: The situation of ethnic minorities, 14.02.2017, https://landinfo.no/wp-content/uploads/2018/03/Georgia-Situation-of-ethnic-minorities.pdf, abgerufen am 11.08.2020

19 Gesetz Georgiens über die offizielle Sprache vom 22.07.2015 20 Jahresbericht 2019 zur sozialen Integration in Georgien im Rahmen des Aktionsplans 2015-2020; Council of Europe (Europarat): Advisory

Committee on the Framework Convention for the Protection on national Minorities, Third Opinion on Georgia, 07.03.2019, https://rm.coe.int/3rd-op-georgia-en/1680969b56, abgerufen am 15.09.2020; Gesetz Georgiens über die offizielle Sprache vom 22.07.2015

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allgemeine Bildung in der Muttersprache. Es gibt in Georgien eine Vielzahl von Schulen, in denen der Unterricht in der Sprache der Minderheiten stattfindet.21

Nach einer aktuellen Statistik vom 11.03.2019 gehen landesweit insgesamt 236 Kinder der Roma-Minderheit in die Schule. Die Anzahl der Schulabbrecher ist nach den ersten Schuljahren sehr hoch, die Hochschulreife erreichen die wenigsten von ihnen. Neben Romani und teilweise Russisch wird die georgische Sprache von vielen Roma nicht oder nicht ausreichend beherrscht. Im Erwachsenenalter führen fehlende Bildung sowie fehlende oder mangelhafte Georgisch-Sprachkenntnisse zur in der Community verbreiteten Arbeitslosigkeit und fehlender Chancengleichheit. Dieser Umstand wird durch in der georgischen Bevölkerung vorherrschende Vorurteile und das zumeist negative Ansehen von Kultur und Traditionen der Roma verstärkt. So bestreiten Roma ihr Einkommen in der Regel mit dem Verkauf von Kleinwaren, Landwirtschaft oder dem traditionellen Wahrsagen. Betteln ist in den Städten, insbesondere in Touristenzentren, ebenfalls verbreitet.22

Nach einer Statistik vom Georgischen Statistikamt für das Jahr 2019 werden Schüler und Schülerinnen in Georgien in folgenden Sprachen unterrichtet:

Unterrichtssprache Anzahl der Schüler (absolut) Anzahl der Schüler (in %)

gesamt 584.400 100

Georgisch 531.000 90,9

Russisch 13.900 2,4

Aserbaidschanisch 25.500 4,4

Armenisch 13.400 2,2

Abchasisch und Ossetisch k.A. k.A.

Andere 600 0,1

Ist die Unterrichtssprache nicht Georgisch, wird Georgisch in jenen Schulen als Zweitsprache für mehrere Stunden pro Woche unterrichtet; die Stundenanzahl wurde in den letzten Jahren erhöht. Die Anzahl der Lehrer und Lehrerinnen, welche in die entsprechenden Regionen entsendet werden, steigt.23 Dennoch haben die meisten Schulen ethnischer Minderheiten nicht ausreichend Lehrer und Lehrerinnen, welche die Landessprache beherrschen. Insgesamt ist die Qualität des Unterrichts an diesen Schulen geringer als an georgisch-sprachigen Schulen und es besteht ein Bedarf an Schulungen für das Lehrpersonal.

Wurden Unterrichtsmaterialien bis ca. 2007 noch aus den Nachbarstaaten importiert, werden diese seither in der Regel aus dem Georgischen in die Minderheitensprachen übersetzt; bilinguale Bücher sollen zudem die Georgisch-Kenntnisse fördern. Die Qualität der Unterrichtsmaterialien muss sowohl nach Auffassung des Beratungsausschusses des Europarats als auch der Ombudsfrau verbessert werden. Trotz des seit mehreren Jahren praktizierten Unterrichts bleiben die Produktion und die Veröffentlichung von Unterrichtsmaterialien

21 Open Society Georgia Foundation: Study of the Participation of Ethnic Minority Representatives in Political Life, 06.06.2019,

https://osgf.ge/en/publication/study-of-the-participation-of-ethnic-minority-representatives-in-political-life/, abgerufen am 20.08.2020; Jahresbericht 2019 zur sozialen Integration in Georgien im Rahmen des Aktionsplans 2015-2020

22 Sandra Veloy Mateu/Georgia’s Reforms Associates (GRASS): Roma Youth in Georgia – What are the challenges? Tbilisi 2017, https://grass.org.ge/uploads/other/2019-06-06/466.pdf, abgerufen am 21.09.2020; Büro der Ombudsfrau: Jahresbericht 2019, http://tolerantoba.ge/index.php?id=1359536926, abgerufen am 13.08.2020

23 Open Society Georgia Foundation: Study of the Participation of Ethnic Minority Representatives in Political Life, 06.06.2019, https://osgf.ge/en/publication/study-of-the-participation-of-ethnic-minority-representatives-in-political-life/, abgerufen am 20.08.2020

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für diese Sprachen ein Problem. Die aktuell genutzten Lehrmaterialen sind häufig veraltet und noch aus Sowjetzeiten, andere werden noch immer aus dem Ausland importiert. Es wird als unerlässlich angesehen, dass der Unterricht auch bei kleinen ethnischen Minderheiten mit Büchern erfolgt, die vom Bildungsministerium genehmigt worden sind. Die Muttersprache kleinerer ethnischer Minderheiten wird in Georgien seit 2015 in Orten, in denen diese Minderheiten leben, unterrichtet. Unter Sprachen kleinerer Minderheiten versteht man u. a. Ossetisch, Udisch, Tschetschenisch, Hunsibisch, Awarisch, Assyrisch und Kurdisch, wobei Kurdisch aufgrund des Mangels an Lehrkräften aktuell nicht unterrichtet wird.24

Gelobt wird seitens der Ombudsfrau die Qualität des Georgisch-Unterrichts für Minderheiten in Vorschulen. Dieser wird landesweit in der Mehrheit der Vorschulen angeboten. Stark verbessert werden müsse insgesamt die Inklusion von Kindern der Roma-Minderheit in Kindergärten und Vorschulen. Dabei müssten die lokalen Verwaltungseinheiten weitere Schritte unternehmen, die Eltern der betroffenen Kinder zum Einschreiben der Kinder in Kindergärten und Vorschulen zu bewegen. Programme zur sozialen Inklusion an Schulen für Kinder der Grund- und Sekundarstufe inklusive der Aufnahme oder Wiederaufnahme von Schulabbrechern, wurden im Rahmen des Aktionsplans 2015-2020 bereits umgesetzt und erfolgen weiterhin fortlaufend.25

Mit einem „1+4-Programm“ wurde bereits im Jahr 2010 ein Quotensystem zur Integration von ethnischen Minderheiten zur weiterführenden Bildung an georgischen Universitäten eingeführt. Mindestens 12% der Studierenden sollten ethnischen Minderheiten angehören. Für ethnische Armenier und Aserbaidschaner sind jeweils 5% vorgesehen, für Osseten und Abchasen jeweils 1%. Diese legen zunächst einen Aufnahmetest in der jeweiligen Muttersprache an den Universitäten ab. Nach Bestehen des Tests muss ein einjähriger Georgisch-Sprachkurs erfolgreich durchgeführt und abgeschlossen werden, bevor sich die Studierenden für das vorgesehene Bachelor-Studium einschreiben können. Die Eignungstests können neben Ossetisch auch auf Abchasisch, Aserbaidschanisch und Armenisch abgelegt werden. Die Zahl der in Aserbaidschanisch durchgeführten Tests stieg von 589 im Jahr 2012 auf 1.335 im Jahr 2019. Dieses Programm existiert auch für Studiengänge in der Akademie des Innenministeriums sowie der Akademie des Verteidigungsministeriums.26 Seit dem Jahr 2010 hat sich die Anzahl der ethnischen Minderheiten unter den Studierenden von 247 Personen auf 1.231 im Jahr 2018 erhöht. Das Programm wird weiter fortgesetzt.27 Das bestehende Budget der Regierung zur finanziellen Unterstützung von ethnischen Armeniern und Aserbaidschanern in Höhe von jeweils 225.000 Lari (ca. 61.000 Euro) wird seitens der Ombudsfrau in Anbetracht der Anzahl der potenziell Begünstigten als zu gering eingeschätzt. Der Großteil der Studierenden, welche diesen ethnischen Minderheiten angehören und oftmals aus ärmeren Verhältnissen stammen, kann von den Hilfen wenig oder gar nicht profitieren.28

3.4. Kultur

Georgien ist ein Land reich an kulturellem Erbe, darunter auch jenem, welches ethnischen Minderheiten zuzuschreiben ist. Die Kultur nationaler Minderheiten wird in Georgien traditionell von staatlichen Stellen unterstützt und gefördert. Im Jahr 2019 wurde die Renovierung des zentral gelegenen armenischen Theaters in Tiflis vorangetrieben. Um die Kultur zu wahren ist es jedoch auch wichtig, den Stellenwert der Kulturhäuser, kultureller Stätten sowie Kulturveranstaltungen im städtischen, aber auch ländlichen Gebiet zu stärken. Insbesondere die Regionen Niederkartilien und Samtskhe-Javakheti, Siedlungsgebiete der ethnischen Armenier

24 Büro der Ombudsfrau: Jahresbericht 2019, http://tolerantoba.ge/index.php?id=1359536926, abgerufen am 13.08.2020; Jahresbericht

2019 zur sozialen Integration in Georgien im Rahmen des Aktionsplans 2015-2020; Open Society Georgia Foundation: Study of the Participation of Ethnic Minority Representatives in Political Life, 06.06.2019, https://osgf.ge/en/publication/study-of-the-participation-of-ethnic-minority-representatives-in-political-life/, abgerufen am 20.08.2020

25 Büro der Ombudsfrau: Jahresbericht 2019, http://tolerantoba.ge/index.php?id=1359536926, abgerufen am 13.08.2020; Jahresbericht 2019 zur sozialen Integration in Georgien im Rahmen des Aktionsplans 2015-2020; Open Society Georgia Foundation: Study of the Participation of Ethnic Minority Representatives in Political Life, 06.06.2019, https://osgf.ge/en/publication/study-of-the-participation-of-ethnic-minority-representatives-in-political-life/, abgerufen am 20.08.2020

26 Democracy & Freedom Watch: Integration of ethnic Azeris starts with language - Challenges in quality education and employment, 27.02.2018, https://dfwatch.net/integration-ethnic-azeris-starts-language-challenges-quality-education-employment-50003, abgerufen am 16.09.2020

27 Büro des Staatsministers für Versöhnung und bürgerliche Gleichheit, Auskunft vom 30.06.2020 28 Council of Europe (Europarat): Advisory Committee on the Framework Convention for the Protection on national Minorities, Third

Opinion on Georgia, 07.03.2019, https://rm.coe.int/3rd-op-georgia-en/1680969b56, abgerufen am 15.09.2020; Büro der Ombudsfrau: Jahresbericht 2019, http://tolerantoba.ge/index.php?id=1359536926, abgerufen am 13.08.2020

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und Aserbaidschaner, sind bislang touristisch weniger erschlossen als andere Regionen Georgiens. Die Stärkung und das Bewerben des Tourismus sollte auch dort gemäß der Ombudsfrau vorangetrieben werden.29

3.5. Arbeitsmöglichkeiten

Aufgrund der Sprachbarriere und teilweise vorherrschender Vorurteile kann es für Angehörige ethnischer Minderheiten außerhalb ihrer Gemeinschaft schwieriger sein, eine Arbeitsstelle zu finden. Seitens der Regierung werden Maßnahmen zur Förderung der Beschäftigung von Angehörigen ethnischer Minderheiten in Behörden umgesetzt. So gibt es bereits seit 2005 die Zurab Zhvania Schule für öffentliche Verwaltung in Marneuli, welche die Verwaltungsausbildung zugeschnitten auf Angehörige der Minderheiten anbietet.30

In einigen Einheiten des georgischen Militärs gehört die Mehrheit der Soldaten der aserbaidschanischen Minderheit an. Aufgrund mangelhafter Georgisch-Kenntnisse kann es zum einen zu Mängeln in der Ausbildung kommen, was zu fehlerhaften Ausführungen von Befehlen oder Pflichten im Allgemeinen führt. Zum anderen führen mangelnde Sprachkenntnisse zu Missverständnissen und Meinungsverschiedenheiten sowie vereinzelt zu physisch ausgetragenen Konflikten in den Einheiten.31

3.6. Information und Medien

In Bezug auf die Förderung sozialer und gesellschaftlicher Integration spielen die Medien eine zentrale Rolle. Der staatliche Fernsehsender TV1 fördert im Rahmen des Projekts „Vielfältiges Georgien“ die Medienproduktion in den Sprachen der größten Minderheiten. Die Nachrichtensendung „Moambe“ dieses Senders ist auch auf Aserbaidschanisch und Armenisch verfügbar. Die Internetseite von TV1 ist darüber hinaus neben Georgisch auch auf Englisch, Aserbaidschanisch, Armenisch, Russisch, Ossetisch und Abchasisch verfügbar.32

In Georgien gibt es seit mehreren Jahren die Zeitungen „Vrastan“ auf Armenisch und „Gurjistan“ auf Aserbaidschanisch sowie die Online-Nachrichten „Samkhretis Karibche” und „Aliq Media“ auf Armenisch.33

Das Bereitstellen von Informationen für ethnische Minderheiten wird seitens der Ombudsfrau nach wie vor als problematisch angesehen. Denn obwohl über die letzten Jahre hinweg die Medien auch in Sprachen der Minderheiten zur Verfügung stehen, beziehen die meisten Angehörigen der ethnischen Minderheiten ihre Informationen durch ausländische Medien, was Einfluss auf die Meinungsbildung hat. Die anti-westliche Propaganda zumeist russischer Medien, die der angestrebten westlichen Integration Georgiens mit Skepsis begegnen, ist insbesondere in Niederkartilien und Samtskhe-Javakheti einflussreich. Daneben besteht das Problem, dass die entsprechende Propaganda Spannungen zwischen ethnischen Gruppen hervorrufen kann.34

3.7. Hate-Speech und Hate-Crimes

Diskriminierungen, die sich über soziale Medien schnell verbreiten, dienen häufig der politischen Stimmungsmache. Sie richten sich zwar nicht hauptsächlich, aber auch gegen ethnische Minderheiten und können Konflikte zwischen ethnischen Gruppen schüren. Hate-Speech und Hate-Crimes erfolgen in Georgien überwiegend aus religiösen oder homophoben Gründen. Opfer können sich sowohl an die Polizei und Gerichte als auch an das Büro der Ombudsfrau oder an NGOs wenden. Strafrechtlich ist der Schutz der

29 Büro der Ombudsfrau: Jahresbericht 2019, http://tolerantoba.ge/index.php?id=1359536926, abgerufen am 13.08.2020; Council of

Europe (Europarat): Advisory Committee on the Framework Convention for the Protection on national Minorities, Third Opinion on Georgia, 07.03.2019, https://rm.coe.int/3rd-op-georgia-en/1680969b56, abgerufen am 15.09.2020

30 Ministry of Education and Science of Georgia: LEPL - Zurab Zhvania School of Public Administration, http://www.zspa.ge/eng/page/16, abgerufen am 14.09.2020

31 Büro der Ombudsfrau: Jahresbericht 2019, http://tolerantoba.ge/index.php?id=1359536926, abgerufen am 13.08.2020 32 Internetseite des georgischen Fernsehsenders: www.tv1.ge 33 Council of Europe (Europarat): Advisory Committee on the Framework Convention for the Protection on national Minorities, Third

Opinion on Georgia, 07.03.2019, https://rm.coe.int/3rd-op-georgia-en/1680969b56, abgerufen am 15.09.2020 34 Büro der Ombudsfrau: Jahresbericht 2019, http://tolerantoba.ge/index.php?id=1359536926, abgerufen am 13.08.2020

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Persönlichkeitsrechte nicht geregelt, so dass gegen Tatbestände wie Verleumdung oder üble Nachrede nur mit einer Zivilklage vorgegangen werden kann.35

Im Rahmen der Corona-Pandemie waren online Hate-Speeches insbesondere zu Beginn verstärkt gegen die aserbaidschanische Minderheit zu beobachten, da die Infektionen gehäuft in Niederkartilien, Siedlungsgebiet der aserbaidschanischen Minderheit, auftraten.36

Die Präsenz neofaschistischer und ultra-nationalistischer Gruppierungen im öffentlichen Raum in Georgien sowie die von dort ausgehenden Angriffe auf andere Personen aus u. a. ethnischen und nationalistischen Gründen sind über die letzten Jahre hinweg gestiegen.

Hervorzuheben ist der Mord an dem Verteidiger für Menschenrechte, Vitali Safarov, der sich als Mitarbeiter der NGO „Center for Participation and Development“ aktiv gegen Diskriminierung und Rassismus einsetzte. Vitali Safarov wurde am 30.09.2018 von zwei Mitgliedern einer Neo-Nazi-Gruppierung getötet. Der dem Mord vorangehende Streit entbrannte Augenzeugen zufolge bei einer Diskussion über Ethnien und Sprachen. Am 10.06.2019 verkündete das Stadtgericht von Tiflis das Urteil, nach welchem die Angeklagten wegen Mordes in einer Gruppe für schuldig befunden wurden, nicht aber wegen Handelns aus Motiven ethnischer Intoleranz. Das getroffene Urteil stieß in Berichten von NGOs und dem Büro der Ombudsfrau auf Kritik. Es seien Motive wie Diskriminierung aus ethnischen Gründen bzw. Rassismus nicht ausreichend in die Urteilsfindung einbezogen worden.37

3.8. Politik und Wahlen

Die gelungene Integration und Inklusion von Minderheiten in das politische Leben Georgiens steht noch aus. Es gibt nach wie vor nur wenige Vertreter ethnischer Minderheiten im Parlament. Seit den Wahlen im Jahr 2016 befanden sich nur elf Vertreter ethnischer Minderheiten im Parlament, das sind 7,3% aller Abgeordneten. Dieser Zahl steht der Gesamtanteil von Minderheiten an der Bevölkerung in Höhe von 13,2% gegenüber. Nach einem Bericht der Open Society Georgia Foundation (NGO) aus dem Jahr 2019 ist einer der wichtigsten Gründe für die geringe politische Teilnahme von ethnischen Minderheiten - neben vorhandenen Sprachbarrieren - das Desinteresse an diesem Thema von Seiten der politischen Parteien.38 Angelegenheiten der ethnischen Minderheiten würden für gewöhnlich nur oberflächlich thematisiert werden und sich zumeist nicht in Parteiprogrammen wiederfinden. Die Regionen mit einem großen Anteil an Minderheiten haben in der Regel keine starke politische Infrastruktur, geringen Kontakt mit potenziellen Wählern oder Wahlinformationen gelangen nicht an die Bevölkerung. Seitens der zentralen Wahlkommission werden jedoch mittlerweile Wahlunterlagen und Informationsmaterial neben Georgisch auch auf Armenisch und Aserbaidschanisch erstellt und in den Wahllokalen der entsprechenden Regionen verteilt. Informationsveranstaltungen gibt es vor den Wahlen auch auf Armenisch und Aserbaidschanisch.39

35 Council of Europe (Europarat): Hate Crime, Hate Speech, and Discrimination in Georgia - Attitudes and Awareness, 16.11.2018,

https://www.coe.int/en/web/tbilisi/-/the-council-of-europe-presents-study-hate-crime-hate-speech-and-discrimination-in-georgia-attitudes-and-awarenes-1, abgerufen am 20.08.2020

36 Top-Center: Discrimination campaign against Azerbaijanis in Georgia, 10.04.2020, https://top-center.org/en/analytics/3013/discrimination-campaign-against-azerbaijanis-in-georgia?fbclid=IwAR0uUEINsWD7elLaCPHv9i8xcMn-oITWM92G_tksYq4l3moUUBjart65kTw, abgerufen am 09.09.2020

37 Büro der Ombudsfrau: Jahresbericht 2019, http://tolerantoba.ge/index.php?id=1359536926, abgerufen am 13.08.2020; Human Rights Center: Murder of Human Rights Defender, Vitali Safarov, Case Details and Legal Assessment, 2019, https://www.hridc.org/admin/editor/uploads/files/pdf/hrc2019/%E1%83%A1%E1%83%90%E1%83%A4%E1%83%90%E1%83%A0%E1%83%9D%E1%83%95%E1%83%98%E1%83%A1%20%E1%83%A1%E1%83%90%E1%83%A5%E1%83%9B%E1%83%94-eng.pdf, abgerufen am 11.08.2020

38 Open Society Georgia Foundation: Study of the Participation of Ethnic Minority Representatives in Political Life, 06.06.2019, https://osgf.ge/en/publication/study-of-the-participation-of-ethnic-minority-representatives-in-political-life/, abgerufen am 20.08.2020

39 Council of Europe (Europarat): Advisory Committee on the Framework Convention for the Protection on national Minorities, Third Opinion on Georgia, 07.03.2019, https://rm.coe.int/3rd-op-georgia-en/1680969b56, abgerufen am 15.09.2020; Open Society Georgia Foundation: Study of the Participation of Ethnic Minority Representatives in Political Life, 06.06.2019, https://osgf.ge/en/publication/study-of-the-participation-of-ethnic-minority-representatives-in-political-life/, abgerufen am 20.08.2020; Center for the Studies of Ethnicity and Multiculturalism: Competing for Votes of Ethnic Minorities in Georgia: The 2017 local elections, Tbilisi 2018, http://csem.ge/wp-content/uploads/2018/06/Competing-for-Votes-of-Ethnic-Minorities_Eng.pdf, abgerufen am 21.09.2020

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3.9. Häusliche Gewalt

Häusliche Gewalt ist in allen Bevölkerungsgruppen und -schichten verbreitet. Besonders betroffen sind jedoch vulnerable Gruppen, darunter auch Frauen, die ethnischen Minderheiten angehören. Oftmals fehlende Sprachkenntnisse und mangelndes Vertrauen in staatliche Institutionen können dazu führen, dass Hilfen, welche die Regierung oder NGOs anbieten, nicht in Anspruch genommen werden.40

Besonders problematisch ist die frühzeitige Eheschließung, welche unter Angehörigen der ethnischen Minderheiten häufiger vorkommt als bei ethnischen Georgiern. Die Ehe darf in Georgien seit 2017 legal erst mit 18 Jahren geschlossen werden; mit der Genehmigung der Eltern ab einem Alter von 16 Jahren. Verschiedenen Berichten zufolge ist es die Minderheit der ethnischen Aserbaidschaner, bei welcher am häufigsten Frühehen geschlossen werden. Zudem liegt bei der Minderheit der Roma das übliche Alter zur Eheschließung von Mädchen traditionell bei 13 bis 15 Jahren. Das Bewusstsein und die Kenntnis über die Illegalität der Frühehe wächst jedoch, insbesondere auch durch die entsprechende Arbeit von NGOs. Ebenfalls durch die Arbeit von NGOs sowie UN-Women konnte erreicht werden, dass die Frühehe bei der Minderheit der Kisten von religiösen Führern und dem Ältestenrat nicht mehr unterstützt wird.41

Häusliche Gewalt, Zwangs- und Frühehen sind in Georgien strafbar. Die im Jahr 2018 gegründete Abteilung für den Schutz der Menschenrechte im Innenministerium hat das Thema zur Priorität erklärt und führte u. a. im Sommer 2019 eine groß angelegte Informationskampagne zur Aufklärung der Bevölkerung durch. Nach Einschätzung der Ombudsfrau muss die bislang betriebene Strafverfolgung im Zusammenhang mit Zwangs- oder Frühehen seitens der Behörden weiter intensiviert werden. Positiv ist das Informationsmanagement der Regierung zur Prävention von Zwangs- oder Frühehen zu bewerten.42

4. Konfliktherde

4.1. Auseinandersetzungen zwischen ethnischen Gruppen

In Georgien leben die Angehörigen ethnischer Gruppen in der Regel friedlich zusammen, von wenigen Ausnahmen abgesehen.

Nach Berichten des georgischen Innenministeriums (State Security Service) versuchen sowohl Einzelpersonen als auch bestimmte Gruppierungen einen ethnischen Konflikt zwischen georgischen Volkszugehörigen und Aserbaidschanern in den Regionen Kachetien und Niederkartilien zu schüren. Es handele sich dabei um Personen, welche durch die Verbreitung von Parolen, dass Georgier die privilegierte Ethnie seien, versuchten, Rivalitäten zwischen ethnischen Georgiern und Aserbaidschanern hervorzurufen. In diesem Kontext würden falsche und feindselige Meldungen verbreitet, die das friedliche Zusammenleben zwischen georgischen Volkszugehörigen und Aserbaidschanern in den genannten Regionen gefährden. Es gebe laufende Ermittlungen gegen diese Personen nach Artikel 142.1 Abs. 3 des georgischen Strafgesetzbuches, nach welchem Handlungen, die dazu dienen, nationale und rassistische Rivalitäten oder Zwietracht hervorzurufen, mit Haftstrafen von bis zu sieben Jahren geahndet werden können. Im Rahmen der Ermittlungen wurde Medienberichten zufolge auch

40 Landinfo Georgia: The situation of ethnic minorities, 14.02.2017, https://landinfo.no/wp-content/uploads/2018/03/Georgia-Situation-of-

ethnic-minorities.pdf, abgerufen am 11.08.2020 41 UN-Women: Early Marriage banned in the Pankisi Gorge, Georgia 04.04.2016,

https://www.unwomen.org/en/news/stories/2016/4/early-marriage-banned-in-the-pankisi-gorge-georgia, abgerufen am 18.08.2020; Landinfo Georgia: The situation of ethnic minorities, 14.02.2017, https://landinfo.no/wp-content/uploads/2018/03/Georgia-Situation-of-ethnic-minorities.pdf, abgerufen am 11.08.2020

42 Büro der Ombudsfrau: Jahresbericht 2019, http://tolerantoba.ge/index.php?id=1359536926, abgerufen am 13.08.2020; Landinfo Georgia: The situation of ethnic minorities, 14.02.2017, https://landinfo.no/wp-content/uploads/2018/03/Georgia-Situation-of-ethnic-minorities.pdf, abgerufen am 11.08.2020

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der Vorsitzende der Obersten Religionsverwaltung aller Muslime in Georgien, Sheikh Mirtag Asadov, vom State Security Service vernommen.43

Auch wenn die bilateralen Beziehungen zwischen den Staaten Armenien und Aserbaidschan von dem langjährigen Konflikt um die Region Berg-Karabach geprägt ist, leben die beiden Minderheiten der Armenier und Aserbaidschaner innerhalb Georgiens in der Regel friedlich zusammen - häufig auch in den gleichen Ortschaften -, insbesondere in den Regionen Niederkartilien und Samtskhe-Javakheti.44

4.2. Religionszugehörigkeit

Angehörige ethnischer Minderheiten gehören häufig zugleich auch einer religiösen Minderheit an. Auch aufgrund der Religionszugehörigkeit kann es zu bereits dargestellten Problemen wie Diskriminierungen oder Vorurteilen kommen. Dies betrifft in dem georgisch-orthodoxen Land auch Angehörige muslimischer Glaubensgemeinschaften, zu welcher ein Großteil der aserbaidschanischen Minderheit und der Minderheit der Kisten zählen. Religiöse Minderheiten haben je nach Wohnort unter Umständen keinen Zugang zu Gebetsstätten. Vorhanden sind diese für Angehörige diverser Religionen jedoch grundsätzlich in der Hauptstadt Tiflis. Armenische Kirchen gibt es ebenfalls in den Hauptsiedlungsgebieten der Armenier. Moscheen sind darüber hinaus in den Siedlungsgebieten der Aserbaidschaner und Kisten zu finden.45

5. Medizinische Versorgung und Covid-19-Pandemie

5.1. Gesundheitsversorgung

Angehörige der Minderheiten haben grundsätzlich und - soweit Identitätsdokumente vorhanden sind - den gleichen Zugang zur Gesundheitsversorgung wie ethnische Georgier. Probleme beim Zugang zu Behandlungsmöglichkeiten können sich bei Angehörigen aller Bevölkerungsgruppen je nach Siedlungsgebiet ergeben, wenn sich diese in ländlichen oder abgelegenen Regionen befinden. Die meisten Kliniken und Fachärzte befinden sich in Tiflis und den größeren Städten wie Kutaissi und Batumi. Zum Überwinden von Sprachbarrieren sind nicht Georgisch sprechende Personen auf die Hilfe von Dolmetschern bzw. Bekannten, die für sie übersetzen können, angewiesen.46

5.2. Informationsmanagement der Regierung und Hilfen bei Covid-19

Sowohl seitens der Regierung als auch durch NGOs und internationale Organisationen werden Informationen und Hilfsgüter für ethnische Minderheiten im Rahmen der Corona-Krise zur Verfügung gestellt. Die zentrale Homepage der Regierung mit Informationen über Covid-19 ist in Georgien unter www.stopcov.ge zu finden. Die Internetseite ist neben Georgisch auch auf Englisch, Abchasisch, Aserbaidschanisch, Armenisch und Russisch verfügbar. Somit wird gewährleistet, dass auch die Angehörigen von Minderheiten alle relevanten Informationen zur Pandemie im Allgemeinen, zur speziellen Hygiene und zu Maßnahmen der Regierung erhalten. Die Internetseite bietet darüber hinaus Zugriff auf relevante Medienberichterstattung. Die jeweiligen Artikel sind ebenfalls in den genannten Sprachen verfügbar. Die Stadtverwaltungen in allen Regionen sind dazu

43 State Security Service of Georgia: The State Security Service of Georgia has launched an investigation into the fact of racial discrimination

(EN), 30.05.2020, https://ssg.gov.ge/en/news/597/-The-State-Security-Service-of-the-State-Security-Service-has-launched-an-investigation-into-the-fact-of-racial-discrimination-EN, abgerufen am 24.08.2020; Report News Agency: Chairman of All Muslims of Georgia questioned at SSS, 06.06.2020, https://report.ge/en/law/chairman-of-all-muslims-of-georgia-questioned-at-sss/, abgerufen am 24.08.2020

44 Council of Europe (Europarat): Advisory Committee on the Framework Convention for the Protection on national Minorities, Third Opinion on Georgia, 07.03.2019, https://rm.coe.int/3rd-op-georgia-en/1680969b56, abgerufen am 15.09.2020; Büro der Ombudsfrau: Jahresbericht 2019, http://tolerantoba.ge/index.php?id=1359536926, abgerufen am 13.08.2020

45 Council of Europe (Europarat): Advisory Committee on the Framework Convention for the Protection on national Minorities, Third Opinion on Georgia, 07.03.2019, https://rm.coe.int/3rd-op-georgia-en/1680969b56, abgerufen am 15.09.2020; Büro der Ombudsfrau: Jahresbericht 2019, http://tolerantoba.ge/index.php?id=1359536926, abgerufen am 13.08.2020

46 Gesetz zur Gesundheitsversorgung in Georgien

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angehalten sicherzustellen, dass Informationen zu Covid-19 den ethnischen Minderheiten zur Verfügung gestellt werden. Relevant ist dies insbesondere in den Regionen Niederkartilien und Samtskhe-Javakheti, in denen die Infektionszahlen zu Beginn der Pandemie in Georgien am stärksten anstiegen. Von der Regierung wurden mit finanzieller Unterstützung durch UNICEF Hygieneartikel und Nahrungsmittelpakete an Angehörige der Roma-Minderheit in verschiedenen Städten/Regionen verteilt.47

Seit März 2020 sind Schulen in Georgien wegen der Covid-19-Pandemie bis auf Weiteres geschlossen; der Unterricht findet online statt. Dies gilt neben georgisch-sprachigen Schulen auch für alle weiteren Schulen landesweit. Der staatliche Fernsehsender TV1 hat zudem in Kooperation mit dem Bildungsministerium das Projekt „TV-Schule“ (Teleskola) umgesetzt. Der Unterricht wird auch auf Aserbaidschanisch und Armenisch übersetzt und gesendet.48

6. Einhaltung der Menschenrechte gegenüber Minderheiten Wie oben dargestellt, beheimatet Georgien als multikulturelles und multiethnisches Land rund eine halbe Million Menschen, die einer Vielzahl ethnischer Minderheiten angehören. Insgesamt stellen die Minderheiten ca. 13,2% der Gesamtbevölkerung. Die hohe Zahl von ethnischen Minderheiten mit ihrer sprachlichen und kulturellen Vielfalt stellt im Rahmen von gesellschaftlicher und sozioökonomischer Integration besondere Anforderungen an die Regierung, Behörden und nicht zuletzt an die Bevölkerung selbst.

Eine offene staatliche Diskriminierung einzelner ethnische Minderheiten existiert in Georgien nicht. Ungleichbehandlungen49 können jedoch aus verschiedenen Gründen vorkommen. Ein Teil der ethnischen Minderheiten verfügt nicht über Kenntnisse der Landessprache. Die u. a. daraus resultierenden sozialen und wirtschaftlichen Benachteiligungen sind in Georgien nach wie vor als Problem anzusehen. Daneben können bestehende Vorurteile gegenüber Angehörigen ethnischer Minderheiten zu Diskriminierungen oder zumindest zu einer Privilegierung ethnischer Georgier georgisch-orthodoxen Glaubens auch durch den Staat führen.50

In den letzten Jahren wurde der Rechtsrahmen zur Förderung der Rechte nationaler Minderheiten in Georgien ausgebaut und im Rahmen von Aktionsplänen wurden sichtbare Anstrengungen zur Stärkung der Vielfalt unternommen, was zu Fortschritten in diesem Bereich führte. Die Umsetzung der Maßnahmen wird vom Europarat sowie der georgischen Ombudsfrau (Public Defender) beobachtet. Ausgesprochene Empfehlungen fließen in die Weiterentwicklung von Maßnahmen und Aktionsplänen ein, so dass auch in den kommenden Jahren weitere Fortschritte bei der sozialen Integration ethnischer Minderheiten zu erwarten sind. Letztlich können Ungleichbehandlungen jedoch nicht allein durch die Regierung, sondern nur unter Beteiligung der Angehörigen ethnischer Minderheiten selbst sowie der übrigen Gesellschaft ausgeräumt werden.51

Nachfolgend wird gesondert auf die Minderheiten der Kisten und Yeziden eingegangen. Eine Diskriminierung seitens der Regierung, die sich beispielsweise gezielt und systematisch gegen die kleine ethnische Minderheit der Kisten richtet, ist Berichten zufolge nicht festzustellen. So berichtet der Danish Immigration Service im November 2018 basierend auf Auskünften von UNHCR, Ombudsfrau und EU-Delegation darüber, dass es keine Diskriminierung von Kisten in Georgien gebe.52

47 www.stopcov.ge, Büro des georgischen Staatsministers für Versöhnung und bürgerliche Gleichheit 48 Ministerium für Bildung, Wissenschaft, Kultur und Sport: Ministry of Education, Science, Culture and Sport of Georgia launches an

educational project Teleskola in collaboration with First Channel, 24.03.2020, http://mes.gov.ge/content.php?lang=eng&id=10248, abgerufen am 19.08.2020

49 Siehe hierzu auch Kapitel 3.1. 50 Council of Europe (Europarat): Advisory Committee on the Framework Convention for the Protection on national Minorities, Third

Opinion on Georgia, 07.03.2019, https://rm.coe.int/3rd-op-georgia-en/1680969b56, abgerufen am 15.09.2020; Büro der Ombudsfrau: Jahresbericht 2019, http://tolerantoba.ge/index.php?id=1359536926, abgerufen am 13.08.2020

51 Council of Europe (Europarat): Advisory Committee on the Framework Convention for the Protection on national Minorities, Third Opinion on Georgia, 07.03.2019, https://rm.coe.int/3rd-op-georgia-en/1680969b56, abgerufen am 15.09.2020; Büro der Ombudsfrau: Jahresbericht 2019, http://tolerantoba.ge/index.php?id=1359536926, abgerufen am 13.08.2020

52 Danish Immigration Service, Georgia: The Situation of the Kist Community and the Chechens, 07.11.2018, https://www.refworld.org/docid/5beacbb94.html, abgerufen am 05.05.2020

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Kisten sind selbst in lokalen Behörden und bei der Polizei angestellt. Sie können sich wie die übrige Bevölkerung im Fall von Konflikten an Polizei, Ombudsfrau, Rechtsanwälte u. a. wenden. Dennoch werden Konflikte häufig unter Anwendung islamischen Rechts innerhalb der Gemeinschaft, d.h. durch die Familie, durch Konsultation des Ältestenrates oder eines Imams gelöst. Vermehrt werden bevorzugt Imame konsultiert und nicht mehr, wie im traditionellen Islam üblich, der Ältestenrat. In Konfliktfällen genießen Frauen aufgrund der traditionellen und religiösen Riten nicht die gleichen Freiheiten wie innerhalb der überwiegenden Mehrheit der georgischen Bevölkerung. Grundsätzlich sind Kisten aufgrund ihrer georgischen Sprachkenntnisse besser als einige andere Minderheiten in die georgische Gesellschaft integriert. Gezielte oder systematische Diskriminierung hinsichtlich des Zugangs zur Bildung kann allgemein nicht festgestellt werden.53

Der Vorstand der Gemeinschaft der Yeziden in Tiflis betont, dass die Lage für die yezidische Minderheit in Georgien gut sei. Weder mit der Regierung noch in der Gesellschaft gebe es Probleme, die sich auf die religiöse Gruppe der Yeziden beziehen. Man fühle sich als Yezide nicht fremd oder als Gast im Land, sondern als Teil der Gesellschaft. Insbesondere die junge Generation sei anderen Religionen gegenüber immer offener und toleranter eingestellt. Mit anderen Religionsgemeinschaften würden gute Beziehungen gepflegt, was die gegenseitige Teilnahme an den Festlichkeiten der jeweiligen Gemeinschaften einschließt. Im Hinblick auf sozioökonomische Probleme im Land gebe es keine, die sich speziell auf die Gruppe der Yeziden beschränken würden. Bei der medizinischen Versorgung gebe es für Yeziden ebenfalls keine Benachteiligung. Seitens der Yezidengemeinde wünsche man sich jedoch eine politische Stimme, was aber allgemein ein Problem der Minderheiten im Land sei. Eine Benachteiligung der Religionsgemeinschaft der Yeziden bzw. von Kurden yezidischer Religionszugehörigkeit54 wird im Jahresbericht 2019 der georgischen Ombudsfrau und in denen der Vorjahre nicht erwähnt. Auch UNHCR Tiflis bestätigt die Gleichbehandlung der Yeziden in Georgien. Eventuelle Konflikte zwischen Personen oder eine vorgetragene Benachteiligung kann im Einzelfall, muss aber nicht zwingend einen religiösen oder ethnischen Hintergrund haben.55

53 Danish Immigration Service, Georgia: The Situation of the Kist Community and the Chechens, 07.11.2018,

https://www.refworld.org/docid/5beacbb94.html, abgerufen am 06.05.2020; George Sanikidze: Islamic Resurgence in the Modern Caucasian Region - Global and Local Islam in the Pankisi Gorge, http://src-h.slav.hokudai.ac.jp/coe21/publish/no14_ses/10_sanikidze.pdf, abgerufen am 04.05.2020; Under the security gaze: History, Politics and Religion in the Pankisi Gorge, Human Rights Education and Monitoring Center, 2018, https://www.academia.edu/38056599/Under_the_Security_Gaze_History_Politics_and_Religion_in_the_Pankisi_Gorge, abgerufen am 05.05.2020; Caucasian House: Islam in Georgia: Policy and Integration, 2016, http://caucasianhouse.ge/wp-content/uploads/2017/04/Islam-in-Georgia-ENG.pdf, abgerufen am 29.04.2020

54 Offiziell zählt man Yeziden zur Ethnie der Kurden. Die Yeziden selbst sehen sich jedoch nicht nur als Religionsgemeinschaft, sondern auch als eine eigenständige Ethnie

55 Büro der Ombudsfrau: Jahresbericht 2019, http://tolerantoba.ge/index.php?id=1359536926, abgerufen am 13.08.2020; Erkenntnisse des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (BAMF), Deutsche Botschaft in Tiflis, vom 04.12.2019

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7. Prognose Der Prozess der Umsetzung von Maßnahmen zur sozialen Integration ethnischer Minderheiten sowie der Gleichstellung der ethnischen Gruppen erfolgt fortlaufend und stetig unter Einbezug der Empfehlungen von Stellen wie dem Beratungsausschuss des Europarats und der Ombudsfrau.

Der Aktionsplan 2015-2020 sowie fortlaufende Fortschritte wurden sowohl vom Beratungsausschuss als auch von der Ombudsfrau als positiv bewertet. Auf der anderen Seite gibt es jedoch auch Empfehlungen, die bereits seit Jahren in Berichten immer wieder veröffentlicht werden, ohne dass sich die entsprechende Situation signifikant ändert.

So sind nach Auffassung des Beratungsausschusses des Europarats die Strategiepapiere/Aktionspläne nicht ausreichend evidenzbasiert, da Schlüsseldaten zu Minderheiten, die zur Entwicklung von Maßnahmen sowie zur Evaluation dienen, nicht ausreichend vorhanden oder nicht aktuell seien. Empfohlen wird die entsprechende Erhebung dieser Daten im für das Jahr 2023 geplanten Zensus. Relevant ist auch, dass weite Teile der Bevölkerung von der Antidiskriminierungs-Gesetzgebung bzw. Maßnahmen zur Verhinderung von Diskriminierung keine Kenntnis haben. Empfohlen wird aus diesem Grund, das Bewusstsein der Bevölkerung zu diesem Thema durch Informationskampagnen zu stärken.

Zentrale Empfehlungen der Ombudsfrau im Jahresbericht 2019 richten sich sowohl an Regierung als auch an Behörden und Medien und konzentrieren sich maßgeblich auf die Bereiche Sprache und Bildung sowie Kultur und den Einbezug von Vertretern der Minderheiten in landesweite und regionale Entscheidungsprozesse. So wird empfohlen, dass staatliche Medien ihr Angebot bezüglich Sprachen nationaler Minderheiten fortlaufend erweitern und Medien - wie auch die Regierung - das Angebot bewerben sowie Informationskampagnen zur Vermeidung des Einflusses anti-westlicher Propaganda ausländischer Medien, insbesondere in Siedlungsgebieten ethnischer Minderheiten, initiieren sollten.

Das Bildungs- und Kulturministerium sollte in Zusammenarbeit mit Regionalverwaltungen die Ausarbeitung von multilingualen Unterrichtsmodellen für Schulen ethnischer Minderheiten vorantreiben, ebenso wie Schulungen für Lehrer und Lehrerinnen sowie die Entwicklung und Veröffentlichung weiterer Bücher und Unterrichtsmaterialien in Sprachen großer und kleiner Minderheiten, um die Qualität des Unterrichts in Schulen für ethnische Minderheiten zu stärken. Weitere Fortschritte müssten künftig auch im Bereich des Georgisch-Unterrichts erzielt werden, da der Anteil der Personen, der nicht oder nicht ausreichend über Georgisch-Kenntnisse verfügt, noch immer vergleichsweise groß ist.

Wichtig ist nach Auffassung des Büros der Ombudsfrau auch, dass nicht nur die Empfehlungen in die Ausarbeitung des neuen Aktionsplans für die kommenden Jahre einfließen, sondern auch Angehörige der nationalen Minderheiten bei Ausarbeitung und Implementierung beteiligt werden.56

56 Council of Europe (Europarat): Advisory Committee on the Framework Convention for the Protection on national Minorities, Third

Opinion on Georgia, 07.03.2019, https://rm.coe.int/3rd-op-georgia-en/1680969b56, abgerufen am 15.09.2020; Büro der Ombudsfrau: Jahresbericht 2019, http://tolerantoba.ge/index.php?id=1359536926, abgerufen am 13.08.2020

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Impressum

Herausgeber Bundesamt für Migration und Flüchtlinge 90461 Nürnberg

Stand 10/2020

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