Loew Mythosmarx

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Aufklärung und Kritik, Sonderheft 10/2005 3 I. Eine aktuelle Herausforderung 3,3 Millionen Zuschauer haben sich an der Abstimmung „Unsere Besten“ im Zwei- ten Deutschen Fernsehen (29. 11. 03) be- teiligt, 778 984 dafür gesorgt, daß Kon- rad Adenauer auf den ersten Platz kam. Für Karl Marx stimmte über eine halbe Million, was ihm – nach Martin Luther – Rang drei einbrachte. Die Bewohner der neuen Bundesländer halten Marx mehrheit- lich sogar für „Unseren Besten“. Ist daran etwas anstößig? Bevor man mit Ja oder Nein antwortet, ist es geboten, übe r Marx und seine Auswirkungen nachzuden- ken. Schließlich haben – wie heute unbe- stritten – bekennende Marxisten den Tod von über 85 Millionen Menschen zu ver- antworten. Das „Schwarzbuch des Kom- munismus“, vor fünf Jahren in Deutsch- land erschienen, bietet die Beweise. Da drängt sich die Frage auf, ob sich die Mör- der zu Recht auf Marx berufen haben, oder ob diese Berufung auf einer Verken- nung der Tatsachen beruht, ob der Name Marx vielleicht sogar absichtlich miß- braucht worden ist. Doch keines unserer Massenmedien stellt diese Fragen, wagt es gar, nach der Antwort zu suchen. 1968 wurde ich gebeten, neben meinen staatsrechtlic hen V orlesungen d ie Bundes- republik Deuts chland betreff end auch V er- anstaltungen zum politischen System der „Deutschen Demokratischen Republik“ anzubieten. Bereits beim Studium des er- sten Artikels der dortigen V erfassung stieß ich auf ein Bekenntnis zum Marxismus- Leninismus. Also mußte ich mich mit der Lehre des Karl Marx und seines Freun- Prof. Dr. Konrad Löw (Baierbrunn) Mythos Marx des Friedrich Engels sowie der Wladimir Lenins vertraut machen. Dies tat ich, der gebotenen Eile wegen, zunächst anhand der damals gängigen Seku ndärliteratur. In dem Maße, wie ich später Zeit fand, die Quellen selbst zu befragen, veränderte sich mein Verständnis ihrer Meinungen und Lehren, insbesondere ihrer Motive und Ziele. Im folgenden sollen das Werk und der Mann in der gebotenen Kürze vorgestellt werde. Als Leitfaden verwende ich eine Ansprache Engels‘. Bei der Bestattung von Karl Marx hat er – so wird berichtet – „ungefähr folgendes“ geäußert: „Am 14. März nachmittags ein Viertel vor drei [1883] hat der größte lebende Den- ker aufgehört zu denken... Wie Darwin das Gesetz der Entwicklung der organischen Natur, so entdeckte Marx das Entwicklungsgesetz der menschlichen Geschichte... Damit nicht genug. Marx entdeckte auch das spezielle Entwicklungsgesetz der heu- tigen kapitalistischen Produktionsweise und der von ihr erzeugten bürgerlichen Gesellschaft. Mit der Entdeckung des Mehrwerts war hier plötzlich Licht ge- schaffen... So war der Mann der Wissenschaft. Aber das war noch lange nicht der halbe Mann. Die Wissenschaft war für Marx eine be- wegende, eine revolutionäre Kraft... Denn Marx war vor allem Revolutionär .“ Engels ist insofern beizupflichten, als Ge- schichtsphilosophi e (III.), Nationalökono - mie ( IV .) und revolutionäre Agitatio n (V .) das Denken und Schreiben von Marx be-

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Loew Mythosmarx

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  • Aufklrung und Kritik, Sonderheft 10/2005 3

    I. Eine aktuelle Herausforderung3,3 Millionen Zuschauer haben sich an derAbstimmung Unsere Besten im Zwei-ten Deutschen Fernsehen (29. 11. 03) be-teiligt, 778 984 dafr gesorgt, da Kon-rad Adenauer auf den ersten Platz kam.Fr Karl Marx stimmte ber eine halbeMillion, was ihm nach Martin Luther Rang drei einbrachte. Die Bewohner derneuen Bundeslnder halten Marx mehrheit-lich sogar fr Unseren Besten.Ist daran etwas anstig? Bevor man mitJa oder Nein antwortet, ist es geboten, berMarx und seine Auswirkungen nachzuden-ken. Schlielich haben wie heute unbe-stritten bekennende Marxisten den Todvon ber 85 Millionen Menschen zu ver-antworten. Das Schwarzbuch des Kom-munismus, vor fnf Jahren in Deutsch-land erschienen, bietet die Beweise. Dadrngt sich die Frage auf, ob sich die Mr-der zu Recht auf Marx berufen haben,oder ob diese Berufung auf einer Verken-nung der Tatsachen beruht, ob der NameMarx vielleicht sogar absichtlich mi-braucht worden ist. Doch keines unsererMassenmedien stellt diese Fragen, wagtes gar, nach der Antwort zu suchen.

    1968 wurde ich gebeten, neben meinenstaatsrechtlichen Vorlesungen die Bundes-republik Deutschland betreffend auch Ver-anstaltungen zum politischen System derDeutschen Demokratischen Republikanzubieten. Bereits beim Studium des er-sten Artikels der dortigen Verfassung stieich auf ein Bekenntnis zum Marxismus-Leninismus. Also mute ich mich mit derLehre des Karl Marx und seines Freun-

    Prof. Dr. Konrad Lw (Baierbrunn)Mythos Marx

    des Friedrich Engels sowie der WladimirLenins vertraut machen. Dies tat ich, dergebotenen Eile wegen, zunchst anhandder damals gngigen Sekundrliteratur. Indem Mae, wie ich spter Zeit fand, dieQuellen selbst zu befragen, vernderte sichmein Verstndnis ihrer Meinungen undLehren, insbesondere ihrer Motive undZiele.Im folgenden sollen das Werk und derMann in der gebotenen Krze vorgestelltwerde. Als Leitfaden verwende ich eineAnsprache Engels. Bei der Bestattungvon Karl Marx hat er so wird berichtet ungefhr folgendes geuert:Am 14. Mrz nachmittags ein Viertel vordrei [1883] hat der grte lebende Den-ker aufgehrt zu denken...Wie Darwin das Gesetz der Entwicklungder organischen Natur, so entdeckte Marxdas Entwicklungsgesetz der menschlichenGeschichte...Damit nicht genug. Marx entdeckte auchdas spezielle Entwicklungsgesetz der heu-tigen kapitalistischen Produktionsweiseund der von ihr erzeugten brgerlichenGesellschaft. Mit der Entdeckung desMehrwerts war hier pltzlich Licht ge-schaffen...So war der Mann der Wissenschaft. Aberdas war noch lange nicht der halbe Mann.Die Wissenschaft war fr Marx eine be-wegende, eine revolutionre Kraft...Denn Marx war vor allem Revolutionr.

    Engels ist insofern beizupflichten, als Ge-schichtsphilosophie (III.), Nationalkono-mie (IV.) und revolutionre Agitation (V.)das Denken und Schreiben von Marx be-

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    stimmt haben. Welches waren die Motiveseines Handelns (VI.)? Wie erklrt sichder Erfolg (VII.)? Doch vorab einige An-gaben zu Marx und seinem alter ego,Friedrich Engels (II.).

    II. Biographische Daten1. Karl MarxMarx wurde am 5. Mai 1818 in Trier alsSohn des Advokaten Heinrich Marx undseiner Frau Henriette, geb. Presburg, ge-boren. Beide Elternteile entstammen Rab-binerfamilien. 1824 erfolgte durch Taufeder Eintritt in die lutherische Kirche. 1835legte Karl am Friedrich Wilhelm Gymna-sium das Abitur ab und begann in Bonndas Jurastudium, das er ein Jahr spter inBerlin fortsetzte, wo er zur Philosophieberwechselte. 1841 erwarb er in Jena, daser nie aufgesucht hatte, den Doktorgrad.1842 wurde er fr einige Monate Chefre-dakteur der neu gegrndeten RheinischenZeitung. Im selben Jahr begegnete er erst-mals Friedrich Engels, der ihn damals wiefolgt charakterisierte:

    Wer jaged hinterdrein mit wildem Un-gestm?Ein schwarzer Kerl aus Trier, ein mark-haft Ungetm.Er gehet, hpfet nicht, er springet aufden HackenUnd raset voller Wut, und gleich, alswollt er packenDas weite Himmelszelt und zu der Erdeziehn,Streckt er die Arme sein weit in die Lftehin.Geballt die bse Faust, so tobt er son-der Rasten,Als wenn ihn bei dem Schopf zehntau-send Teufel faten.

    1843 heiratete Marx Jenny von Westpha-len. Aus der Ehe sind sechs Kinder her-vorgegangen. 1844 begann die lebenslng-liche Freundschaft mit Engels. Sie stell-ten ihre bereinstimmende Weltsicht festund vereinbarten Gemeinschaftsprojekte.Nach Zwischenstationen in Brssel undParis begab sich die Familie Marx 1849auf Dauer nach London, wo Marx am 14.Mrz 1883 starb.

    2. Friedrich EngelsEngels stammt aus pietistischem Hause.Er wurde am 28. November 1820 in Bar-men, heute ein Stadtteil Wuppertals, alsSohn eines erfolgreichen Fabrikanten ge-boren. Noch vor dem Abitur verlie er aufWunsch des Vaters das Gymnasium undbegann eine kaufmnnische Lehre. 1850begab er sich auf Dauer nach England,wo er in Manchester arbeitete, und zwarin einer Fabrik, die zur Hlfte seinem Va-ter gehrte, bis er dann im Wege der Erb-folge Miteigentmer wurde. Als wohlha-bender Mann bersiedelte er 1869 nachLondon. Dort starb er kinderlos am 5.August 1895.

    3. Die enge ArbeitsgemeinschaftIn einem Essay, betitelt Friedrich Engels,heit es resmierend: Und wenn manfragt, was Engels denn nun eigentlich ge-schaffen und ausgerichtet hat, was er hin-terlt, dann mu man paradoxerweiseantworten: Marx und den Marxismus.Ohne Engels kein Marx... Daran ist zu-mindest so viel richtig, da die FamilieMarx im Elend umgekommen wre, htteihr nicht Engels ber Jahrzehnte hinwegseit den fnfziger Jahren groherzig unterdie Arme gegriffen. Engels verzichtetenicht nur auf Honorare fr Zeitungsarti-kel, sondern auch auf den Nachweis sei-

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    ner Autorenschaft, beides zu Gunsten vonMarx. Die betrchtlichen, aber unregelm-igen Zahlungen wurden ab 1868 in festeregelmige Alimentationen umgewandelt.Aber es war weit mehr als nur Materiel-les, was Engels in die Gemeinschaft ein-brachte. Um Marxens Ehe zu retten, spielteEngels sogar den Vater eines Kindes, des-sen leiblicher Vater der Freund gewesenist, und sorgte nach dessen Tode fr dieehelichen Kinder, als ob es die eigenenwren.Mehrere Bcher und Schriften nennen bei-de als Autoren, so Die Heilige Familie,Die deutsche Ideologie, Das Manifest derKommunistischen Partei. Als der ersteBand von Das Kapital erschien, verfateEngels unter eigenem und fremden Namenmindestens neun Besprechungen, um dasWerk bekannt zu machen. Band 2 hat En-gels nach mhsamen berarbeitungen ver-ffentlicht, von Band 3 ist Engels sogarder Autor zahlreicher Passagen. EngelsAntidhring fand mehr Leser als Das Ka-pital und diente so in bemerkenswerterWeise der Expansion des Marxismus.War er Marxens bser Geist oder war erdessen Opfer? Beide Ansichten werdenvertreten; doch keine ist richtig. Nach demTod des Freundes schreibt Engels in ei-nem Brief: Das Stckchen vom bsenEngels, der den guten Marx verfhrt hat,spielt seit 1844 unzhlige Male abwech-selnd mit dem andern Stckchen von Ahri-man-Marx, der den Ormuzd-Engels vomWege de Tugend abgebracht.Alles spricht dafr, da sich da zwei Men-schen fanden, die unabhngig voneinan-der bereinstimmende Ansichten entwik-kelt hatten.Was aber Das Entwicklungsgesetz derGeschichte und die Lehre vom Mehrwertanlangt, so ist Marx der alleinige geistige

    Vater. Davon soll nun die Rede sein, han-delt es sich doch nach Engels Urteil umdie beiden Spitzenleistungen des Freun-des.

    III. Das Entwicklungsgesetz dermenschlichen GeschichteAls Atheist war Marx Materialist, will sa-gen, da fr ihn nichts Geistiges, sondernnur Krperliches, eben die Materie, dasUrsprngliche, das Primre gewesen ist.Hegels Dialektik faszinierte ihn auf seineWeise. Engels Versuch, die Entwicklungder Natur dialektisch zu erklren (Diamat),billigte er. Doch ausfhrlicher ist er aufdiese Themen nicht eingegangen, insbe-sondere kann sich keine dieser Auffassun-gen auf Marx als Urheber berufen. An-ders verhlt es sich mit dem historischenMaterialismus (Histomat). Insofern istMarx der Baumeister, der vorhandenesMaterial in eigenwilliger, origineller Weisezusammengefgt hat. Freilich, auch dies-bezglich gibt es keine lngeren Abhand-lungen aus seiner Feder, was, wenn wiruns die Flle seiner schriftlichen uerun-gen vergegenwrtigen und seinen An-spruch, das Gesetz der Geschichte erkanntzu haben, doch sehr berrascht. Dennochist Engels beizupflichten, der behauptet,Marx habe kaum etwas geschrieben, wosie [seine Geschichtsauffassung] nicht eineHauptrolle spielt.

    Worum geht es im Histomat? Er benenntdie Gesetze, nach denen sich die Mensch-heitsgeschichte vollzogen haben soll undvollziehen werde. Demgem heit es imKommunistischen Manifest: Die Kom-munisten [vor allen anderen natrlich Marxselbst]... haben theoretische vor der bri-gen Masse die Einsicht in die Bedingun-gen (1.), den Gang (2.) und die allgemei-

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    nen Resultate der proletarischen Bewe-gung (3.) voraus.

    1. Die Bedingungen geschichtlicher Ver-nderungenZu den Kernelementen der MarxschenTheorie zhlen die Begriffe: Produktivkrf-te und Produktionsverhltnisse, Basis undberbau. Auch wenn uns Marx diesbezg-lich keine systematische Abhandlung bie-tet, wird doch hinlnglich klar, was mitden genannten Worten gesagt sein soll.Produktivkrfte sind jene Krfte, die derMensch zur Gewinnung seiner Lebensmit-tel, zur Sicherung seiner Existenz einsetzt,die geistigen (Verstand und Erfahrung), diephysischen (Arbeitskraft) und die inWerkzeug und Maschinen vergegenstnd-lichten geistig-physischen Krfte (Arbeits-gert).Produktionsverhltnisse sind die Rechts-beziehungen der am Produktionsprozebeteiligten Menschen zu den Rohstoffen,den Arbeitsgerten und den Arbeitspro-dukten. Marx nennt die Produktionsver-hltnisse auch Eigentumsverhltnisse.

    Machen wir uns das Gesagte an Hand vonBeispielen klar. Der Sklave ist weder Herrder Rohstoffe noch der Arbeitsgertenoch der Arbeitsprodukte. Insofern gleichter dem Leibeigenen und dem Arbeiter imKapitalismus. Die Rechtsposition desLeibeigenen ist jedoch dadurch besser, dader Feudalherr keine unbeschrnkte Verf-gungsmacht ber ihn hat. Noch besserstellt sich in rechtlicher Hinsicht dermoderne Arbeiter, da er ber seine Arbeits-kraft frei verfgen, das heit Arbeit undArbeitsplatz whlen und verlassen kann.Basis, auch Produktionsweise genannt, istdie von Marx gewhlte Bezeichnung frdie Gesamtheit der Produktionsverhltnis-

    se. Als berbau bezeichnet Marx dierechtliche und politische Ordnung einesGemeinwesens. Zum berbau zhlen fer-ner: Kunst, Kultur, Moral, Philosophie,Religion.Der berbau ist von der Basis abhngig,wie die bildhaften Ausdrcke schon ver-muten lassen. Grundlegende Vernderun-gen im Bereich der Basis, etwa gnzlichneue Produktionsmittel wie die Dampfma-schinen, haben Auswirkungen auf denberbau, nicht umgekehrt.Der Motor der Menschheitsgeschichte istder Mensch mit seiner wachsenden Ar-beitserfahrung. Die Arbeit mit einfachemArbeitsgert fhrt zu einer Geschicklich-keit, die eine Verbesserung der Arbeitsge-rte bewirkt. Die Arbeit mit qualifizierte-rem Arbeitsgert fhrt zu Arbeitserfahrungauf hherem Niveau usw., eine spiralen-frmige Entwicklung, die schlielich einanderes gesellschaftliches Bewutsein desarbeitenden Menschen zur Folge hat. DerArbeiter wird mit seinen Arbeitsbedingun-gen unzufrieden, und diese Unzufrieden-heit fhrt dazu, da er seine Arbeitsbe-dingungen als unangemessen empfindet,seine Fesseln sprengt, Revolution macht,die nchste Stufe der Entwicklung betritt.Eine neue Produktionsweise beginnt, unddamit wlzt sich der ganze ungeheureberbau langsamer oder rascher um.

    2. Welche Perioden durchluft dieMenschheitsgeschichte?Mit der Ursnde, der Arbeitsteilung, kamder Klassenkampf. Marx: Freier undSklave, Patrizier und Pleber, Baron undLeibeigener, Zunftbrger und Geselle,kurz, Unterdrcker und Unterdrckte stan-den im steten Gegensatz zueinander... Dieaus dem Untergang der feudalen Gesell-schaft hervorgegangene brgerliche Ge-

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    sellschaft hatte die Klassengegenstzenicht aufgehoben.Nach Marx gibt es insgesamt fnf solcherProduktionsweisen: Urgesellschaft, Skla-venhaltergesellschaft, Feudalismus, Kapi-talismus, Sozialismus/Kommunismus.Marx prophezeit: Das Kapitalmonopolwird zur Fessel der Produktionsweise, diemit und unter ihm aufgeblht ist. Die Zen-tralisation der Produktionsmittel und dieVergesellschaftung der Arbeit erreicheneinen Punkt, wo sie unvertrglich werdenmit der kapitalistischen Hlle. Sie werdengesprengt, die Stunde des kapitalistischenPrivateigentums schlgt. Die Expropria-teurs werden expropriiert. Mit dieserGesellschaftsformation [eben dem Kapi-talismus] schliet daher die Vorgeschich-te der menschlichen Gesellschaft ab.Diese fnf Stadien reduzieren sich bei n-herer Betrachtung auf drei, von denenzwei, nmlich die Urgesellschaft und derkommunistische Endzustand erheblicheGemeinsamkeiten aufweisen wie Freiheitvon Arbeitsteilung, Freiheit von Entfrem-dung und Freiheit von Ausbeutung. Gleich-artig sind auch die drei anderen Gesell-schaftsformationen. Ihr gemeinsamesMerkmal ist die Spaltung der Gesellschaftin Klassen. Die Klassenkmpfe negierenden idealen Urzustand, der Kommunismusbeendet diese Kmpfe. Auf einen kurzenNenner gebracht lautet das Ergebnis in derDiktion Marxens: Der Kommunismus istdie Position als Negation der Negation.

    3. Was folgt daraus mit Blick auf dieZukunft?Die Zukunft gehrt dem Kommunis-mus. Alle Menschen werden schlielichin ihm auf Dauer leben. Die fortschritt-lichsten Staaten marschieren an der Spit-ze: Die kommunistische Revolution wird

    daher keine blo nationale, sie wird einein allen zivilisierten Lndern, d.h. wenig-stens in England, Amerika, Frankreich undDeutschland gleichzeitig vor sich gehen-de Revolution sein. Doch der namhafte-ste Theoretiker des Kommunismus hatsich mit der Ausschmckung der eigent-lichen Menschheitsgeschichte kaum be-fat. Es gibt nur ganz wenige uerun-gen, die uns einen spaltbreit Einblick indas knftige Paradies gewhren. Da isteinmal jener Text, der, anscheinend imRausch der Verzckung verfat, den Kom-munismus als das aufgelste Rtsel derGeschichte bezeichnet. Im Kommunis-mus werde es keine Interessengegenstzemehr geben, weder der Individuen unter-einander, noch der Individuen zum Kol-lektiv, keine Reichen einerseits und Armenandererseits. Daher werde die Kriminali-tt fast zum Erliegen kommen. Die Men-schen seien dann in vielerlei Berufen aus-gebildet, und so mache es die kommuni-stische Gesellschaft mglich, heute dies,morgen jenes zu tun, morgens zu jagen,nachmittags zu fischen, abends Viehzuchtzu treiben, nach dem Essen zu kritisieren,wie ich gerade Lust habe, ohne je Jger,Fischer, Hirt oder Kritiker zu werden. Inder hheren Phase des Kommunismuswerde der Grundsatz gelten: Jeder nachseinen Fhigkeiten, jedem nach seinenBedrfnissen!

    4. StellungnahmeMaterialismus im philosophischen Sin-ne meint, wie schon erwhnt, da Stoffli-ches das Primre und Ausschlaggebendesei. Im Histomat verhlt es sich aber ge-rade umgekehrt. Das Werkzeug ist zwarscheinbar tote Materie. Doch in ihm stecktGeist von jenen, die es erdacht und ge-schaffen haben. Nur in der Hand vernunft-

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    begabter Wesen erfhrt es den zweckbe-stimmten ertragreichen Einsatz. Gnzlichimmateriell ist die Arbeitserfahrung, gnz-lich immateriell sind auch die Produktions-verhltnisse, eben die Rechtsbeziehungen.Was soll also Materialismus in diesemZusammenhang?

    Die Arbeitserfahrung der unmittelbarenProduzenten spielt in der Menschheitsge-schichte eine groe Rolle. Die epochalenErfindungen verdanken wir aber weit ber-wiegend Menschen, die systematisch ge-forscht und experimentiert haben, alsonicht in den gewhnlichen Arbeitsprozeintegriert gewesen sind. Voraussetzung frdiesen Stand ist Arbeitsteilung, die Marxals Menschheitsfluch disqualifiziert.

    Nach Marx hngt das Bewutsein von derProduktionsweise ab. Ist nicht seine re-bellische Person der beste Beweis gegendie Richtigkeit dieser These? Gab es nichtin ein und derselben Produktionsweise dieunterschiedlichsten Bewutseinsformen,etwa Konservative einerseits, Umstrzlerandererseits, um nur die Extreme kurz zuerwhnen? Im 20. Jahrhundert wetteifer-ten sozialistische, kapitalistische und er-heblich unterentwickelte Staaten. Hattendie Menschen ein je eigenes Bewutseinin moralischer, kultureller, religiser Hin-sicht? War etwa die Arbeitsmoral in densozialistischen Staaten hher? Falls ja,warum dann die weit geringere Produkti-vitt der Wirtschaft aller Sparten in all die-sen Staaten?Wenn es an der schlechteren Qualitt derWerkzeuge gelegen hat, so wird geradedurch diesen Einwand die Marxsche Leh-re an einem entscheidenden Punkt wider-legt. Denn nach Marx sollten doch dietechnisch fhrenden Staaten zuerst fr den

    Kommunismus reifen. Doch keiner dervorab Berufenen England und Ameri-ka u.a. hat je diesen Weg eingeschla-gen.Die Fnfstadienlehre hat nicht einmal hin-sichtlich der ersten Stadien Weltgeltung,ist vielmehr eurozentriert. Ferner: Wo sindBeweise fr die harmonische Urgesell-schaft? Auch sie kannte das Eigentum,kannte Kampf und Krieg. In seiner Zeitgab es sowohl Kapitalisten als auch Skla-venhalter, man denke nur an die USA.Entsprechendes gilt fr das 20. Jahrhun-dert (Arbeitslager in der Sowjetunion, imDritten Reich und zahlreichen anderenStaaten). Weder in der Antike noch irgend-wann spter konnten sich die Sklavenselbst befreien, obwohl Marx doch be-hauptet hatte, die Unterdrckten wrden sobald dazu die Zeit reif ihre Fesselnsprengen.Bis heute hat keine marxistisch-kommu-nistische Partei auch nur behauptet, siehabe einen kommunistischen Staat ge-schaffen. Die Sowjetunion, Jugoslawien,Albanien, VR China, Kuba, Nordkorea,sie alle sprachen (und manche sprechennoch) bescheiden von Sozialismus, ent-wickeltem Sozialismus, real existierendemSozialismus und dergleichen. Dabei warder Kommunismus nach Marx schon vor150 Jahren berfllig.Die meisten der Staaten, die, wie die DDR,den Weg in den Kommunismus angetre-ten haben, sind, da konomisch geschei-tert, zum Kapitalismus zurckgekehrt,ein Vorgang, der fr Marx wohl gnzlichunvorstellbar gewesen ist und ausreicht,um das von ihm entdeckte Entwicklungs-gesetz der menschlichen Geschichte vl-lig zu diskreditieren.

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    IV. Die Lehre vom MehrwertMarx hat viel geschrieben: Briefe, Aufst-ze, Zeitungsartikel, Bcher. Die Bchersind hchst polemische Auseinanderset-zungen mit den Ansichten und den Cha-rakteren einzelner Zeitgenossen und wur-den jeweils im Verlaufe weniger Monateverfat. Eine Ausnahme bildet Das Kapi-tal. Kritik der politischen konomie. Anihm arbeitete Marx ber Jahrzehnte hin-weg, bis dann 1867 der erste Band er-scheinen konnte. (Die Bnde 2 und 3 wur-den nach seinem Tode von Engels verf-fentlicht.)Das Werk mit seinen mathematischen For-meln und Gleichungen hat vom Schlu-kapitel abgesehen ein streng wissen-schaftliches Geprge. Der sensationelleInhalt lt sich mit wenigen Stzen skiz-zieren: Im Kapitalismus geht alles mit rech-ten Dingen zu. Trotzdem oder gerade des-halb mu und wird es zur Revolution kom-men. Zu diesem paradoxen Ergebnis ge-langt Marx mit Hilfe seiner objektivenWertlehre (1.), die er auf die menschlicheArbeitskraft bertrgt (2.). Daraus resul-tiert die gerechte Ausbeutung, die nachAbhilfe schreit (3.).

    1. Die objektive WertlehreMan unterscheidet allgemein zwischendem Gebrauchswert einer Ware fr denjeweiligen Besitzer und dem Tauschwert.Mit Blick auf den Tauschwert vertrat Marxeine objektive Wertlehre. Danach ent-spricht der (Tausch-) Wert jeder Handels-ware der Zahl der Stunden, die fr dieProduktion erforderlich gewesen sind:Rock und Leinwand sind aber nicht nurWerte berhaupt, sondern Werte von be-stimmter Gre, und nach unserer Unter-stellung ist der Rock doppelt soviel wertals 10 Ellen Leinwand. Woher diese Ver-

    schiedenheit ihrer Wertgren? Daher, dadie Leinwand nur halb soviel Arbeit ent-hlt als der Rock, so da zur Produktiondes letzteren die Arbeitskraft whrenddoppelt soviel Zeit verausgabt werdenmu als zur Produktion der erstern. Andie Stelle einer gewhnlichen Ware kannauch Gold oder Geld treten, ohne da dasquivalenzgesetz beeintrchtigt wird.Der Produzent verkauft seine Ware. Mitdem Erls kauft er eine andere Ware. LautMarx vermehrt der Handel sein Verm-gen nicht: Besieht sich der Leinweber nundas Endresultat des Handels, so besitzter Bibel statt Leinwand, statt seiner ur-sprnglichen Ware eine andre vom selbenWert, aber verschiedner Ntzlichkeit.[Marx arbeitet mit der Formel: Ware Geld Ware = W-G-W.] In gleicher Weise eig-net er sich seine andren Lebens- und Pro-duktionsmittel an.

    2. Das Geheimnis der PlusmachereiWie kann Reichtum durch Einsatz vonWare oder Geld entstehen, wenn, wie esbei Marx heit, Gleichwert gegen Gleich-wert getauscht wird. Geben wir ihm wie-der das Wort: Der Kapitalist wei, daalle Waren, wie lumpig sie immer aussehnoder wie schlecht sie immer riechen, imGlauben und in der Wahrheit Geld, inner-lich beschnittne Juden sind und zudemwunderttige Mittel, um aus Geld mehrGeld zu machen. Doch auf welche Wei-se? Marx: Kapital kann also nicht aus derZirkulation entspringen, und es kann eben-sowenig aus der Zirkulation nicht entsprin-gen. Es mu zugleich in ihr und nicht inihr entspringen. Ein schier unlsbaresRtsel. Aber Marx lst es: Um aus demVerbrauch einer Ware Wert herauszuziehn,mte unser Geldbesitzer so glcklichsein, innerhalb der Zirkulationssphre, auf

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    dem Markt, eine Ware zu entdecken, de-ren Gebrauchswert selbst die eigentmli-che Beschaffenheit bese, Quelle vonWert zu sein, deren wirklicher Verbrauchalso selbst Vergegenstndlichung von Ar-beit wre, daher Wertschpfung. Und derGeldbesitzer findet auf dem Markt einesolche spezifische Ware vor das Arbeits-vermgen oder die Arbeitskraft.Die menschliche Arbeitskraft ist demnachfr Marx eine gewhnliche Ware. Daherbestimmt sich ihr Wert nach der Arbeits-zeit, die zur Produktion und Reprodukti-on der Arbeitskraft erforderlich ist, ange-nommen 8 Stunden tglich. Der Menschkann aber mehr leisten als die erwhnten8 Stunden. Nehmen wir an 16 Stunden.Die vom Kapitalisten gekaufte Arbeitskraftmu tglich so viele Stunden produzie-ren, bis die physische Leistungsgrenzeerreicht ist, also 16 Stunden. Der Eigen-tmer der Produkte, der Kapitalist, ver-kauft die vom Arbeiter produzierte Warenicht zu den Gestehungskosten der Ar-beitskraft, sondern zu ihrem wahren Wert.Die Differenz zwischen den Gestehungs-kosten und dem Erls des Kapitalisten frseine Ware Arbeitskraft ist der Mehrwert.(In unserem Falle tglich: 16 Stunden 8Stunden = 8 Stunden.)

    3. Die gerechte AusbeutungDer Umstand, da die tgliche Erhaltungder Arbeitskraft nur einen halben Arbeits-tag kostet, obgleich die Arbeitskraft einenganzen Tag wirken und arbeiten kann, unddaher der Wert, den ihr Gebrauch wh-rend eines Tages schafft, doppelt so groist als ihr eigener Tageswert, ist ein be-sonderes Glck fr den Kufer [Kapitali-sten], aber durchaus kein Unrecht gegenden Verkufer [Proletarier]... quivalentwurde gegen quivalent ausgetauscht. Der

    Kapitalist zahlte als Kufer jede Ware zuihrem Wert, Baumwolle, Spindelmasse,Arbeitskraft. Auch wenn diese Texte ge-radezu unglaublich klingen, das sind kei-ne Schreibfehler, keine auf Das Kapitalbeschrnkten Entgleisungen, sondern fe-ste Elemente seiner Lehre. Auf den Vor-wurf, er sage, der von den Arbeitern al-lein produzierte Mehrwert verbleibe inungebhrlicher Weise den kapitalistischenUnternehmern, antwortete er: Nun sageich das direkte Gegenteil; nmlich, da dieWarenproduktion notwendig auf einemgewissen Punkt zur kapitalistischen Wa-renproduktion wird, und da nach demsie beherrschen Wertgesetz der Mehrwertdem Kapitalisten gebhrt und nicht demArbeiter.Da ein Teil des Mehrwerts nicht konsu-miert, sondern investiert wird, wchst dasKapital. Mit der Akkumulation geht dieZentralisation Hand in Hand. Sie bewir-ken, da immer weniger immer reicher,immer mehr immer rmer werden.

    Gegen Ende des Buches wird das vorherGesagte mit fanatischen Worten geradezuauf den Kopf gestellt. Der Kapitalist, derjede Ware zu ihrem wahren Wert gekauft,also niemanden bervorteilt hat, und dersie zu ihrem wahren Wert verkauft, er-scheint nun pltzlich als Vampir: Die Ex-propriation der unmittelbaren Produzen-ten [Proletarier] wird mit schonungslose-stem Vandalismus und unter dem Triebder infamsten, schmutzigsten, kleinlichstgehssigsten Leidenschaften vollbracht.Schon weiter oben heit es im Kapital:Die Rate des Mehrwerts ist daher derexakte Ausdruck fr den Exploitationsgradder Arbeitskraft durch das Kapital oderdes Arbeiters durch die Kapitalisten. DerVernichter (s. VI.) ist ganz in seinem

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    Element: Auf einem gewissen Hhegradbringt sie [die kapitalistische Produktions-weise] die materiellen Mittel ihrer eignenVernichtung zur Welt. Von diesem Augen-blick regen sich Krfte und Leidenschaf-ten im Gesellschaftsschoe, welche sichvon ihr gefesselt fhlen. Sie mu vernich-tet werden, sie wird vernichtet.

    4. StellungnahmeIn einer seiner zahlreichen Besprechungenvon Das Kapital urteilt Engels: Das Ver-hltnis von Kapital und Arbeit, die Angel,um die sich unser ganzes heutiges Gesell-schaftssystem dreht, ist hier zum erstenMal wissenschaftlich entwickelt, und dasmit einer Grndlichkeit und Schrfe, wiesie nur einem Deutschen mglich war.Chauvinismus hin oder her; knnen wirDeutschen auf dieses Werk stolz sein? DieAntwort ist ein klares Nein, und das ausfolgenden Grnden:Gekauft und verkauft wird nicht nach ei-nem errechneten objektiven Wert, sondernausschlielich nach subjektiver Wert-schtzung, wobei sich die Kaufvertrags-parteien zwar auf den Preis einigen, aberden Vertrag nur deshalb schlieen, weildem Verkufer die Ware weniger Wert istals die Gegenleistung, das Geld, dem Ku-fer aber mehr. Da die objektive Wertlehrehandgreiflich falsch ist, heute deshalbauch keine Vertreter mehr findet, ist esmig, sie ausfhrlich zu widerlegen. Niegalt sie auch nur vorbergehend im Alltageines der sozialistischen Staaten. Damitfllt die Mehrwertlehre wie ein Kartenhausin sich zusammen und zugleich Marxensganzes Gedankengebude.Noch abwegiger ist die bertragung derArbeitswerttheorie auf die menschliche Ar-beitskraft. Wer knnte berechnen, wie vie-le Stunden in die Produktion und Repro-

    duktion der Arbeitskraft investiert wordensind? Das mag bei einer Leinwand, umMarxens Beispiel aufzugreifen, geradenoch mglich sein, ganz unmglich aberschon bei einem Buch, wei doch nie-mand, wie viele Kufer es findet, wie alsodie Arbeitszeit umzulegen ist. Welchem dermglicherweise zahlreichen Arbeitgebersollen die Produktionskosten des Ar-beiters (die von den Eltern investiertenStunden) aufgebrdet werden?Die Behauptung, der Unternehmer kaufedie Arbeitskraft des ganzen Tages und derArbeiter habe keinen Einflu auf die Ln-ge seiner tatschlichen Inanspruchnahme,ist fr den realittsnahen Leser eine unge-heure Zumutung. Lngst gab es in Eng-land, wo Marx Das Kapital schrieb, ge-setzliche Arbeitszeitregelungen, die zugun-sten der Arbeiter zu seinen Lebzeiten ver-bessert wurden. Sie standen nicht nur aufdem Papier. Kommissare des Unterhau-ses, sogenannte Fabrikinspektoren, wach-ten ber die Einhaltung der Bestimmun-gen. Da insofern gar keine dauernde Ver-besserung mglich sein sollte, ist eine nichtminder groe Zumutung. Man braucht sichnur die Entwicklung von damals bis heutezu vergegenwrtigen, grob gesprochenvon 72 auf 36 Stunden wchentlich.Wren nur Investitionen in Arbeitskraft,nicht jedoch in Arbeitsgert und Rohstof-fe, mehrwertschaffend, wrde jedermanntunlichst in arbeitsintensiven Unternehmensein Geld anlegen. Doch derlei Beobach-tungen gibt es nicht.Der Haupteinwand lautet jedoch, warumdie beraus heftigen Vorwrfe an dieAdresse der Kapitalisten, wenn sie, einemehernen Gesetz folgend, den gerechtenLohn bezahlen und gar nicht anders han-deln knnen?

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    Ferner: Warum fllt Marx mit dem Stoff,der sich auf wenigen Seiten darstellen lt,ein dickes Buch (950 Seiten), das nichtzuletzt wegen unendlicher Wiederholun-gen langweilt, ja geradezu ungeniebar ist?Die Antwort, nicht fr die ffentlichkeitbestimmt, entnehmen wir einem Brief anEngels: Ich dehne diesen Band mehr aus,da die deutschen Hunde den Wert derBcher nach dem Kubikinhalt schtzen.Engels hatte ihn aufgefordert: Die Haupt-sache ist, da Du erst wieder mit einemdicken Buch vor dem Publikum deb-tierst...

    War sich Marx der Tatsache bewut, daseine angebliche Entdeckung keiner Nach-prfung standhlt? Vieles spricht dafr, soseine Leidenschaft fr die Brse. Ihmmute doch klar sein, da der Kurs derAktien von hchst subjektiven Wertungenabhngt und nicht von real investiertenArbeiterstunden. Ferner die geschichtlicheEntwicklung auf praktisch allen Gebieten:Lohnerhhungen, Arbeitszeitverkrzun-gen, Evolution statt Revolution.Vor allem spricht der Ekel Bnde, den erempfand, wenn er an sein Werk dachte.Jeder halbwegs normale Autor, der glaubt,er habe etwas Wichtiges mitzuteilen,drngt ungeduldig auf die Verffentli-chung. Er aber begrte, wie Engels be-richtet, jeden Vorwand, der eine Verzge-rung des lange Angekndigten rechtfertigteund nannte es mehrmals das verdamm-te Buch, Alp, Saubuch, Scheieund konomische Scheie. Verrt einsolches Empfinden nicht, da da etwasfaul ist, in der Sache, in der Psyche desAutors oder in beidem!Engels sollte fr eine Zeitung ein Res-mee verfassen. Er gestand: Es ist ver-dammt schwer, die dialektische Methode

    dem Revue lesenden Englnder klarzuma-chen, und mit den Gleichungen W G W [Ware Geld Ware] etc. kann ichdoch dem Mob nicht kommen. Marxselbst ist es, der die Kritik besttigt, diesich den grndlichen Lesern seiner Wer-ke aufdrngt: Mysterien einerseits, Ge-meinpltze andererseits in schwlstigeWorte verpackt. Der Autor: Der Pseudo-charakter macht die Sache (die an sich =0) keineswegs leicht verstndlich. Umge-kehrt. Die Kunst besteht darin, den Leserso zu mystifizieren und ihm Kopfzerbre-chen zu verursachen, damit er schlielichzu seiner Beruhigung entdeckt, da diesehard words [schwerverstndlichen Wr-ter] nur Maskeraden von loci communes[Gemeinpltzen] sind.

    V. Der RevolutionrMarx war, wie Engels hervorhebt, ein lei-denschaftlicher Revolutionr, der seinDenken und Tun ganz in den Dienst die-ser Leidenschaft stellte. Die beiden vor-ausgegangenen Kapitel beweisen das.Das Entwicklungsgesetz der menschli-chen Geschichte fhrt nach MarxensPrognosen unweigerlich in die proletari-sche Revolution, bevor das Morgenroteiner ganz neuen Zeit anbricht. Was imRahmen des historischen Materialismusohne nhere Begrndung bleibt, verdeut-licht Das Kapital. Doch warum konstru-ierte Marx eine Nationalkonomie, diebeweist, da der Proletarier im Kapita-lismus den gerechten Lohn erhlt? Goer damit nicht Wasser auf die Mhlen sei-ner Gegner, der Kapitalisten?Was zunchst unglaublich, zumindesthchst paradox klingt, findet unschwereine simple Erklrung: Marx betrieb, wieer schon im Manifest der kommunisti-schen Partei (1848) bekannte, den ge-

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    waltsamen Umsturz aller bisherigen Ge-sellschaftsordnung. Indem er behaupte-te, die Proletarier erhielten im Kapitalis-mus den gerechten Lohn, und gleichzeitigdie Zustnde als uerst beklagenswertschilderte, zeigte er seinen Anhngern deneinzigen Ausweg aus der Misere, die Re-volution, da mehr als eine gerechte Ent-lohnung nicht zu erwarten, wohl gar nichtmglich sei. Der totale Umsturz habe einegnzlich andere Produktionsweise zurFolge, eben den Sozialismus/Kommunis-mus mit der Abschaffung des Eigentumsberhaupt, zumindest an den Produktions-mitteln, mit der Aufhebung des Geldes undder Warenproduktion zu Tauschzwecken.Diese Kritik an Marx ist nicht neu, wurdeschon zu seinen Lebzeiten geuert undvon Engels zusammengestellt: da Marxsich nicht aufhalten lie durch falscheSchlsse, wohl wissend, da sie falschwaren, da er oftmals ein Sophist war,der auf Kosten der Wahrheit bei der Ne-gation der bestehenden Gesellschaft an-kommen wollte, und da er mit Lgenund Wahrheiten spielte wie Kinder mitKncheln. Das war, wie erwhnt, zeitge-nssische Kritik an Marx, die leider inVergessenheit geraten ist.Marx machte sich auch Gedanken berdie Voraussetzungen einer Revolution undkam zu der Einsicht: Bei dieser allgemei-nen Prosperitt, worin die Produktivkrf-te der brgerlichen Gesellschaft sich soppig entwickeln, wie dies innerhalb derbrgerlichen Verhltnisse berhaupt mg-lich ist, kann von einer wirklichen Revo-lution keine Rede sein. Eine solche Revo-lution ist nur in den Perioden mglich, wodiese beiden Faktoren, die modernen Pro-duktivkrfte und die brgerlichen Produk-tionsformen, miteinander in Widerspruchgeraten... Eine neue Revolution ist nur

    mglich im Gefolge einer neuen Krisis. Sieist aber auch ebenso sicher wie diese.Also war Marx von heier Krisensehn-sucht erfllt und brachte sie auch immerwieder zum Ausdruck mit Worten wie: In-des grt und kocht es offenbar, und nurzu wnschen, da groe Unglcksflle inder Krim den Ausschlag geben. Dieamerikanische Krise ... ist beautiful. DieHunde von Demokraten und liberalenLumpen werden sehn, da wir die einzi-gen Kerls sind, die nicht verdummt sindin der schauderhaften Friedensperiode.Frau Jenny veranschaulichte diese Einstel-lung in einem Brief: Nicht wahr, an demallgemeinen Krach und Zusammenrum-peln des alten Drecks hat man doch nocheine Freude... Obgleich wir die amerika-nische Krise an unserm Beutel sehr ver-spren..., so knnen Sie sich doch wohldenken, wie high up [glcklich be-schwingt] der Mohr [Spitzname fr Marx]ist. Seine ganze frhere Arbeitsfhigkeitund Leichtigkeit ist wiedergekehrt sowieauch die Frische und Heiterkeit des Gei-stes, die seit Jahren gebrochen war.

    VI. War Humanismus die Triebfederdes Denkens und Handelns?Diese und zahlreiche hnliche uerun-gen machen stutzig, provozieren die Fra-ge nach den Antriebskrften, die das Den-ken und Handeln des namhaftesten Kom-munisten bestimmten. Auch die heie re-volutionre Sehnsucht, die ihm offenbarseine Theorien und Gesetze eingab, las-sen Ausschau halten nach den Motiven,die ihn bestimmten. Typisch ist die Be-trachtungsweise, die der namhafte JesuitOswald von Nell-Breuning vertrat: Hatteman bis dahin [gemeint ist 1932, das Jahr,in dem die sogenannten Frhschriften ver-ffentlicht wurden] nur den grimmigen

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    Kmpfer und Hasser, den eiskalten Den-ker, der zugleich ein glhender Revolutio-nr war, gekannt, so lernte man zu seinerberraschung jetzt einen anderen, ganzvon Menschlichkeit bestimmten Marx ken-nen, einen Mann, dem es um den Men-schen ging, um die Menschenwrde unddie menschenwrdige Behandlung einesjeden, der Menschenantlitz trgt. Mit die-sem begeisternden Urteil steht der Gottes-mann nicht allein; zahlreiche namhafte Per-snlichkeiten stoen ins gleiche Horn. SirKarl Popper nennt in seinem berhmten,weltweit verbreiteten Buch Die offeneGesellschaft und ihre Feinde allein sie-ben deutsche Auflagen den Marxismuseine wahrhaft humanitre Bewegungund fgt hinzu, es kann doch ber denhumanitren Impuls des Marxismus keinZweifel bestehen. Humanitt und An-stand waren fr ihn [Marx] Voraussetzun-gen, die keiner Diskussion bedurften, dieeinfach hinzunehmen waren.Was kann zugunsten des ganz von Mensch-lichkeit bestimmten Marx vorgebrachtwerden? Von Nell-Breuning gab zur Ant-wort: ... den vorstehenden Ausfhrungenliegen keine Texte oder Meinungsuerun-gen von Marx zugrunde, sondern nur heuteallgemein verbreitete Erkenntnisse undDenkweisen... Auch Sir Karl Popper tratfr die Richtigkeit seiner Ansicht keinerleiBeweis an. Andere, wie Richard von Weiz-scker und seine Gewhrsleute, zitierenausschlielich den Marxschen kategori-sche Imperativ, alle Verhltnisse umzu-werfen, in denen der Mensch ein ernied-rigtes, ein geknechtetes, ein verlassenes,ein verchtliches Wesen ist...Diese uerung legt in der Tat die An-nahme nahe, humanitre Impulse htteneine magebliche Rolle gespielt. Aber wirwissen weit mehr ber den jungen Marx

    und mssen daher, den geradezu selbst-verstndlichen Regeln jedweder Wissen-schaft folgend, auch die anderen Faktenund Texte bercksichtigen. Schon ausrumlichen Grnden soll nur der jungeMarx nher betrachtet werden, zumal gera-de er es ist, dem Mitleid mit der geschun-denen Kreatur nachgesagt wird. So sprichtIring Fetscher von dem aus besten euro-pischen Traditionen gespeisten Humanis-mus des jungen Marx. Hoffnung undWille zur Vermenschlichung der unmensch-lichen Welt seien die ursprnglichenTriebfedern dieses Denkens und Handelnsgewesen. (Auch ich habe in meiner er-sten einschlgigen Buchpublikation dieseAnsicht geteilt.) Als Zsur bietet sich dasJahr 1843 an. Marx wurde in ihm 25 Jahrealt. Zu dieser Zeit erfolgte auch seine Hin-wendung zum Kommunismus.Um das Ergebnis vorwegzunehmen: DerRelativsatz alle Verhltnisse umzuwerfen,in denen der Mensch ... ein erniedrigtesWesen ist (Hervorhebung K.L.) spieltpraktisch keine Rolle. Solche Verhltnis-se waren fr ihn der Staat ganz allgemeinund jede Religion, waren die brgerlicheGesellschaft und das Judentum, waren dieRechtsordnung, insbesondere das Privat-eigentum, waren Ehe und Familie. Dochdie Kampfansage an die alte Welt przi-siert sich erst allmhlich. Den Ausgangs-punkt bilden maloses Selbstbewutseingepaart mit der Verachtung alles Vorge-fundenen.

    1. Der Abituraufsatz in Deutschber den Schler Karl lesen wir bei Ele-anor, der jngsten Marxtochter: MeineTanten haben mir oft erzhlt, da Mohr[Kosename fr Karl] als Junge ein schreck-licher Tyrann war; er zwang sie, im vollenGalopp den Markusberg zu Trier hinunter-

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    zukutschieren, und was noch schlimmerwar, er bestand darauf, da sie die Ku-chen en, welche er mit schmutzigenHnden aus noch schmutzigerem Teigeselbst verfertigte. Aber sie lieen sich diesalles ohne Widerrede gefallen, denn Karlerzhlte ihnen zur Belohnung so wunder-volle Geschichten. Fr sich allein genom-men ist dieser Bericht ohne nennenswerteAussagekraft. Er stammt aus zweiter Handund wurde erst rund 70 Jahre nach demgeschilderten Sachverhalt aufgezeichnet.Andererseits, wenn er nicht den Tatsachenentsprechen sollte, so entspricht er dochoffenbar den Vorstellungen, die sich da-mals schon nchste Angehrige von ihmmachten: zu Gewalt neigende Herrsch-sucht; Verachtung der dummen Diener, dieer mit schnen Geschichten betren kann.Das erste uns berlieferte Schriftstck ausKarls Feder verdanken wir einer bewun-dernswerten Aufbewahrungspraxis. AlleTrierer Abiturarbeiten des Jahres 1835,auch die der Klassenkameraden, sind er-halten. Der Schulleiter, Herr Wyttenbach,kannte wohl vorab das Thema in Deutsch:Betrachtung eines Jnglings bei der Wahleines Berufes. Er bleute den Schlernrechtzeitig ein, nicht nur an die eigenenBelange zu denken. Daher ist in allen Ar-beiten auch von der Verantwortung fr dasGemeinwohl die Rede. Karls Aufsatz weistjedoch zwei Besonderheiten auf:Er gebraucht sechsmal das Wort vernich-ten, whrend es in keinem Aufsatz derMitschler auch nur einmal Verwendungfindet. Diese Vorliebe fr Vernichten er-klrt, warum ihn etwas spter ein ehemali-ger Mitstreiter den Vernichter taufte.Ferner meint Karl, wir sollten den Standanstreben, der uns die grte Wrde ge-whrt. Dagegen ist nichts einzuwenden,jedoch gegen seine anschlieende Defini-

    tion von Wrde: Die Wrde ist dasjeni-ge, was den Mann am meisten erhebt, wasseinem Handeln, allen seinen Bestrebun-gen, einen hheren Adel leiht, was ihn un-angetastet, von der Menge bewundert undber sie erhaben dastehn lt. Beide Be-sonderheiten legen den Verdacht nahe, daer sich selbst malos berschtzt und an-dere als minderwertig eingestuft hat. Keingeringerer als Heinrich Heine hat ihn undseinesgleichen als gottlose Selbstgttercharakterisiert. Wir werden sehen, daMarx im spteren Leben diese Beurteilun-gen als Selbstgott und Vernichter aufvielfltige Weise durch sein Wort und seinVerhalten besttigt hat.

    2. Die Jugendgedichte des StudentenAls Student in Bonn, dann in Berlin ver-fate Marx er ist nun um die 20 Jahre alt 150 nach allgemeiner Ansicht literarischwertlose Jugendgedichte. Als Spiegelbildseiner Seele, als Schlssel zu seinen Mo-tiven sind sie wahre Fundgruben. Sie ge-ben Einblick in die Zerrissenheit des Stu-denten, seinen Ha auf alles und jeden,seine Selbstvergottung. Dabei immer wie-der Vernichtung, Vernichtung. (Ma-hatma Gandhi: Ha fhrt in die Vernich-tung.) So erklrt sich, da keines der Ge-dichte in eines der zahlreichen Schulb-cher der Deutschen Demokratischen Re-publik Aufnahme fand, obwohl er in die-sem Lande als grter Sohn des deut-schen Volkes gefeiert wurde. Hier einekleine Auswahl:

    WunschKnnt ich die Seele sterbend tauchenIn der Vernichtung Ocean,Mit einem Hauch das Herz verhauchen,Verhauchen seinen Schmerz und Wahn!...Ich will euch nicht ihr Ewigkeiten,

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    nicht euer schwindelnd, riesig Reich,In der Vernichtung Arm, dem breiten,Kt Todeshauch mich mild und weich.

    Des Verzweifelten Gebet ...Einen Thron will ich mir auferbauen,Kalt und riesig soll sein Gipfel sein,Bollwerk sei ihm bermenschlich Grau-en,

    Und sein Marschall sei die dstre Pein!

    Menschenstolz ...Gtterhnlich darf ich wandeln,Siegreich ziehn durch ihr ruinenreich,Jedes Wort ist Glut und Handeln,Meine Brust dem Schpferbusen gleich.

    3. Die DissertationMit einer Dissertation ber die Differenzder demokritischen und epikurischenNaturphilosophie beendet er sein Studi-um. Die Vorrede dazu, die er wohl erstnach Abschlu des Verfahrens hinzuge-fgt hat, ist ein weiteres Dokument fr dieeingangs aufgestellte Vermutung, nmlichda Marx malos selbstbewut und vollVerachtung fr andere gewesen sei. Da-bei waren seine schulischen Leistungen nurgut durchschnittlich, an den UniversittenBonn und Berlin entzog er sich jedem gr-eren Leistungsnachweis. Jena, wo er sei-ne Dissertation einreichte, suchte er nieauf, legte also auch kein Rigorosum ab.Die ganze Prozedur ging unter recht frag-wrdigen Umstnden vor sich. Dennochprahlt er, als habe er die Welt aus den An-geln gehoben, zumindest das Feuer aufdie Erde gebracht:

    Die Form dieser Abhandlung wrde ei-nesteils streng wissenschaftlicher, ande-rerseits in manchen Ausfhrungen minderpedantisch gehalten sein, wre nicht ihre

    primitive Bestimmung die einer Doktor-dissertation gewesen...Sachverstndige wissen, da fr den Ge-genstand dieser Abhandlung keine irgend-wie brauchbaren Vorarbeiten existieren.Was Cicero und Plutarch geschwatzt ha-ben, ist bis auf die heutige Stunde nach-geschwatzt worden.Im Text selbst begegnen wir Stzen wie:Die Philosophie [richtig mte es heien:Der Philosoph Marx] verheimlicht esnicht. Das Bekenntnis des Prometheus:Geradheraus: Die Gtter ha ich alle-samt ist ihr eigenes Bekenntnis, ihr eige-ner Spruch gegen alle himmlischen undirdischen Gtter, die das menschlicheSelbstbewutsein nicht als die obersteGottheit anerkennen.

    4. Aus ArtikelnBereits 1842 wurde Marx mit der Leitungder Rheinischen Zeitung betraut, die Ende1841 Klner Industrielle und Liberale ge-grndet hatten. Der strengen Zensur we-gen verlie er nach wenigen Monaten dasBlatt, dem wenig spter die Lizenz entzo-gen wurde. Hchst bezeichnend, wie ersich verabschiedete. Unter dem NamenKarl Grn verfate er ein Selbstportrt,das in der Mannheimer Abendzeitung er-schienen ist und ihn wieder als Selbstgottund Vernichter ausweist:Dr. Marx ist wohl derjenige der Redak-toren, welcher dem Blatte die entschiede-ne Frbung gab... Die Leser ... erinnernsich noch gar wohl des scharfen inzisivenVerstandes, der wahrhaft bewunderungs-wrdigen Dialektik, womit der Verfassersich in die hohlen uerungen der Abge-ordneten gleichsam hineinfra, und siedann von innen heraus vernichtete: nichtoft ward der kritische Verstand in solcherzerstrungslustigen Virtuositt gesehen,

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    nie hat er glnzender seinen Ha gegendas sogenannte Positive gezeigt, dassel-be so in seinen eigenen Netzen gefangenund erdrckt.Spter erinnert sich Engels an die Absich-ten von damals und besttigt das Gesag-te: Der Kampf wurde noch mit philoso-phischen Waffen gefhrt, aber nicht mehrum abstrakt-philosophische Ziele; es han-delte sich direkt um Vernichtung der ber-lieferten Religion und des bestehendenStaats.1843 verfat Marx zwei Essays. Einer trgtden Titel: Zur Kritik der HegelschenRechtsphilosophie. In ihm begegnen wirdem immer wieder zitierten kategorischenImperativ als Teil eines lngeren Satzes.Aufschlureich ist, da Marx die Wortealle Verhltnisse umzuwerfen unterstri-chen hat, was geflissentlich nicht erwhntwird, whrend die Klage ber die Ernied-rigung des Menschen ohne diese Beto-nung geblieben ist, ein Indiz dafr, da esdem Vernichter vor allem eben darumging, alle Verhltnisse umzuwerfen, Re-volution zu machen und die Berufung aufdie Notlage weiter Kreise der Bevlkerungnur der Beschnigung dienen sollte.Dafr sprechen auch zahlreiche anderePassagen des Artikels, beispielsweise:Krieg den deutschen Zustnden! Aller-dings! Sie stehn unter dem Niveau derGeschichte, sie sind unter aller Kritik,aber sie bleiben ein Gegenstand der Kri-tik, wie der Verbrecher, der unter dem Ni-veau der Humanitt steht, ein Gegenstanddes Scharfrichters bleibt. Mit ihnen imKampf ist die Kritik keine Leidenschaftdes Kopfes, sie ist der Kopf der Leiden-schaft. Sie ist kein anatomisches Messer,sie ist eine Waffe. Ihr Gegenstand ist ihrFeind, den sie nicht widerlegen, sondernvernichten will. Welch Ausbruch von

    berheblichkeit und Brutalitt! Unddann noch ein Satz aus dieser Verffentli-chung, der uns zeigt, auf welcher HheMarx sich whnt, von der herab er gn-digst die Deutschen zu Menschen zu ma-chen geruht: Wie die Philosophie im Pro-letariat ihre materiellen, so findet das Pro-letariat in der Philosophie seine geistigenWaffen, und sobald der Blitz des Gedan-kens grndlich in diesen naiven Volksbo-den eingeschlagen ist, wird sich die Eman-zipation der Deutschen zu Menschen voll-ziehen. Mit anderen Worten: um mchtigzu sein, braucht der Philosoph eine Waf-fe. Er findet sie in Gestalt einer Menschen-masse, in Gestalt des Proletariats. Unddas Proletariat vermag nichts, es sei denn,da sich ein Philosoph seiner erbarmt, esbefruchtet. Das ist der Schlsseltext zumVerstndnis von Marx. Nicht aus Mitleidwendet er sich dem Proletariat zu, son-dern um sich viele starke Arme dienstbarzu machen.In dem Aufsatz Zur Judenfrage, im sel-ben Jahr verfat, mu das Volk, aus demer hervorgegangen ist, die hrtesten Schm-hungen einstecken. Abschlieend heit es:Wir erkennen also im Judentum ein all-gemeines gegenwrtiges antisoziales Ele-ment, welches durch die geschichtlicheEntwicklung, an welcher die Juden in die-ser schlechten Beziehung eifrig mitgear-beitet, auf seine jetzige Hhe getriebenwurde, auf eine Hhe, auf welcher es sichnotwendig auflsen mu. Vorab kommtin dem Aufsatz die Sprache auf den Staatund die Elemente, aus denen er sich zu-sammensetzt. Doch wo das Wort Men-schen stehen mte, steht bei MarxMenschenkehricht Auch spter vergreifter sich auf diese demaskierende Weise imAusdruck.. Ist es vorstellbar, da ein Men-schenfreund so abscheulich sprachlich

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    entgleist? Was hat er nur fr ein Menschen-bild? Dem Menschenkehricht entspre-chen die Vlkerabflle.

    5. Aus BriefenDie Zahl der uns aus dieser Zeit (bis Ende1843) berlieferten Briefe ist relativ gering.Trotzdem finden sich auch hier aufschlu-reiche Indizien, um die in Marx wirksa-men Antriebskrfte blozulegen. Aus demAufsatz Zur Judenfrage wurde eben zi-tiert. Zu seiner Vorgeschichte gehrt, wasMarx in einem Brief vom 13. Mrz 1843mitteilt: Soeben kmmt der Vorsteher derhiesigen Israeliten zu mir und ersucht michum eine Petition fr die Juden an denLandtag, und ich wills tun. So widerlichmir der israelitische Glaube ist, so scheintmir Bauers Ansicht doch zu abstrakt. Hierwird das Zitat meist abgebrochen. Abererst der folgende Satz verrt das Hand-lungsmotiv: Es gilt soviel Lcher in denchristlichen Staat zu stoen als mglichund das Vernnftige, soviel an uns, einzu-schmuggeln.Im Mai 1843 schreibt Marx an seinendamaligen Freund Arnold Ruge: Lat dieToten ihre Toten begraben und beklagen.Dagegen ist es beneidenswert die erstenzu sein, die lebendig ins neue Leben ein-gehen; dies soll unser Los sein. Dieserauf die eigene Person gemnzten Feststel-lung, einer der ersten zu sein, folgt diercksichtslose Kritik alles Bestehenden:Ist die Konstruktion der Zukunft und dasFertigwerden fr alle Zeiten nicht unsereSache, so ist desto gewisser, was wir gegen-wrtig zu vollbringen haben, ich meine diercksichtslose Kritik alles Bestehenden,rcksichtslos sowohl in dem Sinne, dadie Kritik sich nicht vor ihren Resultatenfrchtet und ebenso wenig vor dem Kon-flikte mit den vorhandenen Mchten.

    6. Der arme PrasserMarx, der als Philosoph das Geld ab-schaffen wollte, konnte als Alltagsmenschnie genug davon haben. Das wre keinebemerkenswerte Aufflligkeit, htte er in-sofern als Student nicht alle Kommilito-nen bertroffen. Da er nicht ber eigeneEinnahmen verfgte, mute er sich Geldbeschaffen. Dabei legte er eine Rck-sichtslosigkeit an den Tag, die schier ma-losen Egoismus offenbarte. Die ersten Be-lege dafr verdanken wir seinem Vater,Heinrich Marx, der sich liebevoll um denzu besten Hoffnungen berechtigenden Sohnsorgte, diese und andere Charaktermn-gel jedoch recht anschaulich tadelte. Hiervier Kostproben, aus jedem Jahr eine:

    18. November 1835Lieber Karl!ber drei Wochen sind verflossen, daDu weg bist, und keine Spur von Dir! Dukennst Deine Mutter und ihre ngstlich-keit, und dennoch diese grenzenlose Nach-lssigkeit! Das besttigt mir leider nur zusehr die Meinung, welche ich trotz Deinermancher guten Eigenschaft hege, da derEgoismus in Deinem Herzen vorherrschendist. hnliche Klagen werden in den 15berlieferten Briefen immer hufiger.19. Mrz 1836: ...Wenn Du daher etwasber die Schnur gehauen hast, so mag es,weil es mu, verschleiert werden. Aber ichversichere Dich, das nec plus ultra[Nicht-darber-hinaus] ist das Ausgewor-fene. 9. Dezember 1837: Als wren wir Gold-mnnchen verfgt der Herr Sohn in einemJahre fr beinahe 700 Taler gegen alle Ab-rede, gegen alle Gebruche, whrend dieReichsten keine 500 ausgeben... AuchKlagen Deiner Geschwister habe ich nach-zutragen. Kaum sieht man in Deinen Brie-

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    fen, da Du deren hast; und die gute So-phie [Schwester von Karl], die fr Dichund Jenny so viel gelitten, und die soberschwnglich ergeben ist, Du denkstihrer nicht, wenn Du sie nicht bedarfst.Im letzten Brief des todkranken Vaters,10. Februar 1838, lesen wir: So sind wirjetzt im vierten Monat des Justizjahres, undschon hast Du 280 Taler gezogen. So vielhab ich diesen Winter noch nicht ver-dient. Etwas frher schon finden sich diebitteren Worte: Ich will und mu Dir sa-gen, da Du Deinen Eltern viel Verdrugemacht und wenig oder gar keine Freu-de.Im Todesjahr des Vaters schlgt der Stu-diosus noch ganz andere pekunire Ka-priolen. Aus Dokumenten, die erst vorwenigen Jahren verffentlicht worden sind,geht hervor, da er sich der Selbstein-schtzung gem offenbar anschickte,den Lebensstil des Sonnenknigs zu imi-tieren: Da das Universittsgericht damalsauch fr Zivilklagen gegen Studenten zu-stndig war, wurden von Handwerkernund Kaufleuten Klagen wegen Zahlung frgelieferte Waren und Dienstleistungen ge-gen Marx erhoben. So forderte AnfangSeptember 1838 der SchneidermeisterKremling fr die Anfertigung von Klei-dungsstcken 40 Taler, zweieinhalb Gro-schen... Anfang Oktober 1838 machte derSchneidermeister Selle fr die Anfertigungfr Oberbekleidung 41 Taler 10 Groschengeltend. Zu demselben Zeitpunkt machteKremling wieder eine Forderung von 30Talern geltend, die mit der BemerkungExecution schwebt noch gemeldet wur-de... Mitte November 1838 reichte Selleein Vollstreckungsgesuch wegen der For-derung von 10 Talern ein... Allein mit die-sen Betrgen hatte eine vierkpfige Fami-lie ein Jahr leben knnen.

    Die verwitwete Mutter war nicht bereit, zuLasten der sechs anderen unversorgtenKinder Karls luxurisen Lebenswandel zufinanzieren. So wurde sie zur Alten, dieer nur noch um Geld anging, die er, fallssie nicht freiwillig zahlte, regelrecht krimi-nell erprete, und der er gar den Tod wnsch-te. Auf der Suche nach Geld macht erspter Freund Engels zu seinem Kompli-zen. Dein Alter ist ein Schweinhund, demwir einen hundsgroben Brief schreibenwerden. Ich habe einen sichern Planentworfen, Deinem Alten Geld auszupres-sen, da wir jetzt keins haben. Schreib ei-nen Geldbrief (mglichst kra an mich),worin Du Deine bisherigen Fata erzhlst,aber so, da ich ihn Deiner Mutter mittei-len kann. Der Alte fngt an, Furcht zu be-kommen.Die Rcksichtslosigkeit, die aus seinenTheorien spricht, war also nicht nur phi-losophische Marotte, sondern Lebensma-xime eines Egomanen, die sich immer undimmer wieder bis zum Tode manifestierteund die fr die eingangs zitierten Lob-sprche nicht den geringsten Raum lt.Zu dieser Einsicht gelangte spt auch KarlPopper. In der letzten Auflage des erwhn-ten Buches heit es: Mehr als 20 Jahre,nachdem ich dieses Buch schrieb, wurdemir Leopold Schwarzschilds Buch berMarx, Der rote Preue, bekannt. Schwarz-schild betrachtet Marx mit teilnahmslosenund sogar feindlichen Augen, und er stelltihn immer als einen unsympathischenMenschen hin... Schwarzschild beschreibtihn als einen Mann, fr den das Proleta-riat blo ein Instrument war, um seinenpersnlichen Ehrgeiz zu befriedigen. Ob-gleich das vielleicht die Sache hrter aus-drckt, als es das Beweismaterial zult,so mu doch zugestanden werden, daSchwarzschilds Beweismaterial nieder-

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    schmetternd ist. Die Berichtigung be-weist, da Popper sein Loblied ohne ge-nauere Sachkenntnis angestimmt und eszunchst gewagt hat, jede kritische An-frage von vornherein als indiskutabel ab-zuschmettern (wrtlich: ...kann dochber den humanitren Impuls des Marxis-mus kein Zweifel bestehen).

    Diese Zusammenstellung einschlgigerTexte und Fakten aus dem Leben des jun-gen Marx drfte jedermann in die Lageversetzen, die eingangs aufgeworfene Fra-ge, ob sich bei ihm Spuren edler Mensch-lichkeit entdecken lassen, ob Mitleid ihngar zum Kommunismus gedrngt hat,selbst zu beantworten. Ganz realistischstellt Engels fest: ... die Deutschen wur-den philosophisch zu Kommunisten,durch Schlufolgerungen aus ersten Prin-zipien. Da er dabei in erster Linie anseinen Freund dachte, steht auer Zwei-fel. Dem lteren, kommunistischen Marx(ab dem 26. Lebensjahre) werden ohne-hin keine humanitren Anwandlungen an-gedichtet. Auch wenn die jeweiligen Mo-tive der Menschen letztlich ein Geheimnisbleiben, so knnen wir gleichwohl mit ei-ner an Sicherheit grenzenden Wahrschein-lichkeit gefhlskalten Messianismus alsTriebfeder seines Handelns diagnostizie-ren.

    Bereits im Februar 1849 kam der kom-munistische Kampfgefhrte Andreas Gott-schalk zum selben Ergebnis: Das Elenddes Arbeiters, der Hunger des Armen hatfr Sie [Karl Marx] nur ein wissenschaft-liches, ein doktrinres Interesse. Sie sinderhaben ber solche Miseren. Als gelehr-ter Sonnengott bescheinen Sie blo dieParteien. Die sind nicht ergriffen von dem,was die Herzen der Menschen bewegt.

    VII. Wie erklrt sich der Erfolg?Alle Staaten, die sich zum Marxismus be-kannt haben und auch jene, die sich nochdazu bekennen, sind gescheitert, habenzumindest ihre Attraktivitt gnzlich ein-gebt. Lag es daran, da sie MarxensVorgaben nicht befolgt haben, oder sindsie gerade wegen ihrer Marxglubigkeit inSchwierigkeiten geraten?Die berraschende Antwort lautet: Der all-gemein als erster Klassiker des Kommu-nismus anerkannte Marx hat sich mitKommunismus kaum befat, hat die hei-le kommunistische Welt nicht nher be-schrieben. Die wenigen konkreten Weisun-gen, die wir insbesondere im Manifest derKommunistischen Partei finden, versuch-ten Lenin und seine Gefolgschaft, ebensodie Kommunisten der anderen Staaten, indie Tat umzusetzen. Sie lauten:Fr die fortgeschrittensten Lnder wer-den jedoch die folgenden [Maregeln]ziemlich allgemein in Anwendung kommenknnen: 1. Expropriation des Grundeigen-tums... 2. Starke Progressivsteuer. 3. Ab-schaffung des Erbrechts. 4. Konfiskationdes Eigentums aller Emigranten und Re-bellen.Auch sonst hlt der Marxismus nicht, waser verspricht. Das gilt fr den historischenMaterialismus ebenso wie fr die Kritikdes Kapitalismus. Selbstverstndlich warnicht alles falsch, was Marx und Engelsniedergeschrieben haben. Aber das Rich-tige war nicht neu und das Neue war nichtrichtig. Der Beweis des Gegenteils wurdenie angetreten. Trotzdem der Siegeszugdes Marxismus!1917 kamen erstmals marxistische Kom-munisten an die Macht, und zwar in Ru-land. Sie miachteten die Ergebnisse frei-er Wahlen, trugen die junge Demokratiezu Grabe, zerbrachen jeden Widerstand

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    der Opposition mit uerster Brutalitt,traten die primitivsten Grundstze rechts-staatlicher Ordnung mit Fen, ermorde-ten Hunderttausende Unschuldiger. Den-noch schlugen Dutzende von Staaten dengleichen Weg ein, schworen auf den Mar-xismus, den Marxismus-Leninismus, denMarxismus-Leninismus-Stalinismus oder-Maoismus, viele unter massivem Druck,andere ohne ueren Zwang wie Jugosla-wien und Albanien in Europa, China undNordkorea in Asien, Angola und Mosam-bik in Afrika, Kuba und Nicaragua in Ame-rika. Wie war dies mglich?Als Gorbatschow 1985 zum Generalse-kretr der Kommunistischen Partei derSowjetunion gewhlt wurde, lebte ein Drit-tel der Menschheit in Staaten, die auf denMarxismus-Leninismus eingeschworenwaren. Auch auerhalb gab es Millionen,die trotz allem Marx und Lenin ver-ehrten, die sich unter ihre geistige Fh-rung stellten.Auch die historische Gestalt von Marx lie-fert keine Erklrung fr den Erfolg. Marxwar bei denen, die ihn nher kannten, ziem-lich unbeliebt. Von den meisten seinerKampfgenossen hatte er sich im Streit ge-trennt. Die Bande zu Mutter und Geschwi-ster hatte er fast gnzlich zerrissen, seineFrau uerte kurz vor ihrem Tode, sie seiangewidert vom ganzen mnnlichen Ge-schlecht, als Marx in der MillionenstadtLondon starb, gab ihm nur ein Dutzenddas letzte Geleit. Und trotzdem der Er-folg. Welches sind die Hauptgrnde da-fr?

    1. Die Dialektik?Anllich des einhundertsten Todestagesvon Marx wurde in der Frankfurter Allge-meinen Zeitung genau diese Frage nachden Grnden des Erfolgs aufgeworfen.

    Die Antwort dort: Vielleicht und vor al-lem durch einen Begriff, von dem Zau-berkraft ausstrahlt: Dialektik. Dialektikmeint Bewegung im Dreischritt. Erinnertsei an Position, Negation, Negationder Negation. Engels erlutert: Die Dia-lektik ist aber weiter nichts als die Wissen-schaft von den allgemeinen Bewegungs-und Entwicklungsgesetzen der Natur, derMenschengesellschaft und des Denkens.Wenn dem so wre, wrden wir dem Ge-setz auf Schritt und Tritt begegnen. Aberdie Beispiele, die Engels in seinem Anti-dhring dem Leser zumutet, sind so hand-greiflich falsch, da sie nicht Gegenstandeiner ernsthaften Prfung sein knnen, et-wa wenn er behauptet: ...findet so einGerstenkorn die fr es normalen Bedin-gungen vor, fllt es auf gnstigen Boden,so geht unter dem Einflu der Wrme undder Feuchtigkeit eine eigne Vernderungmit ihm vor, es keimt; das Korn vergehtals solches, wird negiert, an seine Stelletritt die aus ihm entstandne Pflanze, dieNegation des Korns.Nein, das angebliche Gesetz ist nirgend-wo nachweisbar, ist indiskutabel. Aber dieWorte Dialektik und Dialektischer Ma-terialismus haben in den Ohren vieler ei-nen geheimnisvoll fesselnden Klang. Undin der Tat, die in diesem Zusammenhanggebrauchten Begriffe und behaupteten Ge-setze sind ein wertvolles Instrumentariumin den Hnden Skrupelloser, um immerrecht zu behalten, auch wenn sie sich nochso sehr geirrt haben. Dessen war sichMarx bewut und er hat es auch mehr-mals eingestanden, so in einem Brief anEngels: Es ist mglich, da ich mich bla-miere. Indes ist dann immer mit einigerDialektik wieder zu helfen. Ich habe na-trlich meine Aufstellung so gehalten, daich im umgekehrten Fall auch recht habe.

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    2. Die rcksichtslose KritikMarx predigte wie ausgefhrt die rck-sichtslose Kritik alles Bestehenden undwurde so zum Anwalt aller, die mit derWelt haderten. Ein Student pinselte an einGebude der Universitt Bayreuth: AllesScheie! Wer so empfindet, steht zumin-dest mit einem Bein im marxistischen La-ger. Kein geringerer als Bert Brecht hatdiesem Empfinden mit wohlgesetzten Wor-ten Ausdruck verliehen und die Karl-Marx-Stadt (heute Chemnitz) lie sie in Steinmeieln, wo der Besucher sie noch heutelesen kann:

    Welche Niedrigkeit begingest du nicht,um

    Die Niedrigkeit auszutilgen?Knntest du die Welt endlich verndern,wofrWrest du dir zu gut?Wer bist du?Versinke in SchmutzUmarme den Schlchter, aberndere die Welt: sie braucht es!

    Auch viele Brgerliche, denen Marxensrcksichtslose Kritik alles Bestehendenunbekannt oder wesensfremd ist, haltenihm zugute, er habe seine Finger in eineWunde der Zeit gelegt. Und in der Tat, soist es! Auch Hitler hat seine Finger in eineWunde der Zeit gelegt, in den Vorwurf,Deutschland und sterreich seien dieAlleinschuldigen am Ausbruch des ErstenWeltkrieges. Doch weder Marx noch Hit-ler betraten insofern Neuland. Ausnahms-los alle deutschen Parteien protestiertendamals gegen die Kriegsschuldlge.Und Marx? Er war weder der erste nochder Einzige, der die Gebrechen seiner Zeitbeim Namen nannte. Engels Die Lage derarbeitenden Klasse in England bietet die

    Zusammenschau zahlreicher Aufstze undArtikel, die andere verfat hatten. Engels:Ich sitze bis ber die Ohren in englischenZeitungen und Bchern vergraben, ausdenen ich mein Buch ber die Lage derenglischen Proletarier zusammenstelle.Der Text ist hchst aufschlureich. Ge-gen Ende schildert er, was kommen wird:Die zur Verzweiflung getriebenen Prole-tarier werden die Brandfackel ergreifen...die Volksrache wird mit einer Wut gebtwerden, von der uns das Jahr 1793 nochkeine Vorstellung gibt. Der Krieg der Ar-men gegen die Reichen wird der blutigstesein, der je gefhrt worden ist. Selbst derbertritt eines Teils der Bourgeoisie zurProletarierpartei, selbst eine allgemeineBesserung der Bourgeoisie wrde nichtshelfen... Die behauptete Unentrinnbarkeit verrt sie nicht, da der Autor eben dieswill. Wissen konnte er es nicht. Und dieGeschichte Englands nahm einen ganzanderen Verlauf. Bei Marx war es nichtanders. Auch er hat keinerlei einschlgigeFeldforschung betrieben, sondern dieTexte anderer, soweit sie ihm ins Konzeptpaten, ausgewertet. Auch bei ihm ist dieKatastrophe unvermeidlich.

    3. Die wunderbaren VerheiungenIm Rundschreiben des ersten Kongres-ses des Bundes der Kommunisten vom9. Juni 1847 heit es: Wir vertreten einegroe, eine herrliche Sache. Wir prokla-mieren die grte Umwlzung, die je inder Welt proklamiert worden ist, eine Um-wlzung, die an Grndlichkeit, an Folgen-reichtum nicht Ihresgleichen hat in derGeschichte.Der Kommunismus ist die Negation desBestehenden. Das Bestehende ist aber dasGegenteil von dem, was eigentlich seinsollte. Also formuliert Marx: Der Kom-

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    munismus ist die Position als Negation derNegation, darum das wirkliche, fr dienchste geschichtliche Entwicklung not-wendige Moment der menschlichen Eman-zipation und Wiedergewinnung.Das klingt souvern, das klingt so, als obeiner sprche, der es genau wei; eine wis-senschaftliche Offenbarung also. Es klingtaber auch ungemein verheiungsvoll. Bei-de Elemente des Marxismus: die schein-wissenschaftliche Qualitt der Lehre unddie Qualitt dessen, was sie verheit, ha-ben, wie zahlreiche Bekenntnisse bewei-sen, faszinierend gewirkt und wirken sooftmals auch heute noch. Dafr ein Be-leg: Bei der ersten Berhrung mit demMarxismus war es mir zumute, als ob mirein Weltbild geoffenbart wrde, das dieLsung fr alle qulenden Probleme bot...Ich fand mit einem Schlag einen Religions-ersatz, eine Geschichtsphilosophie, einewissenschaftliche Methode, eine sozialeEthik, eine politische Strategie, und dasalles fgte sich zu einem logisch koordi-nierten System zusammen. Daraus ergabsich ein solches Gefhl der Sicherheit undder Kraft, da der dadurch gesteigerte To-nus wie ein bestndiger leichter Rausch-zustand wirkte.

    4. Der ReligionsersatzIm 19. Jahrhundert entfremdete sich derArbeiterstand von den Kirchen. Er such-te nach einem Religionsersatz, den dieMarxsche Lehre bietet, und nach einerneuen Bibel, die an die Stelle der alten tre-ten sollte. Engels erkannte dieses Verlan-gen und nannte Marxens Kapital Bibelder Arbeiterklasse. Die Arbeiter hatten ihrgroes Buch, in dem, wie sie annahmen,alles Wichtige stnde. Kaum einer las es,nicht einmal ihre politischen Fhrer. An-llich einer Tagung Hundert Jahre Das

    Kapital, veranstaltet vom ZK der SEDin Ost-Berlin, hie es im Gruwort desVertreters der Kommunistischen ParteiKanadas: Htte man das eine Buch zuwhlen, das mehr als jedes andere denLauf der Weltgeschichte beeinflut hat, sowrde man zweifellos Das Kapital vonKarl Marx whlen... Wrden Sie die Mit-glieder der Kommunistischen Partei oderauch der sozialistischen Partei eines be-liebigen Landes fragen, ob sie Das Kapi-tal gelesen haben, Sie stimmen darin mitmir berein , dann wrden die meistenmit nein antworten...Der Marxismus ist ein Spiegelbild desOffenbarungsglaubens bis hinein in dieDetails seiner Verwirklichung. Dem bibli-schen Garten Eden entspricht im Marxis-mus der Urzustand, wie er vor allem vonEngels beschrieben worden ist. Dannkommt der Sndenfall. Marx selbst ist es,der die Parallele zwischen Offenbarungs-glauben und seiner Lehre zieht. Unter derberschrift: Das Geheimnis der ursprng-lichen Akkumulation schreibt er: Dieseursprngliche Akkumulation spielt in derpolitischen konomie ungefhr dieselbeRolle wie der Sndenfall in der Theolo-gie. Adam bi in den Apfel, und damitkam ber das Menschengeschlecht dieSnde. Der Fluch der Snde ist das Jam-mertal, ein biblisches Wort, das auchMarx gebraucht. Hier wie dort wird einErlser geboren. Im Marxismus ist es dasProletariat. Den Abschlu der Vorge-schichte der Menschheit bildet nach derBibel das Jngste Gericht, nach Marx dieKommunistische Revolution, jeweils einfurchterregendes, fr viele schmerzlichesEreignis. Doch sie luten eine glcklicheEndzeit ein. Der perfekte Kommunismusist das biblische Land der Verheiung, indem Milch und Honig flieen und wohin

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    der Herr sein Volk fhren wird, eine End-zeitlehre, die den Himmel auf Erden ver-heit, den neuen Himmel und die neue Erdein eins verschmelzen lt.

    5. Die ArbeitswerttheorieEin elematarer Bestandteil von MarxensLehre ist, wie gezeigt, die Arbeitswert-theorie. Danach entstehen die Reichtmernur durch menschliche Arbeit, und zwarentspricht ihr Wert der Stundenzahl, diefr die Herstellung einer Ware aufgewen-det worden ist. Der Unternehmer ist zwarim Produktionsproze ebenso notwendigwie der Dirigent im Orchester (Marx: DerBefehl des Kapitalisten auf dem Produk-tionsfeld wird jetzt so unentbehrlich wieder Befehl des Generals auf dem Schlacht-feld), aber er hat keinen Anteil am Mehr-wert. Daraus folgt, da alle Reichtmerdieser Erde von den Arbeitern geschaffenworden sind und geschaffen werden. Dochwas gehrt ihnen? Auer ihrer Arbeitskraftnichts. Was mte ihnen gehren? Alles!Diese Antwort legitimiert sie zur Enteig-nung der Enteigner oder, um es mit Marxzu sagen: Die Expropriateure werden ex-propriiert. Sind das nicht schier unwi-derstehliche Sirenengesnge in den Oh-ren der Zu-Kurz-Gekommenen und derer,die sich dafr halten?

    6. Engels VorbildEngels hat auf die deutschen Sozialdemo-kraten, die global betrachtet an derSpitze der sozialistischen Bewegung mar-schierten, einen nachhaltigen Eindruck hin-terlassen. Er, der gebildete, wortgewand-te, sprachbegabte Unternehmer tut alles,um seinen Freund als den Grten, Tch-tigsten erscheinen zu lassen und nennt sichselbst bescheiden zweite Violine: Ichhabe mein Leben lang das getan, wozu

    ich gemacht war, nmlich zweite Violinezu spielen, und glaube auch, meine Sacheganz passabel gemacht zu haben. Und ichwar froh, so eine famose erste Violine zuhaben wie Marx.. Erinnert sei an dasberschwengliche Lob am offenen Gra-be, wo er Marx vorbehaltlos auf eine Stu-fe neben Charles Darwin stellte. Marx habeu.a. das Gesetz der geschichtlichen Ent-wicklung entdeckt.Da es in den Reihen der Sozialdemokra-ten immer noch viele Anhnger des 1864an den Folgen einer Duellverletzung ver-storbenen Ferdinand Lassalle gab, pole-misierte Engels gegen den verhaten Ri-valen: Man hat sich in Deutschland dar-an gewhnt, in Ferdinand Lassalle den Ur-heber der deutschen Arbeiterbewegung zusehen. Und doch ist nichts unrichtiger...Der ganze Inhalt seiner Schriften war ent-lehnt, selbst nicht ohne Miverstndnisseentlehnt, er hatte einen Vorgnger und ei-nen intellektuellen Vorgesetzten, dessenDasein er freilich verschwieg, whrend erseine Schriften vulgarisierte, und dieser in-tellektuelle Vorgesetzte heit Karl Marx.Wider besseres Wissen behauptete Engelszum hheren Ruhme des Freundes, die-ser habe die Internationale Arbeiterasso-ziation, die 1864 in London entstandenwar, gegrndet.Wie sehr es Engels um die Wirkung undwie wenig es ihm um die Substanz ging,offenbaren Briefe wie der folgende: Seiendlich einmal weniger gewissenhaft Dei-nen eignen Sachen gegenber. Es ist im-mer noch viel zu gut fr das Lausepubli-kum. Da das Ding geschrieben wird, istdie Hauptsache; die Schwchen, die Dirauffallen, finden die Esel doch nicht her-aus...

    In der Korrespondenz mit dem Freundunterdrckt Engels kritische Einwnde

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    nicht gnzlich. Nach auen hin ist er je-doch immer voll des Lobes: Solange esKapitalisten und Arbeiter in der Welt gibt,ist kein Buch erschienen, welches fr dieArbeiter von solcher Wichtigkeit wre, wiedas Vorliegende... Wertvoll wie die Schrif-ten eines Owen, Saint Simon, Fourier sindund bleiben werden erst einem Deut-schen war es vorbehalten, die Hhe zuerklimmen, von der aus das ganze Gebietder sozialen Verhltnisse klar und ber-sichtlich daliegt, wie die niederen Berg-landschaften vor dem Zuschauer, der aufder hchsten Kuppe steht.Beim Ausbruch der Februarrevolution[1848] bestand die deutsche kommuni-stische Partei nur aus einem kleinenStamm... Aber diese unbedeutende Streit-kraft hatte einen Fhrer, dem sich alle wil-lig unterordneten, einen Fhrer ersten Ran-ges in Marx... Auch diese Behauptungist frei erfunden, doch wer ihr glaubenschenkt, wird sich einem solchen Fhrerwillig unterordnen.Engels Beispiel wirkte ansteckend. AlsWilhelm Liebknechts Sterne in der SPDverblaten, wurde er, wie er selbst sagt,aus Not... ein Mrchenschmied und ver-suchte, mit seiner Marx-Bekanntschaft zuimponieren. Was die Wirklichkeit nichtbot, mute anheimelnde Gartenlauben-phantasie ersetzen. Freilich, Liebknechtwar klug genug, bis nach Engels Tod zuwarten, andernfalls htte der Esel, wieMarx und Engels ber ihn zu lstern pfleg-ten, eine hchst peinliche Korrektur ein-stecken mssen. Um Marx nicht zu dis-kreditieren, lieen sich August Bebel undEduard Bernstein zu unglaublichen Text-flschungen hinreien. Und diese Traditi-on der dolosen oder absichtslosen Schn-frberei besteht fort bis auf den heutigenTag, wie die drei Eingangszitate beweisen.

    7. Das liebe GeldDamit sind wir beim Geld angelangt, dasder unverheiratete, kinderlose Engels alsErbe des vterlichen Anteils an der FirmaErmen und Engels, Manchester, reichlichbesa, an dem die meisten anderen Man-gel litten, so die fhrenden deutschen So-zialdemokraten, wenn sie, wie Liebknechtund Bebel, im Gefngnis fr ihre Agitati-on ben muten. Kam dann aus dem fer-nen England eine berweisung, AbsenderFriedrich Engels, war die Freude sicher-lich riesengro, die zur Dankbarkeit ver-pflichtete und auf weitere Gaben im Be-darfsfalle hoffen lie. Auch die Parteiselbst war Empfnger. Da es sich bei dendiesmaligen Wahlen um einen groen Ef-fekt handelt, so mssen wir uns alle an-strengen, und so lege ich Dir fr denWahlfonds eine Anweisung fr 25 bei.Dieser materielle Gesichtspunkt ist bisheroffenbar gnzlich unbercksichtigt geblie-ben, kann aber in seiner Bedeutung schwer-lich berschtzt werden. So erlangte En-gels ungeheuren Einflu auf sozialdemo-kratische Fhrer und damit die Partei. AlsLiebknechts Schwiegersohn es wagte, anMarx vorsichtig Kritik zu ben, drohteEngels dem Schwiegervater mit hartenKonsequenzen, falls er dem bsen Trei-ben tatenlos weiter zusehen wrde: Eserscheint, mit Deinem Namen gedeckt,eine Schundschrift von einem mehr alszweideutigen Lumpazius, eine wahre Saue-rei, worin dieser unwissende Lumpaziussich zum Verbesserer von Marx aufwirft.Diese Sauerei wird den deutschen Arbei-tern durch Deinen Namen als Herausge-ber auf dem Titelblatt als bildende Lekt-re im Sinne unserer Partie empfohlen...Natrlich hat Dein Schwiegersohn Dichgeprellt, absichtlich httest Du das nie ge-tan. Aber jetzt wo Deine erste Pflicht

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    ist, diese Sauerei abzuschtteln, zu erkl-ren, Du seist schmhlich hintergangenworden, und unter Deinem Namen werdekein Bogen mehr davon erscheinen wieda?... Wenn Du die Herausgabe derSchl[esinger] Sauerei einstellst, so kannich die Sache einschlafen lassen. Erscheintaber Fortsetzung...Schlielich darf in diesem Zusammenhangnicht unerwhnt bleiben, da Engels ei-nen Teil seines beachtlichen Vermgensder SPD vermachte, wovon die Parteispit-ze wute, ein weiterer Grund, auf dennamhaften Mzen und sein Idol MarxRcksicht zu nehmen.Weder Marx noch Engels war je Mitgliedder SPD oder einer der Parteien, aus de-nen sie hervorgegangen ist. Doch Engelshat, wie angedeutet, die Partei und einzel-ne namhafte Mitglieder finanziell gefrdert.Dieses Verhalten legt den Schlu nahe, dieSPD sei doch ihre Partei gewesen, undda die SPD eine demokratische Partei da-mals war und heute ist, kann die Einstel-lung der Freunde schwerlich antidemokra-tisch gewesen sein.Dagegen spricht, da sie stets versuchthaben, die Partei nach links abzudrngenund die Bereitschaft zur gewaltsamen Re-volution wachzuhalten. Auerhalb derSPD gab es damals keine politischen Krf-te, die ihren Absichten nher gestandenhtten. Also hatten sie nur die Wahl, ent-weder ihre Agitation einzustellen oder zuversuchen, diese Partei in ihrem Sinne um-zugestalten. Alle einschlgigen Dokumen-te beweisen das, so Marxens Kritik desGothaer Programms, in dem er die Dikta-tur des Proletariats als unumgnglich not-wendig bezeichnete. Kurz vor seinem To-de hat Engels noch durchgesetzt, da diesedemokratiewidrige Agitation publik ge-macht wurde. Monate vor seinem Able-

    ben protestierte er in mehreren Briefen mitallem Nachdruck gegen die Versuche, ihnzum gesetzestreuen Brger zu machen, soim Schreiben an Karl Kautsky vom 1. April1895: Zu meinem Erstaunen sehe ich heu-te im Vorwrts einen Auszug aus meinerEinleitung ohne mein Vorwissen abge-druckt und derartig zurechtgestutzt, daich als friedfertiger Anbeter der Gesetz-lichkeit quand mme dastehe...Ferner: Schon damals schlummerten inder SPD zwei Seelen, deren eine Ende1918 die Kommunistische Partei Deutsch-lands ins Leben rief. Es gibt keinen ver-nnftigen Zweifel, da diese Abspaltungdie Partei der Freunde gewesen wre, dadas Programm der KPD ihren Vorstellun-gen entsprach.

    8. ZusammenfassungDie Zusammenschau aller einschlgigenTatsachen lt kaum einen anderen Schluzu als die Annahme, da die weltweite Ver-ehrung von Marx nicht dem historischenMarx aus Trier, sondern einem Mythosgezollt wird, an dessen Weiterleben undEntfaltung noch heute Menschen und In-stitutionen vieler Lnder teils aus Leicht-fertigkeit, teils wider besseres Wissen mit-wirken. Faktenorientierte Wissenschaftkann sich daran nicht beteiligen.

    Obiger Text bietet Auszge aus dem Buchdes Autors Marx und Marxismus einedeutsche Schizophrenie. Thesen, Texte,Quellen, Mnchen 2001. Es enthlt dieBelege fr die Zitate.