Logische Syntax der Sprache ||

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Logisdte Syntax der Spradte

Von

Rudolf Camap Professor der Philosophic

Uolverslty of California, Los Angeles

Zweite, unveranderte AufIage

1968 Springer-Verlag Wien GmbH

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Die erste Auflage dieses Buches erschien als Band 8 der Schriften zur wissenschaftlichen Weltauffassung

lIerausgegeben von Prof. Philipp Frank, Prag, und Prof. Moritz Schlick, Wien

Alle Rechte vorbehalten

Kelo Tell diesel BUCM8 darf ohoe achrlftllche GeoehmlllUDg dea Sprlnger-Verlagea übersetzt oder ID Irgeodeloer Form

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ISBN 978-3-662-23331-3 ISBN 978-3-662-25376-2 (eBook) DOI 10.1007/978-3-662-25376-2

Copyright 19S' by Jullua Springer ID VleoD& Cl 1INI8 by Springer-Verlag Wien

Ursprünglich erschieoen bei Springer Vieona 1968. Softcover repriDt ofthe bardcover 2nd editioo 1968

L1brary ot Coogreaa Catalog Card Number 68-28702

Titel Nr. 923'

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Vorwort. Seit beinahe einem Jahrhundert sind Mathematiker und

Logiker mit Erfolg bemiiht, aus der Logik eine strenge Wissen­schaft zu machen. Dieses Ziel ist in einem gewissen Sinn erreicht worden: man hat gelemt, in der Logistik mit Symbolen und Formeln ii.hnlich denen der Mathematik in strenger Weise zu operieren. Aber ein logisches Buch muB auBer den Formeln auch Zwischentext enthalten, der mit Hilfe der gewohnlichen Wort­sprache iiber die Formeln spricht und ihren Zusammenhang kIar macht. Dieser Zwischentext laBt oft an Klarheit und Exakt­heit manches zu wiinschen ubrig. In den letzten Jahren nun hat sich bei den Logikem verschiedener Richtungen immer mehr die Einsicht entwickelt, daB dieser Zwischentext das Wesentliche an der Logik ist und daB as darauf ankommt, fUr diese Satze uber Satze eine exakte Methode zu entwickeln. Dieses Buch will die systematische Darstellung einer solchen Methode, der "logischen Syntax", geben (nahere Erlauterungen in der Einleitung, §§ 1, 2).

In unserem "Wiener Kreis" und in manchen ahnlich gerich­teten Gruppen (in Polen, Frankreich, England, USA. und ver­einzelt sogar in Deutschland) hat sich gegenwartig die Auffassung immer deutlicher herausgebildet, daB die traditionelle meta· physische Philosophie keinen Anspruch auf Wissenschaftlichkeit machen kann. Was an der Arbeit des Philosophen wissenschaft· lich haltbar ist, besteht - soweit es nicht empirische Fragen betrifft, die der Realwissenschaft zuzuweisen sind - in logischer Analyse. Die logische Syntax will nun ein Begriffsgeb8.ude, eine Sprache liefem, mit deren Hilfe die Ergebnisse logischer Analyse exakt formulierbar sind. Philosophie wird durch Wissen­schaftslogik, d. h. logische Analyse der Begriffe und Satze der Wissenschaft ersetzt; Wissenschaftslogik ist nichts

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IV Vorwort.

anderes als logische Syntax der Wissenschaftssprache. Das ist das Ergebnis, zu dem die tJberlegungen des SchluBkapitels dieses Buches fiihren.

Dieses Buch will fiir die Bearheitung der Probleme der Wissen· schaftslogik das erforderliche Werkzeug in Gestalt einer exakten syntaktischen Methode liefern.Das geschieht zunii.chst dadurch, daB die Syntax zweier besonders wichtiger Beispielsprachen aufgestellt wird, die wir als "Sprache I" und "Sprache II" he· zeichnen. Sprache I ist von einfacher Gestalt und umfaBt einen engeren Begriffskreis. Sprache II ist reicher an Ausdrucks· mitteln; in ihr konnen aIle Sitze der klassischen Mathematik und der klassischen Physik formuliert werden. Bei heiden Spra.. chen wird nicht - wie in der Logistik 80nst meist - nur der mathematisch.logische Teil der Sprache dargestellt und unter· sucht, sondern wesentlich auch die synthetischen, empirischen Sitze. Diese, die sog. Wirklichkeitssitze, bilden den Kern der Wissenschaft; die mathematisch.logischen Sitze sind analytisch, ohne Wirklichkeitsgehalt, nur formale Hilfsmittel.

Am Beispiel der Sprache I wird gezeigt, wie es· mOglioh ist, die Syntax einer Sprache in diaser Sprache selbst zu formulieren (Kap. II). Die naheliegende Befiirchtung, daB dahei Wider. 8priiohe (die 808. "epistemologischen" oder "sprachlionen" Anti· nomien) auftreten miiBten, besteht nicht zu Recht.

Nach der Syntax der Sprachen I und II wird (in Kap. IV) der Entwurf einer allgemeinen Syntax beliebiger Sprachen gegehen. Dieser Versuch ist vom Ziel nooh weit entfemt. Die Aufgahe jedooh ist von grundsitzlioher Bedeutung. Der Kreis der moglichen Sprachformen und damit der versohie· denen moglichen Logiksysteme ist nimlioh unvergleiohlioh viel groBer als der sehr enge Kreis, in dem man sich in den bisherigen Uptersuchungen der modernen Logik hewegt hat. Bisher ist man von der sohon klassisoh gewordenen Sprachform, die Russell gegehen hat, nur hin und wieder in einigen Punkten abgewiohen. Man hat z. B. etwa gewisse Satzformen (z. B. die unbesohrinkten Existenzsitze) oder SchluBregeln (z. B. den Grundsatz vom ausgesohlossenen Dritten) gestrichen. Andrerseits hat man aher auch einige Erweiterungen gewagt. Man hat z. B. in Analogie zum zweiwertigen Satzkalkiil interessante mehrwertige KalkUle aufgestellt, die sohlieBlich zu einer Wahrsoheinlichkeitslogik

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Vorwort. v

gefiihrt haben; man hat sag. intensionaJe Sitze eingefiihrt und mit ibrer Hilfe eine Modalititslogik entwickelt. Der Grund d.a.fUr, daB man sioo bisher nicht weiter von der klassischen Form zu entfemen wagt, liegt wohl in der weit verbreiteten AuHassung, man mftsse die Abweichungen ,,rechtfertigen", d. h. nachweisen, da8 die neue Sprachform"richtig" sei, die "wahre Logik" wieder. gebe. Diese Auffassung und die aus ihr entspringenden Schein­fragen und miiBigen Streitigkeiten aUSZUBChaJten, ist eine der Hauptaufgaben dieses Buches. Hier wird die AuHassung var­treten, da8 man iiber die Sprachform in jeder Beziehung voll­stindig frei verfiigen kann; da8 man die Formen des Aufbaues der Sitze und die Umformungsbestimmungen (gewohnlich aJs "Grundsitze" und "Schlu8rege1n" bezeichnet) vollig frei wihlen kann. Beim Aufbau einer Sprache geht man bisher gewohnlieh so vor, daB man den logisch.mathematischen Grundzeichen eine Bedeutung beilegt und dann iiberlegt, welche Sitze und Schliisse auf Grund dieser Bedeutung logisch richtig erscheinen. Da die Bedeutungsbeilegung in Worten geschieht und daher ungenau ist, kann diese 'Oberlegung auch nicht anders aJs ungenau und mehrdeutig seine Der Zusammenhang wird erst dann klar, Wentl

man ibn von der umgekehrten Richtung aus betrachtet: man wihle willkiirlich irgendwelche Grundsitze und SchluBregeln; aus dieser Wa.hl ergibt sich dann, welche Bedeutung die yore kommenden logischen Grundzeichen haben. Bei dieser Einstel­lung verschwindet auch dar Streit zwischen den verschiedenen Richtungen im Grundlagenproblem der Mathematik. Man kann die Sprache in ihrem mathematischen Teil so einrichten, wie die eine, oder so, wie die andere Richtung es vorzieht. Eine Frage der "Berechtigung" gibt es da nicht; sondem nur die Frage der syntaktischen Konsequenzen, zu denen die eine oder andere Wahlfiihrt, darunter auch die Frage dar Widerspruchsfreiheit. Die angedeutete Einstellung - wir werden sie aJs "Toleranz­prinzip" formulieren (S. 44) - bezieht sich aber nicht nur auf die Mathematik, sondam auf alIe logischen Fragen iiberhaupt. Von diesem Gesichtspunkt aus wird die Aufgabe der Aufstellung einer aJIgemeinen Synta.x wichtig, d. h. der Definition von syn­taktischen Begriffen, die auf Sprachen beliebigar Form anwendba.r sind. 1m Bereich dar alIgemeinen Syntax kann man Z. ,B. fiir die Sprache der Gesamtwissenschaft oder irgendeiner Teilwissen-

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VI Vorwort.

scha.ft eine bestimmte Form wihlen und ihl'e cha.rakteristischen Unterschiede zu den andern maglichen Sprachformen exakt angeben. Jene ersten Versuche, das Schiff der Logik vom featen Ufer der kJ88Irisch.en Form zu 1000n, wa.ren, historisch betra.chtet, gewiJ3 kiihn. Aber sie, wa.ren gehemmt durch das Streben nach "Richtigkeit". Nun aber ist die Hemmung iiberwunden; vor una liegt der offene Ozean der freien Maglichkeiten.

An manchen Stellen im Text werden Hinweise auf die wichtigste Literatur gegeben. Vollstii.ndigkeit ist dabei nicht a.ngestrebt worden; weitere Literaturangaben findet man leicht in den angegebenen Schriften. (Die wichtigsten Literatur­hinweise finden sich an folgenden Stellen: S.86ff. Vergleich unsrer Spra.che II mit andem logischen Systemen; S. 98ff. iiber Klassensymbolik; S. I11ff. iiber syntaktische Bezeichnungen; S. 196f. iiber Moda.litii.tslogik; S. 206ff., 248f. iiber Wissenschafts­logik.)

Fiir die Geda.nkengii.nge diesas Buchea habe ich viele An­regungen aus Schriften, Briefen und Gesprii.chen iiber logische Probleme erhaJten. Die wichtigsten Namen seien bier genannt. Am meisten verda.nke ich den Vorleaungen und Biichem von Frege. Durch ibn wurde ich auch auf da.s Standardwerk der Logistik aufmerksam gema.cht, auf die "Principia. Mathematica." von Whitehead und Russell. Den Gesichtspunkt der formaJen Theorie der Spra.che (in unserer Terminologie: der Syntax) hat zuerst Hilbert fiir die Mathematik in seiner "Metamathematik" entwickelt, der die polnischen Logiker, besonders'Ajdukiewicz, Lesniewski, Lukasiewicz, Tarski eine "Metalogik" an dW Seite gestellt haben. FUr diesa Theorie hat Gadel die fruchtbare Methode der "Arithmetisierung" geschaffen. Zum Gesichtspunkt und zur Methode der Syntax habe ich beaonders aus Gesprii.chen mit Tarski und Gadel wertvolle Anregungen erhaJten. FUr die tTherlegungen iiber den Zusammenhang zwischen Wissen­scha.ftslogik und Syntax habe ich Wittgenstein vielea zu ver­danken; iiber die Unterscbiede unserer Auffassungen vgl. S. 208ff. (Zu meinen Bemerkungen, besonders in §.§ 17 und 67, gegen Wittgensteins friihere dogmatische EinsteIiung teilt mirjetzt Herr Schlick mit, daB Wittgenstein schon seit mehreren

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Vorwort. VII

Jahren in unveroffentlichten Arbeiten die RegeIn der Spra.che aJs vOllig frei wihlba.r hinstellt. Auch sonst habe ich vieles aus den Schriften von Autoren gelernt, mit deren Auffassung ich nicht ganz iibereinstimme; hier sind in erster Linie Weyl, Brouwer, Lewis zu nennen. Den Herren Behmann und Godel da.nke ioh herzlich da.fiir, daB sie das Manuskript dieses Buches in einer friiheren Fassung (1932) gelesan und mir za.hlreiche wertvolle Verbesserungsvorschlige gema.cht haben.

Wegen Platzmailgel muBten einige hergehOrige Unter­suchungen ausgeschieden werden (vgl. die Hinweise in § 34 und 60). Diesa werden zum Teil in den Monatsheften fiir Mathematik und Physik veroffentlicht.

Prag, im Mai 1934. R. c.

Vorworl zur zweiten Aunage.

Als ich den urspriinglichen Text dieses Buches schrieb, war ich der Auffassung, daB die ganze Wissenschaftslogik in der logischen Syntax darstellbar sei. Inzwischen sind aber andere Gebiete der Sprachanalyse entwickelt worden, in denen andere Aspekte der Sprache behandelt werden. Daher wtirde ich heute allgemeiner sagen, daB die Wissenschaftslogik die Analyse und Theorie der Wissenschaftssprache ist. Diese Theorie umfaBt nach gegenwiirtiger Auffassung neben der logischen Syntax hauptsiich­lich noch zwei weitere Gebiete, namlich Semantik und Pragmatik. Wii.hrend die Syntax rein formal ist, d. h. nur die Struktur der sprachlichen Ausrlrticke betrachtet, untersucht die Semantik die Bedeutungsbeziehung zwischen Ausdriicken und Gegenstanden oder Begriffen; und mit Hilfe der Bedeutungsbeziehung kann dann auch der Begriff der Wahrheit eines Satzes in der Semantik definiert werden. Die Pragmatik betrachtet auBerdem auch noch die psychologischen und BOziologischen Beziehungen zwischen den Personen, die die Sprache verwenden, und den Ausdrticken. Dieses Gebiet ist noch im Anfangssta.dium. Ebenso wie die Syntax hat

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VIII Vorwort.

aber inzwischen auch die Semantik schon eine reiche Entwicklung durchgemacht. Ich nenne hier einige Quellen dafiir:

Tarski, A.: Der Wahrheitsbegriff in den formalisierlen Sprachen (Original in Polnisch, 1933). Studia Philosophica, 1, 1936, 261-405. Logic, semantics, metamathematics. Oxford: Clarendon Press, 1956. (Eine Sammlung von Aufsatzen.)

Carna p, R.: Introduction to semantics. Cambridge, Mass.: Harvard University Press, 1942.

- Meaning and necessity. A study in semantics and modal logic. University of Chicago Press, 1947. Second edition 1956.

Stegmiiller, W.: Das WahrheitBproblem und die Idee der Semantik. Wien: Springer, 1957. Zweite Aufla.ge 1968. (Mit ausfiihrlichem Literaturverzeichnis.)

Die im letzten Absatz des Vorworts zur ersten Aufia.ge erwahnten Untersuchungen sind in den folgenden zwei Aufsatzen veroHentlicht worden:

Die Antinomien und die Unvollstandigkeit der Mathematik. Monatsbefte fUr Mathematik \md Physik, Band 41, 1934, 263-284. Ein Giiltigkeitskriterium ffir die Sii.tze der k1a.ssischen Mathe­matik. Ebendort, Band 42, 1935, 163-190.

Los Angeles, im Friibjahr 1968.

Rudolf Carnap

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Inhaltsverzeiehnis. Selle Einleitung .............. ... . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1

1. Was ist logische Syntax, . . . . . . . . . .. . . . .. .. .. 1 2. Sprachen ale Kalkille . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4

L Die definite Spraebe I ................................ 10

A. Formbestimmungen fur Sprache I.............. 10

.3. Prii.dikate und Funktoren .................... 10 4. Syntaktisehe Frakturzeichen. . . . . . . . . . . . . . . . . . 13 5. Die Verknupfungszeiehen..................... l7 6. All· und Existenzsii.tze...... . . . . . . . . . . . . . . . . . 19 7. Der K.Operator . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21 8. Die Definitionen .......... '. ..... .. . . . ... ... . 21 9. Sitze und ·Zahlausdriieke. . . ... ... ... .. ... . .. . 24

B. Umformungsbestimmungen ftir Spraohe I ..... 25

10. Allgemeines tiber Umformungsbestimmungen ... 25 11. Die Grundsii.tze der Sprache I .....•......... 27 12. Die SeblnBregeln der Sprache I .............. 29 13. Ableitungen und Beweise in I . . . . . . . . . . . • . . . . 30 14. Folgebestimmungen f1ir Sprache I .•..•....... 34

C. Bemerkungen zur definiten Spraobform •...... 40

15. Definit und indefinit.. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 40 16. Zum Intui~onisDlus ........•................ 41 17. Toleranzprinzip der Syntax................... 44

n. FormaIer Aufbau der Syntax der Spraebe I .••.......... 46

18. Die Syntax von I kann in I formuliert werden 46 19. ArithDle~erung der Syntax................. 47 20. Allgemeine Bes~ungen.. . . . . . . . . . . . . . . . . . . 51 21. Formbestimmungen: 1. Zahlausdrdekeund Sitze 54 22. Formbes~ungen: 2. Defini~onen....... . . . . 58 23. Umformungsbestimmungen ................... 64 24. Deskrip~ve Syntax.......................... 66 25. Arithmetisehe, aDomatisehe und physika1isehe

Syntax..................................... 68

llL Die Indefinite Spracbe n .............................. 74

A. Formbestimmungen ftir Spraohe II ............ 74

26. Zeiehenbestand der Sprache II ............... 74 27. :Einteilung der Typen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 75

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x Inhaltsverzeichnis.

Selte

28. Formbestimmungen fUr Zahlausdriicke und Satze 78 29. Formbestimmungen fiir Definitionen. . . . . . . . . . . 79

B. Umformungsbestimmungen fiir Sprache II..... 80

30. Die Grundsatze der Spraehe II....... . . . . . . . . 80 31. Die ScbluJ3regeIn der Spraehe II.... . . . . . . . . . . 84 32. Ableitungen und Beweise in II ...... . . . . . . . . . 85 33. Vergleich der Grundsitze und RegeIn von II mit

denen anderer Systeme ................•..... 86 34. Folgebestimmungen fUr Spraehe II.. . . . . . . . . . . 88

C. Weitere Untersuchungen zur Sprache II....... 90

35. Syntaktisohe Satze, die mch auf mch selbst be-ziehen...................................... 90

36. Unentscheidbare Satze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 93 37. Pradikate als Klassenzeichen ................. 95 38. Die AU88chaltung der Klassen . . . . . . . . . . . . . . . . 98 39_ Reel1e Zahlen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 101 40. Die Sprache der Physik. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 104

IV. Allgemeine Syntax .....•..............•............... 106

A. Objektsprache und Syntaxsprache ....•........ 106

41. tJber syntaktisehe Bezeichnungen ............. 106 42. Notwendigkeit der Unterscheidung zwischen einem

Ausdruck und seiner Bezeichnung ............ 109 43. tJber die Zulii.ssigkeit indefiniter Begriffe . . . . .. 113 44. tJber die ZuIassigkeit impradikativer Begriffe .. 115 45. Indefinite Begriffe in der Syntax . . . . . . . . . . . .. U8

B. Syntax beliebiger Sprachen .................... 120

a) Allgemeines ..................................... 120

46. Formbestimmungen.......................... 12() 47. Umformungsbestimmungen; a-Begriffe ......... 123 48. f-Begriffe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 125 49. Gehalt ..................................... 128 50. Logische und deskriptive Ausdriicke; Teilspraehe 13() 51. Logische und physikalische Bestimmungen ..... 133 52. L-Begriffe; ,analytiseh' und ,kontradiktorisch' .. 135

b) Variable ........................................ 139 53. Stufensystem; Pradikate und Funktoren ...... 139 54. Einsetzung; Variable und Konstanten ......... 142 55. All- und Existenzoperatoren .................. 148 56. Spielraum· .................................. 151 57. Satzverkniipfungen .......................... 153

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Inhaltsverzeichnis. XI

Selte

c) .Arithmetik; Widerspruchsfreiheit •....•.•.•••••.•. 157 58 • .Arithmetik •...........•.................... 157 59. Widerspruchsfreibeit und Vollstii.ndigkeit einer

Sprache .....•.•....•........•...•...••..... 159 60. Die Antinomien • . . . . . . . . . • . . . • . . • . . . . . . . . . .. 163

d) V"bersetzung und Deutung ....................... 165 61. 1Jbersetzung einer Sprache in eine andre ..... , 165 62. Die Deutung einer Sprache................... 170

e) Extensionalitit .•........• ; .•................... 176 63. Quasi-syntaktische Sitze..................... 176 64. Die beiden Deutungen quasi-syntaktischer Sitze 180 65. Extensionalitit in bezug auf Teilsii.tze.. . . . . . .. 183 66. Extensionalitat in bezug auf Teilausdriicke .... 186 67. Extensionalitatsthese ........................ 188 68. Intensionale Satze der autonymen Redeweise .. 189 69. Intensionale Sitze der Modalitatslogik ........ 192 70. Die quasi-syntaktische und die syntaktische

Methode der Modalitatslogik ................. 198 71. 1st eine intensionale Logik erforderlich' ....... 200

V. PhIlo8ophie und Syntax •••..•..•....................... 203

A. V"ber die Form der Sitze der Wissenschaftslogik 203 72. Wissenschaftslogik &Dstatt Philosophie......... 203 73. Wissenschaftslogik ist Syntax der Wissenschafts-

sprache . . . . . . . . . . • . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 207 74. Pseudo-Objektsatze .......................... 210 75. Sitze fiber Bedeutung . . .. . . . .. . . . .. . .. . . .. .. 214 76. Allworter •.............................. , ... 219 77. Allworter in inhaltlicher Redeweise .•.......... 223 78. Verwirrung in der Philosophie durch die inhalt-

liche Redeweise ............................. 225 79. Philosophische Satze in inhaltlicher und formaler

Redeweise .................................. 228 80. Gefahren der inhaltlichen Redeweise .......... 235 81. Zulii.ssigkeit der inhaltlichen Redeweise . . . . . . .. 239

B. Wissenschaftslogik als Syntax ......•.......... 243

82. Die physikalische Sprache.................... 243 83. Die sog. Grundlagenprobleme der Wissenschaften .250 84. Das Grundlagenproblem der Mathematik ...... 253 85. Syntaktische Satze in fachwissenschaftlichen Ab-

handlungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 256 86. Wissenschaftslogik ist Syntax................. 259

Literaturverzeichnis und Namenregister .............. 262

Sachregister ........................................... 269

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Einleitung. 1. Was ist logiscbe Syntax?

Unter der logischen Syntax einer Sprache verstehen wir die formale Theorie der Sprachformen dieser Sprache: die syste­matische Aufstellung der formalen RegeIn, die fiir diese Sprache gelten, und die Entwicklung der Konsequenzen aus diesen RegeIn. Fonnal soIl eine Theorie, eine Regel, eine Definition od. dgl. heillen, wenn in ihr auf die Bedeutung der Zeichen (z. B. der Worter) und auf den Sinn der Ausdriicke (z. B. der Satze) nicht Bezug genommen wird, sondern nur auf Art und Reihenfolge der Zeichen, aus denen die Ausdriicke aufgebaut sind.

Nach iiblicher Auffassung sind Syntax und Logik trotz mancher Zusammenhange im Grunde Theorien sehr verschiedener Art. Die Syntax einer Sprache stellt RegeIn auf, nach denen die sprachlichen Gebilde (z. B. die Satze) aus Elementen (z. B. aus Wortern und Wortteilen) zusammenzusetzen sind. Die Haupt­aufgabe der Logik sieht man dagegen in der Aufstellung von RegeIn, nach denen. Urteile aus andern Urteilen erschlossen werden konnen. Durch die Entwicklung der Logik in den letzten Jahrzehnten hat sich jedoch immer deutlicher herausgestellt, daB sie nur dann exakt betrieben werden kann, wenn sie sich nicht auf die Urteile (Gedanken oder Gedankeninhalte) bezieht, sondern auf die sprachlichen Ausdriicke, insbesondere die Satze. Nur in bezug auf diese lassen sich scharfe RegeIn aufstellen. Und in der Praxis hat ja tatsachlich jeder Logiker seit Aristoteles sich bei der Aufstellung von RegeIn an die Satze gehalten. Aber auch diejenigen modernen Logiker, die mit uns der Auffassung sind, daB die Logik es mit den Sii.tzen zu tun hat, pflegen doch meist zu meinen, daB es sich in der Logik um die Sinnbeziehungen zwischen Satzen handle; im Unterschied zu den Regeln der Syntax seien die der Logik nicht-formal. Demgegeniiber soil

Car nap, Syntax, 2. Auf!. 1

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2 Einleitung.

bier die Auffassung vertreten und durchgefiihrt werden, daB auch die Logik die Sii.tze formal zu behandeln hat. Wir werden sehen, daB die logischen Eigenschaften von Sii.tzen (z. B. ob ein Satz analytisch, synthetisch oder kontradiktorisch ist, ob er ein Existenzsatz ist od. dgl.) und die logischen Beziehungen zwischen Siitzen (z. B. ob zwei Sii.tze einander widersprechen oder mit­einander vertrii.glich sind, ob der eine aus dem andern logisch folgt od. dgl.) nur von der syntaktischen Struktur der Sii.tze abhii.ngen. So wird die Logik zu einem Teil der Syntax, wenn diesa weit genug gefaBt und exakt formuliert wird. Der Unterscbied zwischen den syntaktischen Regeln im engeren Sinn und den logischen SchluBregeln ist nur der Unterschied zwischen Formregeln und Umformungsregeln; beide aber verwenden keine andern als syntaktische Bestimmungen. So ist as gerecht­fertigt, wenn wir das System, das Formregeln und·Umformungs­regeln zusammenfaBt, als logische Syntax bezeichnen.

Die Aufstellung der formalen Form- und Umformungsregeln in bezug auf eine natiirliche Wortsprache (z. B. die deutsche, die lateinische) wiirde infolge des unsystematischen und logisch mangelhaften Aufbauas so kompliziert sein, daB sie praktisch Dum durchfiihrbar wii.re. Dasselbe gilt auch fur die kunstlichen Wortsprachen (z. B. Esperanto); wenn sie auch manche logischen Mii.ngel der natiirlichen Sprachen vermeiden, so miissen sie doch a.ls Umgangssprachen, die sich an die natiirlichen Sprachen an­lehnen wollen, noch logisch sehr kompliziert sein. Wir wollen fur einen Augenblick von den formalen Mii.ngeln der Wortsprachen absehen und uns an Beispielen klarmachen, daB Formregeln und Umformungsregeln von gleicher Art sind, und daB beide formal gefaBt werden konnen. DaB Z. B. die Wortreihe "Piroten karulieren elatisch" ein Satz ist, kann, wenn eine geeignete Regel aufgestellt ist, festgestellt werden, sofern nur bekannt ist, daB "Piroten" ein Substantivum (im Plural), "karulieren" ein Verbum (in der 3. Pers. Plur. Ind.) und "elatisch" ein Adverbium ist (was ubrigens in einer gut konstruierten Wortsprache, wie Z. B. in Esperanto, aus der Form der Worter zu ersehen sein wiirde); die Bedeutung der Worter braucht hierfiir nicht bekannt zu sein. Ferner kann, wenn eine geeignete Regel aufgestellt ist, aus dem genannten Satz und dem Satz "A ist ein Pirot" der Satz "A karu­liert elatisch" erschlossen werden, wenn nur wieder die Wort-

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Was ist logische Syntax T 3

arren der einzelnen Worrer bekannt sind; auch hierfiir braucht ihre Bedeutung und der Sinn der drei Satze nicht bekannt zu sein.

Wegen der Mangel der Wortsprachen wird in diesem Buche nicht die logische Syntax einer solchen Sprache aufgesteIlt, sondern die zweier konstruierter symbolischer Sprachen (d. h. solcher, die anstatt der Worter Formelzeichen verwenden). Das gleiche pflegt man ja iiberhaupt in der modernen Logik zu tun; nur in der symbolischen Sprache ist es gelungen, zu exakten Formulierungen und strengen Beweisen zu gelangen. Und so wird es auch nur in bezug auf eine solche konstruierte symbolische Sprache moglich sein, ein zugleich strenges und einfaches Regel­system aufzustellen. N ur ein solches strenges und einfaches System macht es uns moglich, Eigenart und Reichweite der logischen Syntax deutlich zu machen.

Die Satze, Definitionen und Regeln der Syntax einer Sprache handeIn von den Formen dieser Sprache. Wie aber sind nun diese Satze, Definitionen und RegeIn selbst korrekt auszudriicken 1 1st hierfiir sozusagen eine "Ubersprache erforderlich und fiir deren Syntax eine dritte Sprache und so fort ins Unendliche 1 Oder aber ist es moglich, die Syntax einer Sprache in dieser selbst zu formulieren 1 Es liegt die Befiirchtung nahe, daB bei einem solchen Vorgehen Widerspriiche auftreten konnten, wie sie bekanntlich in der Cantorschen Mengenlehre und in der vor-Russellschen Logik durch gewisse riickbeziehende Begriffsbildungen von scheinbar ahnlicher Art entstanden sind. Wir werden aber spater sehen, daB es moglich ist, die Syntax einer Sprache widerspruchs­frei in dieser Sprache selbst auszudriicken in dem Umfang, der durch den Reichtum der betreffenden Sprache an Ausdrucks­mitteIn bedingt ist.

Zunachst wollen wir uns jedoch um diese Frage nicht kiimmern, so bedeutungsvoll sie auch ist. Wir werden die syntak­tischen Begriffe in bezug auf die von uns gewahlten Sprachen aufstellen und die Frage, ob wir die mit Hille dieser Begriffe gebildeten Satze und Regeln in jener Sprache selbst ausdriicken konnen oder nicht, fiir spater beiseite lassen. Bei der ersten Auf­stellung einer Theorie pflegt ja iiberhaupt ein solches gewisser­maBen naives Vorgehen fruchtbarer zu sein: man macht zuerst Geometrie, Arithmetik, Differentialrechnung, Physik; erst spater (zuweilen Jahrhunderte spater) stellt man erkenntnistheoretische

1*

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4 Einleitung.

und logische Erorterungen ii ber die schon entwickelten Theorien an. So werden auch wir zuna.chst die Syntax machen und erst spa.ter ihre Begriffe formalisieren und dadurch ihren logischen Charakter bestimmen.

Bei diesem Vorgehen haben wir es zuna.chst mit zwei Sprachen zu tun: mit der Sprache, die das Objekt unserer Darstellung bildet - wir wollen sie die Objektsprache nennen -, und mit der Sprache, in der wir ii ber die syntaktischen Formen der Objekt­sprache reden - wir wollen sie die Syntaxsprache nennen. Ala Objektsprachen nehmen wir, wie gesagt, bestimmte symbolische Sprachen; ala Syntaxsprache verwenden wir zunachst einfach die deutsche Sprache, wobei wir einige Frakturzeichen zu Hllie nehmen.

2. Spracben als Kalkiile. Unter einem Kalkiil versteht man ein System von Fest­

setzungen der folgenden Art. Die Festsetzungen beziehen sich auf Elemente, die sogenannten Zeichen, von deren Beschaffen­heiten und Beziehungen nichts weiter vorausgesetzt wird, als daS sie in bestimmte Klassen eingeteilt sind. Jede beliebige endliche Reihe von Zeichen heiSt ein Ausdruck des betreffenden Kalkiils. Die Festsetzungen des Kalkiils bestimmen nun erstens, unter welchen Bedingungen ein Ausdruck zu irgend einer bestimmten Ausdrucks­art gerechnet werden soll, und zweitens, unter welchen Bedingungen die Umformung eines oder mehrerer Ausdriicke in einen andern gestattet sein soll. So ist z. B. das System einer Sprache, wenn nur die formale Struktur im friiher erla.uterten Sinne betrachtet wird, ein Kalkiil; die beiden Arten von Festsetzungen sind das, was wir friiher Formregeln und UmformungsregeIn genannt haben, nii.mlich die syntaktischen RegeIn im engeren Sinn (z. B. "Ein Ausdruck dieser Sprache heiSt ein Satz, wenn er in solcher oder solcher Weise aus Zeichen der und der Arlen in der und der Reihenfolge besteht") und die sogenannten logischen SchluS­regeIn (z. B. ,,1st ein Satz in der und der Weise aus Zeichen zusammengesetzt und ein anderer in der und der andern Weise, so kann der zweite aus dem ersten erschlossen werden"). Ferner ist jede wohlbestimmte mathematische Disziplin ein Kalkiil in diesem Sinn. Aber auch das System der Schachspielregeln ist ein Kalkiil; die Schachfiguren sind die Zeichen (hier, im Unter-

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Sprachen ala Kalkiile. 5

schied zu den Sprachen, ohne Bedeutung), die Formregeln be­stimmen die Figurenstellungen, insbesondere die Anfangsstellung des Spiels, die Umformungsregeln bestimmen die erlaubten Spiel­ziige, d. h. die zulassigen Umformungen einer Stellung in eine andere.

Logische Syntax im weitesten Sinn ist dasselbe wie Auf­stellung und Behandlung von Kalkiilen. Nur weil die Sprachen die wichtigsten Beispiele fUr Kalkiile sind, pflegt man meist nur Sprachen syntaktisch zu untersuchen. In den meisten Kalkiilen (auch solchen, die nicht Sprachen im eigentlichen Sinne sind) sind die Elemente Schreibfiguren. Der Terminus "Zeichen" soll hier nur soviel heIDen wie "Figur". Es wird nicht etwa voraus­gesetzt, daB ein solches Zeichen eine Bedeutung hat oder etwas bezeichnet.

Wenn wir sagen, daB die logische Syntax die Sprache als einen Kalkiil behandelt, so ist damit nicht gesagt, daB hierbei angenommen wird, die Sprache sei nichts weiter als ein Kalkiil. Es ist nur gesagt, daB die Syntax sich auf die Behandlung der kalkiilmaBigen, d. h. formalen Seite der Sprache beschrankt. Eine eigentliche Sprache hat dariiber hinaus andere Seiten, die durch andere Betrachtungsweisen zu untersuchen sind. Ihre Worter haben eine Bedeutung; das wird von der Semasiologie betrachtet; die Worter und Ausdriicke dar Sprache stehen mit Vorstellungen und Handlungen in enger Beziehung,' was die Psychologia zu untersuchen hat; die Sprache bildet eine historisch gegebene Methode der Verstandigung, also einer bestimmten gegenseitigen Einwirkung, innerhalb einer bestimmten Menschen­gruppe, damit hat es die Soziologie zu tun. Die Sprachwissenschaft im weitesten Sinn untersucht die Sprache von allen diesen Gesichts­punkten aus: vom syntaktischen (in unserem Sinn, also vom formalen), vom semasiologischen, vom psychologischen, vom soziologischen Gesichtspunkt.

Wir haben gesagt: die Syntax hat es nur mit den formalen Eigenschaften der Ausdriicke zu tun. Dies werde noch naher er­lautert. Angenommen, zwei Sprachen SI und S2 verwenden un­gleiche Zeichen, aber so, daB sich eine eineindeutige Zuordnung zwischen den Zeichen von SI und denen von Sz herstellen laBt derart, daB jede syntaktische Bestimmung in bezug auf SI in eine solche in bezug auf Sz iibergeht, wenn wir sie anstatt auf die

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6 Einleitung.

Zeichen von Sl auf die jeweils zugeordneten Zeichen von Sa beziehen, und u,mgekehrt. Dann sind zwar die heiden Sprachen nicht gleich, aber sie hahen dieselbe formale Struktur (wir nennen sie isomorphe Sprachen). Fiir die Syntax kommt es nur auf die Struktur der Sprachen in diesem Sinn an. FUr die Syntax ist es gleichgiiltig, ob etwa die eine von zwei symbo1ischen Sprachen immer ,&' schreibt, wo die andere ,.' schreibt (bei Wortsprachen: ob die eine immer ,and' schreibt, wo die andere ,und' schreibt), falls die Form- und die Umformungsregeln analog sind. Ob z. B. ein bestimmter Satz analytisch ist oder nicht, ob ein bestimmter Satz aus einem bestimmten andern folgt oder nicht, das hangt nur von der formalen Struktur der Sprache und der betreffehden Satze abo Die Gestalt der Einzelzeichen ist hierfiir gleichgiiltig; von dieser Gestalt wird daher in einer exakten syntaktischen Definition nicht die Rede sein. Ferner ist es fiir die Syntax gleich­giiltig, daB z. B. das Zeichen ,und' gerade ein Ding aus Drucker­schwa.rze ist; die formale Struktur der Sprache bliebe ungeii.ndert, wenn wir iibereinkommen wiirden, an Stelle jenes Zeichens immer ein Streichholz auf das Papier zu legen. So wird uns klar: als Ausdriicke eines Kalkiils oder speziell einer Sprache konnen irgend welche Reihen irgend welcher Dinge dienen; man braucht nur die betreffenden Dinge in bestimmte Arten einzuteilen und kann dann Sprachausdriicke in Form von Dingreihen bilden, die gemaB den Formregeln zusammengesetzt sind. In den gewohnlichen Sprachen sind die Zeichenreihen (Ausdriicke) entweder zeitliche Reihen von Lauten oder raumliche Reihen von auf dem Papier erzeugten Korpern. Ein Beispiel fiir eine Sprache, die bewegliche Dinge als Zeichen verwendet, ist etwa eine Kartothek; die Karten dienen als Gegenstandsnamen fiir die Biicher einer Biicherei, die Karten­reiter als Eigenschaftsbezeichnungen (z. B. "verliehen", "beim Buchbinder" u. dgl.); eine Karte mit aufgestecktem Reiter bildet einen Satz.

Die Syntax einer Sprache oder eines sonstigen Kalkiils handelt allgemein von den Strukturen moglicher Reihen­ordnungen (bestimmter Art) beliebiger Elemente. Wir werden reine und deskriptive Syntax unterscheiden. Die reine Syntax bezieht sich auf die moglichen Ordnungen, ohne Riick­sicht darauf, was fiir Dinge als Elemente der verschiedenen Arten gelten sollen und welche moglichen Ordnungen dieser Elemente

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Sprachen ala Kalkiile. 7

irgendwo verwirklicht sind (z. B. auf die moglichen Satzformen, ohne Riicksicht auf die Gestalt der Worter und darauf, welche Satze irgendwo in der Welt auf dem Papier stehen). In der reinen Syntax werden nur Definitionen aufgestellt und Konsequenzen aus ihnen entwickelt; sie ist daher durchweg analytisch. Sie ist nichts anderes aIs Kombinatorik oder, wenn man will, Geo­metrie endlicher diskreter Reihenstrukturen bestimmter Art. Die deskriptive Syntax verhalt sich zur remen wie die physi­kalische Geometrie zur mathematischen; sie handelt von den syntaktischen Eigenschaften und Beziehungen empirisch vor­liegender Ausdriicke (z. B. von den Sa.tzen eines bestimmten Buches). Hiediir ist - ebenso wie fiir die Anwendung der Geo­metrie - die Aufstellung von sogenannten Zuordnungsdefini­tionen erforderlich, durch die festgesetzt wird, welche Gegen­standsarten den syntaktischen Elementarten entsprechen sollen (z. B.: "Als Disjunktionszeichen sollen Korper aus Drucker­schwarze von der Gestalt ,v' genommen werden"). Sa.tze der deskriptiven Syntax kOnnen z. B. aussagen, dal3 der vierte und der siebente Satz einer bestimmten Abhandlung einander wider­sprechen oder dal3 ihr zweiter Satz nicht syntaxgema.l3 gebil­det ist.

Wenn wir sagen, die reine Synta.x spreche ii ber Satz­formen, so ist dies "Sprechen iiber" im uneigentlichen Sinn gemeint. Ein analytischer Satz spricht ja nicht im eigentlichen Sinn "iiber" etwas, so wie ein empirischer Satz, denn er ist gehalt­leer. Das uneigentliche "Sprechen iiber" ist hier in demselben Sinn gemeint, in dem man von der Arithmetik zu sagen pflegt, sie spreche iiber die Zahlen, oder von der reinen Geometrie, sie spreche iiber geometrische Gebilde.

Wir sehen: wenn wir etwa eine bestimmte wissenschaftliche Theorie vom logischen Gesichtspunkt aus untersuchen und beurteilen, so sind die Ergebnisse dieser logischen Analyse zu formulieren als syntaktische Satze, sei es in der reinen, sei es in der deskriptiven Syntax. Wissenschaftslogik (logische Methodologie) istnichtsanderes als Syntax der Wissenschafts­sprache; da.s solI im Schlul3kapitel dieses Buches na.her gezeigt werden. Eine erhohte Bedeutung gewinnen die syntaktischen Probleme auf dem Boden der antimetaphysischen Auffassung, wie wir sie im Wiener Kreis vertreten. Nach dieser Auffassung sind

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8 Einleitung-.

die Sitze der Metaphysik Scheins8.tze, die sich bei logischer Analyse als leer oder ala syntaxwidrig erweisen; von den 8Oge­nannten philO8Ophischen Problemen bleiben als sinnvolle Fragen nur die der Wiesenschaftslogik iibrig. Wer diese Auffassung teilt, wird 80mit an Stelle von Philosophie logische Syntax fordern. Die genannte antimetaphyaische Auffassung wird jedoch in den Untersuchungen dieses Buches weder a.ls Voraussetzung noch als Behauptung auftreten. Die folgenden Untersuchungen haben formalen Charakter und sind nicht abh8.ngig von dem, was man philosophische Richtung zu nennen pflegt.

Die Methode. der Syntax, die im folgenden entwickelt werden solI, wird nicht nur der logischen Analyse wissenschaftlicher Theorien dienen konnen, sondern auch der logischen Analyse der Wortsprachen. Wir werden zwar hier aus den friiher angedeuteten Grunden symbolische Sprachen behandeIn. Aber die syntaktischen Begriffe und RegeIn konnen dann - nicht im einzeInen, aber ihrem allgemeinen Charakter nach - auch auf die Analyse der ungeheuer komplizierten Wortsprachen iiber­tragen werden. Das bieher iibliche Vorgehen der direkten Analyse der Wortsprachen muBte ebenso scheitern, wie ein Physiker scheitern wiirde, wenn er von vornherein seine Gesetze auf die vorgefundenen Dinge, Steine, Baume usw. beziehen wollte. Der Physiker bezieht seine Gesetze Zun8.cb.st auf einfachste kon­struierte Formen: auf einen diinnen, geraden Hebel, auf ein Fadenpendel, auf punktformige Ma.ssen u. dgl.; mit Hilfe dieser auf konstruierte Gebilde bezogenen Gesetze ist er dann spater imstande, das komplizierte Verhalten der wirklichen Korper in geeignete Faktoren zu zerlegen und dadurch zu. beherrschen. Ein anderes Gleichnis: die komplizierte Gestalt der Gebirge, Fliisse, Landergrenzen usw. liiBt sich am besten mit Hilfe der geographischen Koordinaten darstellen und untersuchen, also durch Vergleich mit in der Natur nicht gegebenen, konstruierten Linien. So wird sich die syntaktieche Beschaffenheit einer be­stimmten Wortsprache, etwa der deutschen, oder bestimmter Klassen von Wortsprachen oder einer bestimmten Teilsprache einer Wortsprache am besten durch den Vergleich mit einer als Bezugssystem dienenden konstruierten Sprache darstellen und untersuchen lassen. Diese Aufgabe Hegt jedoch auBerhalb des Rahmens dieses Buches.

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Sprachen als Kalkiile. 9

Terminologische Bemerkungen. Die Begriindung der Wahl des Terminus ,(logische) Syntax' ist im vorstehenden gegeben. Den Zu­satz ,logisch' wird man fortlassen konnen, wo keine Verwechslung mit der linguistischen Syntax (die nicht rein formal verfahrt und nicht zur Aufstellung eines strengen Regelsystems gelangt) zu befiirchten ist, also z. B. im folgenden Text dieses Buches oder in logischen Ab­handlungen.

Die ersten Kalkille im angegebenen Sinn sind - wie schon das Wort vermuten liWt - in der Mathematik entwickelt worden. Als erster hat Hilbert die Mathematik als Kalkill im strengen Sinn auf­gefaBt, d. h. ein System von Regeln aufgestellt, das die mathe­matischen Formeln in ihrer formalen Struktur zum Objekt hat. Diese Theorie hat er Metamathematik genannt; als ihr Ziel hat er den Nachweis der Widerspruchsfreiheit der klassischen Mathematik hingestellt. Die Metamathematik ist - wenn man sie im weitesten Sinn nimmt und ihr nicht nur die genannte Aufgabe stellt - die Syntax der mathematischen Sprache. In Analogie zu der Hilbert­schen Bezeichnung haben die Warschauer Logiker (Lukasiewicz und andere) von ,Meta-Aussagenkalkill', ,Metalogik' u. dgl. ge­sprochen. Vielleicht ist das Wort ,Metalogik' geeignet zur Bezeich­nung des Teilgebietes der Syntax, in dem es sich um die logischen Satze im engeren Sinn (ohne die mathematischen) handelt.

Die Bezeichnung ,Semantik' wird von Chwistek fur eine von ihm aufgebaute Theorie verwendet, die sich eine ahnliche Aufgabe stellt wie unsere Syntax, aber nach ganz anderer Methode verfahrt (hieruber spater). Da dieses Wort aber in der Sprachwissenschaft meist als gleichbedeutend mit ,Semasiologie' oder ,Bedeutungslehre' genommen wird, ist es vielleicht nicht ganz zweckmaJJig, es auf die Syntax, also auf eine formale, von den Bedeutungen absehende Theorie zu ubertragen. [Vgl. M. Breal, Essai de Semantique. Science des Significations. Paris 1897, 5. A. 1921, S. 8: "la science, que j'ai propose d'appeler la Semantique" mit Anmerkung: "2'1p.a,,wc~ riX"'I, la science des significations".]

Die Bezeichnung ,Sematologie' moge (nach Buhler) fiir die empirische (psychologische, soziologische) Theorie von der Ver­wendung von Zeichen im weitesten Sinn vorbehalten bleiben. Die empirische Sprachwissenschaft ist dann ein Teilgebiet der Semato­logie. Von ihr zu unterscheiden ist die Semasiologie, die, als Teil der Sprachwissenschaft, die Bedeutungen der Ausdrucke der ge­schichtlich gegebenen Sprachen untersucht.

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10 Die definite Sprache I.

I. Die definite Sprache I. A. Formbestimmungen fUr Sprache I.

3. Pradikate und Funktoren. Die Methode der Syntax solI hier an zwei bestimmten symboli­

schen Sprachen als Objektsprachen entwickelt werden. Die erste dieser Sprachen - wir nennen sie "Sprache I" oder kurz "I" -umfaBt auf mathematischem Gebiet die elementare Arithmetik der natiirlichen Zahlen in einem gewissen beschrankten Umfang, wie er etwa denjenigen Auffassungen entspricht, die sich als konstruktivistisch, finitistisch oder intuitionistisch bezeichnen. Diese Beschrankung ist vor allem dadurch gekennzeichnet, daB nur definite Zahleigenschaften vorkommen, d. h. solche, tiber deren Vorliegen oder Nichtvorliegen fiir eine beliebige Zahl stets in endlich vielen Schritten nach festem Verfahren entschieden werden kann. Wegen dieser Beschrankung nennen wir lauch eine definite Sprache; diese Sprache ist jedoch nicht definit in dem strengen Sinn, daB jeder ihrer Satze definit, d. h. entscheid­bar, ware. Spater werden wir die Sprache II behandeln, die I als Teilsprache enthiilt. Sprache II enthiilt auch indefinite Begriffe; sie umfaBt auch die Arithmetik der reellen Zahlen und die Analysis im Umfang der klassischen Mathematik, ferner die Mengenlehre. Die Sprachen I und II sollen aber nicht nur Mathematik enthalten, sondem vor allem auch die Moglichkeit geben, empirische Sii.tze tiber irgend ein Gegenstandsgebiet zu bilden. In II kann z. B. die klassische und relativistische Physik formuliert werden. Wir legen sogar besonderes Gewicht auf die syntaktische Behandlung der synthetischen (nicht rein logisch-mathematischen) Sii.tze, die in der modemen Logik meist vemachlii.ssigt werden. Die mathema­tischen Sii.tze sind, vom Gesichtspunkt der Gesamtsprache be­trachtet, nur Hilfsmittel zum Operieren mit empirischen, also nicht-mathematischen Sii.tzen.

In Kapitel I wird die Syntax der Sprache I aufgestellt; aIs Syntaxsprache dient hier die deutsche Sprache, ergii.nzt durch einige Frakturzeichen. In Kapitel II wird die Syntax von SpracheI selbst wiederum formalisiert, d. h. in einer kalkiilmii.Bigen Sprache ausgedriickt, und zwar in der Sprache I selbst. In Kapitel III wird die Syntax der reicheren Sprache II aufgestellt, aber nur nach der einfacheren Methode (Wortsprache). In Kapitel IV ver-

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Pradikate und Funktoren. 11

lassen wir die Objektsprachen I und II und entwerfen eine all­gemeine Syntax, die sich auf beliebige Sprachen bezieht.

FUr das Verstandnis des Folgenden ist Vorkenntnis der Elemente der Logistik (symbolischen Logik) nicht unbedingt erforderlich, aber wUnschenswert. Erganzungen zu den im folgenden gegebenen kurzen Erlauterungen der Logistik findet man in den l1blichen Dar­stellungen des Satzkalk111s und des sogenannten FunktionenkalkUls, z. B. in Hilbert [Logik] und Carnap [Logistik].

Eine Sprache, die uber die Gegenstande irgend eines Gebietes spricht, kann diese Gegenstande entweder durch Eigennamen bezeichnen oder durch systematische Stellenbezeichnungen, d. h. durch Zeichen, die die Stellung der Gegenstande im System und damit auch ihre gegenseitige Lage kenntlich machen. Stellen­bezeichnungen sind z. B. die Hausnummern, im Unterschied zu den friiher gebrauchlichen Eigennamen (z. B. "Haus zum roten Hirschen"); die Ostwaldsche Bezeichnung der Farben durch Buchstaben und Ziffern, im Unterschied zur Bezeichnung durch Farbnamen ("Blau"); die Bezeichnung geographischer Orte durch geographische Lange und Breite, im Ullterschied zur Bezeichnung durch Eigennamen ("Wien", "Nordkap"); die Bezeichnung von Raum-Zeit-Punkten durch Koordinatenquadrupel (Raum. und Zeitkoordinaten; 4 reelle Zahlen), wie in der Physik ublich. Die Methode der Eigennamen ist die urspriingliche; die Methode der Stellenbezeichnungen entspricht einem fortgeschritteneren Stadium der Wissenschaft, sie hat erhebliche methodische Vorzuge vor jener. Eine (Teil-) Sprache, die die Gegenstande des von ihr behandelten Gebietes durch Stellenbezeichnungen benennt, wollen wir eine Koordinatensprache nennen, im Unterschied zu den N amensprachen.

In der symbolischen Logik pflegt man bisher gewohnlich Namensprachen zu verwenden, indem man die Gegenstande etwa mit den Eigennamen ,a', ,b' usw. bezeichnet (entsprechend den Bezeichnungen ,Mond', ,Wien', ,Napoleon' der Wortsprache). Wir wollen hier als Objektsprachen Koordinatensprachen nehmen; und zwar werden in der Sprache I die natiirlichen Zahlen als Ko­ordinaten verwendet. Wir denken uns als Stellengebiet eine ein­dimensionale Reihe mit einer ausgezeichneten Richtung. Be­zeichnet ,a' eine Stelle dieser Reihe, so solI die nachstfolgende Stelle mit ,al< bezeichnet werden. Die Anfangsstelle wird mit

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12 Die definite Sprache I.

,0' bezeichnet; also sind die folgenden Stellen mit ,0", ,0'" usw. zu bezeichnen. Derartige Ausdriicke nennen wir Strichausdriicke. Da sie fiir hohere Stellen sehr umstandlich sind, werden wir als Abkiirzungen die ublichen Zahlzeichen durch Definitionen ein­fiihren: ,1' fiir ,0", ,2' fiir ,0'" usw. Will man die Stellen eines zwei-, drei-, n-dimensionalen Gebietes bezeichnen, so verwendet man dazu geordnete Paare bzw. Tripel bzw. n-tupel von Zahlzeichen.

Um eine Eigenschaft eines Gegenstandes bzw. einer Stelle oder eine Beziehung zwischen mehreren Gegenstanden bzw. Stellen auszudriicken, verwendet man Priidikate. Beispiele: 1. ,Blau (3)' solI etwa besagen: "die Stelle 3 ist blau"; in einer Namensprache ,Blau(a)': "derGegenstandaistblau".2. ,Wr(3, 5)': "die Stelle 3 ist warmer als die Stelle 5"; in einer Namen­sprache ,Wr(a, b)': "der Korper a ist warmer als der Korper b"; ,Va(a,b)': "die Person a ist Vater der Person b" u. dgl. 3. ,P (0,8,4,3)' soIl etwa besagen: "die Temperatur an der Stelle o ist um ebensoviel hoher als die an der Stelle 8, wie die Temperatur an der Stelle 4 hOher ist als die an der Stelle 3". In den genannten Beispielen ist ,Blau' ein einstelliges Prii.dikat, ,Wr' ein zwei­stelliges, ,P' ein vierstelliges. In ,Wr (3,5)' heiBt ,3' erstes, ,5' zweites Argument von ,Wr'. Wir unterscheiden zwei Klassen von Pradikaten. Die Pradikate in den genannten Beispielen driicken (wie man zu sagen pflegt) empirische Eigenschaften bzw. Beziehungen aus; wir )lennen sie deskriptive Pradikate. Von ihnen unterscheiden wir die logischen Pradikate; das sind solche, die (wie man zu sagen pflegt) logisch-mathematische Eigenschaften oder Beziehungen ausdriicken. Beispiele fn; logische Prii.dikate: ,Prim (5)': ,,5 ist eine Primzahl"; ,Gr(7,5)': ,,7 ist groBer als 5" oder "die Stelle 7 ist eine hohere Stelle als die Stelle 5" . Die genaue Definition der syntaktischen Begriffe ,deskriptiv' und ,logisch' wird spater gegeben werden; sie wird nicht, wie die soeben gegebene unexakte Erlauterung, auf die Bedeutung Bezug nehmen. [Die Bezeichnung ,Prii.dikat', die man friiher nur auf einstellige anzuwenden pflegte, beziehen wir nach dem Vor­gang von Hilbert auch auf mehrstellige; die Verwendung eines ge:qleinsamen Terminus fiir die beiden Fii.lle erweist sich als weit zweckmaBiger. ]

Die Prii.dikate sind gewissermaBen Eigennamen fiir Beschaffen­heiten der Stellen. Die Stellen haben wir allstatt durch Eigennamen

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Syntaktische Frakturzeichen. 13

durch systematische Ordnungszeichen, nam1ich ZahIzeichen, bezeichnet; in ii.hnlicher Weise konnen wir nun auch die Be­schaffenheiten durch Zahlzeichen bezeichnen. Anstatt der Farb­namen kann man Farbnummern (bzw. Tripel von solchen) ver­wenden; anstatt der ungenauen Bezeichnungen "warm", "kiihl", "kalt" u. dgl. kann man die Temperaturzahlen verwenden. Das hat nicht nur den Vorzug, daB man genauere Angaben machen kann, sondern auch noch den fiir die Wissenschaft aus­schlaggebenden, daB nur durch diese "Arithmetisierung" die Aufstellung allgemeiner Gesetze (z. B. fiir die Beziehung zwischen Temperatl'lr und Ausdehnung oder zwischen Temperatur und Gasdruck) moglich ist. Um Eigenschaften oder Beziehungen von Stellen durch Zahlen auszudriicken, verwenden wir die Funk· toren. ,te' sei z. B. der Temperaturfunktor; ,te (3) = 5' soIl be­sagen: "Die Temperatur an der Stelle 3 ist 5"; wenn wir den Funktor ,tdiff' fiir Temperaturdifferenz nehmen, so besagt ,tdiff (3, 4) = 2': "Die Differenz der Temperaturen an den Stellen 3 und 4 hetragt 2". Nehen solchen deskriptiven Funktoren verwenden wir auch logische. Z. B. solI ,sum (3,4)' soviel be­deuten wie ,,3 + 4", ,fak(3)' soviel wie ,,3!". ,sum' ist ein zwei­stelliger logischer Funktor, ,fak' ein einstelliger. ,3' und ,4' heiBen auch hier Argumente in dem Ausdruck ,sum (3,4)'; in ,te (3) = 5' heiBt ,3' das Argument zu ,te', ,5' heiBt Wert von ,te' fiir das Argument ,3'.

Einen Ausdruck, der auf irgend eine Weise eine (bestimmte oder uJ!bestimmte) Zahl hezeichnet, nennen wir einen Zahl­ausdruck (genaue Definition: S. 24); Beispiele: ,0', ,0"', ,3', ,ta (3)', ,sum (3,4)'. Einen Ausdruck, der einem Aussagesatz der Wortsprache entspricht, nennen wir einen Satz (Def. S. 24); Beispiele: ,Blau (3)', ,Prim (4)'. Ein Ausdruck heiBt deskriptiv (Def. S. 23), wenn in ihm ein deskriptives Pradikat oder ein deskriptiver Funktor vorkommt; andernfalls logisch (Def. S. 23).

4. Syntaktische Frakturzeichen. Die heiden Zeichen ,a' und ,a' stehen an verschiedenen Stallen

dieser Seite; es sind also verschiedene Zeichen (nicht dasselhe Zeichen); aber sie sind gleich (nicht ungleich). Durch die Syntaxbestimmungen einer Sprache muB nicht nur festgesetzt werden, welche Dinge als Zeichen verwendet werden sollen,

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14 Die definite Sprache I.

sondern auch, unter welchen Umstanden zwei Zeichen als syntak­tisch gleich gelten sollen. Haufig werden figurell ungleiche Zeichen als syntaktisch gleich erklart, z. B. in der gewohnlichen Sprache ,z' und ,~'. [Mit einer derartigen Gleicherklii.rung muB nicht immer gemeint sein, daB die beiden Figuren unterschiedslos verwendet werden sollen. Es kann vielmehr ein Unterschied von irgend einem auBersyntaktischen Gesichtspunkt aus gemacht werden. Man pflegt z. B. ,z' und ,3' nicht in gleichen Zusammenhangen zu ver­wenden; man schreibt fast stets ,zog' oder ,30g', dagegen nicht ,~og'.] Bei uns gelten ,z' und ,3' als syntaktisch ungleich. Dagegen wollen wir ,(', ,(', ,[', ,[' als gleich erklaren; ebenso die ent­sprechenden Endklammern. Die Unterscheidung groBer und kleiner, runder und eckiger Klammern in den Ausdriicken unserer Objektsprachen gilt also als syntaktisch irrelevant; sie geschieht nur zur Erleichterung fiir den Leser. Ferner erklaren wir (im Unter­schied zur Russellschen Sprache) ,=' und ,=' als gleich; wir konnten iiberalI ,=' schreiben; zur Erleichterung fiir den Leser schreiben wir aber, wenn ,=' zwischen Sii.tzen (und nicht zwischen Zahlausdriicken) steht, statt dessen meist, '.

Zwei Ausdriicke nennen wir gleich, wenn in ihnen die einander entsprechenden Zeichen gleich sind. Sind zwei Zeichen oder zwei Ausdriicke (syntaktisch) gleich, so sagen wir auch: sie haben dieselbe (syntaktische) Gestalt; sie konnen dabei verschiedene figurelle Gestalt haben, wie z. B. ,(' und ,[' oder ,=' und ,_', oder auch verschiedene Farbe oder sonst verschiedene syntak­tisch irrelevante Eigenschaften.

Fast aIle Untersuchungen dieses Buches gehoren zur reinen (nicht zur deskriptiven) Syntax und haben es daher nicht mit den Ausdtucken als raumlich getrennten Dingen, sondern nur mit der (syntaktischen) Gleichheit und Ungleichheit der Ausdriicke zu tun, also mit den Ausdrucksgestalten. W88 von irgend einem Ausdruck gesagt wird, gilt dann auch von jedem ihm gleichen Ausdruck, lii.Bt sich also von der Ausdrucksgestalt aussagen. Deshalb werden wir der Kiirze halber oft anstatt von "Aus­drucks- (oder Zeichen-) Gestalten" einfach von dem "Ausdruck" (bzw. "Zeichen") sprechen. [Z. B. sagen wir anstatt "in dem Aus­druck ,Q (3, 5)' (und daher in jedem mit ihm gleichen Ausdruck) kommt ein mit dem Zeichen ,3' gleiches Zeichen vor" kiirzer: "In jedem Ausdruck der Gestalt, Q (3, 5)' kommt ein Zeichen der

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Syntaktische Frakturzeichen. 15

Gestalt ,3' vorce oder noch einiacher: "In dem Ausdruck ,Q (3, 5)' kommt das Zeichen ,3' vor".] Innerhalb der reinen Syntax kann diese vereiniachte Redeweise nicht zu Zweideutigkeiten fuhren.

In der Sprache I kommen die Zeichen der folgenden funf Arten vor (Erlauterungen folgen spater):

1. Elf einzelne Zeichen (-Gestalten): ,(', ,)', ,,', ,", ,,....,,', ,V', ,.', ,:>', ,=', ,;t', ,K'.

Zu jeder der folgenden vier Arten konnen unbeschrankt viele Zeichen (-Gestalten) gehoren:

2. Die (Zahl-) Variabeln (,u', ,v', .. ,z'; in den Definitionen von § 20-24 auch ,k', ,Z', .. ,t').

3. Die konstanten Zahlzeichen (z. B. ,0', ,1', ,2' usw.); die Zeichen der Arten (2) und (3) heiBen Zahlzeichen.

4. Die Pradikate (Buchstabengruppen mit groBem Anfangs­buchstaben, z. B. ,Prim', auch ,P', ,Q', ,R').

5. Die Funktoren (Buchstabengruppen mit kleinem An­fangsbuchstaben, z. B. ,sum').

Ein Zeichen, das nicht eine Variable ist, heiBt eine Konstante. Ein Ausdruek von list eine geordnete Reihe von Zeichen von I, deren Anzahl endlich ist (aber auch 0 oder 1 sein kann; d. h. ein Ausdruck kann leer sein oder aus nur Einem Zeichen bestehen).

Unter einer (syntaktischen) Form verstehen wir irgend eine syntaktisch bestimmte Art von Ausdrucken (also bestimmt nur in bezug auf Reihenfolge und syntaktische Art der Zeichen, nicht aber durch auBersyntaktische Bestimmungen, wie Ort, Farbe od. dgl.). Die Form eines bestimmten Ausdruckes kann mehr oder weniger genau angegeben werden; die genaueste Angabe ist die der Gestalt des Ausdrucks, die ungenaueste ist die, daB er ein Ausdruck ist. Fiir die Formangaben wollen wir eine abkiirzende Schreibweise einfuhren. Von dem Ausdruck ,Prim{x)' konnen wir z. B. in W ortsprache folgende Formangabe machen: "Dieser Ausdruck besteht aus Pradikat, Anfangsklammer, Variabler und Endklammer in der angegebenen Reihenfolge". Statt dessen wollen wir kurz sagen: "Jener Ausdruck hat die Form ~r (a)". Diese Methode der Frakturzeichen besteht darin, daB syntaktische Namen fur Zeichenarten eingefiihrt werden; die syntaktische Formbeschreibung wird dann einfach durch Hintereinanderstellen dieser syntaktischen Namen gebildet. Wir wollen bezeichnen:

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16 Die definite Sprache I.

die Zeichen (beliebiger Gestalt) mit ,a', die (Zahl-) Variablen mit .a'. die Zeichen (-Gestalt) ,0' mit ,nu", allgemein die Zahlzeichen mit ,M'; die Prii.dikate mit ,~t' (und speziell: die ein-, zwei-. n-stelli­gen mit ,~t1', ,~r2, ,~tn'), die Funktoren mit ,fu' (speziell: .fu1' usw.). Als syntaktische Bezeichnung fur die elf einzelnen Zeichen wollen wir diese Zeichen selbst verwenden, auBerdem aber fur die zweistelligen Verknupfungszeichen (,v'. ,.', ,::>', .=') die Bezeichnung ,oedn'. So ist z. B .• (' in ,Prim (x)' ein Zeichen der Objektsprache; dagegen ist .(' in ,~t W' ein Zeichen der Syntax­sprache, das als syntaktischer Name fiir jenes Zeichen der Objekt­sprache dient, es ist also nichts anderes als eine Abkiirzung fur das deutsche Wort ,Anfangsklammer'. Tritt ein Zeichen in dieser Weise als Name fiir sich selbst (genauer: fur seine eigene Gestalt) auf, so nennen wir es autonym (vgl. § 42). Aus dieser doppelten Verwendung der Zeichen ,(' usw. kann keine Zweideutigkeit entstehen, da diese Zeichen nur in Verbindung mit Fraktur­buchstaben autonym auftreten. Wollen wir verschiedene Zeichen derselben Art durch ihre syntaktischen Bezeichnungen unter­scheiden, so verwenden wir Indizes; z. B. hat ,P (x, y, x)'

die Form ~t (3, a, a), und zwar genauer die Form ~tJ (h a2' h)· Auchfiir die wichtigstenArten von Ausdrucken wollen wirsyn­taktische Zeichen (mit groBen Anfangsbuchstaben) verwenden. Aus­driicke (beliebiger Form) bezeichnen wir mit ,~', Zahlausdriicke mit ,,8', Sii.tze mit ,S'; weitere Bezeichnungen werden spii.ter eingefuhrt. Auch hier verwenden wir Indizes, um die Gleichheit von Ausdrucken kenntlich zu machen: in einem Satz der Form (S v S) ::> S konnen die drei Teilsii.tze gleich oder ungleich sein; in einem Satz der Form (S1 V S2) ::> S1 sind erster und dritter Teilsatz gleich.

Durch Indizes ,b' und ,I' konnen wir kenntlich machen, daB ein Zeichen oder ein Ausdruck deskriptiv bzw. logisch ist; z. B. bezeichnet ,fu(' die logischen Funktoren, ,.8b' die deskrip­tiven Zahlausdriicke. Anstatt "ein Zeichen (bzw. ein Ausdruck) von der Form ... " schreiben' wir hii.ufig kurz "ein ... "; z. B. anstatt "ein zweistelliger logischer Funktor" kurz "ein fu~", ebenso "ein ,8", "ein ~b" u. dgl.

Die Frakturzeichen werden im folgenden in Verbindung mit deutschem Text verwendet; in dem spii.teren Aufbau der Syntax von I, der nicht in Wortsprache geschieht, sondern auch wieder symbolisiert ist, treten diese Zeichen nicht auf.

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Die Verknllpfungszeichen. 17

Die Methode der Frakturzeichen hat vor allem den Zwack, uns vor der - in mathematischen und logischen Schriften h8.ufig angewendeten - unkorrekten Ausdrucksweise zu bewahren, bei der zwischen Zeichen und Bezeichnetem nicht unterschieden wird. Man schreibt etwa "an der und der Stelle steht x = y", wo man korrekt schreiben miiBte "... steht ,x = y'" oder " .•• steht 31 = 32". Wird iiber einen Ausdruck der Objekt­sprache gesprochen, 80 muB man entweder diesen Ausdruck mit Anfiihrungszeichen oder seine syntaktische Bezeichnung (ohne Anfiihrungszeichen) schreiben. Wird aber iiber die syntaktische Bezeichnung gesprochen, 80 muB diese wieder in Anfiihrungs­zeichen gesetzt werden. DaB die Nichtbeachtung dieser Regel, die Nichtunterscheidung von Zeichen und Bezeichnetem" leicht zu Unldarheiten und Irrtiimern fiihrt, wird spii.ter gezeigt werden (§ 41£.).

5. Die Verknftpfungszeichen. Die ein- bzw. zweistelligen Verkniipfungszeichen dienen

dazu, aus einem bzw. zwei Sii.tzen einen neuen Satz zu bilden. Die Bedeutung dieser Zeichen ergibt sich - wie wir spii.ter genauer iiberlegen wollen - bei streng formalem Aufbau aus den Um­formungsregeln. Zur Erleichterung des Verstii.ndnisses geben wir hier (wie auch bei den anderen Zeichen) ihre Bedeutung durch unstrenge Erlii.uterungen an; und zwar erstens durch eine ungenaue ttbersetzung in Worter der deutschen Sprache, und zweitens genauer durch die sogenannten Wahrheitswerttafehl. ,-....) (@l1)

heiBt Negation von @l1; (@l1) v (@l2), (@l1). (@l2), (@l1):> (@l2),

(@l1) = (@l2) heiBen Disjunktion, Konjunktion, Implikation, (Gleichung oder) .!quivalenz von @ll und @l2, wobei @l1 und @Is Glieder heiBen. ttbersetzungen fiir diese Zeichen: ,nicht'; ,oder' (im nicht ausschlieBenden Sinn); ,und'; ,nicht .. oder' (zuweilen auch iibersetzbar mit ,wenn .. , so .. '); ,entweder .. und .. , oder nicht .. und nicht .. '. Die Zeichengestalt ,=' werden wir, wo sie zwischen Satzen (nicht zwischen Zahlausdriicken) steht, meist ,=' schreiben. ,=' und ,=' gelten also ala gleich, ala Zeichen derselben (syntaktischen) Gestalt.

In den meisten iiblichen Systemen wird neben dem Identitats­oder Gleichheitszeichen ,=' ein besonderes Aquivalenzzeichen ver­wendet (z. B. bei Russell ,=-=', bei Hilbert " ...... ,,'). Wir verwenden

Car nap, Syntax, 2. Aufl. 2

Page 30: Logische Syntax der Sprache ||

18 Die definite Sprache 1.

in I und II fiir beides nur Eine Zeichengestalt (aber zur Erleichterung des Lesens in zwei figurellen Gestalten). Dieses Vorgehen ist, wie wir spater sehen werden (S. 187), fiir extensionale Sprachen (wie I und II) zulii.ssig und zweckmaJlig.

Der Kiirze wegen wollen wir (wie iiblich) im folgenden bei der Schreibung irgendwelcher symbolischer Ausdriicke der Objekt­oder Syntaxsprache die Klammern um einen Teilausdruck m:1 (es ist entweder ein Satz oder syntaktische Bezeichnung eines Satzes) in folgenden Fallen weglassen:

1. wenn m:1 nur aus Einem Buchstaben besteht, 2. in der Verbindung 1".1 (m:1) oder bedn (m:1) oder (m:1) bedn,

wenn m:1 mit ,1".1' oder einem 1'1: oder einem Operator (s. u.) anfangt, 3. wenn m:1 Disjunktionsglied und selbst eine Disjunktion ist, 4. wenn ~1 Konjunktionsglied und selbst eine Konjunktion ist,

5. wenn m:1 Operand ist und selbst mit einem Operator anfangt (hieriiber spater).

Wir schreiben also anstatt ,( 1".1 (®1» V (®II)' [aber nicht anstatt ,1".1 «®1) V (®z)>'1 kurz ,I".I®1 v®z'; ferner '®1 v®av®a', '®1' ®a. ®a'· Diese Vereinfachung solI jedoch nur fiir die prak­tische Schreibung gelten; dagegen wird sich die Formulierung der syntaktischen Definitionen und RegeIn stets auf die voll­standige Schreibung mit allen Klammem beziehen.

In bezug auf Wahrheit und Falschheit zweier Satze ®1 und ®z gibt es offenbar vier Moglichkeiten, die durch die vier Zeilen der folgenden Wahrheitswerttafel dargestellt werden. Die Tafel gibt an, in welchen dieser vier FaIle der Verkniipfungs­satz wahr ist und in welchen fa1sch; z. B. ist die Disjunktion nur im vierten FaIle fa1sch, sonst wahr.

®1 ®. ®1 V ®. I ®1' ®z I ®1:) ®. I ®1 - ®.

1. WW W W W W 2. WF W F F F 3. FW W F W F 4. F F F F W W

Page 31: Logische Syntax der Sprache ||

All- und Existenzsatze. 19

Fiir die Negation gilt die folgende zweizeilige Tafel:

_~lll ~~l 1. W F 2. F W

Den Wahrheitswert eines mehrfach zusammengesetzten Satzes fiir die verschiedenen FaIle kann man mit Hille der an­gegebenen Tafeln leicht ermitteln, indem man ihn zunachst fiir die innersten Tei1s&tze feststellt und schrittweise bis zum ganzen Satz weitergeht. So kann man z. B. feststellen, daB fiir f"'OoI ~1 V ~1 diegleiche WertverteilungW, F, W, W gilt wiefiir die Implikation; hieraus ergibt sich die Vbersetzung ,nicht .. oder .. ' fiir die Implikation. Ferner kann man z. B. feststellen, daB ~1 ::> (~1 V ~B) die Wertverteilung W, W, W, W besitzt, also bedingungslos wahr ist, mogen ~l und ~s wahr oder falsch sein. Derartige Satze werden wir spater analytisch nennen.

6. All- und Existenzsatze. Wir geben hier wieder die Bedeutung der Ausdriicke durch

Vbersetzung und durch Angabe der Wahrheitsbedingungen an. Es sei etwa ,Rot' ein ~rb; ,Rot (3)' besage: "Die Stelle 3 ist rot". Dann soli ,( x) (Rot (X»' besagen: "Jede Stelle ist rot"; ,( ~ x) (Rot (X»': "Mindestens eine Stelle ist rot", also: "Es gibt (min­destens) eine Stelle, die rot ist". AuBer diesen iiblichen Satzformen wollen wir die folgenden einfiihren. ,(x) 3 (Rot (x»' solI dasselbe besagen wie ,Rot (0). Rot (1). Rot (2). Rot (3)', also: "Jede Stelle bis 3 ist rot"; ,(~ x)3 (Rot (X»' solI dasselbe besagen wie ,Rot (0) V Rot ( 1) V Rot (2) V Rot (3)', also: "Es gibt eine Stelle bis 3, die rot ist."

Die am Anfang dieser Satze stehenden Ausdriicke ,(x)',

,(~ x)', ,(x) 3', ,(~ x) 3' heiBen unbeschrankter Alloperator bzw. unbeschrankter Existenzoperator bzw. beschrankter Alloperator bzw. beschrankter Existenzoperator; in den beiden beschrankten Operatoren heiBt ,3' die Schranke des Operators, in allen vier Operatoren heiBt ,x' die Operatorvariable. ,Rot (x)' heiBt der (zu dem Operator gehOrige) Operand. In der Sprache I kommen nur beschrankte Operatoren vor; die unbeschrii.nkten

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20 Die definite Sprache 1.

werden wir erst spater in II verwenden. Sind ~1 und ~I Opera­toren, so schreiben wir anstatt ~1 (~lI (®» einfach ~1 ~lI (®) (vgl. S. 18, Bestimmung 5).

Eine Variable (Zeichengestait) h heiBt an einer bestimmten Stelle in ~1 gebunden (gleichviel, ob an dieser Stelle ein Zeichen der Gestalt h steht oder nicht), wenn es einen (echten oder un­echten) Teilsatz von ~1 gibt, der diesa Stelle enthii.lt und die Form ~Il (®) hat, wobei ~II ein Operator mit der Operatorvariablen h ist. Eine Variable 31' die an einer bestimmten Stelle in ~1 steht, heiSt an dieser Stelle in ~1 frei, wenn 3D an dieser Stelle in ~1 nicht gebunden ist. Beispiel: ®1 babe die Form ®Il V ®a V ® " und zwar die Gestalt ,PI (x) V (x) 5 (PI (x, y» V P a (x)'. An allen Stellen von ®a ist ,x' in ®s und daher auch in ®1 gebunden; in ®1 sind das erste und das vierte ,x' und das ,y' frei. Kommt in ~1 eine in ~1 freie Variable vor, so heiBt ~1 offen; andernfalls geschlossen.

Um unbeschrankte Allgemeinheit auszudriicken, werden in I freie Variable verwendet. ®Ii sei z. B. ,sum (x, y)= sum(y, x)'; dies soIl besagen: "FUr zwei beliebige Zahlen ist stets die Summe der ersten und zweiten gleich der Summe der zweiten und ersten." Gilt ®II' so auch jeder Satz, der duroh Einsetzung irgendwelcher Zahlausdriicke fiir ,x' und ,y' aus ibm entsteht, z. B. ,sum (3,7) = sum (7,3)' (®e). [Die sogenannten Satzfunktionen gehoren bei uns also auch zu den Satzen; der sonst iiblichen Einteilung in Sii.tze und Satzfunktionen entspricht unsere Einteilung in geschlossene und offene Satze.]

In der Verwendung der freien Varia bien zum Ausdruek der unbeschrankten Allgemeinheit stimmt unsere Sprache mit der von Russell uberein. Wenn aber Russell im Begleittext [Prine. Math. I] sagt, daB eine freie Varia.ble mehrdeutig sei oder eine unbestimmte Bedeutung habe, so stimmen wir dem nieht zu. ,Rot (x)' ist ein echter Satz mit ganz eindeutigem Sinn; er ist vollig gleichbedeutend mit dem (in II und der Russellschen Spra.che vorkommenden) Satz ,(x) (Rot (X»'.

Denjenigen Ausdruck, der aus einem gegebenen Ausdruck ~1 durch Einsetzung von ,~h fiir h entsteht, bezeichnen wir syn-

taktisch mit '~1 (A~)'. Dies ist in folgender Weise genau zu definieren. Die Stellen in ~1' an denen h in ~1 frei vorkommt,

heiBen die Einsetzungsstellen fUr 31 in ~1; ~1 (A~) ist derjenige

Page 33: Logische Syntax der Sprache ||

Der K-Operator_ - Die Definitionen. 21

Ausdruck, der aus ~1 da.durch entsteht, daB 31 an allen Einsetzungs­stellen in ~1 durch .81 ersetzt wird; bierbei muB .81 so beschaffen sein, daB keine Variable in .81 frei vorkommt, die in ~1 an einer der Einsetzungsstellen fUr 31 gebunden ist. Kommt 31 in ~t nicht

frei vor, so bezeichnet '~1 (A:)' den unveriinderten Ausdruck ~1' Beispiel. 6 1 , 6 5, 6 8 seien die vorhin genannten Satze. 31 sei

die Variable ,z', 31 ,y'. Dann ist 6 1 (:J (n~') der Satz ,P1 (0)V(x)5

(PI (z, 0'» v p. (0)'. 6 6 0.) (?) ist 6 8 , - ,(~ x) (x = y')' besagt: "FUr jede Zahl y gibt es eine nachsthOhere"; bier darf fUr ,y' nicht ein .8 eingesetzt werden, in dem ,z' frei vorkommt, z. B. nicht ,x"; ,(~ z) (x = Zll)' ist offenbar falsch.

7. Der K-Operator. Ein Ausdruck von der Form (Ka).8 (®) ist nicht - wie die

entsprechenden Ausdriicke mit All- und Existenzoperator - ein Satz, sondern ein Zahlausdruck; der K-Operator (Ka).8 ist kein Satz-, sondern ein Kennzeichnungsoperator, und zwar genauer ein Zahloperator. (Kh).8t (®1) soll heiBen: "die kleinste Zahl bis (einschl.) .81' fiir die ®t gilt; und 0, wenn es keine derartige Zahl gibt." Beispiele: ,Gr (a, b)' besagt: "a ist groBer als b"; ,(Kz)9 (Gr (z, 7»' ist gleichbedeutend mit ,8'; ,(Kz)9 (Gr (z, 7) • Prim (Z», ist gleichbedeutend mit ,0'. Allgemein ergibt sich aus der angegebenen Bedeutung, daB zwei Siitze der folgenden Formen (1) und (2) dasselbe besagen:

J;>tl [(Kat).81 (J;>ts (h»] ............. . . . . . . . . . . . .. (1)

['"""'" (~ h) .81 (J;>tll (at» .J;>tt (0)] v (~ h) .8t [J;>ta (bt) • (all) 31 ('"""'" (aa = h)::> '""""'J;>ts(h».J;>tdh>] ......... (2)

Die friiheren Bezeichnungen ,Operatorvariable', ,Schranke', ,Operand', ,gebundene bzw. freie Variable' werden auch auf Ausdriicke mit K-Operator bezogen. [1m Unterschied zur iiblichen (Russellschen) Kennzeichnung (description) ist die Kennzeich­nung durch K-Operator niemals leer oder mehrdeutig, sondern stets eindeutig; bier sind daher keine besonderen Vorsichts­maBregeln beim Operieren erforderlich].

8. Die Definitionen. Zeichen, fUr die keine Definition aufgestellt wird, heiBen

undefinierte Zeichen oder Grundzeichen. Die logischen

Page 34: Logische Syntax der Sprache ||

22 Die definite Sprache 1.

Grundzeichen von Spra.che I sind: die elf einzelnen Zeichen (s. S. 15), nu, aIle 3; ala deskriptive Grundzeichen konnen irgend­welche -I'tb und fUb aufgestelIt werden. AlIe iibrigen 33, -I'r und fu, die man verwenden will, mu.ll man durch Definitionen ein­fiihren. Ein Moder ein -I'r wird stets explizit definiert, ein fu entweder explizit oder rekursiv. Eine explizite Definition besteht aus Einem Satz, eine rekursive aus zwei Satzen. Jeder der Satze hat die Form 31 = 3. oder @i1 - @i.. Der Ausdruck 31 bzw. @i1 hei.llt Definiendum; er enth8.lt das zu definierende Zeichen; 3. bzw. @i. hei.llt Definiens. In einer expliziten Definition kommt das zu definierende Zeichen nur im Definiendum, vor, bei einer rekursiven Definition aber auch im Definiens des zweiten Satzes; im iibrigen dad ein Definiens nur Grundzeichen oder schon vorher definierte Zeichen enthalten. Die Reihenfolge der AufstelIung der Definitionen kann somit nicht beliebig geandert werden. Zu jedem definierten Zeichen gehort eine Definitionen­kette; damit ist die kleinste Reihe von Satzen gemeint, die die Definition jenes Zeichens und die Definitionen alIer in der Reihe vorkommenden definierten Zeichen enthii.lt; die Definitionenkette eines Zeichens ist stets endlich und (bis auf die Reihenfolge) eindeutig bestimmt.

Zu den expliziten Definitionen im hier verwendeten weiteren Sinne gehBren sowohl die expliziten Definitionen im engeren Sinne, d. h. solche, bei denen das Definiendum aus dem neuen Zeichen allein besteht (z. B. die Definition eines 33 in I), als auch die sog. Gebrauchs­definitionen, d. h. solche, bei denen das Definiendum auller dem neuen Zeichen noch andere enthii.lt (z. B. die Definition eines ~r oder fu in I).

Die Definition eines Zahlzeichens 331 hat die Form 331 = 3. Die Definition eines Pradikates -I't~ hat die Form

-I'r~(h, 3.,· . 3n) - @i. Die explizi~ Definition eines Funktors fu~ hat die Form

fu~ (31,3., • • 3n) = 3· [Beispiel: ,nf (x) = xj" Def. 1, S. 51.) Die rekursive Definition eines fun hat die Form a) fu~ (nu, 3., • ·3n) = 31; b) fu~ (311,. 3 ••• . 3n) = 3a. [Beispiel: Def. 3 fiir ,prod', S. 51; die erste Gleichung dient zur Obersetzung von fudnu,3); die zweite Gleichung fiihrt fUd3al,3,) auf fU1 (3a, 3,) zuriick, so da.ll z. B. in ,prod (6, y)' durch sechsmalige Anwendung der zweiten und einmalige Anwendung der ersten

Page 35: Logische Syntax der Sprache ||

Die Definitionen. 23

Gleichung ,prod' eliminiert werden ka.nn.J Ferner md jeder Definitionssatz die folgenden heiden Forderungen erfiillen: 1. im Definiens darf keine Variable £rei vorkommen, die nicht schon im Definiendum vorkommt; 2. im Definiendum diirfen nicht zwei gleiche Variablen vorkommen.

Wird die Forderung (1) nicht aufgestellt, so lassen sich De· finitionen bilden, mit deren Hille ein Widerspruch hergeleitet werden kann. Das sei an einem Beispiel gezeigt. (Ein iilinliches Beispiel fUr den Satzkalkiil hat Lesniewski [Neues System] 79f. angegeben.) Wir definieren ein pr ,P":

P (x) == (Gr (x, y). Gr (y, 5» .............. (1) (1) (Gr (7,6). Gr (6,5»:> P (7) ............... (2)

Gr(7,6>.Gr(6,5) ...•.................. (3) (2) (3) P (7) ••••••••••••••• (4) (1) P (7):) (Gr (7,4). Gr (4,5» ............... (5) (5) P (7) :> Gr (4,5) ......................... (6) (6) ,..." Gr (4,5) :> ,..." P (7) •••.•••.•.••.•••.••• (7)

,..." Gr (4, 5) ......•...................... (8) (7) (8) ,..." P (7) ••••••••••••••• (9) (4) und (9) widersprechen einander.

Die umgekehrte Forderung braucht dagegen nicht auf· gestellt zu werden. 1m Definiendum darf eine Variable vorkommen, die im Definiens nicht vorkommt (vgl. z. B. Def. 3.1, S. 51).

Forderung (2) dient nicht zur Vermeidung von Widerspnichen, sondem zur Sicherung der Riickiibersetzbarkeit. Wiirde man z. B. definieren: ,P (x, x) ==Q (x)', so konnte ,P" in ,P (0, 1)' nicht eli· miniert werden.

Wie wir spater sehen werden, darf auf Grund eines Satzes der Form .81 = .82 oder @l1 = @lll in jedem andren Satz.81 durch .811 bzw. @l1 durch @lll ersetzt werden und umgekehrt (vgl. S. 33). Daher kann ein explizit definiertes Zeichen iiberall, wo es vor· kommt, mit Hille seiner Definition eliminiert werden. Bei einem rekursiv definierten Zeichen ist das nicht immer moglich. [Beispiel: Kommt ,prod (x, y)' in einem Satz vor, in dem ,x' frei ist (z. B. ,prod (x, y) = prod (y, x)'), so ist ,prod' nicht eliminierbar. ]

Wir konnen jetzt die friiher nur inhaltlich erlauterten Begriffe ,deskriptiv' und ,logisch' genauer bestimmen. 1st ein Zeichen a1 undefiniert, so heiBt a1 deskriptiv (ab), wenn a1 ein lJt oder fu ist; ist a1 definiert, so heiJlt a1 ein ab, wenn in der Definitionenkette von a1 ein undefiniertes ab vorkommt; ein Ausdruck ~1 heiBt deskriptiv (~b)' wenn in ~1 ein ab vorkommt. a1 heiJlt logisch

Page 36: Logische Syntax der Sprache ||

24 Die definite Sprache I.

(4{), wenn 41 kein 4b ist; 2{1 heillt logisch (2{I), wenn 2{1 kein 2rt, ist.

9. Sitze und Zahlausdriicke. Wir wollen einige Arten von Ausdriicken benennen. Die

wichtigsten sind die Satze (®) und die Zahlausdriicke (.8). FUr diesa Begriffe haben wir frillier nur ungenaue, auf die Bedeu­tung Bezug nehmende Erlii.uterungen gegeben; jetzt sollen sie genau und formal bestimmt werden. Wir haben alle Moglich­keiten zur Bildung von Satzen und Zahlausdriicken der Sprache I schon kennengelernt und brauchen jetzt die entstehenden Formen nur zusammenzustellen. Ein ® kann andere ® und .8 als Teile enthalten; eben80 ein.8 andere .8 und (bei Benutzung des K-Ope­rators) auch ®. Daher verweisen die im folgenden angegebenen Bestimmungen der Begriffe ,Satz' und ,Zahlausdruck', denen wir noch den Hilfsbegriff ,Argumentausdruck' hinzufiigen, auf einander. Aber das geschieht nur so, daB wir zur Feststellung, ob ein vorgelegter Ausdruck 2{1 ein ® bzw . .8 ist, auf die Frage verwiesen werden, ob ein bestimmter echter Teilausdruck von 2{1 ein ® bzw . .8 ist. Daher endet diese Weiterverweisung stets nach endlich vielen Schritten; die Begriffsbestimmungen sind eindeutig und enthalten keinen Zirkel. [Definitionen von streng geregelter Form werden spater im Rahmen des symbolisch formu­lierten Aufbaus gegeben.]

Ein Zeichen von I, das entweder nu oder ein definierteB Zahlzeichen oder ein b ist, heillt ein Zahlzeichen (~3). Ein Aus­druck von I heiBt ein Strichausdruck (®t), wenn er eine der folgenden Formen hat: 1. nu; 2. ®tl. [Ein ®t ist also entweder ,0' (uneigentlicher Strichausdruck) oder ,0' mit einem oder mehreren Strichen ,I'.] Ein Ausdruck von I heillt eill Zahlausdruck (.8), wenn ereinederfolgendenFormen hat: 1. M; 2 . .81; 3. fuft (2{rgft); 4. (Kh).81 (®), wobei h in .81 nicht frei vorkommt. Rekursive Bestimmungen fUr ,n-stelliger Argumentausdruck' (2{rgft) in I: ein 2{rg1 ist ein.8; ein 2{rg ft + 1 hat die Form 2{rgft,.8. Ein Ausdruck von I heillt ein Satz (®), wenn er eine der folgenden Formen hat: 1. .8 = .8 ("Gleichung"); 2. l'rn (2(rg"); 3. '" (®); 4. (®) berm (®); 5. 2(1 (®), wobei 2(1 die Form (h).81 oder (3 31).81 hat und 31 in .81 nicht frei vorkommt. [Es wird nicht· gefordert, daB die Operatorvariable im Operand frei vorkommt; ist das nicht der Fall, 80 ist 2(1 (®1) gleichbedeutend mit ®d

Page 37: Logische Syntax der Sprache ||

Allgemeines iiber Umformungsbestimmungen. 25

Die wichtigste Einteilung der Ausdriicke ist die in Sii.tze und Nicht-Sii.tze. Die hii.ufig vorgenommene Einteilung der Satzteile, die nicht Sii.tze sind, in Ausdriicke mit "selbstii.ndiger Bedeutung" ("Eigennamen" im weiteren Sinne) und die iibrigen ("ungesii.ttigte". "unvollstii.ndige", "synsemantische" Ausdriicke) diirfte mehr psycho­logisch als logisch bedeutungsvoll sein.

B. Umformungsbestimmungen fUr Sprache I. 10. Allgemeines ilber Umformungsbestimmungen. Zur Aufstellung eines Kalkiils gehort neben der Angabe der

Formbestimmungen - wie wir sie fiir Sprache I gegeben haben -die Angabe der Umformungsbestimmungen. Durch diesa wird festgesetzt, unter welchen Bedingungen ein Satz Folge eines oder mehrerer anderer Satze (der Pramissen) ist. DaB @il Folge von @i1 ist, soll nicht heiBen, @is werde beim Denken von @i1 mitgedacht. Es handelt sich hier nicht um eine psycho­logische, sondern um eine logische Beziehung zwischen den Satzen: durch @i1 ist @is schon objektiv mitgegeben. Wir werden sehen, daB die hier inhaltlich angedeutete Beziehung rein formal erfaBt werden bnn. [Beispiel. @;1: ,(x) 5 (Rot (x»', @is: ,Rot (3)'; ist gegeben, daB aile Stellen bis 5 rot sind, so ist dadurch auch mitgegeben, daB die Stelle 3 rot ist. In diesem Falle wird vielleicht @i l mit @il auch schon mitgedacht; in andern Fallen, bei denen die Umformung komplizierter ist, braucht die Folge nicht mit den Pramissen schon mitgedacht zu werden.]

Eine Definition fiir den Begriff ,Folge' in seinem vollen Umfang aufzustellen, ist nicht mit einfachen Mitteln moglich; eine solche Definition ist bisher in der modernen Logik noch nicht gegeben worden (von der alten gar nicht zu reden). Von ihr wird spater noch die Rede sein. Wir wollen jetzt fur Sprache I an Stelle des Begriffs der Folge zunachst den etwas engeren Begriff der Ableitbarkeit bestimmen. [Es ist allgemein iiblich, sich beim Aufbau der Logik auf diesen Begriff zu beschrii.nken; man hat sich dabei gewohnlich nicht klargemacht, daB dies nicht der allgemeine Begriff der Folge ist.] Zu diesem Zwack wird der Begriff ,unmittelbar ableitbar' definiert oder - wie man gewohnlich zu sagen pflegt- SchluBregeln aufgestellt. [@is heiSt unmittelbar ableitbar am @il bzw. aus @il und @iI' wenn @;a mit Hille einer der SchluBregeln aus @il bzw. aus @;1 und @il gewonnen

Page 38: Logische Syntax der Sprache ||

26 Die definite Spracbe I.

werden kann.] Unter einer Ableitung mit den Pramissen ~l' @is, . ·@i1n (deren Anzahl stets endlich ist und auch 0 sein kann) verstehen wir eine beliebig lange, aber endliche Reihe von Satzen von der Art, daB jeder Satz der Reihe entweder eine der Pramissen oder ein Definitionssatz ist oder unmittelbar ableitbar ist aus einem oder mehreren (in unseren Objektspra.chen I und II hoohstens zwei) Satzen, die ibm in der Reihe vorangehen. 1st @in

Endsatz einer Ableitung mit deli Pramissen @i l , • • @im , so heiBt @in ableitbar aus @i l , • • @im•

1st ein Satz bei inhaltlicher Deutung logisch-allgemeingiiltig (und 80mit Folge jedes beliebigen Satzes), so nennen wir ihn analytisch (oder tautologisch). [Beispiel: ,Rot (3) V ......, Rot(3)'; dieser Satz ist in jedem Falle wahr, unabhangig von der Beschaffen­heit der Stelle 3.] Auch bei diesem Begriff ist die .formale Er­fassung nicht mit einfachen Mitteln moglich; davon wird spater die Rede sein. Zunachst wollen wir die Bestimmung des etwas engeren Begriffes ,beweisbar' geben. [Das ist allgemein ublich; erst Godel hat gezeigt, daB nicht alle analytischen Satze beweis­bar sind.] @i l heiBt beweisbar, wenn @il aus der leeren Pramissen­reihe und daher aus jedem beliebigen Satz ableitbar ist.

1st ein Satz bei inhaltlicher Deutung logisch-ungiiltig, so nennen wir ihn kontradiktorisch. [Beispiel: ,Rot (3) • ......, Rot (3)'; dieser Satz ist in jedem Falle falsch, unabhangig von der Beschaffenheit der Stelle 3.] Von diesem Begriff wird spater die Rede sein. Wir verwenden zunii.chst an seiner Stelle den etwas engeren Begriff ,widerlegbar'. @il heiSt widerlegbar, wenn min­destens ein Satz ......, @iz beweisbar ist, wobei @is aus @il durch Ein­setzung irgendwelcher @it fur aIle frei vorkommenden 3 gebildet ist. [Beispiel: ,Prim (x)' ist widerlegbar, weil ,""'" Prim (01111 )' be­weisbar ist.] Ein geschlossener Satz @i l ist 80mit dann und nur dann widerlegbar, wenn ......, @il beweisbar ist.

Ein Satz heiSt synthetisch, wenn er weder analytisch noch kontradiktorisch ist. Ein Satz heiBt unentscheidbar, wenn er weder beweisbar, noch widerlegbar ist. Dieser Begriff ist etwas umfassender alB jener. Wir werden spater sehen, daB jeder logische Satz entweder analytisch oder kontradiktorisch ist, daB also synthetische Sii.tze nur unter den deskriptiven vorkommen. Dagegen gibt es in I (und in jeder hinreichend reichen Sprache) unentscheidbare logische Satze (vgl. § 36).

Page 39: Logische Syntax der Sprache ||

Die Grundsatze der Sprache 1. 27

Aus Griinden der technischen Einfachheit pflegt man nicht das Gesamtsystem der SchluBregeIn aufzustellen, sondem nur einige SchluBregeIn, an Stelle der iibrigen RegeIn aber gewisse (in bezug auf das Gesamtsystem der RegeIn) beweisbare Satze, die sogenannten Grundslitze. Die Auswahl der RegeIn und Grund­sii.tze ist - auch wenn eine bestimmte inhaltliche Deutung des Kalkiils vorausgesetzt wird - in weitem MaBe willkiirlich; haufig lii.Bt sich ein System dadurch a.ndern (ohne seinen Gehalt zu a.ndem), daB man einen Grundsatz streicht und statt dessen eine SchluBregel aufstellt oder umgekehrt.

Auch wir wollen fiir unsere Objektsprachen SchluBregeIn (d. h. die Definition von ,unmittelbar ableitbar') und Grund­sii.tze aufstellen. Bei diesem Verfahren ist eine Ableitung mit bestimmten Pramissen zu definieren als eine Reihe von Satzen, von denen jeder entweder eine der Pramissen oder ein Grundsatz oder ein Definitionssatz ist oder unmittelbar ableitbar aus Satzen, die in der Reihe vorangehen. Eine Ableitung ohne Pramissen heiBt ein Beweis; ein Beweis ist also eine Reihe von Satzen, von denen jeder entweder ein Grundsatz oder ein Definitionssatz ist oder unmittelbar ableitbar aus Satzen, die ihm in der Reihe vorangehen. Der Endsatz eines Beweises heiBt ein beweisba­rer Satz.

11. Die GrundsJitze der Sprache I. Wir geben hier nicht die einzeInen Grundsii.tze an, sondern

eine Reihe von Grundsatzschemata. Durch jedes Schema wird eine Art von Sa.tzen bestimmt, zu der unbeschra.nkt viele Satze ge­hOren. Z. B. wird durch das Schema GI I bestimmt, daB jeder Satz, der die Form @\::> ('" @:i1 ::> @:ill) hat, ein Grundsatz erster Art heiBen soll. Hierbei konnen @:i1 und @:ill beliebig zusammen­gesetzte Satze sein. [Gewohnlich pflegt man nicht Schemata, sondem Grundsii.tze selbst aufzustellen. So werden wir auch spater bei Sprache II verfahren. Dabei sind aber Variable fiir @:i, ~t

und fu erforderlich. Dem Schema GIl entspricht z. B. der Grundsatz GIl 1 (S. 81). Da in I keine derartigen Variablen zur Verfiigung stehen, konnen wir hier n1cht die Grundsii.tze selbst, sondem nur Schemata aufstellen. Die Satze, die hier Grundsii.tze erster Art heiBen, sind in II indirekt beweisbare Satze: sie er­geben sich aus GIl 1 durch Einsetzung.]

Page 40: Logische Syntax der Sprache ||

28 Die definite Spra(lhe 1.

Schemata der Grundsitze der Sprache I.

a) Grundsitze des sogenannten Satzkalkiils: 011. @51) (,....,@51 ) @5.) 012. (,....,@51 )@51»@51 013. (@51 ) @5.) ) [(@5. ) @5a) ) (@51 ) @5.)]

b) Grundsitze der (beschrii.nkten) Operatoren:

014. (h) nu (@51) = @51 (:~)

010. (h) lItl (@51) = [(h) 3. (@51) • @51 (::.)] 01 6. GJ h) lIt (@51) = ,...., (31) lIt ( ,...., @51)

c) Grunds8.tze der Identitii.t:

017·31= 31

018. (31 = 31) ) [@51 ) @51 G:)] d) Grundsitze der Arithmetik:

019. ,...., (nu = 31)

01 10. (311 = 3.1) ) (31 = 3.)

e) Grundsitze des K-Operators:

0111. @51 «(l~lhl(@)l) = ([,...., (;J h) 31 (@51)' @5. (:~)l V

(;J h) 3. [(@51·(3.)h[,...., (38=31» ,....,@51(:~)]) • @5.])

Wir wollen jetzt iiberlegen, daB ane Grundsitze bei inh&lt­licher Deutung wahr sind bzw. daB aus ihnen (GI5-11) durch Einsetzung beliebiger 33 fiir die freien 3 wahre Sii.tze hervorgehen. FUr GI 1-3 ist d&s mit Hilfe der Wahrheitswerttafeln (S. IS) leicht zu zeigen. FUr GI 4: die beiden Glieder der Aquivalenz sind nach der angegebenen Bedeutung des beschrii.nkten Alloperators gleichbedeutend, also beide wahr oder beide f&lsch. FUr GI5: wenn etwas fiir jede Zahl bis n + 1 gilt, so gilt es fUr jede Zahl bis n und fUr n + I; und umgekehrt. FUr GI 6: "Es gibt eine Zahl bis n mit der und der Eigenschaft" ist gleichbedeutend mit "Nicht fiir jede Zahl bis n gilt, daB sie nicht die betreffende Eigenschaft hat".

GI4 und 5 stellen gewissermaBen die rekursive Definition des beschrii.nkten Alloperators dar, GI6 die explizite Definition des beschrii.nkten Existenzoperators. Wii.hrend explizit definierte

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Die SchluJ3regeJn: der Sprache I. 29

Zeichen stets eJiminierbar sind, ist das fiir rekursiv definierte Zei­chen nicht immer moglich (vgl. S. 23). In ahnlicher Weise ist ein beschrankter Alloperator dann nicht eJiminierbar, wenn die Schranke eine freie Variable enthii.lt (wie z. B. in GI 5). Be­schrankte Alloperatoren und rekursiv definierte fu sind keine bloBen Abkiirzungen; wiirden wir auf sie verzichten, so wiirde die Ausdrucksfahigkeit der Sprache wesentlich vermindert. Dagegen wiirde ein Verzicht auf den beschrankten Existenzoperator, den K-Operator, die Zeichen der Konjunktion und Implikation, sowie alle expllzit definierten 33, l't und fU die Sprache nur umstandlicher machen, ohne den Umfang des Ausdriickbaren zu vermindern_

Das Identitats- oder Gleichheitszeichen ,=' zwischen .8 ist hier (wie in der Arithmetik iiblich) so gemeint, daB .81 = .8a dann und nur dann wahr sein soll, wenn .81 und .82 - wie man zu sagen p£legt - dieselbe Zahl bezeichnen. Daraus ergibt sich die Giiltig­keit von GI7 und 8. GI9: Null ist nicht Nachfolger irgendeiner Zahl, also Anfangsglied der Reihe; GI 10: verschiedene Zahlen haben nicht denselben Nachfolger. GI9 und 10 entsprechen dem vierten bzw. dritten Axiom in Peanos Axiomensystem der Arith­metik. Die inhaltliche Giiltigkeit von GI11 ergibt sich aus der friiher angegebenen Bedeutung des K-Operators (§ 7).

12. Die SchluBregeln der Sprache I. @is heillt in I unmittelbar ableitbar aus @i1 (RI 1, 2) bzw.

aus @i1 und @ill (RI 3,4), wenn eine der folgenden Bedingungen RI 1-4 erfiillt ist:

RII. (Einsetzung.) @is hat die Form @:i1 (A)' RI2. (Verkniipfungen.) a) @is entsteht aus @i1, indem ein

(echter oder unechter) Teilsatz von der Form @i,:> @i5 durch '" @i, V @i& ersetzt wird oder umgekehrt; b) ebenso mit den Formen @i, • @i& und '" (",@i, V ",@i5 ); c) ebenso mit den Formen @i, = @i5 und (@i,:> @i5 ) • (@i5 :> @i,).

RI3. (Implikation.) @ill hat die Form @i1 :> @i3'

RI4. (VoIIstandige Induktion.) @:i1 hat die Form

@is (:~), @ill hat die Form @is :> @is (~:I)'

Was wir in Form einer Definition fUr ,unmittelbar ableitbar' formulieren, pflegt man gewohnlich in Form von SchluBregeln

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30 Die definite Sprache I.

zu formulieren. Dabei wiirden den angegebenen Bestimmungen die folgenden vier SchluBregeln entsprechen:

1. Regel der Einsetzung. Jede Einsetzung ist erlaubt. 2. Regel der Verkniipfungen. a) Ein Teilsatz @i,:> @i6 darf

stets durch ",,@i, V @i6 ersetzt werden und umgekehrt; entsprechend b), c).

3. Regel der Implikation. Aus @il und @i1 :> @i3 darf @i3 erschlossen werden.

4. Regel der vollstii.ndigen Induktion. Beispiel: Aus .):ltl (nu) und .):ltl (h) :> .):ltl (311) dad auf .):ltl (31) geschlossen werden.

Diese RegeIn sind so beschaffen, daB sie bei inhaltIicher Deutung der Sii.tze von wahren Sii.tzen stets wieder zu wahren Sii.tzen fiihren. Das ergibt sich fiir RI 1 aus der friiher gegebenen Deutung der freien Variablen; fiir RI 2 und 3 aus den Wahr­heitswerttafeIn (S. 18). RI2 vertritt gewissermaBen eine ex­pIizite Definition fiir die Zeichen der ImpIikation, Konjunktion und Aquivalenz, die nur ais Schreibabkiirzungen dienen. RI 4 entspricht dem in der Arithmetik iibIichen Prinzip der vollstii.n­digen Induktion: kommt eine Eigenschaft der Zahl 0 zu und ist sie erbIich (d. h. kommt sie, sobald sie irgend einer Zahl n zu­kommt, auch der Zahl n + 1 zu), so kommt sie jeder Zahl zu (fiinftes Peanosches Axiom).

13. Ableitungen und Beweise in I. DaB ein bestimmter Satz beweisbar bzw. aus bestimmten

anderen ableitbar ist, wird durch Aufstellung eines Beweises bzw. einer Ableitung gezeigt. Fruchtbarer ist es, allgemeine syntaktische Sii.tze nachzuweisen, die besagen, daB aile Satze von der und der Form beweisbar bzw. aus Satzen der und der Formen ableitbar sind. Der Nachweis eines solchen allgemeinen syntaktischen Satzes kann zuweilen durch Aufstellung eines Schemas fiir den Beweis bzw. fiir die Ableitung gefiihrt werden. Das Schema gibt an, wie im einzeInen Falle der Beweis bzw. die Ableitung aufzustellen ware. Ein weiteres fruchtbares Verfahren, das die Aufstellung besonderer Schemata in vielen Fallen erspart, besteht darin, daB allgemeine syntaktische Satze iiber Beweis­barkeit oder Ableitbarkeit aus andern derartigen Satzen erschlossen werden konnen. 1st nii.mIich @i3 ableitbar aus @iz und @is aus @II'

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Ableitungen und Beweise in I. 31

so auch @Is aus @II; denn diese Ableitung kann durch Aneinander­reihung der beiden ersten gebildet w:erden. 1st @II beweisbar und @Ill aus @II ableitbar, so ist auch @Ill beweisbar. 1st ferner @II:> @Ill

beweisbar, so ist @Ill aus @II ableitbar (nach RI 3). Die Umkehrung gilt nicht allgemein, sondern nur; ist @II geschlossen und @Ill

ableitbar aua @Iv so ist @II:> @Ill beweisbar. [Gegenbeispiel fiir offenes @II; @II sei ,x = 2', @Ill sei ,(x) 3 (x = 2)'; @Ill ist ableitbar aus @II (@II und @Ill sind fa.lsch); aber @II :> @Ill ist hier nicht beweis­bar, sondern sogar falsch; denn aus diesem Satz ergibt sich durch Einsetzung von ,2' fur ,x' und Anwendung von RI 3 @la.]

Es seien einfache Beispiele fur ein Beweisschema, ein Ab­leitungsschema und einige allgemeine syntaktische Satze uber Beweisbarkeit und Ableitbarkeit gegeben. [Die jeweils links stehenden Hinweise auf Grundsatze und RegeIn dienen nur zur Erleichterung des Verstandnisses, sie gehoren nicht zum Schema. Dagegen gehoren die in Textworten angegebenen besonderen Bedingungen, denen ein bestimmter Ausdruck unterworfen sein soll (z. B. im untenstehenden Ableitungsschema bei @l3)' wesent­lich zum Schema.]

Beispiel eines Beweisschemas.

GIl @l1 :> (~@ll:> @II) (I} GI 2 (~@ll:> @l1 ):>@i1 (2} GI 3, wobei fiir @Ill der Satz ~ @II :> @II und fiir @i3 @II

genommen wird;

(@il:> (~@il:> @il»:> ([(,....@ll:>@il):>@ilD[@ll:>@il1) (3} (1) (3) RI3 «(,....@il:> @II):> @i l):> (@II:> @i1) (4) (2) (4) RI3 @il :> @II (5)

Satz 13'1. @II:> @II ist stets (d. h. fiir eine beliebige Satz­gestalt @II) beweisbar.

Mit ,Satz m-n' bezeichnen wir den syntaktischen Lehr­satz Nr. n von § m. Die syntaktischen Satze 13'1-4 beziehen sich auf denjenigen Teil der Sprache I, der dem sogenannten Satzkalkul entspricht; dieser Teil umfaBt GI 1-3 und RI 1-3_

Sa tz 13'2. @il V '" @II ist stets beweisbar. Dies ist der soge­nannte Satz vom ausgeschlossenen Dritten.

Sa tz 13-3. @II und '" '" @II sind gegenseitig ableitbar.

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32 Die definite Spraehe I.

Satz 13'4. Ist@i1 widerlegbar, 80 ist jeder beliebige [email protected]­leitbar aus @il' - Do. @i1 widerlegbar ist, gibt as einen beweis­baren Satz '" @is derart, daB @is aus @il durch Einsetzung gebildet ist. '" @is k5nnen wir daher neben@ilalaPrimisseimAbleitungs­schema verwenden:

(1) RII GIl

(3) (4) RI3 (2) (5) RI3

@i 1

'" @is @is @is ) ('" @is ) @it)

",@is) @i. @i.

(1) (2)

(3) (4)

(5) (6)

Die folgenden syntaktischen Sitze beziehen sich auf den Teil der Sprache, der iiber den Satzkalkiil hinausgeht, den Pri­dikatenkalkiil. [Er wird gew5hnlich Funktionenkalkiil genannt; bisher versteht ma~ meist unter ,Pridikat' nur die einstelligen t:Jt.] In diesem Gebiet weicht Sprache I stirker von der iiblichen Sprachform (Russell und Hilbert) abo Do. I eine Koordinatensprache ist, wird in den Beweisen und Ableitungen die vollstii.ndige Induktion (RI4) biufig angewendet.

A. Syntaktische Sitze ii ber Allsitze.

Satz 13'5. Jeder Satz von einer der folgenden Formen ist beweisbar:

a) (31).81 (@i1» @il (J:J;

b) (h).81(@i1»@il(~~); c) (31).81 (@i1) - @iI' falls 31 in @i1 nicht frei vorkommt.

Satz 13'6. Es ist stets ableitbar:

a) aua (31).81 (@i1) (@i1) (~:); b) aua @il (3).8 (@i1); c) aua (31).81 (@i1) @il,falls31in@i1nichtfreivorkommt; d) aus (31).81 (@i1 ) @ill) (h) .81 (@i1) ) (h) .81 (@i2); e) aus @i1- @ill (31).81 (@i1) = (31).81 (@ill) (folgt aua

Satz 6 b, d).

B. Syntaktische Sii.tze iiber Existenzsii.tze.

Satz 13'7. Es iat stets beweisbar:

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Ableitungen und Beweise in I. 33

a) (~ 31) nn (@il) =@i1 (:n);

b) (~ 31).thl (@il) = [(;! 31) .81 (@il) V @il(A:')]; c) @il (A:) J (;! 31).81 (@il)'

Satz 13·S. Aus @i1 ist (;! 31).81 (@il) ableitbar; fa.lls 31 in @i1 nicht £rei vorkommt, gilt auch die Umkehrung. - Weitere Ab­leitungsbeziehungen analog Satz 6.

C. Syn taktische Sii.tze ii ber Gleich ungen.

Sa tz 13'9. Es ist stets b'eweis bar:

a) <.81 = .8l1)::> [.83 (A:) = .83 (A~)]; b) (.81 = .8l1) ::> (.8l1 = .81); c) [(.81 = .8.) • (.82 = .83)] ::> (.81 = .83)'

Satz 13'10. Aus .81 =.83 ist ableitbar:

a) @i1 (A:) = @i1 (A~);

b) .83 (A:) = .83 (A~)' D. Syntaktische Satze ii ber Ersetzung.

Satz 13'11. Aus .81 = .811 und ~.8158 ist ~.8a58 ableitbar. Mit andern Worten: wird eine Gleichung vorausgesetzt, so darf in irgend einem Satz die linke Gleichungsseite durch die rechte ersetzt werden (ebenso auch die rechte durch die linke).

Satz 13'12. Aus @i1 = @ill und ~®158 ist ~@ia58 ableitbar. Mit andern Worten: wird eine Aquivalenz vorausgesetzt, so darf in irgend einem Satz, in dem das zweite (oder das erste) Aquivalenz­glied vorkommt, dieses durch das erste (bzw. das zweite) ersetzt werden. Der Beweis geschieht durch Analyse der verschiedenen Formen, in denen ein Satz in einem andern vorkommen kann (vgl. z. B. Satz 6e). [V gl. Hilbert [Logik] 61; die Forderung, daB in @i1 und @ill dieselben freien Variablen vorkommen, ist bei unserer Spra.chform nicht notig.]

Unterschied zwischen Ersetzung und Einsetzung: Bei einer Einsetzung (Substitution) miissen aIle in dem Satz vorkommenden gleichartigen Ausdriicke (nam1ich die gleichen freien Variablen) zugleich umgeformt werden; dagegen braucht bei einer Ersetzung auf die iibrigen Satzteile keine Riicksicht genommen zu werden.

Car nap, Syntax, 2. Auf!. 3

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34 Die definite Sprache I.

Auf Satz 11 und 12 beruht die Moglichkeit, den Definitionen die Form von Gleichungen zu geben (vgl. § 8). Auf Grund einer expliziten Definition kann tiberall das Definiendum durch das Definiens ersetzt werden und umgekehrt.

14. Folgebestimmungen fUr Spracbe I. Es kann der Fall vorkommen, daB fUr ein bestimmtes l'r(,

etwa lJr1, jeder Satz von der Form lJr1 (~t) beweisbar ist, nicht aber der allgemeine Satz lJr1 (h). Ein derartiges lJr werden wir spater kennenlernen (§ 36). Es fehlt die Moglichkeit, auf den Satz l'rl (h) zu schlieBen, obwohl jeder Einzelfall erschlieBbar ist. Um diese Moglichkeit zu geben, wollen wir einen Begriff ,Folge' emfUhren, der weiter ist als der Begriff ,ableitbar'; und analog einen Begriff ,analytisch', der weiter ist als ,beweisbar', sowie einen Begriff ,kontradiktorisch', der weiter ist als ,widerlegbar'. Die Definition wird so aufgestellt werden, daB auch jener all. gemeine Satz lJr1 (h), obwohl er nicht beweisbar ist, analytisch wird.

Hierfur ist es erforderlich, auch Klassen v()n Satzen zu behandeln. Bisher haben wir nur von endlichen Reihen von Sa.tzen oder sonstigen Ausdriicken gesprochen. Eine Klasse kann aber auch so beschaffen sein, daB sie nicht durch eine end· Hche Reihe ausschOpfbar ist. (Sie heiBe dann eine unendliche Klasse; eine genauere Definition dieses Begriffes ist fUr unseren Zweck nicht notwendig.) Eine Klasse von Ausdrticken wird angegeben durch eine (definite oder indefinite) syntaktische Bestimmung tiber die Form der Ausdriicke. Z. B. ist durch jedes Grundsatzschema eine unendliche Klasse von Satzen (definit) bestimmt. Das Sprechen von Klassen von Ausdriicken ist nur eine bequemere Redeweise fur das Sprechen tiber syntak. tische Formen von Ausdrucken. [Spater werden wir allgemein sehen, daB ,Klasse' und ,Eigenschaft' zwei Worter fUr dasselbe sind.] .

Fur Klassen von Ausdriicken (meist Satzen) wollen wir folgende Bezeichnu~gen (der Syntaxsprache) anwenden: im all· gemeinen ,~'; fiir die Klasse, deren einziges Element ~l ist: ,{ \Ul}'; fiir die Klasse der Elemente ~l' \U2' •. \Un: ,{ ~l' .. \Un}'; fur die Vereinigung der Klassen ~l UIid ~2 '~l + ~2" Eine Klasse von Ausdrticken heiBt deskriptiv, wenn mindestens einer

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Folgebestimmungen ffir Sprache I. 35

ihrer Ausdriicke deskriptiv ist; andernfalls logisch. (In diesem Paragraphen bezeichnen '~1' usw. immer Klas(;len von Satzen.)

@i1 heiBt unmittelbare Folge (in I) von ~1: (UF 1). 1. wenn ~1 endlich ist und es eine Ableitung gibt,

in der RI4 (vollstandige Induktion) nicht benutzt wird und deren Pramissen die Satze von ~1 sind und deren letzter Satz @i1 ist.

(UF 2). 2. wenn es ein h gibt derart, daB ~1 die Klasse aller

Satze von der Form @i1(&t) ist, also die Klasse {@i1(!0, @i1(J~1)'

@i1 (n~")" .. }. ~I heiBt eine unmittel bare Folgeklasse (in I) von ~1'

wenn jeder Satz von ~s unmittelbare Folge einer Teilklasse von ~1 ist. Eine endliche Reihe von (nicht notwendig endlichen) Satzklassen derart, daB jede (auBer der ersten) unmittelbare Folge­klasse der ihr in der Reihe unmittelbar vorangehenden Klasse ist, heiBt eine Folgereihe (in I). @i1 heiBt Foige (in I) von ~1' wenn es eine Folgereihe gibt, deren erste Klasse ~1 und deren letzte Klasse {@i1} ist. @in heiBt Folge von @i1 oder von @i1, @is, • • @im,

wenn @in Folge von {@i1} bzw. von {@i1, @i 2, • • @im} ist. Wir sind nicht gezwungen, in der Bestimmung UF 1 die

Regel RI 4 (vollstandige Induktion) auszuschlieBen: Aber ihre Mitverwendung ware uberflussig. Denn auf Grund der gegebenen

Definitionen laBt sich zeigen, daB @is stets Folge von {@is (!~),

@i3::> @i3 (:~I)} ist. Diese Klasse sei ~1' Dann ist, wie leicht zu

sehen, jeder Satz der Form @i 3 (&J ableitbar aus ~1' also nach UF 1 unmittelbare Folge von ~1; also ist die Klasse ~2 dieser Satze unmittelbare Folgeklasse von srl' @i3 ist nach UF 2 unmittelbare Folge von ~2' also Folge von sr1.

Satz 14·1. 1st ein Satz aus anderen ableitbar, so auch Folge von ihnen.

Die Folgebeziehung hat einen weiteren Umfang ala die Ab­leitbarkeitsbeziehung. Die Bestimmung UF 2 wird durch RI4, wie die soeben angestellte tJberlegung zeigt, zum Teil ersetzt. Ein vollstii.ndiger Ersatz fur UF 2 ist weder durch RI 4 noch durch irgendwelche sonstigen SchiuBregeln der fruheren Art, also Be­stimmungen uber ,unmittelbar ableitbar' moglich. Denn diese Bestimmungen beziehen sich stets auf endlich viele Pramissen,

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36 Die definite Sprache I.

da ja eine Ableitung eine endliche Reihe von Satzen sein solI; UF 2 aber bezieht sich unter Umstanden auf unendliche Satz­klassen. [Vgl. das zu Anfang des Paragraphen gegebene Beispiel. lJtl (h) ist nicht Folge irgend einer echten Teilklasse der Klasse der Satze lJt:l (®t), geschweige denn Folge einer endlichen Teilklasse.)

Wir haben somit zwei verschiedene Deduktionsver. fahren: das engere der A bleitung und das weitere der Folge. reihe. Eine Ableitung ist eine endliche Reihe von Satzen; eine Folgereihe ist eine endliche Reihe von nicht notwendig endlichen Klassen. 'Bei der Ableitung ist jeder einzelne Schritt (namlich die Beziehung ,unmittelbar ableitbar') definit, nicht aber die durch die ganze Kette bestimmte Beziehung ,ableitbar'. Bei der Folgereihe ist schon der einzelne Schritt (namlich die Beziehung ,unmittelbare Folge') indefinit, und um so mehr die Beziehung ,Folge'. Der Begriff ,ableitbar' ist enger ala der Begriff ,Folge'. Nur der letztere trifft genau das, was man meint, wenn man sagt: "Dieser Satz folgt (logisch) aus jenem", ,,1st dieser Satz wahr, so muB (aus logischen Grunden) auch jener wahr sein". An Stelle des Begriffes ,Folge' verwendet man in den iiblichen Sprachen der symbolischen Logik gewohnlich den engeren, aber weit einfacheren Begriff ,ableitbar', indem man irgendwelche definiten SchluBregeln aufstellt. Das Verfahren der Ableitung ist aber auch stets das grundlegende; jeder Nachweis fiir das Vor­liegen irgend eines Begriffes geht schlieBlich auf eine Ableitung zuruck. Auch der Nachweis fiir das Vorliegen einer Folgebe. ziehung, also die Aufstellung einer Folgereihe in der Objekt. sprache, kann nur vorgenommen werden durch eine Ableitung (einen Beweis) in der Syntaxsprache.

Ein Satz ®l heiBt; analytiseh (in I), wenn erFolge der leeren Satzklasse (und daher Folge jedes Satzes) ist; kontradiktoriseh, wenn jeder Satz Folge von ®l ist; synthetiseh, wenn er weder analytisch noch kontradiktorisch ist.

Eine Satzklasse Sf l heiBt analytisch, wenn jeder Satz von Sf l analytisch ist; kontradiktorisch, wenn jeder Satz Folge von Sf l ist; synthetisch, wenn sie weder analytisch noch kontradiktorisch ist.

Zwei oder mehrere Satze helien unvertriiglich (miteinander), wenn ihre Klasse kontradiktorisch ist; andernfalls vertriiglich (miteinander).

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Folgebestimmungen fUr Sprache I. 37

Satz 14'2. Jeder beweisbare Satz ist analytisch, jeder wider­legbare kontradiktorisch; die Umkehrung gilt nicht allgemein.

Satz 14'3. Jedes @i1 (und ~I) ist entweder analytisch oder kontradiktorisch. Synthetisch kann nur ein @ib (bzw. ein ~b) seine

Satz 14'4. Ein ~I ist dann und nur dann kontradiktorisch, wenn mindestens ein zugehoriger Satz kontradiktorisch ist. Ein ~b kann auch kontradiktorisch sein, wenn kein zugehoriger Satz kontradiktorisch ist. - Aus diesem Grund ist es wichtig, daB nicht nur die Sii.tze, sondern auch die Satzklassen in analytische, kontradiktorische und synthetische eingeteilt werden.

Beispiel. Pt1 sei ein undefiniertes Ptb; dann sind die Satze Pt1 (uu) und --pt1 (uu) synthetisch; die Klasse dieser beiden Satze aber ist (wie ihre Konjunktion) kontradiktorisch.

Durch den Begriff ,analytisch' wird das genau erfaBt, was man etwa als ,logisch-giiltig' oder ,aus logischen Grunden wahr' zu bezeichnen pflegt. Bisher hat man meist geglaubt, die logische Giiltigkeit durch den Begriff ,beweisbar', also durch ein Ableitungsverfahren, erfassen zu konnen. Der Begriff ,beweisbar' bildet zwar eine fiir die meisten praktischen FaIle hinreichende Annaherung, erschOpft aber die logische Giiltigkeit nicht. FUr die Begriffspaare ,beweisbar' - ,analytisch' und ,widerlegbar'­,kontradiktorisch' gilt Analoges wie fiir das Paar ,ableitbar'­,Folge'.

Bei inhaltlicher Deutung ist ein analytischer Satz unbedingt wahr, mogen die empirischen Tatsachen sein, wie sie wollen. Er besagt daher nichts iiber die Tatsachen. Ein kontradiktorischer Satz dagegen besagt zu viel, um wahr sein zu konnen; aus ihm kann jede Tatsache und auch ihr Gegenteil entnommen werden. Ein synthetischer Satz ist unter Umstanden wahr, namlich wenn bestimmte Tatsachen vorliegen, und unter Umstanden falsch; daher besagt er etwas dariiber, welche Tatsachen vorliegen. Die synthetischen Satze sind -die eigentlichen Wirklichkeits­aussagen.

Wollen wir feststellen, was ein Satz @it (inhaltlich gesprochen) besagt, ohne daB wir den Bereich des Formalen verlassen und zur inhaltlichen Deutung des Satzes iibergehen, so miissen wir unter­suchen, welche S8.tze Folgen von ihm sind. Dabei konnen wir jedoch diejenigen Sii.tze auBer acht lassen, die aus jedem Satz folgen, also die analytischen Satze. Die nicht-analytischen

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38 Die definite Sprache 1.

Folgen von 6 1 bilden den Gesamtbereieh dessen, was aus 6 1

"herauszuholen" ist. Wir definieren deshalb: unter dem (logisehen) Gehalt von 6 1 oder ~1 (in I) verstehen wir die Klasse der nieht­analytisehen Sii.tze (von I), die Folgen von 6 1 (bzw. ~1) (in I) sind. Man sprieht hii.ufig vom "Inhalt" oder "Sinn" eines Satzes, ohne genau zu bestimmen, was damit gemeint sein solI. Der definierte Begriff ,Gehalt' seheint uns gerade das zu treffen, was mit ,Inhalt' oder ,Sinn' gemeint ist, sofern nieht etwas Psyehologisches und damit AuBerlogisches gemeint ist.

Sii.tze oder Satzklassen mit demselben Gehalt nennen wir gehaltgleich. Zwei Sii.tze sind offenbar dann und DJIr dann gehaltgleich, wenn jeder von beiden Folge des andern ist.

In Diskussionen fiber die Sinngleichheit bestimmter S atze werden dem Logiker sehr haufig Einwande der folgenden .Art ent­gegengehalten: "Die und die Satze konnen doch nicht denselben Sinn haben, denn man verbindet mit ihnen verschiedene Gedanken, Vor­stellungen u. dgl." .Auf diesen Einwand ist zu entgegnen, daB es sich bei der Frage der logischen Sinngleichheit nieht um die Frage der Vbereinstimmung der Vorstellungen handelt. Die letztere Frage ist psychologischer .Art; sie ist auf Grund empirischer, psycho­logischer Untersuchungen zu entscheiden; in der Logik hat sie nichts zu suchen. (Vbrigens ist die Frage, welche Vorstellungen mit einem bestimmten Satz verknfipft sind, vage und vieldeutig; die .Antwort wird je naeh der betreffenden Versuchsperson und den naheren Um­standen versehieden sein.) Bei der logischen Frage der Sinngleich­heit kann es sich um nichts anderes handeln aIs um die Vberein­stimmung der beiden Satze in allen Folgebeziehungen. Der Begriff der logischen Sinngleichheit wird daher durch den vorhin definierten syntaktischen Begriff ,gehaltgleich' genau getroffen. - .Analoges gilt fUr die Bedeutungsgleichheit zweier Begriffe, die durch den syntaktischen Begriff ,synonym' erfaBt wird.

Satz 14·5. Gegenseitig ableitbare Satze sind gehaltgleich. Die Umkehrung gilt nicht allgemein.

Zwei Ausdriicke ~1 und ~2 heiBen synonym, wenn jeder Satz 6 1, in dem ~1 vorkommt, gehaltgleich (nicht etwa nur von gleichem Wahrheitswert!) ist mit demjenigen Satz 6 2, der aus 6 1 entsteht, wenn ~1 durch ~2 ersetzt wird. Durch diesen Begriff ,synonym' ist die Beziehung formal erfaBt, die man bei inhaltlicher Deutung der Sprache als ,Bedeutungsgleichheit' bezeichnet.

Beispiele: ,2', ,0"', ,I", ,sum (1,1)' sind synonym. ,te' sei ein undefiniertes fUb; auch wenn ,te (3) = 5' ein empirisch wahrer Satz

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Folgebestimmungen fUr Sprache I. 39

ist, ist ,te (3)' nicht synonym mit ,5' und uberhaupt nioht mit irgend. einem 331 oder @'St. [Aber ,te (3)' ist synonym mit ,5' in bezug auf ,te (3) = 5'; hieruber § 65.] In der deutschen Sprache sind die Aus· drucke ,Odysseus' und ,der Vater des Telemach' nicht synonym, obwohl sie dieselbe Person bezeichnen.

Satz 14'6. 1st 31 = 38 analytisch, so sind 31 und 38 syn· onym; und umgekehrt.

Satz 14'7. a) 1st ®1:> ®s analytisch, so ist ®8 Folge von @il' - b) 1st ®z Folge von ®1 und ist ®1 geschlossen, 80 ist @i 1 :> ®s analytisch.

Satz 14'8. Zwei Satze sind dann und nur dann synonym, wenn sie gehaltgleich sind. [Dies gilt fur die Sprachen I und II und gewisse andere Sprachen, vgl. Satz 65'4 b.]

Satz 14'9. 1st ®1- ®2 analytisch, so sind ®1 und ®a gehalt. gleich; und umgekehrt.

Aus Satz 6, 8 und 9 ergibt sich, daB Definiendum und Definiens eines Definitionssatzes stets synonym sind.

Bemerkungen zur Terminologie. Anstatt des Ausdruoks ,analytisch' verwendet Wittgenstein [Tractatus] und in An· lehnung an ihnauch die bisherige Literatur des Wiener Kreises den Ausdruck ,tautologisch' oder ,Tautologie' (der aber nur im Bereich des Satzkalkiils definiert wird). Anderseits pflegt man den Ausdruck,tautologisch' auch auf Umformungen von Satzen an· zuwenden, namlich auf solche, die den Gehalt nicht vermehren; man sagt z. B.: "Die SchlUsse der Logik sind tautologisch." Es ffthrt jedoch erfahrungsgemaB leicht zu MiBverstandnissen und Ver­wirrungen, daB bier das Wort ,tautologisch' in zwei verschiedenen Bedeutungen verwendet wird, besonders da die erste Bedeutung nicht dem iiblichen Sprachgebrauch entspricht. Es diirfte deshalb zweckmaBiger sein, den Ausdruck nur im zweiten Fall (,tautolo­gisches SchlieBen') beizubehalten, dagegen im ersten FaIle den Aus­druck ,analytisch' zu nehmen (,analytische satze'). Diesen ursprling­lich Kantischen Terminus hat Frege ([Grundlagen] 4) scharfer definiert; er nennt einen Satz analytisch, wenn man fUr seinen Be­weis nur "die allgemeinen logischen Gesetze" und Definitionen be­notigt. Dubislav [Analytische] hat darauf aufmerksam gemacht, daB dieser Begriff relativ ist; er muB jeweils auf ein bestimmtes System von Voraussetzungen und Begrlindungsarten (d. h. Grund­satzen und SchluBregeln) bezogen werden; in unserer Ausdrucks­weise: auf eine bestimmte Sprache.

Der A usdruck ,kon tradiktorisch'(oder ,Kontradiktion')ist ebenfalls von Wittgenstein eingefiihrt worden (innerhalb des Satz­kalkiils); Kant hat neben den AusdrUcken ,analytisch' und ,syn­thetisch' keinen dritten Ausdruck fiir die Negationen der analytischen

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40 Die defiLUte Sprache I.

Satze verwendet. Es ware vielleicht zu uberlegen, ob man den Aus­druck ,analytisch' (nach dem Vorschlag von Dubislav [Analytische], in Abweichung yom ublichen Sprachgebrauch) als Oberbegriff nehmen und dann anstatt ,analytisch' und ,kontradiktorisch' ,analytisch wahr' und ,analytisch falsch' oder ,positiv.analytisch' und ,negativ -analytisch' sagen sollte.

C. Bemerkungen zur definiten Sprachform. 15. Definit und indefinit.

Die in der modernen Logik meist benutzte Sprachform ist diejenige, die Whitehead und Russell [Princ. Math.] auf Grund der Vorarbeiten von Frege, Peano, Schroder u. a. aufgebaut haben. Hilbert [Logik] verwendet zwar eine andere Symbolik; die Form der Sprache ist aber im wesentlichen die gleiche geblieben. In der Wahl der Zeichen fiir unsere Objekt­sprachen I und II lehnen wir uns an die Russellsche Symbolik an, da sie am meisten verbreitet ist. In der Sprachform folgen wir zwar auch in den Hauptziigen dem Russell-Hilbertschen Vorbild, weichen aber in einigen wesentlichen Punkten ab, be­sonders in Sprache 1. Die wichtigsten Abweichungen sind: Stellenzeichen anstatt Gegenstandsnamen (Koordinatensprache); beschrankte Operatoren (definite Sprache); zwei verschiedene Arten der Aligemeinheit.

fiber den Charakter unserer Sprache als Koordinaten­sprache (Stellenzeichen als Argumente) haben wir schon ge­sprochen (§ 3). Bei dieser Sprachform ergibt sich ein wesent­licher syntaktischer Unterschied zwischen den Lage­bestimmungen fiir die Stellen und den iibrigen Bestimmungen, durch die irgendwelche Beschaffenheiten der Stellen angegeben werden; die letzteren wollen wir qualitative Bestimmungen nennen. Eine Lagebeziehung wird im einfachsten Fall durch einen analytischen (bzw. kontradiktorischen) Satz ausgesprochen (z. B. "Stelle 7 und Stelle 6 sind benachbart"); dagegen wird eine qualitative Beziehung im einfachsten Fall durch einen synthetischen deskriptiven Satz ausgedriickt (z. B. "Stelle 7 und Stelle 6 haben dieselbe Farbe"). Jener Satz wird durch logische Operationen entschieden, namlich durch einen Beweis; dieser Satz aber kann nur auf Grund empirischer Beobachtungen entschieden werden, d. h. durch Ableitung aus Beobachtungs-

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Definit und indefinit. - Zum Intuitionismus. 41

satzen. Darin liegt ein wesentlicher Unterschied, der verwischt wird, wenn man die Sprache in der bisher ublichen Weise so aufbaut, daB Lagebeziehungen und qualitative Beziehungen syntaktisch gleichartig ausgedriickt werden.

Wir wollen ein Zeichen der Sprachen I und II definit nennen, wenn es eine undefinierte Konstante ist oder eine defi­nierte Konstante, in deren Definitionenkette kein unbeschrankter Operator vorkommt; andernfalls indefinit. Ein Ausdruck soll definit heiBen, wenn in ibm alle Konstanten definit und alle Variabeln beschrankt gebunden sind; andernfalls indefinit. AIle definiten Ausdriicke sind geschlossen. FUr die Ausdriicke in Sprache I fallen die Begriffe ,definit' und ,geschlossen' zu­sammen; ebenso ,indefinit' und ,offen'. Wir nennen I eine de­finite Sprache, weil in I aIle Konstanten und alle geschlosse­nen Ausdriicke definit sind. [In einem strengeren Sinne definit mag man eine Sprache nennen, in der alle Ausdrucke definit sind.] [tiber die Zulassigkeit indefiniter Begriffe vgl. § 43 bis 45.]

Einen Zahlausdruck, etwa .81' ,ausrechnen', heiBt: .81 in ein @5t umfohnen, genauer: einen Satz der Form .81 = @5t

beweisen. Einen Satz, etwa @5 l , ,entscheiden', heiBt: @51 ent­weder beweisen oder widerlegen. Es laBt sich nun zeigen, daB jedes definite .81 ausgerechnet und jedes definite @51

entschieden werden kann. Und zwar gibt as fur diese Ausrechnung bzw. Entscheidung ein festes Verfahren. Is~ ~rl

ein definites ~ri, fUl ein definites fui, so ist also ~rl (@5tl, .. @5tn )

stets entscheidbar und fu~ (@5tl, . . @5tn ) stets ausrechenbar.

16. Zurn Intuitionisrnus. Einige von den Tendenzen, die man etwa als finitistisch

oder konstruktivistisch zu bezeichnen pflegt, finden in der definiten Sprache I in gewissem Sinn ihre Verwirklichung. "In gewissem Sinn"; genau laBt sich das nicht feststelleo, da jene Tendenzen meist nur vage formuliert werden. Sie werden haupt­sii.chlich vertreten vom Intuitionismus (Poincare; gegen­wartig vor alIem Brouwer, ferner Weyl, Heyting, Becker) und von verwandten Richtungen (z. B. F. Kaufmann und Wittgenstein). Die Beriihrungspunkte sollen sogleich naher angegeben werden. Unsere Auffassung unterscheidet sich aber von den genannten Richtungen in einem· wesentlichen Punkt.

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42 Die definite Sprache I.

Wir meinen, daB die vom Intuitionismus behandelten Probleme erst durch AufstelIung eines Kalkuls scharf formuliert werden, daB aIle nicht-formalen Erorterungen nur aIs mehr oder weniger vage Vorbereitungen zur AufstelIung eines Kalkiils gelten konnen. Die Intuitionisten sind dagegen meist der Anschauung, daB der Kalkiil etwas Unwesentliches, nachtraglich Hinzukommendes sei. Nur Heyting hat einen interessanten Versuch zur Formali­sierung vom intuitionistischen Standpunkt aus unternommen; von seiner Methode wird spater die Rede sein.

Hat man sich einmal kIar gemacht, daB aIle pro- und kontra­intuitionistischen Erorterungen von der Form eines Kalkiils handeln, so wird man die Frage nicht mehr in der Form stelIen: "Wie ist das und das1", sondern: "Wie wollen wir das und das in der aufzubauenden Sprache einrichten 1" oder theoretisch gesprochen: "Welche Folgen hat es, wenn wir die Sprache so oder wenn wir sie so einrichten 1". Damit verschwindetdie dogmatische EinstelIung, durch die die Diskussion haufig un­fruchtbar wird. Wenn wir hier die Sprache I 80 aufstelIen, daB sie definit ist und dadurch gewisse intuitionistische Forderungen erfiillt, so geschieht das nicht in der Meinung, daB dies die einzig mogliche oder einzig berechtigte Sprachform sei. Vielmehr werden wir die definite Sprache I als Teilsprache in die umfassendere indefinite Sprache II einordnen; hierbei wird die Form beider Sprachen als Sache der Festsetzung angesehen.

In Sprache I sind aIle Vt( und fu( definit; ob ein bestimmtes Vt( einer bestimmten Zahl zukommt oder nicht und ob ein be­stimmtes fu( fur eine bestimmte Zahl einen bestimmten Wert hat oder nicht, ist stets entscheidbar. Dies entspricht der Forderung des Intuitionismus, Begriffe ohne Angabe eines Entscheidungsverfahrens nicht zuzulassen. Ferner hat die Nichtverwendung unbeschrii.nkter Operatoren in I zur Folge, daB unbeschrankte AIlgemeinheit zwar positiv ausgedriickt werden kann (namlich durch freie Variable), aber nicht negiert werden kann. Wir konnen nur entweder sagen ,P (x)', d. h. "AIle Zahlen haben die Eigenschaft P", oder ,'" P (x)', d. h. "AIle Zahlen haben die Eigenschaft nicht-P", "Keine Zahl hat die Eigenschaft P". Dagegen ist "Nicht aIle Zahlen haben die Eigenschaft P" in I nicht ausdruckbar; in II wird es durch ,'" (x) (P (x)' ausgedruckt werden. Diesen Satz werden wir

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Zum IntuitioniBmus. 43

in II (wie in den Sprachen von Russell und Hilbert) als gleich­bedeutend behandeln mit ,(:;:j x) (,..." P (x»', d. h. "Es gibt (min­destens) eine Zahl mit der Eigenschaft nicht-P". Derartige un­beschrankte Existenzsii.tze gibt es in I nicht. Auch das entspricht einer Forderung des Intuitionismus: ein Existenzsatz darf nur behauptet werden, wenn ein konkretes Beispiel aufgewiesen oder wenigstens ein Verfahren angegeben wird, mit dessen Hilfe in einer endlichen, beschrii.nkten Anzahl von Schritten ein Beispiel konstruiert werden kann. Den Intuitionisten gilt Existenz ohne Konstruktionsvorschrift als "unzulassig" oder "sinn­los"; es wird aber nicht ganz klar, ob (und in welcher genaueren Begrenzung) nach ihrer Ansicht Existenzsatze oder vielleicht auch schon negierte Allsii.tze durch syntaktische Formbestimmun­gen ausgeschlossen werden sollen, oder ob nur gewisse Umfor­mungsmoglichkeiten ausgeschlossen werden sollen. Es handelt sich hierbei vor allem um den indirekten Beweis auf Grund der Widerlegung eines Allsatzes. Betrachten wir ein Beispiel (,P' sei ein ~rl): (x) (P (x» (@;l)' ,..." (x) (P (x» (@;2)' (:;:j x) (,..." P (x» (@;a). In der klassischen Mathematik (und so auch in der Russell­Hilbertschen Logik und in II) schlieBt man, wenn @;l ad ab­surdum gefiihrt ist, zunachst auf @;2 und hieraus auf den Existenz­satz @;a: Um diesen SchluB auf einen unbeschrii.nkten, nicht­konstruktiven Existenzsatz auszuschlieBen, lehnt Brouwer den sogenannten Satz vom ausgeschlossenen Dritten abo Die Sprachform I zeigt nun, daB diese Absicht auch auf andere Weise erreicht werden kann, namlich durch die AusschlieBung der unbesch.rii.nkten Operatoren: Zwar kann @;l in I durch ,P (x)' wiedergegeben werden, aber @;1 und @;s sind nicht in I iibersetzbar. Dabei bleibt der Satz vom ausgeschlossenen Dritten (in I) giiltig (Satz 13'2). Die AusschlieBung dieses Satzes bringt bekanntlich erhebliche Komplikationen mit sich, die in I nicht auftreten. Sprache I erfiillt also die Grundforderungen des Intuitionismus in einfacherer Weise als die von Brouwer an­gedeutete (und von Heyting teilweise durchgefiihrte) Sprachform.

In I wird Allgemeinheit auf zwei verschiedene Weisen aus­gedriickt: durch freie Variable und durch einen Alloperator. Da letzterer'in I stets beschrii.nkt ist, sind beide Ausdrucksarten nicht gleichwertig. Wir konnen nun die beiden Ausdrucksmog­lichkeiten dazu verwenden, um zwei verschiedene Arten

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44 Die definite Spraohe I.

der Allgemeinheit auszudriicken. Betrachten wir Beispiele; 1: "AlIe Eisenstiicke auf diesem Tisch sind rund"; 2a: "AlIe Eisenstiicke sind Metallstiicke"; 2 b : "AlIe Eisenstiicke sind magnetisierbar". 1m Fall 1 beruht der Satz auf empirischer Durchpriifung einer Reihe von Einzelfallen; ein derartiger Satz ist nur feststellbar fiir ein beschranktes Gebiet; daher ist zu seiner Formulierung der beschrankte AlIoperator geeignet. In den Fallen 2a, b liegt unbeschrankte AlIgemeinheit vor. Die Giiltigkeit dieser Satze wird nicht durch eine Durchpriifung der Exemplare bestatigt. Satz 2a ist analytisch, er folgt aus der Definition von ,Eisen'. Satz 2b hat (wie aIle sogenannten Naturgesetze) den Charakter einer Hypothese; eine solche beruht auf einer konventionellen Ansetzung in Anlehnung an eine tell­weise Durchpriifung der Einzelfalle. Zur Formulierung der unbeschrankten AlIgemeinheit der Beispiele 2a, b ist die Ver­wendung der freien Variablen geeignet. F. Kaufmann hat mit Recht nachdriicklich auf den Unterschied zwischen jenen beiden Arten der AlIgemeinheit hingewiesen (er bezeichnet sie in Ankniipfung an HusserI als individuelle (1) und spezifische (2a) Allgemeinheit). lOb seine auf diese Unterscheidung gegriindete Kritik der bisherigen Logik, besonders Russells, und der Mengen­lehre in allen Punkten zu Recht besteht, bleibe dahingestellt.] Vielleicht stellt die Sprachform I die Verwirklichung eines Telles der Ideen von Kaufmann dar; genau lii.Bt sich das nicht entschei­den, da K. ebensowenig wie Brouwer Ansatze zur Aufstellung eines formalen Systems gibt. Eine Abweichung von der Sprach­form I liegt darin, daB K. wie Wittgenstein die Sii.tze der Art 2b fUr unzulassig halt, da sie weder analytisch noch beschrankt sind und daher iiberhaupt nicht vollstandig verifiziert werden konnen; im Unterschied zu dieser Auffassung laBt die Sprach­form lauch synthetische unbeschrankt allgemeine Satze zu.

17. Toleranzprinzip der Syntax. Wir haben im vorangehenden einige Beispiele negativer

Forderungen (besonders von Brouwer, Kaufmann, Wittgenstein) besprochen, durch die gewisse iibliche Sprachformen - Aus­drucksweisen und SchluBweisen - ausgeschaltet werden sollen. Unsare Einstellung zu Forderungen dieser Art sei allgemein formuliert durch das Toleranzprinzip: wir wollen nicht

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Toleranzprinzip der Syntax. 45

Verbote aufstellen, sondern Festsetzungen treffen. Einige der bisherigen Verbote haben das historische Verdienst, daB sie auf wichtige Unterschiede nachdriicklich aufmerksam gemacht haben. Aber solche Verbote konnen durch eine defini­torische Unterscheidung ersetzt werden. In manchen Fallen geschieht das dadurch, daB Sprachformen verschiedener Arten nebeneinander untersucht werden (analog den Systemen eukli­discher und nichteuklidischer Geometrie), z. B. eine definite Sprache und eine indefinite Sprache, eine Sprache ohne und eine Spraehe mit Satz yom ausgeschlossenen Dritten. Zuweilen ist ein Verbot dadurch zu ersetzen, daB der gemeinte Unter­schied innerhalb einer bestimmten Sprachform durch eine ge­eignete Einteilung der Ausdriicke und Untersuchung der ver­schiedenen Arten beriicksichtigt wird. So werden z. B. in I deskriptive und logische Pradikate unterschieden, wahrend Witt­genstein und Kaufmann logische oder arithmetische Eigenschaften ablehnen; in II werden definite und indefinite Pradikate unter­schieden und ihre verschiedenen Eigenschaften festgestellt; ferner unterscheiden wir in II beschrankt allgemeine Siitze, analytische unbeschrankt allgemeine Satze und synthetische unbeschrankt allgemeine Satze, wahrend Wittgenstein, Kaufmann und Schlick die Satze der dritten Art (Naturgesetze) aus der Sprache ausschalten wollen, weil sie nicht vollstandig verifizier­bar sind.

In der Logik gibt es keine Moral. Jeder mag seine Logik, d. h. seine Sprachform, aufbauen wie er will. Nur muB er, wenn er mit uns diskutieren will, deutlich angeben, wie er es machen will, syntaktische Bestimmungen geben anstatt philo­sophlscher Erorterungen.

Die hier gemeinte tolerante Einstellung dUrfte, bezogen auf spezielle mathematische Kalkiile, den meisten Mathematikern nahe­liegen, ohne daB man sie ausdrucklich auszusprechen pflegt. 1m Streit um die logischen Grundlagen der Mathematik ist sie mit besonderem Nachdruck (und anscheinend zuerst) von Menger [lntuitionismus] 324f. vertreten worden. Menger weist darauf hin, daB der Begriff der Konstruktivitat, den der Intuitionismus verabsolutiert, enger und weiter genommen werden kann. - Wie wichtig es fUr die Auf­klarung philosophischer Scheiriprobleme ist, die tolerante Einstellung auch auf die Form der Gesamtsprache zu beziehen, wird spater deutlich werden (vgl. § 78).

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46 Formaler .Aufbau der Syntax der Sprache I.

II. Formaler Aufbau der Syntax der Sprache I. 18. Die Syntax von I kann in I formuliert werden.

Wir haben bisher unterschieden zwischen der Objektsprache und der Syntaxsprache, in der die Syntax der Objektsprache formuliert wird. Sind dies notwendig zwei verschiedene Sprachen 1 Wenn man diese Frage bejaht (wie es z. B. Herbrand in bezug auf die Metamathematik tut), so wird zur Formulierung der Syntax der Syntaxsprache eine dritte Sprache benotigt, usf. ins Unendliche. Nach einer anderen Auffassung (Wittgenstein) gibt es nur Eine Sprache; was wir Syntax nennen, kann nach dieser Auffassung iiberhaupt nicht ausgesprochen werden, sondern "zeigt sich". 1m Unterschied zu diesen Auffassungen wollen wir zeigen, daB man tatsachlich mit Einer Sprache auskommt; aber nicht durch Verzicht auf die Syntax, sondern dadurch, daB die Syntax dieser Sprache in dieser Sprache selbst formuliert werden kann, ohne daB dadurch ein Widerspruch entsteht. In jeder Sprache S kann die Syntax irgendeiner beliebigen Sprache - gleichviel ob die einer ganz andersartigen Sprache oder die einer Teilsprache von Soder die von S selbst - in dem­jenigen Umfang formuliert werden, der durch den Reichtum der Sprache S an Ausdrucksmitteln gegeben ist. So kann mit den Mitteln der definiten Sprache I der definite Teil der Syntax jeder beliebigen Sprache formuliert werden, z. B. der Russell­schen Sprache oder der Sprache II oder auch der Sprache I selbst. Das letztere soIl im folgenden durchgefiihrt werden: wir werden die Syntax von I - soweit sie definit ist - in I selbst formulieren. Dabei kann es auch vorkommen, daB ein Satz @:i 1 von I, inhaltlich gedeutet als syntaktischer Satz, iiber @:i 1 selbst spricht, ohne daB dabei ein Widerspruch entsteht.

Wir unterscheiden zwischen deskriptiver und reiner Syntax (vgl. S. 7). Ein Satz der deskriptiven Syntax irgendeiner Sprache kann z. B. besagen, daB an einer bestimmten Stellen­reihe ein Ausdruck der und der Art stehe. [Ein Zeichen nimmt eine Stelle ein, ein Ausdruck nimmt eine Stellenreihe ein.] Bei­spiel: "Auf Seite 31, Zeile 7 dieses Buches steht ein Ausdruck von der Form 3 = 33t" (nam1ich ,x = 2'). Da. Sprache I iiber hinreichende Ausdrucksmittel verfiigt, um die Beschaffenheit eines diskreten Stellengebietes zu beschreiben, so kann ein der-

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Arithmetisierung der Syntax. 47

artiger deskriptiv-syntaktischer Satz in I formuliert werden, ganz gleich, ob er einen Ausdruck einer andern Sprache oder einen Ausdruck von I beschreibt. Man konnte z. B. so vorgehen. daB man in I undefinierte ~rb fiir die verschiedenen Zeichen­arten der zu beschreibenden Ausdriicke aufstellt (wir werden statt dessen spater ein einziges undefiniertes fUb ,zei' aufstellen); z. B. fiir die Variablen das ~rb ,Var', fiir die logischen Zahlzeichen das ~rb ,LogZz', fiir das Identitatszeichen das ~rb ,Id', usw. Be­zeichnen wir dann die Stelle auf Seite 31, an der ,x = 2' anfangt, mit ,a', so ist jener deskriptiv-syntaktische Satz in folgender Weise in I zu formulieren: ,Var (a). Id (al ). LogZz (all)'. Dies ist ein synthetischer deskriptiver Satz. Wir konnen dann weiter z. B. das lJrb ,LogSatz' so definieren, daB ,LogSatz (x, u)' besagt: "An der Stellenreihe von x bis x + u steht ein @5(". Dann ist der Satz "Jeder Ausdruck'der Form ~ = 3~{ ist ein @5r" in I wieder­zugeben durch ,(Var (x) • Id (Xl) • LogZz (xli» :> LogSatz (x, 2)'; dies ist ein analytischer Satz, der sich aus der Definition von ,LogSatz' ergibt.

19. Arithmetisierung der Syntax. Man kann, wie friiher erwahnt, irgendwelche ~rD stets durch

fUb ersetzen. Mehrere ~rD mogen zusammengehorig heiBen, wenn jeder Stelle hochstens Eines von ihnen zukommen kann. Dann kann man eine Klasse zusammengehoriger ~rD stets durch Ein fUb ersetzen, indem man den einzelnen ~rb systematisch oder willkiirlich je einen Wert des fUb zuordnet. [Beispiel. Die Klasse der auszudriickenden Farben sei endlich. Wir konnen jede Farbe durch ein ~rb ,Blau', ,Rot' usw. ausdriicken. Diese ~rb sind dann zusammengehorig. Daher konnen wir sie durch Ein fUb' etwa ,fa', ersetzen, indem wir die Farbenirgendwie numerieren und festsetzen, daB ,fa (a) = b' besagen soll: "An der Stelle a ist die Farbe Nr. b".] So wollen wir auch bei der Formulierung der Syntax von I in I die verschiedenen Zeichen­arten nicht durch verschiedene l'tb bezeichnen (wie in dem Bei­spiel von § 18 durch ,Id' usw.), sondern durch Ein fUD ,zei'. Die Werte von ,zei' werden wir den verschiedenen Zeichen (- Gestalten) zuordnen (teils willkiirlich, teils nach gewissen Regeln); WIT nennen si~ die GIiedzahlen der betreffenden Zeichen. Z. B. werden wir dem Identitii.tszeichen die Gliedzahl15 zuordnen; d. h. wir

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48 Formaler Aufbau der Syntax der Sprache 1.

wollen (anstatt ,Id (a)') ,zei (a) = 15' schreiben, wenn aus­gedriickt werden solI, daB an der Stelle a das Identitatszeichen steht. FUr die Wahl dieses Verfahrens der Arithmetisierung der Syntax spricht nicht nur die Ersparung an syntaktischen Grundbegriffen, sondern auch noch andere Griinde, die spii.ter erortert werden. [Wir bedienen uns bei der Arithmetisierung der Methode, die Godel [Unentscheidbare] mit groBem Erfolg ill der Metamathematik, der Syntax der Mathematik, angewendet hat.]

Die Festsetzung der Gliedzahlen fiir die verschiedenen Zeichen kann im allgemeinen beliebig getroffen werden. Nur muB dafiir gesorgt werden, daB fiir die Variablen, deren Anzahl ja unbeschrankt ist, unbeschrii.nkt viele Gliedzahlen zur Verfiigung stehen; ebenso fiir die 33, \,t: und fu. Wir wollen nun in folgender Weise fiir die Gliedzahlen dieser Zeichenarten unendliche Klassen von Zahlen bestimmen. p durchlaufe die Primzahlen groBer als 2. Nun bestimmen wir: die Gliedzahl eines 3 solI ein p sein (also irgendeine Primzahl groBer als 2); die Gliedzahl eines defi­nierten 33 soll.ein r sein (also zweite Potenz irgendeiner Prim­zahl groBer als 2); die Gliedzahl eines undefinierten \'t: solI ein p3 sain, die eines definierten \'t: ein pIA, die eines undefinierten fu ein p5 (und zwar die Gliedzahl von ,zei': 35, also 243), die eines definierten fu ein p6. Es werden jedoch nicht alle Zahlen der hiermit bestimmten Klassen als Gliedzahlen verwendet; die Auswahl wird spater bestimmt. Fiir die iibrigen Zeichen, namlich die undefinierten logischen Konstanten, bestimmen wir (willkiirlich) andere Zahlen, und zwar:

fiir das Zeichen: ° ( I = ;:) K "" V :> C :It qJ

die Gliedzahl: 4,6, lO, 12, 14,15,18,20,21,22,24,26,30,33,34.

[Die letzten drei Zeichen sind Hilfszeichen, die nicht in den Ausdriicken der Sprache selbst vorkommen; hieriiber S.59.]

Wird in I irgendeine empirische Theorie formuliert, so treten die deskriptiven Grundzeichen dieser Theorie zu den logischen Grundzeichen von I. So auch bei der Formulierung der deskrip­tiven Syntax; hier ist ,zei' das einzige zusatzliche Grundzeichen. In dem folgenden Aufbau des Systems der syntaktischen Defini­tionen wird ,zei' aber zunii.chst nicht verwendet. Denn hierbei handelt es sich nicht um deskriptive, sondern um reine Syntax;

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Arithmetisierung der Syntax. 49

diese aber besitzt kein zusii.tzliches Grundzeichen, da sie nichts anderes als Arithmetik ist. Da den Zeichen Gliedzahlen entsprechen, so entsprechen den Ausdriicken Reihen von Gliedzahlen, z. B. dem Ausdruck ,x = 0' die Reihe 3, 15, 4. Die Begriffe und Sii.tze der reinen Syntax beziehen sich nun anstatt auf die Zeichenreihen auf die entsprechenden Reihen von Gliedzahlen; sie sind somit arithmetische Begriffe bzw. Sii.tze.

Die Formulierung der Syntax wird technisch einfacher, wenn wir mit der Methode der Zahlenzuordnung noch einen Schritt weiter gehen. Wir wollen eine Regel aufstellen, durch die jeder Reihe von GIiedzahlen eindeutig eine Zahl - wir nennen sie die Reihenzahl der Reihe - zugeordnet wird. Danach haben wir es nicht mehr mit Zahlenreihen, sondern nur noch mit ein­zelnen Zahlen zu tun. Die Regel lautet: als Reihenzahl fiir eine Reihe, die aus n Gliedzahlen k1, k 2 , •• kn besteht, ist P1k, • pi'" •... . pln zu nehmen, wobei Pi (i = 1 bis n) die i-te Primzahl, der GroBe nach, sein solI. [Beispiel. Die Reihe 3, 15, 4 und damit der Ausdruck ,x = 0' hat die Reihenzahl 23 .315 .5'.] Da die Zerlegung einer Zahl in ihre Primfaktoren eindeutig ist, so laBt sich aus einer Reihenzahl wieder die Reihe der GIiedzahlen in ihrer ursprungIichen Anordnung" zUrUckgewinnen und damit auch der Sprachausdruck, dem die Reihenzahl zugeordnet ist. [Die fruher angegebenen Bestimmungen uber Gliedzahlen sind ubrigens - was jedoch nicht erforderlich ist - so getroffen, daB keine Gliedzahl zugleich Reihenzahl irgendeiner Reihe ist.]

Das Verfahren der Reihenzahlbildung kann iteriert werden. Z. B. entspricht einem Beweis als einer Reihe von Satzen zu­nachst eine Reihe von Reihenzahlen. Dieser Reihe von Reihen­zahlen ordnen wir dann nach dem beschriebenen Verfahren eine Reihenreihenzahl zu.

Auf Grund dieser Festsetzungen uber Glied- und Reihen­zahlen werden nun aIle Definitionen der reinen Syntax zu arithmetischen Definitionen, namIich zu Definitionen von Zahl­Eigenschaften und -Beziehungen. Z. B. wird die Definition fUr ,Satz' (in Wortumschreibung) nicht mehr die Form haben: "Ein Ausdruck heiBt ein Satz, wenn er so und so aus Zeichen zu­sammengesetzt ist", sondern: "Ein Ausdruck heiBt ein Satz, wenn seine Reihenzahl die und die Bedingungen erfiillt" oder

Car nap, Syntax, 2. Auft.

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50 Formaler Aufbau dar Syntax der Spraehe I.

genauer: "Eine Zahl heiSt Reihenza.hJ. eines Satzes, wenn sie die und die Bedingungen erfiillt". Diese Bedingungen betreffen nur die Art und Reihenfolge der Zeichen des Ausdrucks, also die Art und Reihenfolge der Exponenten der Primfaktoren der Reihenzahl; wir werden sie daher rein a.rithmetisch ausdriicken konnen. AIle Sii.tze der reinen Syntax folgen aus diesen arith­metischen Definitionen und sind somit analytische Satze der elementaren Arithmetik. Die Definitionen und Sitze der in dieser Weise arithmetisierten Syntax unterscheiden sich von den iibrigen Definitionen und Sii.tzen der Arithmetik nicht grundsatzlich, sondern nur d&durch, daB wir ihnen innerh&lb eines bestimmten Systems eine bestimmte (namlich die syntaktische) Deutung geben.

Wird d&s Verfamen der Arithmetisierung nicM angewendet, so treten bei der exakten Formulierung der Syntax gewisse Schwierigkeiten auf. Betrachten wir etwa den synt&ktischen Satz ,,@51 ist nicht beweisbar"; er bedeutet: "Keine So.tzreihe ist ein Beweis mit dem Endsatz @51". Wird die Syntax nicht arithmetisiert, sondern, wie friiher angedeutet, mit Hille von tJto (,Var' usw.) o.ufgebaut, so ko.nn man sie etwa deuten a.ls Theorie iiber bestimmte physiko.lische Gegenstandsreihen, nam­lich die Reihen von Schriftzeichen. In einer solchen Synto.x kann man zwar ausdriicken: "Es gibt keinen wirklich geschrie­benen Beweis fiir @51"; aber jener Satz iiber die Nichtbeweis­bo.rkeit von @51 will jo. weit mehr besagen, namlich: "Es ist kein Beweis 'fiir @51 moglich". Um einen solchen So.tz iiber Moglichkeit in jener nicht o.rithmetisierten Synto.x (gleichviel, ob mo.n sie physikalisch deutet oder nicht) o.usdriicken zu konnen, miiBte diese Syntax erganzt werden dur{!h eine (nicht empirische, sondern ano.lytische) Theorie moglicher Anordnungen irgend­welcher Elemente, o.lso durch eine reine Kombina.torik. Es er­weist sich o.ber als weit einfacher, anstatt eine solche Kombina­torik in nicht-o.rithmetischer Form neu o.ufzubo.uen, die Arith­metik der no.tiirlichen Zo.hlen zu verwenden, die jo. die ganze Kombino.torik (endlich oder o.bzahlbo.r vieler Elemente) in sich enthii.lt. Dies ist der wichtigste Grund fiir die Arith­metisierung der Synto.x. In der o.rithmetisierten Synto.x lo.utet jener So.tz: "Es gibt keine Zo.hl, die Reihenreihenzo.hl eines Beweises mit dem Endsatz @51 ware". Wir werden sehen, daB sich eine a.rithmetische Definition aufstellen laBt fiir die

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Allgemeine Bestimmungen. 51

Eigenschaft einer Zahl, Reihenreihenzahl eines Beweises mit einer vorgegebenen Reihenzahl als Endzahl zu sein. Jener Satz hat aDmit die Form: "Es gibt keine Zahl mit der und der arith­metischen Eigenschaft"; dies ist ein rein arithmetischer Satz. Auf Grund der Arithmetisierung sind wir imstande, auch die­jenigen syntaktischen Begriffe, die (wie z. B. Ableitbarkeit und Beweisbarkeit) von einer bestimmten Moglichkeit sprechen, ohne verwickelte neue Hilfsmittel auszudriicken.

20. Allgemeine Bestimmungen. Wir geben jetzt den Aufbau der Syntax von I, dargestellt

in I, als System arithmetischer Definitionen. Den Definitionen sind Erlauterungen (in Kleindruck) beigefiigt, die auf die Deutung der betreffenden Begriffe als syntaktischer Begriffe hinweisen. Die Erlii.uterungen sind der Kiirze wegen oft ungenau· und unkorrekt formuliert; die exakte Darstellung der Syntax besteht allein aus den symbolisch geschriebenen Definitionen. AIle Zeichen, die in diesen Definitionen verwendet werden, gehoren entweder zu den logischen Grundzeichen von I (vgl. S. 22) oder werden im folgenden definiert; und zwal' werden definiert gewisse 33[, jJtl und fUI' Fiir die folgenden Definitionen verwenden wir als 3 die Buchstaben ,k', ,l', .. ,z'; [spater in Sprache II werden ,p', .. ,t' als Satzvariable verwendet, die in I nicht vorkommen].

Die ersten Definitionen (D 1-23) sind allgemeiner Art, fiir die Syntax beliebiger Sprachen verwendbar.

D 1. nf (x) = Xl

D 2. 1. sum (0, y) = y 2. sum (Xl, y) = nf (sum (x, y»

D 3. 1. prod (0, y) = 0 2. prod (Xl, y) = sum (prod (x, y), y)

D 4. 1. po (0, y) = 01

2. po (k', y) = prod (po (k, y), y) D 5. pot (x, k) = po (k, x)

D 6. 1. fak (0) = 01

2. fak (xl) = prod (fak (x), xl). Zu D 1-6. Explizite (D I, 5) bzw. rekursive (D 2, 3, 4, 6)

Definitionen fur sechs fUI mit der Bedeutung: Nachfolger (von x),

4*

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62 Forwaler Aufbau der Syntax der Sprache I.

Summe (von :11 und y), Produkt, Potenz (,pot (:11, y)': "a;Y"), Fakultat (vgl. S. 13). ,po' ist nur ein Hilf8begriff fiir ,pot'; er ist erforderlich, weil wir festgesetzt haben, daB die er8te Argument8telle Rekursionsstelle 8ein 8011.

Auf Grund der aufgestellten rekursiven Definitionen fiir ,sum' und ,prod' konnen mit Hille von RI4 (vollstandige In­duktion) die iiblichen Grundgesetze der Arithmetik (kom­mutative, assoziative und distributive Gesetze) bewiesen werden, und weiterhin alle bekannten Lehrsatze der elementaren Arith­metik.

D7.1. 1=01; 2.2= II; ... 10.10= 91; ••• 34.34= 331•

Definierte 33. 80weit wir 8ie brauchen. Hierbei i8t eine mehr-8tellige Dezima.lziffer als Ein unzerlegbare8 33 genommen.

D 8. Grgl (x, y) - (;J u) x (x = sum (y, u» D 9. Gr (x, y) - (Grgl (x, y) • '" (x = y» D 10. Tlb (x, y) = (;J u) x (x = prod (y, u» D II. Prim (x) = ('" (x = 0). '" (x = I) • (u) x «u = I) V

(u = x) V '" Tlb (x, ul))

D 8-11. Vier i)fl mit der Bedeutung: :11 >y; :11 > y; :11 i8t teilbar durch y; :11 i8t Primzahl (vgl. S. 12).

D 12. I. pr (0, x) = 0 2. pr(nl, x)= (Ky) x (Prim (y). Tlb(x, y). Gr (y,pr(n, xl))

pr(n, :11): die note (der GroBe nach) in :11 als Faktor enthaltene Primzahl.

D 13. I. prim (0) = 0 2. prim (nl) = (Km) nf [fak (prim (n))] [Prim (m) •

Gr (m, prim (n»]

prim (n) i8t die n·te Primzahl, der GrO.lle nacho

D 14. gl (n, x) = (Ky) x [,....., Tlb (x, pot [pr (n, x), yi])] gl(n,:I1): die n·te Gliedzahl der Reihe mit der Reihenzahl x.

D 15. lug (x) = (Kn) x (pr (nl , x) = 0) lug (:11): die Lange (d. h. Anzahl der Glieder) der Reihe mit

der Reihenzahl :11.

D 16. letzt (x) = gl (lug (x), x)

letzt (:11) ist die letzte Gliedzahl der Reihe mit der Reihenzahl :11.

Page 65: Logische Syntax der Sprache ||

Allgemeine Bestimmungen. 53

D 17. 1. reihe (8) = pot (2,8) 2. reihe2 (8, t) = prod (reihe (8), pot (3, t» 3. reihe3 (8, t, u) = prod (reihe2 (8, t), pot (5, U»

reihe (s): die Reihenzahl (28) einer Reihe, deren einzige Gliedzahls ist; reihe2 (s, t): die Reihenza.hl (2 8 • 3t) einer Reihe, deren Glied­zahlen s, t sind; usw. [In ,reihe2' ist ,2' kein 33, sondern unselb­standiger Bestandteil des fUr ,reihe2'.]

Wir wollen fiir die Erlauterungen folgende Abkiirzungen einfiihren. Anstatt ,Gliedzahl von ... ' schreiben wir ,Gz .. _' (z. B. ,GZNegationszeichen', das ist 21). Anstatt ,Reihenzahl von .. _' schreiben wir ,RZ ... ' (z. B. ,RZ~l" ,RZOperator' und dgl.). Anstatt ,Reihenreihenzahl von ... ' schreiben wir ,RRZ ... ' (z. B. ,RRZBeweis'). Lesen wir die Wortumschreibung einer Definition unter Weglassen dieser Indizes, so erhalten wir die syntaktische Interpretation der Definition [z. B. bei der Er­lauterung zu D 18: "zus (x, y) ist die Reihe, die zusammengesetzt ist aus zwei Teilreihen x und' y"]. Lesen wir dagegen die Um­schreibung mit den Indizes, so erhalten wir (meist nicht buch­stii.blich genau) die arithmetische Deutung der Definition. CZ. B. bei D 18: "zus (x, y) ist die Reihenzahl der Reihe, die zusammen­gesetzt ist aua zwei Teilreihen mit den Reihenzahlen x und y"]. 1m folgenden werden wir zunii.chst diese Indizes stets anfiigen; spater nur noch, wo es der Deutlichkeit wegen wiinschenswert erscheint.

D 18. 1. zus (x, y) = (Kz) pot [prim (sum [lng (x), lng (y)]),

sum(x, y)] [en) lng(x) (gl(n, z) = glen, x» • (n) lng(y) ('" (n = 0) ::> [gl (sum [lng (x), n], z) = gl (n, y)])]

2. zus 3 (x, y, z) = zus (zus (x, y), z) 3. zus 4 (x, y, z, u) = zus (zus 3 (x, y, z), u)

usf. zus (x, y) ist die RZReihe, die zusammengesetzt ist aus zwei

RZTeilreihen x und y (nicht: GZGliedern; Unterschied zu ,reihe2 (s, t)'!). Entsprechend zus3 usf. bei Zusammensetzung aus 3 oder mehr RZTeilreihen.

D 19. ers (x, n, y) = (Kz) pot [prim (sum [lng (x), lng (y)]),

sum (x, y)] «3 u) x (3 v) x [(x = zus 3 (u,reihe [gl (n, x)], v». (z = zus 3 (u, y, v». (n = nf [lng (u)])])

ers(x, n, y) ist der RZAusdruck, der aus dem RZAusdruck x ent­steht, wenn das note RZGlied in x durch den RZAusdruck y er­setzt wird.

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54 Formaler .Aufbau der Syntax der Sprache 1.

D 20. InA (t, x) = (~ n) lng (x) ("" (n = 0). [gl (n, x) = t]) D 21. InAR (t, r) _ (~ Ie) lng (r) ("" (Ie = 0) • InA [t, gl(le, rn) D 22. AInA (x, y) = (~ u) y (~ v) y (y = zus3 (u, x, v» D 23. AInAR (x, r)= (~Ie) lng (r) ("" (Ie = 0). AInA[x, gl (Ie, r)])

D 20: Das GZZeichen t kommt im RZ.Ausdruck x vor. D 21: t kommt in einem RZ.Ausdruck der RRZ.Ausdrucksreihe r vor. D 22: Der .Ausdruck x kommt (als echter oder unechter Teil) im .Ausdruck y vor. D 23: Der .Ausdruck . x kommt in einem .Ausdruck der .Aus­drucksreihe r vor.

21. Formbestimmungen: 1. Zahlausdrucke und Sitze. D 24. einkl (x) = zus3 (reihe (6), x, reihe (10»

Ist x RZ211, so ist einkl(x) die RZEinklammerung von x, d. h. der .Ausdruck (21 1),

D 25. Var (8) = (Prim (8) • Gr (8, 2»

Var (8): 8 ist eine Primzahl groBer als 2 (also als Gliedzahl: eine GZVariable).

D 26. DeftZz 1 (8) = (~m)8 (V~r (m). [8 = pot (m, 2)]) Analog sind aufzustelIen: D 27: DeftPradl (8); D 28:

DeftFu 1 (8).

D 26-28. 8 ist ein definiertes GZMl (bzw. pr 1 bzw. fu 1), wenn 8

zweite (bzw. vierte bzw. sechste) Potenz einer Primzahl groBer als 2 ist. (Uber den Zusatz ,1' spater.)

Bemerkung ·zu den Gliedzahlen definierter Zeichen. Wir haben den definierten Zeichen der verschiedenen Arten als Gliedzahlen die Zahlen dreier Klassen zugeordnet, namlich die zweiten, vierten und sechsten Potenzen von Primzahlen groBer als 2. Wir werden jedoch spater die Methode der Definition von Zeichen derart festsetzen, daB nicht aIle Zahlen der genannten drei Klassen als Gliedzahlen fUr definierte Zeichen verwendet werden, sondern nur solche Zahlen, die gewisse Bedingungen er­fiillen. Wir nennen ein GZZeichen basiert, wenn es entweder diese Bedingungen erfiillt oder Grundzeichen ist. Jene Bedingungen werden I!O aufgestelIt, daB ein Zeichen, das sie erfiilIt, durch seine Definitionenkette auf die Grundzeichen zurUckgeht. - Einen RZAusdruck nennen wir basiert, wenn jedes seiner GZGlieder basiert ist.

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Formbestimmungen: 1. Zahlausdrucke und Satze. 55

Unter die zunii.chst definierten Begriffe, deren Bezeichnungen (und zwar die Wortbezeichnung, das Frakturzeichen und das Prii.dikat im formalen System) den Zusatz ,1' oder ,2' tragen (von ,definiertes 331', D 26, bis ,konstruiert2', D 78) fallen auch nichtbasierte Zeichen bzw. Ausdriicke. Es sind nur Hilfsbegriffe fiir die spii.teren Definitionen.

D 29. UndPrii.d (s, n) == (~k) s [s = pot (prim [pot (kll, n)],3») Analog D 30: UndFu (s, n).

8 ist ein undefiniertes prn (bzw. fun), wenn es eine Zahl k gibt derart, daB 8 dritte (bzw. funfte) Potenz der (k + 2)n-ten Primzahl ist. (Diese Bestimmung wird getroffen, damit sich aus der Gliedzahl eines prn oder fun die Stellenzahl n eindeutig ergibt, die ja fur die syntak­tischen Bestimmungen wesentlich ist.)

D 31. Zzi (s) = (DeftZzi (s) V Var (s) V (s = 4» 8 ist ein GZM I, wenn 8 entweder ein definiertes GZ33 I oder ein 3

oder uu ist (vgl. S. 24).

D 32. Prii.dI (s) = [DeftPrii.dI (s) V (~ n) s (UndPrii.d (s, n»]

8 ist ein GZpr I, wenn 8 entweder ein definiertes pr I oder ein un­definiertes pr ist. Analog D 33: Ful (s): ful.

D 34. AOpi (z,s,v) _ [Var(s}. (z = zus(einkl [reihe(s)], v» • ,....., InA (s, V)]

Analog D 35: EOp 1 (z, s, v); D 36: KOp 1 (z, s, v). D 37. SOpi (z, s, v) == (AOpi (z, s, v) V EOpl (z, s, V})

D 38. Op 1 (z, s, v) =-" (SOp 1 (z, s, v) V KOp 1 (z, s, v»

ZU D 34: z ist RZAlloperatorl mit der GZOperatorvariablen s und der RZSchranke v, d. h. z hat die Form (h) 2t 1 , wobei 51 in ~{l nicht vorkommt. - Zu D 35-38: ExistenzoperatorI, K-Ope­ratorI, Satzoperatorl (d. h. All- oder ExistenzoperatorI), Ope­ratorl (d. h. Satz· oder K-Operatorl).

D 39. ZAI (z) .~. (~s) z (~v) z (~w) z (~ y) z ([Zzl (s). [z = reihe (S)]] V [z = zus [v, reihe (14)]] V [Fu 1 (s) • (z = zus[reihe (s), einkl (w}])] V [KOpl (y, s, v). (z = zus[y, einkl (wn)))

z ist ein RZ3I, wenn z eine der folgenden Formen hat: 1131, 2t I ',

fu 1 (2tz), (K3) 2t1 (2t a) (vgl. S. 24). 2t1, 2t z, 2ta sind hier beliebige Aus­drucke; dagegen ist bei einem 32 (D 53) 2t1 ein 32, 2t2 eine Reihe aus mehreren 32 und Kommata, ~!3 ein 62; im Unterschied zu einem 32 ist ein 3 (,ZA', D 87) basiert. Analoges gilt fur 61 (D 47), 62 (D 54) und 6 (,Satz', D 88).

D 40. neg (x) = zus (reihe (21), einkl (x»

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56 Formaler Aufbau der Syntax der Sprache 1.

D 41. dis (x, y) = zus3 (einkl (x), reihe (22), einkl (y» Analog D 42: kon (x, y); D 43: imp (x, y); D 44: aq (x, y).

Sind x und y RZAusdriicke ~l' ~a, so ist neg(x) die RZNegation ,...... (~l)' dis(x, y) die Disjunktion (~l) V (~a); analog: Konjunktion, Implikation, Xquivalenz.

D.45. Verkn (x, y, z) = [(x = dis (y, Z» V (x = kon (y, z» V

(x = imp (y, z» V {x = ii.q (y, z»)].

x ist eine RZVerkniipfung von y und IS: (~l) t>edn (~a).

D 46. gig (x, y) = zus3 (x, reihe (15), y)

Sind x und y Ausdriicke ~l' ~I' so ist gIg (x, y) die RZG leich ung ~l = ~I'

D47. Satzl (Z)=(;:I8) z (;:Iv) z (;:Iw) z (;:Iy) z ([z = gig (v, w)] V [Pradl (8). (z = zus [reihe (8), einkl (v)])] V Iz = neg (v)] V Verkn (z, v, w) V [SOp 1 (y, 8, v) • (z = zus [y, einkl (w)])])

IS ist ein 61, wenn IS eine der folgenden Formen hat: ~l = ~2' pI: 1 (~3)' ,...... (~,), (~,)t>edn(~5)' (3) '!l (~,) oder GI 3) ~l ('!,) (vgl. S. 24). Der Unterschied zwischen 61, 62 und 6 ist analog dem zwischen ,81, ,82 und ,8.

D 48. VR (x, n) = ([Ing (x)1 = prod (2, n)] • (Te) lng (x) (;:1m) k [(k = 0) V ([Te = prod (2, m)IJ • Var [gl (Te, x)]) V ([k = prod (2, m)] • [gl (Te, x) = 12])])

Ein Ausdruck x heillt eine n-stellige Variablenreihe, wenn er aus n Variablen und dazwischenstehenden Kommata besteht.

D 49. UKstr 1 (z, w) _ ([ZAI (w). (z = zus [w, reihe (14)])] V [Satz 1 (w) • (z = neg (w»] V (;:I n) Ing (w) (;:I 8) z [(VR (w, n) • (Ful (8) V Pradl (8». (z = zus [reihe (8), einkl (w)]) V (VR (w, n). Var (8) • (z = zus [w, reihe2 (12, 8)])])

Ein Ausdruck IS heillt unmittelbar konstruiert aus Einem andern Ausdruck w, etwa ~l' wenn er eine der folgenden Formen ha.t: 1. '!ll, wobei ~l ein ,81 iet; 2. ,...... (~l)' wobei ~1 ein 61 ist; 3. ful(~l) oder PI: 1 (~l)' wobei ~l eine Variablenreihe ist; 4. ~1,3, wobei ~l eine Variablenreihe ist.

D 50. UKstr2 (z, v, w) - [(;:I 8) Z (;:I y) z(ZAI (v). Satzl (w).

Op 1 (y, 8, v) • (z = zus [y, einkl (wm) V (ZA 1 (v) • ZA 1 (w) • [z = gig (v, w)]) V (Satz 1 (v). Satz 1 (w) • Verkn (z, v, w» V (;:I n) lng (v)

(Var [gl (n, v)]. ZAI (w). [z = era (v, n, w)])]

Ein Ausdruck IS heillt unmittelbar konstruiert aus zwei a.ndern Ausdriicken v, w, etwa ~l' ~I' wenn er eine der fo1genden

Page 69: Logische Syntax der Sprache ||

Formbestimmungen: 1. Zahlausdrucke und Satze. 57

Formen hat: 1. (~) 2{1 (2{z) oder (;j a) 2{1 (2{.) oder (Ka) 2{1 (2{.), wobei 2{1 ein 31 und 2{. ein 61 ist; 2. 2{1 = 2{z, wobei 2{1 und 2{. 31 sind; 3. (2{l)\Jedn(2{.), wobei 2{1 und 2{ •. 61 sind; 4. z entsteht aus 2{1' indem ein ~ durch 2{. ersetzt wird, wobei 2{. ein 31 ist.

D 51. Konstrl (r) = (n) lng (r) [--- (n = 0)::> «;J 8) r [Zz I (8) •

(gl (n, r) = reihe (8»] V (;J k) n (;J l) n [--- (k = 0) • ~ (l = 0) • (UKstr I [gl (n, r), gl (k, r» V UKstr2 [gl (n, r), gl (k, r), gl (l, r)])])]

r ist eine RRZKonstruktionl, wenn 1· eine RRZReihe von RZAus· driicken ist, von denen jeder entweder ein ~~ 1 ist oder aus einem oder zwei in der Reihe vorangehenden Ausdriicken unmittelbar kon· struiert ist. (Eine solche Reihe besteht aus 31 und 61, und genauer, gemaB den folgenden Definitionen, aus 32 und 62.)

D 52. KonstrAI (x)= (;J r) pot (prim [lng (x)], prod [x, lng(xn) [Konstr I (r) , (letzt (r) -:- x)]

Ein RZAusdruck x heiBt konstruiertl, wenn er der letzte Ausdruck in einer RRZKonstruktionl ist. [Die Schranke ffir r ergibt sich aus folgender Vberlegung. r sei die kiirzeste RRZKonstruktion1, deren RZEndsatz x ist. Dann ist lng (r) ~ lng (x), jeder Primfaktor von r ist ~prim (lng (X»), die Anzahl dieser Faktoren ~ lng (x), ihre Exponenten .~ X; also r S prim (lng (X») x .Ing (X).]

D 53. ZA2 (x) == (KonstrAI (x). ZAI (x»

D 54. Satz2 (x) = (KonstrAI (x). Satzl (X»

ZU D 53, 54. Ein Ausdruck x ist ein 32 (bzw. ein 62), wenn er konstruiertl und ein 31 (bzw. ein 61) ist (vgl. Erlauterung zu D 39).

D 55. Geb (8, x, n)= (;J t) x(3 z) x (;J u) x(;J Y) Z (;J v) Y (;J w) Z

[(x = zus3 (t, z, U» • (z = zus [y, einId (w)]) • Op I (y, 8, v) " ZA2 (V). Satz2 (w). Gr (n, lng (t». Grgl (sum [lng (t), lng (z)], n)l

Die GZVariable 8 heiBt im RZAusdruck x an n·ter Stelle ge· bunden (wobei die Variable nicht an dieser Stelle zu stehen braucht), wenn die folgenden Bedingungen erfiillt sind. In x kommt ein Aus. druck z von der Form 2{1 (2{.) vor, wobei 2{1 ein Operatorl mit einem 32 als Schranke und mit 8 als Operatorvariabler ist und 2{. ein 62 ist; die n·te Stelle von x gehOrt zu z (vgl. S. 20).

D 56. Frei (8, x, n) - [Var (8). (gl (n, x) = 8). ,...., Geb (8, x, n)]

An der n·ten Stelle in x steht die freie Variable 8.

D 57. Fr (8, x) = (;J n) lp.g (x) (Frei (8, x, n»

In x kommt 8 als freie Variable vor.

D 58. Offen (x) _ (;J 8) x (Fr (8, x»

D 59. Geschl (x) = ,...., Offen (x)

x ist offen bzw. geschlossen (vgl. S. 20).

Page 70: Logische Syntax der Sprache ||

68 Formaler Aufbau der Syntax der Sprache 1.

22. Formbestimmungen: 2. Definitionen. SolI ein Kalkiil Definitionen enthalten, so tritt bei seiner

Aufstellung unter Umstanden eine gewisse Schwierigkeit auf, die meist nieht beachtet wird. Wird von den im Kalkiil zugelassenen Definitionen nur verlangt, daB sie gewissen Formbestimmungen geniigen, so wird der Kalkiil im allgemeinen widerspruehsvoll.

Beispiel: Den Formbestimmungen fiir Definitionen in I (§ 8) genugt z. B. D 1 (S. 51). Mit Hilfe von Dl ist der Satz ,nf (0) = 0" beweisbar. Aber auch ,uf (x) = x"" ist eine Definition der zu­gelassenen Form. Mit ihrer Hilfe ist der Satz ,/"oJ (nf (0) = 0')' beweis­bar. Also sind in I einander widersprechende Satze beweisbar.

Zur Vermeidung des Widerspruehs pflegt man die zusatz­liehe Forderung aufzustellen: "Das zu definierende Zeichen darf nieht in einer friiher schon aufgestellten Definition vorkommen". Aber eine derartige Forderung verlii.Bt den Boden des Kalkiils, des formalen Verfahrens. Bei streng formalem Verfahren kann die Entscheidung darUber, ob ein vorgelegter Satz eine zulii.ssige Definition eines bestimmten Kalkiils ist oder nicht, nur von der Form des Satzes und von den Formbestimmungen des Kalkiils abhangen. Auf Grund jener nieht-formalen Forderung wiirde aber diese Entscheidung abhangig werden von der historischen Feststellung, ob gewisse Satze friiher aufgestellt worden sind oder nieht. Und dasselbe gilt von der Entscheidung iiber die Beweisbar­keit eines vorgelegten Satzes (wie das genannte Beispiel zeigt). Wie lii.Bt sich nun die angegebene Schwierigkeit iiberwinden 1

1. Zunii.chst fallt die Sehwierigkeit offenbar fort, wenn bei der Aufstellung der betreffenden Sprache Seines der folgenden Verfahren (a) - (c) angewendet wird:

a) Man lii.Bt in S keine Definitionen zu. b) Man verwendet in S nur ganz bestimmte, endlieh viele

Definitionen; diese reiht man unter die Grundsatze von S ein. e) Man gestattet in S die Aufstellung belie big vieler Defini­

tionen, fiir die man Formbestimmungen angibt; aber man laBt die Definitionen nieht in Beweisen zu, sondern nur als Pramissen von Ableitungen. [1m obigen Beispiel ist dann ,nf (0) = 01' nicht beweisbar, sondern nur ableitbar aus ,nf (x) = xl'.] Enthalt ein Satz @i1 definierte Zeichen (in bezug auf bestimmte Defini­tionen), so kann die Beweisbarkeit zwar nieht ihm selbst zuge-

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Formbestimmungen: 2. Definitionen. 59

schrieben werden, wohl aber gegebenenfalls demjenigen Satz, der sich aus 6 1 durch Elimination der definierten Zeichen ergibt.

Rekursiv definierte Zeichen sind nicht immer eliminierbar. In einer definiten Sprache, in der die Satze der elementaren Arithmetik [z. B. ,prod (2, 3) = 6'] beweisbar sein sollen, sind unbeschrankt viele rekursive Definitionen notig, die in den Be· weisen verwendbar sein miissen. Fur eine solche Sprache -z. B. I - sind daher die genannten Auswege nicht gangbar. Wir mussen einen andern Weg einschlagen:

2. Wir wollen in I unbeschrankt viele Definitionen, auch rekursive, zulassen, aber durch geeignete Regeln dafiir sorgen, daB jedes definierte Zeichen erkennen laBt, wie es definiert ist. In einer arithmetisierten Syntax ist das moglich. Wir hatten friiher fur die Gliedzahlen der definierten Zeichen jeder der drei Arten 33, t>r und fu eine Klasse von Zahlen bestimmt, innerhalb dieser aber zunii.chst die Wahl frei gelassen. Die aufzustellende Regel wird nun diese Wahl so festlegen, daB sich aus der Gliedzahl eines definierten Zeichens seine Definition und indirekt auch seine ganze Definitionenkette eindeutig ergibt. Darnach ist dann jede sogenannte logische Eigenschaft irgend eines Satzes, z. B. die Beweisbarkeit, .eine syntaktische, d. h. formale Eigenschaft; sie hii.ngt ·nur ab von der formalen Struktur des Satzes, nii.mlich von den arithmetischen Eigenschaften der Gliedzahlen, die den Satz bilden.

Regel fiir die Wahl der Gliedzahl eines definierten Zeichens a1 in I: in der Definition von a1 ersetze man a1 durch ein ein fiir allemal feststehendes Ersatzzeichen, und zwar ein 33 durch ,C' mit der Gliedzahl 30, ein t>r durch ,n' mit der Glied· zahl 33, ein fu durch ,rp' mit der Gliedzahl 34; das hierdurch ent. standene Definitionsschema enthii.lt nur noch alte Zeichen; daher kann seine Reihenzahl r - bzw. bei dem Schema einer rekursiven Definition, die ja aus zwei Sii.tzen besteht, seine Reihenreihenzahl r - bestimmt werden; ais Gliedzahl fiir a1

nehme man, wenn a1 ein 33 (bzw. ein t>r bzw. ein fu) ist, die zweite (bzw. vierte bzw. sechste) Potenz der r-ten Primzahl. Durch diese Regel ist die Gliedzahl fiir a1 eindeutig bestimmt; und aus dieser Gliedzahl ist umgekehrt r, hieraus das Definitionsschema und damit auch die Definition von a1 eindeutig bestimmbar.

Page 72: Logische Syntax der Sprache ||

60 Formaler Aufbau der Syntax der Sprache I.

Auf Grund dieser Regel konnen wir nun die Unterscheidung zwischen basierten und nichtbasierten GZZeichen vornehmen. Z. B. ist die vierte Potenz einer Primzahl p (groBer als 2) dann basiert (vgl. S. 54), wenn p sich in der beschriebenen Weise aus einem Definitionsschema mit dem Ersatzzeichen ,'It' ergibt; vorausgesetzt, daB entsprechendes auch fiir jedes in dem De­finitioll8schema vorkommende definierte GZZeichen gilt usf. Um diese Bedingung zu formulieren, werden wir spii.ter den Begriff einer Definitionenkette definieren (D 81). Zunii.chst ist noch eine Reihe von Hilfsbegriffen erforderlich.

D 60. VRDef (x, y, n) = [VR (x, n). (Tc) lng (x) (l) Ing (x) ([Var (gl (Tc, x» • (gl (Tc, x) = gl (1, x»] :> (Tc = l» • (8) y (Fr (8, y):> InA (8, x»]

x ist eine n-stellige RZVariablenreihe, die (als Argumentausdruck des Definiendums) zum RZDefiniens y paJlt, wenn folgendes gilt: x ist eine n-stellige Variablenreihe; in x kommen nicht zwei gleiche Variable vs>r; jede Variable, die als freie Variable in y vorkommt, kommt auch in x vor. (Hilfsbegriff zur Abkt1rzung.)

D 61. DefZz 1 (x) = (~ z) x [(x = gig [reihe (30), z]). Geschl (z)]

x heiJlt RZDefinitionl fur ein <fZ33 (d. h. ein dem Definitions­schema fur ein 33 ahnlicher Ausdruck), wenn x die Form C = ~l hat, wo ~1 geschlossen ist.

D 62. DefPrii.dl (x, n) = (~w) x (~v) w (~ z) x [(w = zus [reihe (33), einkl (vn). (x = aq (w, z». VRDef (v, z, n)]

Analog D 63: DefexpFul (x, n).

x heiJlt Definitionl ft1r ein prn (bzw. explizite Definitionl ft1r ein fun), wenn x die Form :It (~l) == ~J (bzw. rp (~l) = ~z) hat, wobei ~l eine n-stellige, zu ~I passende Variablenreihe ist.

D 64. DefrekFul (r, n) = (~ Xl) r (~ XI) r (~Ul) Xl (~Vl) Xl (~UI) XI (~VI) XI (~ 8) U I (~ z) U a (~ m) n [(Xl = gIg (ul , VI»' (XI = gIg (u l , VI» • Var (8) • (t) VII (Fr (t, Va) :> InA (t, us» • (Tc) lng (VII) ([gl (Tc, VI) = 34] :> (1) lng (z) (,..... (1 = 0) :> [gl [sum (Tc,l), VI] = gl (1, Z)J)). (n = ml). ([(m = 0). (ul = reihe4 (34, 6, 4,10». (ua = reihe5 (34,6,8,14,10». (z = reihe3 (6,8,10»] V (~w) u l [I"'W (m = 0) • (UI = zus [reihe (34), einkl (zus [reihe2 (4, 12), wm) . (UI! = zus [reihe (34), einkl (zus [reihe3 (8, 14, 12)," wm) . (z = einkl (zus [reihe2 (8, 12), w]». VRDef (w, VI' m). ,..... InA (8, w)])]

r heiJlt RRZrekursive Definition 1 fUr ein fun, wenn reine Reihe zweier Ausdrucke Xl' xa von folgender Art ist. Xl hat die Form

Page 73: Logische Syntax der Sprache ||

Formbestimmungen: 2. Definitionen. 61

11 = ~2' x. hat die Form ~, = ~5; jede Variable, die als freie Variable in ~6 vorkommt, kommt in ~4 vor; hinter jedem Glied ,cpo, das in ~6 vorkommt, steht ~6' Es ist n > 0; wir setzen n = m + 1. Nun sind zwei FaIle zu unterscheiden: entweder ist m = 0; dann hat ~1 die Form cp (nu), ~, die Form cp (311) und ~8 die Form (h). Oder es ist m > 0; dann hat ~1 die Form cp (nu, ~3)' ~, die Form cp (311, ~{3) und ~8 die Form (31, ~3); hierbei ist ~3 eine m-stellige, zu ~2 passende Variablenreihe, in der 51 nicht vorkommt. [Es ist u 1 : RZ~I; VI: ~2; u.: ~4; v 2 : ~5; 8: GZh ; z: ~8; w: ~3']

D 65. DeftZz2 (t, y) [DefZzl (y). (t = pot [prim (y), 2])] Ahnlich D 66: DeftPrii.d2 (t, n, y); D 67: DeftexpFu 2 (t, n, y);

D 68: DeftrekFu2 (t, n, r).

Zu D 65-68. t ist ein a3 (bzw_ .prn bzw. fun), das durch die De­finitionl y (bzw. die explizite Definitionl y bzw. die rekursive De­finitionl r) "definiert 2" ist.

D 69. DefZz2 (x, t) = (~ y) x [DeftZz2 (t, y) • (x = ers [y, 1, reihe (m)]

Ahnlich D 70: DefPriid2 (x, n, t); D 71: DefexpFu2 (x, n, t).

x heiJlt eine Definition2 eines a3 t (bzw. eines .prn t, bzw. explizite Definitlion2 eines fun t), wenn t durch y definiert2 ist und x aus y dadurch entsteht, daB das erste (bzw_ zweite, bzw. erste) GZGlied, namlich ,Co (bzw. ,n°, bzw. ,cpO), durch die Gliedzahl t ersetzt wird.

D 72. 1 DefrekFu2 (x, n, t) = (~r) x (~y) r [DeftrekFu2 (t, n, r) • (gl (1, r) = y) • (x = era [y, 1, reihe (t)])]

Ahnlich D 73: 2DefrekFu2 (x, n, t).

x heiBt erster (bzw. ~weiter) RZTeil einer RRZrekursiven De­finition 2 fiir ein fun t, wenn t durch (die rekursive Definition I) r rekursiv definiert2 ist, y erster (bzw. zweiter) Teil von r ist, und x aus y dadurch entsteht, daB in y ,cpo an erster Stelle (bzw. an allen Stellen, an denen es vorkommt) durch die Gliedzahl t ersetzt wird.

D 74_ Def2 (x, t) [DefZz2 (x, t) V (~ n) lng (x) (DefPrii.d2 (x, n, t) V DefexpFu2 (x, n, t) V 1 DefrekFu2 (x, n, t) V 2 DefrekFu2 (x, n, t»]

x heiJlt ein Definitionssatz 2 fiir t, wenn x entweder De­finition 2 eines 33 t oder eines pr t oder explizite Definition 2 eines fu t oder erster oder zweiter Teil einer rekursiven Definition2 eines fu t ist.

D 75. Deft2 (t, n) = (~ y) t (DeftPrad2 (t, n, y) V DeftexpFu2 (t, n, y) V DeftrekFu2 (t, n, y»

t ist ein n-stelliges Zeichen (prn oder fun), das definiert2 ist.

Page 74: Logische Syntax der Sprache ||

62 Formaler Aufbau der Syntax der Sprache 1.

D 76. Z2 (t, n)=[UndPrad(t, n)VUndFu (t,n)VDeft2 (t, 11,)]

t heiBt ein n.stelliges Zeichen 2, wenn t ein 1:Jrn oder fun ist, das undefiniert oder definiert 2 ist.

D 77. Konstr2 (r) - (Konstrl (r) • (x) r (t) x (y) X (m) t (11,)

lng (y) [(AInAR (x, r) • (x = zus [reihe (t), einkl (y)]) • Z2 It, m). VR (y, n»:::> (m = 11,)])

D 78: KonstrA2 (x), ist analog D 52.

Zu D 77. Eine RRZKonstruktion2 T ist eine Konstruktionl, die die folgende Bedingung erfUllt. Bei jedem in T vorkommenden Ausdruck al (~l)' wo al ein m-stelliges Zeichen2 und ~l eine n­stellige Variablenreihe ist, ist m = n. In einer Konstruktion2 hat daher jedes 1:Jr und jedes fu die richtige Anzahl von Argumenten bei sich. - Zu D 78. Der letzte Ausdruck einer Konstruktion2 heiBt konstruiert2.

D 79. UndDeskr (t) = (~ 11,) t (UndPrad (t, 11,) V UndFu (t, 11,»

t ist ein undefinierles deskriptives Zeichen (namlich 1:Jt oder fu).

D 80. Undeft (t) - [(t = 4) V (t = 6) V (t = 10) V (t = 12) V (t = 14) V (t = 15) V (t = 18) V (t = 20) V (t = 21) V (t = 22) V (t = 24) V (t = 26) V Var (t) V UndDeskr (t)]

t ist ein undefiniertes GZZeichen, wenn t entweder eine der zw6lf undefinierten logischen Konstanten (S. 22) oder eine Variable oder ein undefiniertes deskriptives Zeichen ist.

D 81. DefKette (r) = (11,) lng (r) (x) gl(n, r) (t) x [(.--. (11, = 0) • [gl (11" r) = x) • InA (t, x»:::> (KonstrA2 (x) • (~ 8) x (Def2 (x, 8» • [Undeft (t) V (~ m) 11, (Def2 [gl (m, r), t)] • (1) lng (x) [(IDefrekFu2 (x, 1, t) j 2 DefrekFu2 [gl (11,1, r), 1, t) • (2DefrekFu2 (x, 1, t) :::> (~m) 11, ([11, = ml) • I DefrekFu2 [gl (m, r), 1, t)))])]

T heiBt eine RRZDefinitionenkette, wenn folgendes gilt. Jeder RZGliedausdruck von T ist konstruiert2 und ein Definitions­satz2. 1st t ein GZZeichen in einem Gliedausdruck ~l von T, so ist entweder t undefiniert, oder ~l oder ein vorangehender Gliedausdruck von r ist ein Definitionssatz2 ffir t. 1st ein Gliedausdruck von r erster Teil einer rekursiven Definition2, so ist der folgende Gliedausdruck der zweite Teil dieser Definition; ist ein Gliedausdruck zweiter Teil einer rekursiven Definition2, so ist der vorhergehende Gliedausdruck der ente Teil dieser Definition.

D 82. DeftKette (t, r) = (~ x) r [DefKette (r) • [letzt (r) = xl Def2 (x, t)]

D 83. Deft (t) - (~ r) pot (prim (t), prod [pot (2, t), pot (t, 2)]) [DeftKette (t, r)]

Page 75: Logische Syntax der Sprache ||

Formbestimmungen: 2. Definitionen 63

Zu D 82. t ist definiert durch die Definitionenkette r. - Zu D 83. Ein Zeichen t heillt definiert, wenn es eine Definitionenkette r gibt, durch die t definiert ist.

D 84. Bas (t) == (Undeft (t) V Deft (t)

Ein Zeichen t heillt basiert, wenn es undefiniert oder (!lurch eine Definitionenkette) definiert ist.

D 85. Konstr (r) = [Konstr2 (r) • (t) r (InAR (t, r) :> Bas (t)l D 86. KonstrA (x) (analog D 52).

Zu D 85. Eine Konstruktion von Ausdrucken ist eine Kon­struktion 2, deren samtliche Zeichen basiert sind. - Zu D 86. Ein Ausdruck heillt konstruiert, wenn er letzter Ausdruck einer Kon­struktion ist.

D 87. ZA (x) ~~ (ZAI (x). KonstrA (X)

D 88. Satz (x) -- (Satz I (x) • KonstrA (X)

x heillt ein.3 (bzw. 6), wenn x ein 31 (bzw. (1) und konstruiert ist. Hiermit sind die wichtigsten Begriffe der Formbestim­m ungen erreicht; im Vnterschied zu den fruher definierteri Hilfs­begriffen (31, 32, 61, (2) beziehen sich ,ZA' und ,Satz' nur auf basierte Ausdrucke, also auf die 3 bzw. 6 im eigentlichen Sinne.

D 89. Def (x, t) = (Def2 (x, t) • KonstrA (X)

D 90. Df (x) = (~ t) x (Def (x, t)

Zu D 89. x ist ein Definitionssatz fur t. (Analog D 87, 88.) -Zu D 90. x ist ein Definitionssatz.

D 91. DeskrZ (t) = (UndDeskr (t) V [Deft (t) • (r) - (Deft­Kette (t, r) :> (~ 8) r [InAR (8, r). UndDeskr (8)]»))

D 92. DeskrA (x) - (~ t) x (InA (t, x) • DeskrZ (t)

Zu D 91. t ist ein abo wenn t ein undefiniertes Qb ist, oder wenn t definiert ist und jede Definitionenkette fur t ein undefiniertes Qb enthalt (Schranke wie in D 83). - Zu D 92. x ist ein ~b, wenn x ein ab enthalt.

D 93. LogZ (t) = (Bas (t). f"Oo.I Deskr (t) D 94. LogA (x) = (t) x (InA (t, x) :> LogZ (t)

Zu D 93. aI: basiert und nicht deskriptiv. - Zu D 94. ~I: alle Zeichen sind logisch.

D 95. DeftZz (8) - (DeftZzl (8). Bas (8)

Analog D 96: Zz (8); D 97: Prad (8); D 98: Fu (8).

Zu D 95-98. Definiertes 33; 33; prj fu. Vnter diese Begriffe fallen - im Vnterschied zu den frUber definierten Hilfsbegriffen -nur basierte GZZeichen.

Page 76: Logische Syntax der Sprache ||

64 Formaler Aufbau der Syntax der Sprache I.

23. Umformungsbestimmungen. Die folgenden Definitionen bilden die Formalisierung der

frillier (§ 11,12) dargestellten Umformungsbestimmungen der Sprache I. Hierfiir muB zunii.chst die Einsetzung (Sub­stitution) definiert werden (D 102); D 99-101 fiihren Hilfs­begriffe hierfiir ein.

D 99. 1. stfrei (0, 8, x) = (Kn) lng (x) [Frei (8, x, n) •

'" (~ m) lng (x) (Gr (m, n). Frei (8, x, m»] 2. stfrei (/r}, 8, x) = (Kn) stfrei (k, 8, x) ['" (n = stfrei

(k, 8, x» • Frei (8, x, n) • '" (3 m) stfrei (k, 8, x)

('" [m = stfrei (k, 8, x)]. Gr (m, n). Frei (8, x, m»]

D 100. anzfrei (8, x) = (Kn) lng (x) (stfrei (n, 8, x) = 0)

D 101. 1. sb (0, x, 8, y) = x 2. sb (k', x, 8, y) = ers (sb (k, x, 8, y), stfrei (k, 8, x), y)

Zu D 99--101. 8 sei GZ31. stfrei (k, 8, X) ist die SteUennummer des (vom Ende des Ausdrucks X an gezahlt) (k + I)-ten in x frei vorkommenden h (und 0, falls es nicht k +. 1 freie ~1 in x gibt). anzfrei (8, x) ist die Anzahl der in x frei vorkommenden 31. sb (k, x, 8, y) ist derjenige Ausdruck, der aus dem Ausdruck x entsteht, wenn (vom Ende von x angefangen) kmal das jeweils letzte freie 31 durch den Ausdruck y ersetzt wird.

D 102. subst (x, 8, y) = sb (anzfrei (8, x), x, 8, y)

1st x der RZAusdruck 211, y 21., B 3!, so ist subst (x, B, y) der RZAusdruck 211(;.), Ctlber Einsetzung vgl. S. 20).

D 103. GrS 1 (x) = (3 y) x (3 z) x [Satz (x). (x = imp (y, imp [neg (y), z]»]

Entsprechend D 104--113: GrS2 (x) bis GrSll (x); es sei noch ein Beispiel angegeben:

D 106. GrS4 (x) (38) x (3 y) x [Satz (x) • (x = ii.q (zus [reihe4 (6,8,10,4), einkl (y)], subst [y, 8, reihe (4)])]

D 114. GrS (x) = (GrS 1 (x) V GrS2 (x) V ••• V GrS 11 (x»

Zu D 103-113. x ist ein Grundsatz erster Art; zweiter Art; •.• elfter Art (G1 1-11). - Zu D 114. x ist ein GrundBatz.

D 115. AErs (Xl' Xg, WI' Wg) = (3 u) Xl (3 11) Xl [(Xl = zus3 (u, W 1, 11» • (XI = zus3 (u, Wg, 11»]

AUBdruckBersetzung: Aus Xl entsteht xt dadurch, daJl der Teilausdruck WI durch WI ersetzt wird. (Beim Begriff ,erB' wird ein Zeichen, bier ein AUBdruck erBetzt.)

Page 77: Logische Syntax der Sprache ||

Umformungsbeatimmungen. 65

D 116. KV (y, x, 8) = ,...., (~ n) lng (X) (~t) Y (InA (t, y) • Geb (t, x, n) • Frei (8, X, n»

KV (y, :e,8): in y kommt keine Variable frei vor, die in z an einer Einaetznngsatelle fUr 8 gebunden iat (vgl. S. 21).

D 117. UAblbl (z, x) = (3 y) z (~ 8) X [ZA (y) • (z = subst (x, 8, y». KV (y, x, 8)]

D 118. UAblb2 (z, x) == (1 Wl) sum (x, z) (~ WI) sum (x, z)

(~ u) Wl (~ v) Wl ([([Wl = imp ('1,1., v») • (WI = dis [neg ('1,1.), V)) V ([Wl = kon ('1,1., v») • [WI = neg (dis [neg ('1,1.), neg (v»)))) V ([wl = aq (u, v» • (WI = kon [imp ('1,1., v), imp (v, '1,1.))))] • [AErs (x, z, Wl' WS) V

AErs (x, z, WI' Wl>]) D 119. UAblb3 (z, x, y) = (x = imp (y, z» D 120. UAblb4 (z, x, y) = (~ 8) Z [(x = subst [z, 8, reihe (4)])

• (y = imp (z, subst [z, 8, reihe2 (8, 14))))] D 121. UAbib (z, x, y) = (UAblbl (z, x) V UAblb2 (z, x) V

UAblb3 (z, x, y) V UAblb4 (z, x, y»

Zu D 117. 18 heiBt unmittelbar-ableitbarl aua z, wenn z 211 ist und 18 die Form 211(A) hat (gemaB RI 1, vgl. § 12). - Zu D 118-i20. ,unmittelbar-ableitbar 2 (bzw. -3, -4)' gemaB RI 2, 3, 4. - Zu D 121.

18 iat unmittelbar ableitbar a.us :e oder aus z und y.

D 122. Abl (r, p) = (~ q) r (n) lng (r) (x) r ([r = zus (p, q») • ,...., [Ing (r) = 0] • [(,...., (n = 0) • [gl (n, r) = x]) ::> (Satz (x) • [Gr [n, Ing (p»::> (GrS (x) V Df (x) V (~ k) n (~l) n [,...., (k = n). ,...., (l= n). UAblb [x, gl (k, rr. gl (l, r)]])])])

r iat eine aRZAbleitung mit der RRZPramiasenreihe p, wenn folgendes gilt. r iet aus p und q zusammengesetzt; jeder Gliedausdruck von r iat ein Satz; jeder Gliedausdruck von q ist entweder ein Grund­satz oder ein Definitionssatz oder unmittelbar ableitbar aus einem oder zwei in r vorangehenden Satzen (vgl. S. 27).

D 123. AblSatz (r, x, p) == (Abl (r, p) • [letzt (r) = x])

r iat eine A bleitung fur den Satz z auf Grund der Prii.miasen-reihe p.

D 124. Bew (r) = Abl (r, 0) D 125. BewSatz (r, x) = (Bew (r) • [letzt (r) = x])

Zu D 124. r iat ein Beweia, wenn r eine Abl~tung ohne Pra­missen iat. - Zu D 125. r iat ein Beweia fUr den Satz z.

,Ablb (x, p)' moge besagen: x ist ableitbar aus der Pra­missenreihe p; ,Bewb (x)': x ist beweisbar. Diese auf Spracbe I

Car nap, Syntax, 2. Aufl. 5

Page 78: Logische Syntax der Sprache ||

66 Formalar Aufbau der Syntax der Spra.ehe I.

bezogenen synta.ktischen Begriffe kOnnen nicht in I definiert werden. Die Definitionen lauten:

Ablb (z, p) = (~ r) (AblSa.tz (r, z, p» Bewb (z) = (3 r) (BewSa.tz (r, z»

Zur Formulierung diaser Definitionen sind die in I nicht vorkommenden unbesch.rii.nkten Operatoren erforderlich. Die Be­griHe ,ableitbar' und ,beweisbar' sind indefinit. In I konnen nur definite Begriffe der Ableitbarkeit und Beweisbarkeit definiert werden, z. B. solche, die die betreHende Ableitung bzw. den be­treHenden Beweis angeben (vgl. D 123, 125), oder BegriHe wie ,ableitbar aus p durch eine Ableitung von hoohstens n Zeichen' bzw. ,beweisbar durch einen Beweis von hoohstens n Zeichen'. Sollen auch indefinite BegriHe der Syntax formalisiert werden, so muS als Syntaxspra.che eine indefinite Spra.che geno"mmen werden, z. B. Spra.che II.

FUr gewisse indefinite BegriHe kann in I - trotz der Un­moglichkeit ihrer Definition - doch der allgemeine Sa.tz formu­liert werden, daB sie in jedem Einzelfa.lle vorliegen. Bei BegriHen 'wie ,nicht-beweisbar' und ,nicht-ableitbar' tritt (in der indefiniten Spra.che) ein negierter unbeschrankter Existenz­operator auf, der durch einen Alloperator ersetzt werden kann; die unbeschrankte Allgemeinheit aber kann in I durch freie Variable ausgedriickt werden. ,-- BewSatz (r, a)' besa.gt: "Jedes r ist nicht Beweis fUr a", also "a ist nicht beweisbar"; ,-- AblSatz [r, b, reihe (a)]' besa.gt: "Jedes r ist nicht Ableitung fiir b aus a", also "b ist hlcht ableitbar aus a".

24. Deskriptive Syntax. Wir haben einen Aufbau der reinen Syntax der Spra.che I

dargestellt. An diasem Beispiel ist zu ersehen, daB reine Syntax nichts anderes ist als ein Teil der Arithmetik. Die deskriptive Syntax dagegen verwendet auch deskriptive Zeichen und fiber­schreitet dadurch die Grenzen der Arithmetik. Ein Satz der deskriptiven Syntax kann z. B. besa.gen, daB an einer bestimmten Stelle ein Spra.chausdruck der und der Form steht. Wie wir friiher iiberlegt.haben (S. 47), kann man so vorgehen, daB man eine Reihe undefinierter t>tb als zusii.tzliche Grundzeichen auf­stellt (z. B. ,Var', ,Id', ,Prad' u. a.). Wie friiher erwahnt (S. 47), wollen wir hier anders verfahren. Wir nehmen als einziges zusatz-

Page 79: Logische Syntax der Sprache ||

Deskriptive Syntax. 67

liches Gnmdzeichen das undefinierte fUb ,zei'. (Sollen die Sitze, in denen diesas Zeichen vorkommt, ihrerseits syntaktisch behan­delt werden, so ordnen wir ihm die Gliedzahl 243 "(=35 ) zu). Die Aufstellung der deskriptiven Syntax geschieht in gensu derselben Form wie die Aufstellung eines sonstigen deskriptiven axio­matischen Systems A. Zunii.chst ist die Syntax der Sprache S festzusetzen, in der A formuliert werden solI. Dadurch wird be­stimmt, wie Sii.tze gebildet und auf Gnmd von A abgeleitet werden konnen. FUr manche A (z. B. Geometrie und Syntax) ist edorderlich, daB Seine Arithmetik enthii.lt. Nun wird die Basis von A in S festgesetzt: 1. die deskriptiven Grund­zeichen von A, die zu den Gnmdzeichen von S hinzutreten; aus ihnen konnen nach den syntaktischen RegeIn von S weitere Zeichen von A definiert werden; 2. die Axiome als zusii.tzliche Grundsii.tze von S; aus ihnen konnen mit Hille der Umformungs­bestimmungen von S Folgenmgen abgeleitet werden (die so­genannten Lehrsii.tze von A); 3. zusii.tzliche SchluBregeln; meist werden solche jedoch nicht aufgestellt. Verwendet man ala Grundzeichen der deskriptiven Syntax undefinierte ~rb' so ist eine groBe Anzahl von Axiomen edorderlich; durcll. diese wird z. B. ausgesagt, daB an derselben Stelle nicht ungleiche Zeichen stehen konnen u. dgl. mehr; ferner sind auch mehrere unbe­schrii.nkte Existenzsii.tze als Axiome edorderlich, um auch nur einfache Sitze iiber Ableitbarkeit und Beweisbarkeit ableiten zu konnen. Nimmt man dagegen das fUb ,zei' als Grundzeichen, so sind iiberhaupt keine Axiome edorderlich. Was im anderen Falle durch die negativen Axiome ausgeschlossen wird, ist hier schon durch die syntaktischen Bestimmungen iiber Funktoren ausgeschlossen (ein bestimmtes fu kann fUr eine bestimmte Stelle nur Einen Wert haben); die edorderlichen Existenzsii.tze ergeben sich aus der Arithmetik.

Wir wollen hier mit Hille des Grundzeichens ,zei' nur Ein weiteres Zeichen der deskriptiven Syntax definieren, und zwar rekursiv. Dies ist das fu~ ,ausdr', der wichtigste BegriH der de­skriptiven Syntax.

D 126. 1. ausdr (0, x) = pot [2, zei (x)]

2. ausdr (!J, x) = prod [ausdr (k, x), pot (prim (!JI),

zei [sum (x, !J)])] 5*

Page 80: Logische Syntax der Sprache ||

68 Formaler Aufbau der Syntax der Spra.ehe I.

ausdr (k, z) ist der RZA usdruek (mit k + 1 Zeiehen), der an den Stellen z bis z + k steht. Da das GZZeiehen an der Stelle 11 zei (11) ist, 80 ist susdr (k, z) = 2zel (x) • 3zei (Xl) • 5zei (XII) ••••

prim (kl)zei (x+k) (vgl. S. 49).

Mit Hilfe der Funktoren ,zei' und ,ausdr' sowie der frillier definierten Zeichen der reinen Syntax (D 1-125) konnen wir jetzt Sii.tze der deskriptiven Syntax von I in I formulieren:

A. Beispiele fiir Sii.tze iiber einzelne Zeichen (mit Hilfe von ,zei'):

1. "An der Stelle asteht ein Negationszeichen": ,zei (a) = 21'. 2. "An den Stellenaund bstehengleicheZeichen": ,zei (a)= zei (b)'.

B. Beispiele fiir Sii.tze iiber Ausdriicke (mit Hilfe von ,ausdr'):

1. "An der Stellenreihe a bis a + b steht ein ,8": ,ZA (ausdr (b, a))'. 2. ,,'" steht nicht ein beweisbarer Satz": ,'" BewSatz (r, ausdr

(b, a))' (mit der freien Variablen ,r', vgl. S. 66).

25. Arithmetische, axiomatische und physikalische Syntax.

Innerhalb der deskriptiven Syntax konnen wir noch zwei Theorien unterscheiden: die soeben besprochene axiomatische Syntax (mit oder ohne Axiome) und die physikalische Syntax. Diese verhii.lt sich zu jener wie die physikalische Geometrie zur axiomatischen. Die physikalische Geometrie entsteht aus der axiomatischen durch Aufstellung von sogenannten Zuordnungs­definitionen (vgl. Reichenbach [Axiomatik], [PhilO8Ophie]); durch diese wird festgesetzt, mit welchen physikalischen Begriffen (der Physik oder der Alltagssprache) die axiomatischen Grund­zeichen gleichbedeutend sein sollen. Erst durch diese Definitionen wird das axiomatische System auf empirische Sii.tze anwendbar.

Die folgende schematische 'Obersicht soll den Charakter dar drei Arten der Syntax durch die Analogie mit den drei Arten der Geometrie verdeutlichen. Ferner aber soll me das Verhaltnis erkennen lassen, das allgemein zwischen der Arlthmetik, einem axiomatischen System und seiner empirischen Anwendung besteht.

Page 81: Logische Syntax der Sprache ||

Arithmetisehe, axioma#sche und physikaJische Syntax. 69

Die drei Arten der Geometrie. I. Arithmetische Geometrie.

Ein Teilgebiet der Arith­metik, daB (bei der iiblichen Methode der Arithmetisierung, nimlich durch Koordinaten) von den geordneten Tripeln reeller Zahlen, den linearen Gleichungen zwischen solchen u. dgl. handelt.

Die drei Arten der Syntax. I. Arithmetische (oder

reine) Syntax. Ein Teilgebiet der Arith­

Dietik, daB (00 der dar~tellten Methode der Arithmetisierung) von gewissen Produkten gewisser Primzablpotenzen, den Beziehun­gen zwischen solchen Produkten u. dgl. handelt.

Dieses Teilgebiet wird herausgehoben durch bestimmte, rein arith­metisehe Definitionen. Der praktische Anlaa, gerade diese Definitio­nen aufzustellen, wird durch ein bestimmteB Modellgegeben, ein System physikalischer Gilbilde, fUr dessen theoretisehe Behandlung diese De­finitionen zweckmiaig sind. (Dieses System ist das in der physikalischen Geometrie II B behandelte Sy- Syntax II B behandelte System stem der physikalisch-riumlichen der physikalischen Sprachgebilde,

Beziehungen.) z. B. der Sitze auf dem Papier.)

II. Deskriptive Geometrie. II. Deskriptive Syntax. (Diese Bezeichnung ist hier

nicht im iiblichen Sinne gemeint, sondem im Sinne des syntak­tischen Terminus "deskriptiv".) II A. Axiomatische II A. Axiomatische Syntax.

Geometrie. Zwei verschiedene Darstellungsformen: a) Eigentliche b) Arithmetisie-

Axiomatisierung rung (vgl. § 19, 24). (vgl. § 18). ("Axioma- ("Arithmetisierte de-tisierte deskriptive skriptive Syntax.") Syntax.")

FUr das axiomatische System wird eine Sprache vorausgesetzt, mit bestimmten logischen Grundzeichen, Grundsitzen und Schlu.Bregeln.

Basis des axiomatischen Systems: 1. Axiomatische Grundzeichen (deskriptive Grundzeichen,

die zu den Grwidzeichen der Sprache hinzutreten): "Punkt", "Gerade", I ,Var', ,Nu', ,Prid', l,zei'alseinzigesGrund-

"zwischen" usw. ,Gl' (Stellen mit glei- zeichen. chen Zeichen) usw.

2. Axiome (deskriptive Grundsitze, die den Grundsitzen der Sprache beigefiigt werden): Z. B. die Axiome von Zahlreiehe Axiome, Keine ADame!

Hilbert. z. B.: "ein a ist kein pt", "GI (:I:, 1/) :> Gl

(y, :1:)" usw.

Page 82: Logische Syntax der Sprache ||

70 Formaler Aufbau der Syntax der Sprache I.

Gultige deskriptive Satze des axiomatischen Systems: 1. Analytische Satze. In ihrem Beweis konnen die zum

axiomatischen System gehorenden Definitionen verwendet werden, nicht aber die Axiome.

Beispiele. "Jeder Beispiele. ,Var (z) I Beispiele. ,zei (z) Punkt ist ein Punkt"; ;) Var (z)'; ,Nu (z) ;) = zei (z)'; ,[zei (z) = "Schneidet jede von Zz (z)' 4] ;) Zz [zei (z))' drei Geraden die bei­den andern in ver­schiedenenPunkten,so bilden die dazwischen­liegenden Strecken ein Dreieck" (dies ergibt sich aus der Definition von "Dreieck").

(d. h. "nu ist ein M"; dies ergibt sich aus der Definition von ,Zz'); ,[Nu (z) • Str (z')] ;) II ,([zei (z) = 4] • [zei ZA (z, I)' (z') = 14]) ;) ZA[ausdr

1(1, z»)' (d. h. "nu' ist ein .8"; dies ergibt sich aus der Definition von ,ZA'; hierbei ist ,ZA' ein Plb). I ein ptl ).

2. Synthetische Satze. Die Axiome selbst und die mit ihrer Hille bewiesenen synthetischen Satze.

Be i s pie 1. "Die Beispiel. ,Nu (z) Keine. Da keine Axiome vorhanden sind, sind bier aIle giiltigen Satze ana­lytisch.

Winkelaumme eines;) ,...." Ex (z)' (d. h. "ein Dreiecks betragt 2 R." nu ist kein ,i ").

IIB. Physikalische Geometrie.

II B. Physikalische Syntax.

Durch Zuordnungsdefinitionen wird bestimmt, welche Zeichen der physikalischen Sprache den Grundzeichen (oder gewissen definierten Zeichen) des axiomatischen Systems entsprechen sollen.

Beispiele. Beispiele. I Beispiele. 1. "Eine physikali- 1. .. ,Nu (z)' soll 1. ",zei (z) = 4' soll

sche Strecke (z .. ~. da,nn und nur dann gelten, wenn sich an der Korperkante) soll die Stelle z eine Schreibfigur von der Gestalt Lange 1 haben, wenn einer aufrechten Ellipse (,0') ~findet." sie so und so viel mal langer ist ala die Wellenlange der und der Spektrallinie des Kadmiums. "

2. "Eine physikali­sche Strecke solI die Lange 1 haben, wenn sie kongruent ist mit der Stracke zwischen den beiden Marken auf dem Normalmeterstab in Paris."

2 ... ,Nu (z)' soll 2. ",zei (z) = 4' solI dann und nur dann geIten, wenn sich an der Stelle z eine Schreibfigur befindet, die mit hinreichender Anniherung dieselbe Gestalt hat wie odie Figur an der und der Stelle (z. B. dieses Buches)."

Page 83: Logische Syntax der Sprache ||

Arlthmetische, axiomatische und physikalische Syntax. 71

3."PhysikalischeGe­bilde von der und der Art (z.B. Lichtstrahlen im Vakuum oder ge­spannte Faden) sollen alB gerade Strecken genommen werden."

[Die Beispiele (1) sind Merkmaldefinitionen; bier wird der Begriff dadurch definiert, daB die Beschaffenheit angegeben wird, die eiD Gebilde haben mnB, um unter den Begriff zu fallen. Die Beispiele (2) sind Aufweisungsdefinitionen; bier wird der Be­griff dadurch definiert, daJl die unter ibn fallenden Gegenstande aine bestimmte Beziehung (z. B. Kongruenz, Ahnlichkeit) zu einem be­stimmten, aufgewiesenen Gegenstand haben sollen; die Aufweisung geschieht in der sprachlichen Formulierung durch die Angabe der Raum-Zait-Stelle. Es ist zu beachten, daJl biernach auch eine Auf­weisungsdefinition ein Zeichen durch andere Zeichen (und nicht durch auBersprachliche Droge) definiert.]

Giiltige deskriptive Sii.tze. 1. Analytische Sii.tze. Dies sind entweder analytische Sii.tze

des axiomatischen Systems, deren axiomatische Termini durch die Zuordnungsdefinitionen eiDe physikalische Bedeutung bekommen haOOn (Beispiele a, vgl. die Beispiele fUr analytische Sli.tze unter II A), oder Satze, die aus jenen Satzen mit Hilfe der Zuordnungsdefinitionen in die nicht-axiomatische (d. h. nicht zu dem ootreffenden ADomen­system, sondern zur allgemeinen Sprache gehorende) Terminologie iibersetzt sind (Beispiele b).

Beispiele. a) "Schneidet jede

von drei (physikali­schen) Geraden die beideu anderen in ver­scbiedenen Punkten, so bilden die dazwi­schenliegenden (phy­sikalischen) Strecken ein (physikalisches) Dreieck."

b) "Schneidet jeder von drei Licbtstrahlen im Vakuum die OOiden andem an venebie­'denen Stellen, so bil­den die dazwischen­liegenden Liehtstrahl­strecken eiD Dreieck."

Beispiele. a) "Ein Nullzeiehen

(physikalischeSebreib­figur) ist ein Zahl­zeichen."

Beispiele. a) "Ein (physikali­

sehes) Gebilde, das die Gliedzahl 4: (das ist eine bestimmte physi. kalische Beschaffen­hait) besitzt, ist ein Zahlzeichen. "

b) "Eine (physikalisehe) Sebreibfigur von der Gestalt einer aufreohten Ellipse ist ein Zahlzeiehen ...

Page 84: Logische Syntax der Sprache ||

72 Formaler Aufbau der Syntax der Sprache I.

2. Gultige Gesetze. Dies sind indefinite synthetisehe Sitze des axiomatischen Systems, aber bier in physikaJischer Bedeutung (Beispiele la, 2a), oder tibersetzungen aus solchen in die nicht­axiomatisehe Terminologie (Beispiele 1 b, 2b).

Beispiele. 1 a. "Zwei (physika.

lische) Geraden schnei­den sich bOchstens in Einem Punkt."

lb. "Zwei Licht· strahlen im Vakuum schneiden sich bOch. stens in Einem Punkt."

2a. "Die Winkel· summe in einem (phy­sikaJischen) Dreieck ist 2R."

2 b. "Die Summe der Winkel zwischen drei einander schnei. denden Lichtstrahlen im Vakuum ist 2 R."

Beispiele. I Keine, I a. "Steht an einer I Axiome.

Stelle ein (physikaJi. sches) N ullzeichen, so steht dort kein Exi. stenzzeichen. "

lb. "Steht an einer Stelle eine Schreib·. figur von der Gestalt einer aufrechten EI· 1

lipse, so steht dort keine Schreibfigur, die aus einem senko rechten und drei wagerechten Stri· chen besteht."

weil keine

Die Geltungsfrage eines bestimmten axiomatischen Sy­stems mit bestimmten Zuordnungsdefinitionen ist die Frage nach der Giiltigkeit der Gesetze, die durch tibersetzung der Axiome in die Sprache der Wissenschaft (der Physik) entstehen (Bei­spiel Ib).

Hier entsteht z. B. die wichtige Geltungs. frage in bezug auf die euklidische oder eine bestimmte nichteukli. dische Geometrie.

Hier ist die Gel. tungsfrage kritisch in bezug auf die Existenz· axiome und besonders die Unendlichkeits· axiome (z. B. "es gibt unendlich viele Vari. able").

Hier keine Gel­tungsfrage. (tiber die Entbehrlichkeit eines Unendlichkeits· axioms fUr die Arith­metik vgl. S. 87).

3. Empirische Sitze. Hiermit sind definite synthetisohe Sitze gemeint, die die empirische (namlich geometrische hzw. schreibfigurelle) Beschaffenheit bestimmter physikaJischer Gebilde angeben, seien sie nun auf Grund der Axiome beweisbar oder nicht. Die Sitze konnen entweder die nicht.axiomatische Termino· logie anwenden (Beispiele la, 2a) oder in die axiomatische (geometrische bzw. syntaktische) Terminologie ubersetzt sein (Bei­spiele I b, 2b).

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Arithmetisehe, axiomatische und physikalische Syntax. 73

Beispiele. Beispiele. B eispiele.

1 a. "Dieses Gebilde 1 a. "An der Stelle a dieses Buches steht a ist ein Lichtatrahl ein Zeichen, das aus zwei horizontalen im Vakuum." Strichen besteht."

1 b. "a bildet eine gerade Streeke."

2 a. "Diese drei Ge­bilde a, b, c sind Lichtstrahlen im V 80-kuum, von denen je­der die heiden anderen in verschiedenenPunk· ten schneidet."

1 b. "An der Stelle a dieses Buches steht ein Identitatszeichen"; mit Systemzeichen:

,Id (a)'. I ,zei (a) = 15'.

280. ,,1m Stellengebiet a bis b dieses Buches steht eine Figurenreihe von der und der Ge­stalt."

2b. " ... steht ein Grundsatz der SpracheI."

2b. "Die physikali. Von gleicher Art sind auch die folgenden schen Gebilde a, b, c Satze: bilden ein Dreieek."

3. "In jenem Buch steht ,docendo dis· cimus'. "

4. "In jenem Buch wird behauptet, daB man durch Lehren lernt."

5. "In der und der Abhandlung wider. sprechen einander die dort und dort stehenden Sa'itze. "

6. "Die Wortreihe an der und der Stelle ist sinnlos (d. h. kein Satz der und der Sprache)."

7. "An der und der Stelle steht ein em­pirisch falscher Satz." (Vgl. ,P.widergfrltig', S. 137).

Hierher gehoren die Satze der gesamten Sprachgeschichte und Literaturgeschichte, ins­besondere die der Geschichte der Wissen· sehaft, einschlieBlich der Mathematik und der Metaphysik, und zwar sowohl die den blollen Wortlaut angebenden Satze (Beispiele 280, 3), a.ls auch die Satze (Beispiele 2b, 4 bis 7), die die Syntax der betreffenden Sprache und unter Umstii.nden auch gewisse synthetische Pra· missen voraussetzen, darunter besonders auch solche Satze, die auf Grund der logischen Ana· lyse oder der Empirie an irgendwelchen Auf· stellungen Kritik uben.

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74, Die indefinite Spraehe II.

m. Die indefinite Sprache ll.

A. FormbestimIrlungen fUr Sprache II. 26. Zeichenbestand der Sprache If.

Die bisher behandelte Sprache I enthaIt nur definite Begriffe; auf mathematischem Gebiet enthalt sie nur die Arithmetik. der natiirlichen Zahlen in einem Umfang, der etwa einer finitistischen oder intuitionistischen Auffassung entspricht. Die Sprache II umfaJ3t I ale Teilsprache; aIle Zeichen von I sind auch Zeichen· von II, alIe Sii.tze von I Sii.tze von II. Aber Sprache II ist weit reicher an Ausdrucksmitteln. Sie enthaIt auch indefinite Be­griffe; me umfaBt die klassische Mathematik (Funktionen reeller und komplexer Argumente; Grenzwerle; Infinitesimal­rechnung; Mengenlehre); in ihr konnen auch die Sii.tze der Physik formuliert werden.

Es seien zunii.chst die in II vorkommenden Zeichen und die wichtigsten AusdrUcke angegeben. Die genauen Formbestim­mungen fur .8 und @i werden spii.ter aufgastellt (§ 28). Die fUr die Syntax von I verwendeten Frakturzeichen verwenden wir auch hier; dazu treten neue.

In II kommen auBer den beschrii.nkten Operatoren von I auch unbeschrankte Operatoren von der Form (3), (33) und (K3) vor. [Beispiel: ,(3 x) (Prim (x»', vgl. § 6.]

In II kommen fU und 4>1: neuer syntaktischer Arten vor; sie werden in Stufen und Typen eingeteilt (§ 27). Wir wollen in dem Satz fU (~1) = ~I wie bisher ~1 den Argumentausdruck nennen, ferner ~. den Wertausdruck. In II gibt as fu, bei denen nicht nur ~1 aus mehreren Gliedern, den 80genannten Argumenten, besteht, sondern auch ~. aus mehreren Gliedern, den sogenannten Wertgliedern [z. B. .8a, .8, und .85 in fu <.81' .8.) = .8a, .8" .85]. Es gibt nicht nur die Prii.dikate 4>1:, 80ndern auch Prii.dikatausdriicke $1: (der verschiedenen Typen) , die aus mehreren Zeichen bestehen konnen, aber syntaktisch wie die 4>1: verwendet werden; ferner auch Funktoraus­driicke iju (der verschiedenen Typen), die syntaktisch wie die fu verwendet werden (Beispiele spater). [Wie ein eingliedriger Ausdruck M ein .8 ist, so ist ein 4>1: ein $1: und ein fU ein iju.] Es gibt 4>1: (und andere $1:), bei denen die Argumente nicht .8, 80ndern

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Zeiehenbestand. - Einteilung der Typen. 75

~r oder tJu (irgendwelcher Typen) sind; ferner gibt es fu (und andere tJu), bei denen die Argumente und die Wertglieder nicht.8, sondern $r oder tJu (irgendwelcher Typen) sind. Ein Argument­oder Werlausdruck (syntaktischeBezeichnung ,~rg') besteht somit aus einem oder mehreren durch Kommat& getrennten Ausdriicken der Formen .8, $r, tJu.

In II gibt es Variable verschiedener Arlen: nicht nur Zahlvariable 3 (,u', ,v', ... ,z'), sondern auch Prii.dikatvariable ~ (,F', ,G', ,If; ,M', ,N') und Funktorvariable f (,/', ,g', ,hC). [Wie wir die 3 zu den 33 rechnen, so auch die ~ zu den l'r und die f zu den fu.] Die Variablen l' und f (aller Typen) kommen auch in unbeschrii.nkten Operatoren vor: (l'); (;) l'); <f>; (;) f)·

In II wird das Identitii.tszeichen ,=C nicht nur zwischen .8 und zwischen @) angewendet (zwischen @). auch bier meist ,=' geschrieben), sondern auch zwischen $r und zwischen tJu. [Bei­spiele (fUr den einfachsten Typus). 'Pl = Pt' BOll gleichbedeutend sein mit ,(x) (Pl (x) = P t (X»; ,fu l = fUll' soIl gleichbedeutend sein mit ,(x) (fu l (x) = fUll (x»'.] Die NuUgleichung ,0 = 0' wollen wir mit ,91' bezeichnen.

In II kommen auch Satzzeichen fa vor; und zwar sowohl Satzkonstanten, also Zeichen, die ala Abkiirzungen fiir be­stimmte Sii.tze verwendet werden, ala auch Satzvariable f (,p', ,q', ... ,t'). Die f kommen auch in Operatoren der Form (f) und (;:J f) vor. Ala gemeinsame Bezeichnung fiir die Varia bIen der vier genannten Arten (3, l', f, f) verwenden wir ,b'; alIe iibrigen Zeichen heiBen Konstanten (,r').

27. Einteilung der Typen. Jedes ~r, also auch jedes l'r und jedes l', gebOrt zu einem

bestimmten Typus. Ferner schreiben wir den .8 einen Typus zu, und zwar den Typus O. Ein bestimmtes $r kann immer nur Argumente bestimmter Typen haben, ein tJu nur Argumente und Wertglieder bestimmter Typen. Damit ~tl (~l' ~., .. '4n)

und $tl (!al, !a., .. !an) Sii.tze sind, ist notwendig, daB ~l und !a l denselben Typus haben, ferner ~. und !a. denselben Typus· (der al>er ein anderer als der von '41 sein kann) usf. Damit tJUl (~l' .. ~m) = ~+h .. ~+n und tJUl <!Bl' .. !am) = !am+1 , • • !am +n Sii.tze sind, miissen ~, und !al (i = 1 bis m + n) denselben Typus haben. Der Typus eines $t ist bestimmt durch

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76 Die indefinite Sprache II.

die Typen der Argumente (wobei Anzahl und Reihenfolge zu beriicksichtigen sind); der Typus eines tju ist bestimmt durch die Typen der Argumente und der Wertglieder.

Die Bestimmung des Typus eines Ausdrucks geschieht na.ch folgenden Regeln. Jedes.s (also auch jedes 33) hat den Typus O. Haben die n Glieder eines $l(rg die Typen t1, t., ... tn (in dieser Reihenfolge), so schreiben wir dem $l(rg den Typus t1, t., . .. tn zl1. [Die Zeichen ,t' mit Index sind nicht selbst syntaktische Typusbezeichnungen, sondem syntaktische Vamble fUr solche.] Hat in dem Satz $r1 ($l(rgl> $l(rg1 den Typus t1, so schreiben wir dem $rl den Typus (t1 > zu. Hat in dem Satz tju1 ($l(rgl> = $l(rg. $l(rg1 den Typus t 1, $l(rg ll den Typus t., so schreiben wir dem tju1 den Typus (t1 : t.> und dem Ausdruck tju1 ($l(rg1> den TypliS t. zu.

Beispiele. 1. ,Gr (5,3)' ist ein Satz; ,5' hat den Typus 0, ,5,3' den Typos 0,0, also hat das 1'r ,Gr' den Typos (0,0). -2. ,sum (2, 3) = Ie' ist ein Satz; also hat das fU ,sum' den Typos (0,0: 0). - 3. ,M' sei ein 1'r, dessen Argumente nicht .8 sind, 80ndem ein 1'r und ein fu der eben genannten Typen, so daB z. B. ,M (Gr, sum)' ein Satz ist. Dann hat ,M' den Typos «0, 0), (0, 0 : 0».

Dorch den Typus eines Ausdrucks ist auch seine Stufenzahl bestimmt, und zwar nach folgenden RegeIn. Den.s schreiben wir die Stufenzahl 0 zu. Die Stufenzahl eines ~rg ist gleich der groBten Stufenzahl seiner Glieder. Die Stufenzahl eines $r ist um 1 groBer ala die des zugehOrigen $l(rg. Die Stufenzahl eines tju ist um 1 groBer als die groBte der beiden zugehOcigen $l(rg. Nach den friiheren RegeIn besteht jede Typusbezeichnung, ab­gesehen von Kommata. und Doppelpunkten, aus Nullen, und Klammem. Aus einer solchen Bezeichnung ergibt sich leicht die Stufenzahl; sie ist die groBte Anzahl von Klammempaaren, in die eine Null der Typusbezeichnung eingeschlossen ist. Den Frakturzeichen ,$r' usw. Mngen wir (wie frillier) nach Beda.rf rechte obere Indizes zur Bezeichnung der Anzahl der Argument­gHeder an, femer nach Beda.rf linke obere Indizes zur Bezeichnung der Stufenzahl.

Die bier vorgenommene Typeneinteilung ist im Grunde die von Ramsey vorgeschlagene sog. einfache Typeneinteilung. Sie ist bier dadurch erganzt, daB sie nicht nur auf 1'r, sandern auch auf fu, \l3r und lru ausgedehnt ist; ferner werden bier die Typosbezeich­nungen eingefUhrt. Bei der von RUBBell uTspriinglich aufgestellten

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Einteilung der Typen. 77

sog. verzweigten Typeneinteilung werden die ~t weiter unterteilt, wobei nicht nur der Typus der Argumente des betreffenden ~t be­rucksiohtigt wird, sondern auch die Form seiner Definition; ferner werden auch die Sitze in Typen eingeteilt, wahrend hier in II fiir ein f jeder Satz eingesetzt werden kann. Um gewisse Schwierigkeiten zu uberwinden, die bei Anwendung der verzweigten Einteilung auf­treten, stellte Russell das Rednzibilitatsaxiom auf. Dieses wird bei Beschrii.nkung auf die einfache Typeneinteilung uberflUssig.

Beispiele. 1. ,Gr' hat den Typus (0,0) (s. 0.), also die Stufen. za.hl 1; ,Gr' ist also ein l~rI, in Worten: ein zweistelliges Pradikat enter Stufe."- 2. Da jedes 8 den Typus 0 und die Stufenzahl 0 besitzt, sind a.lle in I vorkommenden ~t Ipt; die vorkommenden Typen sind: (0); (0,0); (0,0,0) usw. AlIe fu von I sind lfu; Typen: (0: 0); (0,0: 0); (0,0,0: 0) usw. - 3. 1m obigen Beispiel (3) ist ,M' ein 1I~. _ 4:. Kommen in irgendeinem Zusammenhang hanfig Satze der Form (h) (~l (h) :> ~t. (h» vor, so ist es zwookmaJlig, znr Ab. kftrzung das lJt ,TI' (" ... ist Teileigenschaft von ... ") einzufiihren; Definition: ,TI (F, G) == (x) [F (x) :> G (x)]'. Da ,F' und ,G' hier Ipt1

vom Typus (0) sind, so ist ,TI' ein t~rI vom Typus «0), (0». - 5. Es sei ,(x) [(PI (x) V p. (x» == P a (x)], beweisbar. In Aulehnnng an die Terminologie der Mengeulehre mag man hier (die Eigenschaft) P a ala Vereinigung von PI und p. bezeichnen. Zur Abkftrzung wollen wir das Zeichen ,ver' einfiihren derart, daJl der Ausdruck ,ver (PI' Pal' die Vereinigung von PI und PI bedeutet, also im angegebenen Fall gleichbedeutend mit ,Pa" ist. ,ver (PI' PI)' ist somit ein \l!t von dem­selben Typus wie ,Pa', also (0). Jen~r beweisbare Satz kann jetzt kftrzer so formuliert werden: ,ver (PI' P a) = Pa". ,ver' ist ein fu; jedes der beiden Argumente und das Wertglied hat den Typus (0); also ist ,ver' ein sfu· vom Typus «0), (0): (0». Die Definition fftr ,ver' la.utet: ,ver (F, G) (x) == (F (x) v G (X»'. Bier wird das \l!t ,ver(F,G)' syntaktisoh verw~ndet wie ein ~t desselben Typus (0). - 6. ,F' sei ein l~ vom Typus (0); ,KI' sei ein I~t vom Typus «0» (in anderer Sproohweise: eine Klasse von Klassen; vgl. § 37), so daJl ,KI (F)' ein Satz ist. ,verkl (Kl)' bedeute die Vereinigungsklasse von Kl; hiermit ist diejenige Eigensohaft (oder Kla.sse) gemeint, die allen und nur den Zahlen znkommt, denen mindestens ejne Eigenschaft znkommt, die die Eigenschaft zweiter Stufe KI besitzt. Nehmen wir ,M' ala ein tp vom Typns «0», 80 lautet die Definition: ,verkl(M)(x) == (;JF>(M(F).F(x»'. ,verkl(M)' ist ein 1\lJt vom Typus (0); also ist ,verkl' ein Bfu vom Typus «(0»: (0». - 7. ,klgem <P, G)' bedeute die kleinste gemeinsame Za.hl der heiden Eigensohaften F und G, und 0, falls es keine solche Za.hl gibt. Definition: ,klgem (F, G) = <Kx>(F (x) • G (X»'. Jedes der beiden Argumente von ,klgem' hat den Typus (0). Der Wertausdruck von ,klgem' (die roohte Seite der Gleiohung) ist ein 8, hat also den Typus o. Daher ist ,klgem' ein lfu vom Typus «0), (0) : 0), und ,klgem (F, G)' ist ehenfalls ein 8. -Weitere Beispiele in § 37.

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78 Die indefinite Sprache II.

28. Formbestimmungen fOr Zahlausdrflcke und Sitze. Auf Grund der gegebenen Erlii.uterungen, die mit inhalt.

lichen Deutungen verbunden wa.ren, konnen die Formbestimmun· gen fiir II in folgender Weise formaJ aufgestellt werden. (V gl. die analogen Bestimmungen fiir I, § 9).

Wir setzen die friiher gegebenen Definitionen folgender Begriffe voraus: ,gebundene' 'und ,freie Variable' (hier bezogen auf aIle b, nii.mlich 3, V, f, f); ,offen' und ,geschlossen' (S.20); ,definit' und ,indefinit' (S. 41); ,deskriptiv' und ,logisch' (S. 23); ,3~' und ,~t' (S. 24).

Ein Ausdruck hat dann und nur dann den TypUa 0 - er heiBt dann ein Zahlausdruck (.8) -, wenn er eine der folgenden Formen hat: 1. ~~; 2 . .81; 3. (Kh).81 (15) oder (Kh) (15), wobei h in .81 nicht frei vorkommt; 4. ~II (~1)' wobei ~1 einen beliebi­gen Typus t1 und ~II den Typus (11: 0) hat (also ein ~u ist).

Allgemein gilt: wenn ~1 den Typus t1 und ~II den Typus (t1 : 'II) hat - ~II heiBt dann ein Funktorausdruck mu) -, hat ~1 (~1) den Typus til (aber nicht nur in diesem Fall). Die gegebene Bestimmung (4) fUr .8 ist ein SpeziaJfalI hiervon. Ein Ausdruck von einem Typus der Form (t1), wo t1 ein beliebiger Typus ist, heiBt ein Priidikatausdruek (~t).

Rekursive Bestimmungen fiir ,n-stelliger Argumentaus­druck' (oder ,Wertausdruck') (~tgn): ein ~tg1 hat die Form .8 oder ~t oder ~u. Ein ~tgn+l hat die Form ~tgn, ~tg1; haben hierbei ~tg1 und ~tgll den Typus t1 bzw. t l , so hat ~tg1' ~tgll den Typus t 1, t •.

Ein Ausdruck heiBt ein Satz (15) dann und nur dann, wenn er eine der folgenden Formen hat: 1. fa; 2. ~1 = ~B' wo ~1 und ~ • .8 oder ~t oder ~u von gleichem Typus sind; 3. -- (15) oder (15) berfn (15); 4. (31).81 (S) od. er (;J 31).81 (15), wo 31 in .81 nicht frei vorkommt; 5. (b) (15) oder (;J b) (15); 6. ~1 (~1)' WO ~1 einen beliebigen Typus t1 und ~. den Typus (t1) hat (also ein ~t ist).

~1 heiBt ein atomarer Satz, wenn 151 die Form 9l oder Vt1 (~1) oder fU1 (~.) = ~3 hat, wobei Vt1 bzw. fU1 ein undefi· niertes 1Vtb bzw. 1fub ist und ~1' ~. und ~3 ~tg sind, deren samt· liche Glieder @5t sind. 151 heiBt ein molekularer Satz, wenn ~1 ein atomarer Satz iet oder aus einem oder mehreren solchen mit Negations- und Verkniipfungszeichen (und Klammern) gebildet ist. -

Page 91: Logische Syntax der Sprache ||

Formbestimmungen fUr Definitionen. 79

Manche syntaktischen Begriffsbildungen werden einfacher, wenn man nicht die gesamte Sprache II betrachtet, 80ndern gewisse konzentrische Sprachbezirke Ill' IIa, ", die eine unendliche Reihe bilden. Jeder Bezirk ist in bezug auf den Be­stand an Zeichen, an Sii.tzen, an Ableitungen in aJIen folgenden Bezirken enthalten; und I ist in III enthalten. Die Sprache II ist gewissermaBen die Vereinigung aJIer dieser Bezirke. Die Ein­teilung geschieht in folgender Weise. AlIe Zeichen auBer den I't und fU kommen schon in Ill' also in jedem Bezirk vor. Operatoren mit f treten erst in III auf. In III kommen 11't und 1fu ala Kon­stanten und als freie Va.ria.ble vor, aber nicht a.ls gebundene Variable. Weiterhin kommen in einem Bezirk :Un (n = 2, 3, .. ) l't und fu ala Konstanten und als freie V aria.ble bis zur Stufe n vor, aber als gebundene Variable nur bis zur Stufe n-l. [Die Abgrenzung zwischen III und den weiteren Bezirken entspricht etwa der zwischen HUberts engerem und erweitertem Funktionen­ka.lkiil.]

29. Formbestimmungen fUr Definitionen. In II wollen wir nur explizite Definitionen zula.ssen.

Da.s bedeutet keine Beschrii.nkung, do. jede rekursive Definition bei Verwendung unbeschrii.nkter Operatoren durch eine explizite Definition ersetzt werden kann. fu~ sei definiert durch eine re­kursive Definition, die aus @l1 und @lz besteht. Wir bilden aus diesen Sii.tzen ~ und @l" indem wir fU1 iiberall durch ft er­setzen. Wir definieren nun fu~ durch die folgende explizite Defi­nition (iiber ,( )' siehe S. 84; hier nur auf die b bezogen):

fu. (h, .. bm) = (Kb,,) (3 h) [() (@l3 • @l,) • (3" = ft (h, .. bm}»).

Dann ist fU1 = fu. beweisbar, also fU t gleichbedeutend mitfu1' Daher bnn jene rekursive Definition durch diese explizite er­setzt werden.

Grundzeichen in II: 1. zwolf logische Konstanten, na.mlich nu und die elf Einzelzeichen (wie in I, vgl. S. 15, 22); 2. aJIe b; 3. nach Beda.rf bestimmte I'tb und fUD irgendwelcher Typen. [,J' und ,.' konnte man auch a.ls definierte Zeichen einfiihren; wir nehmen sieunter die Grundzeichen auf und stellen ihre Definitionen ala Grundsii.tze auf, um die iibrigen Grundsi.tze einfacher formulieren zu konnen.]

Page 92: Logische Syntax der Sprache ||

80 Die indefinite Sprache II.

Formbestimmungen fur Definitionen. Jede Defini­tion ist ein Satz von der Form ~1 = ~t; ~1 heiBt Definiendum, ~t Definiens. Das zu definierende Zeichen (ein M, t>t, fu, bedn oder fa) kommt nur in ~1 vor; auBeroem konnen in ~1 nur vor­kommen: ungleiche Variable als Argumente, Kommata und Klammem. In ~t kommt kein b frei vor, das nicht in ~1 vor­kommt. Daher ist ein definiertes fa stets Abkiirzung fiir einen geschlossanen Satz. [Beispiele fiir Definitionen: § 27, 37.J

Do. alle Definitionen explizit sind, so kann im allgemeinen ein in einem Satz @il vorkommendes definiertes Zeichen a 1 eli­miniert werden. 1st jedoch a1 ein t>t oder fu, so ist die Eljrnjn8.­

tion dann nicht ohne weiteres moglich, wenn a1 in @i1 mindestens einmal ohne nachfolgendes ~tg (also entweder als Argument oder als Wertglied oder neben ,=') vorkommt. Um diesa Schwie­rigkeit zu beseitigen, kann man @il in folgender Weise in @is

umformen. Man bildet @ill dadurch aus @iI' daB man al an allen Stellen, an denen es in @il ohne ~tg vorkommt, durch eine sonst in @i1 nicht vorkommende Variable bra (ein t> oder f) vom gleichen Typus ersetzt. @is wird dann gebildet in der Form

(b1 ) (bt ) •• (bm) (bra (b1, •• bm) = al (b1, •• bm» ::> @il •

Beispiel. ,Pa' sei definiert durch ,Pa(X) = (Pl(X).P.(X»'. In ,M (Pa)' (<5 1) kann ,Pa' zuniichst nicht eliminiert werden. Wir formen <51 urn in <5a: ,(x) (F(x)=Pa(X», M(~)'. Bier ist die Elimination rnoglich: ,(x) (F (x) == [PI (x). p. (x>J)' M (F)'.

B. Umformungsbestimmungen fUr Sprache n. so. Die Grundsitze der Spracbe II.

Zum Wertbereich einer Varia bIen 3, t> oder f gehOren diejenigen Ausdriicke, die denselben Typus haben wie die Variable (also zum Wertbereich eines 3 die .8). Zum Wertbereich eines f gehoren die @i.

Einfache Einsetzung. '~I (~J ist erne syntaktische Kennzeichnung fUr denjenigen Ausdruck, der aus ~I dadurch entsteht, daB b1 an allen Stellen, an denen es in ~I frei vorkommt, dUrch ~1 ersetzt wird. Hierbei muD ~1 ein Ausdruck des Wert­bereiches von b1 sain, der keine freie Variable enthii.lt, die an einer der Einsetzungsstellen in ~I gebunden ist.

Page 93: Logische Syntax der Sprache ||

Die Grundsii.tze der Sprache II. 81

Einsetzung mit Argumenten. '~m (l:l1 ~:gl)' ist eine

syntaktische Kennzeichnung fiir denjEllligen Ausdruck ~"' der in folgender Weise gebildet wird. l>1 (~rgl) ist ein Satz. Die Glieder von ~rgl sind ungleiche Variable, etwa VI' V2, •• Vk. Diese brauchen in @51 nicht notwendig vorzukommen; andrerseits konnen in @51 auch freie Variable vorkommen, die in ~rgl nicht vorkommen, aber nur solche, die an den Einsetzungsstellen (d. h. an den Stellen, an denen l>1 in ~m frei vorkommt) in ~m nicht gebunden sind. l>1 dad an keiner Einsetzungsstelle in ~m ohne nachfolgenden Argumentausdruck stehen. [Ein derartiges Vorkommen kann unter Umstii.nden in der S. 80 beschriebenen Weise beseitigt werden.] An den verschiedenen Einsetzungs­stellen kOnnen hinter l>1 ungleiche ~rg stehen. An einer bestimm­ten Einsetzungsstelle stehe hinter l>1 der Argumentausdruck ~1' ~2' •• ~k· Dann wird an dieser Stelle l>1 (~1' •• ~k) ersetzt

durch @51 (~) ~a) .. (~). ~ .. entsteht dadurch, daB eine derartige

Ersetzung in ~m an allen Einsetzungsstellen vorgenommen wird.

Beispiel. 2(m sei ,(X) (F (x, 3» v F (0, Z) v (;j F) (M (F»'. Es soIl die Einsetzung (~~f:~X) vorgenommen werden, wo ,fu' ein fu ist. ,F' ist in I2lm nur beim ersten und zweiten Vorkommen frei; nur dies sind also die Einsetzungsstellen. Daher macht es.nichts aus, daB ,F' beim dritten und vierten Vorkommen ohne 2(rg steht. 6 1 ist ,'16 = fu (x)'. An der ersten Einsetzungsstelle miissen wir ,F (x, 3)' ersetzen durch 6 1 (~(f), das ist 6 1 selbst. An der zweiten Ein­setzungsstelle mussen wir ,F (0, z)' ersetzen durch 6 1 (~) (n, das ist ,'16 = fu (0)'. Ergebnis der Einsetzung: ,(x) ('16 = fu (x» v ('16 = fu (0» v (;j F) (M (F»'. DaB die an der ersten Einsetzungsstelle ge­bundene Variable ,x' in dem hier einzusetzenden Ausdruck frei vor­kommt, macht nichts aus; nur die "uberschieBende" Variable ,'16' darf in 2(m an keiner der Einsetzungsstellen gebunden sein.

Grundsiitze von II. Da wir in II iiber die Variablen fund l> verfiigen, konnen wir hier in vielen Fallen anstatt eines Grundsatz­schemas einen Grundsatz selbst aufstellen. GIl 1-3, 7-14 entsprechen den Schemata Gr 1-11 von r (§ 11); dabei sind GIl 10, 11 auf die neuen Variablenarten ausgedehnt.

a) Grundsatze des Satzkalkiils.

GIll. p:)("""p:)q) GIl 2. (,...., p :) p) :) p

Car nap. Syntax. 2. Auf!. 6

Page 94: Logische Syntax der Sprache ||

82 Die indefinite Spraehe II.

Gil 3. (p:;) q)::> «q::> r)::> (p::> r» Gil 4. (p::> q) = ( ...... p v q) Gil 6. (p. q) = ...... ( ...... p v ...... q) Gil 6. «p::> q) • (q::> p» ) (p = q)

b) Grundsitze der beschrinkten Sa.tzopera.toren.

Gil 7. (x) 0 (F (x» = F (0) Gil 8. (x) V (F (x» = [(x) 1/ (F (x» • F (V)] Gil 9. (3 x) 1/ (F (X» = ...... (x) 1/ ( ...... F (X»

c) Grundsitze der Identitit.

Gil 10. Jeder Sa.tz der Form U1 = U1

Gil 11. Jeder Sa.tz der Form (U1 = U.)::> [51::> 51 <::>] d) Grundsit.e der Arithmetik.

Gil 12. ...... (0 = :r!) Gil 13. (:r! = 11) ::> (x = 1/)

e) Grundsitze der K-Opera.toren.

Gil 14. G «Kx) 1/ [F (x») = [( ...... (3 x) 1/ [F (x)] • G (0» V (3 x) 1/ (F (x) • (z) x [ ...... (z = x) ::> ...... F (z)] • G (x»))

Gil 16. G «Kx) [F (x») = [( ...... (3 x) [F (x)] • G (0» V (3 x) (F (x) • (z) x [ ...... (z = x) ::> ...... F(z»)". G (x»]

f) Grundsitze der unbeschrinkten Sa.tzopera.toren.

Gil 16. Jeder Sa.tz von der Form (U1) (51) ::> 51 ("il) Gil 17. Jeder Sa.tz von der Form (t>1) (51):;) 51 (Pl~:91) Gil 18. Jeder Sa.tz von der Form (3 U1) (51) = ...... (U1) (-- 51) Gil 19. Jeder Sa.tz von der Form (U1) (h V 51)::> [h V (U1) (51)]

g) Grundsa.tz der vollstindigen Induktion.

Gil 20. [F (0) • (x) (F (x) ::> F (:r!»)] ::> (x) (F (x»

h) Grundsa.tz der Auswa.hl.

Gil 21. Jeder Sa.tz von der Form «t>.) [t>1 (t>.) ::> (3 U1) [t>. (U1)]J • (t>.) (t>.) [(t>1 (t>.). t>1 (t>.) • (3 U1) [t>. (U1) • P. (U1)]) ::> (t>. = t>.)]) ::> (3 t>,) (t>.) (t>1 (t>.) ::> [(3 U1) [I'. (U1) • 1', (U1)) • (b1) (b.) ([I'. (b1) • t>, (U1) • 1'. (U.) • 1', (b.)] ::> (b1 = b.»]), wobei b1 (und da.her a.uch b.) ein I' oder fist.

Page 95: Logische Syntax der Sprache ||

Die GrundBitze der Sprache II. 83

i) Grundsii.tze der Extensionalitii.t.

GIl 22. Jeder Satz von der Form ~bl) (4'1 (b1) = 4'. (b1»:> (4'1 = 4'.) GIl 23. Jeder Satz von der Form

(b1) (b.) •• (btl) (fl (b1, •. btl) = f. (b1, .. btl» ) (h = f.)

Die in den Schemata genannten Variablen diirfen beliebigen Typus haben; die Forderung, daB der ganze Ausdruck ein Satz sein solI, reicht hin, um das richtige Verhii.ltnis der Typen der verschiedenen Variablen zueinander zu sichern. [Hat z. B. in GIl 21 b1 den Typus tl (beliebig, aber nicht 0), so ergibt sich, daB 4'., 4'3 und ~, den Typus (t1 ), ~1 den Typus «t1» haben muB.] - GIl 4--6 sind Ersatz fUr Definitionen der Verknupfungs­zeichen ,:>', ,.' und ,=' (zwischen e); sie entsprechen RI28r-<l. GIl 6 braucht nur als Implikation aufgestellt zu werden; die umgekehrte Implikation ergibt sich mit Hilfe von GIl 11. -GIl 16, 17 sind die wichtigsten Bestimmungen fiir den unbe­schrii.nkten Alloperator; durch diesa Schemata wird die einfache Einsetzung bzw. die Einsetzung mit Argumenten er­mOglicht. - GIl 18 vertritt eine explizite Definition des unbe­schrii.nkten Existenzoperators. - GIl 19 ermoglicht die sogenannte Verschie bung des Alloperators. - GIl 20 ist das Prinzip der vollstii.ndigen Induktion; es war in I a.ls SchluB­regel (RI4) formuliert, kann hier aber mit Hilfe des unbeschrii.nk­ten Operators als Grundsatz formuliert werden. - GIl 21 ist das Auswahlprinzip von Zermelo in verallgemeinerter Form (auf beliebige Typen bezogen); es besagt: "Wenn Meine Klasse (dritter oder Mherer Stufe) ist, deren Elementklassen nicht leer und einander fremd sind, so gibt es mindestens eine Auswahl­klasse H von M, d. h. eine Klasse H, die mit jeder Elementklasse von M genau Ein Element gemein hat." Wird dieser Satz auf Zahlen als Elemente bezogen, so ist er ohne GIl 21 beweisbar (man kann in diesem Fall die Auswahlklasse z. B. dadurch bilden, daB man aus jeder Elementklasse von M die kleinste Zahl wii.hlt). Deshalb wird in GIl 21 bestimmt, daB b1 und b. nicht 3, sondern ~ oder f sind. - Die Aufstellung von GIl 22 bewirkt (im Zusam­menhang mit GIl 11), daB zwei 4'r, die umfangsgleich sind, uberall vertauschbar, also synonym sind. Daher sind aIle Sii.tze von II extensional in bezug auf ~r (vgl. § 66). GIl 23 bewirkt Ent­sprechendes fur die iju. Man beachte, daB eine Gleichung der

6'"

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84 Die indefinite Sprache II.

Form .81 =.8. oder ~r1 = ~rl oder ~U1 = ~UI keineswegs he­sagt, daB die heiden Gleichungsglieder gleichbedeutend sind. Die beiden Ausdriicke sind dann und nur dann gleichbedeutend (synonym), wenn die Gleichung a.na.lytisch ist.

Sl. Die SchluBregeln der Sprache II. Die SchluBregeln von II sind sehr einfach: RII 1. Regel der Implikation. 153 heiBt unmittelbar

ableitbar aus 151 und 15., wenn 151 die Form 151 :> 153

hat. RII 2. Regel des Alloperators. 158 heiBt unmittelbar

ableitbar aus 151, wenn 158 die Form (b) (151) hat.

Von den vier SchluBregeln von I (§ 12) bleibt hier nur RI3 (= RII I) bestehen. RII wird durch GIl 16, 17 und RII 2 ersetzt: aus 151 ist nach RII 2 (b1) (151) bzw. (.»1) (151) ableitbar,

hieraus nach GIl 16 bzw. 17 und RII 1 151 Gi) bzw. 151 (~1~~1). RI2 ist durch GIl 4--6 ersetzt; RI4 durch GIl 20.

Bei der Aufstellung einer Sprache hat man haufig die Wahl, ob man fUr eine gewisse Bestimmung die Form emes Grund­satzes oder die einer SchluBregel wahlen will. Falls es in einfacher Weise m5g1ich ist, wird man meist die erstere Form vorziehen. [Beispiel. Das Prinzip der vollstii.ndigen Induktion kann in I nur ala Regel formuIiert werden, in II als Grundsatz oder ala Regel; wir hahen das erstere gewahlt. Weitere Beispiele ergeben sich aus dem Vergleich mit anderen Systemen, s. § 33.] Doch ist die Auffassung unzutreHend, daB es einen prinzipiellen Unterschied folgender Art gebe: fiir die Aufstellung einer Regel sei die Syntaxsprache (gew5hnlich eine Wortsprache) n5tig, zur Aufstellung eines Grundsatzes dagegen nicht. Vielmehr muB genau genommen die letztere auch in der Syntaxsprache- formu­liert werden, nam1ich durch die Bestimmung " ... solI ein Grund­satz sein" (oder " ... soll unmittelbar ableitbar aus der leeren Klasse sein", vgl. S. 124).

Die BegriHe ,Ableitung', ,ableitbar', ,Beweis', ,be­weisbar' haben hier dieselhe Definition wie fiir I (S. 27). Sind VI' til' •• vn die freien Variablen von 151 in der Reihenfolge ihres ersten Auftretens, so solI ,0 (151)' den geschlossenen Satz (v1 ) (VI) •• (Vn ) (151) bezeichnen; ist 151 geschlossen, so ist 0 (151)

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Die Schlullregeln. -Ableitungen und Beweise in II. 85

151 selbst. 151 heiBt widerlegbar, wenn -- 0 (151) beweisba.r ist. 151 heiBt entscheidbar, wenn 151 beweisba.r oder widerlegba.r ist; andemfalls unentscheidbar. Die Begriffe ,Folge', ,analytisch' usw. werden spater erortert (§ 34).

32. Ableitungen und Beweise in II. Es seien einige einfache Sii.tze iiber Beweisbarkeit und

Ableitbarkeit in II angegeben. [Die Beweis- und Ableitungs­schemata sind abgekiirzt.]

Satz 32'1. Jeder Satz einer der folgenden Formen ist in II beweisba.r:

a) 151 ~) :;) (~ VI) (151),

Beweisschema. GIl 16 (V1)( -- 151) :> (-- 151) (~~) (1)

(1) (VI) (-- 151):> -- (151) (~~) (2)

(2), Satzkalkiil (Wendung) 151 (::):> -- (VI) (--151) (3)

(3), GIl 18 151 (~~) :> (~ VI) (151) (4)

b) (VI) (151):> (~ VI) (151), Aus GIl 16, Satz lao

c) (~b1) (31 = h). Aus GIl 10, RII 2, Satz 1 b.

Satz 32'2. In II ist ableitbar:

a) Aus 151 :> 15., wo VI in 151 nicht frei vorkommt: 151 :> (VI) (15.). Ableitungs8chema. Pramisse: 151 :> 15., VI kommt in 151

nicht frei vor; (1 )

(1), Satzkalkiil -- 151 V 15. (2) (2), RII 2 (VI) (-- 151 V 15.) (3) (3), GIl 19 -- 151 V (VI) (15.) (4) (4), Satzkalkiil 151 :> (VI) (15.) (5)

b) Aus 151 :> 158, wo VI in 15. nicht frei vorkommt: (~Vl) (151):> 15 •. Ableitungsschema. Prii.misse: 151 :> 158, VI kommt in 15. nicht frei vor; (I)

(1), Satzkalkiil 15. V -- 151 (2) (2), RII 2 (VI) (15. V -- 151) (3) (3), GIl 19 15. V (b1 ) (-- 151) (4) (4), Satzkalkiil -- (b1 ) (-- 151) :> 15. (5) (5), GIl 18 (~ b1) (151) :> 15. (6)

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86 Die indefinite Spraohe II.

c) Aus (51 ) (b) (15.): 151 :;) 15 •. Ableitungsschema.. Primisse:

GITI6 (I), (2), SatzkalkUl

151 ) (b1) (15.) (b1) (15.) ) 15. (51 ) 15.

Satz 32·3. In IT sind gegenseitig ableitbar:

(I) (2) (3)

a) 151 und (b) (151); also auch 151 und 0 (151), Nach BIT 2 und GITI6. b) (b1) (b.) (151) und (b.) (b1) (151),

Ableitungsschema.. Primisse: (I), zweimal GIT 16 (2), zweima.1 BIT 2

(b1) (b.) (151)

151

(b.) (b1) (151)

(1) (2)

(3)

33. Vergieieh der Orundsltze und Regeln von II mit denen anderer Systeme.

1. Das Verfahren, Grundsatzschemata an Stelle der Grund. sitze selbst aufzustellen, stammt von v. Neumann [Beweisth.] und ist auch von Godel [Unentscheidbare] und Tanki [Widerspruchsfr.] angewendet worden.

2. Satzkalkdl. Russell [Princ. Math.] hatte fiinf GrundBitze; diese wurden von Bernays [AU88agenkalkdl] auf vier reduziert. Unser System von drei GrundBitzen GIl 1-3 stammt von Lukasie· wicz [AUBBagenkalkdl].

3. Funktionenkalkdl. Hierunter wird gewohnlich ein System verstanden, das etwa unseren Bestimmungen GIl (1-3), 16-19, RII 1, 2 entspricht. Wir wollen diesa Bestimmungen mit den ent· sprechenden einiger anderer Systeme vergleichen. Dabei soIl kurz gezeigt werden, daB den abweichenden GrundsAtzen und Regeln der andem Systeme (auf Grund einer geeignet zu wahlenden "ttber. setzung) naohweisbare syntaktische Satze dber Beweisbarkeit bzw. Ableitbarkeit in II entsprechen. Allen beweisbaren Sitzen der anderen Systeme entsprechen daher ebensolche in II; jeder Ableitbar. keitsbeziehung in einem der andem Systeme eine solche in II. In den frdheren Systemen (nicht nur den hier genannten) wird meist auch die Einsetzung mit Argumenten zugelassen und praktisoh vor· genommen; fdr ihre Durchfdhrung (vgl. S.8I) werden jedooh, wie es scheint, nirgends genaue Bestimmungen angegeben.

a) Russell ([Prino. Math.] * 10, zweite Fassung des Funk. tionenkaJkdls) stellt GIl 16 als Grundsatz auf (* 10'1: ,(~) (F (~» ;) .Ii' (y)'), nicht als Schema. Daher wire eine Einsetzungsregel er· forderlich, die aber nicht aufgestellt, sondem nur stillschweigend ge. handhabt wird. Femer wird GIl 19 als Grundsatz (* 10'12) auf. gestellt, GIl 18 als Definition (* 10'01), RIll, 2 als RegeIn (* 1'1,

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Vergleieh mit anderen Systemen. 87

* 10·11). FUr unseren Satz 32·3b(* 11·2) benotigtRu88611 einen in II nioht erforderliehen Grundsatz (* 11·07).

b) Hilbert [Logik] stellt wie RU88611 GIl 16 ala Grundsatz auf und fiigt die erforderliohe Einsetzungsregel (a) hinzu. Hilberts zweiter Grundsatz entsprieht unserem Satz 32.180. Hilbert hat noch drei weitere Regeln: Regel (P) entsprieht RII 1, die Regeln (,,) den Sitzen 32·280, b. GIl 18 wird bei Hilbert bewiesen (Formei 3380), RII 2 ala abgeleitete Regel (,,1) gewonnen.

e) Godel [Unentscheidbare] verwendet den Existenzoperator nicht; dadurch fillt GIl 18 fort. Godela Grundsatzsehemata III 1,2 entsprechen GIl 16, 19. RIll, 2 werden ala SehluBregeln (De­finition fUr ,unmittelbare Folge') aufgestellt.

d) Tarski [Widerspruehsfr.] stellt" fUr den Funktionenka.lkiil nieht Grundsitze, sondem nur SohluBregeln (Def. 9 fUr ,Konsequenz') auf. 9 (2) ist eine Einsetzungsregel; Einsetzung mit Argumenten wird nioht zugela886n, so daB GIl 17 fortfillt. 9 (3) entsprioht RII 1. 9 (4) und 9 (5) entsproohen Satz 32·280 bzw. 20. Duroh 9 (5) wird RII 2 und (im Verein mit 9 (2» GIl 16 ersetzt. Da. kein En­stenzoperator verwendet wird, fillt GIl 18 fort.

4. Arithmetik. Wir nehmen wie Peano ([Formula.ire] II, § 2) ,0' und ein Nachfolgerzeichen V') ala Grundzeiehen. Peanos un­definiertes ~t ,Zahl' verwenden wir nicht, weil I und II Koordinaten­sprachen sind, so daB alle Ausdrii.eke des niederaten Typus Zahl­ausdrii.cke sind. Dadureh fallen von Peanos fiinfAxiomen (1) und (2) fort; seinenAxiomen (3), (4), (5) entsproohen GIl 13, 12,20. - tlber reelle Zahlen vgl. § 39. . ""

5. Mengenlehre. Da wir die Mengen oder Kla.886n dureh ~t darstellen (vgl. § 37), so entspreohen den Axiomen der Mengenlehre Sitze mit Variablen ~. - a) Ein UnendliehkeitBaxiom (RU88611 [Prine. Math.] II, 203; Fraenkel [Mengenlehre] 267, Ax. VII 307) ist in II nioht erforderlieh; der entsproohende Satz (,(z) (:;) y) (y = Zl)') ist beweisbar. Das beruht darauf, daB man bei Anwendung der Peanoschen Methode der Zahlenbezeichnung zu jedem Zahlausdruek einen Ausdruek fUr die nichsthohere Zahl bilden kann (vgl. hierzu Bernays [Philosophie] 364). - b) Dem Auswahlaxiom von Zermelo (Russell [Prine. Math.] I, 561ff. [Math. Phil.] 123ff.; Fraenkel Ax. VI, 283ff.) entspricht GIl 21. - e) Ein Axiom der Extensionalitat (Fraenkel Def.2, S.272; GOdel [Unentseheid. bare] Ax. V 1; Tarski [Widerapruehsfr.] Def. 7 (3» ist GIl 22. -d) Ein ReduzibilititBaxiom (RU88ell [Prine. Math.] I, 55) ist in II nieht erforderlieh, da in der Syntax von II nur die sog. einfache Typeneinteilung, nicht RU886lls sog. verzweigte Typeneinteilung vor· genommen wird (vgl. S.77). - e) Ein (dem Reduzibilititsaxiom verwandtes) Komprehensionsaxiom (v. Neumann [Beweisth.] Ax. VI; GOdel Ax. IV 1; Tarski Def. 7 (2); es entspricht etwa Fraenkela AU880nderungsaxiom V, 281) ist in II nieht erforderlieh, da nach den syntaktisehen RegeIn fUr Definitionen durch jeden Satz mit n freien

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88 Die indefinite Sprache II.

Variablen ein ~t" definiert werden kann. Dabei Bind auch die sog. impradikativen Definitionen nicht ausgeschlossen; fiber ihre Be· roohtigung vgl. § 44. - Es seien noch die im vorstehenden nicht ge· nannten Axiome von Fraenkel ([Mengenlehre] § 16) untersucht. Das Axiom der Bestimmtheit (Fraenkel.A:x. I) ist in II ein Sonderfall von GIl 11. Fraenkels Axiome der Paarung, der Vereinigung, der Potenzmenge, der Aussonderung, der Ersetzung (I1-V bzw. V', VIII) Bind in II nicht erforderlich, da die durch diese Ariome ge· forderten Mengen (~t) stets definiert werden konnen; auch Pradikat· funktoren zur allgemeinen Bildung dieser Mengen konnen definiert werden (vgl. die Beispiele ,ver' und ,verkI', S. 77).

Me Foigebestimmungen fOr Sprache IL Wir kOnnen bier wie frillier (§ 14) zwei Deduktionsverfabren

unterscheiden: da.s der Ableitung und da.s der Folgereihe. Die auf dem ersteren beruhenden BegriHe wollen wir a.Begrilfe nennen; die wichtigsten sind: ,ableitbar', ,beweisbar', ,wider· legbar', ,unentscheidbar'. Ihnen stehen die f.Begriffe gegen· iiber: ,Folge', ,ana.lytisch', ,kontradiktorisch', ,synthetisch'. In· fo1ge des erheblich grOBeren Reichtums der Spra.che II (~t und fU .unendlich vieler Stufen) sind die Definitionen der f.Begriffe fUr II erheblich komplizierter ala fiir I; sie erfordem die Einfiih· rung einer lii.ngeren Reihe von HilfsbegriHen. Diese Definitionen sollen in einer Abhandlung aufgestellt werden, die an anderer Stelle verOfientlicht wird. Hier begniigen wir una damit, die Methode der Definitionen anzudeu~n.

Bei Spra.che I haben wir mit Hilfe des BegriHes ,Fo1ge' die BegriHe ,a.na.lytisch' und ,kontradiktorisch' definiert. FUr Spra.che II erweist sich da.s uingekehrte Verfahren ala· technisch einfa.cher: es werden zunichst die BegriHe ,ana.lytisch' und ,kontradiktorisch' definiert, und zwar fiir Sitze und fUr Sa.tzkla.ssen. Der Cha.ra.kter der (bier nicht angegebenen) Defini· tionen sei an einigen Beispielen erliutert. Ein Satz mit definierten Zeichen heiBt a.na.lytisch, Wenn der durch Elimination dieser Zeichen entstehende Satz a.naJ.ytisch ist. Ein Satz @i1 mit der freien Va.ria.blen 51 heiBt a.na.lytisch, wenn a.lle Sitze von der

Form @i1 (~J a.naJ.ytisch sind. Man kOnnte geneigt sein, ana.log zu bestimmen: ein Satz @i1 mit einer freien Va.ria.blen 1 ~ 1, et:wa. 411' heiBt a.na.lytisch, wenn fUr jades Ptl' da.s ein in II definierha.res 1 pt} ist, @i1 <::) ana.lytisch ist. Aber. da.s wiirde die ba&bsich·

Page 101: Logische Syntax der Sprache ||

Folgebestimmungen filr Sprache II. 89

tigte Bedeutung fiir ,analytisch' nicht treffen. Denn es ist mog­lich, daB @:i1 die genannte Bedingung erfiillt, aber trotzdem nicht allgemeingiiltig. ist, wenn na.mlich @:i1 unzutreffend ist fiir eine Zahleigenschaft, die durch kein in II definierbares pr! dar­stellbar ist. [Fur. jede die Arithmetik enthaltende Sprache gibt es solche nicht-definierbaren Zahl­eigenschaften, d. h. (formal gesprochen): in einer reicheren Sprache definierbare pr!, fiir die kein umfangsgleiches pr in dieser Sprache definiert werden kann. Denn die Klasse. der in einer Sprache aufstellbaren Definitionen, also auch die der definier­baren Zeichen, ist hoohstens abzii.hlbar. 1st nun jedem pr! der Sprache eineindeutig eine Nummer zugeordnet (bei arithmeti­sierter Syntax z. B. die Gliedzahl), so ist, wie sich leicht zeigen lii.Bt, die Klasse derjenigen Nummern, denen das zugeordnete pr nicht zukommt, nicht durch eines der pr dargestellt. (Dies ist der Gedankengang von Cantors Beweis der "Oberabzii.hlbarkeit des Kontinuums.)] Wir miissen deshalb eine andere Bestimmung aufstellen. Wir wollen sie hier nur fiir den Fall angeben, daB P1 in @:i1 nur in Teilsii.tzen von der Form P1 (@:it) vorkommt. Dann heiBt @:i1 analytisch, wenn fiir jede beliebige K1asse ~1 (d. h. syntaktische Eigenschaft) von Ausdriicken @:it derjenige Satz analytisch ist, der in folgender Weise aus @:i1 gebildet wird: jeder Teilsatz P1 (@:it1) von @:i1 wird, falls @:it1 zu ~1 gehOrt, durch .~ (das ist ,0 = O'), und andemfalls durch ,...., ~ ersetzt. [Die Rede­wendung "fiir alIe syntaktischen Eigenschaften" kann in einer symbolischen Syntaxsprache formuliert werden, nii.mlich mit Hille eines Alloperators mit einer Prii.dikat\tarlablen.] AnaIoge Bestimmungen werden fiir p und f hoherer Stufen aufgestellt; ferner auch fUr undefinierte prb und fUb'

Auf Grund der Begriffe ,analytisch' und ,kontradiktorisch' werden ,synthetisch', ,unvertrii.glich' und ,vertra.glich' hier ana.log definiert wie fiir I. Ferner nennen wir @:i. eine Folge von ~1 (in II), wenn ~1 + {,...., 0 (@:is)} kontradiktorisch ist. @:i1 heiBt una. bha.ngig von ~1' wenn @:i1 weder Folge von ~1 noch unvertra.g1ich mit ~1 ist. Es kommt vor; daB @:i1 Folge einer unendlichen Satzklasse ~1 ist, ohne Folge irgendeiner echten Teilklasse von ~1 zu sein. [Beispiel. pr1 sei ein undefinierteB prb;

~1 sei die K1asse der Sa.tze pr1 (@:it); @:i1 sei pr1 (31)'] Daher ist es wesentlich, daB die Definition fiir ,Folge' im Unterschied zu

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90 Die indefinite Spraohe II.

.ableitbar' moh nioht nur auf endliohe. sondem auoh auf unendliohe Satzkla.ssen bezieht.

Auf Grund der (hier nur angedeuteten) Definitionen liSt moh Folgendes beweisen. Jeder logisohe Satz ist entweder analytisoh oder kontradiktorisoh. (Es gibt jedoch kein aDgemeines Entscheidungsverfahren.) 1st @i1analytisch, so ist @il Folge jeder Satzklasse; und umgekehrt. 1st ~l kontradiktorisch, so ist jeder Satz Folge von ~l; und umgekehrt. 1st @il:>@il analytisch, so ist @il Folge von @il. 1st @il geschlossen und ist @il Folge von @iI' so ist @il :> @il analytisch. 1st ein Satz von II, der auoh in I vorkommt, analytisch in I, so auoh analytisch in II, und umgekehrt. Entsprechendes gilt fUr die iibrigen f-Begriffe.

Es liSt moh ferner (unter Voraussetzung eiI!er geniigend reiohhaltigen Syntaxsprache) Folgendes nachweisen. Jeder Grundsatz und jede Definition in II ist anaIytisch. 1st ein Satz unmittelbar ableitbar aus einem oder zwei andem, 80 auoh Folge von ihnen. Daher ist jeder in II beweisbare Satz analytisch. Wir nennen eine Sprache S widerspruohsvoll, wenn jeder Satz von SinS beweisbar ist; andernfalls widerspruohsfrei (vgl. § 59) .. ~ m ist kontradiktorisch und nioht analytisch, daher auoh nioht beweisbar. Also ist Spraohe II widerspruohsfrei. [Der bier angedeutete Widerspruohsfreiheitsbeweis fUr die Sprache II, die die klassische Mathematik enth&lt, verwendet wesentlioh indefinite syntaktische BegriHe. Er stellt also keineswegs eine LOaung der A¢gabe dar, die Hilbert moh gestellt hat, nimlioh einen derartigen Beweis mit "finiten Mitteln" zu fUhren. Ob diese Aufgabe iiberhaupt losbar ist, ist nach den Ergebnissen von Godel (vgl. § 36) zumindest sehr zweifelhaft.]

Unter dem Gehalt von @i l oder ~l (in II) verstehen wir die K.lasse der nioht-analytischen Sitze, die Folgen von @il bzw. stl sind. ,Gehaltgleioh' und ,synonym' werden hier analog de­finiert wie fiir I.

c. Weitere Untersuchungen zur Sprache ll. 35. Syntaktisebe Sitze, die sleb auf sleb selbst bezieben.

1st die Syntax einer Sprache in dieser Sprache selbst formu­liert, so kann unter Umstinden ein syntaktischer Satz iiber sioh

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Syntaktische Sitze, die sich auf sich selbst beziehen. 91

selbst sprechen, genauer: iiber seine Gestalt (da ja die reine Syntax nicht von einzelnen Satzen a.ls physik.alischen Gebilden, 80ndern nur von Gestalten und Formen sprechen bon). @Sl besa.gt z. B. "ein Satz der Form ... ist geschlossen (oder: offen, beweisbar, synthetisch od. dgl.)"; und dabei hat @Sl selbst die in ihm an­gegebene Gestalt. Man kaon ffir jede vorgegebene syntaktische Eigenschaft einen Satz 80 konstruieren, daB er sich selbst diesa Eigenschaft - zu Recht oder zu Unrecht - zuschreibt. Da.s Verfa.hren hierffir sei angegeben, da es zu wichtigen Folgerungen fUr die Fragen der Vollstii.ndigkeit der Spra.che und der Moglich­keit eines Widerspruchsfreiheitsbeweises fiihrt. Wir haben friiher die Syntax der Sprache I in I formuliert. Ebenso kaon man die Syntax von II in II formulieren, und zwarin noch weiterem Umfa.ng, weil hier auch indefinite syntaktische Begriffe definiert werden koonen. Wir wollen die weiteren V'berlegungen auf die Sprache II beziehen. Sie Monen leicht auf I iibertragen werden, da wir hier nur definite Zeiohen der in I schon vorkommenden Arlen verwenden.

,str (11.)' solI heiBen "das RZ@St, da.s den Wert 11. hat". [Z. B. ist str (4) da.s RZ@St ,0"11'.] Rekursive Definition:

str (0) = reihe (4) (1) str (n').= zus [str (n), reihe (14)] (2)

Es sei eine beliebige syntaktische Eigenschaft von Aus­driicken gewahlt (z. B. ,deskriptiv' oder ,nicht-beweisba.r (in II)'). @Sl sei derjenige Satz mit der freien Variablen ,x' (ffir die wir die Gliedzahl 3 nehmen wollen), der diesa Eigenschaft aus­driickt [in den Beispielen: ,DeskrA (x)', ,-- BewSatzII (r, x)',

vgl. S. 66]' @S. entstehe aus @Sl' indem ffir ,x' ,subst [x, 3, str (x)]' eingesatzt wird. [1m zweiten Beispiel ist @S. ,-- BewSatzIl (r, subst [x, 3, str (x)])'.] Duroh die friiher aufgestellten RegeIn (S. 59) ist ffir jedes definierte Zeichen die Gliedzahl eindeutig bestimmt. 1st @S. aufgestellt, 80 bon daher die Reihenza.hl von @S. berechnet werden; sie sei mit ,b' bezeichnet (,b' ist ein defi­niertes 33). Der RZSatz subst [b, 3, str (b)] sei @Sa; @Sa ist a.lso der Satz, der aus @S. dadurch entsteht, da.B fUr ,x' da.s @St mit dem Wert b eingesatzt wird. Man kann sich leicht kla.rma.chen, daB @Sa bei syntak~ischer Deutung besa.gt, @Sa selbst habe die gewii.hlte syntaktische Eigenschaft.

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92 Die indefinite Sprache II.

Am Beispiel der Eigenschaft ,nicht- hewei$har (in II)' wollen wir uns da.s kla.rmachen. Anstatt '~3' wollen wir hier ,@}'

schreiben. [Dieser Satz hildet da.s AnaJogon in II zu dem von GOdel (Unentscheidha.re] konstruierten Satz, aher mit freier anstatt unbeschrii.nkt gehundener Varia.hler.] hi sei die Reihen­za.hl des (oOOn angegehenen) ~. dieses Beispiels. str (hi) ist ein RZ@;t; dieses ~t wollen wir, um die folgenden "Oberlegungen an­schaulicher zu machen, durch ,0"'" andeuten (dieses ~t besteht aus ,0' und h. Strichen und ist daher viel zu lang, als daB ein Mensch es ganz ausschreiOOn konnte). Hiemach ist 0"" = hi' @} sei der Satz, der die Reihenza.hl suhst [hi' 3, str (hi)] (oder suhst [0"", 3, str (0'.' . )]) hat. Hiemach ist @ der Satz, der aus ~I dadurch entsteht, daB fiir ,x' ,0··'" eingesetzt wird; @ ist also der Satz ,/"'OJ BewSatzII (r, subst [011 •• , 3, str (0'."))). Hiermit haben wir den Wortlaut von @ festgestellt. Er hesa.gt bei syntaktischer Deutung, daB derjenige Satz nicht-beweishar ist, der die Reihenzahl suhst [0'" " 3, str (0··' .)] hat; da.s aber ist @ selhst. @ hesagt somit, daB @ nicht-heweis­har ist.

Es sei nebenhei darauf hingewiesen, daB ein Satz der deskriptiven Syntax sich in einem noch prii.gnanteren Sinn auf sich selhst heziehen kann, namlich nicht nur auf seine Gestalt, sondern auf sich selhst als physika.lisches Gehilde aus Druckerschwii.rze. Ein an einem bestimmten Ort stehender Satz bnn bei inhaltlicher Deutung besa.gen, daB der an diesem Ort stehende Ausdruck, also er selhst, die und die syntaktische Eigen­schaft habe. Hier kann man in noch einfacherer Weise als bei den Sii.tzen der reinen Syntax zu jeder gegebenen syntaktischen Eigenschaft einen Satz konstruieren, der diese Eigenschaft -zu Recht oder zu Unrecht - sich selhst zuschreiht. rst etwa die betreffende Eigenschaft durch da.s t:lt ,Q' ausgedriickt, so besa.gt der Satz ,Q [ausdr (h, a)],: "Der Ausdruck, der an den Stellen von a bis a + h steht, hat die Eigenschaft Q" (vgl. S. 68). [Beispiel. An den Stellen a his a + 8 (etwa auf einem Papier mit numerierten Stellen) mOge der Satz ~1 ,DeskrA [ausdr (8, a)]' stehen. ~1 besa.gt bei syntaktischer Deutung, daB der an den Stellen 8. his 8. + 8 stehende Ausdruck deskriptiv sei. Dieser Aus­druck ist aber ~1 selbst. ~1 ist iihrigens wahr (empirisch-giiltig), da ~1 da.s fUb ,ausdr' enthii.lt.]

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Unentscheidbare Slltze. 93

S6. Unentscheidbare Sitze. Wir wollen (in Anlehnung an den Gedankengang von Gadel

[Unentscheidbare]) zeigen, daB der vorhin konstruierte Satz @ in II unentscheidbar ist.

Wir haben Sprache II so aufgebaut, daB die syntaktischen Form- und Umformungsbestimmungen in Einklang stehen mit einer von una beabsichtigten inhaltlichen Deutung der Zeichen und Ausdrucke von II. [V om systematischen Gesichtspunkt aus betrachtet, ergibt sich das umgekehrte Verhaltnis: es werden, logisch willkurlich, syntaktische Bestimmungen aufgestellt; und aus diesen formalen Bestimmungen laBt sich die Deutung ent­nehmen. V gl. § 62.] Insbesondere wird die Definition fur ,ana­lytisch (in II)' so aufgestellt, daB alle und nur die Satze, die bei inhaltlicher Deutung logisch-giiltig sind, analytisch heiBen. Ferner sind wir bei der Aufstellung der arithmetisierten Syntax von I in I (D 1-125) so vorgegangen, daB ein Satz dieser Syntax, also ein syntaktisch deutbarer logischer, und zwar arithmetischer Satz von I, dann und nur dann arithmetisch zutrifft, wenn er bei inhaltlicher syntaktischer Deutung ein zutreffender syntak­tischer Satz ist. [Z. B. ist ,BewSatz (a, b)' dann und nur dann arithmetisch zutreffend, wenn a nach den getroffenen Bestim­mungen Reihenreihenzahl eines Beweises ist, und b Reihenzahl des letzten Satzes in diesem Beweis.] Wir denken uns nun in gleicher Weise die arithmetisierte Syntax von II in II aufgestellt. [Beispiel: ,BewSatzII (r, x)' wird so definiert, daB es besagt: "r ist ein RRZBeweis fiir den RZSatz x." Hierbei ist ,BewSatzII' ein definites pt.] Dann wird hier ein syntaktisch deutbarer arith­metischer Satz von II dann und nur dann logisch giiltig sein, also auch dann und nur dann analytisch sein, wenn er bei inhalt­Hcher syntaktischer Deutung ein zutreffender syntaktischer Satz ist. Damit habenwir ein infolge seiner AnschauHchkeit leicht zu verwendendes und abkiirzendes Verfahren, um fur gewisse @II

den (in diesen Fallen sonst sehr umstandlichen) Nachweis zu fuhren, daB sie analytisch (bzw. kontradiktorisch) sind; dieser Nachweis geschieht namllch durch eine inhaltliche tJherlegung uber die Richtigkeit oder Falschheit des betreffenden Satzes bei syntak­tischer Deutung. [Im Beispiel: kannen wir zeigen, daB die RRZSatz_ reihe a ein Beweis fiir den RZSatz b ist, so ist damit gezeigt, daB der Satz ,BewSatzII (a, b)' in II analytisch ist.]

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94: Di~ indefinite Spraohe II.

@} war der Satz ,""'" BewSatzll (r, subst [ ... ])'; wir schreiben bier der Kiirze wegen ,subst [ ... r anstatt ,subst [0" .. , 3, str «)II •• )]'. Die Reihenzahl von @) war subst [ ... ].

Satz 36'1. Falls II widersprochsfrei ist, ist @} in II nicht beweisbar. - Angenommen, es gibe einen RRZBeweis a fur @}.

Dann wire der Satz von II, der dies besa.gt, also ,BewSatzII (a, subst [ ... ])', inhaltlich richtig, also analytisch und, weil

definit, auch beweisbar. Wire nun @} beweisbar, 80 auch @}(:'),

also ,"'" BewSatzll (a, subst [ ... ])'. Diaser Satz ist aber die Negation des vorhin genannten Satzes. II wire 80mit wider­sprochsvoll.

Satz 36'2. @} ist in II nicht beweisbar. - Aus Satz 1 und § 34.

Satz 36'3. @} ist in II nicht widerlegbar. - Angenommen, @} wire widerlegbar, also (vgl. S. 85), ,-- (r) (-- BewSa.tzII (r, subst [ ... J»' beweisbar. Dann ware auch ,(~ r) (BewSatzII (r, subst [ ... ])' beweisbar, also (vgl. § 34) analytisch, also inhaltlich richtig: es gabe einen Beweis fiir den Satz mit der Reihenzahl subst [ ... ], also fiir @}. Das ist aber nach Satz 2 nicht der Fall.

Satz 36'4. @} ist in II unentscheidbar. - Nach Satz 2,3. Satz 36'5. @} ist analytisch. - @} besa.gt bei inhaltlich­

syntaktischer Deutung da.sselbe wie Satz 2, ist also inhaltlich richtig, also analytisch. @} ist 80mit ein Beispiel fUr einen ana­lytischen, aber nicht beweisbaren Satz von II (siehe

Figur S. 138). Jeder Satz der Form @} (&J, wo h ,r' ist, ist ana­lytisch und definit und daher auch beweisbar; aber der gene~lle Satz @) selbst ist nicht beweisbar.

mil sei der geschlossene Satz ,(~ z) (r) (-- BewSatzll (r, Z»'. Er besagt bei inhaltlich-syntaktischer Deutung, daB es einen in II nicht-beweisbaren Satz gebe, daB also II widersprochsfrei sei.

Satz 36'6. mil ist analytisch. - mil ist inhaltlich richtig (vgl. § 34).

Satz 36'7. mIl ist in II nicht beweisbar. - Satz 7 kann nachgewiesen werden durch "Obertragung des Nachweises, den Godel (Unentscheidbare] 196 gegeben ha.t. Der Geda.nkengang sei kurz angedeutet. Der Nachweis fiir Sa.tz 36·I:ka.nn mit den Mitteln von II gefiihrt werden, d. h. der Satz mIl:> @) ist in II beweisbar. Wire nun mil beweisbar, 80 naoh BII 1 auch @}.

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Praclikate ala Klassenzeichen. 95

Dies ist aber nach Satz 2 nicht moglich. Die Widerspruchs­freiheit von II kann mit den Mitteln von II nicht bewiesen werden. ~11 ist ein neues Beispiel fiir einen analyti­schen, aber nicht beweisbaren Satz.

Satz 7 besagt nicht, ein Nachweis der Widerspruchsfreiheit von II sei nicht moglich; wir haben ja friiher einen solchen Nach­weis angedeutet. Der Satz besagt vielmehr, daB dieser Nachweis nur moglich ist mit den Mitteln einer Syntax, die in einer reicheren Sprache a.ls II formuliert ist. Der friiher angedeutete Nachweis macht wesentlichen Gebrauch von dem Begriff ,analytisch (in II)'; dieser Begriff bnn aber (wie wir spater sehen werden) in einer in II formulierten Syntax nicht definiert werden.

Entsprechende Ergebnisse gelten auch fiir Sprache I: ist @I der zu @ analog konstruierte Satz in I (,--, BewSatz (r, subst [ ... ])'), so ist @I analytisch, aber in I unentscheidbar. ~I sei ein dem Satz ~II ungefahr entsprechender Satz von I (etwa ,--' BewSatz (r, c)'. wobei c die Reihenzahl von --' in ist). Dann ist ~I analytisch, aber in I unentscheidbar. Die Wider­spruchsfreiheit von I (die Nichtbeweisbarkeit irgendeines Satzes in I) . kann mit den Mitteln von I nicht nachgewiesen werden.

DaB die Widerspruchsfreiheit der Sprache nicht in einer Syntax, die sich auf die Mittel der Sprache selbst beschrii.nkt, bewiesen werden bnn, liegt nicht etwa an einer besonderen Schwache der Sprachen I und II. Diese Eigenschaft kommt vielmehr, wie Godel [Unentscheidbare] gezeigt hat, einer groBen Klasse von Sprachen zu; dazu gehoren alle bisher bebnnten (und vielleicht iiberhaupt alle) Systeme, die die Arithmetik der natiirlichen Zahlen enthalten. (Vgl. hierzu auch Herbrand [Non-contrad.] 5 f.)

37. Prlidikate als Klassenzeichen. Frege und Russell fiihren Klassenausdriicke in der

Weise ein, daB aus jedem Ausdruck, der eine Eigenschaft be­zeichnet (z. B. aus einem l:'tl oder aus einer sogenannten einstelligen Satzfunktion, d.h. einem Satz mit genau Einer freien Variablen), ein Kiassenausdruck gebildet wird, der die Klasse derjenigen Gegenstii.nde bezeichnen soll, die die betreffende Eigenschaft haben. Wir wollen in II keine besonderen Klassenausdriicke einfiihren; an ihrer Stelle verwenden wir die Pradikate

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96 Die indefinite Sprache II.

sel bst. 1m folgenden solI angedeutet werden, wie man eine abkiirzende Schreibweise einfiihren kann, bei der Argumente und Operatoren unter gewissen Bedingungen w~ggela.ssen werden kOnnen. Dadurch entsteht eine Symbolik, die der Russellschen Klassensymbolik vollkommen analog ist. Einen Satz diaser Symbolik kann man nach Belieben in der Wortsprache entweder so umschreiben, daB von "Eigenschaften" die Rede ist, oder so, daB von "Klassen" die Rede ist.

Eine Eigenschaft (oder Klasse) solI leer heiDen, wenn sie keinem Gegenstand zukommt; universell, wenn sie jedem zu­kommt. Wir definieren also:

Def. 37'1. Leer(O) (F) = '" (;) x) (F (x»

Def. 37'2. Un(O) (F) = (x) (F (x»

Fur andere Typen sind analoge Definitionen aufzustellen, wobei die Bezeichnung des Typus des Argumentes (hier: ,(0)' fiir ,F') als Index angeha.ngt werden mag; z. B.

Def. 37'3. Leer(o,o) (F) = '" (;) x) (;) y) (F (x, y» Wir bilden nun mit Hilfe von Negations- und Verknupfungs-

zeichen zusammengesetzte ~t:

Def. 37'4'l'" F) (x) = '" F (x) Def. 37'5. F V G) (x) = (F (x) V G (x»

Def. 37'6. F. G) (x) = (F (x) • G (x»

Entsprechende Definitionen sollen fUr beliebige andere Typen, auch fUr mehrstellige .):It gelten. Analoge ~t konnen mit Hilfe der ubrigen Verknupfungszeichen gebildet werden; doch werden solche praktisch kaum verwendet.

Wir definieren die .):It ,1\' und ,V' fur die leere bzw. die universelle Eigenschaft:

Def. 37'7. 1\0 (x) = '" (x = x)

Def. 37·S. Vo (x) = (x = x)

Entsprechende Definitionen sind fUr aIle ubrigen .):It-Typen aufzustellen, wobei die Bezeichnung des Typus des zugehOrigen ~t9 als Index angeh8.ngt wird.

Sa tz 37'9. ,(F = G) = (x) (F (x) = G (x»' ist (mit Hilfe von GIl 22 und 11) beweisbar. - In Analogie hierzu definieren wir jetzt:

Def. 37'10. (F C G) = (x) (F (x) J G (X»

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Pradikate ala Klassenzeichen. 97

Diese Definition solI entsprechend fUr zwei beliebige t;lt von gleichem Typus gelten, insbesondere also auch fUr mehrstellige t;lr. [1m Rahmen der frillier angegebenen Syntax fiir II wii.re anstatt ,F V G' zu schreiben ,V (F, G)' oder ,ver (F, G)', wobei ,ver' (wie im Beispiel S. 77) ein fu vom Typus «0), (0) : (0» oder allgemein vom Typus «t), (t) : (t» fUr befiebigen Typus t ist. Anstatt ,F C G' wii.re zu schreiben ,C (F, G)' oder,Tl (F, G)', wobei ,Tl' ein t;lr vom Typus (0), (0» (vgl. S. 77) oder allgemein vom Typus «t), (t» ist. Wir wollen hier jedoch die Schreibweise ,F V G' bzw. ,F C G' verwenden, um in der Nii.he der iiblichen Russellschen Symbolik zu bleiben.] Nach Satz 9 und Def. 10 kann nun fUr einen Satz der Form (01) (oa)' .(on) (t;ltl (01, •• on) = t;lrll (01, •• on» stets t:lrl = t;lts geschrieben werden; und fiir einen Satz der Form (01), .(on) (t;lrl (01, .• on):> t;lr2 (01, .. on» stets t;lrl C lJrll. Fur diese Schreibweise ohne Argumente sind jetzt verschiedene Um· schreibungen in Wortsprache moglich. ,P' und , Q' seien z. B. lJrl; wir kOnnen ,P C Q' iibersetzen: "Die Eigenschaft P impli. ziert die Eigenschaft Q"; oder, wenn wir wollen, auch: "die Klasse P ist Teilklasse von Q"; entsprechend: "Teilrelation", wenn es sich um mehrstellige lJt handelt. Ferner konnen wir das ~r ,P V Q', wenn es ohne Argumente verwendet wird, als "Vereinigung der Klassen P und Q" interpretieren; und ent· sprechend ,P. Q' als "Durchschnitt der Klassen P und Q"; analog: "Vereinigung" und "Durchschnitt von Relationen" bei mehrstelligen t;lt. ,1\' und ,V', ohne Argumente verwendet, konnen wir interpretieren' als "leere Klasse" und "Allklasse" (bzw. "leere Relation" und "Allrelation"). Als Beispiel einer An. wendung der Klassensymbolik sei das Auswahlprinzip GIl 21 angegeben (die vorkommenden lJ sind hier geeigneten Typen mindestens zweiter Stufe zuzuweisen):

[(M C -- Leer). (F)(G) ([M (F).M (G). --Leer(F .G)]:> (F=G»] :> (;] H) (F) [M (F):;> Al (F. H)]

Hierbei ist ,AI' ("Anzahl I") wie folgt zu definieren:

A I (F) - (;] x) (y) (F (y) = (y = x»

Die Schreibweise, deren Einfiihrung im vorstehenden an· gedeutet ist, ist vollkommen analog der Russellschen Klassen. symbolik; die gesamte Klassen· und Relationstheorie

Car nap, Syntax, 2. Auf!. 7

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98 Die indefinite Spraehe II.

von [Prine. Math.] kann ohne weiteres in diese vereinfachte Form iibertragen werden. Hier sei darauf verziehtet, da dabei keine grundsa.tzliehen Probleme mehr auftreten.

88. Die AUBSchaltung der Klassen. Die geschichtliche Entwicklung der Verwendung der

Klassenzeichen in der modernen Logik enthalt einige bemerkens­werte Phasen, deren Betraehtung auch fiir die gegenwartige Problem­lage fruchtbar ist. Wir greifen die beiden wichtigsten Entwicklungs­schritte heraus, die Frege und Russell zu verdanken sind. Frege [Grundgesetze] hat als erster der traditionellen Unterscheidung zwischen Inhalt und Umfang eines Begriffes eine exakte Form gegeben. Der Inhalt des Begriffes wird naeh ibm dargesoollt durch die Satzfunktion (d. h. durch einen offenen Satz, in dem die freien Variablen nicht zum Ausdruck der Allgemeinheit, sonderll. der Unbestimmtheit dienen). Der Umfang (z. B. bei einem Eigenschafts­begriff, also einer einsteUigen Satzfunktion, die entsprechende Kfasse) wird dargestellt durllh einen be80nderen Ausdruck, der die Satz­funktion enthalt, oder durch ein neues Zeichen, das als Abkiirzung fiir diesen Ausdruck eingefUhrt wird. Dabei besagt ein Identitatssatz mit Klassenausdriicken die Umfangsgleichheit der entsprechenden Eigenschaften (8ind z. B. ,k l ' und ,k,' die zu den pr ,PI' und ,PI' gehorenden Klassenzeichen, so ist ,k1 = k,' gleichbedeutend mit ,(2:) [P 1 (2:) == P, (X)]'). In derselben Weise ist spater Russell vor­gegangen. Frege maehte jedoch in Anlehnung an die traditionelle Denkweise an einer bestimmten Stelle einen Fehler, der erst von Russell entdeckt und spater behoben wurde.

Es war ein entscheidender Augenblick in der Geschichte der Logik, als Frege im Jahre 1903 durch einen Brief Russells auf einen Widerspruc'h in seinem System aufmerksam gemaeht wurde. Frege hatte in jahrzehntelanger miihevoller Tatigkeit Logik und Arithmetik auf vollig neue Grundlagen gestellt. Dabei blieb er einsam und verkannt; die fiihrenden Mathematiker seiner Zeit, gegen deren Grundlegung der Mathematik er sich mit schonungsloser Kritik wandte, schwiegen ihn tot; seine Biicher wurden nicht einmal rezensiert. Unter gro.llen personlichen Opfern brachte er den ersten Band seines Hauptwerkes [Grundgesetze] 1893 zur Veroffentlichung; der zweite foIgte naeh !anger Pause im Jahre 1903. Endlich kam ein Echo, nicht von den deutschen Mathematikern (von Philosophen ganz zu schweigen), sondern aus dem Aus!and: Russell maB Freges Gedanken die groBte Wichtigkeit bei. Bei manchen Problemen war er selbst inzwischeD, viele Jahre spa.ter als Frege, aber obne noch von ibm zu wissen, auf die gleiche oder eine ii.hnliche Losung ge­kommen; bei manchen andern konnte er Freges LOsungen fiir sein System verwerten. Aber nun erfuhr Frege, als der zweite Band beinahe fertig gedruckt war, durch Russells Brief, daB sein Klassen-

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Die Ausschaltung der Klassen. 99

begriff zu einem Widerspruch fiihrt. Hinter dem niichternen Bericht, clen Frega hieruber im Nachwprt zum zweiten Band gegeben hat, epUrt man die tiefe Erschiitterung. Allerdings konnte Frege sich <i.mit trosten, daB der nachgewiesene Fehler nicht eine Besonderheit seines Systems betraf; er teilte nur das Scbicksal aller, die sich bis dahin mit Begriffsumfiingen, Klassen, Mengen beschiiftigt hatten, Dedekind und Cantor einbegriffen.

Der von Russell aufgefundene Widerspruch ist die in­zwischen beriihmt gewordene Antinomie der Klasse derjenigen Klassen, die nicht Elemente ihrer selbst sind. Frege hat in seinem N achwort verschiedene Moglichkeiten fUr einen Ausweg untersucht, ohne jedoch einen geeigneten zu finden. Russell hat dann in einem Anhang seines Werkes [Principles], das noch im gleichen Jahr 1903 erscbienen ist, einen Ausweg angegeben; dieser besteht in der Auf­stellung der Typenregel: als Element einer Klasse erster Stufe kann nur ein Individuum auftreten, als Element einer Klasse (ft + 1)-ter SWe eine Klasse ft-ter Stufe; darnach ist ein Satz von der Form ,k e k' oder ,'" (k e k)' weder wahr noch faIsch, sondem sinnlol. Russell hat Ilpater gezeigt, daB die genannte Antinomie auch so formuliert werden kann, daB sie sich nicht auf Klassen, sondem auf Eigenschaften bezieht (Antinomie ,Impriidikabel'). Auoh bier wird der Widerspruch durch die Typenregel ausgeschaltet; auf ptl (aIs Zeichen fUr Eigenschaften) bezogen, lautet sie so: Argument eines lpt kann nur ein Individualzeichen sein, Argument eines n+lpt nur ein npr.

Es ist nun sehr bemerkenswert, daB Frege selbst schon eine derarlige Einteilung aller Satzfunktionen in Stufen und Arten vorgenommen hat, die sich nach der Art der Argumente richtet ([Grundgesetze] I, 37ff.). Damit hat er eine wichtige Vorarbeit fUr die Russellsche Typeneinteilung geleistet. Aber in zwei Punkten machte er - ebenso wie die traditionelle Logik und die Cantorsche Mengenlehre - Fehler, die durch Russells Typenregel korrigiert wurden. Durch diese Fehler entstehen trotz der vollstiindig richtigen Einteilung der Funktionen die Antinomien. Der erste Fehler Freges besteht darin, daB bei ibm alle Ausdriicke (genauer: alle, die mit dem Urteilsstrich beginnen) entweder wahr oder falsch sind. So muB er einen Ausdruck, in dem zu irgendeinem Priidikat ein nicht passendes Argument gefiigt wird, als falsch rechnen. Erst Russell nimmt die fUr die weitere Entwicklung der Logik und ihre Anwendung auf empirische Wissenschaft und Philosophie so bedeutsam gewordene Dreiteilung in wahre, falsche und sinnlose Ausdriicke vor; nach ihm sind jene Ausdriicke mit nicht passenden Argumenten weder wahr noch falsch, sondern sinnlos (in unserer Terminologie: es sind keme Siitze). Wird dieser erste Fehler Freges korrigiert, so kann in seinem System die Antinomie "Impriidikabel" nicht mehr hergestellt werden; denn die Definition miiBte den syntaxwidrigen Ausdruck ,F (F)' enthalten. Trotzdem aber kann noch jene auf

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100 Die indefinite Sprache II.

Klassen bezogene Antinomie hergestellt werden. Frege machte namlich den zweiten Febler, die von ihm so scharfsinnig und klar aufgestellte Stufenordnung der Pradikate (Satzfunktionen) nicht auf die den einzeInen Pradikaten entsprechenden Klassen zu ubertragen; er rechnete vielmehr die Klassen - und ebenso die mehrstelligen Extensionen (Wertverlaufe) - einfach zu den Individuen (Gegen­standen), unabhangig von der Stufe und Art der die betreffende Klasse definierenden Satzfunktion. Er glaubte auch noch nach der Aufdeckung des Widerspruches hiervon nicht abgehen zu konnen (II, 254f.);er Bah es namlich als unterscheidendes Merkmal zwischen Gegenstandsnamen und Funktionsnamen an, daB jene fur sich eine Bedeutung hatten, wahrend diese ungesattigte Symbole seien, die erst nach Sattigung durch andere Zeichen bedeutungsvoll wiirden. Da. Frege nun die Zahlzeichen ,0', ,1', ,2', .... a.ls fUr sich selbst be­deutungsvoll ansah, anderseits aber diese Zeichen als Klassenzeichen zweiter Stufe definierte, so muBte er Klassenzeichen im Gegensatz zu Pradikaten als IndividuaInamen betrachten. Heute neigen wir dazu, samtliche Teilausdrucke eines Satzes, die nicht selbst wieder Satze sind, als unselbstandig zu betrachten und hochstens den Satzen selbstandige Bedeutung zuzuerkennen.

Um die Anzahl im Fregeschen Sinne zu definieren, ohne von Klassen Gebrauch zu machen, braucht man nur die Fregesche Klasse von Eigenschaften durch eine Eigenschaft von Eigenschaften (be­zeichnet durch ein I~t) zu ersetzen. Merkwiirdig ist, daB Frege selbst in einem frUheren Zeitpunkt (1884 [Grundlagen], S. 80, Anm.) diese Ansiclrt schon auBert: "Ich glaube, daB [in der Definition von ,An­zahl'] fUr ,Umfang des Begriffes' einfach ,Begriff' gesagt werden konnte. Aber man wiirde zweierlei einwenden: .•. Ich bin nun zwar der Meinung, daB beide Einwande gehoben werden konnen; aber das mochte hier zu weit fiihren." Spater hat er diese Ansicht anscheinend aufgegeben. Dann war - so scheint es dem rUckschauenden Be­trachter - Russell wiederum ganz nah an dem entscheidenden Punkt, namlich der Ausschaltung der Klassen. Wahrend es fUr Frege wichtig war, neben den Pradikaten die Klassenzeichen einzufiihren, da sie bei ihm andern RegeIn folgten, lag die Sache fUr Russell ganz anders. Um Freges Febler zu vermeiden, nahm Russell die Klassenzeichen nicht als Individualzeichen, sondern teilte sie in Typen ein, die genau den Typen der Pradikate entsprechen. Dadurch aber entstand eine Verdopplung, die vollstandig unnotig ist; Russellselbst erkannte schon, daB es fUr die Logik uberhaupt nichts ausmacht, ob es .. Klassen", d. h. etwas durch die Klassenzeichen Bezeichnetes, "wirklich gibt" oder nicht ("no-class-theory"). Die weitere Ent­wicklung ging dann immer deutlicher in die Richtung der Einsicht, daB Klassenzeichen uberflussig sind. In Anknupfung an Wittgensteins Darlegungen hat Russell selbst spater (1925 [Princ. Math.] II, Vbersetzung: [Math. Logik]) die Auffassung, daB Klassen und Eigenschaften dasselbe seien, erortert, aber noch nicht

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Reelle Zahlen. 101

anerkannt. Die Frage hangt zusammen mit dem Problem der Ex­tensionalitatsthese (vgl. § 67). Behmann [Logik] ffihrt die Klassen­symbolik als eine bloB abkftrzende Schreibweise ein, bei der die Pradikate ohne Argumente geschrieben werden; er will aber dabei zwischen extensionalen und intensionalen Satzen unterscheiden, wo­bei jene Schreibweise nur ffir die ersteren zulii.ssig sei. v. Neumann [Beweistheorie] und Godel [Unentscheidbare] machen auch sym­bolisch keinen Unterschied mehr zwischen Pradikaten und den ent­sprechenden Klassenzeichen; an Stelle der letzteren werden einfach die ersteren verwendet. Bemerkenswert sind auch die kritischen Ausffthrungen von Kaufmann ([Unendliche], [Bemerkungen]) gegen den Russellschen Klassenbegriff; diese Kritik dftrfte aber wohl weniger das Russellsche System selbst treffen aJ.s die nicht zum System gehorenden philosophischen Erorterungen von Russell und andern fiber den Klassenbegriff.

Die betrachtete Entwicklung werde kurz zusammengefaBt. Frege hat die Klassenausdriicke eingefiihrt, um neben den Prad.ikaten etwas zu haben, das wie ein Gegenstandsname be­handelt werden kann. Russell hat die Unzulii.ssigkeit einer derartigen Behandlung erkannt, aber die Klassenausdriicke trotzdem beibehalten. Doch sind sie jetzt uberfliissig, nachdem jener Grund zu ihrer Einfiihrung weggefallen ist. Deshalb werden sie schlieBlich ausgeschaltet.

39. Reelle Zahlen. 1m Rahmen der fiir II angegebenen Syntax lassen sich die

reellen Zahlen und die auf sie bezogenen Eigenschaften, Be­ziehungen und Funktionen darstellen. Eine bestimmte (absolute) reelle Zahl bestehe aus dem ganzen Teil a und der reellen Zahl b « 1); sie kann dargestellt werden durch einen Funktor ,k', der so definiert ist, daB k(O) = a und fur n> 0 ken) = 0 bzw. 1 wird, je nachdem an der n-ten Stelle der Dualbruchentwicklung fiir b ,0' oder ,1' steht. Damit die Dualbruchentwicklung ein­deutig ist, schlieBen wir diejenigen Dualbriiche aus, bei denen von irgend einer Stelle ab nur noch ,0' vorkommt. Die gerichteten (positiven oder negativen) reellen Zahlen konnen in ahnlicher Weise dargestellt werden.

Die angedeutete Methode der Darstellung der reellen Zahlen hat Hilbert [Grund!. 1923] angegeben, vgl. auch v. Neumann [Be­weisth.]. Hilbert hat einen Aufbau der Theorie der reellen Zahlen auf dieser Grundlage in Aussicht gestellt, aber bisher noch nicht gegeben.

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102 Die indefinite Sprache II.

Da das System von R1l88eD [Prine. Math.] und die Entwiirfe von Brouwer und Heyting den Anforderungen an formale Strenge nieht geniigen, so liegt bisher nooh keine logisch einwandfreie, durch. gefiihrte Theorie der reeDen Zahlen vor.

Eine reelle Zahl wird somit dargestellt durch ein lful vom Typus (0: 0); diesen Typus wollen wir abkiirzend mit ,r' bezeichnen. Dann wird eine Eigenschaft (oder Menge) reeller Zahlen (z. B. "algebraisch", "transzendent") ausgedriickt durch ein.lt>tl vom Typus (r), eine Beziehung zwischen zwei reellen Zahlen (z. B. "ist groBer aIs", "ist Quadratwurzel aus") durch ein lIt>tll vom Typus (r, r), eine Funktion einer reellen Zahl (z. B. "Quadratwurzel", "Sinus") durch ein lIful vom Typus (r: r), eine Funktion zweier reeller Zahlen (z. B. "Produkt", "Potenz") durch ein 'full vom Typus (r, r: r) usf. Die arith­metische Gleichheit zweier reeller Zahlen fu l, fU B wird durch fU I = fU I ausgedriickt; denn dieser Satz gilt nach GIl 23 und 11 dann und nur dann, wenn die Werte der beiden Funktoren fiir jedes Argument iibereinstimmen, wenn also die beiden Dual· briiche in allen Stellen iibereinstimmen. 1m Unterschied zur Gleichheit zweier (durch @it dargestellter) natiirlicher Zahlen ist die Gleichheit zweier reeller Zahlen, auch wenn diese in mog­lichst einfacher Form angegeben sind, im allgemeinen indefinit, da sie auf eine unbeschrankte Allgemeinheit zurUckgeht. Eine komplexe Zahl ist ein geordnetes Paar reeller Zahlen, also ein Ausdruck vom Typus r, r; eine Funktion einer oder zweier komple­xer Zahlen ist ein lIfu vom Typus (r, r: r, r) bzw. (r, r, r, r: r, r).

In solcher Weise konnen aIle in der klassischen Mathe­matik (Analysis, Funktionentheorie) gebrauchlichen Be­griffe dargestellt, alle in diesem Gebiet aufgestellten Satze formu­liert werden. Die iiblichen Axiome fiir die Arithmetik der reellen Zahlen brauchen hier nicht etwa aIs neue Grundsatze aufgestellt zu werden. Diese Axiome - und daher auch die aus ihnen ab­leitbaren Lehrsitze - sind in Sprache II beweisbar.

Es werde kurz gezeigt, wie sich die wichtigsten logischen Arten) die sich bei Folgen natiirlicher Zahlen und daher auch bei reellen Zahlen unterscheiden lassen, durch syntak­tische Begriffe fassen lassen. Zunachst ist zu unterscheiden, ob eine Folge durch ein mathematisches Gesetz oder durch An­weisung auf die Empirie gegeben ist. Bei der Darstellung durch

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Beelle Zahlen. 103

lful driickt sich dieser Unterschied aus durch den Unterschied zwischen fUI und fUb' Der Begriff "ireie Wa.hlfolge" bei Brouwer und Weyl wird 80mit durch den syntaktischen Begriff ,fub' erfaBt. Bei den gesetzmiBigen Folgen kann man berechen­bare (siehe unten Beispiele la, b) und nicht- berechenbare (Beispiel 2) unterscheiden. Syntaktisch ist dieser Unterschied zu charakterisieren ala der zwischen definiten und indefiniten fUI: fiir jene kann nach festem Verfahren fiir eine beliebige Stelle der Wert berechnet werden, fiir diese im allgemeinen nicht. Bei den durch Hinweis auf Empirie bestimmten Folgen kann man weiter unterscheiden: 1. die analytisch-gesetzmiBigen; bei ihnen ist der Hinweis auf Empirie unwesentlich, indem er gleichbedeutend ist mit einem bestimmten mathematischen Gesetz (Beispiel 3); 2. die empirisch-gesetzmiBigen; ihre Bestimmung ist zwar nicht umformbar in ein Gesetz, aber sie haben empirisch denselben Wertverlauf wie eine gesetzmii.Bige Folge, sei es durch Zufall (Beispiel 40.), sei es auf Grund eines Naturgesetzes (Beispiel 4b); 3. die ungesetzmaBigen oder ungeordneten; fiir sie gibt es kein mathematisches Gesetz, dem sie auch nur empirisch folgen wiirden. Diese drei Arten sind fiir ein fUb fU l syntaktisch in folgender Weise zu charakterisieren: 1. es gibt ein fUI fUll derart, daB fu. synonym mit fU I ist, daB also fU I = fUll ein analytischer Satz ist; 2. es gibt ein fUI fUll derart, daB fU I = fu. ein synthetischer, aber wissenschaftlich anerkannter Satz ist (d. h. in II: eine Folge von wissenschaftlich anerkannten Primissen; in einer P-Sprache: P-giiltig (vgl. S. 137); 3. Bedingung (2) ist nicht erfiillt. [Bei den drei Begriffen kann man auBerdem noch danach unterteilen, ob da.s betreHende mathematische Gesetz berechenbar ist oder nicht; d. h. ob das betreHende fUI definit ist oder nicht.] Es ist zu beachten, daB man in der Definition des Begriffs der un­geordneten Folgen die Art der auszuschlieBenden Gesetze an­geben muB; genauer in syntaktischer Terminologie: daB ma.n die Formbestimmungen fiir die Definitionen der auszuschlieBenden fUI angeben muB, etwa durch Bezugnahme auf eine bestimmte Sprache. [Eine Folge fU I heiBe z. B. ungeordnet in bezug auf II, wenn es kein in II definierbares fUI fUll gibt derart, daB fUI = fu. in einer II umfassenden widerspruchsfreien Sprache giiltig wire (Beispiel 5).] Dasselbe gilt fiir den Begriff "regelloses Kollektiv" in der Wahrscheinlichkeitsrechnung von v. Mises.

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104 Die indefinite 8prache II.

Beispiele. 1. Berechenbare gesetzmii.Jlige Folgen: a) der Dualbruch mit der Periode ,011'; b) der Dualbruch fUr n. - 2. Nich t­berechen bare gesetzmiUlige Folge ,kl ': es sei kl (n) = 1, wenn es eine Fermat8che Gleichung mit dem Exponenten n gibt, und andern­falls kl (n) = O. - 3. Analytisch-gesetzmiUlige Folge ,k,': es sei ka (n) = m, wenn der note Wurf mit einem bestimmten Wurfel m Augen zeigt; wir definieren: k. (n) = ka (n) + 2 - ka (n); hiernach ist das fUb ,k.' synonym mit dem fur ,k,', dessen Definition ist: k, (n) = 2. - 4. Empirisch-gesetzmii.llige Folgen: a) k5 (n) sei die Augenzahl des n-ten Wiirfelwurfes, wobei aber der Wiirfel zu­fiiJIig immer abwechselnd 3 und 4 wirft (allerdings kann dies niemaIs vollstandig festgestellt werden, sondern ist nur aIs Annahme denkbar). b) Es sei k, (n) = 1, wenn eine bestimmte aIs Roulettezeiger benutzte Kompallnadel in der Ruhelage nach dem n-ten Anstoll gegen 8uden zeigt, k. (n) = 2, wenn gegen Norden; esgilt naturgesetzlich k, = k,. - 5. In bezug auf II ungeordnete Folge ,k7': es sei k7 (n) = 1, wenn n Reihenzahl eines analytischen 8atzes von II ist, und andernfalls k7 (n) = 0; da ,analytisch in II' in II nicht definierbar ist (vgl. 8.164), so gibt esin II kein fu(, das denselben Wertverlaufhatte wie k7•

40. Die Sprache der Physik. Da in II nicht nur logische, sondern auch deskriptive

Zeichen (l:Jt und fU) der verschiedenen Typen vorkommen konnen, 80 besteht hier die Moglichkeit zur Darstellung der physikalischen Begriffe. Eine physikalische Zustands­groBe ist ein fUb; der Argumentausdruck enthii.lt vier reelle Zahlausdriic~e, nii.mlich die Raum-Zeit-Koordinaten; der Wert­ausdruck enthii.lt einen oder mehrere reelle Zahlausdriicke (z. B. bei einem Skalar einen, bei einem gewohnlichen Vektor drei). Ein Koordinatenquadrupel ist ein Ausdruck vom Typus r, r, r, r; diesen Typus wollen wir abkiirzend mit ,q' bezeichnen. [Bei­spiele. 1. "Am Ort kl' ka, ka, zur Zeit k, besteht die Temperatur k,," wird etwa ausgedriickt durch ,temp (k1, ka,k.:s, k,)= k,,', wobei ,temp' einlfn' vom Typus(q :r) ist. - 2. "An derRaum-Zeit-Stelle k1,k.,ka,k, bestehtein elektrisches Feldmit den Komponenten k6,ke, k," wird etwa ausgedriickt durch ,el (k1, kl,ka, k,) = (k", ke,·k7 )'.

wobei ,el' ein Bfu' vom Typus (q: r, r, r) ist.] Eine empirische Aussage bezieht sich gewohnlich nicht auf

einen einzelnen Raum-Zeit-Punkt, sondern auf ein endliches Raum-Zeit-Gebiet. Ein solches Gebiet wird angegebe; durch ein Bl:Jr' vom Typus (q), nii.mlich durch eine mathematische (l:Jt() oder physikalische (l:Jtb) Eigenschaft, die nur den und allen den Ra.um-Zeit-Punkten des betreHenden Gebietes zukommt. Eine

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Die Sprache der Physik. 105

ZustandsgroBe, die nicht auf einzelne Raum-Zeit-Stellen, sondern auf endliche Gebiete bezogen ist (z. B. Temperatur, Dichte, Ladungsdichte, Energie), kann somit dargestellt werden durch ein 3fu~, dessen Argument ein ~t der angegebenen Art ist; der Typus ist im Fall eines Skalars ((q): r), im FaIle mehrerer Komponenten: ((q): r, .. r). Eine Ge bieteigenschaft wird dargestellt.durch ein 3~tb vom Typus ((q»); Argument ist wieder das gebietbestimmende ~t. Die meisten Begriffe des taglichen Lebens und der Wissenschaft sind solche Gebieteigenschaften oder -beziehungen. [Beispiele. 1. Dingarten, z. B. "Pferd"; "da und da ist ein Pferd" bedeutet "das und das Raum-Zeit­Gebiet hat die und die Beschaffenheit". 2. Stoffarten, z. B. "Eisen". 3. Direkt wahrgenommene Qualitaterl, z. B. "warm", "suB". "leise". 4. Dispositionsbegriffe, z. B. "zerbrechlich". 5. Zustande und Vorgange aller Arten, z. B. "Gewitter", "Typhus".]

Aus den gegebenen Andeutungen ergibt sich, daB aIle Satze der Physik in einer Sprache der Form II formuliert werden konnen; hierzu ist erforderlich, daB geeignete fUb und ~tb der angegebenen Typen als Grundzeichen eingefuhrt und mit ihrer Hille die weiteren Begriffe definiert werden. rOber die Form der physikalischen Sprache, bei der auch synthetische physikali­sche Satze, z. B. die allgemeinsten Naturgesetze, als Grundsatze aufgestellt werden, vgl. § 82.)

Nach der Behauptung des Physikalismus, die an anderer Stelle (S. 248) wiedergegeben, aber innerhalb dieses Buches nicht begrundet wird, sind aIle Begriffe der Wissenschaft, auch die "der Psychologie und Sozialwissenschaft, auf Begriffe der physikalischen Sprache zurUckfiihrbar. Auch sie driicken im einfachsten Fall Eigen­schaften (oder Beziehungen) von Raum-Zeit-Gebieten aus. [Beispiele. "A ist zornig" oder "A denkt" besagt: "Der Korper A (also: das und dasRaum-Zeit-Gebiet) ist in dem und demZustand"; "Beidem und dem Yolk besteht Geldwirtschaft" besagt: "In dem und dem Raum­Zeit-Gebiet finden die und die Vorgange statt. ,,] FUr den, der auf dem Boden des Physikalismus steht, folgt, daB die Sprache II einen vollstandigen syntaktischen Rahmen fiir die Wissenschaft bildet.

Es ware eine lohnende Aufgabe, die Syntax der Sprache der Physik und der Gesamtwissenschaft genauer zu untersuchen und die wichtigsten Begriffsformen darzustellen; bier muB darauf ver­zichtet werden

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106 Allgemeine Syntax.

IV. Allgemeine Syntax.

A. Objektsprache und Syntaxsprache. Wir haben frillier die Syntax der Spra.chen I und II auf­

gestellt und damit zwei Beispiele aus der spezie11en Syntax gegeben. In Kapitel IV wollen wir Untersuchungen zur a11-gemeinen Syntax anstellen, d. h. solche, die nicht auf bestimmte einzelne Spra.chen bezogen sind, sondern entweder auf aIle Spra.chen oder auf die Sprachen einer bestimmten Art. Bevor wir in Abschnitt B den Entwnrf einer allgemeinen Syntax beliebiger Spra.chen aufstellen, wollen wir in Abschnitt A einige vorberei­tende Vberlegungen anstellen iiber den Charakter syntaktischer Bezeichnungen und gewisser in der Syntax vorkommender Begriffe.

41. Cber syntaktische Bezeichnungen. Eine Bezeichnung irgend eines Gegenstandes kann ein

Eigenname oder eine Kennzeichnung fUr den Gegenstand sein. Die selbstversta.ndliche Forderung, den Unterschied zwistlhen einer Bezeichnung und dem bezeichneten Gegenstand (z. B. zwischen der Stadt Paris und dem Wort ,Paris') zu beaChten, wird in der Logik zwar ha.ufig erhoben, aber nicht immer erfiillt. 1st das Bezeichnete etwa eine Stadt und die Bezeichnung ein (ge­schriebenes oder gesprochenes) Wort, so ist der Unterschied augenfa.llig. Gerade darum aber richtet in diesem Fall eine Nicht­unterscheidung keinen Schaden an.

Wenn wir anstatt "Paris' ist zweisilbig' schreiben ,Paris ist zweisilbig', so ist diese Schreibung unkorrekt, da wir das Wort ,Paris' in zwei verschiedenen Bedeutungen verwenden: in andern Sii.tzen als Bezeichnung fiir die Stadt, in dem genannten Satz als Bezeichnung fiir das Wort ,Paris' selbst. [In der zweiten Ver­wendungsweise ist ~ Wort ,Paris' autonym, vgl. S. 109.] Trotz­dem wird in diesem FaIle keme Unklarheit entstehen, do. jeder versteht, daB hier vom Wort und nicht von der Stadt die Rede ist.

Anders, wenn das Bezeichnete selbst auch ein Spra.chau8-druck ist, wie es ja bei syntaktischen Bezeichnungen der Fall ist. Hier fiihrt die Nichtbeachtung des Unterschiedes leicht zu Un­klarheiten und Irrtiimern. In metamathematischen Darstellungen - auch der groBte Teil des Worttextes mathematischer Abhand-

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tiber syntaktische Bezeichnungen. 107

lungen ist Metamathematik, also Syntax - wird die geforderte Unterscheidung hii.ufig nicht gemacht.

Spricht ein (Schrift-) Satz uber ein Ding, z. B. uber meinen Schreibtisch, so muB an der Subjektstelle dieses Satzes eine Bezeichnung des Dinges stehen; man darf nicht einfach statt dessen das Ding selbst, z. B. den Schreibtisch, auf das Papier stellen (es sei denn auf Grund einer besonderen Festsetzung, siehe unten). Bei einem Schreibtisch und vielleicht auch noch bei einem Streichholz erscheint das jedem selbstverstandlich, dagegen nicht, wenn es sich um Dinge handelt, die man besonders leicht auf das Papier bringen kann, nam1ich um Schreibfiguren. Um z. B. zu sagen, daB die arabische Ziffer Drei eine Ziffer ist, schreibt man haufig etwa: ,3 ist eine Ziffer' ; hier steht nun das Ding selbst, von dem die Rede ist, an der Subjektstelle auf dem Papier. Die korrekte Schreibung ware: ,Die Drei ist .. ' oder ,,3' ist .. '. Spricht ein Satz uber einen Ausdruck, so steht an der Subjektstelle des Satzes nicht dieser Ausdruck, sondern eine Bezeichnung fur ihn, nii.mlich eine syntak­tische Bezeichnung in der jeweils verwendeten Syntaxsprache; diese kann eine Wortsprache oder eine Symbolsprache oder eine aus Wortern und Symbolen (z. B. in unserem Text: aus deutschen Wortern und Frakturzeichen) gebildete Sprache sein. Die wich­tigsten Arten syntaktischer Bezeichnungen fur Aus­drucke seien zusammengestellt:

A. Bezeichnung fur einen Ausdruck als ein einzelnes, raum-zeitlich bestimmtes Ding (nur in der deskriptiven Syntax):

1. Name fiir einen Ausdruck. [Kommt selten vor; Beispiel etwa: ,die Bergpredigt' (kann auch als Kennzeichnung aufgefaBt werden).]

2. Kennzeichnung fiir einen Ausdruck. [Beispiel: ,Cisal'8 Ausspruch beim "Oberschreiten des Rubikon (wurde von dem und dem gehOrt)'.]

3. Bezeichnung fiir einen Ausdruck, gebildet aus einem gleichen Ausdruck mit Anfuhrungszeichen. [Beispiele: ,der Ausspruch ,ales. iacta est' '; ,die Inschrift ,nutrimentum spiritus' '.]

B. Bezeichnung fur eine AusdruckBgestalt (vgl. S. 14).

1. Name fur eine AUBdrucksgestalt (z. B. fiir eine Zeichen­gestalt). [Beispiele: ,Die Drei'; ,Omega'; ,daB Vaterunser'; ,der

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108 Allgemeine Syntax.

Fermatsche Satz' (kann auch als Kennzeichnung aufgefaflt werden); ,uu'; ,~'.]

2. Kennzeichnung fiir eine Ausdrucksgestalt durch Angabe einer Raum-Zeit-Stelle (indirekte Kennzeichnung; sogenannte Aufweisung, vgl. S. 71). [Beispiele: ,Casars Ausspruch am Ru­bikon (besteht aus drei Wortern)'; ,ausdr (b, a)' (vgl. S. 68).]

3. Kennzeichnung fUr eine Ausdrucksgestalt durch syn­taktische Bestimmungen. [Beispiele: ,Der aus einer Drei, einem

Pluszeichen und einer Vier bestehende Ausdruck'; ,(h = h) (:~)'; ,""'~'.]

4. Bezeichnung fUr eine Ausdrucksgestalt, gebildet aus einem Ausdruck von dieser Gestalt mit Anfiihrungszeichen. [Bei­spiele: , ,3' '; , ,ro' '; ,,3 + 4' '; , ,alea iacta est' (besteht aua drei Wortem)'.]

C. Bezeichnung fur eine allgemeinere Form (d. h. eine solche, die auch ungleichen Ausdriicken zukommen kann, vgl. S. 15).

1. Name fUr eine Form (z.B. fiir eine Zeichenart). [Beispiele: ,Variable'; ,Zahlausdruck'; ,Gleichung'; ,b'; ,l>l:'; ,.8'.]

2. Kennzeichnung fur eine Form. [Beispiele: ,Ein aus zwei Zahlzeichen und dazwischenstehendem Pluszeich,en bestehender Ausdruck'; ,.8 = .8'.]

3. Kennzeichnung fUr eine Form, gebildet aus einem Aus­druck von dieser Form in Anfiihrungszeichen mit Angabe der erlaubten Modifikationen. [Beispiel: ,Ein Ausdruck von der Form ,x = y', wo an Stelle von ,x' und ,y' zwei beIiebige, ungleiche Variable stehen'.]

Es wird hii.ufig nicht bea.chtet, daB die Bezeichnung einer Form mit Hille eines Ausdrucks in Anfiihrungszeichen zu Unklarheiten fiihrt, wenn die erlaubten Modifikationen nicht oder nicht genau angegeben werden. Man schreibt etwa: "FUr Satze von der Form ,(x) (p v F (X»' gilt das und das." Dabei bleiben z. B. folgende Fragen offen: muB das f ,p' in dem Satz vorkommen' oder dad statt dessen ein beliebiges f stehen! oder ein beliebiger Satz' muB das ~ ,F' vorkommen' oder dad dort ein beliebiges ~ stehen' oder ein beliebiges pr' oder dad an Stelle von ,F (x)' ein beliebiger Satz mit der einzigen freien Variablen ,x' stehen! oder auch ~it mehreren freien Variablen' Jene Formulierung ist also unklar und mehr­deutig (ganz abgesehen davon, daB man meist die Anfiihrungszeichen weglaBt und daB man zuweilen anstatt "fUr Satze von der Form ... " schreibt "fUr den Satz ... ").

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Unterscheidung zwischen einemAusdruck und seiner Bezeichnung. 109

42. Notwendigkeit der Unterscheidung zwischen einem Ausdruck und seiner Bezeichnung.

Wie wichtig es ist, zwischen einem Ausdruck und seiner syntaktischen Bezeichnung deutlich zu unter­scheiden, kann man sich leicht etwa an folgenden Beispielen klarmachen; wiirde man in diesen fiinf Satzen anstatt der Aus­driicke ,w', "w", ,Omega', "Omega", ",Omega'" stets den­selben, etwa das Wort ,Omega', gebrauchen, so entstande eine arge Verwirrung. 1. "w ist ein Ordnungstypus". - 2. ",w' ist ein Buch~tabe". - 3. "Omega ist ein Buchstabe". - 4. ",Omega' ist nicht ein Buchstabe, sondern ein Wort, das aus fiinf Buch­staben besteht". - 5. "Der vierte Satz handelt nicht von Omega, also nicht von ,w', sondern von ,Omega'; in diesem Satze steht daher an Subjektstelle nicht ,Omega', wie im dritten Satz, sondern , ,Omega' , ".

Da fUr einen gegebenen Gegenstand ein Name willkiirlich ge­wahlt werden kann, ist es auch durchaus moglich, als N am~n fur ein Ding das Ding selbst zu wahlen oder als Bezeichnung fUr eine Dingart die Dinge dieser Art. Wir kOnnen z. B. festsetzen. daB an Stelle des Wortes .Streichholz' jeweils ein Streichholz auf das Papier gelegt werden soll. Haufiger als bei einem auBersprachlichen Ding kommt es bei einem Sprachausdruck vor. daB man als Be· zeichnung fur ihn ibn selbst nimmt. Einen derart verwendeten Sprachausdruck nennen wir autonym. Hierbei wird also der Aus­druck an einigen Stellen als Bezeichnung fur sich selbst verwendet. an anderen Stellen als Bezeichnung fUr etwas anderes. Um diese Zweideutigkeit aller Ausdrucke. die auch autonym vorkommen. zu beheben. mull eine Regel daruber aufgestellt werden. unter welchen Bedingungen die eine und unter welchen die andere Bedeutung ge­meint ist. Beispiel. Wir haben frUber die Zeichen .,....,' •• v' •• =' u. a. zuweilen nicht-autonym. zuweilen autonym verwendet; dabei haben wir festgesetzt. daB sie dann und nur dann autonym sein sollen. wenn sie in einem Ausdruck stehen. der Frakturzeichen enthalt (vgl. S. 16). Gegen beispiel. Man findet Formulierungen folgender Art: "Wir setzen a + 3 fur x ein; wenn a + 3 eine Primzahl ist •... " Hier ist der Ausdruck .80 + 3' an der ersten Stelle autonym ver­wendet. an der zweiten Stelle nicht-autonym. namlich (in inhaltlicher Redeweise gesprochen) als Bezeichnung einer Zahl. Eine Regel wird hier nicht gegeben. Die korrekte Schreibung ware: "Wir setzen .80 + 3' fUr .x' ein; wenn a + 3 eine Primzahl ist ...... - Vber die An­wendung autonymer Bezeichnungen in andem Systemen vgl. §§ 68. 69.

Zuweilen wird (auch von guten Logikern!) eine Abklirzung flir einen Ausdruck mit einer Bezeichnung fUr den Ausdruck

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110 Allgemeine Syntax.

verwechselt. Der Unterschied ist aber wesentlich; handelt es sich um einen Ausdruck der Objektsprache, so gehort die Abkurzung ebenfalls zur Objektsprache, die Bezeichnung aber zur Syntaxsprache. Eine Abkiirzung bedeutet nicht den ur­spriinglichen Ausdruck, sondern bedeutet dasselbe wie der ur­spriingliche Ausdruck.

Beispiele. Kiirzen wir ,Konstantinopel' durch ,Konst.' ab, so bedeutet diese Abkiirzung nicht jenen langen N amen, sondern die Stadt. Wird ,2' als Abkiirzung fiir ,1 + l' eingefiihrt, so ist ,1 + l' nicht die Bedeutung von ,2'; vielmehr haben beide Ausdriicke (in­haltlich gesprochen:) dieselbe Bedeutung; (formal gesprochen:) sie sind synonym. Ein Ausdruck d rf in einem Satz durch seine Ab­kiirzung ersetzt werden (und umgekehrt), .nicht aber durch seine Be­zeichnung. Die Bezeichnung eines Ausdrucks ist nicht Stellvertreter fiir ibn, wie es die Abkiirzung ist. Hiioufig entstehen da.durch Unklar­heiten, daJl man in bezug .auf einen bestimmten Ausdruck em neues Zeichen einfiihrt, ohne deutlich zu -sagen, ob dieses Zeicben als Ab­kiirzung oder ala Name fiir den AUlldruok dienen soll. Zuweilen wird die Unklarheit dadurch unlosbar, daB man das eingefiihrte Zeichen in beiden Bedeutungen verwendet: einmal im W orttext, also als syntaktische Bezeichnung, e.in andermal in den symbolischen Formeln der Objektspra.che.

Vielleicht wird mancher Leser nun denken, wenn auch die Forderung, Bezeichnung und bezeichneten Ausdruck zu unter­scheiden, berechtigt sei, so seien dooh die iiblichen VerstoBe gegen diese Forderung harmlos. Das ist gewiB haufig der Fall (z. B. in dem vorhin genannten Beispiel mit ,a + 3'), .aber die iibliche dauernde Nichtbeachtung des Unterschiedes hat schon viel Verwirrung angerichtet. Diese Nichtbeachtung diirfte auch mit schuld daran sein, daB nooh so viel Unklarheit iiber den Charakter aller logischen Untersuchungen als syntaktischer Theorien der Sprachformen besteht. Vielleicht ist eine Verwechs­lung zwischen Bezeichnung und Bezeichnetem auch mit schuld daran, daB der prinzipielle Unterschied zwischen den Satzver­kniipfungen (z. B. Impllkation) und den syntaktischen Satz­beziehungen (z. B. Folgebeziehung) hii.ufig iibersehen wird (vgl. § (9). Auch die Unklarheit in der Deutung mancher formaler Sy­steme und logischer Untersuehungen ist darauf zuriickzufiihren; wir werden spater verschiedene Beispiele hierfiir kenneillemen.

Frege hat mit besonderem Nachdruck die Unterscheidung swisehen einem Objektzeichen und seiner Bezeichnung gefordert

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Unterscheidung zwischen einem Ausdruck und seiner Bezeichnung. 111

(auch in der witzigen, aber sehr ernst zu nehmenden Satire [Zahlen]). Er selbst hat in den ausfiihrlichen Erlauterungen iiber seine Sym. bolik und iiber die Arithmetik diese Unterscheidung stets streng durchgefiihrt. Frege hat hiermit «ias erste Beispiel einer ge· nauen syntaktischen Sprechweise gegeben. Er verwendet als Syntaxsprache keine besondere Symbolik, sondern einfach die Wort· sprache. Von den vorhin genannten Methoden benutzt er haupt. sachlich A3, B4 und C2: Ausdriicke der Symbolik in Anfiihrungs. zeichen und Kennzeichnungen von Formen mit Hilfe der Wort. sprache. Er sagt [Grundgesetze] I, 4: "Man wird sich vielleicht iiber den haufigen Gebrauch des Anfiihrungszeichens wundern; ich unter· scheide damit die Faile, wo ich vom Zeichen selbst spreche, von denen, wo ich von seiner Bedeutung spreche. So pedantisch dies auch scheinen mag, ich halte es doch fUr notwendig. Es ist merkwiirdig, wie eine ungenaue Rede· oder Schreibweise, die urspriinglich viel· leicht nur aus Bequemlichkeit und der Klirze halber, aber mit vollem BewuJltaein ihrer Ungenauigkeit gebraucht wurde, zuletzt das Denken 'Verwirren ka.nn, nachdem jenes BewuBtsein verschwunden ist."

Die von Frege 'Vor 40 Jahren erhobene Forderung geriet fiir lange Zeit in Vergessenheit. Allerdings lernte man allgemein ein exaktes Arbeiten mit logistischen Formeln, auf Grund der Werke von Frege, Peano, Schroder und besonders d.urch das Werk [Prine. Math.] von Whitehead und Russell. Aber der Textteil fast aile!' logischen Schriften nach Frege lallt die Korrektheit von Freges Vorbild vermissen. Zwei Beispiele mogen auf die dadurch entl!tehenden Mebrdeutigkeiten hinweisen.

1. Beispiel. 1m Text der meisten Lehrbiicher und Abhandlungen zur Logistik (darunter auch Russell [Princ. Math.], Hilbert [Logik], Carnap [Logistik]) wird eine Satzvariable in drei oder vier ver· schiedenen Bedeutungen gebraucht: 1. Als Satzvariable der Objekt. sprache (als ein f, z. B. ,p'). 2. Als Abkiirzung (also Konstante) fur einen zusammengesetzten Satz der Objektsprache (als ein konstantes fa, z. B. ,A'). 3. Als autonyme syntaktische Bezeichnung fUr eine Satzvariable (, f'>. 4. Als syntaktische Bezeichnung fiir einen be· liebigen Satz (,6'). Hier ist es daher in vielen Fallen nicht moglich, durch blolle Einfiigung von Anfiihrungszeichen die korrekte Schreib· weise herzustellen. Die iibliche Schreibweise ,,1st p 'falsch, so ist fUr beliebiges q p' q wahr" kann man nicht ersetzen durch ,,1st ,p' falsch, ... "; ,p' ist ja sicher falsch (durch Einsetzung ist jeder Satz ableitbar). Wir mlissen entweder schreiben: ,,1st ,A' falsch, so ist fiir beliebiges ,B' ,A, B' wahr", wo ,A' und ,B' abkiirzende Kon· stanten der Objektsprache (mit hier unbestimmt gelassener Be· deutung) sind; oder: ,,1st 6 1 falsch, so ist fiir beliebiges 6! die 1m· plikation von 6 1 und 6 1 wahr." Sind geeignete Festsetzungen ge· troffen (wie bei uns S. 16), so kann hier anstatt "die Implikation von 6 1 und6 1 " klirzer ,,61 , 6 1 " geschrieben werden.

2. Beispiel. In der Abhandlung eines ausgezeichneten Logi.

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112 Allgemeine Syntax.

kers findet sich der Satz: ,,~) a ist die Formel, welche aus der For­mel a entsteht, indem man die Variable x (wenn diese in a vorkommt) iiberall durch die Zeichenkombination p ersetzt." Rier sind wir uber die Deutung zunaohst ganz im unklaren. Welche der vorkommenden symbolischen Ausdriicke sind als autonyme Bezeichnungen verwendet und daher in Anfiihrungszeichen einzuschlieBen, wenn die korrekte Schreibung ffir das yom Autor Gemeinte hergestellt werden soll' Wir werden vielleicht zunachst geneigt sein, ,a', ,x' und ,p' in An-fiihrungszeichen zu schlieBen, dagegen ,(~) a' als syntaktische Schreib­weise aufzufassen, also nicht als Ganzes einzuschlieBen, sondern nur die vorkommenden Buchstaben: ,(·~:),a' '. (Dies wfirde etwa unserer Schreibweise ,@5 1 (it,)' oder gena~er "p' (:;.')' entsprechen.) Aber gegen diese Deutung spricht das Vorkommen der Wendungen ,Zeichenkombination p' und ,wenn x in a vorkommt'; denn ,p' ist ja keine zusammengesetzte Kombination, und ,x' kommt in ,a' offensichtlich nicht vor. Vielleicht ist nur ,x' autonym, wii.hrend ,p', ,a' und ,(~) a' (fur das wir dann ,(~.) a' schreiben mu.Bten) nicht­autonyme syntaktische Bezeichnungen sein sollen' Aber dagegen spricht der Umstand, daB in den symbolischen Formeln der Objekt­sprache, die in der Abhandlung behandelt wird, ,p', ,a' und sogar auch ,(~) a' vorkommen (z. B. in dem Axiom ,(x) a ::> (~) a'). Viel­leicht sind samtliche symbolischen Zeichen und Ausdrucke, nicht nur innerhalb der deutschen Textsii.tze, sondern auch in den symbolischen Formeln des Systems als nicht.autonyme syntaktische Bezeichnungen gemeint , In diesem Falle ware die Schreibweise jenes Textsatzes einwandfrei; und das genannte Axiom wiirde unserem syntaktischen Schema GIl 16 entsprechen. Aber das ist mit dem ubrigen Text der Abhandlung, so wie er da steht, nicht gut in Einklang zu bringen. Man weW nicht, auf welche Objektsprache sich aIle Formeln, als syntaktische, beziehen sollten. - Fur unseren Zusammenhang hier kommt es nicht darauf an, welche der verschiedenen Deutungen eigentlich gemeint ist. Es soll nur gezeigt werden, welche Unklar. heiten entstehen, wenn nicht deutlich gemacht wird, ob ein Ausdruck zur Objektsprache gehOrt oder syntaktische Bezeichnung ist, und in letzterem Falle, ob autonym oder nicht.

Freges Forderung der Unterscheidung zwischen Bezeichnung und bezeichnetem Ausdruck ist, so viel ich sehe, nur in den Schriften der Warschauer Schule (Lukasiewicz, Lesniewski, Tarski und deren Schwer), die sich Frege bewu.Bt zum Vorbild genommen hat, streng erfiillt. Diese Logiker verwenden besondere syntaktische Zeichen. Dieses Verfahren ist (wie das Beispiel von Frege zeigt) zwar zur Korrektheit nicht notwendig; aber es hat doch gro.Be Vorzuge. Die deutliche symbolische Trennung zwischen Objektzeichen und Syntaxzeichen erleichtert nicht nur die korrekte Formulierung, sondern hat sich bei den Warschauer Logikern auch durch die Frucht·

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tJber die Zulassigkeit indefiniter Begriffe. 113

barkeit ihrer Untersuchungen bewahrt, die zu einer Fiille wichtiger Ergebnisse gefuhrt haben. Die Verwend ung besonderer syn­taktischer Zeichen innerhalb des Worttextes diirfte in den meisten Fallen die zweckmalligste Methode sein; sie erlaubt Be­weglichkeit und Leichtverstandlichkeit bei hinreichender Strenge. [Diese Methode ist im Textteil dieses Buches angewendet: W ort­sprache mit Frakturzeichen. Ansatze hierzu bilden Frakturbuch­staben bei Hilbert und fett gedruckte Buchstaben bei Church.] In besonderen Fallen kann es geboten erscheinen, die Satze und Definitionen der Syntax vollstandig zu symbolisieren, also die W ortsprache auszuschalten. Hierdurch wird eine erhohte Strenge erreicht, allerdings auf Kosten der Leichtigkeit im Handhaben und Verstehen. Solche ganz symbolisierten syntaktischen Definitionen sind von Lesniewski und von Godel aufgestellt worden. Les­niewski behandelt als Objektsprache in [Neues System] den Satz­kalkul (mit Verknupfungsvariablen, auch in Operatoren;. "Proto­thetik") und in [Ontologie] das System der e-Satze ("Ontologie"); als Syntaxsprache, die aber nur als Abkurzung fur die Wortsprache dienen soll, verwendet er die Russellsche Symbolik. Godel behandelt in [Unentscheidbare] als Objektsprache die Arithmetik der natur­lichen Zahlen in einer modifizierten Russellschen Symbolik; als Syntaxsprache verwendet er die Symbolik von Hilbert. (Wir haben im formalen Aufbau, Kapitel II, auch diese strengere Methode an­gewendet; hier ist Sprache I zugleich Objektsprache und Syntax­sprache.)

43. 'Ober die ZuHissigkeit indefiniter Begriffe. Wir haben ein definiertes Zeichen der Sprache II definit

genannt, wenn in seiner Definitionenkette kein unbeschrankter Operator vorkommt; andernfalls indefinit (§ 15). Ist ~tl ein definites l~tl' so ist die durch ~tl ausgedriickte Eigenschaft ent­scheidbar; jeder Satz von der Form ~tl (~tgl)' wo die Argumente definite .8, im einfachsten Fall @?t sind, kann nach einem festen V erfahren ent~chieden werden. FUr ein indefinites ~tl gilt das im allgemeinen nicht. Fiir gewisse indefinite j:)tl kann es vorkommen, daB man ein synonymes definites j:)tl, und damit ein Entscheidungs­verfahren findet. Aber das ist im allgemeinen nicht moglich.

Beispiele. Den Begriff ,Primzahl' konnen wir sowohl durch ein indefinites lJt ,Prim l ' als auch durch ein synonymes definites lJt ,Prima' erfassen. Wir definieren etwa (vgl. D 11, S. 52): ,Prim l (x) == ["'-' (x = 0). - (x = 1). (u) (u = l)v (u = x) V ",Tlb (x, U»)]'; ebenso fur ,Prima', aber mit beschranktem Operator ,(u) x' anstatt ,(u)'.

Dann ist ,Prim l = Prima' beweisbar; die beiden lJt sind also synonym. Dagegen ist fUr das in II definierte, indefinite lJt ,BewbII' (wobei

Car nap, Syntax, 2. Auf!. 8

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114 Allgemeine Syntax.

,BewbII (a)' bei syntaktischer Deutung besagen BOll: "Der RZSatz a ist beweisbar in II", vgl. S. 66) kein synonymes definite& pr bekannt; es besteht Grund zu der Vermutung (die jedoch bisher nicht nach­gewiesen ist), daJl es uberhaupt kein BOlches gibt. (Die Auffindung eines solchen wiirde die Auffindung eines allgemeinen Entscheidungs­verfahrens fUr II und damit auch fUr die klassische Mathematik bedeuten.)

Das Feblen eines Entscheidungsverfa.hrens fUr die indefi­niten Begriffe wird von manchen (z. B. von Poincare, Brouwer, Wittgenstein, Kaufmann) zum Anla.B genommen, diese Begriffe ala sinnlos a bzulehnen. Betra.chten wir ala Beispiel zwei indefinite ll't~, ,PI' und ,p.' (etwa in II), die auf Grund eines definiten ll'ri ,Q' in folgender Weise definiert sein

mogen: Pdx ) = (;I y) (Q (x, y» (1)

p. (x) = (y) (Q (x, y» (2)

Man argumentiert nun etwa so: schon die Frage, ob z. B. ,PI (5)' (bzw. ,Pa (5)') wahr ist oder nicht, habe keinen Sinn, do. wir keinen Weg wissen, um die l. .. "ltwort auf die Frage methodisch zu suchen; der Sinn eines BegriIfes liege aber einzig in der Methode der Feststellung seines Vorliegens oder Nichtvorliegens. Hierauf ist zu erwidem: wir kennen zwar kein Verfahren, um die Antwort zu suchen; wohl aber wissen wir, wie daa Finden der Antwort aussieht, d. h. wir wissen, unter welchen Bedingungen wir sagen werden, die Antwort sei gefunden. Dies ist z. B. dann der Fall, wenn wir einen Beweis finden, dessen letzter Satz ,PI (5)' ist; und dabei.ist fur eine vorgelegte Satzreihe die Frage, ob sie ein solcher Beweis ist oder nicht, eine definite Frage. Die Moglich­keit des Auffindens einer Antwort ist somit gegeben; ein zwingender Grund zur Ablehnung der Frage ist daher nicht zu sehen_

Von manchen wird die Auffassung vertreten, eine Frage der genannten Art sei zunli.chst sinnlos, werde aber sinnvoll, sobald eine Entscheidung gefunden sei. Ein solches Vorgehen halten wir fiir sehr unzweckmli.Big. Es fiihrt dazu, daB man etwa ,PI (5) l' als eine sinnvolle Frage ansieht, ,PI (6) l' dagegen als sinnlos; genauer: ala heute sinnlos, morgen vielleicht sinnvoll. Dieses Vorgehen ist nicht zu verwechseln mit dem durchaus zweckmli.Bigen und ii berall angewendeten Verfahren, daB man friiher festgesetzte Syntaxbestimmungen abii.ndert, sobald gewisse neue Einsichten gefunden werden (etwa uber gegenseitige Ab-

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ttber die ZuIassigkeit impradikativer Begriffe. 115

hii.ngigkeit der Grundsii.tze, Widerspriiche od. dgl.). 1m Unter­schied hierzu wird bei jenem Vorgehen in die Syntaxbestimmungen (iiber Sinn und Sinnlosigkeit) die Bezugnahme auf historische Vorgange mit hineingenommen.

Zuweilen wird bei der Ablehnung indefiniter ~r noch ein Unterschied zwischen dem Vorkommen eines Existenzoperators und dem eines Alloperators gemacht. Das wird so begriindet: wahrend zum Nachweis von ,PI (5)' das Auffinden einer ein­zelnen Zahl geniigt, die die durch ,Q (5, y)' bezeichnete Eigen­schaft besitzt, muB zum Nachweis von ,Ps (5)' gezeigt werden, daB j ede Zahl diese Eigenschaft besitzt. Es besteht aber kein wesentlicher Unterschied zwischen diesen beiden Fallen. Das Auffinden einer Zahl, die eine bestimmte definite Eigenschaft hat, und das Auffinden eines Beweises fUr einen gegebenen Satz, d. h. das Auffinden einer Satzreihe, die eine bestimmte definite Eigenschaft hat, sind im wesentlichen gleichartige Operationen: es handelt sich in beiden Fallen um das Auffinden eines Elementes mit einer vorgegebenen definiten Eigenschaft aus einer abzii.hl­baren Klasse (d. h. aus einer endlosen, nach gegebenem Gesetz fortschreitenden Reihe).

44. Ober die ZuUissigkeit impradikativer Begriffe. Manche Logiker lehnen zwar nicht aIle indefiniten Begriffe

ab, wohl aber einen Teil von ihnen, namlich die sogenannten impradikativen (oder nichtpradikativen) Begriffe (z. B. Russell in seinem sogenannten Circulus-vitiosus-Prinzip; vgl. Fraenkel [Mengenlehre] 247f£'). Man pflegt etwa (in inhaltlicher Redeweise) etwas impradikativ zu nennen, wenn es definiert ist (oder: nur definiert werden kann) mit Hilfe einer Gesamtheit, zu der es selbst gehOrt. Dies besagt etwa (in die formale Redeweise iibertragen): ein definiertes Zeichen a l heiBt impradikativ, wenn in seiner Definitionenkette ein unbeschrankter Operator vor· kommt mit einer Variablen, zu deren Wertbereich al gehort. Beispiel [(3) dient nur zur Abkiirzung]:

M (F, x) = [(F (7). (y) [F (y)::> F (yl)))::> F (x)] (3) Ps (x) = (F) [M (F, X)] (4)

[,Pa (a)' besagt "a besitzt aIle erblichen Eigenschaften von 7".] 1m Unterschied zu ,PI' und 'Pl!' (Beispiele in § 43) ist ,Pa' nicht

8*

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116 Allgemeine Syntax.

nur indefinit, sondern auch impradikativ, weil von gleichem Typus wie ,F'. Gegen die Zulassigkeit eines derartigen Begriffes pflegt man nun Folgendes vorzubringen. Angenommen, es solI ein konkreter Fall entschieden werden, etwa ,Pa (5)', also ,(F) [M(F, 5)]'. Hierzu miisse manfeststellen, ob jede Eigenschaft die Beziehung M zu 5 hat; unter anderem musse man also wissen, ob dies fur P a gilt, d. h. ob ,M (Pa, 5)' wahr ist. Dies aber ist nach (3) gleichbedeutend mit ,(Pa (7) •.. )::> Pa (5)'. Zur Feststellung des Wahrheitswertes einer Implikation muS man die Wahrheits­werte der beiden Glieder feststellen; hier also auch den von ,Pa (5)'. Kurz: um festzustellen, ob ,Pa (5)' wahr ist, musse man zuvor . eine Reihe anderer Feststellungen machen, darunter auch die, ob ,Pa (5)' wahr ist. Dies sei ein offenbarer Zirkel. ,Pa (5)' sei somit sinnlos, und daher auch ,Pa".

Diese Argumentation diirfte jedoch unzutreffend sein (Carnap (Logizismus]): zum Nachweis eines generellen Satzes ist es nicht notwendig, die Satze nachzuweisen, die aus ihm durch Einsetzung von Konstanten entstehen; vielmehr geschieht der Nachweis durch Aufstellung Eines Beweises fur den generellen Satz selbst. Jene Durchpriifung aller Einzelfalle ist allerdings schon wegen ihrer unendlichen Anzahl unmoglich; ware die Durchpriifung erforderlich, so waren alle generellen Satze und alle indefiniten j:.>t (nicht nur die impradikativen) unentscheidbar und damit (nach jener Argumentation) sinnlos. Dagegen ist erstens die Aufstellung des Beweises eine endliche Operation; und zweitens ist die Moglichkeit des Beweises ganz unabhii.ngig davon, ob unter den konstanten Werten fur die betreffende Variable auch das betreffende definierte Zeichen vorkommt. In unserem Beispiel kann ,M (Pa, 5)' auch vor der Entscheidung uber ,Pa (5)' ent­schieden werden: man kann namlich leicht ,'""-' M (Pa, 5)' beweisen. Wir definieren zur Abkurzung: 'P4 (x)=(x > 6)'. Dann ist zunachst ,'""-' [(P, (7). (y) [P4 (Y) ::> P4 (yl)]) ::> P4 (5)]' beweisbar; hieraus weiter ,"-' M (P4, 5)', ,'""-' (F'.l [M (F, 5)]', also ,'""-' P a (5)'; ebenso fur jedes 33 von ,0' bis ,6' an Stelle von ,5'. Ferner ist ,Pa (8)' leicht beweisbar; und ebenso fiir jedes 33 von ,7' abo

Allgemein: da uberhaupt Satze mit unbeschrankten Opera­toren beweisbar sind, so besteht auch fur die indefiniten Begriffe, also auch fur die impradikativen Begriffe, die Moglichkeit, eine Entscheidung uber ihr Vorliegen

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fiber die ZuUissigkeit impradikativer Begriffe. 117

oder Nichtvorliegen in einem bestimmten Einzelfall zu finden, wenn wir auch kein Verfahren haben, um diesas Finden stets herbeizufiihren. Damit sind derartige Begriffe auch fiir die­jenige Auffassung gerechtfertigt, die fiir die Zulassigkeit eines Begriffes fordert, daB in jedem Einzelfall die Moglichkeit einer Entscheidung besteht. [Obrigens ist nach meiner Ansicht auch diesa Forderung zu eng und nicht zwingend begriindet.]

Die Frage ist nicht so zu stellen: "Sind indefinite (bzw. im­pradikative) Zeiehen zulassig 1"; denn was solI mit "zulassig" gemeint sein, da es hier doch keine Moral gibt (vgl. § 17) 1 Die Frage kann nul' lauten: "Wie wollen wir eine bestimmte Sprache auf­bauen 1 Wollen wir Zeiehen jener Art zulassen oder nieht 1 Und welehe Folgen hat das eine oder andere Vorgehen 1" Es handelt sieh also um die Wahl einer Sprachform, d. h. um die Festsetzung von Syntaxbestimmungen, und um die Untersuehung ihrer Konsequenzen. Hier kommen vor alIem zwei Punkte in Betracht: erstens ist festzusatzen, ob unbeschrankte Operatoren zugelassen werden oder nieht, und zweitens, ob fiir die versehiedenen Typen durehlaufende Pradikatvariable zugelassen werden oder nicht. Wir wollen tll durehlaufend n~nnen, wenn alIe Konstanten des Typus von tll zum Wertbereieh von tll geMren (d. h. fiir tll ein­setzbar sind). In II sind alle tl durchlaufend; z. B. kann fiir ein ltll jedes Itltl eingesatzt werden. Dagegen ist in [Prine. Math.] der Typus (0) auf Grund der verzweigten Typenregel noch in Ordnungen unterteilt derart, daB fiir ein bestimmtes tl jeweils nur die ~t einer bestimmten Ordnung eingesetzt werden diirfen. -1. Wird der erste Punkt negativ entschieden, also unbeschrankte Operatoren ausgeschaltet (wie z. B. in I), so sind damit ane indefiniten und somit aueh aIle impradikativen Zeichen ausge­schaltet. LaBt man aber unbesehrankte Operatoren zu, so ist das Definiens einer indefiniten Definition (vgl. die Beispiele (1) bis (4») syntaxgemaB; dann aber ist es naheliegend, das Definiendum als Abkiirzung fiir das Definiens zuzulassen. - 2. Man kann die impriidikativen Definitionen fiir tlt irgendweleher Typen dadurch ausschalten, daB man im zweiten Punkt eine negative Entscheidung trifft, indem man durehlaufende tl fiir diese Typen nieht zulaBt,. [So lehnt z. B. Russell alIe durchlaufenden tl, Kaufmann iiber­haupt alIe V ab.] LaBt man aber durchlaufende tl zu, und zwar aueh in Operatoren, so ist das Definiens einer impradikativen

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118 Allgemeine Syntax.

Definition (vgl. Beispiel (4» syntaxgemaB. Dann aber liegt es na.he, das Definiendum ala Abkiirzung fUr das Definiens zuzu­lassen. - Jedenfalls sind die bisher vorgebrachten inhaltlichen Begriindungen der Ablehnung indefiniter oder impradikativer Definitionen nicht stichhaltig. Man kann solche Definitionen zulassen oder ausschlieBen, ohne eine Begriindung zu geben. Will man aber das eine oder andere Vorgehen begriinden, so muB man zunachst die formalen Konsequenzen dieses Vorgehens .aufzeigen.

45. Indefinite Begriffe in der Syntax. Unsere Einstellung in der Frage der indefiniten Begriffe

entspricht dem Toleranzprinzip: man kann in einer aufzustellenden Spra.che entweder solche Begriffe ausschlieBen (wie wir es in I getan haben) oder auch zulassen (wie in II); das ist eine Stl.Che des Entschlusses, der Festsetzung. LaBt man indefinite Begriffe zu, so muB der Unterschied zwischen ihnen und den definiten Begriffen genau beachtet werden, besonderS wenn es sich um Fragen der Entscheidbarkeit handelt. Das gilt nun auch fur die Begriffe der Syntax. Verwenden wir zur Formalisierung einer Syntax eine definite Sprache (z. B. Sprache I in unserem for­malen Aufbau), so konnen nur definite syntaktische Begriffe definiert werden. Wichtige Begriffe der Syntax der Umformungen sind aber (im allgemeinen) indefinit, z. B. ,ableitbar' und ,beweis­bar', und erst recht ,analytisch' , ,kontradiktorlsch' , ,synthe­tisch', ,Folge', ,Gehalt' u. a. Will man auch diese Begriffe einfiihren, so muB man eine indefinite Syntaxsprache verwenden (z. B. II).

In bezug auf die Verwendung indefiniter syntak­tischer Begriffe bei der Aufstellung einer bestimmten Sprache ist vor allem zwischen den Form- und den Umformungs­bestimmungen zu unterscheiden. Die Aufgabe der Formbe­stimmungen ist die Aufstellung der Definition fiir ,Satz'. Haufig wird dabei so vorgegangen, daB ein Begriff ,elementarer Satz' definiert und einige satzbildende Operationen bestimmt werden; ein Ausdruck heiSt dann ein Satz, wenn er von elemen­taren Satzen aus durch endlichmalige Anwendung von satz­bildenden Operationen konstruiert werden bnn. Meist sind hierbei die Bestimmungen so beschaffen, daB nicht nur die Be-

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Indefinite Begriffe in der Syntax. 119

grille ,elementarer Satz' und ,satzbildende Operation', sondem auch noch der Begriff ,Satz' definit wird.; fur einen vorgelegten Ausdruck kann stets entschieden werden, ob er ein Satz ist oder nicht. Die Aufstellung eines indefiniten Begriffes ,Satz' ist zwar nicht unzul8.ssig, diirfte aber im allgemeinen unzweck­maBig aein.

Beispiele fUr indefinite Begriffe ,Satz': 1. Heyting [Math. I] 5; die Definition fUr ,Satz' (dort ,Ausdruek') wird dureh die Be­stimmungen 5.3 und 5.32 abhangig von dem indefiniten Begriff ,beweisbar' (dort ,riehtig'), und daher selbst indefinit. - 2. Durr [Leibniz] 87; ob eine gewisse Verbindung zweier Sii.tze (,General­wert' und ,Hauptwert des Restes') ein Satz ist oder nieht (dort: ,sinnvoll' oder ,sinnlos'), hangt von den Wahrheitswerten der beiden Satze ab; bier ist also der Begriff ,Satz' nieht nur nieht logiseh­definit, sondern deskriptiv (von synthetisehen Satzen abhangig). -Werden in einer Spraehe (wie z. B. bei Peano) bedingte Defini­tionen zugelassen (61 ) (~1 = ~I)' wo ~1 das Definiendum ist), so ist i. a. der Begriff ,Satz' nieht logiseh-definit. - Ein indefiniter Begriff ,Satz' ware vielleieht dann am wenigsten Bedenken 3usgesetzt, wenn er auf definite Begriffe ,elementarer Satz' und ,s3tzbildende Operation' zuruekgeht. - v. Neumann ([Beweisth.] 7) haIt die Definitheit des Begriffes ,Satz' fur unerlaJ3lieh; das System werde sonst "unverstandlieh und unbrauehbar".

Die Hauptbegriffe der Umformungsbestimmungen, namlich ,ableitbar' und ,beweisbar', sind bei den meisten Sprachen indefinit; definit nur bei ganz einfachen Systemen, z. B. beim Satzkalkiil .. Trotzdem kann man die Umformungsbestimmungen definit formulieren, indem man, wie es allgemein ublich ist, nicht direkt jene Begriffe definiert, sondern zunachst die definiten Begriffe ,unmittelbar ableitbar' (gewohnlich formuliert durch SehluBregeln) und ,Grundsatz'. [Hierbei kann ,Grund­satz' gefaBt werden aIs ,unmittelbar ableitbar aus der leeren Pramisaenreihe'; die Definitionen konnen als Grundsatze be­stimmter Form genommen werden]. ,Ableitbar' wird durch eine endllche Kette der Beziehung ,unmittelbar ableitbar' bestimmt; ,beweisbar' wird definiert aIs ,ableitbar aus der leeren Prii.missen­reihe'. - Mit dem Begriff ,Folge' (der bei den bisher iiblichen Sprachen nicht definiert worden ist) verhii.lt es sich andere; hier sind die Bestimmungen auch dann indefinit, wenn sie zunachst nicht ,Folge', sondern nur ,unmittelbare Folge' definieren (wie z. B. fur I in § 14).

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120 Allgemeine Syntax.

B. Syntax beliebiger Sprachen. a) Aligemeines.

46. Formbestimmungen. In diesem Abschnitt wollen wir versuchen, eine Syntax

fiir beliebige Sprachen aufzustellen, d. h. ein System von Definitionen syntaktischer Begriffe, die so weit gefaBt sind, daB sie auf beliebige Sprachen bezogen werden konnen. [Allerdings wird dabei hauptsii.chlich an solche Sprachen als Beispiele gedacht, die den gebrauchlichen symbolischen Sprachen in den Haupt­ziigen ahnlich sind; dadurch ist in manchen Punkten die Wahl der Definitionen veranlaBt. Die definierten Begriffe sind aber auch auf ganz andersartige Sprachen anwendbar.]

Der im folgenden dargestellte Entwurf einer allgemeinen Syntax ist nur als ein erster Versuch anzusehen. Die auf­gestellten Definitionen werden sicherlich in mancher Hinsicht ver­bessert und erganzt werden miissen; und vor allem werden die Zu· sammenhange naher untersucht (d. h. syntaktische Lehrsatze be· wiesen) werden miissen. - Bisher liegen nur wenige Ansatze zu allgemein-syntaktischen Untersuchungen vor; die wichtigsten sind: Tarski [Methodologie] und Aj d ukiewicz.

Unter einer Sprache ist hier allgemein irgend ein Kalkiil verstanden, also ein System von Formbestimmungen und Umfor. mungsbestimmungen iiber die sogenannten Ausdriicke, d. h. endliche geordnete Reihen irgendwelcher Elemente, der soge· nannten Zeichen (vgl. § 1, 2). In der (reinen) Syntax werden nur syntaktische Eigenschaften der Ausdriicke behandelt, d. h. solche, die nur von Art und Reihenfolge derZeichen des Ausdrucks abhii.ngen.

1m Unterschied zu den symbolischen Sprachen der Logistik und zu streng wissenschaftlichen Sprachen enthalten die iiblichen Wortsprachen auch Sii.tze, deren logischer Charakter (z. B. logische Giiltigkeit oder logisches Folgen aus einem bestimmten andern Satz oder dergleichen) nicht nur von ihrer syntaktischen Struktur abo bii.ngt, sondern auch noch von au.Bersyn taktischen Umstii.nden. Z. B. ist in der deutBchen Sprache der logische Charakter der Satze ,ja' und ,nein' und der Satze, die Worrer wie ,er', ,der', ,dieser' (im Sinne von "der vorhin genannte") oder ii.hnliche enthalten, auch noch abhii.ngig davon, welche Sii.tze in demselben Zusammenhang (Ab. handlung, Rede, Gesprii.ch od. dgl.) vorangegangen sind. Bei Satzen, in denen Worrer vorkommen wie ,ich', ,du', ,hier', ,jetzt', ,heute',

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Formbestimmungen. 121

,gestern', ,dieser' (im Sinne von "der hier befindliche") oder ihn­liche, ist der logische Charakter nicht nur von den vorange­gangenen Satzen, sondern von der au.llersprachlichen Situation ab­hangig, und zwar von der raum-zeitlichen Stellung des Sprechenden.

Wir wollen im folgenden nur Sprachen behandeln, die keine Ausdriicke mit au.llersyntaktischer Abhangigkeit enthalten. Der logische Charakter aller-Satze dieser Sprachen ist dann invariant gegeniiber raum-zeitlichen Verschiebungen: zwei gleich­lautende Satze haben denselben Charakter, unabhangig davon, wo, wann und von wem sie gesprochen sind. Bei jenen Satzen mit au.ller­syntaktischer Abhangigkeit kann diese Invarianz durch Hinzufiigung von Personen-, Orts· und Zeitbezeichnungen erreicht werden.

Den Begriff ,Folge' haben wir bei der Behandlung der Sprachen I und II erst an spater Stelle eingefiihrt. Vom systema­tischen Gesichtspunkt aus steht er aber am Anfang der ganzen Syntax. Ist in bezug auf irgendeine Sprache der Begriff ,Folge' bestimmt, dann ist damit alles festgelegt, was iiber die logischen Zusammenhange innerhalb dieser Sprache zu sagen ist. Wir nehmen im folgenden an, die Umformungsbestimmungen irgendeiner Sprache S seien gegeben, also die Definition des Begriffes ,un­mittelbare Folge in S'. [Den Zusatz ,von S' oder ,in S' bei den syntaktischen Begriffen lassen wir im folgenden der Kiirze wegen meist fort.] Wir wollen dann zeigen, wie die wichtigsten syntaktischen Begriffe auf Grund des Begriffes ,un­mittel bare Folge' definiert werden konnen. Dabei wird sich herausstellen, daB nicht nur Begriffe wie ,giiltig' und ,wider­giiltig' durch die Umformungsbestimmungen festgelegt sihd, sondern auch die Unterscheidung zwischen logischen und deskriptiven Zeichen, zwischen Varia bien und Konstanten, ferner die Unterscheidung zwischen logischen und auBerlogischen (physikalischen) Um­formungsbestimmungen, woraus sich die Unterscheidung zwischen ,giiltig' und ,analytisch' ergibt; auch die verschiedenen Arten von Operatoren und die verschiedenen Satz­verkniipfungen lassen sich kennzeichnen; das Vorkommen einer Arithmetik und einer Analysis in S laBt sich bestimmen.

Als syntaktische Frakturzeichen verwenden wir (wie fmher) ,a' fiir Zeichen, ,~' fiir (endliche) Ausdriicke, ,~' fiir (endliche oder unendliche) Klassen von Ausdmcken (und zwar meist von Satzen). AIle weiteren Frakturzeichen fiir die all-

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122 Allgemeine Syntax.

gemeine Syntax (auch die friiher fiir I und II schon verwendeten) werden im folgenden definiert. Wir sagen von einem Ausdruck,

er habe die Form ~1 [::], wenn er aus ~lda.durch entsteht, da8 an irgendeiner Stelle in ~1 ein Teila.usdruck ~I durch ~3 ersetzt wird. rOller den Unterschied zwischen Ersetzung und Einsetzung vgl. S. 33.)

Wir besohrinken 1lWI nur deshalb auf endliche Ausdnicke, well mch bisher noch kein AnlaB zur Behandlung unendlicher Aus­driicke ergeben hat. Es bestehen keine grundsitzlichen Bedenken gegen die EinfUhrung unendlicher Ausdnicke und Sitze. Ihre Be­handlung ist in einer arlthmetisierten Syntax leicht moglich. Wihrend ein endlicher Ausdruck dargestellt wird durch eine Reihe von Zahlen, die durch eine einzige Reihenzahl vertreten werden kann, wilrde ein unendlicher Ausdruck darzustellen aein durch eine unendliche Zahlen­fo1ge oder eine reelle Zahl. Eine 80lche Folge ist zu erfassen durch einen (definiten oder indefiniten) Funktor. Nach unaeren frUheren tJberlegungen (§ 39) kann man dann nicht nur von gesetzmiBig gebauten unendlichen Ausdnlcken sprechen, 80ndem aucb von solchen, die durch kein mathematisches Gesetz bestimmt sind. Den ersteren entspricht ein fut, den letzteren ein fub.

Wir denken uns die Definition fiir ,unmittelbare Folge' in folgender Form aufgestellt: "t1 heiBt unmittelbare Folge von ~1 in S, wenn 1. ~1 und jeder Ausdruck von ~1 eine der folgenden Formen hat: ..• , und 2. ~1 und ~1 eine der fol­genden Bedingungen erfiillen: ... ". Die Definition enthii.lt 80mit unter (1) die Formbestimmungen, unter (2) die Umfor­mungsbestimmungen von S. Wir nennen nun ~I einen Satz (15), wenn ~:a eine der Formen (1) hat. Die Q, die 15 sind, heiBen Satzzeiehen (f Q).

~1 und ~:a (ein Q ist auch ein ~!) heiBen (syntaktisch) ver­wandt, wenn es ein 151 gibt derart, da8 ~1 in 151 vorkommt

und 151 [~~] ein Satz ist. Zwei verwandte Ausdriicke ~1' ~I heiBen gattongsgleich, wenn fUr beliebiges 151 151 [:~] ein. Satz ist. Eine Kla.sse ~l von Ausdriicken heiBt eine Gallong, wenn je zwei Ausdriicke von ~1 gattungsgleich sind und kein Aus­druck von ~1 gattungsgleich ist mit einem Ausdruck, der nicht zu ~1 gehort. [Verwandtschaft ist eine Ahnlichkeit (iiber diesen und die folgenden Begriffe vgl.: Carnap [Logistik] 48); Gattungs­gleichheit ist iiberdies transitiv, also eine Gleichheit; die Gattungen

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Umformungsbestimmungen; a-Begriffe. 123

sind die Abstraktionsklassen in bezug auf Gattungsgleichheit; daher sind verschiedene Gattungen stets fremd zueinander.] Die Teilklasse einer (Ausdrucks-) Gattung, die aIle und nur die Zeichen dieser Gattung enthiUt, heiBt eine Zeichengattung. Jedes ~ von S gehort zu genau Einer Gattung; ist die Gattung von ~1 {~1}' also ~1 nicht gattungsgleich mit irgendeinem ungleichen ~, so heiBt ~1 isoliert. Zwei Ausdrucksgattungen oder zwei Zeichengattungen heiBen verwandt, wenn mindestens ein Ausdruck der einen mit einem der andern verwandt ist; in diesem Fall ist jeder Ausdruck der einen mit jedem Ausdruck der andern verwandt.

Definitionen weiterer syntaktischer Formbegriffe werden sioh im folgenden aus den Umformungsbegriffen ergeben.

Beispiele. In I undin II ist jedes 3 isoliert; denn (h) 3. (61) [t] ist kein Satz. Auch in der Hilbertschen Sprache ist jedes 3 isoliert; bier ist nA.mlich (31) (~r1<31») [:] fUr ungleiche 31 und 3. kein Satz. In I und in II bilden aIle konstanten 33 zusammen eine Gattung. Dagegen sind in I und in II etwa 31 und uu zwar verwandt, aber nicht gattungsgleich, da in einem Operator h nicht durch uu ersetzt werden kann.

Die ~ oder ~ irgendeines Typus t in II sind einzuteilen in zwei miteinander verwandte Gattungen: die der ~ (bzw. f) von t und die der ubrigen ~ (bzw. ffu). Also sind die ~r oder fU von t einzuteilen in zwei miteinander verwandte Zeichengattungen: die der ~ (bzw. f) von t und die der konstanten ~r (bzw. fu) VOJl, t.

47. Umformuogsbestimmuogeo; a-Begriffe. Wir denken uns die irgendwie gegebenen Umformungs­

bestimmungen von S in die frillier angegebene Form einer De­finition fiir ,unmittelbare Folge in S' gebracht. Es ist dabei gleichgiiltig, in welcher Terminologie die Bestimmungen urspriing­lich gegeben sind; es muB nur deutlich sein, auf welche Aus­drucksformen sich die Bestimmungen iiberhaupt anwenden lassen (damit ist ,Satz' definiert) und unter welchen Bedingungen eine Umformung, ein SchluB zulii.ssig sein solI (damit ist ,un­mittelbare Folge' definiert).

Anstatt ,unmittelbare Folge' wird z. B. zuweilen gesagt: ,un­mittelbar ableitbar', ,ableitbar', ,deduzierbar', ,erschlieJlbar', ,folgt aus', ,dad gefolgert (geschlossen, abgeleitet, ... ) werden aus' ode dgl.; anstatt ,unmittelbare Folge aus der leeren Klasse' wird gewohnlich

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124 Allgemeine Syntax.

gesagt: ,Grundsatz', ,Axiom', ,wahr', ,richtig', ,beweisbar', ,logisch gUltig' od. dgl. Auch die als ,Definitionen' bezeichneten Bestim­mungen fiber Zeichen von S denken wir uns (z. B. als Grundsatze oder SchluBregeln besonderer Art) in die Bestimmungen fiber ,un­mittelbare Folge' mit aufgenommen; die Definitionen konnen ent­weder in endlicher Anzahl einzeln aufgestellt sein oder in unbe­schrankter Anzahl durch ein allgemeines Gesetz bestimmt sein (wie z. B. in I und II).

Den zweiten Teil der Definition fur ,unmittelbare Folge' bildet eine Reihe von Bestimmungen von folgender Form: ,,@:i l ist dann (aber nicht nur dann) unmittelbare Folge der Satzklasse srl'

wenn @:il und srl die und die syntaktischen Eigenschaften haben." Diese Reihe wollen wir durch folgende Bestimmung erganzen (die unter Umstiinden schon zur urspriinglichen Reihe gehort): ,,@:i l ist stets unmittelbare Folge von {@:i l}." Die Bestimmungen der ganzen Reihe nennen wir Folgebestimmungen oder kurz f-Bestimmungen. Diejenigen dieser Bestimmungen, bei denen die fiir @:il und srl geforderten Eigenschaften definit sind, nennen wir Ableitungsbestimmungen oder kurz a-Bestimmungen. @:i1

heiSt unmittelbar ableitbar aus srl' wenn @:il und srl einer a-Bestimmung geniigen. @:il heiSt ein Grundsatz, wenn @:i1 un­mittel bar ableitbar aus der leeren KIasse ist. Eine endliche Reihe von Sa.tzen heiSt eine Ableitung mit der' Pramissenklasse srl'

wenn jeder Satz der Reihe entweder zu srl gehOrt oder unmittelbar ableitbar ist aus einer KIasse srz, deren Satze fum in der Reihe vorangehen. Eine Ableitung mit leerer Pramissenklasse heiSt ein Beweis. @:i1 heiSt (a-Folge von oder) ableitbar aus der Satz­klasse srl' wenn ~1 letzter Satz einer Ableitung mit der Pra­missenklasse srl ist. ~l (bzw. srl) heiBt (a-giiltig oder) beweisbar, wenn ~l (bzw. jeder Satz von srl) aus der leeren KIasse ableitbar ist, also letzter Satz eines Beweises ist. ~l (bzw. srl) heiSt (a-wider­giiltig oder) wideJ.'legbar, wenn jeder Satz von S ableitbar aus {~l} (bzw. aus srl) ist. ~1 (bzw. sri) heiSt (a-determiniert oder) entseheidbar, wenn ~l (bzw. sri) entweder beweisbar oder wider­legbar ist; andernfalls (a-indeterminiert oder) unentseheidbar.

srl sei die groSte Zeichenklasse in S von der folgenden Be­schaffenheit. Wir nennen die Zeichen von srl def~iert, die ubrigen undefiniert. Die Zeichen von sri lassen sich (nicht notwendig eindeutig) in eine Reihe ordnen. Gehort al zu srl' so gibt es auf Grund der a-Bestimmungen eine definite Konstruktionsvorschrift

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f-Begriffe. 125

(das bedeutet in einer arithmetisierten Syntax: einen definiten syntaktischen Funktor), nach der zu jedem Satz (f5l' in dem a l vorkommt, ein Satz (f5a konstruiert werden kann derart, daB (f52

nicht a l enthalt, sondern nur undefinierte Zeichen und solche definierte, die in jener Reihe dem a l vorangehen, und daB (f5l und @ill aus einander ableitbar sind. Wir nennen diese Vorschrift eine Definition fUr al. Die Umformung von (f5l in (f511 nennen wir Elimination von al.

Wir teilen die syntaktischen Begriffe in a- und f-BegriHe ein, je nachdem ihre Definition sich nur auf die a-Bestimmungen bezieht (wie z. B. die vorhin aufgestellten Definitionen) oder all­gemein auf f-Bestimmungen.

48. f-Begriffe. Es seien .einige f-Begriffe definiert, die zu dem Begriff ,Folge'

fuhren, einem der wichtigs£en syntaktischen Begriffe. Die se sind im folgenden stets Satzklassen. Eine endliche Reihe von (nicht notwendig endlichen) Satzklassen heiBt eine Folgereihe mit der Pramissenklasse sel' wenn folgendes gilt: 1. Sfl ist ersteKlasse der Reihe; 2. folgt Sfi + 1 in der Reihe unmittelbar auf SfiJ so ist jeder Satz von Sfi + 1 unmittelbare Folge einer Teilklasse von sei . Sfn heiBt eine Folgeklasse von sel' wenn Sfn letzte Klasse einer Folgereihe mit der Pramissenklasse sel ist. @i1 heiBt Folge von Sfl , wenn {(f5l} Folge­klasse von Sf l ist. Sind nur a-Bestimmungen gegeben, so fallen die Begriffe ,ableitbar' und ,Folge' zusammen. Hat der Begriff ,unmittelbare Folge' schon eine gewisse Art von Transitivitat, so fallt er mit ,Folge' zusammen.

-aber den grundsatzlichen Unterschied zwischen .,ableitbar in S' und ,Folge in S' gilt allgemein das, was wir friiher in bezug auf Sprache I gesagt haben (S. 35f.). Analoges gilt fur jedes Paar, das aus einem a-Begriff und dem entsprechenden f-Begriff besteht; vgl. die zweite und dritte Kolonne in der -abersicht S. 136.

In fast allen bekannten Systemen werden nur definite Umformungsbestimmungen aufgestellt, also nur a-Bestimmungen. Wir haben aber fruher uberlegt, daB es moglich ist, auch indefinite syntaktische Begriffe zu verwenden (§ 45). Wir werden deshalb auch die Moglichkeit

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126 .Allgemeine Syntax.

zulassen, indefinite Umformungsbestimmungen aufzustellen und die auf ihnen beruhenden f-BegriHe einzufiihren. Bei Behandlung der Syntax der Sprachen I und II haben wir die Wichtigkeit und Fruchtbarkeit von f-Begriffen (z. B. ,Folge', ,analytisch', ,Gehalt' u. a.) kennengelernt. Ein wichtiger Vorzug der f-Begriffe vor den a-Begriffen liegt z. B. darin, daB mit ihrer Hille die vollstii.ndige Zweiteilung der @II in analytische und kontradiktorische moglich ist, wii.hrend die entsprechende Einteilung in beweisbare und widerlegbare @II i. a. unvollstii.ndig ist.

In den Systemen von Russell [Prine. Math.], Hilbert [Logik), v. Neumann [Beweisth.), Godel [Unentscheidbare], Tluski [Widerspruchsfr.] werden nur a-Bestimmungen aufgestellt.

Hilbert [Grundl. 1931] [Tertium] hat neuerdings eine Um­formungsbestimmung angegeben, die (in unserer Terminologie) etwa so la.utet: "Enthalt @i 1 genau Eine freie Variable h und ist jeder Satz von der Form @il (§!t) beweisbar, so darf (~l) (@i1) a.ls Grundsatz auf­gestellt werden." Hilbert nennt diesa Bestimmung eine "finite neue SchluBregel". Was unter ,finit' verstanden wird, wird nicht gena.u gesagt; na.ch den .Andeutungen von Bernays [Philosophie] 343 ist -etwa das gemeint, was wir ,definite nennen. Jene Bestimmung ist jedoch offenbar indefinit. Den .AnlaB zu ihrer .Aufstellung hat ver­mutlich die vorhin angedeutete Unvollstandigkeit jeder Arithmetik, die sich auf a-Bestimmungen beschrankt, gegeben. Die angegebene Bestimmung, die sich nur auf Zahlvariable 3 bezieht, geniigt jedoch nicht zur Erreichung der vollstandigen Zweiteilung.

Herbrand [Non-contrad.) () verwendet die HilbertBche Regel, jedoch mit gewissen Beschrankungen; @i 1 und die Definitionen der in @il vorkommenden fu diirfen keine Operatoren entha.lten.

Tarski bespricht die Hilbertsche Regel ("Regel der unendlichen Induktion" [Widerspruchsfr.] lll)und schreibt ihr mit Recht einen "infinitistischen Charakter" zu. Er meint, "daB sie mit der bis­herigen .Auffassung der deduktiven Methode nicht leicht in Einkla.ng gebra.cht werden kann"; hieran ist richtig, daB diesa Regel mch grundsatzlich von den bisher allein verwendeten a-Bestimmungen unterscheidet. Aber die weiterhin von Tarski geauBerten Zweifel an der Moglichkeit einer praktischen .Anwendung einer derartigen Regel mochte ich nicht teileD.

In Sprache I geht UF 1 auf die definiten Bestimmungen GI 1-11 und RI 1-3 zuriick, UF 2 ist indefinit.

~1 heiBt giiltig, wenn ~1 Folgeklasse der leeren Klasse (und daher jeder Klasse) ist. [Wir verwenden hier nicht den Terminus ,analytisch', weil wir die Moglichkeit offen lassen wollen, daB S nicht nur, wie I und II, logische Umformungsbestimmungen ent-

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f-Begriffe. 127

halt, sondern auch physikalische, z. B. Naturgesetze; vgl. § 51. In bezug auf Sprachen wie I und II fallen die Begriffe ,giiltig' und ,anaJytisch' zusammen.] Sfl heillt widergiiltig, wenn jede Kla.sse Folgekla.sse (und daher jeder Satz Folge) von Sfl ist. Sfl heillt determiniert, wenn Sfl gilltig oder widergiiltig ist; andern­falls indeterminiert. In der Wortsprache ist es bequem, fur Eigenschaften von Satzklassen und von Satzen in vielen Fallen dieselben Termini zu verwenden. Wir wollen einen Satz @)l giiltig (bzw. widergiiltig, determiniert, indeter­miniert) nennen, wenn {@)l} giiltig (bzw .... ) ist. Ebenso wollen wir bei den spater zu definierenden Begriffen verfahren.

Satz 48'1. Sfs sei Folgeklasse von Sf l ; ist Sfl giiltig, 80 auch Sfs; ist Sf, widergiiltig, so auch Sf l .

Satz 48'2. @)2 sei Folge von @)l; ist @)l giiltig, so auch @)s; ist @)\! widergiiltig, so auch @)l'

Satz 48'3. 1st jeder Satz von Sf l giiltig, so auch Sf l ; und umgekehrt.

Satz 48'4. 1st mindestens ein Satz von Sfl widergiiltig, so auch Sf l . Die Umkehrung gilt nicht allgemein.

Zwei oder mehrere Satze heiBen unvertriiglieh (bzw. a-un­vertraglich) miteinander, wenn ihre Klasse widergiiltig (bzw. widerleg bar) ist; andernfalls vertriiglieh (bzw. a-vertraglich). Zwei oder mehrere Satzklassen heiBen unvertraglich (bzw. a-unvertraglich) miteinander, wenn ihre Vereinigung widergiiltig (bzw. widerlegbar) ist; andernfalls vertraglich (bzw. a-vertraglich).

Sf lll heiBt abhiingig von Sf l , wenn Sf\! Folgeklasse von Sf l oder unvertraglich mit Sf l ist; andernfalls unabhiingig von Sf l . Sfs heiBt a-abhangig von Sf l , wenn entweder jeder Satz von Sfll

ableitbar aus Sf l ist oder Sfs a-unvertraglich mit Sf l ist; andern­falls a-unabhii.ngig von Sfl • (FUr @)l und @). wird analog definiert.)

Satz 48'5. 1st Sfl abhii.ngig (bzw. a-abhii.ngig) von der leeren Kla.sse, so ist Sfl determiniert (bzw. entscheidbar); und umgekehrt,

Wir sagen, innerhalb Sfl bestehe (gegenseitige) Unabhangig­keit, wenn je zwei S8.tze von Sfl unabhangig voneinander sind. Wir sagen, innerhalb Sf l bestehe vollstandige Una bhangigkt'it, wenn jede echte, nicht-leere Teilklasse von Sfl unabhangig von ihrer Restklasse ill Sf l ist.

Satz 48'6. 1st Sfl nicht widergiiltig ulld nicht Folgeklasse

Page 140: Logische Syntax der Sprache ||

128 Allgemeine Syntax.

einer echten Teilklasse, so besteht innerhalb st1 vollstandige Un­abhii.ngigkeit; und umgekehrt.

st1 heiBt vollstiindig (bzw. a-vollstii.ndig), wenn jedes st (und daher auch jedes €') von S abhangig (bzw. a-abhangig) von st1 ist; andernfalls unvollstiindig.

Satz 48·7. 1st stg vollstandig und Folgeklasse von st1, so ist auch st1 vollstandig.

Satz 48·8. 1st in S die leere Satzklasse vollstandig (oder a-vollstandig), so ist jedes st in S vollstandig (bzw. a-vollstandig).

fiber die Abhangigkeit zwischen den definierten a- und f-Begriffen orientieren die Pfeile in der fibersicht S. 136. Wenn auch das a-Verfahren das grundlegende ist und die a-Begriffe die einfacheren Definitionen haben, so sind doch die f-Begriffe fur gewisse allgemeine Betrachtungen wichtiger. Sie stehen in naherem Zusammenhang mit der inhaltlichen Deutung der Sprache; formal zeigt sich das darin, daB zwischen ihnen einfachere Zusammenhange bestehen. 1m folgenden werden wir vorwiegend f-Begriffe behandeln und nur gelegentlich die entsprechenden a-Begriffe mit angeben (ist kein hesonderer Terminus angegehen, so hilde man ihn aus dem desf-Begriffes durch Vorsetzen von ,a-').

49. Gehalt. Unter dem Gehalt von st1 (oder iibertragen: von €'l' vgl.

S. 127) in S verstehen wir die Klasse der nicht-giiltigen Satze, die Folgen von st1 (bzw. €'l) sind. Diese Definition ist analog den friiheren fiir I (S. 38) und II (S. 90); hierbei ist zu heriick­sichtigen, daB in I und II ,giiltig' mit ,analytisch' zusammenfallt.

Andere Moglichkeiten der Definition. Anstatt der Klasse der nicht-giiltigen Folgen konnte man etwa die Klasse aller Folgen als ,Gehalt' bezeichnen. Demgegenuber hat unsere Definition den Vorteil, daD bei ihr die analytischen Satze in reinen L-Sprachen (s. u.), wie z. B. I und II, gehaItleer werden. - Ferner konnte man die Klasse aller indeterminierten Folgen nehmen, oder auch die Klasse aller nicht-widergiiltigen Folgen. S sei eine nicht-deskriptive Sprache (z. B. ein mathematischer Kalkiil). Dann gibt es in S keine indeterminierten oder synthetischen Satze. Auf Grund unserer De­finition sind dann die analytischen Satze miteinander gehaltgleich, und ebenso die kontradiktorischen, nicht aber jene mit diesen. Da­gegen wlirden auf Grund jeder der beiden eben erwahnten Defini­tionen aIle Satze miteinander geha.ltgleich, obwohlsie sich wesentlich unterscheiden: Folgen eines ana.lytischen Satzes sind nur die ana-

Page 141: Logische Syntax der Sprache ||

Gehalt. 129

lytischen Siitze, Folgen eines kontradiktorischen Satzes aber aJIe Siitze. - Aj a ukiewicz gibt eine beachtenswerte formale Definition fUr ,Sinn', die von unserer Definition fiir ,Geha.lt' stark abweicht; nach ihr wird der Begriff ,Sinngleichheit' erheblich enger a.ls der Be­griff ,Gehaltgleichheit' bei uns.

~l und ~2 heiBen gehaltgleich, wenn ihre Gehalte iiber­einstimmen. 1st der Gehalt von ~2 eine echte Teilklasse des Gehaltes von ~l> so heiBt ~2 gehaltschwacher als ~l' und ~l gehaltstarker als ~2' ~1 heiBt gehaltleer, wenn der Gehalt von ~1 leer ist. Wir sagen, ~1 habe den Gesamtgehalt, wenn der Gehalt von ~1 die Klasse aller nicht-giiltigen Satze ist. Zwei oder mehrere Klassen heiBen gehaltfremd zueinander, wenn der Durchschnitt ihrer Gehalte leer ist. AlIe diese Begriffe werden auch auf Satze angewendet (vgl. S. 127). Wir sagen, in ~1 bestehe gegenseitige Gehaltfremdheit, wenn je zwei Sii.tze von ~1 gehaltfremd zueinander sind.

Satz 49'1. 1st ~2 Folgeklasse von ~1' so ist der Gehalt von ~2 enthalten in dem von ~1; und umgekehrt. - Beim Ubergang zur Folge tritt niemals Gehaltvermehrung ein. Hierin besteht der sogenannte tautologische Charakter der Folgebeziehung.

Satz 49'2. Sind ~1 und ~2 Folgeklassen voneinander, so sind sie gehaltgleich; und umgekehrt.

Satz 49'3. 1st ~2 Folgeklasse von ~1' ~1 aber nicht von ~2' so ist ~1 gehaltstii.rker als ~1I; und umgekehrt.

Satz 49'4. 1st ~1 giiltig, so ist ~1 gehaltleer; uod um­gekehrt.

Satz 49'5. 1st ~1 widergiiltig, so hat ~1 den Gesamt­gehal t; und umgekehrt.

Die Sii.tze 1 bis 5 gelten ebenso fUr @31 und @3 2.

~1 heiBt abgeschlossen, wenn der Gehalt von ~1 in ~1 enthalten ist. Hiernach ist jeder Gehalt abgeschlossen. Der Durchschnitt zweier abgeschlossener Klassen ist auch abge­schlossen; fiir die Vereinigung gilt das i. a. nicht.

~1 heiBt ersetzbar durch ~2' wenn @31 stets gehaltgleich

mit @31 [~~] ist. ~1 und ~2 heiBen synonym (miteinander), wenn sie gegenseitig ersetzbar sind. Nur gattungsgleiche Ausdriicke konnen synonym sein. [1st ~1 ersetzbar durch ~2' so meist auch synonym mit ~2']

Car nap, Syntax, 2. Auf!. 9

Page 142: Logische Syntax der Sprache ||

130 Allgemeine Syntax.

~1 heiBt ein Hauptausdruck, wenn ~1 nicht leer ist und es einen mit ~1 verwandten, aber nicht synonymen Ausdruck gibt. Zu den Hauptzeichen roohnen wir erstens jedes Zeichen, da.s ein Hauptausdruck ist, und zweitens die Zeichen gewisser Arlen, die spater ermutert werden (z. B. 58, b, °a, t>r, bf, 33); die iibrigen Zeichen nennen wir Nebenzeichen. [Beispiel. Die Hauptzeichen von II sind die fa, 33, t>r, fU, bedn, ferner ,f"OoJ', ,=', ,Ie, ,;f (auf Grund der Definitionen der a11gemeinen Syntax ist namlich ,f"OoJ' ein bf, ,=' ein t>r, ," ein 3fu, mit ,t ist der leere Aus­druck verwandt, aber nicht synonym; die iibrigen Zeichen sind Nebenzeichen, also Klammern, Komma und ,K' (weil es in II keine andem Zahloperatoren gibt als die. K-Operatoren).]

50. Logiscbe und deskriptive Ausdrilcke; Teilspracbe. 1st fiir die Spra.che Seine inhaltliche Deutung gegeben, so

kann man die Zeichen, Ausdriicke und Satze von S in logische und deskriptive einteilen, namlich in solche mit rein logisch­mathematischer Bedeutung und solche, die etwas AuBerlogisches, z. B. empirische Gegenstande OOer Eigenschaften 00. dgl., bezeichnen. Diese Einteilungsbestimmung ist nicht nur unscharf, sondern auch nicht-formal, also fiir die Syntax nicht verwendbar. Wenn wir aber iiberlegen, daB a.lle Zusammenhange logisch­mathematischer Begriffe von auBerspra.chlichen Bestimmungen, z. B. von empirischen Beoba.chtungen, unabhangig sind und allein durch die Umformungsbestimmungen der Spra.che schon voll­standig festgelegt sein miissen, so finden wir als formal erfaBbare kennzeichnende Eigentiimlichkeit der logischen Zeichen und Ausdriicke die, daB jeder a.llein aus ihnen gebildete Satz deter­miniert ist. Dies gibt den AnlaB zur Aufstellung der folgenden Definition. [Sie muB auf Ausdriicke und nicht nur auf Zeichen bezogen werden; denn as kann vorkommen, daB in Sal in be­stimmten Verbindungen logisch, in anderen daskriptiv ist.]

St'1 sei der Durchschnitt aller Ausdruckskla.ssen St'. von S, die die folgenden Bedingungen (I) bis (4) erfiillen. [In den meisten iiblichen Spra.chen gibt as nur Eine derartige Kla.sse St'.; diesa ist dann St'd 1. GebOrt ~1 zu St'i, so ist ~1 nicht leer ~nd es gibt einen Satz, der so in Teilausdriicke zerlegt werden kann, daB aHe zu St'. gehoren und einer ~1 ist. 2. Jeder in Ausdriicke von St'i zerleg­bare Satz ist determiniert. 3. Die Ausdriicke von St'. sind moglichst

Page 143: Logische Syntax der Sprache ||

Logische und deskriptive Ausdriicke. 131

klein, d. h. kein Ausdruck gehort zu sri' der in mehrere Ausdriicke von sri zerlegt werden kann. 4. sri ist moglichst umfassend, d. h. nicht eine echte Teilklasse einer Klasse, die ebenfalls (1) und (2) erfiillt. Ein Ausdruck heiBt logiseh (~l)' wenn er zerlcgbar ist in Ausdriicke von ~l; andernfalls deskriptiv (~b). Eine Sprache heiBt logisch, wenn sie nur u1 enthii.lt; andernfalls deskriptiv.

Bei einer praktisch angewendeten Sprache, z. B. der eines bestimmten Wissenschaftsgebietes, ist man sich meist ohne weiteres klar dariiber, ob ein bestimmtes Zeichen eine logisch­mathematische oder eine auBerlogische, etwa physikalische Be­deutung hat. In solchen zweifelsfreien Fallen stimmt die gegebene formale Unterscheidung mit der iiblichen iiberein. Es gibt aber auch FaIle, in denen man bei bloB inhaltlicher tJberlegung Zweifel iiber den Charakter eines Zeichens haben wird. Hier verhilft das angegebene formale Kriterium zu einer klaren Entscheidung, die man bei naherer tJberlegung auch als inhaltlich angemessen ansehen wird.

Beispiel. 1st der metrische Fundamentaltensor g,uv, durch den die metrische 8truktur des physikalischen Raumes be­stimmt wird, ein mathematischer oder ein physikalischer Begriff' Auf Grund unseres formalen Kriteriums sind hier zwei FaIle zu unterscheiden. 8 1 und 8. seien physikalische 8prachen; jede von ihnen enthalte die Mathematik, aber auch die physikalischen Gesetze aJs Umformungsbestimmungen (das wird in § 51 naher besprochen werden). In 8 1 werde ein homogener Raum angenommen: gil" hat iiberall denselben Wert, an jeder 8telle ist in jeder Richtung das KriimmungsmaB dasselbe (im einfachsten FaIle: 0; euklidische Struktur). In 8. werde dagegen der Einsteinsche inhomogene Raum angenommen: g,u" hat verschiedene Werte; und zwar sind diese Werte abhangig von der Verteilung der Materie im Ratim; sie sind daher - das ist fUr unsere Unterscheidung wesentlich - nicht durch ein allgemeines Gesetz bestimmt. Dann ist ,g"",' in 8 1 ein logisches, in 8. ein deskriptives Zeichen. Denn die 8atze, die die Werte dieses Tensors fUr die verschiedenen Raum-Zeit-Punkte angeben, sind in 8 1 samtlich determiniert; dagegen ist in 8. mindestens ein Teil dieser Sitze indeterminiert. Auf den ersten Blick mag es seltsam er­scheinen, daB der Fundamentaltensor nicht in allen 8prachen den­selben Charakter haben solIte. Bei naherer tJberlegung wird man aber zugeben, daB zwischen 8 1 und 8. hier ein grundsatzlicher Unter­schied besteht. Die metrischen Berechnungen (z. B. eines Dreiecks aus geeigneten Bestimmungsstdcken) geschehen in 8 1 auf Grund

n*

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132 Allgemeine Syntax.

mathematischer Ansetzungen, die allerdings in gewisser Hinsicht (z. B. in der Wahl des Betrages einer Grundkonstanten, etwa des konstanten KrfimmungsmaJles) in Anlehnung an die Empirie vor· genommen werden (vgl. § 82). Dagegen sind ffir solche Berechnungen in S. im allgemeinen empirische Bestimmungen erforderlich, namlich solche fiber die Werteverteilung des Fundamentalt~nsors (bzw. der Dichte) in dem betreffenden Raum·Zeit·Gebiet.

8atz 50'1. Jeder logische 8atz ist determiniert; jeder indeterminierte 8atz ist deskriptiv. - Bei der angegebenen Form der Definition fiir ,logisch' ergibt sich dies unmittelbar. Wird ,~t' anders definiert (z. B. durch Angabe der logischen Grundzeichen, wie in I und II), 80 miissen die Definitionen der Begriffe ,giiltig' und ,widergiiltig' (die in I und II mit ,analytisch' bzw. ,kontradiktorisch' zusammenfallen) so eingerichtet werden, daB jedes ~l determiniert ist.

8atz 50'2. a) 1st 8 logisch, so ist jedes Sf in 8 determiniert; und umgekehrt. - b) 1st 8 deskriptiv, 80 gibt es in 8 ein indeter· miniertes Sf; und umgekehrt.

8 a hellit eine Teilsprache von 8 1, wenn Folgendes gilt: 1. jeder 8atz von 8 a ist ein 8atz von 8 1 ; 2. ist Sfa Folgeklasse von ~1 in 8 a, so auc.i,l in 8 1, 8 a hellit eine folgeerhaltende Teilsprache von 8 1, wenn auBerdem gilt: 3. ist ~a FoIgeklasse von Sfl in 8 1,

und gehoren ~2 und ~1 auch zu 8 a, 80 ist ~a auch Folgeklasse von ~1 in 8 11, 1st 8 2 Teilsprache von 8 1, 8 1 aber nicht von 8 a, so hellit 8 2 eihe echte Teilsprache von 8 1, Unter der logischen Teilsprache vpn S verstehen wir die folgeerhaltende Teilsprache von S, die durch Weglassen aller ~b entsteht.

8 2 sei Teilsprache von 8 3, ~1' ~2 seien Satzklassen von S2' Die Tabelle S. 168 gibt an, unter welchen Bedingungen eine syntaktische Eigenschaft von ~1 oder Beziehung zwischen ~1 und ~2' die in SIl gilt, auch in 8 3 gilt (Rubrik 3), oder umgekehrt (Rubrik 5). Hieraus ist z. B. zu entnehmen: 1st ~1 in S2 giiltig, so auch in 8 3; ist ~1 in S3 giiltig und S. folgeerhaltende Teilsprache von S3' so ist ~1 auch in 8 a giiltig.

Beispiele. list echte, folgeerhaltende Teilsprache von II. I' sei die Sprache, die aus I entsteht, wenn unbeschrankte Operatoren mit 3 zugelassen werden; dann ist I echte Teilsprache von 1', obwohl beide Sprachen dieselben Zeichen besitzen.

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Teilsprache. - Logische und physikalische Bestimmungen. 133

51. Logische und physikalische Bestimmungen. Wir haben fmher fiir die Sprachen 1 und II nur solche Um­

formungsbestimmungen aufgestellt, die man bei inhaltlicher Deutung als logisch-mathematisch begriindet auffassen kann. Dasselbe gilt fiir die meisten bisher aufgestellten symbolischen Sprachen. Man kann jedoch auch eine Sprache mit auBer­logischen Umformungsbestimmungen aufstellen. Beson­ders naheliegend erscheint es, unter die Grundsatze auch sogenannte Naturgesetze aufzunehmen, d. h. allgemeine Satze der Physik (,Physik' hier im weitesten Sinn verstanden). Man kann auch noch weiter gehen, nicht nur allgemeine, sondern auch konkrete Satze aufnehmen, z. B. empirische Beobachtungs­satze. 1m auBersten Fall kann man so weit gehen, daB man die Umformungsbestimmungen von S so ausbaut, daB jeder augen­blicklich (von einem bestimmten Einzelnen oder von der Wissen­schaft) anerkannte Satz in S giiltig ist. Wir wollen der Kiirze wegen alle logisch-mathematischen ,Umformungsbestimmungen von S logische oder L-Bestimmungen nennen, aIle iibrigen physikalische oder P-Bestimmungen. Ob man bei der Auf­stellung einer Sprache S nur L-Bestimmungen oder auch P-Be­stimmungen aufstellt und in welchem Umfang, ist kein logisch­philosophisches Problem, sondern Sache der Festsetzung, also hochstens eine Frage der ZweckmaBigkeit. Bei der Aufstellung von P-Bestimmungen kann man leichter in die Lage kommen, zu einer Anderung der Sprache gedrangt zu werden; und wenn man gar aIle anerkanntenSatze als giiltig nehmen will, so muB man in jedem Augenblick die Sprache erweitern. Grundsatzliche Bedenken hiergegen bestehen aber nicht. - Nimmt man gewisse anerkannte Satze nicht in S als giiltig auf, so sind sie dadurch nicht aus S ausgeschaltet. Sie konnen in S als indeterminierte Pramissen fiir die Ableitung anderer Satze auftreten (wie z. B. alle synthetischen Satze in I und II).

Wie ist nun der soeben nur inhaltlich angedeutete Unter­schied zwischen L- und P-Bestimmungen formal zu erfassen? Dieser Unterschied, bezogen auf Grundsatze, fallt nicht etwa mit dem zwischen @it- und @ib zusammen. Ein @i( als Grundsatz ist stets eine L-Bestimmung; aber ein @io als Grundsatz muB nicht eine P-Bestimmung sein. [Beispiel. , Q' sei ein t>tb von 1. Dann ist z. B. , Q (3)::> (,...., Q (3) ::> Q (5»' (@i1) ein deskriptiver

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134 Allgemeine Syntax.

Grundsatz der Art GI 1. Aber ~l ist offenbar rein logisch richtig; die weiteren Definitionen miissen wir so einrichten, daB ~l zu den L-Bestimmungen gerechnet wird und nicht P-giiltig, sondern analytisch (L-giiltig) heiBt. DaB ~l logisch richtig ist, zeigt sich formal darin, daB jeder Satz, der aus ~l dadurch entsteht, daB, Q' durch ein beliebiges anderes ~rb ersetzt wird, ebenfalls ein Grund­satz GI 1 ist.] Das Beispiel macht uns klar, daB wir als defini­torisches Merkmal der L-Bestimmungen die allgemeine Ersetz­barkeit der ~b nehmen miissen.

~. sei Folgeklasse von ~l in S. Wir unterscheiden hier drei FaIle: 1. ~l und ~. sind st(. 2. In ~l oder ~B kommen ~b vor, aber nur als undefinierte aD; wir unterscheiden zwei FaIle: 280) fiir beliebige ~B und ~4' deren Satze aus denen von st1 bzw. st. dadurch gebildet sind, daB aIle ab von ~l und ~Il durch gattungsgleiche ~ ersetzt sind, und zwar gleiche Ilb stets durch gleiche ~, gilt: st" ist Folgeklasse von ~3; 2b) nicht fiir jedes ~3 und st4 ist die ge­nannte Bedingung erfiillt. 3. In ~l und ~. kommen auch definierte ab vor; ~l und stll seien aus ~l bzw. st. dadurch gebildet, daB jedes vorkommende definierte ab (einschlieBlich derer, die durcli eine Elimination neu auftreten) eliminiert wird; 380) die in 280 fiir ~l und st ll angegebene Bedingung ist fiir st1 und st. erfiillt; 3b) die genannte Bedingung ist nicht erfiillt. Liegt einer der FaIle (1), (280), (380) vor, so nennen wir ~Il eine L-Folgeklasse von ~l; in den Fallen (2b), (3b) nennen wir ~Il eine P-Folgeklasse von ~l. Hiermit ist die Unterscheidung zwischen L- und P-Bestimmungen formal durchgefiihrt.

Enthalt S nur L-Bestimmungen (d. h. ist jede Folgeklasse in Seine L-Folgeklasse), 80 nennen wir Seine L-Sprache; andern­falls eine P.Sprache, Unter der L -Te i I s p rae h e von Swollen wir diejenige Teilsprache von S verstehen, die dieselben Satze besitzt wie S, aber ala Umformungsbestimmungen nur die L-Bestim­mungen von S.

Satz 51'1. Jede logische Sprache ist eine L-Sprache. Die Umkehrung gilt nicht allgemein.

Der Unterschied zwischen L- und P- Sprachen ist nicht zu verwechseln mit dem zwischen logischen und deskriptiven Sprachen. Der letztere bezieht sich auf den Zeichenbestand (aller­dings auf eine Beschaffenheit des Zeichenbestandes, die sich in den Umformungsbestimmungen zeigt), jener auf die Art der Umformungs-

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L-Begriffe; ,analytisch' und ,kontradiktorisch'. 135

bestimmungen. Die Sprachen I und II sind z. B. deskriptive Sprachen (sie enthalten ab, was sich im Vorkommen indeterminierter, nimlich synthetischer Sitze zeigt), aber L-Sprachen: jede Folgebeziehung in ihnen ist eine L-Folge; nur analytische Sitze sind in ihnen gliltig. -Ebenso ist der Unterschied zwischen der L-Teilsprache von S und der logischen Teilsprache von S zu beachten. 1st z. B. Seine deskriptive L-Sprache (wie I und II), so ist die L-Teilsprache von S S selbst, dagegen die logische Teilsprache von Seine echte Teilsprache.

52. L-Begriffe; ,analytisch' und ,kontradiktorisch'. Den frillier definierten a- und f-Begriffen stellen wir nun

L-Begriffe an die Seite (und zwar L-a- und L-f-Begriffe). Hat ~1 in der L-Teilsprache von Seine bestimmte (a- oder f- )Eigen­schaft, so schreiben wir ihm in S die entsprechende L-Eigenschaft zu. @:i1 heiBt z. B. L-beweis bar in S, wenn @:i1 in der L-Teil­sprache von S beweisbar ist; ~1 heiBt der L-Gehalt von ~1 in S, wenn ~2 der Gehalt von ~1 in der L-Teilsprache von S ist usw. Anstatt ,L-giiltig', ,L-widergiiltig', ,L-indeterminiert' wollen wir meist sagen: ,analytiseh', ,kontradiktoriseh', ,synthetiseh'. In der folgenden T a belle stehen die emander entsprechenden Begriffe in derselben Zeile. Ein Pfeil zwischen zwei Begriffen zeigt an, daB von dem einen auf den andern geschlossen werden kann. [Beispiel. 1st @:ig L-ableitbar aus @:iI' so auoh ableitbar; wenn ableitbar, so auch Folge. - Zwischen einem L-a- und einem L-f-Begriff gilt stets der SchluB in derselben Richtung wie zwischen den entsprechenden a- und f-Begriffen.] Auch hier sind die a- und L-a-Begriffe grundlegender fUr das Beweisverfahren; dagegen sind fiir viele Anwendungsfa.lle die f- und L-f-Begriffe wichtiger.

Da I und II L-Sprachen sind, fallt bei ihnen jeder syntaktische Begriff mit dem entsprechenden L-Begriff zusammen (z. B. ,beweis­bar' mit ,L-beweisbar', ,Folge' mit ,L-Folge', ,gliltig' mit ,analytisch' • • Gehalt' mit ,L-Gehalt' usw.). Die friiher auf I und II bezogenen L-a- und L-f-Begriffe stimmen mit den jetzt definierten uberein, auch wo die friihere Definition eine ganz andere Form hat (wie z. B. bei ,analytisch in 11').

Satz 52'1. a) Jeder analytische Satz ist giiltig. - b) Jeder giiltige logisohe Satz ist analytisch. - Zu b. @:i1 sei ein giiltiges €it. Dann ist €i1 Folge der leeren Klasse, also auoh L-Folge von ihr >­

also analytisch.

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a-B

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I-

Beg

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e:

L-f

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ider

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Page 149: Logische Syntax der Sprache ||

L-Begriffe; ,analytisch' und ,kontradiktorisch'. 137

Satz 52'2. a) Jeder kontradiktorische Satz ist widergiiltig. -b) Jeder widergiiltige logische Satz ist kontradiktorisch. -Zu b. ®I sei ein widergiiltiges®l' Dann ist jeder Satz Folge von ®I' Also ist erstens jedes ®l' zweitens fiir jedes ®b auch jedes nach Bestimmung 2 a oder 3 a (S. 134) umgeformte ®b Folge von ®I' Daher ist jeder Satz L-Folge von ®I' Also ist ®1 kontradiktorisch.

Satz 52'3. Jeder logische Satz ist L-determiniert; es gibt keine synthetischen logischen Satze. - Nach Satz 50'1, 52'1 b, 2 b.

Satz 52'4. 1st jeder Satz von srI analytisch, so auch srI; und umgekehrt.

Satz 52'5. 1st mindestens ein Satz von srI kontradiktorisch, so auch srI' 1st srI logisch, so gilt auch die Umkehrung.

Satz 52'6. srz sei L-Folgeklasse von srI' a) 1st srI analytisch, so auch srz. - b) 1st srz kontradiktorisch, so auch srI'

Satz 52'7. 1st ®l L-Folge der leeren (und daher jeder) Satzklasse, so ist ®l analytisch; und umgekehrt.

Satz 52·S. 1st srI kontradiktorisch, so ist jeder Satz L-Folge von srI; und umgekehrt.

Satz 52'9. Der L-Gehalt von srI ist die Klasse der nicht­analytischen Satze, die L-Folgen von srI sind.

Der iibliche Begriff der Sinngleichhei t zweier Satze ist mehrdeutig. Wir erfassen ihn durch zwei verschiedene formale Begriffe: Gehaltgleichheit und L- Gehaltgleichheit. Analog er­setzen wir den iiblichen Begriff der Bedeutungsgleichheit zweier Ausdriicke durch zwei verschiedene Begriffe: Synonymitat und L-Synonymitat. (Vgl. § 75, Beispiele 6 bis 9.)

Die L-Begriffe ergeben sich bei Beschrankung auf die L-Be­stimmungen der Sprache. Zu einigen dieser Begriffe wollen wir entsprechende P-Begriffe definieren; sie sind dadurch charak­terisiert, daB fiir sie auch die P-Bestimmungen mit in Betracht kommen. In L-Sprachen sind sie leer. srz soIl P-Folgeklasse von srI heiBen, wenn srz Folgeklasse, aber nicht L-Folgeklasse von srI ist. ®a ist P-Folge von srI> wenn Folge, aber nicht L-Folge. srI (oder ®l) ist P-giiltig, wenn giiltig, aber nicht analytisch. srI (oder ®l) ist P.widergiiltig, wenn widergiiltig, aber nicht kontradiktorisch. srI und srz sind P-gehaltgleich, wenn gehalt­gleich, aber nicht L-gehaltgleich. ~I und ~2 sind P-synonym,

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138 Allgemeine Syntax.

wenn synonym, aber nicht L-synonym. - Von den P-Begriffen werden wir im folgenden nur wenig Gebrauch machen.

Fur eine P-Sprache ergibt sich die folgende Einteilung der deskriptiven Si:i.tze (fur die ®( vgl. S. 163):

(a-Begriffe:) bewelsbar unentscheidbar widerlegbar

(P-Begriffe:)

(L-Begriffe:)

(f-Begriffe:)

~.----------~----------~,~ I I I I

(L-gilltig) analytisch

gilltig

-­P-gilltlg --­P-widergliltig

synthetlsch

Indeterminlert

( L-widergilltlg) kontra­

dlktorlsch

wldergilltlg

Fur eine L-Sprache (z. B. I und II) ist die Einteilung der de­skriptiven Si:i.tze einfacher, da f- und L-f-Begriffe zusammenfallen:

(a-Begriffe: )

(f- und L­Begriffe:)

bewelsbar unentscheldbar wlderlegbar

----~--------------~----------~----~

gilltlg, analytlsch

lode terminiert, synthetisch

I I wldergilltig, koo­tl"adlktorisch

Beispiele. S sei eine P-Sprache, mit deutschen Wortern in iiblicher Bedeutung. Die wichtigsten physikalischen Gesetze seien ala Grundsii.tze von S aufgestellt. 6 1 laute: ,dieser Korper a ist aus Eisen'; 6.: ,a ist aus Metall'; 6 s: ,a kann'nicht auf dem Wasser schwimmen'. 6. und 6 s sind Folgen von 6 1, und zwar ist 6. eine L-Folge, 6 s aber nicht, also eine P-Folge. - 6, laute: ,In diesem Gefii.B b yom Volumen 5000 cms sind 2 g Wasserstoff unter dem und dem Druck'; 6 5 : ,In b (Volumen 5000 cmS) sind 2 g Wasserstoff mit der und der Temperatur.' 6, und 6 5 sind Folgen voneinander, und zwar P-Folgen, da jeder dieser Satze aus dem andern mit Hille der Naturgesetze erschlossen werden kann. 6, und 6 5 sind gehalt­gleich, aber nicht L-gehaltgleich, also P-gehaltgleich. Wenn man (in inhaltlicher Redeweise) fragt, ob 6. (wie 6.) durch 6 1 schon mit besagt ist, und ob 6, und 6 5 dasselbe besagen oder nicht, 80 sind diesa Fragen nicht eindeutig. Die Antwort hii.ngt davon ab, was alB Voraus­setzung fiir das Mitbesagen gilt. Setzen wir nur Logik und Mathe­matik voraus, so sind die Fragen zu verneinen; setzen wir aber auch die physikalischen Gesetze voraus, so sind sie zu bejahen. Z. B. be­sagen 6, und 6 5 uns im letzteren Falle dasselbe, auch wenn wir

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Stufensystem. 139

sonst nichts liber die be8chriebene Gasmenge wissen. Dem inhalt· lichen Unterschied zwischen den beiden Voraussetzungen entspricht formal der Unterschied zwischen Gehaltgleichheit (in einer P·Sprache) und L·Gehaltgleichheit.

Die Einsicht, daB die Begriffe ,analytisch' und ,kontradik· torisch' rein formal sind und daB die analytischen Satze gehaltleer Bind, ist von Weyl [Kontinuum] 2, 10 ausgesprochen worden: (daB ein logisch widersinniges Urteil) "als unwahr erkannt wird, un· abhangig von seinem materialen Gehalt, rein auf Grund seiner logischen Struktur"; "solche rein ihres formalen (logischen) Baues wegen wahren Urteile (die daher auch keinen materialen Gehalt be· Bitzen) wollen wir (logisch) selbstverstiindIich nennen". Spater hat Wittgenstein die gleiche Einsicht zur Grundlage seiner ganzen Philosophie gemacht. "Es ist das besondere Merkmal der logischen Satze, daB man am Symbol allein erkennen kann, daB sie wahr sind. und diese Tatsache schlieBt die ganze Philosophie der Logik in sich" ([Tractatus] 156). W. fahrt nun fort: "Und so ist es auch eine der wichtigsten Tatsachen, daB sich die Wahrheit und Falschheit der nichtlogischen Satze nicht am Satz allein erkennen laBt." Diese Bemerkung, in der W.s absolutistische Auffassung der Sprache zum Ausdruck kommt, bei der das konventionelle Moment im Aufbau einer Spraehe libersehen wird, trifft nicht zu. DaB ein Satz ana· lytisch ist, kann man allerdings an seiner Form allein erkennen, aber nur, wenn die Syntaxbestimmungen der Sprache gegeben sind; sind aber diese Bestimmungen gegeben, so kann auch die Wahrheit und Falschheit gewisser synthetischer Satze, namlich der determinierten, an ihrer Form allein erkannt werden. Es ist Sache der Festsetzung, ob man nur L.Bestimmungen oder auch P.Bestimmungen aufstellt; und die P.Bestimmungen konnen ebenso streng forinal aufgestellt werden wie die L.Bestimmungen.

b) Variable.

53. Stulensystem; Priidikate und Funktoren. Unter einem Stufensystem in S verstehen wir eine geordnete

Reihe mi von nicht·leeren Ausdrucksklassen, die die spater folgenden Bedingungen (1) bis (6) erfiillt. Da die Anzahl der Aus· driicke einer Sprache hochstens abzahlbar·unendlich ist, so auch die Anzahl der Klassen von mI' Diese Klassen nennen wir Stufen; sie seien der Reihe nach numeriert mit den endlichen und ge· gebenenfalls auch mit den transfiniten Ordnungszahlen (der zweiten Zahlenklasse): Stufe 0 (oder nulIte Stufe), Stufe 1, 2, ... co, co + 1, .... Die zu den Klassen von mi gehorenden Ausdriicke bezeichnen wir mit ,@itu', und zwar die der Stuf~ a (wobei mit ,a' eine Ordnungszahl bezeichnet ist) mit ,a@itu'. [Den

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140 Allgemeine Syntax.

Z usatz "in bezug auf 9i1" bei diesem und den folgenden definierten Wortern und Frakturbezeichnungen lassen wir der Kiirze wegen fort.] AlIe Zeichen ®tu rechnen wir zu den Haupt­zeichen.

Eine geordnete Reihe von m + 1 (unter Umstanden leeren) Ausdriicken ~1' ~2'" ~m+l heiSt ein Ausdrucksgeriist (~O), und zwar ein m-stelliges (m:Om), fiir eine bestimmte Ausdrucks­form, wenn es mindestens einen Ausdruck ~n von dieser Form gibtl der als Teilausdruck in einem Satz vorkommen kann und der aus den Ausdriicken 1ll1' .. lllm +1 des Geriistes, etwa 1ll01, und m Haupt&usdriicken Illi, 1ll2, •• Ill~ in abwechselnder Reihen­folge zusammengesezt ist. Illn hat also die Form 1ll1llli Illalllt ... Illmlll~lllm + l' Die Ausdriicke ~l' '" ~~ heiBen erstes, ., ,m-tes Argument von ~Ot in ~,,; ihre Reihe (in der richtigen Reihenfolge) heiBt m-stellige Argumentreihe (~ro, und zwar ~rOm) von ~g1 in 11ln- Ill" bezeichnen wir auch mit ,Il101 (Illj, " Ill~)' oder, wenn IllrOl die Reihe jener Argumente ist, mit ,Il101 (IllrOt)'. Illn heiBt ein Vollausdruck von 1ll0t. - Wir sagen, 1ll0;n und 1ll0~ haben gleichen Wertverlauf, wenn je zwei Vollausdriicke von Illgl und Illg2 mit gleiclien IllrO synonym sind.

Die Illgm fiir die Form ® heiBen m-stellige Satzgeriiste (®O; ®Om). Das ist die wichtigste Art der 1ll0. Ein Vollausdruck von ®01 ist ein®; er heiBt ein Vollsatz von ®01' - ®O;n heiBt umfangs­gleich mit ®O~, wenn je zwei Vollsii.tze von ®01 und ®02 mit gleichen IllrO gehaltgleich sind.

Satz 53'1. Haben ®01 und ®02 gleichen Wertverlauf, so sind sie umfangsgleich; die Umkehrung gilt nicht allgemein (vgl. jedoch Satz 65'4b).

Illg;n sei zusammengesetzt aus a®tu1 und unter Umstanden Nebenzeichen; Ill" sei der Vollausdruck 11101 (Illr01); hierbei sei jedes Argument und Ill" selbst entweder ein ® oder ein P®tu mit P < a, Dann heiBt Illn auch Vollausdruck von ®tUl; IllrOI heiBt auch Argumentenreihe von ®tUI in Illn; ®tUI heiBt (in Illn) m-stellig (®tum); Illn bezeichnen wir dann auch mit ,®tu1 (Illrot>'. 1st hierbei 11101 ein ®O, also Illn ein ®, so heiBt ®tu1 ein Priidikatausdruck (~r, ~rm, a~r); ein Zeichen ~t heiSt ein Priidikat (lJt, lJtm, alJt). 1st dagegen Illn ein ®tu, so heiBt ®tu1 ein Funktorausdruck mu, ~um, a~u); ein Zeichen ~u heiBt ein Funktor (fu, fum, afu). - ~rl

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Pradikate und Funktoren. 141

und ~tB' die gattungsgleich und daher von gleicher Stufe sind, heiBen umfangsgleich, wenn die entsprechenden Sg umfangs­gleich sind. Wir sagen, ~Ul und ~UB' die gattungsgleich und daher von gleicher Stufe sind, haben gleichen W ertverla uf, wenn die entsprechenden ~g gleichen Wertverlauf haben. - Die O@itu heiBen Individualausdrucke, als Zeichen: Individualzeichen.

Satz 53·2. a) Sind ~tl und ~t2 synonym, so auch umfangs­gleich. - b) Sind ~Ul und ~U2 synonym, so haben sie gleichen Wertverlauf. - Die Umkehrungen gelten nicht allgemein. (Vgl. jedoch Satz 66·1.)

\l!t1 und \l!t. sind nur dann synonym, wenn jeder Satz 6 1 ge­haltgleich mit 6 1 [~~:] ist. Dagegen sind sie umfangsgleich schon dann, wenn dieselbe Bedingung fUr jeden Vollsatz 6 1 erfiillt ist. Es kann etwa sein, daB ,P' und ,Q' umfangsgleich sind, aber fUr ein bestimmtes B~t ,M', ,M (p)' und ,M (Q)' nicht gehaltgleich sind, so daB ,po und ,Q' nicht synonym sind. (In diesem Falle ist ,M (p)' intensional in bezug auf P, vgl. § 66.)

Bedingungen: 1. EinStu istkeinS. - 2. 1st ~lgattungs­gleich mit einem "Stu, so ist auch ~l ein aStu. - 3. Jades aStu fiir a > 0 ist entweder ein ~t oder ein ~u. - 4. Fiir jades O@itul gibt es ein l~t mit einem V ollsatz, von dem ein Argument Stul ist. - 5. Stu1 sei ein aStu, wobei a > 1, also ein ~t oder ~u. a) Es gebe eine groBte Ordnungszahl kleiner als a, etwa {J (so daB also a = {J + 1); dann gibt es fUr das ~t oder ~u Stu1 einen Voll­ausdruck ~l' so daB eines der Argumente oder ~1 selbst ein PStu ist. b) Es gebe keine groBte Ordnungszahl kleiner !tIs a (z. B. fur a = w); dann gibt es fiir jedes {J < a ein y, so daB {J < y < a, und einen V ollausdruck ~l fiir Stul derart, daB eines der Argumente oder ~1 selbst ein J'Stu ist. - 6. ml ist moglichst umfassend, d. h. die Klasse Stu in bezug auf ml ist nicht echte Teilklasse der Klasse Stu in bezug auf eine Reihe ma, die ebenfalls die Bedingungen (1) bis (5) erfullt. - ~l heiBt ein passendes Argument (allgemein oder fiir die i-te Argumentstelle) fiir Sgl' ~tl oder ~Ul (spater auch fur Sful oder ~fUl)' wenn es einen Vollausdruck oder Vollsatz gibt, in dem ~1 an irgendeiner (bzw. an der i-ten) Argumentstelle steht.

Beispiele. In Sprache II (wie in allen ublichen Sprachen mit hoherem Funktionenkalkul) gibt es genau Ein Stufensystem. Dazu gehOren die .8 alB °6tu, ferner die \l!r und ~u. Die hier in der all-

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142 Allgemeine Syntax.

gemeinen Syntax definierlen Begriffe ,\Ut' und ,~u' sind jedoeh weiter als die frUber auf II bezogenen. N ach den neuen Begriffen sind die betfn Iptl; ,-' ist ein Ipr1; ," ist ein Ifni. Femer ist ,=' ein ptl; es sei ptl; as ist ein "'Pt, da as zu jeder natiirliehen Zahl '" (> 0) einen Vollsatz Ptl (npt, npt) gibt (z. B. ,P = Q'). Wfirden wir bestimmen, daB fUr die versehiedenen Typen das Zeiehen ,co (Def. 37'lO) nicht mit jeweils entspreehendem Typusindex versehen wftrde, sondem fUr aIle Typen von \Ut unterschiedslos gebraucht wftrde, so wire auch ,co ein "'Ptl • Unter gleiehen Voraussetzungen wfirde ,v' in ,F v G' (Def. 37'5) ein "'fnl sein.

Russell hat in [Prine. Math.] aueh das Zeiehen ,Co und viele andere mit Argumenten beliebig hoher (endlicher) Stufe verwendet, so daB sie nach unserer Definition zur Stufe (I) gehoren. Russell weist jedoeh diesa Zeiehen nieht einer transfiniten Stufe zu, sondem deutet ihre Verwendungsweise als "systematische Mehrdeutigkeit". Erst Hilbert [Unendliehe] 184 und Godel [Unentseheidbare] 191 haben auf die Mogliehkeit der EinfUhrung transfiniter Stufen hin­gewiesan.

54. Einsetzung; Variable und Konstanten. Was ist eine Variable 1 Man hat die alte Antwort:

"eine verii.nderliche GroBe" oder: "ein veranderlieher Begriff" langst als unzutreffend erkannt. Ein Begriff, eine GroBe, eine Zahl, eine Eigenschaft kann sich nicht ii.ndern (wohl aber kann ein Ding zu verschiedenen Zeiten verschiedene Eigenschaft.en haben). Eine Variable ist vielmehr ein Zeiehen mit bestimmter Beschaffenheit. Mit welcher Beschaffenheit 1 Die Antwort: "ein Zeichen mit veranderlicher Bedeutung" ist ebenfalls unzutreffend; denn eine Anderung der Bedeutung eines Zeichens ist nieht inner­halb Einer Spra.che moglich, sondern ist ein "Obergang von einer Spra.che zu einer andern. Richtiger ist die haufig gegebene Antwort: "Ein Zeichen mit bestimmter Bedeutung ist eine Konstante, mit unbestimmter Bedeutung eine Variable." Aber auch diese ist nicht ganz richtig. Denn man kann Konstanten mit unbestimmter Bedeutung verwenden; sie unter­scheiden sich von den Variablen wesentlich dadurch, daB fiir sie keine Einsetzung vorgenommen werden kann.

Beispiele. Man kann in einer Namensprache auBer den Namen mit bestimmter Bedeutung, etwa ,Prag', aueh Namen mit un­bestimmter Bedeutung, etwa ,a', ,b', ... verwenden; ist ,Q' ein konstanteB pt (gleiehgiiltig, ob mit bestimmter oder unbastimmter Bedeutung), so sind aus ,Q (x)' die Sitze, Q (Prag)', ,Q (a)', ,Q (b)' und so weiter ableitbar, aus ,Q (a)' dagegen nieht. Darin zeigt sieh,

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Einsetzung; Variable und Konstanten. 143

daJl ,x' eine Variable, ,a' aber trotz unbestimmter Bedeutung eine Konstante ist. Bei inhaltlicher Deutung: ,a' bezeichnet ein gewissas Ding, nur wird vorlaufig nicht (vielleicht jedoch spater) angegeben, welches. - In den Beispielen dieses Buches sind haufig Konstanten mit unbestimmterBedeutungverwendet worden, z. B. ,a', ,b' S. 11 f.; ,P' und ,Q' an vielen Stellen, z. B. S. 23, 42. Besonders deutlich wird der Unterschied zwischen der Variablen ,p' und der Konstanten ,A' mit unbestimmter Bedeutung in den Beispielen S. 111.

Variable und Konstanten unterscheiden sich durch ihren syntaktischen Charakter; Variable sind solche Zeichen von S, fiir die nach den Umformungsbestimmungen von S unter gewissen Bedingungen eine Einsetzung vor· genommen werden kann. Diese grobe Abgrenzung stimmt bei den iiblichen symbolischen Sprachen. Die genaue Definition fiir ,Variable' kann aber nicht so einfach sein, da sie die verschiedenen moglichen Arten der Einsetzung beriicksichtigen muB, vor allem die Hauptarten: Einsetzung fiir freie Variable, fiir gebundene Variable, fiir Konstante.

w. V. Quine hat (laut miindllcher Mitteilung) gezeigt, daJl man anstatt einer Operatorvariablen eine Operatorkonstante ver­wenden kann; anstatt ,(x) (x = x)' schreibt man etwa ,(0) (0 = 0)'. - Man kann ubrigens diese Methode derart erweitern, daJl eine Sprache (auch eine solche, die die Arithmetik und Analysis umfaJlt) uberhaupt keine Variablen mehr enthiilt. Man bilde z. B. aus Sprache II zunachst eine Sprache II', in der keine freien I> in Satzen auftreten. Hierbei werden GIl 16, 17 durch EinsetzungsregeIn er· setzt: (1)1) (61) darf in 6 1 (~~) umgeformt werden, (P1) (61) in 6 1 (lit <:.t9,). RII 2 fallt fort; as mussen aber einige neue RegeIn aufgastellt werden. Aus II' bilde man dann II", indem man anstatt einesgebundenen tl1 im Operator und an den Einsetzungsstellen irgend­einen Ausdruck aus dem Wertbereich von tl1 schreibt. [In II" sind, im Unterschied zu den ublichen Sprachen, verwandte Zeichen stets gattungsgleich.] In den bisher ublichen Sprachen kommt die Ein­setzung fiir Konstante nicht vor. - Von derartigen Sprachen ohne tl (aber mit l als 18) sind zu unterscheiden die Sprachen ohne Einsetzung (also uberhaupt ohne 18); vgl. das Beispiel Ik S. 147.

Beispiele f11r die drei Hauptarten der Einsetzung: ,2 = 2' ist in I und II ableitbar aus ,x = x'; in II aus ,(X) (x = x)'; in II" aUS ,(3) (3 = 3)'.

Wir sagen, in S komme Einsetzung vor, wenn es in S Aus­driicke gibt - wir nennen sie Variabelausdriicke (!B) -, fiir die das im folgenden Gesagte zutrifft und die insbesondere die spii.ter

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144 Allgemeine Syntax.

(S. 146) anzugebende Bedingung erfiillen. [Die Bedingung kann spater mit Hille der inzwischen definierten Begrifie ein­f&cher formuliert werden.] [Zum leichteren Verstandnis des Folgenden bea.chte man, daB in den iiblichen symbolischen Spra­chen aIle lS Zeichen sind, und zwar Variable.] Jedem lS, etwa lS1' ist eine (unter Umstii.nden leere) Klasse von Ausdriicken zuge­ordnet, die wir Operatoren «()~), und zwar Operatoren mit lS1 «()~l!:t) nennen. ()~1 sei ein ()~el; dann ist dem ()~1 eine Klasse von Haupt&usdriicken zugeordnet, die wir Einsetzungswerte fiir !81 in bezug auf ()~1 nennen; diese Klasse enthii.lt mindestens einen mit lS1 nicht synonymen Ausdruck. Ferner ist dem lS1 selbst eine Klasse von Haupt&usdriicken zugeordnet, die wir Einsetzungswerte fiir freies lS1 nennen; diese Kla.sse enthii.lt, wenn sie nicht leer ist, mindastens zwei miteinander nicht-syn~ onyme Ausdriicke. ~1 sei diejenige Klasse, zu der aIle Einsetzungs­werte fiir freies lS1 und aIle Einsetzungswerte fiir lS1 in bezug auf irgendwelche ()~~1 geMren, BOwie aIle Ausdriicke, die mit irgend­einem der genannten gattungsgleich sind. Die Ausdriicke von ~1 nennen wir die Werte fiir lS1. ()~1~1 heiBt unbeschra.nkt, wenn jeder Wert fiir lS1 auch Einsetzungswert fiir lS1 in bezug auf ()~1 ist; andernfalIs beschra.nkt.

~1 sei ein VolIausdruck von ~g~, und zwar entweder ein <S oder ein <Stu; ~2 werde aus ~1 dadurch gebildet, daB jedes Argu­ment ~i (i = Ibis m) durch ein lSi ersetzt wird, zu dessen Werten ~ geMrt; dabei sei ~2 BO beschaffen, daB as als Teilausdruck in einem Satz vorkommen kann; dann heiBt ~2 eine m-stellige Ausdrueksfunktion (~fu, ~fu>n); lSi heiBt i-tes Argument in ~2· Ein ~f'Um heiSt bei m = 0 uneigentlich, bei m > 0 eigentlich. 1st hierbei ~1 ein <S, so heiBt ~2 eine m-stellige Satzfunktion (<Sfu, <Sfum ). Die <Sfu bilden die wichtigste Art der ~fu.

Man beachte den Unterschied zwischen Satzgerust, Satzfunktion und Pradikatausdruck, der haufig verwischt wird, indem der Terminus ,Satzfunktion' in allen drei Bedeutungen verwendet wird. Beispiele fUr @5g in II (wir trennen die Ausdrucke der Ausdrucksreihe hier durch Striche): ,P (3, -) v Q (-)', ,Q (-)' [aber auch ,(A) - (B)' (mit dem Argument ,V') und ,(- x) (P (X»' (wozu alB Argumente ,;!' und der leere Ausdruck passen)]; fUr @5fu: ,P(3,x)vQ(X)', ,Q(X)'; fUr I.l3t: ,Q' [aber auch ,ver(P,Q)', vgl. S. 77]. - Analoges gilt fUr den Unterschied zwischen den iibrigen ~g, den ubrigen ~fu und den lJu. - Wir mUssen nur deshalb neben

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Einsetzung; Variable und Konstanten. 145

den ~fu und 6tu auch die ~g und 6g behandeln, weil nicht allgemein vorausgesetzt werden kann, daJl in S fiir die betreffenden Argumente stets auch $ vorkommen.

Die 6fuo sind 6. In.! und II sind alle 6tu 6, und zwar die eigent­lichen offene 6, die uneigentlichen geschlossene 6. Auch in den meisten der andern iiblichen symbolischen Sprachen sind alle 6fu 6; fiir manche Sprachen sind jedoch die Bestimmungen in diesem Punkt nicht kIar.

In 6 1 stehe an einer bestimmten Stelle :OlJ1; dann ist diesem :OlJ1 durch definite Formbestimmungen (die wie aIle Form­bestimmungen in den Umformungsbestimmungen enthalten sind, siehe oben) ein Teilausdruck ~fU1 von 6 1 zugeordnet, der aus :OlJ1' einem 6fu1 und unter Umstanden Nebenzeichen beftteht; 6fu1 hei.St der Operand von :OlJ1 (an dieser Stelle) in 6 1, [Gewohn­lich steht hierbei 6ful hinter :OlJ1; zuweilen sind Anfang oder Ende des Operanden 6fu1 oder beide auBer durch :OlJ1 noch durch besondere Nebenzeichen (z. B. Klammern in I und II, Punkt­zeichen bei Russell) kenntlich gemacht.] ~fU1 bezeichnen wir auch mit ,:OlJl(6fu1)'. - Kann 6fu1 zugehOriger Operand zu :OlJ1 sein, d. h. gibt es ein ~fu von der Form :OlJl (6fu1)' so nennen wir 6fU1 operabeJ in bezug auf :OlJ1' - ~1 heiBt in ~II an einer be­stimmten Stelle gebunden, wenn diese Stelle zu einem Teilaus­druck von ~2 gehOrt, der die Form :OlJl'l!t (6fu) hat; und zwar beschrankt (bzw. unbeschrankt) gebunden, wenn :OlJl beschrankt (bzw. unbeschrankt) ist. Steht ~1 in ~2 an einer Stelle, an der ~1 nicht gebunden ist, so heiBt ~1 an dieser Stelle in ~2 frei. Die Stellen, an denen ~1 in ~2 frei steht, heiBen Ein-

setzungsstellen ffir ~l in ~Il' Mit ,~fU1 (~:)' bezeichnen wir den Ausdruck, der aus ~fUl dadurch entsteht, daB ~1 an allen Einsetzungsstellen in ~fU1 durch ~1 ersetzt wird; hierbei muB ~1 ein Wert von ~l sein, und es darf kein ~II geben, das in ~1 frei vorkommt und in ~fUl an einer der Einsetzungsstellen ffir ~l gebunden ist. [Erffillt ~l diese Bedingungen nicht oder kommt ~l

in ~fltl nicht frei vor, so solI ,~fUl (~l)' ~fUl selbst bezeichnen.] 1

Wir nennen ~fUl (~1) eine Variante von ~fUl (in ~1)' Ein Satz

von der Form 6fu1 (~~) heiBt eine Variante von 6ful in bezug

auf :OlJl~l' wenn 6fu1 operabel in bezug auf :OlJl und ~1 ein Einsetzungswert ffir ~l in bezug auf :OlJ1 ist.

Car nap. Syntax. 2. Auf!. 10

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146 Allgemeine Syntax.

Wir unterscheiden zwei Arten von Operatoren: Satz­operatoren und Kennzeichnungsoperatoren. 1st lOl'l «(SfUl) ein (Sfu, etwa (Sfu., so heiSt lOl'l ein Satzoperator in (Sfu.; ist jeder Ausdruck von der Form lOl'l «(Sfu) ein (Sfu, so heiSt lOPl ein Satzoperator. - lOl'l «(SfUl) sei kein (Sfu, also ein anderes 2.(fu, etwa 2.(fu.; dann heiSt 2.(fu. eine Kennzeichnungsfunktion oder, wenn es geschlossen ist, eine Kennzeichnung. Eine Kennzeichnung ist hiemach stets ein (Stu. lOl'l heiSt dann ein Kennzeichnungs­operator in 2.(fu.; ist jeder Ausdruck der Form lOl'l «(Sfu) eine Kennzeichnungsfunktion, so heiSt lOl'l ein Kennzeichnungs­operator.

(S1 sei lO1'I!8. «(SfUl); lOl'l ist also ein Satzoperator in (Sl; kommt hierbei 581 in (SfUl frei vor und ist jede Variante von (Sfu1' in bezug auf :01'1 Foige von (S1' so heiSt lOl'l ein .Alloperator in (S1' 1st lO1'l!8, ein .Alloperator in jedem Satz von der Form lO1'l «(Sfu.), wo (Sfu. ein beliebiges (Sfu ist, in dem j81 frei vor­kommt, so heiSt lOl'l ein Allope1'8tor.

j81 komme in (S1 frei vor; ist dann jede Variante (S1 (~~), wo 2.(. ein beliebiger Einsetzungswert fUr freies j81 ist, Foige von (Sl' so sagen wir, es gebe in (S1 Einsetzung fiir freies j81' Gibt es in jedem Satz, in dem j81 frei vorkommt, Einsetzung fiir freies j81' so sagen wir, es gebe (in S) Einsetzung fiir freies j81'

Die vorstehenden Definitionen (von ,j8' ab) sollen dann und nur dann geiten, wenn die foigende Bedingung erfiillt ist: fUr jedes j81 gibt es mindestens ein (S1 derart, daB es entweder Einsetzl1ng fiir freies j81 in (S1 gibt oder daB (S1 die Form lO1'l!8, (<stUl) hat, wobei j81 in <SfUl frei vorkommt und lO1'l ein Alloperator in (S1 ist.

2.(1 heiBt ein Einsetzungswert fiir j81' wenn mindestens eine der folgenden Bedingungen erfiillt ist: 1. in S gibt es Ein­setzung fiir freias j81' und 2.(1 ist ein Einsetzungswert fiir freias j81' - 2. Es gibt in S einen .Alloperator lO1'I!8" und 2.(1 ist ein Ein­setzungswert in bezug auf :01'1'

Kommt j81 in (Sl frei vor, gibt es abel' keine Einsetzung fiir fraies j81 in (Sl> so sagen wir, j81 sei in (Sl konstant (in den iiblichen Spl'achen kommt das nicht vor). 1st j81 konstant in jedem Satz, in dem es frei vorkommt, und gibt es mindestens einen solchen Satz, so nennen wir j81 konstant. 1st a1 ein j8 und (in (Sl

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Einsetzung; Variable und Konstanten. 147

oder allgemein) konstant, 80 nennen wir a l (in ~l oder allgemein) eine Variabelkonstante; ist a1 ein is und in keinem Satz konstant, 80 heiBt a1 eine Variable (0). AIle Zeichen, die is sind, also auch aIle 0, rechnen wir zu den Hauptzeichen. 1st a1 kein 0, (also entweder kein is oder ein is, das in mindestens einem Satz konstant ist), so heiSt a1 eine Konstante (f). 1st f1 ein a~tu, 80

heiBt '1 eine Konstante der Stufe a (al).

~l heiBt offen, wenn es ein iS1 gibt derart, daB iSl in ~1 frei vorkommt und daB es in ~1 Einsetzung fiir freies iS1 gibt; andern­falls geschlossen. 1st ~1 kein~, 80 heiBt ~l offen, wenn es ein iS1

und ~l gibt derart, daB ~1 Teilausdruck von ~1 ist und daB iS1 an einer Stelle in ~1 vorkommt, an der es in ~1 frei ist, und daB es in ~1 Einsetzung fiir freies iS1 gibt; andernfalls geschlossen. - Gibt es in S keine Einsetzung fiirfreie is, so sind aIle ~ ge­schlossen; S heiBt dann eine geschlossene Sprache.

Beispiel einer geschlossenen Sprache: II', S. 143. Man kann leicht eine Sprache ohne Variabelausdriicke

aufstellen; eine solche ist offenbar auch geschlossen. Ein Beispiel ist die Sprache Ik, die in folgender Weise als echte, folgeerhaltende Teil­sprache von I gebildet Wird. Zeichen von h sind die f von 1. Die.8 bzw. 6 von Ik-sind die.8 bzw. 6 ohne \J von 1. Ala Grundsatzschemata bleiben GI 1-3 unverandert, GI4-6 und 11 fallen fort; GI7-1O werden durch folgende ersetzt: 7. .81 = .81' - 8. (.81 = .8a) ::> (61 ::> 6 1 [H:])· - 9. ~ (nu = .81')· - 10. (.81' = .8.') ::> (.81 = .8.). Von den RegeIn bleiben RI 2, 3 unverandert; RI 1,4 fallen fort. Die Definitionen werden nicht in Form von Satzen aufgesteUt, sondern ala syntaktische Bestimmungen iiber Synonymitat. AIle Definitionen in I konnen entsprechend in Ik iibertragen werden. Z. B. tritt an die Stelle von D 3 (S. 51) die Bestimmung: ,,1st ful ,prod', so soIl fU 1 (nu, .8.) fUr beliebiges .8a synonym sein mit nu, und fU1 <.81', .8.) soIl fiir beliebige .81 und .8a synonym sein mit fUa [fu1 <.81' .8.), .8.], wobei fu. ,sum' ist." Einem syntaktischen Satz uber einen offenen Satz von I entspricht ein solcher iiber Satze einer bestimmten Form von Ik. Z. B. entspricht dem Satz ",prod <x, y) = prod (y, x)' ist beweisbar in I" der Satz "Jeder Satz der Form ful (.81' .8a) = fU1 (.8a' .81)' wo fU1 ,prod' ist, ist beweisbar in Ik". In dieser Weise laBt sich die Arithmetik in Ik formulieren. Es ist jedoch zu beachten, daB hierbei nur fur Ik auf ~ verzichtet ist; fiir die Syntaxsprache sind dagegen ~ erforderlich, um die Grundsatze und RegeIn ala allgemeine Bestimmungen formulieren zu konnen.

1st ~1 geschlossen und enthalt kein ~fu (also auch kein ~) als echten Teil, so nennen wir @i l einen elementaren Satz.

10·

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148 Allgemeine Syntax.

In einem elementaren ,8atz kommen keine V, OJ) und ~f

(§ 57) vor. 1st b1 ein fa, so heiBt VI eine Satzvariable (D. Sind alle

Einsetzungswette fiir b1 (in @i1 oder aJ1gemein) jJ!t, so heiBt b1 (in @i1 bzw. allgemein) eine Prii.dikatvariable <j»; sind alle Einsetzungswerte jJ!tm, so heiBt bl ein l'm. Entsprechend fiir ffu: Funktorvaria ble <f, fm). - Alle Einsetzungswerte fiir ~1

(in @i1 oder allgemein) seien Il@5tu; dann heiBt ~1 (in @i1 oder 0.11-gemein) ein a~ (entsprechend: au, aj), af). Ein OU heiSt eine Individualvariable, ein of eine Individualkonstante. -Alle Einsetzungswerte fur ~1 (in @i1 oder allgemein) seien @itu, aber von verschiedenen Stufen; dann heiBt ~1 (in @i1 bzw. 0.11-gemein) ein (a)~, wenn es fiir jedes {J < a ein l' gibt, so daB {J :s: l' < a, und mindestens einer der Einsetzungswerte (in @i1 bzw. allgemein) zur Stufe l' geMrt, aber keiner zur Stufe a oder einer Mheren. [Hierna.ch ist z. B. in dem@ifu jJ!t1(j)1) j)1 dann und nur dann ein (ro)l', wenn jJ!tl ein ~t ist.] - a~l ist nicht not­wendig ein @itu; a~l ist dann und nur dann (in @il oder allgemein) ein @iiu, und zwar ein Il@5tu, wenn ~l (in @i1 bzw. in mindestens Einem @i) frei vorkommt. Ein (a)~ ist kein @iiu.

Beispiele. 1. Die Spraehen I und II. Alle 58 sind b. OU sind die~. Einsetzungswerte fiir freies ,x' sind die 8; Einsetzungs­werte fiir ,x' in bezug auf ,(;J x) 2 (P (x»' sind die 8, die mit ,0', ,1' oder ,2' synonym sind. Jedes p (oder f) ist ein <Stu einer bestimmten Stufe; Werte und Einsetzungswerte sind aIle \lSc (bzw. ~u) desselben Typus. <Sfu sind die <S. Jedes IS ist operabel in bezug auf jeden Operator. Einsetzung fiir freies b: ,P (3)' ist FoIge von ,P (x)'; fiir gebundenes b: ,P (3)' ist Folge von ,(x) 5 (P (x»'. Satzoperatoren sind die All- und die Existenzoperatoren; Kennzeiehnungsoperatoren sind die K-Operatoren. - 2. In Russells Spraehe gibt es erstens Kennzeiehnungen OlStu, zweitens aueh \lSc. Z. B. ist ,a: (P (x»' ein Klassenausdruek, also ein 1\lSc1; es ist eine Kennzeiehnung mit dem Kennzeiehnungsoperator ,z'. Entsprechend ist ,£y' Kennzeiehnungs. operator fiir ein 1 \l3t'.

55. AlI- und Existenzoperatoren. Wir uberlegen zunii.chst in inha.ltlicher Redeweise. Ein

Bereich enthalte m Gegenstii.nde; eine bestimmte Eigenschaft werde durch die Sii.tze @iI' @iI' .. @im je Einem der Gegenstii.nde zugeschrieben. Besagt nun @in mindestens soviel, wie die Sii.tze @i 1

bis @im zusammen, so kann man @in einen zugeh6rigen Allsatz

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All- und Existenzoperatoren. 149

im weiteren Sinne nennen; und zwar einen eigentlichen A1lsa.tz, wenn @i" auch nicht mehr besa.gt als aJIe jene Einzelsii.tze zu­sammen, also genau da.sselbe wie sie. 1st der Allsatz mit einem Alloperator gebildet, so sind die geschl08senen V aria.nten des Operanden die zugehOrigen Einzelsii.tze. Wir definieren deshalb: ein (beschrankter oder unbeschrankter) Alloperator 10131 heiBt ein eigentlicher Alloperator, wenn jeder geschlossene Satz von der Form 10131 (@ifu1) fur beJiebiges @ifu1 Folge von (also gehaltgleich mit) der Klasse der geschlossenen Varianten von @ifu1 in bezug auf 10131 ist; andernfalls ein uneigentlicher Alloperator (wenn es nam1ich einen geschlossenen Satz 10131 (@ifuII) gibt, der nicht Folge der Klasse der geschlossenen Varianten von @ifu:a in bezug auf 10131 ist).

Ein Existenzsatz folgt aus jedem der zugehorigen Einzel­satze. (Inhaltlich gesprochen:) Sein Inhalt ist im Inhalt jedes der Einzelsatze enthalten, also auch in ihrem gemeinsamen Inhalt. Besagt er dabei nicht weniger, also genau diesen gemeinsamen Inhalt, so mag man ihn einen eigentlichen Existenzsatz nennen. Wir definieren deshalb in folgender Weise.

@i1 sei IOp1~. (@iful); 10131 ist also ein Satzoperator in @il; kommt hierbei ~1 in @ifu1 frei vor und ist @il Folge jeder Variante von @ifu1 in bezug auf 10131' so heiSt 10131 ein Existenzoperator in @il. 1st IOpl~. ein Existenzoperator in jedem Satz von der Form 10131 (@ifu.), WO @ifu ll ein beliebiges @ifu ist, in dem ~1 frei vorkommt, so heiSt 10131 ein Existenzoperator. [Diese Definition ist analog zu der fiir ,Alloperator', S. 146.] - 10131 sei ein Existenz­operator. Stimmt der Gehalt jedes geschlossenen Satzes von der Form 10131 (@iful) uberein mit dem Durchschnitt der Gehalte der geschlossenen Varianten von @ifu1 in bezug auf 10131' so heiSt 10131 ein eigentlicher Existenzoperator; andernfalls ein uneigent­Hcher (wenn es nii.mlich einen geschlossenen Satz 101'1 (@ifu.) gibt, dessen Gehalt eine echte Teilklasse des Durchschnittes der Gehalte der geschlossenen Varianten von @ifus in bezug auf 10131 ist).

Beispiele. In den Sprachen von Frege, Russell, Hilbert, Behmann, Godel, Tarski kommen Alloperatoren vor (vgl. § 33); sie haben meist die Form (b). In jeder dieser Sprachen kommen auch Existenzoperatoren vor; in den Sprachen von Russell, Hilbert und Behmann einfache (z. B. mit ,t oder ,E' gebildete), in allen aber solche, die aus Alloperator und zwei Negationszeichen zusammen-

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150 Allgemeine Syntax.

gesetzt sind (80lche nennt man gewohnlich nicht Erlstenzoperatoren). (In II ist z. B. auch ,-«Z) (-' ein Erlstenzoperator.) In den ge­nannten Spra.chen sind die einfa.chen All- und Erlstenzoperatoren unbeschrii.nkt; man kann aber auch beschrii.nkte Operatoren bilden (z. B. ,(z) «z < 3) :>' und ,(;I z) «Z < 3) .'). In den Sprachen I und II gibt es auch beschrinkte Operatoren, die einfa.ch sind, d. h. keinen Teilsatz entha.lten.

Die Alloperatoren mit ~ sind in I und II eigen tlich. Denn es ist nicht nur jeder Satz, also auch jeder geschloBBene Satz von dar Form 4'tl <.8> Folge von <31> (4'tl (31)), 80ndern es ist auch umgekehrt dieser Allsa.tz eine Folge der Kla.BBe jener geschloBBenen Satze (na.ch UF 2, S. 35), also geha.ltgleich mit ihr. In den andern genann ten Sprachen gilt da.gegen das Entsprechende fUr die Alloperatoren mit "b oder mit ~ nicht (fa.lls nicht die neue Hilbertsche Regel aufgestellt wild, vgl. S. 126); diese Operatoren sind daher uneigentlich.

Die All- und Erlstenzoperatoren hoherer Stufe, :to h. mit ~ (oder f) sind anscheinend in den meisten Spra.chen uneigentlich. FUr die frUheren Spra.chen ergibt mch da.s aus dem gleichen Grunde wie vorhin, nimlich aus dem Fehien indefiniter Umformungs­bestimmungen. FUr II gilt es aus einem andern Grunde. Wir be­schrinken una der Einfa.chheit ha.lber auf die logische Teilsprache III von II. Das l4'tl 4't, von III bezeichne (inha.ltlich gesprochen) eine Eigenschaft, die a.llen in II, definierbaren Zahleigenscha.ften zu­kommt, dagegen nicht a.llen in II, nicht definierbaren Za.hleigen-8cha.ften (vgl. S. 89). Dann ist (4'1) (4'tl (4'1» kontradiktorisch; die Kla.BBe a.ller geschloBBenen Varianten des Operanden ist aber ana­lytisch; daher kann jener kontradiktorische Satz nicht Folge von ihr sein. Ferner ist unter den gleichen Voraussetzungen <;;I 4'1) (- ~1(4'I» ana.lytisch; alle geschloBBenen Varianten des Operanden sind bier kontradiktorisch; der Geha.lt des Erlstenzsatzes ist leer, der Durch­schnitt der Geha.lte der Varianten ist der Gesamtgeha.lt; also ist jener eine echte Teilkla.BBe von diesem.

!a1 stehe an einer bestimmten Stelle in iS1 entweder frei oder durch ()l'1 gebunden. ~1 sei im ersten Fall die Kla.sse der Einsetzungswerte fur freies !a1, im zweiten Fall die Kla.sse der Einsetzungswerte fiir !a1 in bezug auf Ol'1' ~1 sei eingeteilt in die groBten (nicht-Ieeren) Teilkla.ssen untereinander synonymer Aus­driicke. Die Anzahl dieser Teilkla.ssen nennen wir die Varia b iIi­titszahl von !a1 an der betreffenden Stelle in @i1i bei endlicher bzw. unendlicher Anzahl sprechen wir von endlicher bzw. unendlicher Variabilitiit. Wir sagen, !a1 habe an einer bestimmten Stelle in iS1 unendl~che Allgemeinheit, wenn !a1 dort unendliche Varia.bilitit hat und dort entweder frei oder durch Alloperator gebunden ist.

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Spielraum. 151

Beispiele. ,x' hat in ,(;I x) 5 (P (:1:»' die Variabiliti:i.tszahl 6, in ,P (:1:)' und in ,(X) (P (:1:»' unendliche Variabilitiit und unendliche Allgemeinheit. - In einem Satzkalkiil der iiblichen Form, mit nur freien f, ohne Konstanten fa, ist jeder Satz entweder analytisch oder kontradiktorisch. Bier hat daher jedes f die Variabilitiitszahl 2. Dasselbe gilt auch noch, wenn man All- und Existenzoperatoren einfiihrt; die f sind dann unbeschrinkt gebunden, haben aber nur endliche Variabilitiit.

Wir nennen ~1 eine groBte definite Ausdrucksklasse, wenn die folgenden Bedingungen erfiillt sind. 1. Fiir jedes ~1 von ~1 gibt es einen Satz, der zerlegbar ist in Ausdriicke von ~1' von denen einer ~1 ist. 2. 1st @i1 determiniert und zerlegbar in Aus­driicke von ~1 und enthii.lt @i1 keinen Ausdruck mit unendlicher Variabilitii.t, so ist @i1 entscheidbar. 3. ~1 ist nicht echte Teil­klasse einer Ausdrucksklasse, die ebenfalls die Bedingungen (l) und (2) erfiillt. Den Durchschnitt ~Il aller groBten definiten Aus­drucksklassen von S nennen wir die definite Ausdrucksklasse von S. @i1 heiBt definit, wenn @i1 zerlegbar ist in Ausdriicke von ~Il und keinen Ausdruck mit unendlicher Variabilitii.t enthii.1t; andern­falls indefinit. [Die hiermit definierten Begriffe ,definite und ,indefinite sind selbst indefinit. Wir haben friiher in der Syntax von I und II definite Begriffe ,definite und ,indefinit' definiert; derartige Definitionen konnen (wenn sie einigermaBen das Gemeinte treffen sollen) wohl kaum allgemein aufgestellt werden, sondern nur jeweils fiir bestimmte Sprachen. Die hier definierten Begriffe ,definit' und ,indefinit' werden im folgenden nicht verwendet. -Kommt in der alIgemeinen Syntax das Wort ,definit' (oder ,indefinit') in bezug auf die Syntaxsprache vor (wie z. B. S. 124), so denke man dabei etwa Sprache II (oder eine ii.hnliche) als Syntaxsprache und nehme die friihere Definition fiir ,definite (§ 15).]

56. Spielraum. Wir haben ~1 vollstii.ndig genannt, wenn jeder Satz ab­

hii.ngig von ~1 ist. Ein vollstii.ndiges ~ lii.Bt sozusagen keine Frage offen, jeder Satz wird bejaht oder verneint (aber im allgemeinen nicht nach definitem Verfahren). 1st ~1 widergiiltig, so ist ~1 in trivialer Weise vollstii.ndig: jeder Satz wird bejaht und zugleich verneint. Wir wollen nun ~1 eine Grundklasse nennen, wenn ~1 vollstii.ndig, aber nicht widergiiltig ist, und wenn as keine voU-

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162 Allgemeine Syntax.

stii.ndige Klasse gibt, die e(lhte Teilklasse von st1 oder gehalt. schwacher aJs st1 ist.

Satz 56'1. a) 1st S inkonsistent (§59), 80 gibt es in S keine Gnmdklassen. - b) 1st S konsistent und logiscb, 80 ist die leere Sa.tzkla.sse die einzige Gnmdklasse. - c) 1st S deskriptiv (und daher konsistent), 80 ist jede Grundklasse nieht.leer und indeter. miniert und jeder ihrer Sitze ist indeterminiert.

Satz 56'2. Zwei verschiedene Grundklassen sind stets un· vertriglieh miteina.nder.

Bei inhalt1icher Deutung stellt jede nieht·leere Grnndkla.sse einen der mOgliehen Zustii.nde des in S OOha.ndelten Gegensta.nds. OOreiehes dar. st1 heiSt eine Grundklasse von st. - 80 genannt ala Korrela.t zu ,Folgekla.sse' -; wenn st1 eine Grundklasse ist und st. Folgekla.sse von st1 ist. DaB st1 eine Grundklasse von ®l ist, bes&gt OOi inhaltlieher Deutung:st1 ist einer der mogliehen FiiJIe, in denen ®l wahr ist. Unter einem Spielraum verstehen wir eine Klasse BRl von Grundklassen derart, daB jede mit einer Grundklasse von BRl gehaltgleiehe K1asse aueh zu BRl gehort. Unter dem Spielraum von st1 verstehen wir die Kla.sse der Grundkla.ssen von st1. DaB BRl der Spie1raum von ®l ist, besagt OOi inhaltlieher Deutung: BRl ist die K1asse aller mOgliehen Fii.lle, in denen ®l wahr ist; mit anderen Worten: der Bereich von Mag. liehkeiten, den ®l offenlii.Bt.

Hierin liegt der AnlaB sur Wahl des Terminus ,Spielraum'; wir wihlen ihn in Anlebnung an Wittgenstein [Tractatus] 98: "Die Wahrheitsbedingungen bestimmen den Spielraum, der den Tat. aachen durch den Satz ge1&ssen wird"; W. gibt jedoch keme syn· t&ktische Definition.

Unter dem Gesamtspielraum verstehen wir die Kla.sse a.ller Grundklassen.

Die Begriffe ,Spielraum' und ,Gehalt' weisen in gewisser Hinsieht eine Dualita.t auf, wie z. B. die folgenden Sitze 3 bis 6 zeigen, die in Aru!J.ogie zu 49'1,2,4,5 stehen, femer die Sii.tze 8 und 9.

Satz 56'3. 1st st. Folgeklasse von st1, 80 ist der Spielraum von st1 enthalten in dem von st.; und umgekehrt.

Satz 56-4. Sind st1 und st. Folgeklassen voneina.nder, 80

haOOn sie denselOOn Spielraum; und umgekehrt. Satz 56'5. Ist st1 giiltig, 80 ist der Spielraum von St1 der

Gesamtspielraum; und umgekehrt.

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Satzverkniipfungen. 153

Satz 56-6_ 1st ~l widergiiltig, so ist der Spielraum von ~1 leer; und umgekehrt_

Die Sii.tze 3 bis 6 gelten entsprechend fiir @i1 und @ill'

Satz 56'7. a) Der Spielraum von ~l + ~2 ist der Durchschnitt der Spielraume von ~l und ~2- - b) Der Spielraum von ~l ist der Durchschnitt der Spielraume der einzelnen Sii.tze von ~l'

Satz 56-S_ 1st der Spielraum von ~l enthalten in dem von ~2' so ist der Gehalt von ~1II enthalten in dem von ~l; und um­gekehrt. - Nach Satz 56-3. 49-l.

Satz 56-9. Haben ~l und ~2 denselben Spielraum, so auch denselben Gehalt; und umgekehrt.

Unter dem Erginzungsspielraum von ~l verstehen wir die Klasse der Grundklassen, die nicht Grundklassen von ~l sind. Der Erganzungsspielraum von ~l ist stets auch ein Spielraum, a.ber nicht stets Spielraum eines ~. 1st der Erganzungsspielraum von ~l Spielraum von ~ll' so nennen wir ~z eine Kontraklasse zu ~l- Entsprechend heillt @is ein Kontrasatz zu @iI' wenn {@ill}

eine Kontraklasse zu {@il} ist. 1st @is ein Kontrasatz zu @iI' so auch @i1 zu @ill' 1st @ill ein Kontrasatz zu @iI' so ist bei inhaltlicher Deutung @is in allen und nur den moglichen Fallen wahr, in denen @il falsch ist; @ill besagt somit das Gegenteil von @il' Gibt es in S keine Negation, so kann man als Ersatz fiir --@i l einen Kontrasatz zu @i1 oder eine Kontraklasse zu @il nehmen. FaUs es beides nicht gibt, so gibt es zwar keinen Ersatz fiir -- @)l>

wohl aber einen Ersatz fiir den Spielraum von '" @iI' nii.mlich den Ergii.nzungsspielraum von @i l ; es gibt stets genau Einen solchen. - Die Begriffe ,Spielraum' und ,Ergii.nzungsspielraum' werden uns die Moglichkeit geben, die einzelnen Satzver­kniipfungen zu charakterisieren.

57. Satzverknilpfungen. Gibt.es einen Vollsatz @il von @ig~, in dem aIle n Argumente

@) sind, so heiSt @ig~ eine n-stellige Satzverkniipfung in @iI­

Bildet @ig~ mit n beliebigen Sii.tzen als Argumenten einen Voll­satz, so heiSt @ig~ eine n-stellige Satzverkniipfung (mr, mrn)_ 1st @i9~ zusammengesetzt aus ~r~ und unter Umstii.nden Neben­zeichen, so heillt ~r~ ein n-stelliger Satz-Prii.dikatausdruck; ist 01 ein Satz-Prii.dikatausdruck, so heiSt 01 ein Satzprii.dikat oder

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154 Allgemeine Syntax.

ein Verkniipfungszeichen (uf, Urn). Ein Urn ist hiernach ein IVtn, zu dem Satze aJs Argumente passen.

Um die Definitionen bestimmter Verkniipfungsarten vorzu­bereiten, wollen wir eine "Oberlegung anstellen, die sich an das Verfahren der Werttafeln anlehnt (vgl. § 5), aber nicht voraus­setzt, daB Seine Negation enthalt. Betrachten wir eine Werttafel etwa fiir drei Glieder @51, @5., @5a; hier lautet die zweite Zelle: ,WWF'; dem hierdurch bezeichneten Fall entspricht der Satz €51 • @5s' ~ @5s' @5,seiirgendein Verkniipfungssatz !8r: (@51, @5., @5a). FUr diesen werde die Kolonne in der Werttafel aufgestellt; sie ist in der zweiten Zelle entweder mit ,W' oder mit ,F' besetzt. ,W' wiirde besageu, daB @5, im zweiten Fall wahr ist, daB also @5, Folge von @51 • @5 •• '" @5a ist; ,F' wiirde besagen, daB @5, im zweiten Fall fa1sch ist, daB also '" @5, Folge von @51 • @5 •• '" @5a ist. Diese Beziehungen wollen wir jetzt ohne Verwendung der Negation ausdriicken; das ist mit Hilfe der Spielraume moglich. Wir wollen (nur bier) den Spielraum von @51 mit ,[@5 11' bezeichnen, den Er­ganzungsspielraum von @51 mit ,- [@511'. @51 • @5. hat denselben Gehalt, also nach Satz 56'9 auch denselben Spielraum wie {@51, @5.}. Daher ist [@51 • @5.) nach Satz' 56'7 b der Durchschnitt von [@51] und [@5sl. Den Spielraum von '" @5a ersetzen wir durch - [@5a); also ersetzen wir [@51 • @5 •• '" @5al durch den Durchschnitt der Klassen [@51], [@5z), - [@5s]' DaB @5, (bzw. ",@5,) Folge jener Konjunktion ist, driickt sich (nach Satz 56'3) dadurch aus, daB [€51 • @5 11 • '" @5al in [@5,] (bzw. in - [@5,]) enthalten ist. Auf 'Grund dieser "Oberlegungen stellen wir die folgenden Definitionen auf.

@51, @5., ' ,@5,. seien n geschlossene 8atze. Wir bllden (ent. sprechend den Zellen der Werttafel) die m (= 2n) moglichen Reihen m1, "m", von je n Spielraumen, wobei jeweils der i-te Spielraum (i = 1 bis n) [@5,) oder - (@5,) ist. Die Indizes der m seien nach einer gewissermaBen lexikographischen Anordnung der Spielraume bestimmt: stimmen mAo und m, in den ersten i-I Reihengliedern (Spielraumen) iiberein, wahrend das i-te GUed von m" [@5i] und von m, - [@5;l ist, so soIl m" vor m, stehen, d. h, Ie < l genommen werden. Nun bllden wir eine Reihe von m Spielraumen BR1, "BR,.. (die ebenfalls den Zellen, und zwar den Konjunktionen entsprechen) derart, daB fUr jedes Ie (1c = 1 bis m) mAo der Durchschnitt der Spielra.ume der Reihe mAo ist. 1st fiir ein bestimmtes !8r~ und fiir ein be-

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Satzverknupfungen. 155

stimmtes Ie (1 S;; Ie :S: m) fiir n beIiebige gesehlossene Satze ®l' .. ®,. die (in der vorher beschriebenen Weise fiir ®l' .. ®,. gebildete) Klasse IDlk stets Teilklasse von oml (®l' .. ® .. )], so sagen wir, der Ie·te eharakteristische Buehstabe fur mfl sei ,W'. 1st dagegen fiir beIiebige gesehlossene ®l' .. ®,. mAo stets. Teil. klasse von - [mfl (®l' .. ®,.)], so sagen wir, der Ie-te eharakte. ristisehe Buchstabe fur mf l sei ,F'. 1st keine der beiden Be­dingungen erfiillt, so besitzt mfl keinen Ie-ten eharakteristisehen Buehstaben. Besitzt mf l fiir jedes Ie (Ie = 1 bis m) einen eharak­teristischen Buehstaben, so nennen wir die Reihe dieser m Bueh­staben die Charakteristik fiir mfl' - ®l' .. ®,. seien n beIiebige gesehlossene Satze; ml , •• mm seien die aus ihnen in der ange· gebenen Weise gebildeten Spielraume. Dann gehOrt jede Grund. klasse von S zu genau Einem dieser IDl. FUr irgend ein mf~, das eine Charakteristik besitzt, ist [mfl (®l' .. ®,.)] die Vereinigung derjenigen mAo, fUr die der Ie-te eharakteristisehe Buehstabe ,we ist. - FUr die mfn gibt es 21ln mogIiehe Ch~rakteristiken.

Mit Hille der Charakteristik konnen wir jetzt die verschiedenen speziellen Verknupfungsarten definieren; wir beschrii.nken uns hier auf die wichtigsten. Ein mIl mit der Charakteristik ,FW' nennen wir eine eigentliehe Negation. Ein mrz mit der Charakteristik ,WWWF' (bzw. ,WFFF', ,WFWW', ,WFFW', ,]'WW]") nen­nen wir eine eigentliehe Disjunktion (bzw. Konjunktion, Implikation, Xquivalenz, trennende Disjunktion).

1st mf! (®l) fur jedes ®l unvertrii.gIieh mit ®l' so nennen wir mfl eine Negation. Wir nennen mf~ eine Disj unktion, wenn fUr beIiebige ®l und ®z stets mfll (®l' ®.) Folge von ®l und Folge von ®z ist. Wir nennen mf~ eine Konj unktion, wenn fiir beIiebige ~l und ®z stets ®l und ®z Folgen von mfs (®l' ®.) sind. Wir nennen mf! eine Implikation, wenn fUr beIiebige ®l und ®a stets ®. Folge von {®l' mf. (®l' ®.>} ist. 1st eine Verknupfung dieser Arten keine eigentliehe, so nennen wir sie eine uneigent­liehe. Gibt es zu einer der genannten Verknupfungen ein Ver­knupfungszeichen, so nennen wir es ein (eigentIiehes oder uneigentliehes) N ega tionsz eiehen bzw. Disjunktionszeiehen usw.

Satz 57'1. 1st mIl eine Negation, so ist fiir beliebiges ®l jeder Satz Folge von {®l' mfl (®l>}. - Die genannte Klasse ist widergiiltig.

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156 Allgemeine Syntax.

Satz 57'2. 1st ~f1 eine eigentliche Negation, ~f. eine eigent­liche Disjunktion, ~f8 eine eigentliche Konjunktion, so gilt fiir beliebiges @l1: a) ist @l1 geschlossen, so ist ~f1 (@l1) ein Kontrasatz zu @l1' - b) ~f1 (~f1 (@l1» ist gehaltgleich mit @l1' - c) ~f. (~f1 (@l1), @l1) ist giiltig. - d) ~f3 (~f1 (@l1), @l1) ist widergiiltig. -Nach b), c), d) gelten die Prinzipien der traditionellen Logik von der doppelten Negation, vom ausgeschlossenen Dritten und vom Widerspruch in jeder Sprache S fiir die eigentlichen Verkniipfungen, falls solche in S vorkommen.

Satz 57'3. a) Verkniipfungen mit derselben Charakte­ristik sind umfangsgleich. - b) Hat ~f1 eine Charakteristik und ist ~fl umfangsgleich mit ~f1' so hat ~fl dieselbe Charakteristik. -Zu a. Haben zwei Verkniipfungen dieselbe Charakteristik, so haben zwei Vol1sa.tze mit gleichen Argumenten denselben Spiel­raum, also auch (nach Satz 56'9) denselben Gehalt.

Beispiele. Die als ,Nega.tion' oder ,Verneinung' bezeiehneten Verknupfungen in den meisten Systemen (z. B. in denen von Frege, Russell, Hilbert, in unseren Spraehen I und II) sind N ega.tionen im bier definierten Sinne. In I ist ,- Prim (w)' nieht Kontrasatz zu ,Prim (w)'; beide Sitze sind kontradiktoriseh, ihr Spielraum ist daher leer.' Trotzdem ist ,- - Prim (w)' gehaltgleieh und spielraumgleieh mit ,Prim (w)'. Ist, Q' ein undefinierteB ~rb, so gibt es in II einen Kontr~tz zu , Q (W)', namlieh .- (w) (Q (W»'. In I gibt es dagegen weder einen Kontrasatz noeh eine Kontra.kla.sse zu ,Q (w)', wohl aber einen Erginzungsspielraum.

In den Systemen von Russell, Hilbert und in unseren Spraehen I. II ist ,v' ein eigentliehes Disjunktionszeiehen. Bei Hilbert ist aueh die aus drei leeren Ausdr'iieken bestehende Verknupfung eine eigentliehe Disjunktion (151 15. ist geha.ltgleieh mit 151 v 15.). Die aus den Wortern ,entweder' und ,oder' (ill ist leer) bestehende Aus­drueksreihe der deutsehen Spraehe (und ebenso ,aut', ,aut' in der la.teini86hen Spraehe) ist eine eigentliehe trennende Disjunktion. Die Zeiehen ,&' bei Hilbert, ,.' in I und II und bei Russell (bei diesem auBerdem die mehrfaehen Punktzeiehen) sind eigentliehe Konjunktionueiehen. Bei Russell und in I und II ist .:)'. bei Hilbert ,~' ein eigentliehes Implikationszeiehen.

Bei Russell, Hilbert und den Spraehen I und II haben al1e l)! eine Charakteristik. Bej, Heyting und Lewis kommen aueh l)! ohne Charakteristik vor. Z. B. ist daB Nega.tionszeiehen von Hey­ting (wir wollen es bier ,-' 86hreiben) ein uneigentliehes Ne­gationszeiehen ohne Charakteristik. 151 und - 151 sind zwar stets unvertriglieh miteinander, aber -151 ist im allgemeinen kein Kontrasatz zu 151, Wahrend Kontrasatze stets geha.ltfremd zu­einander sind, besitzen 151 und -151 die gemeinBame Folge 151 v -151•

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Arithmetik. 157

die im ailgemeinen nioht gfiltig, sondern indeterminiert ist. - -61

ist im allgemeinen nioht gehaltgleioh mit 61" Bei Lewis ist das Zeiohen fUr striot implioation ein uneigentliohes Implikations­zeiohen ohne Charakteristik (vgl. § 69). CUber die Intensionali­tat der III ohne Charakteristik vgl. § 65.)

Ol'li8, sei ein Alloperator, Ol'2~, ein Existenzoperator; die Einsetzungswerte fUr lUI seien dieselben in hezug auf Ol'1 wie in bezug auf 0l'1; lUll sei eine N ega tion. Wir nennen Ol'l' Ol'z und lUll zusammengehorig, wenn fiir jedes @lful' das in bezug auf Ol'l und Ol's operabel ist, lUll (Ol'l (@lful» gehaltgleich ist mit Ol'lI (lUll (@lfu!». Sind sowohl die heiden Operatoren wie die Negation eigentlich, so sind sie auch zusammengehorig.

Beispiel. In II sind <1'1) und <;I 1'1) zwar uneigentlioh; aber diese Operatoren und ,-' sind zusammengehOrig, da - <1'1) (6ful) stets gehaltgleioh mit <;I 1'1) (- 6ful) ist.

c) Arithmetik; Widerspruchsfreiheit. 58. Arithmetik.

~o sei ein a@ltu, tJul sei ein a+ltJu1 ; ml sei die in folgender Weise gebildete unendliche Reihe von Ausdriicken: das erste Glied ist ~o, fUr jedes n ist das (n + l)-te Glied der Vollausdruck von tJUl mit dem n-ten Glied als Argument. ml hat also die Form ~o; tJud~o); tJut<tJud~o»; ... ~n; tJud~n);· •. Sind nun je zwei verschiedene Ausdriicke von ml gattungsgleich (also jeder ein "@ltu), aber nicht synonym, so nennen wir ml eine Zahl­ausdruck-Reihe oder .8-Reihe. Die Ausdriicke von ml und die mit ihnen synonymen nennen wir Zahlausdriicke (.8) von mi. Die mit ~o synonymen.8 nennen wir Null-Ausdriicke oder 0-.8 von m1 ; die mit tJUl (~o) synonymen nennen wir 1-.8 von m1 usf. Ein mit tJUl (.81) synonymes.8 nennen wir einen Nachfolger­ausdruck von .81. [Diese und die folgenden Begriffe beziehen sich jeweils auf eine bestimmte .8.Reihe m1 ; den Zusatz "von ml" oder "in bezug auf ml " bei den definierten Wortern und Fraktur­zeichen lassen wir der Kiirze wegen gewohalich fort.]

1st al ein .8; so hei.St es ein Zahlzeichen (33). 1st a1 ein 0-.8, so heiBt es ein Nullzeichen (nu). - lUI heiSt ein Zahl-lU, wenn die .8 zu den Einsetzungswerten fUr lUI gehOren. 1st tll ein Zahl-lU, so heillt tll eine Zahlvariable (3).

Gibt es fiir @lg~ (bzw. ~t~) einen Vollsatz mit nur.8 alsArgu-

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158 Allgemeine Syntax.

menten, so heiBt @i91 (bzw. ~tl) ein Zahl-@ig (bzw. -~t). Gibt as fiir 5u~ einen Volla.usdruck derart, daB dieser selbst und aJIe Argumente .8 sind, so heiBt 5Ul ein Zahl-iju. 1st ~tl (bzw. fUl) ein Za.hl-~t (bzw. -iju), so heiBt l'tl (bzw. fu1) ein Zahlpriidikat (3l't) bzw. Zahlfunktor (3fu).

@ig~ (bzw. ~t~) heiBt ein Summen-@ig (bzw. -~t) fUr die k-te Stelle (k = 1,2 oder 3), wenn fUr beliebige m und n folgendas gilt: ist .81 ein m-.8, .8. ein n-.8 und .8a ein (m + n)-.8, so ist der Vol1S!Ltz von @ig1 (bzw. ~tl)' in dem .8a k-tes Argument und .81 und .8. die beiden andern Argumente sind, giiltig. 5u~ heiBt ein Summen-5u, wenn iju1 ein Zahl-iju ist und fiir beliebige m und n gilt: ist .81 ein m-.8 und .8. ein n-.8, so ist 5u1 (.81' .8.) ein (m + n)-.8. - Analog sind zu definieren ,Produkt-@ig', ,-~t',

,-5u', wobei .8a bzw. 5U1 (.81' .8.) ein (m. n)-.8 ist. - 1st 3l'tl ein Summen-~t (bzw. Produkt-~t), so heiBt 3l'tl ein Summen­prii.dikat (bzw. Produktprii.dikat). 1st 3ful ein Summen-5u (bzw. Produkt-iju), so heiBt 3ful ein Summenfunktor (bzw. Produktfunktor). - Man erkennt leicht, daB sich in ii.hiilicher Weise aJIe sonstigen arithmetiBchen BegriHe, die in der in S enthal. tenen Arithmetik vorkommen, syntaktiBch charakterisieren lassen; d. h. as lassen sich die Arten derjenigen @ig, ~t oder 5u defi­nieren, denen eine bestimmte arithmetiBche Bedeutungzukommt. Wir wollen una hier mit den vorstehenden Beispielen begniigen.

Wir sagen, S enthaJte eine Arithmetik, wenn es in S min· destens eine .8.Reihe m1 und ein Summen-@ig und ein Produkt.@ig in bezug auf m1 gibt. - S enthalte eine Arithmetik in bezug auf m1. Gibt es ein @i1 und 581 derart, daB as zu jedem .8 von m1 einen synonymen Einsetzungswert fiir 581 in @i1 gibt und daB 581 in @i1 unendliche Allgemeinheit hat, so sagen wir, S enthalte eine generelle Arithmetik (in bezug auf m1) .

.81 und .81 heiBen ent&prechende .8 in m1 und 91., wenn as ein n gibt derart, daB .81 ein n-.8 von m1 und.8. ein n-.8 von mil ist. Hierbei konnen m1 und m. auch verschiedenen Stufen angehoren, ja sogar auch verschiedenen Spra.chen. Wir sagen, zwei Zahl-@ign (oder zwei Zahl-~tn) (in einer oder zwei Spra.chen) haben ent­sprechenden Umfang, wenn je zwei Vollsii.tze mit ent· sprechenden .8 als Argumenten entweder beide giiltig oder beide widergiiltig sind.

Gibt as in Seine Arithmetik, so gibt es in jedem Fall Aus-

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Widerspruchsfreiheit und Vollstandigkeit einer Sprache. 159

driicke, die sich als Bezeichnungen reeller Zahlen deuten lassen, nii.m.lich die Zahl-@igl; ferner kann es Zahl-~tl und Zahl-tju1,

deren Vollausdriicke .8 sind, geben (vgl. § 39). Wir wollen 581

ein 58 fiir reelle Zahlen nennen, wenn es unendlich viele Zahl-~tl (oder Zahl-~ul der genannten Art) gibt, die zu den Einsetzungs­werten fiir 581 gehoren. 1st 581 ein 58 fiir reelle Zahlen und hat 581 in @il unendliche Allgemeinheit, so nennen wir @i1 einen all­gemeinen Satz iiber reelle Zahlen. - Die arithmetische Gleichheit zweier reeller Zahlen, die dargestellt sind durch zwei @igl (oder zwei ~tl) in bezug auf dieselbe .8-Reihe 911, wird syntak­tisch erfaBt durch die Umfangsgleichheit der beiden @ig (bzw. ~t) (bei ~u durch Gleichheit des Wertverlaufes); handelt es sich um verschiedene 911 und 912, die auch verschiedenen Sprachen an­gehOren konnen, so wird die arithmetische Gleichheit erfaBt durch die Umfangsentsprechung. Auf diese Weise konnen reelle Zahlen verschiedener Sprachen miteinander verglichen werden; ein Ausdruck kann als Ausdruck einer bestimmten reellen Zahl (z. B. ,3t-Ausdruck in bezug auf 911') charakterisiert werden. -Man erkennt leicht, wie sich syntaktisch bestimmen lli.Bt, ob eine Analysis und eine Funktionentheorie engeren oder weiteren Umfanges in S enthalten ist. Rier soIl darauf nicht nli.her ein­gegangen werden.

Beispiele. 1. Sprache I. .8-Reihen sind z. B. folgende Reihen. ml : ,0', ,0", ,0"', ... ; ml : ,0', ,0"', ,0""', ... ; ma: ,3', ,3", ... ; m,: ,0', ,nf (0)', ,nf (nf (0»', ... ; m6: ,3', ,fak (3)', ,fak (fak (3»', .... Die fU von I sind Dfu in bezug auf jede dieser Reihen; ferner ist aber auch ," ein afu in bezug auf jede dieser Reihen, und zwar reihebildendes afu in ml. ,sum' ist ein Summen-fu, ,prod' ein Produkt-fu. I enthiHt eine generelle Arithmetik, da es Satze mit freien D gibt. Reelle Zahlen konnen in I durch pt! oder fu J dargestellt werden; es gibt jedoch keine j8 fUr reelle Zahlen und keine \Pt fiir reelle Argumente.

2. Sprache II (vgl. § 39). Die genannten Reihen ml , ••• ml

sind auch bier .8-Reihen; bier gibt es jedoch auch ganz andersartige.­Die apt konnen ala pt fiir reelle Zahlen verwendet werden. Da es lV, IV und If mit unendlicher Allgemeinheit gibt, so gibt es allgemeine Satze fiber reelle Za.hlen und fiber Funktionen reeller Zahlen usf.

59. Widerspruchsfreiheit und Vollstiindigkeit einer Sprache.

S heiBt (a-inkonsistent oder) widerspruchsvoll, wenn jeder Satz von S beweisbar ist; andernfalls (a-konsistent oder) wider-

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160 Allgemeine Syntax.

spruebsfrei. Diesen a-Begriffen entsprechen die folgenden f-Be­griffe. S heiBt inkonsistent, wenn jeder Satz von S giiltig ist; andernfalls konsistent. - 1st die L-Teilsprache von S wider­spruchsvoll (bzw. widerspruchsfrei, inkonsistent, konsistent), so nennen wir S L-widerspruchsvoll (bzw. L- ... ). Die Verhalt­nisse zwischen den definierten a-, f- und L-Begriffen sind aus den Pfeilen in der Tabelle S. 162 zu ersehen.

Satz 59-I. 1st S widerspruchsvoll (bzw. inkonsistent), 80

ist jedes ~ und jedes 6 zugleich beweisbar u~d widerlegbar (bzw. giiltig und widergiiltig); es gibt kein unentscheidbares (bzw. indeterminiertes) ~ oder @S.

Satz 59'2. Gibt es in S ein ~ oder @S, das nicht-beweisbar (bzw. nicht-giiltig) oder nicht-widerlegbar (bzw. nicht-wider­giiltig) ist, 80 ist S widerspruchsfrei (bzw. konsistent). - Aus Satz 1.

Satz 59'3. Gibt es in S ein ~ oder @S, das zugleich beweisbar und widerlegbar (bzw. giiltig und widergiiltig) ist, 80 ist S wider­spruchsvoll (bzw. inkonsistent); und umgekehrt.

Satz 59'4. Enthalt S den iiblichen Satzkalkiil (mit der Nega­tion ,,....,'), so ist in S aus 6 1 und ,...., 6 1 jeder Satz ableitbar. -In I und II ergibt sich dies mit Hilfe von GI I bzw. GIl 1.

Sa tz 59-5. Enthalt S den iiblichen Satzkalkiil, 80 ist S dann und nur dann widerspruchsvoll, wenn es ein 6 1 gibt derart, daB 6 1 und ,...., 6 1 in S beweisbar sind. - Aus Satz 4.

Satz 59'6. Enthalt Seine Negation }811' so ist S dann und nur dann inkonsistent, wenn es ein 6 1 gibt derart, daB @S1 und }8f1 (61 ) in S giiltig sind. - Aus Satz 57-I.

Die Definitionen fiir ,widerspruchsvoll' und ,widerspruchs­frei' entsprechen, wie Satz 5 zeigt, dem iiblichen Sprachgebrauch, ohne aber die Negation vorauszusetzen (vgl. Tarski [Metho­dologie] I, 27f., Post [Introduction]).

Eine widerspruchsfreie Sprache kana doch noch inkonsistent sein. Sie enthalt dann zwar keinen Widerspruch zwischen emzelnen Satzen, wohl aber zwischen Satzklassen. Wir fUhren deshalb den engeren Begriff ,konsistent' ein; er kommt nur Sprachen zu, die keinerlei Widerspruch enthalten.

Satz 59'7. 1st S inkonsistent oder widerspruchsvoll, 80 gilt: a) Je zwei Sii.tze von S sind gehaltgleich. - b) Je zwei gattungs­gleiche Ausdriicke von S sind synonym.

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Widerspruchafreibeit und Vollstii.ndigkeit einer Spraehe. 161

Satz 59·S. 1st S inkonsistent oder widerspruchsvoll, 80 ent­halt S keine .8-Reihe, also auch keine Arithmetik. - Aus Satz 7b; verschiedene Glieder einer .8-Reihe sind nicht-synonym.

Beispiel einer widerspruchsfreien, aber inkonsistenten Spraehe. 6ful sei ,[(:1: > 0) • (1/ > 0) • (z > 0) • (u > 2)] => (:I:" + 1/'" =+ zU)'. 6 1 sei () (6ful)' also der Fermatsehe Satz. In S sei jede ge­schlossene logische Va.ria.nte von 6ful beweisbar (also fUr jedes einzelne Zahlenquadrupel die Fermatsehe Eigenschaft). 6 1 selbst sei zwar nicht beweisbar, aber analytiseh; S enthalte namlich eine indefinite Bestimmung analog UF 2 (S.35), auf Grund deren 6 1 unmittelba.re Folge der Klasse jener Varianten ist. Ferner aber sei in S der Satz - 6 1 (obwohl er vielleicht in der klassisehen Mathe· matik kontradiktoriBCh ist) beweisbar (z. B. als Grundsatz aufgestellt, unter Streichung anderer, etwa mit ibm a.unvertraglicher Satze). Dann ist S inkonsistent (und zwar L.inkonsistent). Dabei kann aber S widerspruchsfrei sein, d& ja 6 1 und - 6 1 nicht beide bewQisbar sind. Es besteht zwar kein a· Widerspruch, aber ein f· Widerspruch, namlich zwischen der Klasse jener Varianten und - 6 1• Dieser f.Widerspruch ist offenkundig bei der iiblichen inhaltlichen Deutung: der beweisbare Satz - 6 1 besagt, daB nicht alle Zahlenquadrupel die Fermatsehe Eigensehaft haben, wahrend fUr jedes Zahlen. quadrupel eine beweisbare Variante vorliegt, die besagt, daB dieses Quadrupel die Fermatsehe Eigenschaft habe. Aber der f·Wider­spruch, die Inkonsistenz, besteht auch rein formal, ohne Riicksicht auf inhaltliche Deutung: die Klasse, die aus jenen Varianten und - 6 1 besteht, enthaIt nur beweisbare Satze, ist aber kontradiktorisch, d. h. jeder Satz ist Folge von ihr; daher ist jeder Satz von S zugleich analytisch und kontradiktorisch.

FUr solche Spraehen, die keine andern 11 haben als die~, ent· spricht unser Begriff ,konsistent' dem Begriff ,w.widerspruchs­frei' von Gode} [Unentscheidbare] 187; vgl. auch Tarski [Wider­spruchsfr. ].

Die Sprache S heiBt vollstiindig (bzw. a-vollstandig), wenn die leere Satzklasse (und daher nach Satz 4S·8 jedes Sf) vollstandig (bzw. a-vollstandig) ist; andemfalls unvollstandig (bzw. a-unvollstandig). - Die Sprache S heiSt determiniert (bzw. entseheidbar), wenn jedes Sf (und daher auch jedes @) in S deter­miniert (bzw. entseheidbar) ist; andernfalls indeterminiert (bzw. unentscheidbar). - Die entsproohenden L-BegriHe (,L-vollstandig' usw.) schreiben wir der Sprache S dann und nur dann zu, wenn der L-Teilsprache von S der urspriingliche Begriff (,vollstandig' usw.) zukommt.

Satz 59·9. 1st S vollstandig, so determiniert; und umgekehrt. - Aus Satz 48·5.

Car nap, Syntax, 2. AuH. 11

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162 Allgemeine Syntax.

Satz 59'10. 1st S vollstii.ndig, 80 logisch; und umgekehrt. -Aus Satz 50'280.

Satz 59·U. 1st S vollstii.ndig, 80 L-vollstiindig; und um­gekehrt. - Aus Satz 10 und 51'1.

Satz 59'12. a) Die Begriffe ,vollstiindige Sprache', ,L-voll­stii.ndige Sprache', ,determinierte Sprache', ,logische Sprache' fallen zusammen. - b) Die Begriffe ,unvollstii.ndige Sprache', ,L-unvollstii.ndige Sprache', ,indeterminierte Sprache', ,de­skriptive Sprache' fallen zusammen.

Satz 59'13. 1st S a-vollstii.ndig, 80 entscheidb8or; und um· gekehrt. - Aus Satz 48'5.

Fiir die a-Begriffe gelten die zu Satz U und 12 8onalogen Siitze nicht.

S80tz 59'14. a) 1st S widerspruchsvoll, so ist S a-vollstii.ndig und vollstii.ndig. - b) 1st S inkonsistent, 80 ist S vollstiindig. -Aus Satz 1.

Wie mch die bier definierten Eigenschaften von Sprachen von einer Sprache auf eine andere iibertragen, ist"'6US der Tabelle S. 168 (B) zu ersehen. - Das Verhii.ltnis der Begriffe zueinander istaus den Pfeilen in der folgenden Ta belle zu ersehen (wie S.136).

Eigenschaften von Sprachen.

L-a-BegriUe: a-Be griffe: f-Begrlffe: L-f-Begriffe:

L-widerspruchsvoll _ widerspruchsvoll _ inkonsistent _ L-inkonsistent

L-widerspruchsfrei _ widerspruchsfrel _ konsistent _ L-konslstent

L-a-voJlstiindig L-entscheidbar

L-a-unvoll­stllndig

L-unentscheld­bar

} _ { a-vollstiindlg } _{ voJlstllndlg ; _ { L-vollstiindlg entscheidbar determiniert L-determiniert

logisch

I { a-unvoll- I I unvollstiindig J { L-unvollstiindlg _ stllndig _ Indetermi- _ (L-indetermi-

unentscheld- nlert nlert)synthe-bar tisch

deskrlptiv

Wir werden sehen, daB jade konsistente Sprache, die eine generelle Arithmetik enthii.lt, unentscheidbar ist. Entscheidbar sind nur ii.rmere Sprachen, z. B. der Satzkalkiil. Eine reichere Sprache kann, wenn auch nicht entscheidbar, 80 doch determiniert und vollstii.ndig sein, wenn hinreichende indefinite Umformungs­bestimmungen aufgestellt sind. Das ist z. B. bei den Sprachen I

Page 175: Logische Syntax der Sprache ||

Die Antinomien. 163

und II der Fa.ll. Fiir eine solehe unentseheidbare, aber voll­standige Spraehe gilt die foigende Einteilung der Iogi­sehen Sa tze (zur Einteilung der @5b vgl. ·S. 138):

(a-Begriffe:)

(f- und L­Begriffe:)

bewelsbar unentscheldbar widerlegbar

I i ~ ________ ~ ________ A ________ ~~ ______ ";

gtl.lt1g, analytlsch

wldergtl.ltlg, kon tradlktorlsch

60. Die Antinomien. Eine besondere, vielfach erorterte Klasse von Widerspriiehen

sind die sogenannten Antinomien (oder Paradoxien), die in den friiheren Systemen der Mengenlehre und der Logik auftraten. Das Problem dieser Antinomien wird in einer Abhandlung, die an anderer Stelle veroffentlieht wird, ausfiihrlich untersucht. Hier seien nur die Ergebnisse dieser Untersuchung angegeben.

Man kann (nach Peano und Ramsey) die bekannten Anti­nomien in zwei Arten einteilen; wir wollen sie logische (im engeren Sinne) und syntaktische Antinomien nennen. Zur ersten Art gehort z. B. die Antinomie von Russell ("Impradi­kabel"), zur zweiten Art gehoren die Antinomie von Grelling ("Heterologisch"), die von Richard, die des Liigners. In den syntaktischen Antinomien wird ii ber die Sprachausdriicke ge­sprochen. Sie treten (zunachst) nicht in den symbolischen Systemen, sondern nur im Begieittext auf. Die Antinomien erster Art werden schon durch die einfache Typeneinteilung ausge­schlossen; das ist der Grund, weshalb wir uns in Sprache II mit dieser Einteilung begniigen (vgl. S. 76, 99). Wenn nun eine Sprache S die Syntax von S selbst zu formulieren gestattet - und jede Sprache, die eine Arithmetik enthalt, enthii.lt damit auch eine arithmetisierte Syntax von sich selbst (vgl. S. 178) -, so erhebt sich die Frage, ob nicht vielleicht in S die syntaktischen Anti­nomien auftreten.

Dies ist die Ansicht von Chwistek [Nom. Grundl.], der des­halb wieder auf die verzweigte Typenregel zuriickgreift. DaJl diese in seinem System erforderlich ist, liegt aber nach meiner Meinung daran, daB er die autonyme Redeweise anwendet (vgl. § 68).

11*

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164 Allgemeine Syntax.

Es ist charakteristisch fUr die syntaktischen Antinomien, daB sie mit den Begriffen ,wahr' und ,talsch' operieren. Diese Begriffe fiihren tatsii.chlich zu Widerspriichen, wenn man sie so anwendet, wie es die ubliche Spra.che tut, niimlich derart, daB ein Satz ,A' und der Satz , ,A' ist wahr' zu derselben Spra.che gehoren. Derartige Widerspriiche lassen sich in der gewohnlichen Spra.che Ieicht herstellen, in Anlehnung an die Antinomie des Lugners.

Damit ist zwar die Umgangssprache als widerspruchsvoll erwiesen, nicht aber jede Sprache, die ihre eigene Syntax enthii.It. Denn ,wahr' und ,faisch' sind keine echten syntak­tischen Begriffe. Aus den Formeigenschaften eines Satzes allein ist ja im allgemeinen nicht zu ersehen, ob er wahr oder falsch ist. [Man hat das meist ubersehen, weil man sich gewohnlich nicht mit deskriptiven, sondem nur mit IOgischen Sprachen befaBt hat; in bezug auf diese fallen allerdings ,wahr' und ,faIsch' mit ,analytisch' bzw. ,kontradiktorisch' zusammen, sind also syntaktische Begriffe.]

S enthalte seine eigene Syntax. Man kann nun versuchen, Widerspriiche in S dadurch zu bilden, daB man die syntaktischen Antinomien nachbildet, indem man fUr ,wahr' einen verwandten syntaktischen Begriff einsetzt (z. B. einen der f-Begriffe ,giiltig' oder ,analytisch' oder einen der a-Begriffe ,beweisbar' oder ,L-beweisbar') und entsprechend fiir ,faIsch' (etwa ,widergultig', ,kontradiktorisch', ,widerlegbar', ,L-wideriegbar'). Dabei zeigt sieh folgendes. Verwendet man aIs Ersatzbegriffe a-Begriffe, so tritt keib. Widerspruch auf. Z. B. wird "Ieh luge" oder "Diaser Satz ist falsch" ersetzt durch "Dieser Satz ist widerlegbar"; es zeigt sich, daB dieser Satz nieht-widerlegbar, aber kontradiktorisch ist. Da diese beiden Eigenschaften vertrii.glich sind, entsteht kein Widerspruch.

Nehmen wir aber an, wir hii.tten in der in S enthaltenen Syntax von S die Begriffe ,analytiseh in S' und ,kontradiktorisch in S' definiert. Es laBt sieh leicht zeigen, daB dann die versehiedenen syntaktisehen Antinomien gebildet werden konnten. Daraus folgt: ist S konsistent oder wenigBtens widerspruchsfrei, so kann ,analytiseh (in S)' in S nieht definiert werden. Dasselbe gilt fiir ,kontradiktorisch', ,giiltig', ,Folge'. So kann z. B. ,ana­lytiseh in I' nicht in I definiert werden, wohl aber in II; ,ana-

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"Ubersetzung einer Spraehe in eine andere. 165

lytisch in II' ka.nn nicht in II definiert werden, sondem nur in einer noch reicheren Sprache.

Diese "Oberlegungen beruhen auf Ergebnissen von Godel [Unentscheidbare]. Ebenso der foigende Satz: 1st S (konsistent oder wenigstens) widerspruchsfrei, so bnn in einer in S enthaI­tenen Syntax von Skein Beweis (fiir die Konsistenz oder) fiir die Widerspruchsfreiheit von S aufgestellt werden.

In einer arithmetisierten Syntax sind ,analytisch', ,Folge' usw. 3~t. Das Ergebnis ist also: Fiir jede widerspruchsfreie Sprache S lassen sich erstens bl't (einer andem Sprache), und damit auch reelle Zahlen angeben, die in S nicht definiert werden konnen; und zweitens Sii.tze von S, die in S unentscheidbar sind (z. B. solche, die in Analogie zu dem Satz ~ von II gebildet sind; vgl. § 36).

Jedes arithmetische System ist also Iiickenhaft. Zwar kann jeder mathematische Begriff in einem geeigneten System definiert werden, und jeder mathematische Satz kann in einem geeigneten System entschieden werden. Aber es gibt kein einzelnes System, das alle mathematischen Begriffe und die Beweise aller giiltigen mathematischen Satze enthielte. Die Mathematik erfordert eine unendliche Reihe immer reicherer Sprachen.

d) "Obersetzung und Deuhmg. 61. Obersetzung einer Sprache in eine andere. Wir nennen 0 1 eine syntaktische Zuordnung zwischen

den syntaktischen Gegenstanden (~ oder sr) einer Art und denen einer zweiten Art, wenn 0 1 eine mehreindeutige Beziehung ist, durch die jedem Gegenstand der ersten Art genau Einer der zweiten Art zugeordnet wird und jeder Gegenstand der zweiten Art mindestens einem der ersten. Dasjenige ~ (oder sr), das dem ~1 (bzw. sri) durch 0 1 zugeordnet wird, wird 01-Korrelat von ~1 (bzw. sri) genannt und mit ,01 [~S (bzw. ,01 [sri]') bezeichnet. 1st ~,. zerlegbar in die Ausdriicke ~l> ~2' •• ~m' so bezeichnen wir den aus 0 1 [~1]' 0 1 [~J, .. 0 1 [~m] zusammengesetzten Ausdruck mit ,01 [~,.]'. Die Klasse, die alle und nur die 0 1-

Korrelate der Sii.tze von srI enthalt, bezeichnen wir mit ,01 [sri)" Hiemach sind durch eine Zuordnung zwischen Ausdriicken auch die Korrelate von Sii.tzen bestimmt, durch eine Zuordnung

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166 Allgemeine Syntax.

zwischen Satzen auch die Korrelate der Satzklassen. - [In einer formalisierten Syntax kann 0 1 z. B. ein 6g2, ein ~t2, ein ~g1 oder ein ~Ul sein.] - Wir sagen, durch 0 1 werde eine bestimmte syntaktische Beziehung auf eine bestimmte andere abgebildet, wenn folgendes gilt: besteht die erste Beziehung zwischen irgend zwei Gegenstanden, so besteht die zweite zwischen den 0 1"

Korrelaten dieser Gegenstande. Eine syntaktische Zuordnung 0 1 zwischen allen Satzklassen

(bzw. allen Satzen, bzw. den Ausdriicken der Ausdrucksklasse ~1' bzw. allen Zeichen) von S1 und denen von Sll heiBt eine klassenweise (bzw. satzweise, bzw. ausdrucksweise, bzw. zeichenweise) Abbildung von S1 auf S2' wenn durch 0 1

die Folgeklassenbeziehung in S1 auf die Folgeklassenbeziehung in SlI abgebildet wird. Fiir ~1 wird hierbei vorausgesetzt, daB jeder Satz von S1 eindeutig zerlegbar ist in Ausdriicke von ~1' 0 1 heiSt eine Abbildung von S1 auf S2' wenn 0 1 eine Abbildung einer der genannten Arten von S1 auf SII ist. - In analoger Weise wird ,klaBBenweise (bzw .... ) L-Abbildung' definiert, wobei gefordert ,wird, daB die Beziehung ,L-Folgeklasse' abgebildet wird.

Satz 61'1. 1st 0 1 eine Abbildung von S1 auf Sll' so ist 0 1 auch eine L-Abbildung von S1 auf S2'

Satz 61'2, 1st 0 1 eine satzweise Abbildung von S1 auf S2' so wird durch 0 1 die FoIgebeziehung zwischen Satzen in SI auf die Folgebeziehung zwischen Satzen in S2 abgebildet. Die Um­kehrung gilt nicht allgemein.

Eine Abbildung von S1 auf SII heiSt umkehrbar, wenn ihre Konverse (d. h. die in urngekehrter Richtung bestehende Bezie­hung) eine Abbildung von S2 auf S1 ist; andernfalls nicht­umkehrbar,

Satz 61'3. 0 1 sei eine Abbildung von S1 auf SII; ist 0 1 urn­kehrbar, so ist 0 1 eineindeutig. Die Umkehrung gilt nicht all­gemein.

Beispiel fiir eine nicht-umkehrbare satzweise Abbildung: die von Lewis [Logie] 178 angegebene Abbildung seines Systems der strikten Implikation (ohne Existenzpostulat) auf den gewohn­lichen Satzkalkiil. Hierbei ist das Korrelat der drei Satze des ersten Systems ,A', ,M (A)' und ,-M (- A)' (wobei wir ,M' anstatt des Moglichkeitszeichens schreiben)·derselbe Satz ,A'. Die Abbildung ist also nicht eineindeutig und daher nicht umkehrbar.

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1Jbersetzung einer Spraohe in eine andere. 167

Gibt es eine (klassenweise bzw. .,.) Abbildung von SI auf Sa, so heiBt SI (klassenweise bzw. ",) abbildbar auf S. 1st SI umkehrbar zeichenweise abbildbar auf S., so heiBen SI und S. isomorph (miteinander).

Satz 61'4. Gibt es in S. einen giiltigen Satz @)1 und einen widergiiltigen Satz @)a, 80 ist jede beliebige Sprache SI satzweise abbildbar auf Si' - Man kann z. B. ala Korrelat jedes wider. giiltigen Satzes von Sl @)a nehmen, und als Korrelat jedes andern Satzes @)1' Satz 4 laSt erkennen, daB der Begriff der Abbildbarkeit sehr weit ist; enger ist der Begriff der umkehrbaren Abbildbarkeit, noch enger der der Isomorphie.

Satz 61'5. Sl und Sll seien isomorph auf Grund von 0 1; ist a1 ein urn in Sl mit einer Charakteristik, so ist 0 1 [a1] ein urn in S. mit derselben Charakteristik. - 1st z. B. a1 ein eigentliches Negationszeichen (bzw. Disjunktionszeichen, .. ), so auch 0 1 [at].

0 1 sei eine (klassenweise bzw .... ) Abbildung von Sl auf Sa; S2 sei Teilsprache von S3 (siehe Figur). Dann heiBt 0 1 eine (klassenweise bzw. . .. ) Vbersetzung von Sl in S3; Sl heiBt (klassenweise bzw .... ) u bersetz bar in S3' Die folgende Ta belle gibt fur einige syntaktischen Eigenschaften und Beziehungen

. von ~ oder @) (Rubrik 1, A) und fur einige Eigenschaften von Sprachen (Rubrik 1, B) an, unter welchen (hinreichenden, aber nicht notwendigen) Bedingungen sie von einer der drei Sprachen, die in dem angegebenen Verhii.ltnis zueinander stehen, auf eine andere ubertragen werden: in Richtung der Abbildung (d. h. von ~1 auf 0 1 [st1]) (Rubrik 2), und umgekehrt (6), von der Teil­sprache auf die ganze (3) und umgekehrt (5), in Richtung der Vbersetzung (4) und umgekehrt (7).

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(1)

(2)

I (3

) I

(4)

I (5

) I

(6)

I .(

7)

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Vbersetzung einer Sprache in eine andere. 169

Abkurzungen fUr die Bedingungen.

L: falls 0 1 eine L-Abbildung ist; U: falls 0 1 eine umkehrbare Abbildung ist; f: falls S. eine folgeerhaltende Teilsprache von S. ist

(vgl. S.132); r: falls S. eine genugend reiche Teilsprache von Sa ist,

namlich eine solche, die ein in Sa widergilltiges st enthaIt oder aIle Satze von Sa enthalt.

Die in der Tabelle in eckigen Klammern angegebenen Be­dingungen beziehen aich auf den L-Begriff, der dem in Rubrik (1) stehenden Begriff entspricht.

Beispiele. 1st st1 in SI gultig, so auch in Sa. - 1st st1 in S. analytisch, so auch in SI' falls 0 1 eine umkehrbare L-Abbildung ist. -1st Sa inkonsistent, so auch S., falls S. eine folgeerhaltende Teil­sprache von Sa ist.

Da jede Abbildung auch eine tJbersetzung ist (nli.m1ich in eine unechte·Teilsprache), so konnen die folgenden Sli.tze und Definitionen auch auf Abbildungen bezogen werden.

Satz 61·6. 1st SI zeichenweise iibersetzbar in Sa, so auch ausdrucksweise; wenn ausdrucksweise, so auch satzweise, und umgekehrt; wenn satzweise, so auch klassenweise.

0 1 und O2 seien tJbersetzungen von SI in SII. Wir sagen, 0 1 und Oa stimmen gehaltmli.8ig iiberein, wenn ffir jedes st'1 in SI 0 1 [st'I] und O 2 [Sf1] in S. gehaltgleich sind.

SI und S. seien Teilsprachen von Sa; 0 1 sei eine tJbersetzung von SI in S •. Sind hierbei st'1 und 0 1 [st'J stets gehaltgleich in Sa; so nennen wir 0 1 eine in bezug auf S3 gehalttreue tJbersetzung. Analog wird ,L-gehalttreu' durch Bezug auf ,L-gehaltgleich' definiert. 1st ferner 0 1 eine zeichen- oder ausdrucksweise tJber­setzung derart, da8 ~1 und 0 1 [~1] stets synonym in Sa sind, so nennen wir 0 1 eine in bezug auf S3 synonyme tJbersetzung. Eine synonyme tJbersetzung ist auch gehalttreu.

Satz 61·7. 1st SI eine folgeerhaltende Teilsprache von Sa, BO bildet die Zeichengleichheit eine synonyme tJbersetzung von SI in S2 in J>ezug auf Sa.

Beispiele. I' sei die aus I durch Ausschaltung der Variablen gebildete Teilsprache. Dann ist I' durch die Zeichengleichheit syn­onym ubersetzbar in I. Anderseits ist I in I' klassenweise ubersetzbar, obwohl I' eine echte Teilsprache von I ist. 1st z. B. 6 1 ein offener Satz von I mit genau Einer freien Variablen h, so wird man als Korrelat von {61} die Klasse der Satze von der Form 6 1 (£'1)

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170 Allgemeine Syntax.

nehmen. Diese Ubersetzung ist gehalttreu in bezug auf I. Es gi,bi • keine gehalttreue satzweise Ubenietzung von I in 1'; dieses BeispiE l zeigt somit die Wichtigkeit des Begriffs der klassenweisen Ubersetzung.

S1 sei dar intuitionistische Satzkalkiil von Heyting [Logik]; S. sei der iibliche Satzkalkiil (z. B. von II). Die iibliche Ubersetzung 0 1 von S1 in Sa (d. h. diejenige, bei der das Negations­zeichen 01-Korrelat des Negationszeichens, das Disjunktionszeichen 01-Korrelat des Disjunktionszeichens ist UBW.) ist eine Abbildung von S1 auf eine echte Teilsprache S. von S •. Diese Abbildung ist eine zeichenweise (wenn wir in S1 und Sa alie Klammern schreiben wie in II). S. ist eine echte Teilsprache von Sa' da z. B. ,p V ,~ p' in S. nicht giiltig ist. Trotzdem ist auch umgekehrt S. iibersetzbar in S1' O. sei die Konverse von 0 1; Oa [@511 sei ~ ~ O. [@511 (hat @51 die Form ~ @5., 80 kann man als O. [@511 auch @51 selbst nehmen). Dann ist 0 3 eine satzweise Ubersetzung von Sa und S1' [Diese Uber­setzung stammt von Glivenko; in Ankniipfung an me gibt Gadel [Koll. 4] 34 eine andere Ubersetzung.]

Zum Begriff der Ubersetzung vgl. auch Ajdukiewicz.

62. Die Deutung einer Sprache. Wenn jemand die formalen Bestimmungen in bezug auf eine

Sprache, z. B. die Sprache II oder die lateinische Sprache, kennt, so kann er zwar syntaktische Fragen in bezug auf diese Sprache beantworten, z. B. ob ein vorgelegter Satz giiltig, widergiiltig, deskriptiv, ein Existenzsatz ist od. dgl., aber er kann die Sprache nicht ala Mitteilungssprache verwenden; es fehlt ibm die Deutung der Sprache. Es gibt zwei Wege, um einen Menschen dahin zu bringen, daB er eine bestimmte Sprache ala Mitteilungs­sprache anwenden kann: das rein praktische Verfahren, das bei kleinen Kindern und in der Berlitz School verwendet wird, und das Verfahren durch theoretische Angaben, wie es z. B. in einem Lehrbuch ohne Illustrationen angewendet wird. Unter einer Deutung wollen wir bier stetB das zweite Verfahren, also aus­driickliche Angaben verstehen. Welche Form werden solche deutenden Angaben haben 1 Wenn wir z. B. in deutscher Sprache angeben wollen, was ein bestimmter lateinischer Satz besagt, so werden wir das dadurch tun, daB wir ibn ala gleichbedeutend mit einem andern Satz hinstellen; dabei wird dieser zweite Satz haufig ebenfalls der lateinischen Sprache angehOren (z. B. wenn wir eine neue Vokabel durch eine synonyme alte erlii.utern); meist wird es ein Satz der deutBchen Sprache sein; es kann aber auch

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Die Deutung einer Sprache. 171

ein Satz einer beliebigen andem, etwa der franzosischen Sprache, sein. Die Deutung der Ausdriicke einer Sprache SI wird somit angegeben durch eine tJbersetzung in eine Sprache Sa, wobei die Angabe der tJbersetzung in einer Syntaxsprache S3 geschieht; dabei konnen zwei dieser Sprachen oder auch alle drei zusammen­fallen. Unter Umstanden stellt man dabei an die tJbersetzung noch besondere Forderungen, z. B. daB sie auf einer umkehrbaren Abbildung beruhen soll, oder daB sie in bezug auf eine bestimmte Sprache gehalttreu sein soll od. dgl.

Die Deutung einer Sprache ist eine tJbersetzung und daher etwas formal ErfaBbares; die Aufstellung und Untersuchung von Deutungen gehort zur formalen Syntax. Das gilt auch noch, wenn man etwa von einer Deutung der franzosischen Sprache in deutscher Sprache fordert, daB sie nicht nur irgendeine satzweise Abbildung sein soll, sondern, wie man zu sagen pflegt, den Sinn der franzosischen Satze wiedergeben soll. Wir haben friiher schon in bezug auf eine einzelne Sprache, etwa die deutsche, folgendes iiberlegt: die Syntax der deutschen Sprache aufstellen, heiSt einen Kalkiil aufstellen, der die Forderung erfiillt, daB er in Ein­klang steht mit den historisch vorliegenden Sprechgewohnheiten der Deutsch-Sprechenden. Dabei geschieht die Aufstellung des Kalkiils vollstandig innerhalb des Gebietes der formalen Syntax, obwohl die Feststellung, ob der Kalkiil die angegebene Forderung erfiillt, keine logische, sondem eine historische, empirische Fest­stellung ist, die auBerhalb der reinen Syntax liegt. Analoges gilt nun fiir die Beziehung zwischen zwei Sprachen, die wir als tJber­setzung oder Deutung bezeichnen. Von einer tJbersetzung der franzosischen in die deutsche Sprache pflegt man zu fordem, daB sie sinngemaB ist; d. h. nichts anderes ala: die tJbersetzung soll in Einklang stehen mit den historisch bekannten Sprech­gewohnheiten ·der Franzosisch-Sprechenden und der Deutsch­Sprechenden. Die Aufstellung jeder tJbersetzung, also auch einer sogenannten sinngemaBen tJbersetzung, geschieht inner­halb des Bereiches der formalen Syntax, obwohl die Feststellung, ob eine vorgelegte tJbersetzung die angegebene Forderung erfiillt und dither ala sinngemaB anzuerkennen ist oder nicht, eine historische, auBer-syntaktische Feststellung ist. Man kann dabei so vorgehen, daB die auBer-syntaktische Forderung hier von derselben Art ist wie im ersten Fall, namlich die tJber-

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172 Allgemeine Syntax.

einstimmung eines syntaktisch a.ngegebenen Ka.Ikiils mit einer bestinm;tten historisch gegebenen Spra.che betrifft. Man fordert etwa zunii.chst, daB die franzosische Sprache durch den Kalkiil S1 und die deutBche durch SI dargestellt werde; femer aber, daB die aus der deutBchen und der franzosischen Spra.che ala Teilspra.chen bestehende Spra.che durch den Kalkiil Sa dargestellt werde, von dem S1 und SI Teilsprachen sind. Dann ist eine syntaktisch gegebene fibersetzung 0 1 von SI in Sa sinngemaB, wenn sie gehalttreu in bezug auf Sa ist. Unter Umstii.nden wird man auch noch fordem, daB 0 1 eine in bezug auf Sa synonyme ausdrucks­weise "Obersetzung ist.

Zuweilen gibt man die Deutung einer Sprache SI in bezug auf eine schon vorhandene Spra.che S. dadurch an, daB man aus S. durch Einfiigung einer mit SI i80morphen oder sogar gestalt­gleichen Teilspra.che eine erweiterte Sprache Sa herstellt. Be80nders bei der Deutung eines symbolischen, z. B. mathematischen Kalkiils auf Grund einer vorhandenen Wissenschaftssprache geschieht die Deutung hii.ufig in dieser Weise.

Beispiele. 1st etwa das System der Vektorrechnung zu­nii.ehst ala ungedeuteter mathematischer KalkUl aufgestellt, 80 kann die Deutung 80 vorgenommen werden, daJl man die friihere Sprache der Physik durch Eingliederung der Vektorrechnung erweitert. Da­durch, dall die Vektorsymbole in der neuen Sprache in Verbindung mit den iibrigen Sprachzeichen verwendet werden, haben sie eine Bedeutung innerhalb der physikalischen Sprache gewonnen. Ebenso kann etwa ein Axiomensystem der Geometrie zunii.chst ala isolierter KalkUl gegeben sein; die verschiedenen moglichen Deutungen konnen dargestellt werden ala verschiedene' tJbersetzungen in die Sprache der Physik; wird dabei die Terminologie der Geometrie beibehalten, so handelt es sich um eine tJbersetzung in eine gestaltgleiche Teil­sprache einer neuen Sprache, die aus der alten Sprache der Physik durch Eingliederung der Geometrie hergestellt ist.

Um eine bestimmte Deutung der Sprache SI' d. h. eine be­stimmte "Obersetzung von SI in SII festzulegen, miissen nicht etwa. die Korrelate aller Zeichen oder aller Satze von SI angegeben werden. Es geniigt die Angabe der Korrelate gewisser Ausdriicke, in manchen Fallen z. B. die der Korrelate gewisser deskriptiver Sii.tze von einfacher Form, in denen nicht einmal alle undefinierten Zeichen von SI vorzukommen brauchen. Damit ist dann, in Verbindung mit den Umformungsbestimmungen

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Die Deutung einer Sprache. 173

von SI' die ganze tThersetzung eindeutig festgelegt; genauer: je zwei tThersetzungen, die jene Korrelate gemein haben, stimmen geha.ltmiUlig uberein. Es ist bei der Aufstellung einer symbolischen Sprache, be80nders in der Logistik, uhlich, eine Deutung durch Texterlii.uterungen, also durch eine tThersetzung jn die gewohnliche Wort&prache zu geben.· Dabei pflegt man im allgemeinen weit mehr Korrelate a.ls notwendig anzugeben. Das ist sicherlich zur Erleichterung des Verstiindnisses zweckmiiBig; auch wir sind z. B. bei der Einfiihrung der Spra.che I so vorgegangen. Es ist aber wichtig, daB man sich kla.rmacht, daB derartige deutende Angaben im allgemeinen eine Oberbestimmung entha.lten.

Beispiele. 1. Die deskriptive Sprache II enthalte ala un· definierte Qb etwa k ~r1 ,P1', ••• ,Pk" Dann wiirden z. B. foIgende Angaben flir eine vollstandige Deutung der Sprache II gemlgen: 1. ,0' solI die Anfangsstelle, ein <St ,0"'" mit m Strichen solI die (m + 1)·te Stelle der und der Stellenreihe bezeichnen. 2. ,PI' solI gleichbedeutend sein mit ,rot', ... ,Pkt mit ,blau'. 3. Ein atomarer deskriptiver Satz von der Form ~rl (<Sh), wo ~rl ein undefinierte8 ~rb ist, solI besagen, daB die durch <St1 bezeichnete Stelle die durch ~rl bezeichnete Eigenschaft hat. In den Satzen, flir die die tJber. setzung hiermit bestimmt ist, kommen iiberhaupt kame definierten Zeichen vor, ferner keine Variablen (~, f, 3, D, daher auch keine Operatoren; auch die undefinierten logischen Konstanten ,=', ,;1', ,K', ,_", ,v', ,.', ,::>' ko:mmen nicht vor. Trotzdem ist durch jene Angaben auch die Deutung aller iibrigen Satze von II bestimmt; d. h. man hat flir das Korrelat irgendeines andern Satzes von II nur die Wahl zwischen gehaltgleichen Satzen derjenigen Teilsprache der deutschen Sprache, auf die die Sprache II umkehrbar abgebildet wird. So muB z. B. ,PI (0) v P 1 (0')' iibersetzt werden in ,die erste oder die zweite Stelle oder beide sind rot' (oder in einen hiermit gehaltgleichen Satz); ferner z. B. ,(:1:) (PI (:1:»)' in ,alIe Stellen sind rot'; denn aus den Umformungsbestimmungen flir Sprache II ergibt sich, daB ,v' ein eigentliches Disjunktionszeichen und ,(:1:)' ein eigent. licher Alloperator ist.

2. III sei die logische Teilsprache von II. III solI gedeutet werden durch eine ausdrucksweise tJbersetzung in eine geeignete andere Sprache; dabei solI es fUr jedes ~r und jedes fu ein Korrelat geben. [Diese Forderung wird aufgestellt, damit 101 eine tJber. setzung im iiblichen Sinne ist; wird diese Forderung nicht erhoben, so kann z. B. die triviale tJbersetzung genommen werden, bei der das Korrelat jedes analytischen Satzes ,0 = 0' und das Korrelat jedes kontradiktorischen Satzes ,- (0 = 0)' ist.] Wir geben nur die Korrelate zweier Zeichen an: ,0' solI in ,0' iibersetzt werden, ," in ,+ 1'. Damit ist die Deutung der ganzen Sprache Ill, die die klassi· sche Mathematik enthlilt, festgelegt.

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174 Allgemeine Syntax.

Vom Gesichtspunkt der Deutung aus gesehen, ist es charak­teristisch fiir die undefinierten deskriptiven Zeichen, daB ihre Deutung auch nach Deutung der iibrigen Zeichen noch innerhalb eines weiten Bereiches willkiirlich ist (gemeint ist: willkiirlich bei bloBer Beriicksichtigung der Syntax der isolierten Sprache; die Wahl kann dann durch weitere Forderungen ein­geschrii.nkt werden). So ist z. B. durch die Umformungsbe­stimmungen von Sprache II und die Deutung der iibrigen Zeichen nicht festgelegt, ob ,PI' etwa durch ,rot' oder durch ,griin' oder durch die Bezeichnung irgendeiner sonstigen Stelleneigenschaft gedeutet werden solI. Bei den meisten symbolischen Sprachen gehoren zu den deskriptiven Ausdriicken im Sinn der allgemeinen Syntax auch solche Ausdriicke, die von den Autoren alB logische Ausdriicke gedeutet werden. Die meisten der iiblichen Systeme werden von ihren Verfassern alB logische Sprachen gedeutet; da aber gewohnlich nur a-Bestimmungen aufgestellt sind, so sind diesa Sprachen meist indeterminiert und daher deskriptiv. In­folgedessen bleiben fiir gewisse Ausdriicke dieser Sprachen, auch wenn die iibrigen Ausdriicke nach den Angaben der Verfasser gedeutet werden, noch Deutungsmoglichkeiten offen, die sich wesantlich voneinander unterscheiden.

Beispiel. Der Alloperator mit einer Zahlvariablen & ist zwar in I und II ein eigentlicher, dagegen in den iiblichen Sprachen, z. B. in [Princ. Math.], ein uneigentlicher (vgl. S. 150), weil diese Sprachen nur a-Bestimmungen enthalten. Es gibt daher in den iiblichen Sprachen Sitze, die indeterminiert sind und daher von uns ala deskriptiv bezeichnet werden, obwohl sie von den Verfassern ala logische Sitze gedeutet werden. Um im Rahmen unserer 8ym­bolik zu bleiben, wollen wir die Betrachtung anstatt auf ein friiheres System auf diejenige Sprache IIa richten, die aus II durch Be­schrii.nkung auf die a-Bestimmungen entst.eht (die aber aIle friiher in I aufgestellten Definitionen enthalten soIl). Der in II analytisehe, aber unentseheidbare Satz G3 (§ 36) ist dann in IIa indeterminiert. Der Alloperator <&) ist in [Prine. Math.] und in IIa nicht logisch, sondern deskriptiv. Damit ist niehts gegen die iibliehe ttber. setzung gesagt, bei der das Korrelat von G3 ein @)( (z. B. der gleieh. lautende Satz G3 von II) und das Korrelat von (3) ein 21\ (z. B. ein eigentlicher Alloperator von II) ist. Da.B G3 und <&) deskrlptiv sind, besagt nur, da.B au.Ber dieser iibllchen ttbersetzung noch andere moglich sind, darunter auch solche, bei denen die Korrelate von G3 und <&> deskriptiv sind. Fiir All- und Existenzoperatoren soIl das an einem Beispiel gezeigt werden. Die Iprl Ptl und pt. seien die einzigen

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Die Deutung einer Sprache. 175

undefinierlen deskriptiven Zeichen von lIs und II. Wir wollen II. deuten durch zwei verschiedene 1Jbersetzungen 0.1 und D. in II. Wir bestimmen fiir 0.1 und 0.1 zunachst, daB die Korrelate aller Satzverknupfungen diese selbst sein sollen; ferner sollen die Korrelate aller atomaren Satze diese Satze selbst sein; dann sind auch die Korrelate aller molekularen Satze diese selbst. Wir wollen nun zeigen, daB hierbei 0.1 und D. doch noch wesentlich verschieden sein konnen, d. h. daB sie nicht gehaltmii.Big ubereinstimmen mussen. Das D1-Korrelat jedes Satzes sei dieser selbst; das ist die ubliche Deutung; bei fur wird der uneigentliche Alloperator (h) von lIs durch einen eigentlichen Alloperator von II gedeutet. @S1 sei (at) (I'll (h»; Ds [@S1] sei ~1> (I'll ~1» .13l. (5). Dieser Satz ist (in II) offen bar gehaltstii.rker als 0.1 [@Sl]' namlich @S1 selbst. @S. sei (;I h) (I'll (31)); D,[@S.] sei (;I 31> (131:1(31» v 131:,(5); dieser Satz ist (in II) offenbar gehaltschwacher als 0.1 [@S.], namlich @S. selbst. Man uber­zeugt sich leicht, daB D. wirklich eine 1Jbersetzung ist (wenn auch keine in bezug auf II gehalttreue), d. h. daB durch 0., die Folge­klassen- und die Folgebeziehung in lIs auf die entsprechenden Be­ziehungen in II abgebildet werden. @Sa sei z. B. I'll (@St1); dann ist @Sa Folge von @S1' und @S, Folge von @Sa; entsprechend ist D. [@Sa], namlich @Sa' Folge von dem vorhin angegebenen D. [@S11; und das angegebene 0., [@S.l ist Folge von D. [@Sa]' namlich @Sa' DaB auBer der ublichen Deutung auch noch die wesentlich abweichende Deutung D., die den Alloperator und den Existenzoperator deskriptiv deutet, moglich ist, liegt daran, daB durch die Umformungsbestimmungen von II. nur festgesetzt ist, daB jeder Satz der Form I'll (@St) Folge von (h) (I'll (31)) ist, aber nicht festgesetzt ist, ob dieser Allsatz gehaltgleich (me bei der ublichen Deutung 0.1 ) oder gehaltstarker (me bei D.) sein soIl als die Klasse der Satze von der Form 131:1 (@St).

Andere Beispiele deskriptiver Zeichen, die von den Autoren als logische gedeutet werden, sind die intensionalen Satzver­kn upfungen bei Lewis u. a. (Es gibt aber auch logische intensionale Satzverknupfungen.)

S sei eine deskriptive Sprache, fiir die man in der iiblichen Weise in Textworten eine Deutung gegeben habe. Bei der Beur­teilung dieser Deutung miissen wit dann (wie das soeben betrachtete Beispiel lehrt) unterscheiden zwischen den Deutungen durch deskriptive und denen durch logische Ausdriicke. 1. Die Deutungen durch deskriptive Ausdriicke geben im allgemeinen etwas Neues, das durch die Aufstellung des Kalkiils noch nicht gegeben ist; sie sind (in gewissem Umfang) zur Festlegung einer Deutung erforderlich. 2. Der Ausdruck ~1 des Kalkiils werde durch einen logischen Ausdruck der Wortsprache gedeutet. Rier sind zwei FaIle zu unterscheiden: 280) ~1 ist ein logischer Ausdruck (im

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176 Allgemeine Syntax.

8inne der allgemeinen Syntax); dann ist jene Deutung unter Umstanden durch die ubrigen Deutungen schon mitgegeben; in diesem Falle dient sie nur ala Erl.ii.uterung, die systematisch nicht erforderlich ist, aOOr das Verstandnis erleichtert. 2b) ~1 ist ein deskriptiver Ausdruck (im Sinne der allgemeinen Syntax) (z. B. der Alloperator in lIa); dann kann man die Deutung von ~1 durch einen OOstimmten logischen Ausdruck, die in Textworten gegeben ist, ersetzen durch Aufstellung geeigneter f-Bestimmungen fiir S, durch die ~1 zu einem ~l der gemeinten Art wird. [1m Beispiel: man erga.nze lIa durch indefinite f-Bestimmungen zu II; dann wird (3), in "OOOreinstimmung mit der OOabsichtigten Deu­tung, zu einem eigentlichen Alloperator.] -

Die allgemeine Syntax. verfahrt nach formaler Methode, d. h. sie beriicksichtigt OOi der Untersuchung der Ausdriicke einer Sprache nur Reihenfolge und (syntaktische) Art der Zeichen eines Ausdruckes. Wir haben frillier gesehen, daB diese formale Methode auch solche Begriffe erfassen kann, die man zuweilen als nicht­formal ansieht und ala Sinnbegriffe (oder Begriffe einer Sinn­logik) bezeichnet, wie z. B. Folgebeziehung, Gehalt, Gehalt­beziehungen. Zum SchluJl haben wir festgestellt, daB auch die Fragen, die sich auf die Deutung einer Sprache beziehen und die damit das Gegenteil einer formalen Untersuchung zu sein scheinen, innerhalb der Syntax ihre Behandlung finden konnen. So erkennen wir, daB alle Fragen der Logik (dieses Wort in einem sehr weiten Sinn genommen, jedoch unter AUBSchluB alles Empirischen und damit alles Psychologischen) zur Syntax gehOren. LO.gik ist, sobald sie exakt formuliert wird, nichts anderes ala Syntax bestimmter oder unbestimmter Sprachen.

e) ExtensionaliUit.

68. Quasi-syntaktiscbe Sitze. Wir wollen hier einige Begriffe einfiihren, die fiir die Erorte­

rung des Extensionalititsproblems, fur die Modalititslogik und spater fiir die Analyse der philosophischen Satze erforderlich sind. Wir erlii.utem die einzufiihrenden Begriffe zunii.chst in un­genauer Weise durch inhaltliche Betrachtung. B sei ein Bereich bestimmter Objekte, deren Eigenschaften in der ObjektBprache SI beschrieben sein mOgen. Angenommen, es gebe nun eine auf B

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Quasi-syntaktische l:Satze. 177

bezogene Objekteigenschaft El und eine auf SI bezogene syntak­tische Eigenschaft Es von Ausdriicken derart, daB stets und nur dann, wenn El einem Objekt zukommt, Ell dem Ausdruck zukommt, der das Objekt bezeichnet. Wir wollen dann Ell die dem El zugeordnete syntaktische Eigenschaft nennen. El ist dann eine gewissermaBen als Objekteigenschaft verkleidete Eigenschaft, die ihrer Bedeutung nach syntaktischen Charakter hat; wir nennen sie deshalb eine quasisyntaktische Eigenschaft (oder auch eine Pseudo-Objekteigenschaft). Einen Satz, der einem Objekt a die Eigenschaft El zuschreibt, nennen wir einen quasi­syntaktischen Satz; ein Bolcher ist iiberBetzbar in den (echt-) syntaktischen Satz, der einer Bezeichnung fUr a die Eigenschaft E2 zUBchreibt.

Beispiele. 1. Irreflexivitat. 8 1 sei eine deskriptive L-8praehe (wie I und II) mit etwa der 8ymbolik von II, aber als N amensprache. 8 1 handle von den Eigenschaften und Beziehungen der Personen des Bezirkes B (an einem bestimmten Tag). ,Ras (a, b)' besage: ,a rasiert b' (an dem betr. Tag). Wir definieren das IjJt1 ,Irr': ,Irr(F) = (x) (~F(x, x»)', in Worten: ,eine Beziehung P heiBt irreflexiv, wenn kein Gegenstand diese Beziehung zu sich selbst hat'. ,Irr (Ras)' ist somit gehaltgleich mit ,(x) (~ Ras (x, x»)' (@i 1).

@i 1 besagt, daB in B an dem betr. Tag niemand sich selbst rasiert; ob das der Fall ist oder nicht, ist aus den Umformungsbestimmungen von 81 nicht zu entnehmen; @i1 ist synthetisch. 8 1 enthalte ferner das BjJt1 ,LIrr'; ,LIrr (p)', in Worten: ,P ist L.irreflexiv (oder logisch. irreflexiv)', solI besagen, daB P logisch.notwendig irreflexiv ist, d. h. ,LIrr' solI so defihiert sein, daB ,LIrr (p)' dann und nur dann ana­lytisch ist, wenn ,(x) (~P (x, x»)' analytisch ist, andernfalls aber kontradiktorisch. Dann ist ,LIrr (Ras)' kontradiktorisch, da @i 1

nicht analytisch, sondern synthetisch ist. ,Bru' sei so definiert, daB ,Bru (a, b)' besagt: "a ist Bruder von b". Dann ist ,Irr (Bru)' analytisch, und daher auch ,LIrr (Bru)' analytisch. ,Irr' und ,LIrr' sind jJt von 81 ; die 8yntaxsprache 81 von 81 sei eine Wortspraehe; in ihr wollen wir jetzt ein jJt ,L·irreflexiv' definieren: ein jJrl jJt1 von 81 solI L·irreflexiv heiBen, wenn (b 1) (~ jJt1 (\)1' b 1») analytisch ist. Hiernach ist ,Ras' nicht L·irreflexiv, wohl aber ,Bru'. In einer Spraehe, die 8 1 und 8 1 als Teilspraehen enthiUt, ist fUr ein beliebiges jJt ,P' der 8atz ,LIrr (p)' stets gehaltgleich mit dem syntaktischen Satz "P' ist L·irreflexiv'. ,L.irreflexiv' ist das dem jJt ,LIrr' zu· geordnete syntaktische jJt. ,LIrr' ist ein q u3si-syn taktisches jJt von 81, ,Irr' dagegen nicht. ,LIrr (Bru)' ist ein quasi.syntaktischer 8atz von 81 ; der zugeordnete syntaktische 8atz von 8 1 ist "Bru' ist L·irreflexiv'; beide 8atze sind analytisch. Ebenso verhaIt es sich mit ,~ LIrr (Has)' und "Ras' ist nicht L·irreflexiv'. Dagegen gibt es zu

Car nap, Syntax, 2. AuH. 12

Page 190: Logische Syntax der Sprache ||

178 Allgemeine Syntax.

den synthetisehen Sitzen ,Irr (Ras)' und ,- Irr (Ras)' keine zu. geordneten syntaktisehen Sitze; diese Sitze sind daher nieht quasi­syntaktiseh.

2. Implikation. In der deskriptiven L-Spraohe SI wollen wir anstatt ,A' B' sehreiben: ,Imp (A, B)'. Ferner werde in SI ein I't ,LImp'derart (dureh Definition oder Grundsitze) eingefiihrt, daB fUr beliebige gesehlossene Sitze ,A' und ,B' ,LImp (A, B)' dann und nur dann analytiseh ist, wenn ,Imp (A, B)' analytiseh ist; andemfalls kontradiktoriseh. ,AI' und ,B l' seien zwei gesehlossene Sitze deran, daB ,BI' nieht Folge von ,AI' ist. Dann ist ,Imp (AI' B l)' synthetiseh, also ,LImp (AI' Bl)' kontradiktoriseh. ,AI' und ,B t ' seien ge­sehlossene Satze, ,BI' sei Folge von ,AI', Dann ist ,Imp (AI' Bt>' analytiseh, also ist aueh ,LImp (AI' B,)' analytiseh. Die Syntax­spraehe S. fUr Sl sei die gewohnliche Wortspraehe. In einer Spraehe, die Sl und SI als Teilspraehen enthiiJ.t, ist dann fUr beliebige ge­sehlossene Sitze ,A' und ,B' ,LImp (A, B)' stets gehaltgleieh !nit dem syntaktisehen Satz "B' ist Folge von ,A". ,LImp' ist also ein quasi. syntaktisehes I't von 81, dem das syntaktisehe pt ,Folge' zugeordnet ist. Dagegen ist ,Imp' nieht quasi-syntaktiseh. Dem quasi-syntak. tisehen 8atz ,LImp (AI' B.)' ist der syntaktisehe 8atz "BI' ist Folge von ,A," zugeordnet; ebenso dem quasi-syntaktisehen 8atz ,~LImp (AI' Bl)' der syntaktisehe 8atz , ,B l' ist nieht Folge von ,AI", Dagegen gibt es zu den synthetisehen Sitzen ,Imp (AI' B l)' und ,- Imp (AI' BI)' keine zugeordneten syntaktisehen Sitze; diese Sitze sind daher nieht quasi.syntaktiseh. - Die Verhii.ltnisse in. diesem Beispiel, auf das wir spater bei Bespreehung der Modalitii.tB­logik zuruekkommen werden, sind ganz analog denen im enten Beispiel.

Wir wollen von der ungenauen inhaltlichen Betrachtung zur syntaktischen ubergehen. 8 1 sei eine beliebige 8prache; 8. sei eine logische 8prache. 0 1 sei eine eineindeutige syntaktische Zuordnung zwischen den Ausdriicken von 8 1 und den Ausdriicken einer Klasse St. in 8 2 ; dabei seien die Ausdriicke von St. mitein­ander gattungsgleiche a~tu. Dann nennen wir 8. eine Syntax­spraehe fur 8 1 (auf Grund von 0 1); Od~l] nennen wir die syn­taktische Bezeichnung von ~1 (auf Grund von 0 1), Die ~g oder \l!t von 8 2, zu denen die Ausdriicke von St. als Argumente passen, nennen wir syntaktische ~g bzw. \l!t (auf Grund von 0 1),

8ind die Ausdrucke von St. ,8, so nennen wir 8 2 eine arithmeti. sierte 8yntaxsprache. 1st 8 2 Teilsprache einer 8prache 8 a, so sagen wir. 8 a enthalte eine 8yntax fur 8 1 (auf Grund von 0 1),

Ein ~gn ~gl von 81 heiBt ein quasi-syntaktisches ~g, wenn es 8 a, 0 1, ~g~ gibt, die die folgenden Bedingungen erfullen.

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Quasi-syntaktische Siitze. 179

SI ist TeiIsprache von S2; S2 enthalt eine Syntax fUr SI auf Grund von 0 1; ist e 1 ein beliebiger Vollsatz von eg1 in Sl' etwa eg1 (~1' ~I' •• ~ .. ), wobei die Argumente keine m sind, so ist e 1 in S2 gehaltgleich mit eg2 (01 [~1]' 0 1 [~2]' •• 0 1 [~n]); dies sei e 2· e 1 heillt dann quasi-syntaktiseh in bezug auf ~1' .. ~ .. ; e. heillt ein dem e 1 (auf Grund von ( 1) zugeordneter syntak­tischer Satz; egB heillt ein dem Sgl (auf Grund von 01) zu­geordnetes syntaktisches Sg. Diese Definitionen sollen auch fiir ~tl' ~tll an Stelle von Sgl' SgB gelten.

SgB sei ein dem Sgl auf Grund von 0 1 zugeordnetes syntak­tisches Sg. Sfu1 habe die Form Sgl (~1' .. ~ .. ), wobei mindeste1l8 eins der Argumente ein mist; SfUB habe die Form Sg2 (~/1' .. ~/ .. ); hierbei sei ~/i (i = 1 bis n), wenn ~i kein mist, 0 1 [~d; ist ~i ein mi , 80 sei ~' i ein m von S2' zu dessen Einsetzungswerten die 01-Korrelate der Einsetzungswerte von mi gehoren. Dann nennen wir SfuB ein dem Sfu1 (auf Grund von 01) zugeordnetes syntaktisches Sfu. - Sfull sei ein dem Sfu1 zugeordnetes syntaktisches Sfu. Slsei ausSfu mitOperatorengebildet, ebensoSs aus efuB mit entsprechenden Operatoren. Dann sagen wir, ell sei ein dem e 1 zugeordneter syntaktischer Satz. - Jeder Satz, der ein quasi-syntaktisches eg, ~t oder efu enthalt, heillt qU!l-si­syntaktisch; fiir zusammengesetzte quasisyntaktische Satze werden die zugeordneten syntaktischen Satze in analoger Weise gebildet wie in den beschriebenen einfachen Fallen.

Beispiel. ,PI (F)' und ,P 2 (F, '1,1,)' seien quasi-syntaktische 6fu in SI' Die zugeordneten syntaktischen 6fu seien ,Ql (x)' bzw. ,Q. (x, y)'. Daun ist dem quasi-syntaktischen Satz ,(F) [P 1 (F) ::> (;1'1,1,) (PI (F, '1,1,»]' der syntaktische 8atz ,(X) [Ql (x)::> (;J y) (Q. (x, y»], zugeordnet.

Der Unterschied zwischen den quasi-syntaktischen 8iitzen und den iibrigen hiingt zusammen mit dem Unterschied zwischen syn­taktischen Begriffen und dem Begriff ,wahr'. Wiirde man niimlich ,wahl' als syntaktischen Begriff nehmen, so wiirde jeder beliebige 8atz 6 1 in bezug auf jeden Teilausdruck ~1 quasi-syntaktisch. Denn 6 1 ist stets gehaltgleich mit dem 8atz '~1 ist so beschaffen, daB 6 1

wahl ist'. 1st 8 1 eine logische 8prache, so fiilIt fiir 8 1 ,wahr' mit ,analytisch' zusammen (d. h. es gibt hier keine synthetischen 8iitze, vgl. 8atz 52'3). Rier wird daher der Begriff ,quasi-syntaktisch' trivial. 8 1 sei Z. B. die logische Teilsprache von I. l:Jr1 sei ,Prim'. Dann ist fiir jedes .81 der 8atz l:Jr1(.81) von 81 gehaltgleich mit dem 8atz der 8yntaxsprache • .81 ist so beschaffen, daB l:Jtl (.81) analytisch ist'; denn entweder sind beide Siitze analytisch oder beide kontra-

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180 Allgemeine Syntax.

diktorisch. Also ist prl C~h) quasi-syntaktisch in bezug auf ih. In bezug auf die deskriptive Sprache I ist das aber nicht der Fall. 1st ful ein undefiniertes fub, so ist prl (ful (uu» synthetisch, also nicht gehaltgleich mit dem syntaktischen Satz , ful (UU) ist so beschaffen, daB prl (ful (UU» analytisch ist', denn dieser ist kontradiktorisch. -Wenn wir im folgenden feststellen, daB bestimmte Sii.tze bestimmter Sprachen qnasi-syntaktisch sind, so ist das so gemeint: sie sind auch noch quasi-syntaktisch, wenn wir die betreffende Sprache zu einer deskriptiven ergii.nzen (und zwar so, daB deskriptive Argumente fUr die betreffenden Stellen vorkommen). [Wir werden z. B. spii.ter be­haupten, daB die modalitii.tslogischen ~r quasi-syntaktisch sind; damit wollen wir zugleich behaupten, daB sie auch dann quasi-syn­taktisch sind, wenn wir den Kalkiil der Modalitatslogik dadurch er­weitem, daB wir als Argumente auch synthetische Satze zulassen; fUr das modalitatslogische Folgepradikat (z. B. fur das Zeichen der strikten Implikation und ahnliche) ist das durch das Beispiel ,LImp' von S. 178 gezeigt.]

64. Die beiden Deutungen quasi-syntaktiscber Sitze. Der Satz 6 1 von der Form 6g1 (m1) sei quasi-syntaktisch;

6 a von der Form 6ga (m2 ) sei ein zugeordneter, also gehaltgleicher syntaktischer Satz. Wir wollen zwei mogliche Deutungen unter­scheiden, die hier gemeint sein konnen. Das ist zunachst eine inhaltliche, nicht-formale Betrachtung, die zur Vorbereitung del formalen Definitionen dient. ma deuten wir jedenfalls als syntak­tische Bezeichnung fUr den Ausdruck m1 und 6g 2 als Bezeichnung fur eine syntaktische Eigenschaft von Ausdrucken. Wir wollen nun in folgender Weise unterscheiden: bei der ersten Deutung wird 6g1 als gleichbedeutend mit 6g 2 genommen, bei der zweiten nicht. Bei der ersten Deutung bezeichnet somit 6g1 wie 6ga eine syntaktische Eigenschaft; da 6 1 und 6 2 gehaltgleich sind, so ergibt sich aus der Bedeutungsgleichheit der beiden 6g die Be­deutungsgleichheit der Argumente. Also ist hier m1 wie m2 als eine syntaktische Bezeichnung fur m1 zu deuten; m1 bezeichnet sich selbst, ist also autonym. [DerTerminus ,autonym'istfriiher (S. 109) ermutert worden; seine streng formale Definition wird erst spater gegeben.] Bei der zweiten Deutung bezeichnet 6g1 nicht eine syntaktische Eigenschaft, sondern eine Objekt­eigenschaft, die im Satz 6 1 dem durch 2{1 bezeichneten Objekt (nicht dem Ausdruck m1 !) zugeschrieben wird. Wir wollen nun allgemein einen Satz zur inhaltlichen Redeweise rechnen, der (wie 6 1 bei der zweiten Deutung) so zu deuten ist, daB er einem

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Die beiden Deutungen quasi-syntaktischer Satze. 181

Objekt eine bestimmte Eigenschaft zuschreibt, wobei aber diese Eigenschaft quasi-syntaktisch ist, so daB der Satz iibersetzt werden kann in einen Satz, der einer Bezeichnung des betreffenden Objektes eine zugeordnete syntaktische Eigenschaft zuschreibt. Der inhaltlichen Redeweise der quasi-syntaktischen Satze in der zweiten Deutung stellen wir die formale Redeweise der syntaktischen Satze gegeniiber.

Beispiel. 1. Quasi-syntaktische Satze; a) autonyme Rede­weise: "Fiinf ist ein Zahlwort"; b) inhaltliche Redeweise: "Fiinf ist eine Zahl". 2. Zugeordneter syntaktischer Satz: ",Fiinf' ist ein Zahlwort". (Der Einfachheit wegen sind hier ala gleichbedeutende ~r in 180 und 2 gleiche Warter ,Zahlwort' genommen worden.)

Wir haben nun die Aufgabe, den inhaltlich angedeuteten Unterschied der beiden Deutungen formal zu erfassen. Durch welche formalen, syntaktischen Eigenschaften von 6g1 und 6gB

kommt zum Ausdruck, daB 6g1 als gleichbedeutend mit 6gB und somit ala Bezeichnung einer syntaktischen Eigenschaft gemeint ist 1 Nicht notwendig dadurch, daB 6g1 und 6g 2 synonym (oder L-synonym) sind; denn es kann ja sein, daB man trotz gleicher Bedeutung nur 6g1 mit autonymen Argumenten zulassen will, nicht aber 6gB, 1m letzteren Fall ware zwar 691 (~z) gehaltgleich mit 6g1 (~1); nicht aber 6g2 (~1)' das kein Satz zu sein braucht. 1st aber 6g1 so gemeint, daB es eine syntaktische Eigenschaft bezeichnet, und zwar dieselbe wie 6gz, so ist 6g1 (~2) gehalt­gleich mit 6g2 (~2)' Auf Grund dieser inhaltlichen Vorerorterung stellen wird die folgenden formalen syntaktischen Definitionen auf (der Einfachheit balber in bezug auf 6g1 ; die Definitionen fiir mehrere Argumente sind analog; ebenso die fiir I.l3r).

Der Satz 6 1 von SI habe die Form 6g1 (~1); 6 1 sei quasi­syntaktisch in bezug auf ~1; ~1 sei kein ~. S2 enthalte SI und eine Syntax von SI auf Grund von 0.1' 6g 11 (0.1 [~1]) sei ein auf Grund von 0.1 dem 6 1 zugeordneter syntaktischer Satz von Sz. Wir wollen zwei FaIle unterscheiden. 1. 6g1 (0.1 [~1]) ist ein Satz von SII und in Sa gehaltgleich mit 69. (0.1 [~1]); ebenso ist ffir jedes mit ~1 gattungsgleiche ~. 6g1 (0.1 [~z]) gehaltgleich mit 6g. (0.1

[~.]). In diesem Falle nennen wir ~1 in 6 1 autonym (auf Grund von 0.1 ); 6 1 nennen wir einen Satz der autonymen Redeweise (auf Grund von 0.1), - 2. Die genannte Bedingung ist nicht erfiillt. In diesem Falle sagen wir, 6 1 gehore zur inhaltliehen

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182 Allgemeine Syntax.

Redeweise (auf Grund von 0 1). 0 1 sei eine satzweise Obersetzung von S1 in Sa; und zwar sei daB Oa-Korrelat jedes (auf Grund von 0 1) quasi-syntaktischen Satzes von S1 ein (auf Grund von 0 1) zugeordneter syntaktischer Satz; das Oa-Korrelat jedes anderen Satzes sei dieser selhst. Die O2-Obersetzung der Sitze der inhalt­lichen Redeweise in zugeordnete syntaktische Satze nennen wir eiRe trbersetzung aus der inhaltlichen in die formale Redeweise.

Es ist zu beachten, daB die Unterscheidung zwischen autonymer und inhaltlicher Redeweise die Deutung betrifft. Damit ist gesagt, daB diese Unterscheidung nicht vor­genommen werden kann in bezug auf eine Sprache S1' die nur ala isolierter Ka.lkiil ohne Deutung gegehen ist. Es ist damit aber nicht gesagt, daB diese Unterscheidung auBerhalh des Rahmens des Formalen, also der Syntax, liegt. Denn auch die Deutung einer Sprache kann formal erfaBt werden und daher in die Syntax eingeordnet werden. Wie wir gesehen hahen, ist die Deutung einer Sprache S1 in bezug auf eine vorausgesetzte Sprache S2 formal zu erfassen entweder durch trhersetzung von S1 in Sl oder durch Einordnung von S1 ala Teilsprache in eine aus S. durch Erweiterung gehildete Sprache S3. 1st @i1 ein quasi ... syntaktischer Satz von S1 und ist die Deutung von S1 dadurch formal bestimmt, daB S1 Teilsprache einer Sprache S. ist, die auch die Syntax von S1 enthii.lt, so kann nach den vorher gege­benen Definitionen festgestellt werden, ob @i1 zur autonymen oder zur inhaltlichen Redeweise gebOrt. Praktisch sind wir aber hii.ufig nicht in der Lage, diese Entscheidung scharf zu treffen; nimlich dann nicht, wenn es sich um ein System S1 handelt, das ein anderer Autor aufgestellt hat, ohne die Obersetzung oder Einordnung von S1 in eine auch die Syntax von S1 enthaltende Sprache anzu­geben. Wird in einem solchen Fall iiberhaupt keine Deutung angegeben, BO fillt die Unterscheidung weg. Bei den meisten Kalkiilen, die bisher aufgestellt sind, hat man zwar eine Deutung angegeben, aber meist nicht durch scharfe syntaktische Bestim­mungen (Einordnung oder Obersetzung von S1 in eine andere formal festgelegte Sprache S.), BOndem nur durch inhaltliche Erlii.uterungen, d. h. durch Obersetzung der Sitze von S1 in mehr oder minder vage Sitze einer W ortsprache. Nimmt man auf Grund BOlcher Erlii.uterungen eine trbersetzung von S1 in eine

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Extensionalitat in bezug auf Teilsatze .. 183

formal festgelegte Sprache Sz vor, so kann man hochstens ver­muten, das yom Autor Gemeinte mehr oder weniger gut getroffen zu haben, d. h. eine 'Obersetzung vorgenommen zu haben, die weniger oder mehr von der abweicht, die der Autor selbst von SI in Sz vomehmen wiirde. Wenn wir im folgenden gewisse Siitze fremder Kalkiile oder der Wortsprache zur autonymen oder zur inhaltlichen Redeweise rechnen, so ist zu bea.chten, daB das nicht alB scharfe Feststellung gemeint ist; die Unterscheidung beruht bei den Satzen fremder Kalkule auf den interpretierenden Text· erlii.uterungen der Autoren, bei den Satzen der Wortsprache auf der Betrachtung des ublichen Sprachgebrauches. Dagegen kann die Feststellung, daB gewisse Satze quasi-syntaktisch (und nicht echt.syntaktisch) sind, mit der Scharfe getroffen werden, mit der die betreffende Sprache aufgestellt ist; dabei brauchen wir keine Rucksicht auf Deutung zu nehmen, weder auf inhaltlich noch auf formal angegebene.

65. Extensionalitlit in bezug auf Teilsatze. Zur Vorbereitung auf die Definition der Extensionalitat

betrachten wir zunachst die bisher ubliche Definition: man pflegt ein @Sfu! mit Einer Variablen fl extensional (oder eine Wahrheits­funktion) in bezug auf h zu nennen, wenn fUr beliebige @S1 und @S.

mit gleichem Wahrheitswert @SfUI (~) und @ifu1 (~2) gleichen

Wahrheitswert haben. 1st z. B. (in einer ahnlichen Symbolik wie II) ,T (p)' ein der&.rtiges @Sfu, so heiBt, T (p)' extensional, wenn ,(p= q) ::> (T (p) = T (q»' (@SI) wahr ist. Diese Definition mussen wir anders formulieren; den Begriff ,wahr' verwenden wir nicht, weil er kein echter syntaktischer Begriff ist; ferner wollen wir nicht die einschrii.nkende Voraussetzung machen, daB es in S f und eine eigentliche Aquivalenz und Implikation gibt. Da @S1 nicht nur (indeterminiert.) wahr, sondem giiltig sein muB, konnen wir die genannte Bedingung durch folgende ersetzen: fUr beliebige Satze, etwa,A' und,B', muB aus,A::::B' (@Sz)stets,T(A)-T(B)'(@Sa) folgen. Nach der Implikation wollen wir nun auch die Aquivalenz ausschalten. @S. hat die Eigenschaft, daB ,B' Folge von @S. und ,A' ist, und ,A' Folge von @Sz und ,B'. Und zwar ist @S1I der gehaltschwachste Satz mit dieser Eigenschaft; d. h. wenn irgend­ein ~1 auch die genannte Eigenschaft hat, so ist @Sz Folge von ~l;

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184 Allgemeine Syntax.

also ist dann 6 a, wenn es Folge von 6, ist, auch Folge von fr1•

Diesa "Oberlegungen geben den AnlaB zur Aufstellung der folgenden Definitionen.

In Analogie zu den f'riiher definierten Begriffen der (gewisser­maBen absoluten) Gehaltgleichheit zweier fr (oder 6), der Um­fangsgleichheit zweier 6g (oder Sfu oder ~t), der Synonymitat zweier ~ und der Wertverlaufsgleichheit zweier ~g (oder ~fu oder iJu) wollen wir jetzt entsprechende relative Begriffe in bezug auf eine Satzklasse definieren. 6 1 und S2 heiBen gehaltgleieh (miteinander) in bezug auf frl' wenn 6 2 Folge von frl + {61} und 6 1 Folge von frl + {Sa} ist. Sgl und 6gz heiBen umfangsgleich (miteinander) in bezug auf frl' wenn je zwei Vollsii.tze mit gleichen Argumenten gehaltgleich in bezug auf frl sind; ebenso fiir zwei 6fu oder zwei (gattungsgleiche) ~t. Zwei gattungsgleiche Ausdriicke ~1 und ~2 heiBen s yn 0 nym in be z ug

auf frl' wenn jedes SI gehaltgleich mit SI [~l in bezug auf frl ist. Wir sagen, ~gl und ~2 haben gleichen Wertverlauf in bezug auf frl' wenn je zwei Vollausdriicke mit gleichen Argu­menten synonym in bezug auf frl sind; ebenso fiir zwei ~fu oder iJu. ,.

Satz 65'1. a) Sind zwei S gehaltgleich, so auch gehaltgleich in bezug auf jedes fr. - b) Analog fiir Umfangsgleichheit. -c) Analog fiir Synonymitat. - d) Analog fiir Wertverlaufs­gleichheit.

Satz 65'2. a) Sind 6 1 und 6 11 gehaltgleich in bezug auf.ein giiltiges frl' so auch (absolut) gehaltgleich. - b) Analog fiir Umfangsgleichheit. - c) Analog fiir Synonymitat. - d) Analog fiir Wertverlaufsgleichheit.

Extensionalitii.t in bezug auf Teilsii.tze. 6 1 heiBt extensional in bezug auf den Teilsatz 6 11, wenn fiir beliebige 6 a und frl derart, daB 6. und Sa gehaltgleich in bezug auf frl sind,

stete 6 1 und 6 1 [~:l gehaltgleich in bezug auf frl sind. Ein 6g1,

zu dem 6 als Argumente passan, heiBt extensional, wenn fiir beliebige 6 1, 6 a, fr1 derart, daB 6 1 und SII gehaltgleich in bezug auf fr1 sind, stets SSI (61) und 6g1 (6a) gehaltgleich in bezug auf fr1 sind. Entsprechend fiir ein Sfu oder ~t, zu dem 6 als Argumente pa.ssen. 1st jeder Satz von S extensional in bezug auf jeden Teilsatz, so nennen wir S extensional in bezug auf

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Extensionalitat in bezug auf Teilsatze. 185

Teilsatze. 1st jeder Satz von S wenigstens in bezug auf jeden geschlossenen Teilsatz extensional, so nennen wir S extensional in bezug auf geschlossene Teilsatze. ,Intensional' soli dasselbe bedeuten wie ,nicht extensional' (in den verschiedenen Zusammen­hangen). [,Intensional' bedeutet bei uns nichts weiter, besonders nicht so etwas wie ,auf Sinn bezogen' od. dgl.; bei manchen Autoren hat das Wort eine solche Bedeutung oder beide Bedeu­tungen vermengt, vgl. § 71.]

Satz 65'3. 1st S extensional in bezug auf Teilsatze, so sind alie @Sg, @Sfu und ~r von S, zu denen @S als Argumente passen, extensional.

Satz 65'4. S sei extensional in bezug auf Teilsii.tze. a) Sind zwei @S gehaltgleich in bezug auf srI' so auch synonym in bezug auf sri' - b) Sind zwei@S gehaltgleich, 80 auch synonym. - c) Sind zwei ~r, deren Argumente @S sind, umfangsgleich in bezug auf sri' so auch synonym in bezug auf Sl'l' - d) Sind zwei ~r, deren Argu­mente @S sind, umfangsgleich, so auch synonym. - e) Sind zwei ~u, deren Argumente @S sind, wertverlaufsgleich in bezug auf sri' 80 auch synonym in bezug auf sri' - f) Sind zwei ~u, deren Argu­mente @S sind, wertverlaufsgleich, so auch synonym.

Satz 65'5. Satzverknupfungen. Besitzt ein ~f oder bf eine Charakteristik, so ist es extensional; und umgekehrt. - Somit sind eigentliche Negation, eigentliche Implikation usw. extensional.

Satz 65'6. 1st S extensional in bezug auf Teilsatze oder wenigstens in bezug auf geschlossene Teilsatze, so sind alie ~f extensional.

Satz 65'7. ~fl sei eine eigentliche Xquivalenz in S. Dann gilt: a) @Sl und @Sa sind stets gehaltgleich in bezug auf ~fl (@Sl' @S1I)' - b) S ist dann und nur dann extensional in bezug auf geschlossene Teilsii.tze, wenn fur beliebige geschlossene @Sl'

@Sa, @Sa stets ~fl (@Sa, @Sa [~~]) Folge von ~f1 (@Sl' @S.) ist. -

c) Es !!Eli femer ~f8 eine eigentliche Implikation in S; dann gilt: S ist dann und nur dann extensional in bezug auf Teilsii.tze, wenn

fur beliebige @S1' @Sa, @Sa stets ~f. (~f1 (@S1' @S.), ~f1 (@Sa, @Sa [~~]» giiltig ist.

Satz 65·S. ,-=' sei ein eigentliches Xquivalenzzeichen in S.

1st @S. = @Sa giiltig, @S1 = @Sl [~I] aber nicht giiltig, 80 ist @S1 intensional in bezug auf @S.. •

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186 Allgemeine Syntax.

ISg~ heiBt ein Identitats-lSg, wenn je zwei mogliche ArgumenOO ~l' ~. stets synonym in bezug auf ISgl (~l' ~.) sind. Ein Identit8.ts-lSg ISg l heiBt ein eigentliches, wenn fUr je zwei mogliche Argumente ~l' \2(., die synonym in bezug auf ~l sind, soots ISg l (~l' ~.) Folge von ~l ist; andernfalls ein un­eigentliches. 1st ISgl ein eigentliches oder uneigentliches Identi­t8.ts-lSg, so heiBt ISgl (~l' ~.) ein eigentlicher bzw. uneigentlicher Identitiitssatz (oder Gleichung) fiir ~l und ~ •. Ein l't~ heiBt ein eigentliches oder uneigentliches Identitatszeichen (oder Identit8.tspr8.dika.t oder Gleichheitszeichen) fiir alle AusdrUcke oder fiir die Ausdriicke der Kla.sse ~l' wenn der Satz l'tl (~l' ~2) fUr beliebige ~ bzw. fiir beliebige ~ von ~l ein eigentlicher bzw. uneigentlicher Identit8.tssatz fiir ~l und ~I ist. (S kann z. B. verschiedene Identit8.tszeichen fiir ,8, IS, ~t enthaloon.)

Satz 65'9. ISl aei ein Identit8.tssa.tz fiir ~l und ~ •. - a) ~l und ~I sind synonym in bezug auf ISl ' - b) 1st ISl giiltig, so sind ~l und ~2 (absolut) synonym.

Satz 65'10. S aei extensional in bezug auf Teilsatze. a) 1st )lHl eine eigentliche Aquivalenz, so ist ~fl (lSl , IS.) soots ein eigent­licher Identit8.tssa.tz fiir ISl und lSa. - b) Ein eigentliches Aquiva­lenzzeichen ist ein eigentliches Identit8.tszeichen fiir Satze.,

66. Extensionalitlit in bezug auf Teilausdrilcke. Wir gehen hier wieder von der bisher iiblichen Definition

aus (wir wollen dabei die Symbolik von II verwenden). Man pflegt ein ISfu~ mit einer Variablen l'l' etwa ,M(F)' extensional in bezug auf ,F' zunennen, wenn ,(X)(F(x)=G (x»)(M(F)=M(G»' wahr ist. Diese Bedingung konnen wir, ahnlich wie friiher, so um­formulieren: fiir beliebige ,Pl' und ,PI' muB ,M (Pl ) = M (P.>' soots Folge von ,(x) (Pl (x) = p. (x»' aein. In Anlehnung hier­an stellen wir die folgenden Definitionen auf.

Extensionalitat in bezug auf Teilausdriicke. In ISl komme ~tl vor; ISl heiBt extensional in bezug auf ~tl' wenn fUr beliebige ~t., ~l derart, daB ~tl und ~t. umfangsgleich in

bezug auf stl sind, soots ISl und ISl [~~!l gehaltgleich in bezug auf stl sind. In ISl komme ~Ul vor; lSI heiBt extensional in bezug auf ~UI' wenn fiir beliebige ~u., st l derart, daB ~UI und ~u.

gleichen Wertverlaufin bezug auf ~l haben, stets IS l und lSI [R:~l

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Extensionalitat in bezug auf Teilausdriicke. 187

gehaltgleich in bezug auf ~1 sind. - 1st 6 1 extensional in bezug auf aIle in 6 1 vorkommenden 6, $r und iju, so heiBt 6 1 exten­sional. - Ein 6g1, zu dem $r oder iju oder 6 als Argumente passen, heiBt extensional, wenn jeder Vollsatz von 6g1 in bezug auf jedes Argument extensional ist. Entsprechend fUr ein 6fu1

oder $r1' zu dem $r oder iju oder 6 aIs Argumente passen.

1st jeder Satz von S extensional in bezug auf jeden Teil­ausdruck $r (bzw. iju), so heiBt S extensional in bezug auf $r (bzw. iju). 1st S extensional in bezug auf Teilsatze, $r und iju, 80 heiBt S extensional.

Satz 66'1. a) 1st S extensional in bezug auf $r, so sind (absolut oder in bezug auf ~1) umfangsgleiche $r stets (absolut bzw. in bezug auf ~1) synonym. - b) 1st S extensional in bezug auf iju, so sind zwei iju, die (absolut oder in bezug auf ~1) gleichen Wertverlauf haben, stets (absolut bzw. in bezug auf ~1) synonym.

Beispiele. Die Sprachen von Russell, von Hilbert und unsere Sprachen I und II sind extensional in bezug auf Teil­satze. Das liUlt sich z. B. an Hand des Kriteriums von Satz 65'7 c zeigen (vgl.. Hilbert [Logik] 61). - Die Aquivalenzzeichen in diesen Sprachen sind eigentliche; daher sind sie nach Satz 65'10 b auch eigentliche Identitatszeichen fiir 6. Die Sprachform wird einfacher, wenn man (wie in I und II, im Unterschied zu Russell und Hilbert) nur Ein Identitatszeichen verwendet, namlich fiir 6 dasselbe wie fiir 8, o~ usw. - Bilden wir aus der R ussellschen Sprache R erne neue Sprache R' durch Erweiterung der Formbestimmungen, indem wir undefinierte ~rb mit 6 aIs Argumenten zulassen, so ist R' nicht mehr notwendig extensional in bezug auf Teilsatze; um auch hier die Extensionalitat zu gewahrleisten, kann man etwa so vor­gehen, daB man 6 = 6 als Satz zulaBt und (in Analogie zu GIl 22, s. u.) einen neuen Grundsatz aufstellt: ,(p ==' q) , (p = q)'. Wird in derselben Weise aus II die erweiterte Sprache II' gebildet, so ist sie extensional in bezug auf Teilsatze. Hier ist kein neuer Grundsatz erforderlich, do. wir das Identitatszeichen als Aquivalenzzeichen ver­wenden, so daB jener Implikationssatz beweisbar ist.

Die Sprachen I und II sind auch allgemein extensional. In II ist die Extensionalitat in bezng auf \l!t und ~u gewahrleistet durch GIl 22 und 23 (vgl. S.83). Bei den anderen Sprachen kann die Fraga der Extensionalitat in bezug auf \l!t und ~u erst entschieden werden, wenn nahere Festsetzungen getroffen werden, vor allem dariiber, was fiir undefinierte lI~tb (fiir 110 > 1) zugelassen werden.

Die Sprachen von Lewis, Becker, Chwistek, Heyting sind intensional, und zwar auch schon fiir geschlossene Teilsatze (vgl. § 67).

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188 Allgemeine Syntax.

67. Extensionalitiitsthese. Wittgenstein ([Tractatus] 102, 142, 152) hat die These

aufgestellt, daB jeder Satz "eine Wahrheitsfunktion der Elemen­tarsii.tze", also (in unserer Terminologie) extensional in bezug auf Teils8.tze sei. In Anlehnung an ihn hat Russell ([Vorwort] 13ff., [Princ. Math. P], S. XIV und 659ff.) dieselbe Ansicht in bezug auf Teilsii.tze und Prii.dikate vertreten; ebenso ich von etwas anderem Gesichtspunkt aus ([Aufbau] 59ff.). Hierbei hat sich jedoch keiner von una klargemacht, daB es eine Vielheit mog­licher Sprachen gibt; insbesondere spricht Wittgenstein stete von "der" Sprache schlechthin. Yom Gesichtspunkt der all­gemeinen Syntax aus ist offenkundig, daB jene These unvoll­stii.ndig ist und erganzt werden muB durch die Angabe, auf welche Sprachen sie sich beziehen solI. Sie gilt jedenfalls nicht fiir alle Sprachen, wie die bekannten Beispiele intensionaler Sprachen zeigen. Die von Wittgenstein, Russell und mir an den genannten Stellen angegebenen Grlinde sprechen nicht fiir die Notwendigkeit, sondem nur fiir die Moglichkeit einer extensionalen Sprache. Wir wollen deshalb die Extensionalitatsthese jetzt in der folgenden vollstii.ndigeren und bescheideneren Formulierung auf~ stellen: eine Universalsprache der Wissenschaft kann extensional sein; genauer: zu jeder vorgegebenen intensio­nalen Sprache SI lii.Bt sich eine extensionale Sprache S2 derart konstruieren, daB SI in Sl iibersetzbar ist. 1m folgenden sollen die wichtigsten Beispiele intensionaler Sii.tze besprochen und die Moglichkeit ihrer 'Obersetzung in extensionale Sii.tze gezeigi; werden.

Es seien einige der wiehtigsten Beispiele intensionaler Satze genannt. ,A' und ,B' seien Abkiirzungen (nieht Bezeieh­nungen I) fiir Satze, etwa fiir "Es regnet jetzt in Paris" od. dgl. 1. Russell ([Prine. Math. I] 73, [Math. Logik] 105, [Math. Phil.] 187f.; ahnlieh Behmann [Logik] 29) gibt Beispiele ungefahr folgen­der Art: "Karl sagt A", "Karl glaubt A", "es ist aufiallend, daB A", "A handelt von Pa.ris". tJbrigens ha.t Russell selbst spater, in An­lehnung an Gedanken von Wittgenstein, diese Beispiele abgelehnt, ihre Intensionalitat als nur seheinbar hingestellt ([Prine. Math. II] Appendix C); statt dessen werden wir lieber sagen: dieee Satze sind zwar wirklieh intensional, aber sie sind iibersetzbar in extensionale Satze. - 2. Intensionale Satze iiber Enthaltensein und Einsetzung von Ausdriieken: ,,(DerAusdruek) Prim (3) entMlt (denAusdruek) 3", "Prim (3) entsteht aus Prim (X) dureh Einsetzung von 3 fiir x".

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Extensionalitatsthese. IS9

Satze dieser Art (aber in Symbolen geschrieben) kommen in den Sprachen von Chwistek und Heyting vor. - 3. Intensionale Satze der Modalitatslogik: "A ist moglich " , "A ist unmoglich", "A ist notwendig", "B ist Folge von A", "A und B sind unvertrag­lich". Satze dieser Art (in Symbolen) kommen in den Systemen der Moda.litatslogik von Lewis, Becker u. a. vor. - 4. Folgende in­tensionalen Satze sind verwandt mit denen der Modalitatslogik: "Weil A, so B", "Obwohl A, B" und ahnliche. - DaJl irgendein Satz @i1 der genannten Beispiele intensional in bezug auf ,A' und ,B' ist, ergibt sich (nach Satz 65'S) daraus, daB sich leicht ein Satz ,C' finden laJlt derart, daJl ,A == C' giiltig, dagegen @i 1 == @i 1 [:~:] wider­giiltig ist. - Die genannten Beispiele werden im folgenden genauer erortert.

Die angegebenen Beispiele scheinen auf den ersten Blick sehr verschiedenartig. Sie stimmen jedoch, wie die niihere Dnter­suchung zeigen wird, in einer bestimmten Beschaffenheit iiberein; und diese ist der Grund fUr ihre Intensionalitiit: aIle diese Siitze sind niimlich quasi-syntaktisch, und zwar in bezug auf die Ausdriicke, in bezug auf die sie intensional sind. Mit der Feststellung dieses Charakters ist auch die Moglichkeit ihrer Ubersetzung in eine extension ale Sprache gegeben, indem namlich jeder quasi-syntaktische Satz in einen zugeordneten syntaktischen Satz iibersetzt wird. DaB die Syntax irgendeiner (auch intensionalen) Sprache sich in einer extensionalen Sprache formulieren laBt, ist leicht einzusehen. Denn die Arithmetik lii.Bt sich in beliebig weitem Umfang in einer extensionalen Sprache formulieren, und daher auch eine arithmetisierte Syntax; iibrigens gilt das gleiche auch fUr eine Syntax in axiomatischer Form.

Das Gesagte gilt fiir die bisher bekannten Beispiele intensio­naler Siitze. Da nicht bekannt ist~ ob es nicht vielleicht auch intensionale Siitze gibt, die ganz anderer Art sind als die bekannten, so wissen wir auch nicht, ob die genannte oder andere Methoden zur Ubersetzung aller moglichen intensionalen Siitze anwendbar Bind. Daher Boll hier die ExtenBionalitiitsthese (obwohl Bie mir ziemlich plausibel zu Bein Bcheint) n ur als V erm u tung hingestellt werden.

68. Intensionale Sittze der autonymen Redeweise. Einige der bekannten Beispiele intensionaler Siitze gehoren

zur autonymen Redeweise. Bei der Ubersetzung in eine extensio-

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190 Allgemeine Syntax.

nale Sprache werden sie in die zugeordneten syntaktischen Satze iibersetzt. Wir wollen zunachst den umgekehrten ProzeB be­trachten: die Bildung eines intensionalen Satzes mit einem auto­nymen Ausdruck aus einem extensionalen syntaktischen Satz. Dadurch wird der Charakter dieser intensionalen Sii.tze deutlich werden.

SI und S2 seien extensionale Sprachen; S. enthalte S1 aIs Teilsprache und die Syntax von S1 auf Grund von 0 1, m:1 sei ein ®, ~t oder ~u von SI' ®2 (in S2) habe die Form ~t2 (01 [m:1). Inhaltlich gedeutet: 0 1 [m:11 ist syntaktische Bezeichnung fiir m:1; ®2 schreibt dem m:1 eine gewisse durch ~tl ausgedriickte syntaktische Eigenschaft zu. ~tl (m:1) wird im allgemeinen kein Satz von S. sein. Wir bilden nun aus S2 eine erweiterte Sprache Sa (d. h. S. ist echte Teilsprache von Sa); die Formbestimmungen werden erweitert: in Sa soll fiir jedes mit m:1 in SI gattungsgleiche m:a ~t2(m:a) ein Satz sein, also auch ~t2(m:l) (dies sei ®1); ferner werden die Umformungsbestimmungen erweitert: in Sa soll fiir jedes mit m:1 in SI gattungsgleiche m:a ~tS(m:3) gehaltgleich sein mit ~ta (01 [m:a)), also auch ®1 mit ~t2 (01 [m:1)) (dies ist ®z). Dann ist nach dem friiher angegebenen Kriterium (S. 181) m:1 in ®1 autonym. Ein Satz, der nachArt von ®1 hergestellt ist, wirtl im allgemeinen intensional in bezug auf m:1 sein.

Beispiel. SI sei r. Als Syntaxsprache in S. nehmen wir die Wortsprache; die 01-Korrelate (die synta.ktischen Bezeichnungen) seien mit AnfUhrungszeichen gebildet. 211 sei ,0" = 2', also 21. , ,0" = 2' '. @II sei ",0" = 2' ist eine Gleichung". Dann ist @II: ,,0" = 2 ist eine Gleichung". Wir bestimmen fUr Sa: @II und @I. sollen gegenseitige Folgen sein; und ebenso entsprechende andere Satze mit demselben ~r. Dann ist ,0" = 2' in @II autonym. Und ~ ist nach Satz 65'S intensiona.l in bezug auf ,0" = 2'. Es sei namlich 2la ,Prim (3)'; dann ist 211 == 2la analytisch, aber ,Prim (3) ist eine Gleichung', weilgehaltgleich mit, ,Prim (3)' ist eine Gleichung', kontradiktorisch.

Einige der friiher genannten Beispiele intensionaler Satze haben nun denselben Charakter wie die in der beschriebenen Weise hergestellten intensionalen Satze: die Intensionalitat beruht auf dem Vorkommen eines autonymen Ausdrucks. Wir wollen einige Beispiele hierfiir nennen; dabei geben wir die zugeordneten syntaktischen Satze an; diese konnen einer extensionalen Sprache angeMren. [Die Satze 1 b und 2b geMren zur deskriptiven Syntax,

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Intensionale Satze der autonymen Redeweise. 191

3 b, 4 b, 5 b zur reinen Syntax. Die vorangehenden "Oberlegungen und Begriffsbildungen haben wir nur auf die reine Syntax bezogen; sie konnen jedoch fiir die deskriptive Syntax entsprechend er­weitert werden.] Die Deutung als autonyme Redeweise scheint mir bei diesen Satzen naheliegend, insbesondere bei 4a, 5a. Will jedoch jemand einen der Satze (vielleicht 211., 3a) nicht zur auto­nymen Redeweise rechnen, so steht ihm das frei; dann gehort der betreffende Satz zur inhaltlichen Redeweise. Wesentlich ist nur: 1. diese intensionalen Satze sind quasi-syntaktisch; 2. sie konnen (mit allen andern Satzen derselben Sprache) in exten­sionale Satze iibersetzt werden, namlich in die zugeordneten syntaktischenSatze.

In tension ale Sa tze E xtensionale Sa tze der autonymen Redeweise. der Syntax.

,A' sei Abkiirzung (nicht Bezeichnung!) irgendeines Satzes. la. Karl sa.gt (oder: schreibt, lb. Karl sagt ,A'.

liest) A. 211.. Karl denkt (oder: behauptet, 2b. Karl denkt ,A'.

gla.ubt, wundert sich uber) A. [Von gleicher Art ist "Es ist auffallend, daB ... ", d. h. "Viele wundern sich daruber, daB ... ".J 380. A handelt von Paris.

411.. Prim (3) enthalt 3. 511.. Prim (3) entsteht aus Prim (x)

durch Einsetzung von 3 fUr x.

3 b. In einem Satz, der aus ,A' durch Elimination definierter Zeichen entsteht, kommt ,Paris' vor.

4 b. In ,Prim (3)' kommt ,3' vor. 5b. ,Prim (3)' entsteht aus

,Prim (x)' durch Einsetzung von ,3' fur ,x'.

Wir haben hier die fruher (S. 188) genannten Beispiele inten­sionaler Satze, die Russell, Chwistek und Heyting aufgestellt haben, al.s Satze der autonymen Redeweise gedeutet. Diese Deutung wird nahegelegt durch die deutenden Hinweise der Autoren selbst. Die Satze von Russell sind schon in Wortsprache gegeben; bei den Satzen von Chwistek und Heyting, die in Symbolen formuliert sind, geben die Autoren selbst die Umschreibung in Wortsprache entsprechend 480 und 580 an.

Chwisteks System der sog. Semantik stellt sich im ganzen gesehen etwa dieselbe Aufgabe wie unsere Syntax. Chwistek ver­wendet jedoch dabei durchgehend die autonyme Redeweise (an­scheinend, ohne es sich bewuJlt zu machen): zur Bezeichnung eines

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192 Allgemeine Syntax.

Ausdrucks, uber den ein Satz der Semantik spricht, wird stets ent­weder dieser Ausdruck selbst verwendet, oder ein Zeichen, das mit dem Ausdruck synonym ist (also urspriinglich nicht Bezeichnnng, sondern Abknrznng fUr den Ausdruck ist). Infolge der Anwendnng der antonymen Redeweise sind viele Satze von Chwisteks Semantik intensional. Dadurch ist C. zu der Auffassnng gekommen, jede formale (C. sagt: "nominalistische") Theorie der Sprachausdnicke miisse intensionale Satze verwenden. Diese Auffassnng wird wider­legt durch das Gegenbeispiel nnserer Syntax, die streng formal, aber durchweg extensional ist (am deutlichsten zu sehen an der formall­merten Syntax von I in I, Kap. II). Wenn C. sich genotigt sah, fUr seine Semantik die einfache Typenregel zu verwerfen nnd wieder zur verzweigten zuruckzugreifen (vgl. S. 163), so ist auch das, wie mir scheint, nur eine Folge der Anwendnng der autonymen Redeweise.

Heyting gibt als Wortumschreibnng fUr gewisse symbolische Ausdnicke seiner Sprache an: "der Ausdruck, der aus a entsteht, indem man die Veranderliche x uberall, wo sie auftritt, durch die Zeichenzusammenstellnng p ersetzt" ([Math. I] 4) nnd: "g enthalt x nicht" ([Math. I] 7), also Formulierungen, die, wie nnsere Beispiele 4a nnd 5a, zweifellos zur autonymen Redeweise gehoren. Aber auch schon der SatzkalkUl von H.s System [Logik] enthii.lt intensionale Satze; es werden Satzverknupfungen angewendet, von denen sich zeigen liiBt, daB sie keine Charakteristik besitzen (vgl. S. 156). Diesa Umstii.nde legen die Vermutnng nahe, daB das ganze System nicht nur von nns in ein System syntaktischer Satze ubersetzt werden kann, sondern auch vom Autor in gewissem Sinne so gemeint ist. ["In gewissem Sinne", weil die Unterscheidnng zwischen Objekt­nnd Syntaxsprache nirgends explizit gemacht wird, so daB auch nicht deutlich ist, welche Sprache es ist, deren Syntax in dem System dargestellt werden solI.] Nach [Grundlegnng] 113 ist die Behauptung einer Aussage (die symbolisch durch Voransetzen des Behauptungs­zeichens vor die Aussage formuliert wird) "die Feststellung einer empirischen Tatsache, namlich der Erfiillnng der durch die Aussage ausgednickten Intention" oder Erwartnng eines moglichen Erleb­nisses; eine salche Behauptnng besagt z. B. den historischen Sach­verhalt, daB ich einen Beweis fUr die betreffende Aussage vor mir liegen habe. Hiernach waren die Behauptungen von H.s System als Satze der deskriptiven Syntax zu deuten. Anderseits gibt Godel [Kolloquium 4] 39 eine Deutung von H.s System, bei der die Sitze des Systems rein-syntaktische Sitze uber Beweisbarkeit sein wlirden; dabei wird , ,A' ist beweisbar' durch ,BA' formuliert, also in auto­nymer Redeweise.

69. Intensionale SAtze der Modalitlitslogik. Wir gehen hier einige weitere Beispiele intensionaler

Sii.tze und ihre Obersetzung in extensionale syntak-

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Intensionale Sitze der ModalititBlogik. 193

tische Satze. Durch diese 'Obersetzung erweisen sich jene intensionalen Satze als quasi-syntaktisch. Die Satze III. bis 411. enthalten Begriffe, die man Modalitaten zu nennen pflegt (,moglich', ,unmoglich', ,notwendig', ,zufallig' (im Sinne von ,kontingent', ,nicht notwendig und nicht unmoglich'). Die Satze 5 a bis 7 a enthalten Begriffe, die einen ahnlichen Charak­ter haben wie jene Modalitaten, und die daher von den neueren Systemen der Modalitatslogik (Lewis, Lukasiewicz, Becker u. a.) mit jenen gemeinsam behandelt zu werden pflegen. In diesan Systemen werden die Modalit8.tssatze symbolisch formu­liert, etwa nach Art unserer Beispiele 1 b bis 7 b. Die Beispiele 811. sind intensionale Satze der iiblichen Wortsprache, die wir bier anreihen, da sie, wie die synt&ktischen 'Obersetzungen erkennen lassen, mit jenen Modalit8.tssatzen verwandt sind. ,A' 'und ,B' sind bier Satze, z. B. Abkiirzungen (nicht Bezeichnungen!) fiir bestimmte (etwa synthetische) Satze derWortsprache oder einer symbolischen Sprache.

In tensio nale Satze der Modalitatslogik.

lao A ist mog- 1 b. M (A). Hch.

211.. A. ~ A ist 2b. U(A.~A); unmoglich. ~ M(A. ~ A)

311.. A v ~ Aist 3b. N (A v ~ A); notwendig. ~M~(Av-A).

411.. A ist zu- 4b. - N (A). fa.llig. ~ U (A); M (A) •

M(- A).

511.. A impli- 5b. A < B. ziert (strikt) B; B ist Folge vonA.

611.. A und B 6b. A = B. sind strikt aquivalent. I

7a.AundBsind 7b. V (A, B); vertraglich. - (A < ~ B).

811.. Weil A, darum B; B, denn A; A, also B.

Car nap. Syntax. 2. Aull.

I Extensionale Satze der Syntax.

11 C. ,A' ist nicht kontradiktorisch.

2c. ,A. - A'istkontradiktorisch.

3c. ,A v - A' ist analytisch.

4c. ,A' ist synthetisch. (,A' ist weder analytisch, noch kontra­diktorisch; weder ,A' noch ,~ A' sind kontradiktorisch).

5 C. ,B' ist L-Folge von ,A'.

6c. ,A' und ,B' sind gegenseitige L-Folgen.

7 C. ,A' und ,B' sind L-vertraglich. (,- B' istnichtL-Folgevon ,A'.)

8c. ,A' ist analytisch, ,B' ist L­Folge von ,A', ,B' ist analytisch. (,A' ist giiltig, ,B' ist Folge von ,A', ,B' ist gUltig.)

13

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194 Allgemeine Syntax.

Da die Modalitatsbegriffe ziemlich vage und mehrdeutig sind, kann man ffir die V"bersetzungen auch andere syntaktische Begriffe wii.hlen; etwa in 2c anstatt ,kontradiktorisch': ,widergiiltig' oder ,L-widerlegbar' oder ,widerlegbar'; ebenso in den anderen FiiJIen anstatt des L-f-Begriffes den allgemeinen f-Begriff oder den L-a­Begriff oder den a-Begriff. Bei 8c ist vielleicht sogar in den meisten Fallen der allgemeine f-Begriff (oder der P.Begriff) ala Deutung ffir 8a naheliegender als der L.Begriff. - Der Unterschied zwischen den sog. logischen und den sog. realen Modalitii.ten kann bei der V"bersetzung durch den Unterschied zwischen L· und allgemeinen f.Begriffen (oder auch P.Begriffen) wiedergegeben werden:

9a. A ist logisch.unmoglich. lOa. A ist real.unmoglich.

9c. ,A' ist kontradiktorisch. lOCI' ,A' ist widergiiltig. lOc •. ,A' ist P.widergiiltig.

Die V"bersetzung von lOa hangt von der Bedeutung von ,real· unmoglich' abo 1st dieser Terminus so gemeint, daJl er auch auf die FaIle der logischen Unmoglichkeit angewendet werden solI, so ist V"bersetzung lOCI zu wahlen; andernfalls 10c •. - Analoge V"ber. setzungen sind ffir die drei andern Modalitaten zu geben, fUr ,logisch. (bzw. real-) moglich', ,-notwendig', ,.zufallig'.

DaB die Satze la. bis lOa, 1 b bis 7b intensional sind, ist leicht zu erkennen. [Beispiel. Es sei etwa ,Q' ein undefiniertes l'tb, ,=' ein eigentliches Aquivalenzzeichen. 6 1 sei ,Prim (3) == Q (2)'; i. sei ,Prim (3) ist notwendig'; 6. sei ,Q (2) ist notwendig'. Dann kann 6. == 6 a nicht Folge von 6 1 sein (denn 6 1 ist synthetisch, 6. ana­lytisch, 6 8 kontradiktorisch, also 6. == 6 8 kontradiktorisch). Also ist (nach Satz 6S'7b) 6. intensional in bezug auf ,Prim (3)'.]

Da die angegebenen Sii.tze quasi.syntaktisch sind, so konnen wir sie entweder als Sii.tze der autonymen Redeweise oder ala Sii.tze der inhaltlichen Redeweise deuten. Bei den Sii.tzen des vorigen Paragraphen legte die Formulierung in Worten oder die von den Autoren gegebene Wortumschreibung die Deutung im Sinne der autonymen Redeweise nahe. Bei den hier genannten symbolischen Sii.tzen 1 b bis 7b ist dagegen nicht ]dar, welche der beiden Deutungen gemeint ist, obwohl von den Autoren Wortumschreibungen (nach Art der Sii.tze la bis 7a) und zuweilen auch ausfiihrliche inhaltliche Erlii.uterungen gegeben we~en. Auf ein bestimmtes Beispiel bezogen, lautet die entscheidende Frage (inhaltlich formuliert): solI ,U (A)' und ,A ist unm()glich' vom Satz ,A' handeln oder von dem, was durch ,A' bezeichnet wird 1 (Formal formuliert:) solI "A' ist unmoglich' auch ein Satz sein 1 [Wenn ja, so solI er zweifellos gehaltgleich mit ,A ist un·

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Intensionale Satze der Modalitatslogik. 195

moglich' sein.] Wenn ja, gehOren ,U (A)' und ,A ist unmoglich' zur autonymen Redeweise; wenn nein, zur inhaltlichen Rede­weise. Die Autoren geben zwar an, da.ll die Modalitiitssiitze von Sii.tzen handeln sollen; aber diese Angabe wiirde nur dann die Frage entscheiden, wenn klar wiire, was mit dem Terminus ,Satz' (bzw. ,proposition') gemeint ist. Wir wollen die beiden Moglich­keiten getrennt erortern.

1. Angenommen, die Autoren meinen den Terminus ,Satz' als syntaktischen Terminus in unserem Sinne(niimlich als Be­zeichnung fur gewisse physikalische Gebilde in der deskriptiven Syntax, als Bezeichnung fUr gewisse Ausdrucksgestalten in der reinen Syntax). Dann handelt ,A ist unmoglich' yom Satz ,A', ist daher gehaltgleich mit, ,A' ist unmoglich' und gehort zur auto­nymen Redeweise. In diesemFalleruhrtdieIntensionalitiit der modalitiitslogischen Siitze nicht daher, da.ll sie uber Ausdrucke (in den Beispielen @3, sonst auch ~t) sprechen, sondern daher, da.ll sie dies nach autonymer anstatt nach syntaktischer Methode tun.

2. Angenommen, die Autoren meinen mit ,Satz' (,proposition') nicht einen Satz (in unserem Sinne), sondern das, WR,S durch einen Satz (in unserem Sinne) bezeichnet wird. [Z. B. ist vielleicht bei Lewis [Logic] 472ff. die Unterscheidung zwischen ,propo­sition' und ,sentence' in dieser Weise zu verstehen.] Wir wollen die Frage, was dieses durch einen Satz Bezeichnete ist, hier beiseite lassen (manche meinen: Gedanken oder Gedankeninhalte; andere: Fakten oder mogliche Fakten); diese Frage verfuhrt leicht zu philosophischen Scheinproblemen. Wir wollen einfach neutral ,das Satzbezeichnete' sagen. Bei dieser Deutung schreibt der Satz ,A ist unmoglich' nicht dem Satz ,A', sondern dem Satzbezeichneten A die Unmoglichkeit zu. Die Unmoglichkeit ist hierbei keine Eigenschaft von Siitzen, "A' ist unmoglich' ist kein Satz; es liegt also nicht autonyme Redeweise vor, sondern inhaltliche Redeweise. ,A ist unmoglich' schreibt dem Satzbezeichneten A eine quasi-syntaktische Eigenschaft zu, an­statt dem Satz ,A' die zugeordnete syntaktische Eigenschaft (hier ,kontradiktorisch') zuzuschreiben. [Bei diesem Beispiel ist die zweite Deutung vielleicht naheliegend. Sie ist die einzig mog­liche bei der Formulierung ,der V organg (oder: Sachverhalt, Zustand) A ist unmoglich'; vgl. § 79, Beispiele 33 bis 35. Dagegen wird man einen Satz uber Folgeb~ziehung oder uber Ableitbarkeit

13*

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196 Allgemeine Syntax.

vielleicht eher auf die Satze als auf d&s Sa.tzbezeichnete beziehen, a.lso die erste Deutung wahlen.] Wir werden spater allgemein sahen, da.B die Anwendung der inhaltlichen Redeweise, wenn sie auch nicht unzulii.ssig ist, doch die Gefahr der Verwicklung in Un­klarheiten und Scheinprobleme mit mch bringt, die bei Anwendung der formalen Redeweise vermieden werden. So auch hier. Die moda.litii.tBlogischen Systeme sind (im ga.nzen) formal einwandfrei. Wenn man me aber (in dem begleitenden Text) in der zweiten Weise deutet, also als inhaltliche Redeweise, so entstehen leicht Scheinprobleme. Hieraus sind wohl auch die seltsamen, zum Teil nicht recht verstii.ndlichen Fragen und 'Oberlegungen zu erklii.ren, die in einigen Abhandlungen der Modalitii.tslogik an die Moda.litii.tssii.tze angekniipft werden.

C. I. Lewis ha.t zuerst da.rauf hingewiesen, daB in der Sprache von Russell (Princ. Math.] nicht ausgedruckt werden kann, daB ein bestimmter Satz notwendig gelte oder daB ein bestimmter Satz Folge eines andem sei. Russell kann demgegenuber mit Recht darauf hinweisen, daB sein System trotzdem fdr den Aufbau der Logik und Mathematik hinreicht, daB in diesem System die not­wendig geltenden Satze bewiesen und ein Satz, der aus einem andem folgt, aus diesem abgeleitet werden kann. Lewis' Beha.uptung. be­steht zwar zu Recht, aber Ilie zeigt nicht etwa eine Lucke innerhalb von Russells Sprache auf. Die Forderung, aueh Notwendigkeit, Mogliehkeit, Folgebeziehung usw. ausdriieken zu konnen, ist an sieh berechtigt; Ilie ist von una z. B. in bezug auf die Sprachen I und II nieht dureh eine Erganzung dieser Sprachen, sondem dureh Auf­stellung einer Syntax dieser Sprachen erfiillt worden. Lewis und Russell dagegen - in diesem Punkt einig - saben die Folgebeziehung und die Implikation ale gleichgeordnete Begriffe an, namlieh ale Beziehungen zwischen Satzen, von denen die zweite die engere ware. Daher sah Lewis sich veranlaBt, Russells Sprache dadureh zu er­weitem, daB er neben RUBBells Implikationszeichen ," (BOg. materiale Implikation; in unserer Terminologie: eigentliche Implikation) ein neues Zeiehen ,<' filr die BOg. strikte Implikation (in unserer Terminologie: ein intenaiona1es, uneigentliches Implikationszeichen ohne Charakteristik) einfiihrte. Diesas solI die Folge- (oder Ableit­barkeitB-) Beziehung zum Ausdruck bringen, d. h. ,A < B' solI in Lewis' Spra.che dann beweisbar sein, wenn ,B' Folge von ,A' ist. Lewis wies mit Recht darauf hin, daB Russells Implikation dieser Deutung nicht entBpricht, und daB uberha.upt keine der sog. Wahl­heitsfunktionen (in unserer Terminologie: der extenaionalen Satz­verknupfungen) die Folgebeziehung ausdriieken kann. Daher glaubte Lewis zur Einf11hrung intensionaler Satzverkniipfungen, namlich der strikten Implikation und der Modalitatsbegriffe, genotigt zu sein.

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Intensionale Satze der Modalitatslogik. 197

So entstand sein System der Modalitatslogik als intensionale Er­weiterung von Russells Sprache. Das System ist von Lewis in [Survey] 291ff. in Ankniipfung an MacColl aufgestellt und spater in [Logic] 122ff. in verbesserter Form dargestellt worden, unter Ver­wertung der Untersuchungen von Becker u. a. Zu dem Russellschen System werden als neue Grundzeichen Zeichen fUr ,moglich' und ,strikt aquivalent' hinzugefiigt; definiert werden hieraus z. B. ,un­moglich', ,notwendig', ,strikte Implikation', ,vertraglich'. Ahnliche Systeme sind von Schiilem von Lewis aufgestellt worden, z. B. von Parry ([Koll.] 5), Nelson [Intensional]. Becker [Modalitatslogik] hat, von Lewis [Survey] ausgehend, interessante Untersuchungen nach gleicher Methode angestellt. Lukasiewicz hatte friiher schon sog. mehrwertige Systeme des Satzkalkiils aufgestellt (vgl. [Aus­sagenkalkiil]); in (Mehrwertige] interpretiert er die Satze des drei­wertigen Kalkiils durch ttbersetzung in Modalitatssii.tze; diesa werden bier wie bei Lewis nach der quasi-syntaktischen Methode formuliert.

Es ist wichtig, den grundsatzlich verschiedenen Charakter von Implikation und Folgebeziehung zu beachten. (Inhaltlich gesprochen:) Die Folgebeziehung ist eine Beziehung zwischen Satzen; die Implikation ist keine Beziehung zwischen Satzen. lOb die Meinung, z. B. von Russell, sie sei eine Beziehung zwischen Satzen, irrig ist oder nicht, hangt allerdings davon ab, was unter ,Satz' verstanden wird. Will man liberhaupt von ,Satzbezeichnetem' sprechen, so ist die Implikation eine Beziehung zwischen solchen; aber die Folgebeziehung nicht.] ,A) B' (@:i1) besagt - im Unterschied zu dem syntaktischen Satz ",B' ist eine Folge von ,A'" (@:is) -

nicht etwas liber die Satze ,A' und ,B', sondern mit Hilfe dieser Satze und des Verknlipfungszeichens ,)' etwas liber dieselben Gegenstande, von denen ,A' und ,B' sprechen.-(Formalgesprochen:) ,)' ist ein Zeichen der Objektsprache, ,Folge' ein t:Jt der Syntax­sprache. Allerdings besteht zwischen den Satzen @:i1 und @:is ein wichtiger Zusammenhang (vgl. Satz 14·7). @:i2 kann aber nicht aus @:il erschlossen werden, sondem nur aus dem (ebenfalls syntak­tischen) Satz ,,@:i1 ist giiltig (bzw. analytisch)" . Die meisten symbolischen Sprachen (z. B. Russells Sprache [Princ. Math.]) sind (bei geeigneter Erganzung der SchluBregeln) logisch und enthalten daher keine indeterminierten Satze. Daher kann bei diesen Systemen @:is aus @:i1 erschlossen werden. Hierdurch erklart es sich, daB man irrtlimlich die Implikationssii.tze allgemein als Sii.tze liber Folgebeziehung interpretiert hat. [Dies ist einer der

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198 Allgemeine Syntax.

Punkte, an denen es sich als nachteilig erweist, daB man in den logischen Untersuchungen die indeterminierten Satze meist un­berucksichtigt gelassen hat.] - Das Verhii.ltnis der intensio­nalen Implikationszeichen der modalitatslogischen Systeme, z. B. des Zeichens der strikten Implikation, zu ,::>' und ,Folge' wird deutlich durch das friihere Beispiel von S. 178; dieses Ver­hi.i.ltnis entspricht namlich genau dem zwischen ,LImp', ,Imp' und ,Folge'. [Die Unterschiede der intensionalen Implikationen in den verschiedenen Systemen konnen wir hier auBer acht lassen; sie entsprechen verschiedenen Definitionen des syntak­tischen Begriffes ,Folge'.]

DaJl Russell fiir die Satzverknupfung mit der Charakteristik WFWW die Bezeichnung ,Implikation' gewahlt hat, hat sich sehr unglucklich ausgewirkt. Das Wort ,implication' bedeutet in der englischen Sprache so viel wie ,Enthalten', ,In-sich-schlieJlen'. Ob eine Verwechslung von Implikation und Folgebeziehung die Ur­sache der Namenwahl war, weiJl ich nicht; jedenfalls aber hat diese Benennung bei vielen eine solche Verwechslung hervorgerufen; und vielleicht ist auch die Benennung schuld daran, daJl manche, die den Unterschied zwischen Implikation und Folgebeziehung wohl be­merken, doch meinen, das Implikationszeichen solIe eigentlich die Folgebeziehung ausdrucken, und daJl sie es diesem Zeichen gewisser­maJlen als Mangel anrechnen, daJl es das nicht tut. - Wenn wir den Terminus ,Implikation' beibehalten haben, so selbstverstandlich ganz losgelost von seiner urspriinglichen Bedeutung; er dient in der Syntax nur zur Bezeichnung der Satzverknupfungen einer bestimmten Art.

70. Die quasi-syntaktische und die syntaktische Methode der Modalitiitslogik.

Wie es scheint, haben aIle bisherigen Systeme der Modalitii.tslogik (innerhalb der modernen Logik, in symboli­scher Sprache) die quasi-syntaktische Methode ange­wendet. Dabei handelt es sich nicht um eine bewuBte Wahl zwischen syntaktischer und quasi-syntaktischer Methode; man hielt vielmehr das angewendete Verfahren fUr das naheliegendste. AIle intensionalen Sii.tze der bisher vorliegenden Systeme der Modalitii.tslogik sind in jedem Fall quasi-syntak­tische Sii.tze, unabhangig davon, welche der beiden fruher besprochenen Deutungen gemeint ist oder (durch eine ent­sprechende Einordnung in eine umfassendere Sprache) durchgefiihrt wird. [Es ist iibrigens zu beachten, daB man fiir jedes der Systeme

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Quasi-syntaktische und syntaktische Methode der Modalitatslogik. 199

eine der beiden Deutungen beliebig wahlen und durchfiihren kann, falls man keine Riicksicht auf die Deutungsanweisungen der Autoren nimmt. Insbesondere kann man also auch jeden Satz 6 1 der Modalitatslogik, der in bezug auf einen Teilausdruck 2{1

intensional ist, so deuten, daB 2{1 in @i 1 autonym ist.] J edes intensionale modalitatslogische System (auch wenn man als Argumente synthetische Satze zulaBt) laBt sich in eine extensionale syntaktische Sprache iibersetzen, wobei jeder intensionale Satz, da er quasi-syntaktisch ist, in den zuge­ordneten syntaktischen Satz iibersetzt wird. Anders ausgedriickt: die Syntax enthalt schon die ganze Modalitatslogik; die Aufstellung einer besonderen intensionalen Modalitatslogik ist nicht erforderlich.

Ob fUr die Aufstellung einer Modalitatslogik die quasi­syntaktische oder die syntaktische Methode gewahlt wird, ist eine bloBe Frage der ZweckmaBigkeit. Wir wollen diese Frage hier nicht entscheiden, sondern nur die Eigenschaften der beiden Methoden angeben. Die Anwendung der quasi-syntak­tischen Methode fiihrt zu intensionalen Satzen, wahrend die syntaktische Methode auch in einer extensionalen Sprache durch­fiihrbar ist. In gewisser Hinsicht ist die quasi-syntaktische Me­thode einfacher; und es mag sein, daB sie sich fiir bestimmte Fragestellungen als zweckmafiig erweist. Uber ihre Fruchtbarkeit im ganzen wird man erst urteilen konnen, wenn sie weiter aus­gebaut ist. Bisher ist sie, wenn ich recht sehe, im wesentlichen nur auf das Gebiet des Satzkalkiils angewendet worden, das ja wegen der Entscheidbarkeit seiner Satze einigermaBen trivial ist (vgl. Parry [Koll.] 15f.). Man kann nicht sagen, die modalitats­logische Methode sei dadurch einfacher, daB sie keine syntakti­schel! Begriffe benotige. Denn zur Aufstellung jedes Kalkiils und so auch der Modalitatslogik ist eine Syntaxsprache erforder­lich, in der die AufsteHung der SchluBregeln und Grundsatze formuliert wird (vgl. § 31); gewohnlich nimmt man dafiir einfach die Wortsprache. Sobald man nun diese Syntaxsprache hat, kann man in ihr aHes das definieren und aussagen, was man durch die Modalitatssatze ausdriicken woHte, und im aHgemeinen noch weit mehr. Das ist der Grund, warum wir hier die syntaktische Methode vorgezogen haben. Es ist aber jedenfaHs eine lohnende Aufgabe, die quasi-syntaktische Methode im allgemeinen und ihre

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200 Allgemeine Syntax.

Anwendung in der Modalitii.tslogik im besonderen weiter auszu­bauen und ihre Moglichkeiten im Vergleich zur syntaktischen Methode zu untersuchen.

Auch wenn man fiir die Aufstellung einer Modalitii.tslogik nicht die syntaktische, sondem die bisher iibliche Methode ver­wenden will, kann die Einsicht, daB diese Methode quasi-syntak­tisch ist, iiber manche Unsicherheiten hinweghelfen. Diese zeigten sich z. B. hie und da darin, daB man von einsichtigen Axiomen ausgehen wollte, aber iiber die Einsichtigkeit gewisser Satze nicht ins klare kommen konnte; es bm sogar vor, daB Satze, die man einzeln fiir einsichtig hielt, sich spii.ter als unvertraglich heraus­stellten. Sobald man aber sieht, daB die Modalitatsbegriffe -auch wenn sie quasi-syntaktisch formuliert werden - syntaktische Zusammenhange betreffen, erkennt man ihre Relativitat: sie sind jeweils auf eine bestimmte Sprache zu beziehen (die eine andere sein kann als die Sprache, in der sie formuliert werden). Damit verschwinden die Probleme der Einsichtigkeit absoluter Beziehungen zwischen deli Modalitatsbegriffen.

71. 1st eine intensionale Logik erforderlich? Von einigen Logikem wird die Auffassung vertreten~ die

iibliche (z. B. Russellsche) Logik sei in gewisser Hinsicht liicken­haft, sie miisse durch eine neue Logik, die alB intensionale Logik oder auch alB Sinnlogik bezeichnet wird, ergiionzt werden. (Es seien z. B. genannt: Lewis, Nelson [Intensional], WeiB, J orgen8en [Ziele] 93.) 1st diese Forderung berechtigt! Bei naherem Zusehen bemerkt man, daB es sich um zwei ver-8chiedene Fragen handelt, die man deutlich trennen sollte.

1. Die Russellsche Sprache ist extensional. Man fordert eine Erganzung durch eine intensionale Sprache, um Modalitii.ts­begriffe (,notwendig', ,Folge' usw.) ausdriicken zu konnen. Diesa Frage haben wir vorher behandelt. Wir haben gesehen, daB die Modalitii.tsbegriffe auch in einer extensionalen Sprache ausge­driickt werden konnen und daB ihre Formulierung nur deshalb zu intensionalen Satzen gefiihrt hat, weil man die quasi-syntaktische Methode verwendet hat. Weder fiir eine Objektsprache, die irgend­ein Gegenstandsgebiet behandeln soIl, noch fiir die Syntax8prache irgendeiner Objektsprache brauchen wir iiber den Rahmen einer extensiona.len Sprache hinauszugehen.

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1st eine intensionale Logik erforderlich' 201

2. 1m Unterschied zur iiblichen formalen Logik fordert man eine Inhaltslogik oder Sinnlogik. Und zwar glaubt man, durch die Aufstellung der intensionalen Modalitatslogik auch diesa zweite Forderung zu erfiillen; daher verwendet man haufig die Bezeichnungen ,intensionale Logik' und ,Sinnlogik' als gleichbedeutend. Man glaubt nii.mlich, die Modalitatsbegriffe seien, da sie nicht bloB vom Wahrheitswert der Argumente abhangen, abhangig vom Sinn der Argumente. Besonders fiir die Folgebeziehung wird das haufig ausdriicklich betont (z. B. von Lewis [Survey] 328: "Inference depends upon meaning, logical import, intension"). Wenn damit nur gesagt sein solI, daB, wenn der Sinn zweier Satze gegeben ist, damit auch schon bestimmt ist, ob der eine eine Folge des andern ist oder nicht, so will ich das nicht bestreiten (obwohl ich den Zusammenhang Ueber von der umgekehrten Richtung aus betrachten wiirde: durch die Folgebestimmungen sind die Sinnbeziehungen zwischen den Satzen gegeben, vgl. § 62.) Das EntBcheidende aber ist: die Feststellung, ob der eine Satz eine Folge des andern ist oder nicht, braucht auf den Sinn der Sii.tze nicht Bezug zu nehmen. Die bloBe Angabe der Wahrheits­werte ist allerdings zu wenig; aber die Angabe des Sinnes ist zu viel; es geniigt die Angabe der syntaktischen Ge­stalt der Satze. Alie Bemiihungen der Logiker seit Aristoteles gehen ja dahin, die RegeIn des SchlieBens als formale Regeln aufzustellen, d. h. als solche, die nur auf die Form der Satze be­zogen sind (vgl. zur Entwicklung des formalen Charakters der Logik: Scholz [Geschichte]). Es ist theoretisch moglich, die logischen Beziehungen (Folgebeziehung, Vertraglichkeit usw.) zweier chinesischer S8.tze festzustellen, ohne den Sinn der Satze zu verstehen, wenn nur die Syntax der chinesischen Sprache gegeben ist. (Praktisch ist das allerdings nur fiir die einfacheren, konstruierten Sprachen moglich.) - Die beiden Forderungen (1) und (2)1 die man in eine zu verschmelzen pflegt, sind ganz un­abhangig voneinander. Will man iiber die bloBen Formen der Sprache SI oder auch iiber den Sinn (in irgendeinem Sinn dieses Wortes) der Sii.tze von SI sprechen, so kann man fUr beide Zwecke eine intensionale Sprache verwenden; man kann aber auch fiir beide Zwecke eine extensionale Sprache verwenden. Der Unter­,schied zwischen Extensionalitii.t und Intensionalitii.t

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202 Allgemeine Syntax.

einer Sprache hat nichts zu tun mit dem Unterschied zwischen formaler unel inhaltlicher Betrachtung. -Hat nun die Logik iiberhaupt die Aufgabe, sich mit dem Sinn der Satze zu befassen (gleichgiiltig, ob in extensionaler oder intensio­naler Sprache) 1 In gewisser Weise ja, namlich mit Sinn und Sinn­beziehungen, soweit sie sich formal erfassen lassen. So haben wir in der Syntax durch den Begriff ,Gehalt' die formale Seite des Sinnes der Satze erfaBt; durch die Begriffe ,Folge', ,vertraglich' usw. wird die formale Seite der logischen Satzbeziehungen erfaBt. Alle Fragen, die man in der geforderten Sinnlogik behandeln will, sind nichts anderes als syntaktische Fragen; das wird nur in den meisten Fallen verhiillt durch Anwendung der inhaltlichen Redeweise. (Das werden viele Beispiele in Kapitel V zeigen.) Fragen iiber etwas, das nicht formal erfaBbar ist, etwa iiber den Gedankeninhalt gewisser Satze, den Vorstellungsinhalt gewisser Ausdriicke, gehOren nicht in die Logik, sondem in die Psychologie. Alle Fragen auf dem Felde der Logik konnen formal ausgedriickt werden und erweisen sich dann als syntaktische Fragen. Eine besondere Sinnlogik ist ii berfliissig; ,nicht-formale Logik' ist eine contradictio in adjecto. Logik ist Syntax.

N och in einer dritten Hinsicht wird zuweilen die Fordernng nach einer Inhaltslogik erhoben: die bisherige Logik behandle, so meint man, nur die Begriffsumfange; die geforderte Logik solIe auch die Begriffsinhalte behandeln. In Wirklichkeit sind jedoch die neueren Systeme der Logik (schon Frege 1893, dann Russell und Hilbert) liber die Entwicklungsstufe der bloilen Umfangslogik langst hinaus. Gerade Frege ist es gewesen, der die alte Unterscheidung zwischen Inhalt und Umfang eines Begriffes zum erstenmal scharf erfaJlt hat (namlich durch seine Unterscheidung zwischen einer Satzfunktion und ihrem Wertverlauf). Man kann eher umgekehrt sagen: die moderne Logik hat in der letzten Entwicklungsphase die Umfiinge zugunsten der Inhalte vollig zurUckgedriingt (vgl. die Ausschaltung der Klassen, § 38). - Das MiJlverstandnis ist mehrmals deutlich auf­geklart worden (vgl. z. B. Russell [Math. Logik] 103, Carnap [Auf­bau] 58, Scholz [Geschichte] 63); man findet es aber immer wieder bei Philosophen, die die modeme Logik nicht kennen (und be1 Psychologen, die auJlerdem Begriffsinhalt und Vorstellungsgehalt eines Begriffes miteinander verwechseln).

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Wissenschaftslogik anstatt Philosophie. 203

V. Philo sophie nod Syntax. A. Ober die Form der Siitze der Wissenscbaftslogik.

72. Wissenschaftslogik anstatt Philosophie. Bei den Fragen, um die es sich in irgendeinem theoretischen

Gebiet handelt - und ebenso bei den zugehorigen Satzen und Behauptungen -, kann man etwa unterscheiden zwischen Ob­jektfragen und logischen Fragen. (Diese Unterscheidung macht keinen Anspruch auf Exaktheit; sie soIl nur die folgenden inhaltlichen, unexakten Uberlegungen vorbereiten.) Unter Objekt­fragen sind dabei solche verstanden, die sich auf die Objekte des betreffenden Gebietes beziehen und etwa nach ihren Eigen­schaften und Beziehungen fragen. Die logischen Fragen dagegen beziehen sich nicht direkt auf die Objekte, sondern auf die Satze, Begriffe, Theorien usw., die ihrerseits auf die Objekte bezogen sind. (Die logischen Fragen mogen sich dabei entweder auf den Sinn und Inhalt der Satze, Begriffe usw. oder nur auf ihre Form beziehen; dariiber spater.) In geWissem Sinne sind die logischen Fragen allerdings auch Objektfragen, da sie sich ja auf gewisse Objekte beziehen, namlich auf die Begriffe, Satze usw., also auf Objekte der .Logik. We,nn aber von einem nicht-Iogischen, eigent­lichen Objektbereich die Rede ist, so ist die Unterscheidung zwischen den Objektfragen und den logischen Fragen deutlich. Z. B. betreffen auf dem Gebiete der Zoologie die Objektfragen die Eigenschaften der Tiere, die Beziehungen der Tiere untereinander und zu andern Objekten usw.; die logischen Fragen betreffen dagegen die Satze der Zoologie, ihre logischen Zusammenhange, den logischen Charakter der in der Zoologie vorkommenden Be­griffsbildungen, den logischen Charakter der moglichen oder der wirklich aufgestellten Hypothesen und Theorien usw.

Der Name ,Philosophie' dient nach herkommlichem Sprachgebrauch als zusammenfassende Bezeichnung fiir Unter­suchungen sehr ungleicher Art. Man findet in diesen Untersu­chungen sowohl Objektfragen als logische Fragen. Die Objekt­fragen betreffen zum Tell (vermeintliche) Objekte, die man in den Gegenstandsgebieten der Fachwissenschaften nicht findet (z. B. die Dinge an sich, das Transzendente, das Absolute, die objektive Idee, den Urgrund der Welt, das Nicht-Seiende; ferner Werte, absolute Normen, das absolute Sollen u. dgl.); das ist

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204 Philosophie und Syntax.

vor allem in dem Teil derPhilosophie der Fall, den man Meta­physik zu nennen pflegt. Zum andem Teil betreffen die Objekt­fragen der Philosophie etwas, das auch in den Fachwissenscha.ften vorkommt (z. B. den Menschen, die Gesellscha.ft, die Sprache, die Geschichte, die Wirtsch&ft, die Natur, Ra.um und Zeit, Ka.usaJi­tat u. dgl.); das ist besonders in den Teilen der Philosophie der Fall, die man Naturphilosophie, Geschichtsphilosophie, Sprach­philosophie usw. zu nennen pflegt. Die logischen Frs.gen treten vor allem in der Logik (einschlieBlich der angewandten Logik) auf; femer in der sogenannten Erkenntnistheorie, wo sie allerdings meist mit psychologischen Frs.gen vermengt werden. In den sogenannten philosophischen Grundl&genproblemen der ver­schiedenen Wissensch&ftsgebiete (z. B. der Physik, der Biologie, der Psychologie, der Geschichte) findet man sowohl Objekt­fragen als auch logische Frs.gen.

Die logische Analyse der philosophischen Probleme zeigt nun, daB sie sahr verschiedenen Charakter baben. Bei den Objekt­fragen, deren Objekte in den Fachwissenscha.ften nicht vorkommen, hat die kritische Analyse kl&rgestellt, daB es Scheinfragen sind. Die vermeintlichen Sitze der Metaphysik, der Wertphilosophie, der Ethik (wenn sie eine normative Disziplin und nic'Lt eine psychologisch-soziologische Tats&ehenuntersuchung sain soll) sind Scheinsatze; sie haben keinen theoretischen GeheJt, sondern sind nur Gefiihlsii.uBerungen, die beim Horer wiederum Gefiihle und Willenseinstellungen &megen. Auf den ubrigen Gebieten der Philosophie sind zunachst die psychologischen Fragen abzutrennen; sie gehOren zur Psychologie, zu einer empirischen Fachwissensch&ft, und sind von ihr mit ihren empirischen Methoden zu behandeln. [Damit soll natiirlich nicht ein Verbot ausgesprochen sain, psychologische Fragen innerh&lb logischer Untersuchungen zu besprechen; jeder mag saine Fragen so zusammenstellen, wie es ibm fruchtbar erscheint; es soll nur vor derVerwischungdesUnter­schiedes zwischen eigentlichen logischen (oder erkenntnistheo­retischen) Fragen und psychologischen Frs.gen gewamt werden; haufig geht aU8 der Formulierung einer Frage nicht deutlich hervor, ob sie &Is psychologische oder &Is logische gemeint ist, und da­durch entsteht viel Verwirrung.] Die ubrig bleibenden Fragen, nach ublicher Bezeichnungsweise: hagen der Logik, der Er­kenntnistheorie, der Naturphilosophie, der Geschichtsphilosophie

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Wissensohaftslogik aDstatt Philosophie. 205

usw., werden von denen, die die Metaphysik aIs unwissenschaft­lich ansehen, zuweilen aIs Fragen der wissenschaftlichen Philo­sophie bezeichnet. Diese Fragen sind ihrer iiblichen Formulierung nach teils logische Fragen, teils aber Objektfragen, die sich auf Objekte der Fachwissenschaften beziehen. Dabei sollen aber die philosophischen Fragen nach Auffassung der Philosophen die Objekte, die auch die Fachwissenschaft betrachtet, von einem ganz andern Gesichtspunkt aus betrachten, namlich eben yom philosophischEm Gesichtspunkt aus.

Demgegeniiber wollen wir hier die Auffassung vertreten, daB aIle iibrig bleibenden philosophischen Fragen logische Fragen sind. Auch die vermeintlichen Objektfragen sind logische Fragen in irrefiihrender Einkleidung. Der vermeintliche besondere philo­sophische Gesichtspunkt, von dem aus die Wissenschaftsobjekte hier betrachtet werden sollen, fallt ebenso fort, wie vorher schon die vermeintliche besondere philosophische Objektschicht der Metaphysik ausgeschaltet worden ist. AuBer den Fragen der einzelnen Fachwissenschaften bleiben als echte wissenschaftliche Fragen nur die Fragen der logischen Analyse der Wissenschaft, ihrer Satze, Begriffe, Theorien usw. iibrig. Wir wollen diesen Fragenkomplex zusammenfassend Wissenschaftslogik nennen. [Das Wort ,Wissenschaftslehre' wollen wir hierfiir nicht nehmen; falls man es verwenden will, paBt es besser fiir das umfassendere Fragengebiet, zu dem auBer der Wissenschaftslogik auch die empirische Untersuchung der wissenschaftlichen Tatigkeiten, namlich die historische, soziologische und besonders die psycho­logische Untersuchung gebOrt.]

Nach dieser Auffassung bleibt somit, wenn die Philosophie von allen unwissenschaftlichen Bestandteilen gereinigt wird, als einziger Restbestand die Wissenschaftslogik iibrig. Bei den meisten philosophischen Untersuchungen ist aber eine deutliche Scheidung in wissenschaftliche und unwissenschaftliche Bestand­teile gar nicht moglich. Darum wollen wir lieber so sagen: an die Stelle des unentwirrbaren Problemgemenges, das man Philosophie nennt, tritt die Wissenschaftslogik. Ob man auf Grund dieser Auffassung die Bezeichnung ,Philoso­phie' oder ,wissenschaftliche Philosophie' auf das Restgebiet noch anwenden will, ist eine ZweckmaBigkeitsfrage, die hier nicht entschieden werden solI. Es ist zu bedenken, daB das Wort ,Philo-

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206 Philo80phie und Syntax.

sophie' stark vorbelastet ist und (besonders in der deutschen Sprache) meist auf spekulative, metaphysische Erorterungen angewendet wird. Neutraler ist die Bezeichnung ,Erkenntnis­theorie'; aber auch Bie erscheint nicht ganz unbedenklich, da sie eine Gleicharligkeit unserer wissenschaftslogischen Probleme mit den Problemen der traditionellen ErkenntniBtheorie vortauscht; die letzteren sind aber state in oft unlosbarer Weise durchsetzt mit Scheinbegriffen und Scheinfragen.

Die AuffaBBung, daB die Wissenschaftslogik den einzigen Restbestand der Philosophie bildet, sobald Anspriiche an Wissen­schaftlichkeit gestellt werden, Boll hier nicht begriindet und im folgenden nicht vorausgesetzt werden. Wir wollen in diesem Kapitel den Charakter der Sii.tze der WiBsenschaftslogik unter­Buchen und zeigen, daB es syntaktische Satze sind. Fiir den, der mit uns die genannte antimetaphysische Auffassung vertritt, iBt damit gezeigt, da.B alle sinnvollen philosophischen Probleme zur Syntax gehoren. Die folgenden Darlegungen liber die Wissenschaftslogik als Syntax sind jedoch von der ge­nannten Auffassung nicht abhii.ngig; wer sie nicht anerkennt, wird unser Ergebnis dahin formulieren, daB die Probleme der nicht-metaphysischen und nicht aufWerte und Normen bezogenen Philo80phie syntaktische Probleme sind.

Antimetaphysische Standpunkte sind schon oft vertreten worden, besonders von Hume und den Positivisten. Die genauere These, daB Philosophie nichts anderes sein kann ala logische Analyse der wissenschaftlichen Begriffe und Satze (also das, was wir Wissen­schaftslogik nennen wollen), ist besonders von Wittgenstein und dem Wiener Kreis vertreten, ansfiihrlich begrfindet und in ihren Folgerungen untersucht worden; vgl. Schlick [Metaphysik], [Wende], [Positivismns]; Frank [Kansalgesetz]; Hahn [Wiss. Weltauff.]; Neurath [Wiss. Weltauff.], [Wege]; Carnap [Metaphysik]; weitere Literaturangaben bei Neurath [Wiss. Weltauff.] und in "Erkenntnis" I, 315ff. - Neurath wendet sich entschieden gegen die Weiter­verwendung der Ausdriioke ,Philosophie', ,wissenschaftliche Philo­sophie', ,Naturphilosophie', ,Erkenntnistheorie' nsw.

Die Bezeichnung .Wissenschaftslogik' wollen wir in einem recht weiten Sinne verstehen. Es soll damit das Gebiet aller der Fragen gemeint sein, die man etwa ala reine und angewandte Logik, als logische Analyse der einzelnen Wissenschaftsgebiete oder der WiBBenschaft im ganzen, als Erkenntnistheorie, als Grundlagen­probleme oder ahnlich zu bezeichnen pflegt (sofern diese Fragen frei sind von Metaphysik, von Bezogenheit auf Normen, Werte, Trans-

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Wissenschaftslogik ist Syntax der Wissenschaftssprache. 207

zen dentes od. dgl.) Wir rechnen, urn Konkretes zu nennen, die folgenden Abhandlungen (mit ganz wenigen Ausnahmen) zur Wissenschaftslogik: die Arbeiten von Russell, Hilbert, Brouwer und ihren SchUlern, die Arbeiten der Warschauer Logiker, der Harvard-Logiker, des Kreises urn Reichenbach, des Wiener Kreises urn Schlick, die meisten im Literaturverzeichnis dieses Buches ge­naunten Arbeiten (und andere Arbeiten derselben Verfasser), die Aufsatze in den Zeitschriften "Erkenntnis" nnd "Philosophy of Science", die Bucher in den Sammlungen "Schriften zur wisseh­schaftlichen Weltauffassung" (hsgg. von Schlick und Frank) nnd "Einheitswissenschaft" (hsgg. von Neurath), ferner die Arbeiten, die in folgenden Bibliographien genannt sind: Erk. I, 315ff. (Allgemeines), 335ff. (Polen), II, 151£f. (Grundlagen der Mathematik), 189f. (Kan­salitat und Wahrscheinlichkeit).

73. Wissenschaftslogik ist Syntax der Wissenschaftssprache.

1m folgenden soll der Charakter der Fragen der Wissenschafts­logik in dem angedeuteten weiten Sinn, also einschlieBlich der sogenannten philosophischen Grundlagenprobleme der einzelnen Wissenschaften, untersucht werden. Es wird sich herausstellen, daB diese Fragen Fragen der Syntax sind. Um zu diesem Ergebnis zu gelangen, muB gezeigt werden, daB die in der Wissenschaftslogik vorkommenden Objektfragen (z. B. iiber die Zahlen, die Dinge, iiber Raum und Zeit, iiber die Beziehungen zwischen Psychischem und Physischem u. dgl.) nur Pseudo-Objektfragen sind, Fragen, die sich infolge irrefiihrender Formulierung auf Objekte zu be­ziehen scheinen, wahrend sie sich in Wirklichkeit auf Satze, Begriffe, Satzgebande u. dgl. beziehen, also eigentlich logische Fragen sind. Und zweitens miissen wir zeigen, daB alle logischen Fragen formal erfaBbar sind und sich daher als syntaktische Fragen formulieren lassen. Nach der iiblichen Auffassung gibt es bei einer logischen Untersuchung auBer der formalen Be­trachtung, die sich allein anf Reihenfolge und (syntaktische) Art der Zeichen der Sprachausdriicke bezieht, noch eine inhalt­liche Betrachtung, die nicht nur nach der formalen Gestalt, sondem dariiber hinaus nach Bedeutung und Sinn fragt. Und zwar bilden nach iiblicher Auffassung die formalen Probleme bestenfalls einen kleinen Ausschnitt aus dem logischen Problem­gebiet. 1m Unterschied zu dieser Auffassung haben unsere "Ober­legungen zur allgemeinen Syntax gezeigt, daB die formale Methode,

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208 Philosophie und Syntax.

wenn sie geniigend weit durchgefiihrt wird, aIle logischen Probleme erfaBt, auch die sogenannten inhaltlichen oder Sinn-Probleme (soweit sie echte logische und nicht psychologische Probleme sind). Wenn wir also sagen, Wissenscha.ftslogik sei nichts anderes aJs Syntax der Wisscnschaftssprache, so ist das nicht etwa ala ein Vorschlag gemeint, nur einen bestimmten Teil der Probleme der bisherigen Wissenschaftslogik (wie sie z. B. in den frillier genannten Arbeiten behandelt werden), ala eigentliche wissenscha.ftslogische Probleme anzuerkennen. Die Auffassung, die hier vertreten werden solI, ist vielmehr die, daB aIle Probleme der bisherigen Wissen­schaftslogik, sobald sie exakt formuliert werden, sich aJs syntak­tische Probleme herausstellen.

Wittgenstein hat den nahen Zusammenhang aufgedeckt, der zwischen WiBsenschaftslogik (W. sagt "Philosophie") und Syntax besteht. Er hat besonders den formalen Charakter der Logik klar­gestellt und betont: Syntaxbestimmungen und Beweise haben auf die Bedeutung der Zeichen nicht Bezug zu nehmen ([Tractatus].52, 66, 164). Ferner hat W. gezeigt, daB die BOg. Sitze der Metaph;xBik und der Ethik ScheinBatze Bind. Die Aufgabe der Philosophie iBt nach ibm "Sprachkritik" (a. a. 0., S. 62), "logiBche Klirung der Gedanken" (S. 76), der Sitze und Begriffe der WiBseIlBgbaft (Natur­wiBsenschaft), also (in unserer Bezeichnungsweise) WiBsenschafts­logik. Die Auff&ll8ung W.s iBt vom Wiener Kreis vertreten und weiter entwickelt worden. Auch fiir die tJberlegungen dieses KapitelB verdanke ich W. wichtige Anregungen. Wenn ich recht sehe, stimmt die hier vertretene Auff&ll8ung in den Grundlagen mit dar von W. iiberein, geht aber in einigen wesentlichen Punkten iiber ibn hinaus. Diese Auff&ll8ung wird im folgenden zuweilen gerade gegen die von W. abgegrenzt; das geschieht nur zur groileren Deutlichkeit; man iibersehe dabei nicht die tJbereinBtimmung in wichtigen Grundfragen.

Es Bind besonders zwei Punkte, in denen die hier vertretene Auffassung von der Wittgensteins abweicht, und zwar von seinen negativen Thesen. Die erste von diesen besagt (a. a. 0., S. 78): "Der Satz kann die logische Form nicht darstellen, sie spiegelt sich in ibm. Was sich in der Sprache spiegelt, kann sie nicht darstellen. Was sich in der Sprache ausdriickt, konnen wir nicht durch sie ausdrncken. .., Wenn zwei Sitze einander widersprechen, 80 zeigt dies ihre Struktur; ebenso, wenn einer aus dem andern folgt U8W.

Was gezeigt werden kann, kann nicht gesagt werden. • •• Es wire ebenso unsinnig, dem Satz eine formale Eigenschaft zuzusprechen, a.ls sie ibm abzusprechen." Mit anderen Worten: Es gibt keine Sitze iiber Satzformen; es gibt keine aUBBprechbare Syntax. 1m Gegensatz hierzu hat unser Aufbau der Syntax gezeigt, daB sie korrekt for­mulierbar iBt, daB es syntaktiBche Sitze gibt. Man kann genau 80 gut

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Wissenschaftslogik ist Syntax der Wissenschaftssprache. 209

Satze uber die Formen von Sprachausdrucken, also auch von Satzen bilden, wie Satze uber die geometrischen Formen geometrischer Ge­bilde; namlich erstens die analytischen Satze der reinen Syntax, die auf die Formen .und Formbeziehungen von Sprachausdrucken be­zogen werden konnen (analog den analytischen Satzen der arithme­tischen Geometrie, die auf Formbeziehungen der abstrakt-geometri­schen Gebilde bezogen werden konnen); zweitens die synthetischen, empirischen, physikalischen Satze der deskriptiven Syntax, die von den Formen der Sprachausdrucke als physikalischer Gebilde handeln (analog den synthetischen, empirischen Satzen der physikalischen Geometrie, vgl. § 25). Die Syntax ist somit in derselben Weise exakt formulierbar wie die Geometrie.

Wittgensteins zweite negative These besagt, daB die Wissen­schaftslogik ("Philosophie") nicht formuIierbar sei. (Diese These faUt fUr W. nicht mit der ersten zusammen, da er Wissenschaftslogik und Syntax nicht gleichsetzt, s. u.) "Die Philosophie ist keine Lehre, sondern eine Tatigkeit. Ein philosophisches Werk besteht wesentlich aus Erlliuterungen. Das Resultat der Philosophie sind nicht "philo­sophische Sii.tze", sondern das Klarwerden von Satzen" (S. 76). Folgerichtig wendet W. diese .Auffassung auch auf seine eigene .Ab­handlung an; ihr SchluB lautet: "Meine Satze erlautern dadurch, daB sie der, welcher mich versteht, am Ende als unsinnig erkennt, wenn er durch sie - auf ijJ.nen - uber sie hinausgestiegen ist. (Er muB sozusagen die Leiter wegwerfen, nachdem er auf ihr hinauf­gestiegen ist.) Er muB diese Satze uberwinden, dann sieht er die WeIt richtig. W ovon man nicht sprechen kann, daruber muB man schweigen." (S. 188.) Hiernach enthalten die Untersuchungen der Wissenschaftslogik keine Satze, sondern nur mehr oder minder vage Erlii.uterungen, die der Leser nachtrii.glich als Scheinsatze erkennen und dann verwerfen muB. Eine solche Interpretation der wissen­schaftslogischen Untersuchungen ist sicherlich unbefriedigend. [Schon Ramsey hat sich dagegen gewendet, daB W. die Philosophie fUr Unsinn erklart, aber fUr bedeutsamen Unsiun [Foundations] 263. Dann hat besonders N eurath [Soziol. Phys.] 395f., [Psychol.] 29 jene .Auffassung entschieden abgelehnt.] Wenn im folgenden gezeigt wird, daB Wissenschaftslogik Syntax ist, so ist damit auch gezeigt, daB Wissenschaftslogik formuIierbar ist, und zwar nicht in unsinnigen und trotzdem praktisch unentbehrlichen Scheinsatzen, sondern in vollkommen korrekten Sii.tzen. Der genannte Meinungsunterschied ist nicht nur theoretischer Natur, sondern er ist von erheblichem EinfluB auf die praktische .AusgestaItung der Untersuchungen auf philosophischem Gebiet. W. sieht zwischen den Satzen der spekula­tiven Metaphysiker und den Sii.tzen seiner eigenen und anderer wissenschaftslogischer Untersuchungen nur den Unterschied, daB die wissenschaftslogischen Sii.tze (die sog. philosophischen Erlii.uterungen) trotz ihrer theoretischen Unsinnigkeit eine praktisch wichtige psycho­logische Einwirkung auf den wissenschaftlichen Forscher ausuben,

Car nap, Syntax, 2. Aufl. 14

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2lO Philosophie und Syntax.

die eigentlich metaphysisehen Satze aber nicht, oder wenigstens nicht in derselben Weise; also einen nur graduellen Unterschied, der zudem sehr vage ist. Dall W. nicht an die Moglichkeit exakter Formulierung der wissenschaftslogischen Satze glaubt, hat dann zur Folge, daB er auch an die Formulierung seiner eigenen Uberlegungen keine An­forderung an Wissenschaftlichkeit stellt, daB er keine scharfe Grenz­linie zwischen wissenschaftslogischen und metaphysischen Formu­lierungen zieht. In den folgenden Uberlegungen werden -vrir die Ubersetzbarkeit in die formale Redeweise, also in syntaktisehe Satze, als Kriterium kennenlernen, das die echten wissenschaftslogischen Satze von den andern philosophischen Satzen - man mag sie metaphysische nenDen - trennt. W. hat in manchen seiner Formu­lierungen diese Grenze deutlich liberschritten; das ist eine psycho­logisch verstandliche Folge seines Glaubens an die beiden negativen Thesen.

Trotz des genannten Unterschiedes stimme ich mit W. darin liberein, dall es keine besonderen Satze der Wissenschafts­logik (oder Philo sophie) gibt. Die Satze der Wissenschaftslogik werden als syntaktisehe Satze liber die Wissenschaftssprache formu­liert; aber dadurch wird kein Denes Gebiet neben dem der Wissen­schaft aufgetan. Denn die Satze der Syntax sind ja teils Satze der Arithmetik, teils Satze der Physik, die nur deshalb syntaktische Satze genannt werden, weil sie auf sprachliche Gebilde bzw. auf deren formale Struktur bezogen werden. Reine und deskriptive Syntax ist nichts anderes als Mathematik und Physik der SprMhe.

Von den Bestimmungen der logischen Syntax sagt Wittgenstein (s. 0.), daB sie ohne Bezugnahme auf Sinn und Bedeutung formuliert werden mUssen. Nach unserer Auffassung gilt dasselbe auch fiir die Satze der, Wissenschaftslogik. Wie es scheint, meint W., dall diese Satze (die sog. philosophischen Erlauterungen) liber das Formale hinausgehen und mch auf den Sinn der Satze und Begriffe beziehen sollen. Schlick deutet W.s Auffassung in dieser Weise ([Wende] 8: die Philosophie "ist namlich diejenige Tatigkeit, durch welche der Sin n der Aussagen festgestellt oder aufgedeckt wird"; es handelt sich "darum, was die Aussagen eigentlich meinen. Inhalt, Seele und Geist der Wissenschaft stecken natlirlich in dem, was mit ihren Satzen letzten Endes gemeint ist; die philosophische Tatigkeit der Sinngebung ist daher das Alpha und Omega aller wissenschaftlichen Erkenntnis").

74. Pseudo-Objektsitze. Wir hahen (in ungenauer Weise) ObjektBii.tze und logische

Sa.tze unterschieden. Wir wollen jetzt (zuna.chst ehenfalls in ungenauer Weise) statt dessen die heiden Gebiete der Objekt­sa. tze und der syntaktischen Sa. tze einander gegeniiberstellen, wohei also von den logischen Sa.tzen nur die auf Form hezogenen heriicksichtigt und dem zweiten Gebiet zugewiesen werden. Es

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Pseudo·Objektsatze. 211

gibt nun ein Zwischenge biet zwischen diesen beiden Gebieten. Zu ihm wollen wir die Siitze rechnen, die so formuliert sind, ala ob sie sich (auch oder ausschlieBlich) auf Objekte bezogen, wiihrend sie sich in Wirklichkeit auf syntaktische Formen beziehen, und zwar auf die Formen der Bezeichnungen der Objekte, auf die sie mch scheinbar beziehen. Diese Siitze sind also ihrem Inhalt nach syntaktische Siitze, aber verkleidet alB Objektsiitze; wir wollen sie Pseudo.Objektsiitze nennen. Wenn wir versuchen, die soeben in ungenauer, inhaltlicher Weise angedeutete Unterschei· dung formal zu erfassen, so werden wir bemerken, daB diese Pseudo·Objektsii.tze nichts anderes sind als die quasi. syn tak­tischen Sii.tze der inhaltlichen Redeweise (in dem frtiher formal definierten Sinn, vgl. § 64).

In dieses Zwischengebiet gehoren viele Fragen und Siitze der sogenannten philosophischen Grundlagen­forschung. Wir wollen ein einfaches Beispiel betrachten. Bei einer philosophischen Erorterung tiber Zahlbegriffe will man etwa darauf hinweisen, daB zwischen Zahlen und (korperlichen) Dingen ein wesentlicher Unterschied besteht; damit will man vor Schein­fragen etwa nach Ort, nach Gewicht od. dgl. von Zahlen warnen. Einen solchen Hinweis formuliert man vielleicht durch einen.Satz etwa folgender Art: "Ftinf ist kein Ding, sondern eine Zahl" (®1)'

Scheinbar wird in diesem Satz eine Eigenschaft der Ftinf ausge­sagt, wie in dem Satz "Ftinfist keine gerade, sondern eine ungerade Zahl" (®2)' In Wirklichkeit jedoch bezieht sich ®1 nicht auf die Ftinf, sondern auf das Wort ,fiinf'; das zeigt die mit ®1 gehalt­gleiche Formulierung ®3: " ,Ftinf' ist kein Dingwort, sondern ein Zahlwort." Wiihrend ®2 ein echter Objektsatz ist, ist @31 ein Pseudo-Objektsatz; ®1 ist ein quasi-syntaktischer Satz (der inhaltlichen Redeweise), ®3 ist der zugeordnete syntaktische Satz (formale Redeweise).

Wir haben vorhin diejenigen logischen Siitze beiseite gelassen, die etwas tiber Sinn, Inhalt, Bedeutung von Siitzen oder Sprachausdrticken irgendeines Gebietes aussagen. Auch diese Siitze sind Pseudo·Objektsiitze. Betrachten wir als Beispiel den folgenden Satz ®1: "Der gestrige Vortrag handelte von Babylon." ®1 scheint etwas tiber Babylon auszusagen, da der Name ,Babylon' in @31 vorkommt. In Wirklichkeit aber sagt @3 1 nichts tiber die Stadt Babylon aus, sondern nur etwas iiber den

14*

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212 Philosophie und Syntax.

gestrigen Vortrag und iiber das Wort ,Babylon'. Das erkennt man leicht durch folgende inhaltliche Uberlegung: fiir unser Wissen von der Beschaffenheit der Stadt Babylon ist die Frage, ob @i1

wahr oder falsch ist, belanglos. DaB @i1 nur ein Pseudo-Objektsatz ist, ersieht man ferner aus dem Umstand, daB @i1 iibersetzbar ist in folgenden (deskriptiv-)syntaktischen Satz: "In dem gestrigen Vortrag kam das Wort ,Babylon' oder ein mit ,Babylon' syn­onymer Ausdruck vor" (@ia).

Wir unterscheiden also drei Arten von Sii.tzen:

1. Objektsatze. I 2. Pseudo-Objekt- 3. Syntaktische satze = quasi-syntak- Satze.

Beispiele. ,,5 ist eine Primzahl"; "Ba­bylon war eine groBe Stadt"; "Lowen sind Saugetiere" .

tische Satze.

Inhaltliche Redeweise.

B eis piele. "Fiinf ist kein Ding, sondern eine Zahl"; "Babylon ist im gestrigen Vor­trag behandelt wor­den". [Zur autony-men Redeweise gehort z. B. "Fiinf ist ein Zahlwort".]

Formale Redeweise.

Beispiele. ",Fiinf' ist kein Dingwort, son­dern ein Zahlwort"; "Das Wort ,Babylon' ist im gestrigen V or­trag vorgekommen"; ,,,A. ~ A' ist ein kon­tradiktorischer Satz".

Dati durch ungenaue inhaltliche Andeutungen abgegreIiZte Zwischengebiet der Pseudo-Objektsatze kann auch exakt, und zwar formal abgegrenzt werden. Die Pseudo-Objektsii.tze sind nii.mlich quasi-syntaktische Sii.tze, und zwar solche der inhal t­lichen Redeweise. [Die autonyme Redeweise konnen wir hier auBer Betracht lassen, da praktisch kaum die Gefahr besteht, daB man einen Satz dieser Redeweise fiir einen Objektsatz halt.) Das Kriterium der inhaltlichen Redeweise nimmt eine einfachere Form an, wenn es sich um eine Objektsprache SI handelt, die die auf SI bezogene Syntax Sa als Teilsprache enthii.lt. SI sei etwa die deutsche Sprache als Gesamtsprache der Wissenschaft; die Syntaxsprache S2' in der die Syntax von SI formuliert werden solI, ist dann eine Teilsprache von SI' Dadurch kommt zum Ausdruck, daB wir die Syntax nicht als ein Sondergebiet auBerhalb der iibrigen Wissenschaft ansehen, sondern als Teilgebiet der Gesamtwissenschaft, die ein einheitliches System bildet (Neurath: ,Einheitswissenschaft') mit einer einheitlichen Sprache SI' DaB

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Pseudo.Objektsatze. 213

eine Sprache ihre eigene Syntax widerspruchsfrei enthalten kann, haben wir frillier gezeigt. Auch wenn die Syntaxsprache S2 Teilsprache von 8 1 ist, ist es natiirlich moglich und notwendig, zwischen einem 8atz @i1 von 8 1 (der auch zu 8 2 gehoren kann) und einem auf @i1 bezogenen syntaktischen 8atz @is,

der zu 8 2 und daher auch zu 8 1 gehort, zu unterscheiden. Wir wollen das Kriterium der inhaltlichen Redeweise der Einfachheit halher nur fiir die einfachste 8atzform (und zwar der Kiirze und Deutlichkeit wegen fiir einen symbolischen 8atz) formulieren (vgl. § 64). @i1 sei ,P(a)'; @i1 heiSt quasi.syntaktisch in bezug auf ,a', wenn es ein syntaktisches t:>r ,Q' gibt derart, daB ,P(a)' gehaltgleich ist mit ,Q (,a')' (@is), ferner ,P (b)' gehaltgleich mit ,Q (,b')' und entsprechend fUr jeden mit ,a' gattungsgleichen Ausdruck. Es kann nun sein, daB hierbei ,P' ein mit , Q' gleich. bedeutendes syntaktisches t:>r ist (das wiirde sich formal darin zeigen, daB ,P(,a')' auch ein 8atz ware, und zwar ein mit,Q(,a')' gehaltgleicher, daB ferner ,P (,b')' mit ,Q (,b')' gehaltgleich ware und entsprechend fiir jeden mit ,a' gattungsgleichen Ausdruck); ist das nicht der Fall, so nennen wir @i1 einen 8atz der inhalt· lichen Redeweise. ,Q' nennen wir ein dem quasi.syntaktischen t:>r ,P' zugeordnetes syntaktisches t:>r; @is nennen wir einen dem quasi.syntaktischen 8atz @i 1 zugeordneten syntaktischen 8atz. Bei der fibersetzung von der inhaltlichen in die formale Redeweise wird @i1 in @iz iihersetzt.

Um das Verstandnis und die praktische Anwendung auf die spater folgenden Beispiele zu erleichtern, wollen wir das Kri. terium (wiederum fiir die einfachste 8atzform) auch noch in einer weniger exakten, inhaltlichen Weise formulieren (die spateren Beispiele von 8atzen, besonders auch der Wissenschaftslogik, gehoren fast durchweg der Wortsprache an; sie sind daher selbst nicht exakt genug formuliert, um die Anwendung exakter Begriffe auf sie zu ermoglichen). @i1 heiBt ein 8atz der inhaltlichen Redeweise, wenn @i1 von einem Obj ekt eine Eigen· schaft aussagt, zu der es eine von ihr verschiedene, und zwar syntaktische Eigenschaft gibt, die sozu· sagen mit ihr parallel lii.uft, d. h. die dann und nur dann, wenn jene Eigenschaft irgendeinem Objekt zukommt, einer Bezeichnung dieses Objektes zukommt.

Man erkennt leicht, daB bei dem friiheren Beispiel mit

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214 Philosophie und Syntax.

,Babylon' dieses Kriterium fUr den Satz @51 erfiillt ist: die in @5,

yom Wort ,Babylon' ausgesagte syntaktische (und zwar hier deskriptiv.syntaktische) Eigenschaft ist parallel zu der in @51 von der Stadt Babylon ausgesagten Eigenschaft; denn dann und nur dann, wenn der gestrige Vortrag von einem bestimmten Objekt gehandelt hat, ist in dem Vortrag eine Bezeichnung diesas Ob. jektes vorgekommen. Ebenso ist das Kriterium der inhaltlichen Redeweise fUr den Satz @51 des Beispiels mit ,FUn£' erfiillt: dann und nur dann, wenn die in @51 ausgesagte Eigenschaft, kein Ding, sondern eine Zahl zu sein, irgend einem Objekt (z. B. der Funf) zukommt, kommt die in @511 ausgesagte Eigenschaft, kein Ding­wort, sondern ein Zahlwort zu sein, einer Bezeichnung dieses Ob. jektes (im Beispiel: dem Wort ,Fiinf') zu.

75. Sltze fiber Bedeutung. Wir wollen im folgenden verschiedene Arten von Satzen der

inhaltlichen Redeweise betrachten, besonders solche Arten, die in philoBophischen Erorterungen haufig vorkommen. Auf Grund dieser Untersuchungen werden wirdann in weiteren vorkommenden Fallen leichter die Diagnose auf inhaltliche Redeweise stellen konnen. Ferner wird dadurch allgemein der Charakter der philo. sophischen Probleme klarwerden. Die Unklarheit iiber diesen Charakter ist hauptsachlich auf die TauBchung und Selbsttauschung zurUckzufiihren, die durch Anwendung der inhaltlichen Redeweise hervorgerufen wird. Die Einkleidung in inhaltliche Redeweise verschleiert den UmBtand, daB die sogenannten philosophiBchen Grundlagenfragen nichts andereB Bind als Fragen der WiBsen· schaftslogik in bezug auf die Satze und Satzzusammenhange der Wissenschaftssprache, und ferner den Umstand, daB die Fragen der Wissenschaftslogik formale, also syntaktische Fragen sind. Die Sachlage wird enthullt durch Obersetzung der Siltze der inhaltlichen Redeweise, die ja quasi.syntaktische Satze sind, in die zugeordneten syntaktischen Satze und damit in formale Redeweise. Damit ist nicht gesagt, daB die inhaltliche Redeweise ganz ausge· schaltet werden solle. Do. sie allgemein iiblich und oftleichter ver· standlich ist, mag sie ruhig beibehalten werden. Man tut aber gut damn, sich ihre Anwendung bewu8t zu machen, um die sonst leicht entstehenden Unklarheiten und Scheinprobleme zu vermeiden.

Bei einem Satz @51 der inhaltlichen Redeweise ist die Tau-

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Satze uber Bedeutung. 215

schung, als lii.ge ein echter Objektsatz vor, dann am leichtesten zu durchschauen, wenn @i 1 zum Teil der Syntaxsprache SI an­gebOrt, aber auch Bestandteile von 8 1 enthalt, die nicht zu S. gebOren. [Nicht aIle Sii.tze dieser Art sind S8.tze der inhaltlichen Redeweise. Z. B. ist der Satz "Die Freiburger Universitii.t trii.gt die Aufschrift ,Die Wahrheit wird euch frei machen'" nicht quasi­syntaktisch, sondem ein einfacher deskriptiv-syntaktischer Satz.] Besonders wichtig sind hier die Sii.tze, die eine Bezeichnungs­beziehung ausdriicken, d. h. solche, in denen einer der folgenden Au~iicke vorkommt: ,handelt von', ,spricht iiber', ,besagt', ,benennt', ,ist Name fUr', ,bezeichnet', ,bedeutet' und ii.hnliche. Wir geben eine Reihe solcher Sii.tze iiber Bedeutung an, und dabei die zugeordneten syntaktischen Sii.tze. Die Reihe be­ginnt mit einem schon besprochenen Beispiel. [Es kommt hier natiirlich nicht darauf an, ob die Beispielsa.tze zutreffen oder nicht.]

Inhaltliche Redeweise (quasi-syntaktische Satze).

1 a. Der gestrige V ortrag han. delte von Babylon.

2a. Das Wort ,Tagesgestirn' be­zeichnet (o.der: bedeutet; oder: ist Name fur) die Sonne.

3a. Der Satz 6 1 besagt (oder: sagt aus; oder: gibt an; oder: hat den Inhalt; oder: hat den Sinn), daB der Mond kugelformig ist.

4a. Das Wort ,luna' der lateini­schen Sprache bezeichnet den Mond.

5 a. Der Satz , ... ' der chine­sischen Sprache besagt, daB der Mond kugelformig ist.

Formale Redeweise (die zugeordneten syntak­

tischen Satze).

1 b. In dem gestrigen Vortrag kam das Wort ,Babylon' (oder eine synonyme Be­zeichnung) vor.

2b. Das Wort ,Tagesgestirn' ist synonym mit ,Sonne'.

3b. 6 1 ist gehaltgleich mit dem Satz ,Der Mond ist kugel­formig'.

4b.

5b.

Es giht eine gehalttreue aus­drucksweise Ubersetzung der lateinischen in die deutsche Sprache, bei der das Wort ,Mond' Korrelat des Wones ,luna' ist. Es gibt eine gehalttreue satzweise "Ubersetzung der chinesischen in die deutsche Sprache, bei der der Satz ,Der Mond ist kugelformig' Korrelat des Satzes , ... ' ist.

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216 Philosophie und Syntax.

Die folgenden Beispiele 6 und 7 zeigen, wie der Untersohied zwiBohen dem Sinn eines AusdruckeB und dem duroh ihn be­zeichneten GegenBtand formal erfaJlbar iBt. [Dieser Unterschied wird von den Phii.nomenologen hervorgehoben, aber nicht logisch, BOndem pBychologistisch gedeutet.] 680. Die Ausdriicke ,Aar' und 6b. ,Aar' und ,Adler' Bind L-

,Adler' haben denselben synonym. Sinn (oder: dieselbe Be-deutung; oder: meinen dasselbe; oder: haben den-selben in ten tionalen Ge-genstand).

780. ,Abendstem' und ,Morgen­stern' haben verschiedenen Sinn, bezeichnen aber den­selben Gegenstand. .

7b. ,Abendstem' und ,Morgen­stern' sind nicht L-Bynonym, aber P-synonym.

[In bezug auf eine symbolische (P-)Sprache kann auch so for­mullert werden: 6b. ,2l1 = 2l.' ist analytisch. 7b. ,2l1 = 2l.' ist nicht analytisch, aber P-giiltig.]

Analog ist bei Satzen der Unterschied zwischen dem Sinn und der dargestellten Tatsaohe formal zu erfassen. [Die ub­lichen Formulierungen wie ,dasselbe besagen' oder ,denselben Inhalt haben' u. dgl. sind zweideutig; in manchen FiiJlen ist 8b gemeint, in manchen 9b, in vielen FiiJIen bleibt die Meinung unkla.r.]

880. Die Satze 6 1 und 6. haben 8b. 6 1 und 6. sind L-gehalt-denselben Sinn. gleich.

980. 6 1 und 6. haben verschie- 9b. 6 1 und 6. sind nicht L-ge-denen Sinn, stellen aber haltgleich, aber P-gehalt-dieselbe Tatsache dar (oder: gleich. beschreiben) .

[In bezug auf eine symbolische Spra.che: 8b. ,61 == 6.' ist analytisch. 9b. ,61 == 6.' ist nicht analytisch, aber P-giiltig.]

lOa. Die Satze der Arithmetik g e ben gewisse Eigenschaf­ten von Zahlen und gewisse Beziehungen zwischen Zah­len an (oder: Bprechen ... aus).

11 a. Ein singularer Satz der Physik gibt den Zustand eines Raumpunktes zu einer bestimmten Zeit an.

lOb. Die Satze der Arithmetik sind aus .8 und ein- oder mehrstelligen 3~t in der und der Weise zusammen­gesetzt.

11 b. Ein singularer Satz der Physik besteht aus einem deskriptiven Pradikat und Raum-Zeit-Koordinaten als Argumenten.

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Siitze uber Bedeutung. 217

Die folgenden Beispiele 1280, 1380, 1480 scheinen zunii.chst von gleicher Art zu sein wie 1 a und 480. An ihnen wird sich aber die Gefahr der IrrefUhrung durch die Anwendung der inhaltlichen Rede­weise besonders deutlich zeigen lassen.

1280. Dieser Brief spricht vom Sohn des Herrn MUller.

1380. Der Ausdruck ,Ie cheval de M.' bezeichnet (oder: bedeutet) das Pferd des M.

1480. Der Ausdruck ,un elephant bleu' bedeutet einen blauen Elefanten.

12b. In diesem Brief kommt ein Satz \l3r (m: l ) vor, wo m: l die Kennzeichnung ,der Sohn des Herrn Muller' ist.

13b. Es gibt eine gehalttreue ausdrucksweise Vbersetzung der franzosischen in die deutsche Sprache, bei der ,das Pferd des M.' Korrelat von ,Ie cheval de M.' ist.

14b. (Analog 13b.)

Angenommen, Herr MUller hat keinen Sohni dann kann Satz 1280 trotzdem wahr sein; der Brief lugt dann eben. Aus dem wahren Satz 1280 kann man nun nach ublichen logischen SchluBregeIn einen faIschen Satz ableiten. Um die Ableitung genauer zu machen, wollen wir anstatt der Wortsprache eine Symbolik anwenden: Anstatt ,dieser Brief' wollen wir schreiben: ,b'; anstatt ,b handelt von a': ,H (b, a)'; anstatt ,der Sohn des a': ,Sohn' a' (kennzeichnende Funktion in Russellscher Symbolik). Also wird anstatt 1280 ge­schrleben: ,H (b, Sohn'MUller)' (@l l ). Nach einem bekannten Satz der Logistik (vgl. [Logistik] § 7 c, L 7·2) ist aus einem Satz \l3r (m:rg), in dem eine Kennzeichnung aIs Argument vorkommt, ein Satz ab­leitbar, der aussagt, daJl es etwas gibt, das die kennzeichnende Eigen­schaft hat. Aus @ll ware hiernach ableitbar ,(;I x) (Sohn (x, MUller»)' (@II)' also in Worten: "Es gibt einen Sohn des Herrn MUller." Das ist aber ein faIscher Satz. Ebenso ist aus 1330 der unter Umstanden falsche Satz "Es gibt ein Pferd des M." ableitbar; und aus 1480 der falsche Satz "Es gibt einen blauen Elefanten". Aus den Sii.tzen 12b, 13b, 14b der formalen Redeweise kann dagegen nach den ublichen RegeIn kein falscher Satz abgeleitet werden. Die Beispiele zeigen, daJl man bei Anwendung der inhaltlichen Redeweise zu Widersprlichen geflihrt wird, wenn man die ffir andere Sii.tze richtigen SchluJlweisen auch hier unbedenklich anwendet. [Man kann nicht behaupten, die FormuIierungen 1280, 1380 und 1480 seien unkorrekt, die Anwendung der inhaltlichen Redeweise flibre notwendig zu Widersprlichen; denn die Wortsprache ist ja nicht an die RegeIn der Logistik gebunden. Will man die inhaltliche Redeweise zulassen, so muJl man ein Regel­system anwenden, das nicht nur komplizierter ist als das der Logistik, sondern auch komplizierter als das ffir die librigen Sii.tze der Wort­sprache geltende RegeIsystem.]

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218 Philosophie und Syntax.

Manche Sitze enthalten gewissermaBen versteckt eine Be. deutungsbeziehung. Bei solchen Satzen bemerkt man nicht auf den ersten Blick, daB sie zur inhaltlichen Redeweise gehoren. Die wichtigsten Beispiele hierfiir sind die Satze, die die sogenannte indirekte Rede (oratio obliqua) anwenden (d. h. Satze, die iiber einen gesprochenen, gedachten, geschriebenen Satz sprechen, diesen aber nicht durch eine Beschreibung des Wortlautes an· geben, sondem mit Hilfe eines ,daB.', ,ob.' oder ,w·'Satzes oder eines Satzes mit Konjunktiv ohne Bindewort). Bei den folgenden Beispielen 1580, 16a zeigen die UIDformulierungen 15b, 16b, daB die Satze, in denen indirekte Rede vorkommt, von derselben Art sind wie die frillier besprochenen Beispiele, daB sie also auch zur inha.ltlichen Redeweise gehOren.

I. Inhaltliche Redeweise. 1. Siitze mit

indirekter Rede. 15a. Karl hat gesagt

(geschrieben, ge· dacht), Peter komme morgen (oder: daB Peter morgen kommt).

2. Siitze fiber Bedeutung.

150. Karl hat einen Satz ausgespro· chen, der bedeu. tet, daB Peter morgen kommt.

1680. Karl hat gesagt, l6b. wo Peter ist.

Karl hat einen Satz ausgespro· chen, der an· gibt, wo Peter ist.

I II. FormaleRedeweise.

15 c. Karl hat den Satz ,Peter kommt morgen' (oder einen Satz, von dem diaser eine Folge ist) ausge· sprochen.

16c. Karl hat einen Satz von der Form ,Peter ist -' ausgespro. chen, wo an der Stelle des Stri· ches eine OrtBbe· zeichnung steht.

Die Anwendung der indirekten Rede ist zwar bequem und kurz; aber sie birgt dieselben Gefahren wie die sonstigen Satze der inha.ltlichen Redeweise. Z. B. tauscht der Satz 1580 im Unter· schied zu 15 c vor, er handle von Peter, wahrend er in Wirkllchkeit nur von Karl und von dem Wort ,Peter' handelt. Bei Anwendung der direkten Rede (oratio recta) bestehen diese Gefahren nicht. Z. B. gehort der Satz "Karl sagt: ,Peter kommt morgen'" nicht zur inhaltlichen Redeweise; es ist ein deskrlptiv.syntaktischer Satz. Die direkte Rede ist die in der Wortsprache iibliche Form

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Allworter. 219

fiir die formale, syntaktische Redeweise. (Ober die Bildung der syntaktischen Bezeichnung eines Ausdrucks mit Hilfe von An­fiihrungszeichen vgl. § 41.)

Die bisherigen Beispiele haben schon erkennen lassen, daB bei gewissen Formulierungen in inhaltlicher Redeweise die Gefahr von Unklarheiten oder Widerspriichen besteht. Allerdings wird man in derartigen einfachen Fallen dieser Gefahr leicht aus­weichen konnen. In weniger durchsichtigen Fallen von grund­satzlich gleicher Art hat aber, besonders in der Philosophie, die Anwendung der inhaltlichen Redeweise vielfach zu Unstimmig­keiten und Verwirrungen gefiihrt.

76. Allw6rter. Ein ~r, von dem jeder Vollsatz analytisch ist, wollen wir ein

Allpradikat nennen oder, wenn es ein Wort der Wortsprache ist, ein Allwort. [Ein Allpradikat kann fiir jede Pradikatgattung leicht definiert werden. 1st z. B. ~rl ein ~rl beliebiger Gattung, so definieren wir das Allpradikat ~rll derselben Gattung in folgender Weise: ~rll (b1) - (~rl (b1) V ,....., ~rl (b1».] Die Untersuchung der Allworter ist besond.ers wichtig fiir die Analyse der philosophischen Satze. Sie kommen sehr haufig in solchen Satzen vor, sowohl in metaphysischen wie in wissenschaftslogischen, und zwar meist in inhaltlicher Redeweise. Um die praktische Anwendung des Kriteriums fiir ,Allwort' zu erleichtem, sei es auch noch inhaltlich formuliert: ein Wort heiBt ein Allwort, wenn es eine Eigenschaft (oder Beziehung) ausdriickt, die allen Gegenstanden irgendeiner Gattung analytisch zukommt; dabei rechnen wir zwei Gegenstii.nde zu derselben Gattung, wenn ihre Bezeichnungen zu derselben syntaktischen Gattung gehOren. Da die Syntaxbestimmungen der Wortsprache nicht genau festgelegt sind und der Sprachgebrauch gerade in bezug auf die Gattungseinteilung der Worter erheblich schwankt, so konnen wir Beispiele fiir Allworter immer nur mit dem Vorbehalt angeben, daB sie fiir einen bestimmten Sprach­gebrauch gelten.

Beispiele. 1. ,Ding' ist ein Allwort (sofern die Dingbezeich­nungen eine Gattung bilden). In der Wortreihe .Hund' •• Tier' • • Lebewesen' •• Ding' ist jedes Wort ein umfassenderes Pradikat ala das vorhergehende. das letzte aber ein Allpradikat. In der ent­sprechenden Satzreihe .Karo ist ein Hund ' ••... ist ein Tier' ••... ein

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220 Philosophie und Syntax.

Lebewesen', ,Karo ist ein Ding' nimmt der Gehalt schrittweise abo Aber der letzte Satz ist von den vorhergehenden grundsatzlich ver­schieden, er ist (L-)gehaltleer, analytisch. Wird in ,Karo ist ein Ding' ,Karo' durch irgendeine andere Dingbezeichnung ersetzt, so entsteht wieder ein analytischer Satzj wird ,Karo' durch einen Aus­druck ersetzt, der keine Dingbezeichnung ist, so entsteht iiberhaupt kein Satz.

2. ,Zahl' ist ein Allwort (sofern die .8 eine Gattung bilden, wie z. B. in Sprache I und II, im Unterschied zu Russells Sprache, wo die .s einen Teil der KlaSsenausdriicke zweiter Stufe bilden). In der Reihe der Pradikate ,Zahl von der Form 2n + 1', ,ungerade Zahl', ,Zahl' ist nur das letzte ein Allpradikat. In der Reihe der Satze ,7 hat die Form 2n + 1', ,7 ist ungerade', ,7 ist eine Zahl' ist zwar auch schon der zweite analytisch. Aber nur der dritte hat die Eigen­schaft, daB jeder Satz, der aus ihm entsteht, wenn ,7' durch ein anderes .8 ersetzt wird, auch wieder analytisch ist. Wird ,7' durch einen Ausdruck ersetzt, der kein .8 ist, so entsteht kein Satz (unter der anfangs genannten Voraussetzung).

Beispiele fiir Allworter: ,Ding', ,Gegenstand', ,Eigenschaft', ,Beschaffenheit', ,Beziehung', ,Sachverhalt', ,Zustand', ,Vorgang', ,Ereignis', ,Handlung', ,Raumpunkt'" ,raumliche Beziehung', ,Raum' (= System der Raumpunkte, durch raumliche Beziehungen geordnet), ,Zeitpunkt', ,zeitliche Beziehung', ,Zeit' (= System der Zeitpunkte, durch zeitliche Beziehungen geordnet); ,Zahl', ,natiirliche Zahl' (in I und II), ,reelle Zahl' (in manchen Systemen), ,Funktion', ,Menge' (oder ,Klasse'); ,Ausdruck' (in einer reinen Syntaxsprache); und viele andere.

Wir alie verwenden solche Allworter in unseren Abhandlungen, besonders in der Wissenschaftslogik, beinahe in jedem Satz. DaB die Verwendung dieser Worter notig ist, beruht jedoch nur auf der Mangelhaftigkeit der Wortsprachen, auf ihrem unzweck­maBigen syntaktischen Bau. Jede Sprache kann ohne EinbuBe an Ausdrucksfahigkeit und Ausdruckskiirze so umgeformt werden, daB keine Allworter mehr vorkommen.

Wir wollen zwei Anwendungsweisen der Allworter unter­scheiden (ohne eine genaue formale Abgrenzung zu geben). Bei der zweiten Anwendungsweise liegt inhaltliche Redeweise vor; davon wird spater die Rede sein. Bei der ersten Anwendungs­weise handelt es sich um echte Objektsatze. Hier dient ein All­wort dazu, die syntaktische Gattung eines andem Ausdrucks kenntlich zu machen. In manchen Fallen ist durch die Form des

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Allworter. 221

andern Ausdrucks allein seine syntaktische Gattung schon ein­deutig bestimmt; die besondere Kenntlichmachung durch das hinzugefiigte Allwort dient dann nur zur besondElren Hervor­hebung, vielleicht zur Erleichterung des Verstandnisses fur den Leser. In andern Fallen dagegen ist die Beifugung des Allwortes notig, da der andere Ausdruck sonst mehrdeutig sein wurde. In allen diesen Fallen der ersten Anwendungsweise ist das Allwort sozusagen unselbstandig, es ist ein grammatisches Neben­zeichen zu einem andern Ausdruck, ein Index.

Beispiele. 1. "Durch den Vorgang der Erwarmung wird ... " Da die Erwarmung eindeutig zur Gattung der Vorgange gehort, so kann hier einfa.ch gesagt werden: "Durch die Erwarmung wird ... " Das Allwort ,Vorgang' dient hier nur dazu, die Gattungszugehorigkeit des W ortes ,Erwarmung' hervorzuheben. - Ahnlich in folgenden Beispielen: 2. "Der Zustand der Mudigkeit ... ". - 3. "Die Zahl FUnf ..• ".

In den folgenden Satzen ist das Allwort notig, um Eindeutigkeit zu erreichen. Es kann durch Verwendung eines Index (,7' und ,7 r ')

oder durch EinfUhrung verschiedener Ausdrucke anstatt des mehr­deutigen Ausdrucks uberflussig gemacht werden. 4a. "Die natlirliche Zahl 7 ... ". 4b. "Die reelle Zahl 7 ... ". - 5a. "Der Zustand der Freundschaft ..• ". 5b. "Die Beziehung der Freundschaft ... ".

Besonders als Nebenzeichen zu Varia bien, also bei der Formulierung von All- und Existenzsatzen, sind in den Wort­sprachen haufig Allworter notig, um kenntlich zu machen, aus welcher Gattung die Einsetzungswerte zu nehmen sind. Die W ort­sprache verwendet als Variable Worter (,ein', ,etwas', ,jeder', ,alIe', ,ein beliebiger' u. a.), denen keine bestimmte Gattung als Wertbereich zugeordnet ist. Wiirde man, wie es in den symboli­schen Sprachen ublich ist, fur die verschiedenen Gattungen von Einsetzungswerten verschiedene Variablenarten verwenden, so wiirde die Beifugung des Allwortes uberflussig. Das Allwort dient also in der W ortsprache hier gewissermaBen als ein Index zu einer Variablen, der die Gattung der Einsetzungswerte der Variablen kenntlich macht.

Beispiele. Wir stellen die Formulierungen in Wortsprache und in logistischer Sprache einander gegenuber. 6a. "Wenn eine be­liebige Zahl ... , so ... ". 6b. ,,(X)( •• :> •• )" (wo ,x' ein 3 ist).-7a. "Es gibt eine Zahl, ... ". 7b. ,,(3 X) ( ••• )" (wo ,x' ein 3 ist). -8 a. "Ich kenne ein Ding, das ... ". 8 b. ,,(3 x) ( ... )" (wo ,x' eine Dingvariable ist). - 9a. "Jede Zahleigenschaft ... ". 9b. ,,(F) ( ••• )"

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222 Philosophie und Syntax.

(wo ,F' ein P ist, dessen Werle 3Pt1 sind). - lOa. "Es gibt eine Be­ziehung ... ". lOb. ,,(~ F) ( ... )" (wo ,F' ein pi ist).

Wittgenstein [Tractatus] 84: "So ist der variable Name ,x' das eigentliche Zeichen des ScheinbegriHs ,Gegenstand'. Wo immer das Wort ,Gegenstand' (,Ding', ,Sache' usw.) richtig gebraucht wird, wird es in der Begriffsschrift durch den variablen N amen ausgedriickt . . . . Wo immer es anders, also als eigentliches Begriffswort gebraucht wird, entstehen unsinnige Scheinsatze. . .. Dasselbe gilt von den Worten ,Komplex', ,Tatsache', ,Funktion', ,Zahl' usw. Sie alIe be· zeichnen formale Begriffe und werden in der Begriffsschrift durch Variable, nicht durch Funktionen oder Klassen dargestellt (wie Frege und Russell glaubten). Ausdriicke wie ,1 ist eine Zahl', ,Es gibt nur Eine Null' und aIle ahnlichen sind unsinnig." Hier ist richtig gesehen, daB die Allworter formale (in unserer Terminologie: syntaktische) Begriffe bezeichnen (oder genauer: sie sind zwar nicht syntaktische, aber quasi.syntaktische Pradikate) und daB sie bei Ubersetzung in eine symbolische Sprache in Variable iibersetzt werden (oder genauer: sie bestimmen die Art der Variablen, in die die Worter ,ein', ,jeder' usw. iibersetzt werden; es wird nur die Art der Variablen bestimmt, nicht ihre Gestalt; in den angegebenen Beispielen kann anstatt ,x' ebensogut ,y', ,z' usw. genom men werden). Dagegen teile ich nicht W.s Meinung, daB diese Verwendungsweise der Allworter die einzige zulassige sei. Wir werden nachher sehen, daB gerade in den wichti· geren Fallen eine andere Verwendungsweise vorliegt, bei der das All. wort selbstandig ("als eigentliches Begriffswort") gebraucht wird. Da handelt es sich um Satze der inhaltlichen Redeweise, die in syntaktische Satze zu iibersetzen sind. Derartige Satze mit Allwort halt W. fiir unsinnig, weil er die korrekte Formulierung syntaktischer Satze nicht fiir moglich halt.

Die Verwendung von Allwortern in Fragen in Ver­bindung mit einem W·Fragewort (,was', ,wer', ,wo', ,welcher' usw.) ist verwandt mit der in All· und Existenzsatzen. Auch hier bestimmt bei einer Ubersetzung in eine symbolische Sprache das Allwort die Wahl der Variablenart. Eine Ja.Nein.Frage besteht in der Aufforderung, einen bestimmten Satz 6 1 entweder zu bejahen oder zu verneinen, d. h. entweder 6 1 oder ~ 6 1 aus· zusagen. [Beispiel. Die Frage "ist der Tisch rund 1" fordert dazu auf, entweder "der Tisch ist rund" oder "der Tisch ist nicht rund" auszusagen.] 1m Unterschied hierzu besteht eine W.Frage in der Aufforderung, zu einer bestimmten Satzfunktion (oder einem Satzgeriist) einen gebundenen Vollsatz auszusagen. In einer symbolischen Frage ist die Gattung der erfragten Argumente durch die Art der Argumentvariablen bestimmt. In der Wort. sprache wird diese Gattung entweder durch ein spezifisches

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Allw6rter in inhaltlicher Redeweise. 223

W-Fragewort (z. B. ,wer', ,woo, ,wann') oder durch ein unspezifi­sches W-Fragewort (z. B. ,was fur ein', ,welcher') mit beigefiigtem Allwort kenntlich gemacht. Auch hier ist also das Allwort sozu­sagen ein Variablenindex.

Beispiele. 1. Angenommen, ich will jemanden auffordern, mir eine Aussage von der Form "Karl war - in Berlin" zu machen, wo an der Stelle des Striches eine Zeitbestimmung stehen soIl, die ich nicht kenne, sondern durch die Aussage gerade erfahren will. Die Frage muB nun durch irgendein Mittel kenntlich machen, daB der zu erganzende Ausdruck eine Zeitbestimmung sein soIl. Bei Ver­wendung symbolischer Zeichen kann das etwa dadurch geschehen, daB eine Satzfunktion angegeben wird, wobei an der Argumentstelle eine Variable ,t' steht, die als Zeitvariable festgelegt ist. [Will man die Frage symbolisieren, so muB man diejenige Variable, deren Argument erfragt werden soIl, durch einen Frageoperator binden, also etwa: ,( t t) (Karl war t in Berlin)'.] In der Wortsprache wird die Art des erfragten Argumentes entweder durch das spezifische Frage­wort ,wann' kenntlich gemacht ("Wann war Karl in Berlin Y") oder durch das Allwort ,Zeit' oder ,Zeitpunkt', das einem unspezifischen Fragewort beigefUgt wird ("Zu welcher Zeit war Karl in Berlin' ").

2. loh will jemanden auffordern, mir eine Aussage zu machen von der Form "Karl ist - von Peter", wobei an der Stelle des Striches ein Beziehungswort (,Vater', ,Freund', ,Lehrer' od. dgl.) stehen soIl. Symbolische Formulierung der Frage mit Hilfe der Beziehungs­variablen ,R': ,(' R) (R (Karl, Peter»'. Formulierung in Wortsprache mit Hilfe der Beifiigung des Allwortes ,Beziehung' zu einem un­spezifischen Fragewort: "Welche Beziehung besteht zwischen Karl und Peter'"

77. Allworter in inhaltlicher Redeweise. Bei der bisher besprochenen ersten Verwendungsweise eines

Allwortes tritt es als gattungsbestimmendes Nebenzeichen zu ":linem andern Ausdruck auf; wird fur den andern Ausdruck ein geeignetes, die Gattung kenntlich machendes Zeichen einge­fuhrt, so kann das Allwort weggelassen werden. 1m Unterschied hierzu tritt ein All wort bei der z wei ten V erwend ungs­weise ala selbstandiger Ausdruck auf, der im einfachsten Fall an der Pradikatstelle des betreffenden Satzes steht. Derartige Satze gehOren zur inhaltlichen Redeweise. Ein Allwort ist namlich hier ein quasi-syntaktisches Pradikat; ein zugeordnetes syntak­tisches Pradikat ist dasjenige, das die zugehOrige Ausdrucks­gattung bezeichnet. [Beispiel. ,Zahl' ist ein Allwort, weil es allen Gegenstanden einer Gegenstandsgattung, namlich der der Zahlen,

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224 Philosophie und Syntax.

analytisch zukommt; das zugeordnete syntaktische Pradikat ist ,Zahlausdruck' (oder ,Zahlwort'), da dieses allen Ausdriicken zu­kommt, die Bezeichnung einer Zahl sind. Der Satz "Fiinfist eine Zahl" ist ein quasi-syntaktischer Satz der inhaltlichenRedeweise; ein zugeordneter syntaktischer Satz ist ",Fiinf' ist ein Zahlwort". ]

Satze mit Allwortern. (Inhaltliche Redeweise.)

1780. Der MQnd ist ein Ding; Fiinf ist kein Ding, sondern eine Zahl.

Syntaktische Satze. (Formale Redeweise.)

17b. ,Mond' ist ein Dingwort (Dingname); ,Fiinf' ist kein Dingwort, sondern ein Zahl­wort.

In 1780 sind die Allworter ,Ding' und ,Zahl' selbstandig, im Unterschied zu Satzen wie "das Ding Mond ... ", "die Zahl Fiinf ... ". lS8o. Eine Eigenschaft ist kein 11Sb. Ein Eigenschaftswort ist

Ding. kein Dingwort. DaB die Formulierung 1880 nicht unbedenklich ist, zeigt sich

durch folgende ttberlegung. 1880 verletzt die gewohnliche Typenregel. Das sieht man besonders deutlich, wenn man versucht, 1880 sym­bolisch zu formulieren, sei es durch ,(F) (Eig (F) :> ~ Di (F) )', sei es durch ,(x) (Eig (X) :> ~ Di (X»'; im ersten Falle ist ,Di (F)', im zweiten Falle ,Eig (x)' typenmiWig unstimmig. W:ird also ISa als Satz zugelassen (gleichviel ob wahr oder falsch), so kann man bei der in der Logistik iiblichen Syntax die Russellsche Antinomie auf­stellim. Soll sie vermieden werden, so sind besondere, verwickelte Syntaxbestimmungen erforderlich. 19 a. Freundschaft ist eine Be -

ziehung. 20 a. Freundschaft ist nicht eine

Eigenschaft.

19b. ,Freundschaft' ist ein Be· ziehungswort.

20 b. ,Freundschaft' ist nicht ein Eigenschaftswort.

19 a entspricht der von Russell verwendeten Satzform , ... e ReI' i die analoge symbolische Formulierung von 2080 wiirde aber die Typenregel verletzen. Dagegen sind die zugeordneten Satze 19b und 20b der formalen Redeweise auch ohne besondere syntaktische Vor­kehrungen gleichartig und gleichberechtigt. - 1m Unterschied zu dem Pseudo.Objektsatz 1980 ist ein Satz etwa von der Form "Freund­schaft entsteht, wenn ... " ein echter Objektsatz, also kein Satz der inhaltlichen Redeweise.

Es wird haufig gesagt, die Typenregel (auch die einfache) enge die Ausdrucksfahigkeit der Sprache in unbequemer Weise ein; man komme oft in Versuchung, Formulierungen zu verwenden, die durch die Typenregel verboten seien. Derartige Formulierungen sind jedoch haufig (wie die angegebenen Beispiele) nur Pseudo-

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Verwirrung in der Philosophie durch die inhaltliche Redeweise. 225

Objektsatze mit Aliwortern. Verwendet man in solchen Fallen anstatt der Objektbegriffe, die man zusammenbringen mochte, aber nicht zusammenbringen darf, die entsprechenden syn. taktischen Begriffe, so verschwindet das Hindernis der Typen. regel.

Selbstii.ndige Allworter kommen sehr haufig in philosophischen Satzen vor, und zwar sowohl in der traditionellen Philosophie als auch in der Wissenschaftslogik. Bei der Mehrzah) der spater folgenden Beispiele philosophischer Satze ist die ZugehOrigkeit zur inhaltlichen Redeweise auf die Verwendung selbstandiger Allworter zuriickzufiihren.

78. Verwirrung in der Philosophie durch die inhaltliche Redeweise.

DaB in philosophischen Erorterungen, auch in solchen, die von Metaphysik frei sind, so haufig Unklarheiten vorkommen, und daB man in philosophischen Diskussionen so haufig anein· ander vorbeiredet, liegt zum groBen Teil an der Verwendung der inhaltlichen Redeweise anstatt der formalen. Die Gewohnheit, in inhaltlicher Redeweise zu formulieren, hat zunachst zur Folge, daB man sich iiber den Gegenstand der eigenen Untersuchungen einer Selbsttauschung hingibt: die Pseudo·Objektsatze verleiten zu der Ansicht, es handle sich um auBersprachliche Objekte; etwa um Zahlen, Dinge, Eigenschaften, Erlebnisse, Sachverhalte, Raum, Zeit usw. Der Umstand, daB es sich in Wirklichkeit um Sprache, um Sprachgebilde und ihre Zusammenhange handelt (etwa um Zahlausdrucke, Dingbezeichnungen, Raumkoordinaten usw.), wird durch die Einkleidung in inhaltliche Redeweise ver· hullt; dieser Umstand wird erst durch die tJbertragung in die formale Redeweise, also in syntaktische Satze iiber Sprache und Sprachausdriicke, deutlich.

Ferner entsteht bei Anwendung der inhaltlichen Redeweise eine Unklarheit dadurch, daB an die Stelle der in bezug auf Sprache relativen syntaktischen Begriffe absolute Begriffe gesetzt werden. Bei jedem Satz der Syntax und daher auch bei jedem philosophi. schen Satz, den man als syntaktischen deuten will, muB man angeben, auf welche Sprache oder auf welche Art von Sprachen er sich beziehen solI. 1st die Bezugssprache nicht angegeben, so ist der Satz unvollstandig und mehrdeutig. Gewohnlich wird

(: a rna P. Syntax, 2. Auf!. 15

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226 Philosophie und Syntax.

ein syntaktischer Satz etwa in einer der folgenden Weisen gemeint sein; er soIl gelten:

1. fiir aIle Sprachen, 2. fiir aIle Sprachen einer bestimmten Art, 3. fur die gegenwartig gebra.uchliche Sprache der Wissen­

schaft (oder eines Teilgebietes: der Physik, der Biologie, ... ), 4. fur eine bestimmte Sprache, deren Syntaxbestimmungen

vorher aufgestellt worden sind, 5. fiir mindestens Eine Sprache einer bestimmten Art, 6. fur mindestens Eine Sprache uberhaupt, 7. fur eine (nicht vorher angegebene) Sprache, die ala Sprache

der Wissenschaft (oder eines Teilgebietes) vo~eschlagen wird, 8. fiir eine (nicht vorher angegebene) Sprache, deren Auf­

stellung und Untersuchung vorgeschlagen wird (unabhangig von der Frage, ob sie als Wissenschaftssprache dienen soIl).

Wendet man die formale, syntaktische Redeweise an, so spricht man uber Sprachausdrucke. Dadurch wird man darauf aufmerksam gemacht, daB man die gemeinte Sprache angeben muB. Wird die Sprache nicht ausdriicklich genannt, so wird doch in den meisten Fallen aus dem Zusammenhang zu ersehen sein, welche Deutung (etwa von den soeben angegebenen) gemeint ist. Die Anwendung der inhaltlichen Redeweise fuhrt dagegen zu einem nbersehen der Relativitat philosophischer Sii.tze in bezug auf die Sprache; sie verleitet zu einer absolutistischen Auffassung der philosophischen Sii.tze. Es ist besonders zu beachten, daB die Aufstellung einer philosophischen These unter Umstanden (nii.mlich etwa bei Deutling 7 oder 8) keine Behauptung, sondern einen Vorschlag darstellt. Eine Diskussion uber Wahrheit oder Falsch­heit einer solchen These ist ganzlich verfehlt, ein leerer W ort­streit; man kann hOchstens uber die ZweckmaBigkeit des Vor­schlages diskutieren oder seine Konsequenzen untersuchen. Aber auch in Fallen, wo eine philosophische These eine Behauptung darsteIlt, entsteht durch die Vielheit moglicher Deutungen (z. B. Ibis 6) leicht Unklarheit und unnutzer Streit. Einige Beispiele mogen das erlautern. (Der Kurze wegen formulieren wir die Beispielthesen primitiver, als sie in wirklichen Diskussionen lauten wiirden.)

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Verwirrung in der Philosophie durch die inhaltliche Redeweise. 227

Philosophische Satze. (Inhaltliche Redeweise.)

21a. Die Zahlen sind Klassen von Klassen von Dingen.

21 b.

Syntaktische Satze. (Formale Redeweise.) Die Zahlausdrucke sind Klassenausdrucke zweiter Stufe.

22a. Die Zahlen gehoren zu einer 22b. eigenen, urspriinglichen Ge­genstandsart.

Die ZahlausdruckesindAus­drucke nullter Stufe.

Angenommen, ein Logizist vertrete die These 21a, ein Formalist die These 22a. Dann kann zwischen beiden eine endlose und frucht­lose Diskussion daruber gefiihrt werden, wer Reoht habe und was die Zahlen denn eigentlich seien. Die Unklarheit verschwindet, wenn die formale Redeweise angewendet wird. Zunachst werden etwa die Thesen 21 a und 22a ubersetzt in 21 b und 22b. Aber diese Satze sind noch unvollstandig, weil die Angabe der Sprache fehlt. Bier sind noch verschiedene Deutungen moglich, z. B. die fruher genannten. Die Deutung 3 ist nicht gemeint. Bei Deutung 1 wurden beide Parteien Unrecht haben. Bei der vorsichtigsten Behauptung 6 haben beide Recht, und der Streit verschwindet. Denn man kann eine Sprache der Arithmetik so aufbauen, daB 21 b zutrifft, aber auch so, daB 22 b zutrifft. Vielleicht aber verstandigen die Diskutanten sich dahin, daB ihre Thesen als Vorschlage gemeint sind, etwa im Sinne von 7. In diesem Falle kann nicht uber Wahrheit und Falschheit der Thesen diskutiert werden, sondern nur daruber, ob diese oder jane Sprachform einfacher oder fiir die und die Zwecke geeigneter ist.

23a. Zum ursprunglich Gege- 23b. Zu den undefinierten de-

24a.

benen gehoren Bezie- skriptiven Grundzeichen ge-hungen. horen zwei- (oder mehr-)

Beziehungen sind niemals ursprunglich gegeben, son­dern sie beruhen auf der Beschaffenheit der Bezie­hungsglieder.

stellige Pradikate. 24 b. Alle zwei- und mehrstelligen

Pradikate werden auf Grund einstelliger Pradikate de­finiert.

Auch bei den Thesen 23a und 24a ist die Diskussion solange schief und unfruchtbar, bis die Parteien zur formalen Redeweise ubergehen und sich dann daruber verstandigen, welche der Deutungen 1 bis 8 fUr die Satze 23 b und 24 b gemeint ist.

25a. Ein Ding ist ein Komplex 25b. Jeder Satz, in dem eine von Sinnesempfindungen. Dingbezeichnung vor­

kommt, ist gehaltgleich mit einer Klasse von Satzen, in denen keine Dingbezeich­nungen, sondern Empfin­dungsbezeichnungen vor­kommen.

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228 Philosophie und Syntax.

26a. Ein Ding ist ein Komplex I von Atomen.

26b. Jeder Satz, in dem eine Dingbezeiehnung vor­kommt, ist gehaltgleieh mit einem Satz, in dem Raum­Zeit-Koordinaten und ge­wisse deskriptive Funktoren (der Physik) vorkommen.

Angenommen, ein Positivist vertrete die These 25a, ein Realist die These 26a. Hier wird ein endloser Streit entstehen uber die Scheinfrage, was ein Ding denn eigentlieh sei. Geht man zur formalen Redeweise uber, so ist es in diesem FaIle moglieh, die beiden Thesen sogar dann zu versohnen, wenn sie im Sinne von 3 gedeutet werden, also ala Behauptungen uber die Gesamtspraehe der Wissensehaft. Denn die versehiedenen Mogliehkeiten, einen Dingsatz gehalttreu umzuformen, sind ja nieht unvertraglieh miteinander. Der Streit zwischen Positivismus und Realismus ist ein mulliger Streit um Seheinthesen, der auf der Anwendung der inhaltliehen Redeweise be'l"uht.

Auch hier wollen wir wieder betonen, daB aus den angege­benen Beispielen nicht etwa hervorgeht, alle Satze der inhalt­lichen Redeweise seien °notwendig unkorrekt. Aber sie sind ge­wohnlich unvollstandig. Auch das hindert nicht ihren ordentlichen Gebrauch; denn es werden ja auf allen Gebieten haufig unvoll­standige, abkiirzende Redeweisen mit Nutzen verwendet. Doch zeigen die Beispiele, wie wichtig es ist, daB man sich bei An­wendung der inhaltlichen Redeweise besonders in philosophischen Diskussionen des Charakters dieser Redeweise bewuBt bleibt, um ihre Gefahren vermeiden zu konnen. Sobald in einer Dis­kussion Unklarheiten der hier angedeuteten Arten entstehen, ist es ratsam, wenigstens die Hauptthese, um die der Streit geht, in die formale Redeweise zu iibersetzen und sie dadurch zu prazisieren, daB man angibt, ob sie als Behauptung oder Vor­schlag gemeint ist und auf welche Sprache sie sich beziehen soll. Verweigert jemand fUr seine These diese Angaben, so ist die These unvollstii.ndig und daher indiskutabel.

79. Philosophisehe Sitze in inhaltlieher und formaler Redeweise.

Wir wollen eine Reihe weiterer Beispiele von Satzen in inhaltlicher Redeweise mit ihrer Obersetzung in die formale Rede­weise anfiihren. Es sind Satze, wie sie in philosophischen Er-

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Philosophische Satze in inhaltlicher und formaler Redeweise. 229

orterungen vorzukommen pflegen, sei es in solchen nach Art der traditionellen Philosophie, sei es in Untersuchungen, die schon ausdrucklich wissenschaftslogisch eingestellt sind. [Die Satze sind der Kurze wegen zum Teil primitiv formuliert.] Diese Bei­spielsatze (und auch schon die von § 78) haben meist nicht mehr die einfache Form derjenigen Satze, fiir die wir friiher das Kri­terium der inhaltlichen Redeweise formuliert haben. Aber sie haben den allgemeinen Charakter, der fur die inhaltliche Redeweise kennzeichnend ist: .sie sprechen uber irgendwelche Objekte, jedoch so, daB es zugeordnete Satze der formalen Redeweise gibt, die Entsprechendes uber die Bezeichnungen dieser Objekte aussagen. Da die urspriinglichen Satze meist nicht eindeutig zu verstehen sind, so onn auch nicht eindeutig eine bestimmte Ubersetzung in die formale Redeweise angegeben werden; ja es kann nicht einmal mit Sicherheit behauptet werden, daB der betreffende Satz ein Pseudo-Objektsatz und damit ein Satz der inhaltlichen Redeweise ist. Die hier angegebene Ubersetzung ist also nicht mehr als ein unverbindlicher Vorschlag. Es ist Aufgabe dessen, der die betreffende philosophische These vertreten will, sie durch Ubersetzung in einen exakten Satz zu deuten. Das kann unter Umstanden ein echter Objektsatz (d. h. ein nicht quasi-syntak­tischer Satz) sein; dann liegt keine inhaltliche Redeweise vor. Andernfalls muB es moglich sein, die Deutung durch Ubersetzung in einen syntaktischen Satz zu geben. - Die syntaktischen Satze der folgenden Beispiele mussen wie die der fruheren Beispiele noch vervollstandigt werden durch die Angabe der gemeinten Sprache; auS dieser Angabe ist dann auch zu ersehen, ob der Satz eine Behauptung oder eine neue Festsetzung, ein Vorschlag, ist. Wir haben diese Angaben in den Beispielen fortgelassen, da sie aus den philosophischen Satzen der inhaltlichen Redeweise meist nicht eindeutig zu entnehmen sind. [Hier wie in den fruheren Beispielen ist es selbstverstandlich fUr unsere Uberlegungen gleichgilltig, ob die Beispielsatze zutreffen oder nicht.]

Philosophische Satze. (Inhaltliche Redeweise.)

Syntaktische Satze. (Formale Redeweise.)

A. Allgemeines Ciiber Dinge, Eigenschaften, Sachverhalte u. dgl.).

Hierher gehoren auch die Beispiele 7, 9, 17-20.

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230 Philosophie und Syntax.

27 a. Eine Eigenschaft einer Ding­eigenschaft ist nicht selbst eine Dingeigenschaft.

28 a. Eine Eigenschaft kann nicht wieder eine Eigenschaft be­sitzen. (1m Unterschied zu 2780.)

29 a. Die Welt ist die Gesamtheit der Tatsachen, nicht der Dinge.

3080. Der Sachverhalt ist eine Verbindung von Gegen­standen (Sachen, Dingen).

3180. Wenn ich den Gegenstand kenne, so kenne ich auch samtliche Moglichkeiten seines Vorkommens in Sach. verhalten.

3280. Die Identitat ist keine Re­lation zwischen Gegenstan­den.

27b. Ein Ipt ist nicht ein Ipt.

28 b. Es gibt keine ~t von hoherer als erster Stufe. (1m Unter­schied zu 27b.)

29b. Die Wissenschaft ist ein System von Satzen, nicht von Namen.

30 b. Ein Satz ist eine Reihe von Zeichen.

31 b. 1st die Gattung eines Zei­chens gegeben, so sind da­mit auch samtliche Mog­lichkeiten seines Vorkom­mens in Sii.tzen gegeben.

32b. Das Identitii.tszeichen ist nicht deskriptiv.

Die Satze 2980 bis 3280 stammen von Wittgenstein. Auch viele andere seiner zunachst oft dunkel erscheinenden Satze werden deut­lich, wenn man sie in die formale Redeweise ubertragt.

33 a. Dieser U mstand (oder: Sach­verhalt, Vorgang, Zustand) ist logisch notwendig; ... 10-gisch unmoglich(oder: un­denkbar); ... logisch mog-lich (oder: denkbar).

34&. Dieser Umstand (oder: Sach. verhalt, Vorgang, Zustand) ist real- (oder: physikalisch., naturgesetzlich.) notwendig; ... real-unmoglich; ... real. moglich.

35a. Der Umstand (oder: Sach­verhalt, Vorgang, Zustand) U1 ist denknotwendige (bzw. naturnotwendige) Voraus. setzung fur den U mstand U •.

33b. Dieser Satz ist analytisch; . .. kontradiktorisch; nicht kontradiktorisch.

34 b. Dieser Satz ist gUltig; ... widergUltig; ... nicht wider· gUltig.

35b. 6 1 ist L-Folge (bzw. p. Folge) von 6 •.

3380 bis 35a sind Modalitii.tsBii.tze; vgl. § 69.

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Philosophische Siitze in inhaltlicher und formaler Redeweise. 231

36 a. Eine Eigenschaft eines Ge­genstandes c heiJlt eine wesentliche (oder: in­terne) Eigenschaft von c, wenn es undenkbar ist, daB c sie nicht besitzt (oder: wenn c sie notwendig be­sitzt); andernfalls eine un­wesentliche(oder: exter­ne) Eigenschaft. (Entspre-chend fUr eine Beziehung.)

36b. ~rl heiJlt ein analytisehes (oder, wenn man will: we­sentliches oder internes) Pra­dikat in bezug auf eine Ge· genstandsbezeichnung m: l ,

wenn prl (m:l) analytisch ist. (Entsprechend ffir ein zwei­oder mehrstelliges ~r.)

Die Bedenklichkeit der Formulierung 3680 zeigt sich darin, daB sie zu Unklarheiten und Widerspruchen fuhrt. Nehmen wir als Gegenstand c z. B. den Vater von Karl. Nach der Definition 3680 ist es ffir ihn eine wesentliche Eigenschaft, mit Karl verwandt zu sein; denn es ist undenkbar, daB der Vater von Karl nicht mit Karl verwandt ware. Dagegen ist es fur ibn nicht eine wesentliche Eigen­schaft, Grundbesitzer zu sein. Denn auch wenn er Grundbesitzer ist, ist es denkbar, daB er nicht Grundbesitzer ware. Dagegen ist es ffir den Besitzer dieses Grundstuckes eine wesentliche Eigenschaft, Grundbesitzer zu sein. Denn es ist undenkbar, daB der Besitzer dieses Grundstuckes kein Grundbesitzer ware. Nun ist aber zufallig Karls Vater der Besitzer dieses Grundstuckes. Auf Grund der De­finition 3680 hat sich somit ergeben, daB fur diesen Mann die Eigen­schaft, Grundbesitzer zu sein, sowohl eine wesentliche Eigenschaft als auch nicht eine wesentliche Eigenschaft ist. 3680 fiihrt also zu einem Widerspruch; 36b dagegen nicht: , Grundbesitzer' ist ein analytisches Pradikat in bezug auf die Gegenstandsbezeichnung ,der Besitzer dieses Grundstiickes', aber nicht ein analytisches Pradikat in bezug auf die Gegenstandsbezeichnung ,der Vater des Karl'. Der Febler der Definition 3680 liegt somit darin, daBsie sich auf den Einen Gegenstand bezieht anstatt auf die Gegenstandsbezeichnun­gen, die auch bei demselben Gegenstand verschieden sein konnen.

Dieses Beispiel laBt erkennen (und eine eingehendere Unter. suchung kann esleicht bestatigen), daB die zahlreichen Uberlegungen und Kontroversen iiber externe und interne Eigenschaften und Beziehungen miiBig sind, wenn man sie wie iiblich anstellt auf Grund einer Definition, die die angedeutete oder eine ahnliche Form hat, jedenfa.lls aber in inhaltlicher Redeweise formuliert ist. [Derartige Untersuchungen finden sich besonders bei angelsachsischen Philosophen; durch sie hat auch Wittgenstein, dem die Ent­larvung mancher anderen Scheinfragen zu verdanken ist, sich zu einer ahnlichen Fragestellung verleiten lassen.] Wird anstatt der ublichen Definition eine solche in formaler Redeweise aufgestellt, so wird die Sachlage in den gewohnlich umstrittenen Fallen eindeutig und dabei so einfach, daB niemand mehr in Versuchung kommen kann, philosophische Probleme daran anzuknupfen.

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232 Philosophie und Syntax.

B. Die sogenannte Philosophie der Zahlen; Wissenschaftslogik der Arithmetik.

Hierher gehOren auch die Beispiele 10, 17, 21, 22.

37 a. Die natiirlichen Zahlen hat Gott geschaffen; Briiche und reelle Zahlen dagegen sind Menschenwerk. (Kron­ecker.)

38 a. Die natiirlichen Zahlen sind nicht gegeben; gegeben ist' nur ein AnfangBglied des Zahlens und die Operation des Fortschreitens von einem Glied zum nachstfolgen­den; die ubrigen Glieder werden mit Hille dieser Operation forlschreitend er­zeugt.

39a. Das mathematische Kon­tinuum ist eine Reihe von bestimmter Struktur; die Elemente der Reihe sind die reellen Zahlen.

40a. Das mathematische Konti­nuum ist nicht zusammen­gesetzt aus atomaren Ele­men ten, sondern eine Ganz­heit, die in immer weiter zerlegbare Teilintervalle zer­legbar ist. Eine reelle Zahl ist eine Folge ineinander geBchachtelter Intervalle.

37b. Die natiirlichen Zahlzeichen sind Grundzeichen; die Bruchausdriicke und reellen ZahlauBdrucke sind durch Definitionen eingefiihrt.

38 b. Die (natiirlichen) Zahlaus­drUcke Bind nicht Grund­zeichen (im Unterschied zu 37b); Grundzeichen Bind nur ,0' und ,"; ein <St hat die Form uu oder <st'. (Sprache I und II.)

39b. Grundzeichen ist ein pt21,

dem in den Axiomen be­stimmte Struktureigen­schaften (Dichte, Stetigkeit usw.) zugeschrieben werden. Die zu Pt1 passenden Argu-mente. Ausdrucke nullter Stufe, heiDen reelle Zahl­ausdrucke.

40b. Grundzeichen ist ein pt\. dem in den Axiomen be­stimmteStruktureigenschaf. ten (namlich die einer Teil­beziehung bestimmter Art) zugeschrieben werden. Ein iju1, dessen Argumente na­tiirliche ZahlauBdrucke und dessen Wertausdrucke pas­sende Argumente fur Pt1

Bind, heiDt ein reeller Zahl­ausdruck. [Eine sogenannte werdende W ahlfolge wird dabei dargeBtellt durch ein ijUb, vgl. S. 103.]

In 3980 und 4080 stellt sich der Gegensatz zwischen der in der Mathematik ublichen mengentheoretischen Auffassung des Kontinuums der reellen Zahlen und der von Brouwer und

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Philosophische Siitze in inhaltlicher und formaler Redeweise. 233

\Veyl vertretenen intuitionistischen Auffassung des Konti­nuums, bei der jene Auffassung als atomistisch abgelehnt wird, dar (hier in vergroberter Formulierung). 39b und 40b konnen gedeutet werden als Vorschliige zur Aufstellung zweier verschiedener Kalkiile.

C. Pro bleme des sogenannten Gege benen(Erkenntnistheorie, Phanomenologie); Wissenschaftslogik der Protokollsatze.

Hierher gehoren auch die Beispiele 23, 24. 41a. Ursprunglich gegeben 41 b. Ais deskriptive Grundzei-

sind nur Beziehungen zwi· chen treten nur zwei- oder schen Erlebnissen. mehrstellige Priidikate auf,

deren Argumente zur Gat­tung der Erlebnisausdrucke

42a.

43a.

Ursprunglich gegeben ist eine zeitliche Reihe von Sehfeldern; jedes Sehfeld ist eine zweidimensionale Ordnung von Stellen, die mit Farben belegt sind. (1m Unterschied zu 41a.) Zum ursprunglich Gegebe­nen gehoren die Empfin­dungsqualitiiten, z. B. Far­ben, Geruche u. dgl.

44a. DaB das System der Far­ben, nach Ahnlichkeit ge­ordnet(dersogenannteFarb­korper), dreidimensional ist, ist eine Erkenntnis a priori (oder: ist durch Wesens­schau zu erfassen; oder: ist eine interne Eigenschaft jener Ordnung).

45a. Die Farben sind ursprung­lich nicht als Glieder einer Ordnung gegeben, sondern als Individuen; es besteht jedoch·eine empirische Ahn­lichkeitsbeziehung zwiAchen ihnen, auf Grund deren man die Farben empirisch drei­dimensional ordnen kann.

gehoren. 42b. Ein deskriptiver atomarer

Satz besteht aus einer Zeit­koordinate, zwei Lokalko­ordinaten und einem Farb­ausdruck.

43b. Zu den deskriptiven Grund­zeichen gehoren Empfin­dungszeichen, z. B. Farb­zeichen, Geruchzeichen und andere.

44 b. Ein Farbausdruck besteht aus drei Koordinaten; dil) Werte jeder Koordinate bil­den auf Grund syntakti­scher RegeIn eine Reihen­ordnung; auf Grund dieser syntaktischen RegeIn bilden also die Farbausdrucke eine dreidimensionale Ordnung.

45b. Die Farbausdrucke sind nicht zusammengesetzt, son­dern Grundzeichen; ferner tritt als Grundzeichen ein symmetrisches, reflexives, aber nicht transitives l:Jr~ auf, zu dem die Farbaus­drucke als Argumente pas­sen; der Satz von der Drei­dimensionalitat der durch dieses l:Jr bestimmten Ord­nung ist P-giiltig.

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234 Philosophie und Syntax.

Die vielumstrittene p:ty1osophisehe Fraga, ob die Erkenntnis von der Dreidimensionalitat des Farbkorpers a priori oder empirisch ist, ist also infolge Anwendung der inhaltliehen Rede. weise unvollstandig. Die Antwort hangt von dar Form der Spraehe abo

46a. Jede Farbe besitzt drei Komponenten: Farbton, Sattigung und HeIligkeit [oder: Farbton, WeiBgehalt, Schwarzgehalt ].

47 a. J ede Farbe ist an einem Ort.

48a. Jeder Ton hat eine be· stimmte Tonhohe.

46b. Jeder Farbausdruek besteht aus drei TeilausdrUeken (oder ist synonym mit einem so zusammengesetzten Aus­druck): einem Farbtonaus­druck, einem Sattigungs­ausdruck und einem HeIlig­keitsausdruek.

47b. Ein Farbausdruck tritt in einem Satz stets in Ver· bindung mit einer Orts­bezeichnung auf.

48b. Jeder Tonausdruck enthilt einen Tonhohenausdruck.

D. Die sogenannte Naturphilosophie; Wissenschaftslogik der N aturwissenschaft.

Hierher gehOren auch die Beispiele 11, 25, 26.

49a. Die Zeit ist stetig. 49b. Als Zeitkoordinaten werden die reelien Zahlausdrueke verwendet.

Vgl. hierzu Wittgenstein [Tractatus] 172: "AIle jene Satze wie der Satz vom Grunde, von der Kontinuitat in der Natur, ... sind Einsiehten a priori uber die mogliehe Formgebung der Satze der Wissensehaft." (Anstatt "Einsichten a priori" wlirden wir aber lieber sagen: "Festsetzungen".)

50a. Die Zeit ist eindimensional; der Raum ist dreidimen­sional.

51&. Die Zeit ist nach vorwarts und ruckwarts unendlieh.

50b. Eine Zeitbezeichnung be­steht aus Einer Koordinate; eine Raumbezeichnung be­steht aus drei Koordinaten.

51 b. Jeder positive oder nega­tive reelie Zahlausdruck kann als Zeitkoordinate ver­wendet werden.

Der Gegensatz zwischen dem Determinismus der klassischen Physik und der Wahrseheinlichkeitsdetermination der Quanten· physik betrifft einen syntaktischen Untersehied des Systems der Naturgesetze, also der (schon aufgesteliten oder gesuchten) P-Be­stimmungen der physikalisehen Sprache:

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Gefahren der inhaltlichen Redeweise. 235

52a. Jeder Vorgang ist durch I seine U rsachen eindeutig bestimmt.

53 a. Ort und Geschwindigkeit einer Partikel ist durch eine friihere Partikelkonstella. tion nicht eindeutig be­stimmt, sondern nur mit Wahrscheinlichkeit.

52b. Zu jedem singularen physi­kalischen Satz 6 1 gibt es fUr eine beliebige Zeitkoor­dinate ~1' die einen kleine­ren Wert hat aIs die in 6 1

vorkommende Zeitkoordi­nate, eine Klasse St1 singu­larer Satze mit ~1 aIs Zeit­koordinate, derart, daB 6 1

eine P-Folge von St 1 ist. 53b. Ist 6 1 ein singularer Par­

tikelsatz und ~1 eine Zeit­koordinate von kleinerem Wert als die in 6 1 vorkom­mende, so ist 6 1 nicht P­Folge einer noch so um­fassenden Klasse solcher Satze mit ~1 als Zeitkoor­dinate, sondern nur Wahr­scheinlichkeitsfolge einer solchen Klasse mit einem Wahrscheinlichkeitskoeffiz -ienten kleiner als 1.

80. Gefahren der inhaltlichen Redeweise. Wollen wir die inhaltliche Redeweise unter einen

allgemeinen Begriff bringen, so konnen wir etwa sagen, daJl sie eine besondere Art von verschobener Redeweise ist. Dabei wollen wir unter einer verschobenen Redeweise eine solche verstehen, bei der man, um etwas fiber den Gegenstand a auszu­sagen, etwas Entsprechendes fiber einen Gegenstand b aussagt, der zu a in einer bestimmten Beziehung steht (das solI keine ge­naue Definition sein). Jede Metapher ist z. B. eine verschobene Redeweise; aber auch verschobene Redeweisen anderer Art kommen in der fiblichen Sprache haufig vor, weit hii.ufiger, als man zunachst glauben mag. Die Anwendung einer verschobenen Redeweise kann leicht zu Unklarheiten ffihren; sie ist aber bei konsequenter Durchfiihrung widerspruchsfrei.

Beispiele fiir verschiedene Arten verschobener Redeweise. 1. Ein konstruiertes Beispiel. Man fiihrt den Begriff ,gruB' (aIs Parallelbegriff zu ,groB') durch folgende Festsetzung ein: hat ein Ort a mehr als 100.000 Einwohner, so wollen wir sagen, der Ort b, dessen Name im alphabetischen Ortsverzeichnis dem von a vorangeht, sei

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236 Philosophie und Syntax.

gruJl. Eine solche Fastsetzung li~8t sich widerspruchsfrei durch­fUhren; nach ihr ist z. B. der Ort Berlichingen gru8, da im Verzeichnis auf ,Berlichingen' ,Berlin' folgt. Die Begriffsbildung scheint absurd, da es fiir die Beschaffenheit (im gewohnlichen Sinne) eines Ortes gar nichtB ausmacht, ob er gru8 ist oder nicht. Aber AnaJogas gilt auch fiir die ubliche inhaltliche Redeweise, s. u. Beispiel 5, und (wie man bei genauem Zusehen bemerkt, freilich im Gegensatz zu weit verbreiteten Auffassungen) auch fiir die Beispiele 2, 3, 4. - 2. Nach ubliehem Sprachgebrauch heillt ein Mann beruhmt, wenn die andern Menschen Aussagen bestimmter Art uber ibn machen. -3. N ach ublichem Sprachgebrauch hei8t eine Handlung a einer Person ein juristisches Verbrechen, wenn das Strafgesetzbuch des Staates, in dem die Person lebt, die Beschreibung einer Handlungs­art, zu der a gehort, in der Liste der Verbrechen aufzahlt. - 4. Nach ublichem Sprachgebrauch hei8t eine Handlung a einer Person ein moralisches Verbrechen, wenn bei der Mehrzahl der andem Menschen die Vorstellung, da8 ein Mensch (aber nicht sie selbst) eine solche Handlung begeht, Gefiible der moralischen Emporung hervorruft. - 5. N ach ublichem Sprachgebrauch sagt man von einer Stadt (z. B. von Babylon, vgl. das Beispiel in § 74), sie sei in einem be­stimmten Vortrag behandelt worden (inhaltliche Redeweise), wenn eine Bezeichnung der Stadt in diesem Vortrag vorgekommen ist. Fiir die Beschaffenheit (im gewohnlichen Sinne) der Stadt macht as nichts aus, ob sie die Eigenschaft hat, im gestrigen Vortrag bebandelt worden zu sein oder nicht. Diese Eigenschaft ist somit eine ver­scho bene Eigenschaft.

Die inhaltliche Redeweise ist eine verschobene Redeweise. Denn bei ihrer Anwendung sagt man, um etwas liber ein Wort (oder einen Satz) auszusagen, statt desBen etwas Paralleles liber den durch das Wort bezeichneten Gegenstand (bzw. liber den durch den Satz angegebenen Sachverhalt) aus. Das Entstehen einer verschobenen Redeweise ist zuweilen dadurch psychologisch zu erklii.ren, daB die Vorstellung des vorgeschobenen Gegenstandes b aus irgendwelchen Ursachen eindringlicher, auffalliger, starker gefiihlsbetont ist als die des urspriinglichen Gegenstandes a. Das ist bei der inhaltlichen Redeweise der Fall. Die V orstellung eines Wortes (z. B. ,Haus') ist bii.ufig weniger lebhaft und geflihls­betont, als die des Gegenstandes, den das Wort bezeichnet (im Beispiel: die des Hauses). Ferner mag zur Entstehung der inhalt­lichen Redeweise der Umstand beigetragen haben (der vielleicht eine Folge des ersten ist), daB man bisher den Gesichtspunkt und die Methode der Syntax nicht hinreichend deutlich kannte und daher in der gewohnlichen Sprache die erforderlichen syntaktischen

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Gefahren der inhaltlichen Redeweise. 237

Termini meist nicht besitzt. Anstatt zu sagen: "Der Satz ,a hat drei Bucher, b hat zwei Bucher, a und b haben zusammen sieben Bucher' ist kontradiktorisch", sagt man daher: "Es ist unmoglich (oder: undenkbar), daB a drei Bucher hat, b zwei Bucher, und a und b zusammen sieben Bucher", oder (wobei der Anschein eines Objektsatzes noch starker ist): "Wenn a drei und b zwei Bucher hat, so haben a und b zusammen unmoglich sieben Bucher". Man ~t nicht gewohnt, die Aufmerksamkeit auf den Satz anstatt auf die Tatsache zu richten; und es fallt anscheinend schwerer. Dazu kommt, daB in der gewohnlichen Sprache ein syntaktischer Ausdruck fehIt, der gieichbedeutend mit ,kontra­diktorisch' ware, wahrend der ql1asi-syntaktische Ausdruck ,un­moglich' vorhanden ist.

Wie schwer es auch Wissenschaftlern faUt, den syntak­tischen Gesichtspunkt einzunehmen, d. h. die Aufmerksam­keit auf die Siitze anstatt auf die Tatsachen zu richten, ersieht man besonders deutlich an den typischen MiBverstandnissen, denen man in Diskussionen iiber logische Fragen auch mit Wissenschaftlern, besonders aber mit Philosophen immer wieder begegnet. Wenn wir z. B. im Wiener Kreis gemaB unserer antimetaphysischen Auffassung gewisse Satze der Metaphysik (z. B. "Es gibt einen Gott") oder der metaphysischen Erkenntnistheorie (z. B. "Die AuBenwelt ist real") kritisieren, so werden wir von der Mehrzahl derer, die mit uns dis­kutieren, dahin miLlverstanden, als wollten wir jene Objektsatze ver­neinen, also gewisse andere Objektsatze behaupten (namlich "Es gibt keinen Gott" bzw. "Die AuIlenwelt ist nicht real"). Diese MiB­verstandnisse treten immer wieder auf, obwohl wir sie schon oft auf­geklart haben (z. B. Carnap [Scheinprobleme], Schlick [Positivismus], Carnap [Metaphysik]) und immer darauf hinweisen, daB wir nicht iiber die (vermeintlichen) Tatsachen sprechen, sondern iiber die (vermeint­lichen) Satze; (in der Ausdrucksweise dieses Buches:) die von uns vertretene These ist kein Objektsatz, sondern ein syntaktischer Satz.

Die Frage nach der psychologischen Erklarung der ver­schobenen Redeweisen im allgemeinen und der inhaltlichen Rede­weise im besonderen solI durch die gegebenen Andeutungen nur erlautert und nicht etwa schon beantwortet sein. Ihre nahere Untersuchung ware Iohnend; diese Aufgabe mussen wir aber den Psychologen uberlassen. Wir haben hier die Tatsache hinzu­nehmen, daB die inhaltliche Redeweise zum ublichen Sprachge­brauch gehort und weiterhin, auch von uns selbst, haufig ver­wendet werden wird. Daher ist es wichtig fur uns, auf die Gefahren zu achten, die mit ihrer Anwendung verbunden sind.

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238 Philosophie und Syntax.

Die meisten iiblichen Formulierungen in inhaltlicher Rede­weise beruhen aufder Anwendung von Allwortern. Die Allworter verleiten sehr leicht zu Scheinproblemen; sie scheinen eine Gegenstandsart zu bezeichnen, und so liegt es nahe, die Frage nach dem Wesen der Gegenstande dieser Art aufzuwerfen. Z. B. haben die Philosophen yom Altertum bis in die Gegenwart an das Allwort ,Zahl' Scheinfragen angekniipft, die zu tiefsinnigen Untersuchungen und Streitigkeiten gefiihrt haben; es wird z. B. gefragt, ob die Zahlen reale oder ideale Gegenstande seien, ob extra.mental oder intramental, ob Denkerzeugnis oder an sich bestehend, ob Seiendes oder Geltendes, ob Wirkliches oder Fiktion; es wird nach dem Ursprung der Zahlen gefragt und dieser z. B. in einer Selbstentzweiung oder in einer Urintuition der Zwei-Einheit gefunden; u. dgl. mehr. - Ebenso sind tiber das We sen des Raumes und der Zeit zahlreiche Schein­fragen gestellt worden; nicht nur von spekulativen Metaphysikern (bis in die letzte Gegenwart), sondern auch von manchen Philo­sophen, deren erkenntnistheoretische Thesen sich angeblich (etwa nach Art von Kant) an der empirischen Wissenschaft orientierten. 1m Gegensatz hierzu kann eine metaphysikfreie, wissenschafts­logische Untersuchung sich nur auf die Syntax der Raum-Zeit­Bestimmungen der Wissenschaftssprache richten, etwa in Form einer Axiomatik des Raum-Zeit-Systems der Physik (wie z. B. Reichenbach [Axiomatik)). - Ferner sei an die vielen Schein­fragen und Spekulationen iiber das Wesen des Physischen und des Psychischen erinnert. - Auch die Scheinfragen iiber Eigenschaften und Beziehungen und damit der ganze Un ivers alien streit beruhen auf der Verfiihrung durch All­worter. - Alle derartigen Scheinfragen verschwinden, wenn man anstatt der inhaltlichen die formale Rede~eise anwendet, wenn man also bei der Formulierung von Fragen anstatt der Allworter (z. B. ,Zahl', ,Raum', ,Universale') entsprechende syntaktische Worter (,Zahlausdruck', ,Raumkoordinate', ,Pradikat') benutzt.

Wir haben friiher verschiedene Beispiele kennengelernt, in denen die Anwendung der inhaltlichen Redeweise zu Wider­spriichen fiihrt. Die Gefahr der Entstehung solcher Widerspriiche ist besonders groG, wenn es sich urn zwei Sprachen mit gegen­seitigen 'Obersetzungsbeziehungen handelt, oder vom Gesichts­punkt der Einen Wisl!enschaff,ssprache aus gesehen: um zwei

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Zulii.ssigkeit der inhaltlichen Redeweise. 239

Teilsprachen, zwischen deren Satzen gewisse Beziehungen der Gehaltgleichheit (nicht notwendig L-Gehaltgleichheit) bestehen. Dasgiltz. B. fiirdie psychologische und die physikalische Sprache. Verwendet man die inhaltliche Redeweise in bezug auf die psychologische Sprache (z. B. durch Verwendung von Allwortem wie ,Psychisches', ,Psyche', ,psychischer Vorgang', ,BewuBtseinsvorgang', ,Akt', ,Erlebnis', ,Erlebnisinhalt', ,inten­tionaler Gegenstand' u. dgl.) und innerhalb derselben Dnter­suchung auch in bezug auf die (alltagliche oder wissenschaftliche) physikalische Sprache, so entsteht leicht heillose Verwirrung.

Die angedeutete Gefahr ist an anderer Stelle ([Phys. Sprache] 453ff.) ausfUhrlich dargestellt worden. V gl. auch [Psychol.] 186, wo auf die durch inhaltliche Redeweise entstandenen Unklarheiten in den Satzen eines Psychologen hingewiesen ist; ferner [Psycho!.] 181: Entstehung eines Scheinproblems durch inhaltliche Redeweise. Auch die Beispiele S. 242 unter I gehoren zum Teil hierher. Uber das psychophysische Problem vgl. S. 252.

An einigen friiheren Beispielen, zu denen man leicht zahl­reiche weitere hinzufiigen konnte, ist deutlich geworden, daB durch die Anwendung der inhaltlichen Redeweise zuweilen eine Dnklarheit entsteht, eine Mehrdeutigkeit, die sich etwa darin auBert, daB wesentlich verschiedene tJbersetzungen in die formale Redeweise in Betracht kommen. In schlimmeren Fallen treten auch Widerspriiche auf. Diese Widerspriiche werden allerdings in vielen Fallen nicht offenkundig, weil man die Folgerungen nicht nach formalen RegeIn, sondem durch inhaltliche tJberlegung ableitet, wobei es haufig gelingt, die Fallen zu vermeiden, die man sich selbst durch die bedenkliche Formulierung gestellt hat. Auch wo keine Widerspriiche oder Mehrdeutigkeiten vorliegen, hat die Anwendung der inhaltlichen Redeweise den Nachteil, daB sie leicht zu einer Selbsttauschung in bezug auf das Objekt, von dem die Rede ist, fiihrt: man glaubt dann gewisse Objekte und Tatsachen zu untersuchen, wahrend man in Wirklichkeit ihre Bezeichnungen, also Worter und Satze, untersucht.

81. Zuliissigkeit der inbaltlicben Redeweise. Wir haben von Gefahren, nicht etwa von Fehlem der inhalt­

lichen Redeweise gesprochen. Die inhaltliche Redeweise ist nicht an sich fehlerhaft, sie verfiihrt nur leicht zu fehler­hafter Anwendung. Wenn man geeignete Definitionen und RegeIn

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240 Philosophie und Syntax.

fiir die inhaltliche Redeweise aufstellt und konsequent durch­fiihrt, so treten keine Unklarheiten oder Widerspriiche auf. Da die W ortsprache zu inkonsequent und kompliziert ist, um wirklich in ein Regelaystem gefaBt zu werden, muB man sich bei der iib­lichen Anwendung der inhaltlichen Redeweise in der Wortsprache dadurch vor Gefahren hiiten, daB man den besonderen Charakter der Satze dieser Redeweise nicht auBer acht laBt. Besonders wenn man an Satze der inhaltlichen Redeweise schwerwiegende Folge­ruugen oder philosophische Probleme ankniipfen will, tut man gut daran, die Eindeutigkeit durch 1Jbersetzung in die formale Rede­weise zu sichern.

Es wird hier nicht etwa vorgeschlagen, die inhalt­Hche Redeweise vollstandig auszuschalten. Do. sie nun einmal allgemein iiblich und daher leichter verstii.ndlich ist, ferner auch oft kiirzer und anschaulicher ala die formale Rede­weise, so ist ihre Anwendung haufig zweckmaBig. Auch in diesem Buch, besonders in diesem Kapitel, ist die inhaltliche Redeweise haufig angewendet worden; hier einige Beispiele:

Inhaltliche Redeweise: 5480. Die philosophischen Fragen

betreffen zum Teil Objekte, die in den Gegenstandsge­bieten der Fachwissenschaf­ten nicht vorkommen, wie z. B. die Dinge an sich, das Transzendente usw. (S. 203).

5580. Eine Objektfrage betrifft z. B. die Eigenschaften der Tiere; dagegen betrifft eine logische Frage z. B. die Siitze der Zoologie (S. 203).

5680. Man kann ebensogut Siitze liber die Formen von Sprach­ausdrlicken bilden, wie Siitze liber die geometrischen For­men geometrischer Gebilde (S. 208 f.).

Formale Redeweise: 54 b. In den philosophischen Fra.­

gen kommen zum Teil Aus­drlicke vor, die in den Sprachen der Fachwissen­schaften nicht y,orkommen, z. B. die Ausdrlicke ,Ding an sich', ,das Tra.nszen­dente' usw.

55b. In einer Objektfrage kom­men z. B. Priidikate der zoologischen Sprache (Tier. artbezeichnungen) vor; da­gegen kommen in einer 10-gischen Frage z. B. Be­zeichnungen von Siitzen der zoologischen Sprache vor.

56b. Man kann ebensogut Siitze bilden, in denen ala Priidi· kate syntaktische Priidikate und ala Argumente syn­taktische A usdrucks bezeich. nungen vorkommen, wie

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Zulissigkeit der inhaltliehen Redeweise. 241

Satze, in denen ala Pradi­kate Bolehe der (rein.) gao­metrisehen Spraehe und ala Argumente GegenBtandsbe­zeiehnungen der geometri­Behen Spraehe vorkommen.

1st ein Satz der inhaltlichen Redeweise gegeben, oder all­gemeiner: ein Satz, der kein echter Objektsatz ist, so muB nicht etwa stete die tibersetzung in die formale Redeweise vorgenommen werden, aber sie muB stets moglich sein. Die V'bersetzbarkeit in die formale Redeweise bildet den Prufstein fur aIle philosophischen Sii.tze, oder al1gemein: fiir aJIe Sii.tze, die nicht der Sprache irgendeiner Fachwissenschaft angehOren. Bei der Untersuchung der tibersetzbarkeit sind der ubliche Sprachgebrauch und die von dem betreffenden Verfasser etwa aufgestellten Definitionen zu beriicksichtigen. Um eine tiber­setzung zu finden, wird man versuchen, anstatt eines vor­kommenden Allwortes (z. B. ,Zahl', ,Eigenschaft') den ent­sprechenden syntaktischen Ausdruck (z. B. ,Zahlausdruck' bzw. ,Eigenschaftswort') anzuwenden. Sii.tze, die ihre V'bersetzung nicht wenigstens einigermaBen eindeutig bestimmen, kennzeichnen sich daml't als mehrdeutig und unklar. Sii.tze, die gar keinen An­haltspunkt fur die Bestimmung der tibersetzung bieten, stehen damit auBerhalh des Bereiches der wissenschaftlichen Sprache und auBerhalb der Diskussion, mogen sie im ubrigen noch 80

hohe oder tiefe Gefuhle hervorrufen. Ala abschreckende Bei­spiele seien einige derartige Sii.tze angegeben, wie sie so oder ii.hnlich in den Schriften unseres Kreises oder nahe­stehender Autoren vorkommen. Es diirfte den meisten Lesem wohl nicht gelingen, eine befriedigende, die Meinung des Autors treffende nbersetzung in die formale Redeweise zu finden. Wenn auch vielleicht die Verfasser selbst eine tibersetzung angeben konnen - in einigen Fii.llen erscheint auch dies zweifelhaft -80 wird doch jedenfalls beim Leser Verwirrung und Unklarheit hervorgerufen. Man sieht, daB die Sii.tze, in denen das Wort ,unsagbar' oder ii.hnliche vorkommen, besonders gefii.hrlich sind. In den Beispielen unter I steckt eine Mythologie des Unsag­baren, in den Beispielen unter II eine Mythologie des Rohe­ren, in Satz 13 beides.

Car nap, Syntax, 2. Auf!. 16

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242 Philosophie und Syntax.

I. 1. Es gibt Unausspreohliches. - 2. Die Qualitaten, die ala Inhalte des Bewulltseinsstromes -auftreten, lassen sich nicht aussagen, beschreiben, ausdriioken, mitteilen, sondern nur im Erlebnis auf­zeigen. - 3. Was gezeigt werden kann, kann nicht gesagt werden. - 4. Das gegebene Erleben b~sitzt zwar eine sagbare Struktur, aber aullerdem noch einen unsagbaren und trotzdem uns sehr wohlbe­kannten Inhalt. - 5. Der Mensch mull die psychologischen Satze an seinem eigenen, unsagbaren, aber ihm wohlbekannten Erleben veri­fizieren; er mull nachsehen, ob der betreffende Satz, die Zusammen­stellung von Zeichen, seinem unsagbaren Erlebnis isomorph (struktur­gleich) ist. - 6. Das unsagbare Erlebnis blau oder bitter ... -7. Das Wesen der Individualitat ist mit Worten nicht zu fassen und unbeschreiblich, daher fiir die Wissenschaft bedeutungslos. - 8. Die Philo sophie wird das Unsagbare bedeuten, indem sie das Sagbare klar darstellt. - 9. Das Bestehen formaler (oder interner) Eigen­schaften und Relationen kann nicht durch Satze behauptet werden.

II. 10. Der Sinn der Welt muB auBerhalb ihrer liegen. - 11. Wie die Welt ist, ist fur das Rohere gleichgiiltig. - 12. Wenn das gute oder bose Wollen die Welt andert, so kann es nur die Grenzen der Welt andern, nicht die Tatsachen. - 13. Satze konnen nichts Roheres ausdriicken.

Es seien einige Ubersetzungsmoglichkeiten angedeutet, die aber wohl nicht der Absicht der Autoren entsprechen. Bei Satz 1 ware zu unterscheiden: 1 A: "Es gibt unaussprechliche Gegenstande", d. h. "Es gibt Gegenstande, fiir die es keine Gegenstandsbezeichnung gibt"; Ubersetzung: "Es gibt Gegenstandsbezeichnungen, die keine sind". 1 B: "Es gibt unaussprechliche Sachverhalte", d. h. "Es gibt Sachverhalte, die durch keinen Satz beschrieben werden"; Ubersetzung: "Es gibt Satze, die keine sind". - Zu 6. Mit andern Worten: "Das durch das Wort ,blau' bezeichnete Erlebnis kann durch kein Wort bezeichnet werden"; Ubersetzung: "Die Erlebnisbezeich­nung ,blau' ist keme". - 9 besagt: "Das Bestehen des Sachverhaltes, daB eine Eigenschaft gewisser Art einem Gegenstand zukommt, kann nicht durch einen Satz behauptet werden"; Ubersetzung: "Ein Satz, in dem ein Eigenschaftswort einer gewissen Art vorkommt, ist keiner". - 13 besagt: "Die hoheren Sachverhalte konnen nicht durch Siitze ausgedriictt werden"; Ubersetzung: "Die hoheren Satze sind keine".

Es sei noch einmal daran erinnert, daB _ die Unterscheidung zwischen formaler und inhaltlicher Redeweise sich nicht auf die echten Objektsatze bezieht, also nicht auf die Satze der Fach­wissenschaften und auch nicht auf die fachwissenschaftlichen Satze, die in Erorterungen der Wissenschaftslogik (oder der Philosophie) vorkommell. (Vgl. die drei Rubriken, S. 212.) Es handelt sich hier um die. eigentlich wissenschaftslogischen Satze.

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Die physikaIische Sprache. 243

Diese pflegt man nach iiblichem Sprachgebrauch teils in Form von Objektsatzen, teils ala logische Sitze zu formulieren. Unsere "Oberlegungen haben gezeigt, daB die vermeintlichen Objektsatze der Wissenschaftslogik Pseudo-ObjektBii.tze sind, S8.tze, die scheinbar von Objekten sprechen, wie die echten Objektsatze, in Wirklichkeit aber von den Bezeichnungen dieser Objekte. Damit ist gesagt, daB Bii.mtliche Sitze der Wissenschaftslogik logische Sitze sind, d. h. Sitze iiber Sprache und Sprachausdriicke. Und weiter haben unsere "Oberlegungen gezeigt, daB alle diese Siitze so formuliert werden konnen, daB sie sich nicht auf Sinn und Bedeutung, sondem nur auf die syntaktische Form der Siitze und sonstigen Ausdriicke beziehen, daB alie diese Sii.tze in die formale Redeweise iibersetzt werden konnen, also in syntaktische Sii.tze. Wissenschaftslogik ist Syntax der Wissen­schaftssprache.

B. Wissenschaftslogik als Syntax. 82. Die physikalische Sprache.

Wissenschaftslogik der Physik ist Syntax der physikalischen Sprache. Alie auf Physik bezogenen sogenannten erkenntnis­theoretischen Probleme sind (soweit es sich nicht um metaphysi­ache Scheinprobleme handelt) teils empirische Fragen, die meist zur Psychologie gehOren, teils logische Fragen, die zur Syntax gehoren. Eine genauere Darstellung der Wissenschaftslogik der Physik als Syntax der physikalischen Sprache muB einer be­sonderen Untersuchung vorbehalten bleiben. Hier sollen nur einige Andeutungen gegeben werden.

Die Wissenschaftslogik der Physik wird zunichst Form­bestimmungen fiir Sii.tze und sonstige Ausdrucksarten der physikalischen Sprache aufzustellen haben (vgl. § 40). Die wich­tigsten als Argumente vorkommenden Ausdriicke sind die Punkt­ausdriicke (Bezeichnungen eines Raum-Zeit-Punktes, bestehend aus vier reellen Zahlausdriicken, nii.mlich drei Raum- und einer Zeit-Koordinate) und die Gebietsausdriicke (Bezeichnungen eines beschrii.nkten Raum-Zeit-Gebietes). Die physikalischen Zust&nds­groBen werden durch fUb dargestellt. Die fUb und ~tb kann man einteilen in solche mit Punktausdriicken und solche mit Gebiets­ausdriicken als Argumenten.

16*

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244 Philosophie und Syntax.

Man kann die Satze nach dem Grad ihrer Allgemeinheit einteilen. Wir wollen hier nur die heiden extremen Satzarten erlautern, und zwar der Einfachheit wegen nur fur diejenigen Satze, bei denen aIle innersten Argumente Punkt- oder Gebiets­ausdriicke sind: die konkreten Sii.tze enthalten keine unbe­schrii.nkten Variablen; die Gesetze enthalten keine Konstanten als innerste Argumente.

Ais Umformungsbestimmungen der physikalischen Sprache konnen entweder L-Bestimmungen allein oder auch P-Bestimmungen aufgestellt werden. Will man P-Bestimmungen aufstellen, so wird es meist in der Form von P-Grundsatzen ge­schehen. Ais P-Grundsatze wird man in erster Linie gewisse allgemeinste Gesetze aufstellen; wir wollen sie Grundgesetze nennen. AuBerdem kann man auch deskriptive synthetische Sii.tze anderer Form, auch konkrete, als P-Grundsatze aufstellen. Die Grundgesetze werden meist die Form eines generellen Implika­tions- oder Aquivalenzsatzes haben. Die Grundgesetze und die ubrigen gultigen Gesetze konnen determinierende Gesetze oder auch Wahrscheinlichkeitsgesetze sein; die letzteren konnen z. B. mit Hilfe einer Wahrscheinlichkeitsimplikation formuliert werden. Da der Wahrscheinlichkeitsbegriff fur die Physik hesonders auf Grund ihrer neuesten Entwicklung sehr bedeutsam ist, wird man in der Wissenschaftslogik der Physik die Syntax der Wahrscheinlichkeitssatze eingehend zu untersuchen haben, wobei man vielleicht an den Spielraumbegriff der allgemeinen Syntax anknupfen kann.

Auf den Wahrscheinlichkeitsbegriff kann hier nicht naher ein­gegangen werden. V gl. die Vortrage und die Diskussion der Prager Tagung, Erk. 1,1930; weitere Literaturangaben: Erk. II, 189f., 1931; ferner noch nicht veroffentlichte Arbeiten von Rei c hen b a c h, Hem pel und Pop per. Uber Wahrscheinlichkeitsimplikation: Reichen bach [Wahrscheinlichkeitslogik].

Es werden syntaktische Bestimmungen daruber aufzustellen sein, welche Formen die Protokollsatze, durch die die Beob­achtungsbefunde ausgedruckt werden, haben konnen. [Dagegen ist es nicht Aufgabe der Syntax, zu hestimmen, welche Siitze von der festgelegten Protokollsatzform jeweils wirklich als Proto­kollsii.tze aufgestellt werden; denn ,wahr' und ,falsch' sind keine syntaktischen Begriffe; die Protokollsatze aufzustellen, ist Sache des heobachtenden, protokollierenden Physikers.]

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Die physikalische Sprache. 245

Ein Satz der Physik, sei er nun ein P-Grundsatz oder ein 80nstiger giiltiger Sa.tz oder eine indeterminierte Annahme (d. h. eine Prii.misse, deren Folgen untersucht werden), wird dadurch nachgeprfift, daB aus ihm auf Grund der Umformungsbe­stimmungen der Sprache FoIgen deduziert werden, bis man schlieB­lich zu Sii.tzen von Protokollsatzform gelangt. Diese werden mit den wirklich aufgestellten Protokollsii.tzen verglichen und durch sie entweder bestii.tigt oder widerlegt. Widerspricht ein Satz, der L-FoIge bestimmter P-Grundsii.tze ist, einem als Protokollsatz aufgestellten Satz, 80 muB irgendeine Anderung des Systems vorgenommen werden: man kann z. B. die P-Bestimmungen 80 ii.ndem, daB jene Grundsii.tze nicht mehr giiltig sind; oder man nimmt den Protokollsatz nicht ala giiltig an; man kann aber auch die bei der Deduktion verwendeten L-Bestimmungen ii.ndem. Es gibt keine festen RegeIn dariiber, welche Art der Anderung zu wii.hlen ist.

Femer lassen sich keine festen RegeIn dariiber aufstellen, wie auf Grund eines vorliegenden Bestandes an Protokollsatzen neue Grundgesetze zu bestimmen sind. Man spricht hier zuweilen von dem Verfahren der sogenannten Induktion; man kann diese Bezeichnung beibehalten, wenn man sich klar dariiber ist, daB es sich nicht um ein geregeltes Verfahren, sondem um eine Praxis handelt, die nur in bezug auf Fruchtbarkeit und Zweckmii.Bigkeit zu beurteilen ist. DaB es keine RegeIn der Induktion geben kann, ergibt sich daraus, daB der L-Gehalt eines Gesetzes infolge seiner unbeschrii.nkten Allgemeinheit stets fiber den L-Gehalt jeder endlichen Klasse von Protokollsatzen hinausgeht. Dagegen konnen ffir die Deduktion feate RegeIn aufgestellt werden, nii.mlich die L-Bestimmungen der physikalischen Sprache. Die Gesetze haben daher den Charakter von Hypothesen in bezug auf die Protokoll­sii.tze: Satze von Protokollsatzform konnen L-FoIgen der Gesetze sein, aber ein Gesetz kann nicht L-Folge irgendeiner endlichen, synthetischen Klasse von Protokollsatzen sein. Die Gesetze sind nicht aus Protokollsii.tzen erschlossen; sondem sie werden unter Beriicksichtigung der jeweils vorliegenden Protokoll­satze gewii.hlt und aufgestellt und mit Hilfe der immer neu hinzu­kommenden Protokollsii.tze immer weiter nachgepriift. Aber nicht nur Gesetze, sondem auch konkrete Satze werden ala Hypo­thesen aufgestellt, d. h. ala P-Grundsii.tze genommen, etwa ein

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246 Philo sophie und Syntax.

Satz iiber einen nicht-beobachteten Vorgang, durch den sich bestimmte beobachtete V orgiinge erkla.ren lassen. Eine Wider­legung (Falsifikation) im strengen Sinne gibt es fiir eine Hypo­these nicht; denn auch wenn sie sich als L-unvertraglich mit gewissen Protokollsatzen erweist, so besteht ja grundsatzlich stets die Moglichkeit, die Hypothese aufrecht zu halten und auf die Anerkennung der Protokollsatze zu verzichten. Noch weniger gibt es eine vollstandige Bestatigung (Verifikation) im strengen Sinne fiir eine Hypothese. Wenn immer mehr L-Folgen der Hypo­these mit anerkannten Protokollsii.tzen iibereinstimmen, so wird die Hypothese dadurch immer starker bestatigt; es gibt also nur graduell wachsende, niemals endgiiltige Bestii.tigung. 1m a11-gemeinen kann man auch nicht einen einzelnen hypothetischen Satz nachpriifen; es wird im allgemeinen bei einem einzelnen solchen Satz keine geeigneten L-Folgen von Protoko11satzform geben. Vielmehr miissen zur Deduktion von Satzen mit Protoko11-satzform die iibrigen Hypothesen mitverwendet werden. Daher betrifft die Nachpriifung im Grund nicht eine einzelne Hypothese. sondern das ganze System der Physik als ein Hypothesensystem (Duhem, Poincare).

Keine Bestimmung der physikalischen Sprache ist endgiiltig gesichert; alle Bestimmungen werden nur mit dem V orbehalt aufgestelIt, daB man sie unter Umstanden andern wird, sobald das zweckmaBig erscheint. Das gilt nicht nur fUr die P-Bestimmungen, sondern auch fiir die L-Bestimmungen einschlieBlich der Mathe­matik. In dieser Hinsicht gibt es nur gradue11e Unterschiede; bei gewissen Bestimmungen entschlieBt man sich schwerer dazu, sie aufzugeben, als bei andern. [Wenn man voraussetzt, daB ein innerhalb der Sprache neu auftretender Protokollsatz stets

\

synthetisch ist, so besteht jedoch zwischen einem L-giiltigen, also analytischen Satz 6 1 und einem P.giiltigen Satz 6 2 derUnter­schied, daB ein solcher neuer Protoko11satz - unabhangig davon, ob er als giiltig anerkannt wird oder nicht - hOchstens mit 6 2,

aber niemals mit 6 1 L-unvertraglich sein kann. Trotzdem kann es vorkommen, daB man aus AnlaB neuer Protokollsatze die Sprache 80 andert, daB 6 1 nicht mehr analytisch ist.]

Wird ein neuer P- Grundsatz 6 1 aufgestelIt, jedoch ohne hinreichende Umformungsbestimmungen, auf Grund deren aus 6 1 in Verbindung mit den iibrigen P-Grundsatzen Siitze von

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Die physikalische Sprache. 247

Protokollsa.tzform deduziert werden konnten, so ist @\ prinzipiell nich t-nach priifbar und daher wissenschaftlich unbrauchbar. Bind aus @i1 in Verbindung mit den iibrigen P-Grundsatzen zwar Satze von Protokollsa.tzform deduzierbar, aber nur solche, die such schon aus den iibrigen P-Grundsii.tzen allein deduzierbar sind, so ist @i1 ala Grundsatz leerlaufend und wissenschaftlich iiberfliissig.

Ein neu einzufiihrendes deskriptives Zeichen mu8 nicht durch eine Definitionenkette auf Zeichen, die in Protokoll­sii.tzen vorkommen, zuriickfiihrbar sein ("konstituierbar" im engeren Sinn). Ein solches Zeichen kann auch als Grundzeichen durch neue P-Grundsatze eingefiihrt werden; sind diesa Grundsii.tze nachpriifbar, d. h. sind aus ihnen Sii.tze von Protokollsa.tzform deduzierbar, so sind damit die Grundzeichen auf Zeichen der Protokollsii.tze zUriickgefiihrt ("konstituierbar" im weiteren Sinn).

Beispiel. Protokollsatze seien die Beobachtungssatze ublicher Form. Der elektrische Feldvektor der klassischen Physik ist nicht definierbar auf Grund von Zeichen, die in solchen Protokollsatzen vorkommen. Er wird ala Grundzeichen eingefUhrt durch die Max­wellschen Gleichungen, die ala P-Grundsatze aufgestellt werden. Zu einer solchen Gleichung gibt as keinen gehaltgleichen Satz, der nur Zeichen der Protokollsatze enthalt. W ohl aber konnen aus den Maxwellschen Gleichungen in Verbindung mit den ubrigen in der klassischen Physik gUltigen Grundsatzen Satze von Protokollsatzform deduziert werden; dadurch wird die Maxwellsche Theorie empirisch nachgeprUft. - Gegenbeispiel. Der von den Neo-Vitalisten ver­wendete Begriff ,Entelechie' ist als Scheinbegriff abzulehnen. Ala Begrfindung hierfUr genligt jedoch nicht der Hinweis darauf, daB fUr jenen Begriff keine Definition angegeben wird, durch die er auf Be­griffe der Beobachtungssatze zuruckgefuhrt wurde; denn dasselbe gilt auch fUr manche abstrakten physikalischen Begriffe. Entscheidend ist vielmehr, daB fUr jenen Begriff kame empirisch nachprUfbaren Gesetze aufgestellt werden.

Einen einzelnen bekannten physikalischen Vorgang er­klaren, einen unbekannten Vorgang der Vergangenheit oder Oegenwart aus bekannten e r s c h Ii e 8 e n, einen zukiinftigen Vorgang voraussagen, das sind Operationen von gleichem logischem Charakter. In allen drel Fallen handelt es sich namlich darum, den konkreten Satz, der den Vorgang beschreibt, aus giiltigen Gesetzen und anderen konkreten Satzen zu deduzieren. Ein Gesetz (in inhaltlicher Redeweise: eine allgemeine TatBache)

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248 Philosophie und Syntax.

erklaren, heiBt, es aus allgemeineren giiltigen Gesetzen dedu­zieren.

Der Aufbau des physikalischen Systems geschieht nicht nach festen Regeln, sondern durch Festsetzungen. Diese Festsetzungen, namlich die Formbestimmungen, die L-Be­stimmungen und die P-Bestimmungen (Hypothesen) sind jedoch nicht willkurlich. Fur ihre Wahl sind erstens gewisse methodisch­praktische Gesichtspunkte maBgebend (z. B. die Tendenzen der Einfachheit, der ZweckmaBigkeit und Fruchtbarkeit fiir bestimmte Aufgaben). Das gilt fiir alle Festsetzungen, z. B. auch fiir Defini­tionen. Die Hypothesen sind aber auBerdem noch am Erfahrungs­material, d. h. an den jeweils vorliegenden und immer neu hinzu­kommenden Protokollsatzen, nachzupriifen. Jede Hypothese muB mit dem Gesamtsystem der Hypothesen, zu dem auch die anerkannten Protokollsatze gehoren, widerspruchsfrei zusammen­stimmen. DaB in den Hypothesen trotz ihrer Unterwerfung unter die empirische Kontrolle durch die Protokollsatze doch stets ein konventionelles Moment steckt, beruht darauf, daB das Hypo­thesensystem durch noch so reiches Erfahrungsmaterial niemals eindeutig bestimmt ist.

Es seien noch kurz zwei Thesen genannt, die von uns ver­treten werden, von denen aber die dargestellte Auffassung iiber die physikalische Sprache nicht abhii.ngig ist. Die These des Physikalismus besagt, daB die physikalische Sprach!l eine Universalsprache der Wissenschaft ist, d. h. daB jede Sprache irgendeines Teilgebietes der Wissenschaft gehalttreu in die physikalische Sprache iibersetzt werden kann. Hieraus folgt, daB die Wissenschaft ein einheitliches System ist, innerhalb dessen es keine grundsatzlich verschiedenen Objektbereiche gibt, also keine Spaltung etwa in Natur- und Geisteswissenschaften; das ist die These der Einheitswissenschaft. Auf diese Thesen soU hier nicht naher eingegangen werden. Man erkennt leicht, daB es sich um Thesen der Syntax der Wissenschaftssprache handelt.

Zu der besprochenen Auffassung iiber die physikalische Sprache und zu den angedeuteten Thesen des Physikalismus und der Einheits­wissenschaft vgl. N eurath [Physicalism], [Physikalismus], [Soziol. Phys.], [Protokollsatze], [Psychol.]; Carnap [Phys. Sprache], [Psy­chol.], [Protokollsatze]. N e u rat h hat in den Diskussionen des Wi e n e r K rei s e s manche Thesen besonders friihzeitig, oft ala erster. und besonders radikal vertreten und dadurch, obwohl seine Formu-

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Die physikalische Sprache. 249

lierungen oft nicht unbedenklich sind, auf die Untersuchungen sehr fruchtbar und anregend eingewirkt; so z. B. durch seine Forderung einer einheitlichen Sprache, die nicht nur die verschiedenen Wissen. schaftsgebiete, sondern auch die Protokollsatze und die Satze iiber Sitze umfassen soIl; durch die Betonung des Umstandes, daB aIle Bastimmungen der physikalischen Sprache auf EntschluB beruhen, und daB die Satze niemals endgiiItig gesichert sind, auch nicht die Protokollsatze; ferner durch seine Ablehnung der sog. vorsprachlichen Erlauterungen und der Wittgensteinschen Metaphysik. Neurath hat die Bezeichnungen "Physikalismus" und "Einheitswissenschaft .. vorgeschlagen. - Eines der wichtigsten Probleme der Wissen· schaftslogik der Physik ist das der Form der Protokollsatze und der Operation der NachprUfung (Verifikationsproblem); hierzu vgl. auch Popper. -

Bei der hier besprochenen Auffassung wird der Bereich der wissenschaftlichen Satze nicht so eng begrenzt wie bei der friiher im Wiener Kreis iiblichen Auffassung. Die friihere Auf. fassung besagte, daB jeder Satz, um sinnvoll zu sein, vOllstandig verifizierbar sein m'iisse (Wittgenstein; Waismann [Wahr. scheinlichkeit] 229; Schlick [Kausalitat] 150); jeder Satz sei deshalb ein aus konkreten Satzen (den sog. Elementarsatzen) gebildeter molekularer Satz (Wittgenstein [Tractatus] 102, 118; Carnap [Aufbau]). Bei dieser Auffassung war fUr die Naturgesetze kein Platz innerhalb der Satze der Sprache. Man muBte ihnen entweder die un1!eschrankte Allgemeinheit absprechen und sie als Berichtsatze auffassen; oder man beliell ihnen die unbeschrankte Allgemeinheit, sah sie aber nicht als eigentliche Satze der Objektsprache an, sondern als Anweisungen zur Bildung von Satzen (Ramsey [Foundations] 237ff.; Schlick [Kausa.litat] 150f. unter Hinweis aufWittgenstein), also a.ls eine Art von syntaktischen RegeIn. GemaB dem Toleranz. prinzip werden wir einen Aufbau der physikalischen Sprache, der diaser friiheren Auffa.si!ung entspricht, nicht als unzulii.ssig be· zeichnen; es ist aber auch ein Aufbau moglich, bei dem die un· beschrankt allgemeinen Gesetze als eigentliche Satze der Sprache zugelassen werden. Der wichtige Unterschied zwischen Gasetzen und konkreten Satzen wird bei diaser zweiten Sprachform nicht etwa ver· wischt, sondern bleibt durchaus bestehen. Er kommt dadurch zur Geltung, daB fUr die beiden Satzarten Definitionen aufgestellt und ihre verschiedenen syntaktischen Eigenschaften untersucht werden. Die Wa.)J.l zwischen den beiden Sprachformen wird nach Zweckmallig. keitsgriinden zu treffen sein. Die zweite Spra.chform, bei der die Gesetze als gleichberechtigte eigentliche Satze der Objektspra.che be· handelt werden, ist, wie as scheint, weit einfacher und dem iiblichen Spra.chgebrauch der Realwissenschaften besser angepaBt a.ls die erste Spra.chform. - Eine ausfiihrliche Kritik der Auffassung, na.ch der die Gesetze keine Satze sind, gibt Popper.

Die dargestellte Auffassung gewii.hrt groBe Freiheit fUr die

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250 Phil080phie und Syntax.

Einfuhrung neuer Grundbegriffe und neuer Grundsii.tze in die Sprache der Physik oder der Wissenschaft uberhaupt. Dabei besteht aber doch die Moglichkeit, Scheinbegriffe und Scheinsii.tze von echten wissenschaftlichen Begriffen und Sii.tzen zu unterscheiden und damit auszuschalten. [Diese Ausschal­tung ist allerdings nicht so einfach, wie sie auf Grund der friiheren AuffllS&U1lg des Wiener Kreises zu sein schien, die im wesentlichen auf Wittgenstein zuriickging; bei dieser Auffassung war in ab­solutistischer Weise von "der Sprache" die Rede; man glaubte daher Begriffe und Sii.tze schon dann ablehnen zu konnen, wenn sie nicht in "die Sprache" paBten.] Ein vorgelegter neuer P-Grund­satz erweist sich dadurch als Scheinsatz, daB entweder keine hinreichenden Formbestimmungen gegeben werden, durch die er sich als Satz erweist, oder keine hinreichenden Umformungs­bestimmungen, auf Grund deren der Satz in der fruher ange­deuteten Weise einer empirischen Nachpriifung unterzogen werden kann. Die Bestimmungen mussen nicht ausdrucklich angegeben sein; sie konnen auch stillschweigend aufgestellt sein, sofern sie sich nur aus dem Sprachgebrauch ersehen lassen. Ein vorgelegter neuer deskriptiver Begriff erweist sich dadurch ala Scheinbegriff, daBer weder durch eine Definition auf fruhere Begriffe zuriick­gefiihrt, noch durch nachpriifbare P-Grundsii.tze eingefiihrt wird (vgl. Beispiel und Gegenbeispiel, S. 247).

Wie die frillier besprochenen einzelnen wissenschaftslogischen Satze, so ist auch die hier gegebene Darstellung einer wissenschafts­logischen Auffassung n ur als Beispiel gemeint. Ihre Richtigkeit steht hier nicht zur Diskussion. Das Beispiel solI nur deutlich machen, daB Wissenschaftslogik der Physik Syntax der physi­kalischen Sprache ist; und es solI dazu anregen, wissenschafts­logische (in ublicher Ausdrucksweise: erkenntnistheoretische) Auffassungen, Fragen und Diskussionen auf dem Boden der Syntax zu formulieren; dadurch werden die Diskussionen scharfer und fruchtbarer werden.

83. Die sogenannten Grundlagenprobleme der Wissenschaften.

Man spricht in letzter Zeit haufig von sogenannten philo­sophischen oder logischen Grundlagenproblemen der einzelnen Wissenschaften und versteht darunter gewisse (in unserer Be-

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Die sogenannten Grundlagenprobleme der Wissenschaften. 251

zeichnungsweise:) wissenschaftslogische Probleme in bezug auf die Wissenschaftsgebiete. An den wichtigsten Beispielen solcher Probleme sei kurz gezeigt, daB es sich um Fragen der Syntax der Wissenschaftssprache handelt.

Die hauptsii.chlichsten Grundlagenprobleme der Phy­sik sind im vorigen Paragraphen und friiher in den Beispielen 49 bis 53 (S. 234) vorgekommen. Wir haben gesehen, daB die Frage nach der Struktur von Zeit und Raum die Syntax der Zeit- und Raumkoordinaten betrifft. Das Kausalproblem betrifft die syntaktische Form der Gesetze; im besonderen geht der Deter­minismusstreit um eine bestimmte Vollstii.ndigkeitseigenschaft des Systems der physikalischen Gesetze. Das Problem der em­pirischen Fundierung (Verifikationsproblem) fragt nach der Form der Protokollsiitze und den Folgebeziehungen zwischen den physikalischen Satzen, insbesondere den Gesetzen, und den Protokollsii.tzen. Die Frage der logischen Grundlagen der physi­kalischen Messung ist die Frage nach der syntaktischen Form der quantitativen physikalischen Siitze (mit fu) und nach den Ableitungsbeziehungen zwischen diesen Satzen und den nicht­quantitativen Sii.tzen (mit ~r, z. B. Sii.tzen tiber Zeigerkoinzi­denzen). Ferner sind etwa die Fragen nach der Beziehung zwischen Ma.kro- und MikrozustandsgroBen, zwischen Makro- und Mikro­gesetzen ala syntaktische Fragen zu formulieren; auch die Klii.rung des Genidentitatsbegriffes gebOrt zur Syntax.

Die Grundlagenprobleme der Biologie beziehen sich vor allem auf das Verhaltnis zwischen Biologie und Physik des Anorganischen, genauer: auf die Moglichkeit von ttbersetzungen der biologischen Sprache S1 in diejenige Teilsprache S. der physikalischen Sprache, die die zur Beschreibung der anorgani­schen Vorgange erforderlichen Begriffe und die zur Erklii.rung diaser Vorgange erforderlichen Gesetze enthalt; anders gewendet: auf die Beziehungen zwischen S1 und S. auf Grund der Gesamt­spra.che S3' die beide ala Teilsprachen enthiilt. Es sind haupt­sii.chllch zwei Fragen zu unterscheiden: 1. Sind die Begriffe der Biologie zurUckfUhrbar auf die der Physik des Anorganischen 1 8yntaktisch formuliert: 1st jedes deskriptive Grundzeichen von 8 1 in S3 synonym mit einem in SI definierbaren Zeichen 1 Wenn da.s der Fall ist, so gibt es eine in bezug aufSagehalttreue ttbersetzung der L-Teilsprache von S1 in die von SI' 2. Sind die Gesetze.

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252 Philosophie und Synta,x.

der Biologie zuriickfiihrbar auf die der Physik des Anorganischen 1 Syntaktisch formuliert: 1st jedes Grundgesetz von SI in S3 gehalt­gleich mit einem in S2 giiltigen Gesetz 1 Wenn das der Fall ist, so gibt es eine in bezug auf Sa gehalttreue tTbersetzung von SI (als P-Sprache) in S2. Diese zweite Frage bildet den wissenschaft­lichen Kern des Vitalism us-Problems, das aber haufig mit auBerwissenschaftlichen Scheinfragen vermengt wird.

Unter den Grundlagenproblemen derPsychologie gibt es analoge zu den genannten der Biologie: 1. Sind die Be­griffe der Psychologie zuriickfiihrbar auf die der Physik im engeren Sinn 12. Sind die Gesetze der Psychologie zuriickfiihrbar auf die der Physik im engeren Sinn 1 (Der Physikalismus bejaht die erste Frage, laBt aber die zweite offen.) Das sogenannte psycho-physische Problem wird gewohnlich formuliert als Frage nach ~er Beziehung zweier Objektbereiche: des Bereiches der psychischen Vorgange und des Bereiches der parallelen physi­schen Vorgange im Zentralnervensystem. Aber diese Formulierung in inhaltlicher Redeweise fiihrt in ein Gewirr von Scheinfragen (z. B.: "Sind die parallelen Vorgange einander nur funktional zugeordnet oder durch eine Wirkungsbeziehung verkniipft 1 oder ist es derselbe Vorgang, von zwei verschiedenen Seiten gesehen 1"). Bei' Anwendung der formalen Redeweise wird klar, daB es sich nur um die Beziehung zwischen zwei Teilsprachen, namlich der psychologischen und der physikalischen, handelt; namlich um die Frage, ob je zwei parallele Satze stets oder in gewissen Fallen gehaltgleich mit einander sind, und wenn ja, ob L- oder P-gehalt­gleich. Dieses wichtige Problem kann iiberhaupt erst in Angriff genommen werden, wenn es korrekt formuliert ist, namlich ala syntaktisches Problem, sei es in der angedeuteten oder in einer andern Weise. - Beim Streit um den Behaviorismus sind zwei Arten von Fragen zu unterscheiden. Die empirischen Fragen, auf die die behavioristischen Forscher auf Grund ihrer Beob­achtungen antworten, gehoren nicht hierher; es sind fachwissen­schaftliche Objektfragen. Dagegen hat die prinzipielle Grundfrage des Behaviorismus, die man zuweilen auch als methodische oder erkenntnistheoretische Frage bezeichnet, wissenschaftslogischen Charakter. Sie wird haufig in inhaltlicher Redeweise ala Pseudo­Objektfrage formuliert (z. B. "Gibt es BewuBtseinsvorgange 1", "Hat es die Psychologie 'nur mit dem physischen Verhalten zu

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Das Grundlagenproblem der Mathematik. 253

tun 1" oder ahnlich). Formuliert man sie statt dessen in formaler Redeweise, so sieht man, daB es sich auch hier um die Frage der Zuriickfiihrbarkeit der psychologischen Begriffe handelt; die Grundthese des Behaviorismus hangt dann eng zusammen mit der des Physikalismus.

Die Grundlagenprobleme der Soziologie (im weitesten Sinne, einschlieillich der Geschichtswissenschaft) sind zum groBen Teil analog denen der Biologie und der Psychologie.

84. Das Grundlagenproblem der Mathematik. Was hat eine logische Grundlegung der Mathe­

matik zu leisten 1 Dariiber gibt es verschiedene Auffassungen; ihr Gegensatz tritt besonders deutlich hervor in den beiden Rich­tungen des von Frege (1884) begriindeten Logizismus und des von Freges Gegnem vertretenen Formalismus. (Die Bezeich­nungen ,Logizismus' und ,Formalismus' sind aber erst spater aufgekommen.) Freges Gegner sagten: die logische Grundlegung der Mathematik geschieht durch Aufstellung eines formalen Systems, eines Kalkiils, eines Axiomensystems, das die Formeln der klassischen Mathematik zu beweisen gestattet; um die Be­deutung der Zeichen hat man sich dabei nicht zu kiimmem, die Zeichen werden durch die Grundsatze des Kalkiils gewissermaBen implizit definiert; die iiber den Rahmen des Kalkiils hinaus­gehende Frage, was die Zahlen eigentlich seien, ist abzulehnen. Heute vertritt der Formalismus eine im grundsii.tzlichen gleiche Aufi"assung, die aber in einigen wesentlichen Punkten besonders durch Hilbert verbessert worden ist: Mathematik und Logik werden in einem gemeinsamen Kalkiil aufgebaut; die Frage der Widerspruchsfreiheit wird in den Mittelpunkt der Untersuchungen geriickt; die formale Behandlung wird strenger durchgefiihrt (sogenannte Metamathematik). 1m Gegensatz zum formalistischen Standpunkt vertrat Frege die Auffassung, daB die logische Grundlegung der Mathematik die Aufgabe habe, nicht nur einen Kalkiil aufzustellen, sondem vor allem auch iiber die Bedeutung der mathematischen Zeichen und Satze Rechenschaft zu geben. Er versuchte diese Aufgabe dadurch zu losen, daB er die Zeichen der Mathematik durch Definitionen auf die Zeichen der Logik zuriickfiihrte und die Satze der Mathematik auf Grund logischer Grundsii.tze mit Hilfe logischer SchluBregeln bewies ([Grund-

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254 Philosophie und Syntax.

gesetze]). Spater haben Russell und Whitehead, gleichfalls auf Grund der Auffassung des Logizismus, den Aufbau der Mathe­matik auf dem Fundament der Logik in verbessertel' Form durch­gefiihrt ([Princ. Math.]). Auf gewisse Schwierigkeiten, die einem derartigen Aufbau entgegenstehen, wollen wir hier nicht ein­gehen (vgl. Carnap [Logizismus]). Denn es geht uns hier nicht so sehr um die Frage, ob man die Mathematik aus der Logik ab­leiten kann oder mit ihr zugleich aufbauen muB, sondern um die Frage: Boll der Aufbau rein formal geschehen oder muB die Be­deutung der Zeichen bestimmt werden 1 Der scheinbar so scharfe Gegensatz in bezug auf diese Frage kann aber iiberbriickt werden. Die formalistische Auffassung hat darin recht, daB der Aufbau des Systems rein formal, also ohne Bezugnahme auf die Be­deutung der Zeichen, geschehen kann; daB es geniigt, Bestim­mungen aufzustellen, aus denen sich die Giiltigkeit gewisser Satze und die Folgebeziehungen zwischen gewissen Satzen ergeben; und daB man keine iiber den formalen Aufbau hinausgehenden inhaltlichen Fragen zu stellen und zu beantworten braucht. Aber die hiermit umrissene Aufgabe ist ja durch den Aufbau des logisch­mathematischen Kalkiils allein noch nicht erfiillt. Denn dieser Kalkiil enthalt nicht aIle Satze, die mathematische Zeichen ent­halten und fiir die Wissenschaft relevant sind, namlich diejenigen Satze nicht, in denen es sich um Anwendung der Mathe­matik handelt, also synthetische deskriptive Satze mit mathema­tischen Zeichen. Z. B. kann man aus dem Satz "in diesem Zimmer sind jetzt Karl und Peter und sonst niemand" den Satz "in diesem Zimmer sind jetzt zwei Personen" nicht ableiten mit Hilfe der Mittel des logisch-mathematischen Kalkiils allein, wie er gewohn­lich von den Formalisten aufgestent wird; wohl aber mit Hilfe des logizistischen Systems, namlich auf Grund von Freges Defini­tion fUr ,2'. Eine logische Grundlegung der Mathematik ist erst dann gegeben, wenn ein System aufgebaut wird, das derartige Ableitungen ermoglicht. Das System muB allgemeine Form­bestimmungen iiber das Auftreten der mathematischen Zeichen auch in synthetischen deskriptiven Satzen und Folgebestimmungen fUr derartige Satze enthalten; erst dadurch wird die Anwendung der Mathematik, das Rechnen mit Anzahlen empirischer Gegen­stande und mit MaBzahlen empirischer GroBen ermoglicht und geregelt. Ein derartiger Aufbau erfiillt zugleich die

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Das Grundlagenproblem der Mathematik. 255

Forderung des Formalismus und die des Logizismus. Denn der Aufbau ist einerseits rein formal, anderseits ist aber doch die Bedeutung der mathematischen Zeichen festgelegt und damit die Anwendung der Mathematik in der Realwissenschaft ermog­licht, namlich durch Eingliederung des mathematischen Kalkiils in die Gesamtsprache. Die logizistische Forderung steht nur scheinbar im Widerspruch zur formalistischen; dieser Anschein entsteht durch die iibliche Formulierung in inhaltlicher Redeweise: "Man mull eine Deutung fiir die Mathematik geben, damit sie auf die Wirklichkeit angewendet werden kann". Bei der "Obertragung in die formale Redeweise kehrt sich dieses Ver­hii.ltnis um: die Deutung der Mathematik geschieht durch die RegeIn der Anwendung. Die Forderung des Logizismus besagt dann: die Aufgabe der logischen Grundlegung der Mathematik wird nicht durch eine Metamathe­matik, d. h. eine Syntax der Mathematik, allein gelost, sondern erst durch eine Syntax der Gesamtsprache, die logisch-mathematische und synthetische Sii.tze vereinigt.

Ob man beim Aufbau eines Systems der beschriebenen Art unter die Grundzeichen nur logische im engeren Sinn aufnimmt (wie Frege und Russell) oder auch mathematische (wie Hilbert), ob man als L-Grundsii.tze nur logische im engeren Sinn oder auch mathematische aufstellt, ist keine Frage von philosophischer Bedeutsamkeit, sondern nur eine Frage der technischen Zweck­maBigkeit. Beirn Aufbau der Sprachen I und II haben wir in diesem Punkt in Anlehnung an Hilbert das zweite Verfahren gewii.hlt. "Obrigens ist die Frage auch gar trlcht scharf gestellt; wir haben in der allgemeinen Syntax zwar eine formale Unter­scheidung zwischen logischen und deskriptiven Zeichen gegeben; aber eine scharfe Einteilung der logischen Zeichen in unserem Sinn in logische Zeichen im engeren Sinn und mathematische Zeichen hat bisher niemand angegeben. -

Die logische Analyse der Geometrie hat gezeigt, daB man deutlich zwischen mathematischer und physikalischer Geometrie unterscheiden mull. Die Sii.tze beider Gebiete haben zwar nach iiblichem Sprachgebrauch hii.ufig denselben Wortlaut, aber ganz verschiedenen logischen Charakter. Die mathematische Geo­metrie ist ein Teil der reinen Mathematik, mag sie nun als axio­matisches System oder in Form der analytischen Geometrie auf-

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256 Philosophie und Syntax.

gebaut werden. Die Grundlagenfragen der mathematischen Geo­metrie gehoren daher zur Syntax der geometrischen Axiomen­systeme, bzw zurSyntax derKoordinatensysteme. Die physikali­sche Geometrie ist ein Tell der Physik; sie entsteht aus einem System der mathematischen Geometrie durch Aufstellung von sogenannten Zuordnungsdefinitionen (vgl. § 25). Bei den Grundlagenfragen der physikalischen Geometrie handelt es sich um die Syntax des geometrischen Systems als Teilsprache der physikalischen Sprache. Die Hauptthesen etwa der empiristischen Auffassung der Geometrie: "Die Lehrsiitze der mathematischen Geometrie sind analytisch" , "Die Lehrsiitze der physikalischen Geometrie sind synthetisch, aber P-gtiltig" sind offenbar syntak­tische Siitze.

85. Syntaktische SAtze in fachwissenschaftlichen Abhandlungen.

In allen wissenschaftlichen Ubedegungen sind Objektfragen und wissenschaftslogische, also syntaktische Fragen miteinander verbunden. Auch in Abhandlungen, die nicht ein sogenanntes erkenntnistheoretisches Problem, eine Grundlagenfrage ZUlli

Thema haben, sondern fachwissenschaftliche Fragen behandeln, sind die Siitze zu einem erheblichen, vielleicht sogar zum tiber­wiegenden Teil syntaktische Siitze. Sie sprechen etwa tiber gewisse Begriffsblldungen, tiber die bisher anerkannten Siitze des betreffenden Gebietes, tiber die Behauptungen oder Ableitungen eines Gegners, tiber die Vertraglichkeit oder Unvertriiglichkeit verschiedener Annahmen und ahnliches.

Man macht sich leicht klar, daB eine mathematische Abhandlung tiberwiegend metamathematisch ist, d. h. daB sie neben eigentlichen mathematischen Satzen (z. B. "Jede gerade Zahl ist Summe zweier Primzahlen") syntaktische Satze enthalt (etwa in der Form: "Aus ... folgt, daB ... ", "Durch Einsetzung ergibt sich ... ", "Wir wollen den Ausdruck ... so und so um­formen" u. dgl.). Das gleiche gilt aber auch ftir realwissenschaft­liehe Abhandlungen. Wir wollen uns das am Beispiel einer physikalisehen Abhandlung klarmachen. 1m folgenden ent­halt die erste Rubrik die Anfangssatze (gektirzt) aus: Ein­stein, Zur Elektrodynamik bewegter Korper (1905). Die Um­formulierung in der zweiten Rubrik hat nur den Zweek, den

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Syntaktische Satze in fachwissenschaftlichen Abhandlungen. 257

Satze des Originals.

Umformulierung. Welche Satzartt r.-s. rein-syntaktisch. d.-s. deskriptiv-syn­taktisch.

DaB die Elektrodyna- An den Gesetzen, die r.-s. Kennzeichnung mik Maxwells . . . Folgen der Maxwell- von Satzen.

schen Gleichungen sind,

in ihrer Anwendung zeigen sich gewisse r.-s. Satz liber Gesetze auf bewegte Korper zu Asymmetrien, Asymmetrien flihrt,

welche den Phanome- die sich an den zu­nen nicht anzuhaften gehorigen Protokoll-scheinen, satzen nicht zeigen.

ist bekannt. Die gegenwartigen Physiker wissen, daB ....

und liber Protokoll-satze.

Historischer, d.-s. Satz.

Man denke z. B. an Beispiel: die Wechsel- r.-s. Kennzeichnung die ... Wechselwir- wirkungssatze.... von Satzen. kung ... .

Das beobachtbare Phanomen hangt bier nur ab von der rela­tiven Bewegung von Leiter und Magnet,

Die Protokollsatze r.-s. Satz. hangen nur ab von den und den System-satzen.

wahrend nach der lib­lichen Auffassung die beiden Falle, daB der eine oder der andere dieser Korper der be­wegte sei, streng von­einander zu trennen sind.

Bei liblicher Form des r.-s. Sa.tz (mit Kenn­Systems sind die bei- zeichnungen zweier den konkreten Satze Satze). , ... ' und , ... ' nicht gehaltgleich.

Bewegt sich namlich der Magnet ... , so entsteht ... ein elek­trisches Feld ... ,

Wenn ein Magnet sich Objektsatz (physika­. .. bewegt, so ent- lisches Gesetz). steht ... ein elektri-sches Feld.

welches einen Strom Wenn ein elektrisches wie vorher. erzeugt. Feld ... entsteht, so

entsteht ... ein Strom.

Ruht aber der Milo- (Ahnlich.) gnet . . .• so entsteht ... Iif'in Fela,

Car nap, Syntax, 2. Auf!.

wie vorher

17

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258 Philosophie und Syntax.

dagegen im Leiter eine elektromoto~e Kraft ••• , die a.ber .•. rou elek. trisehen Stromen ... Vera.nlas8ung gibt. Beispiele ii.b.nlieher Art,

sowie die miJllungenen Versuehe, eine Bewe· gung der Erde rela.tiv zum "Liehtmedium" zu konsta.tieren,

fUhren zu der Vermu. tung, da3

dem Begriff der abso· luten Rube ... in der Elektrodynamik keine Eigenschaften der Er· seheinungen entspre. ehen,

sondern da3 vielmehr fiir alle J(oordinaten. systeme ... die glei. chen elektrodynami. schen . .. Gesetze gel. ten .... Wir wollen diese Ver. mutung

(lhnlieh.~ wie vorher.

(lhnlieh.) wie vorher.

A 1. lhnliehe Sii.tze (Unbestimmte) wie vorher. Kennzeichnung

r.·s. von

A 2. Die nod die histo. risch vorliegenden Pro· tokollsii.tze. Durch diese Protokoll· sii.tze ist die nod die Hypothese widerlegt. Die Sii.tze A geben Anla.3, versuchsweise ein physikalisches Sy. stem S aufzustellen, fiir das die Sii.tze B geIten (d. h. S ist ein Hypothesensystem, das durch die Sii.tze A bestii.tigt wird). B 1. Dem Begriff ,abo solute Ruhe' in den Satzen der Elektrody. namik (des SystemsS) entspricht kein Begriff in den zugehOrigen Protokollsatzen. B 2. In bezug auf alle J(oordinatensysteme ... haben die . .. Ge· setze (des Systems S) dieselbe Form.

Sii.tzen. Historisehed.·s. Kenn· zeichnung von Sii.tzen.

r.·s. Satz.

r.·s. Satz.

r.·s. Satz.

r.·s. Satz (iiber ge· wisse Transforma­tionen).

(deren Inhalt im Fol. B 2 soll ,Prinzip der r.·s; Definition. genden "Prinzip der Relativitii.t' genannt Rela.tivitat" genannt werden. werden wird) rour Voraussetzung er· B 2 wird als hypothe. r.·s. Festsetzung (De. heben. tische P.Bestimmung finition fiir ,P.giiltig

aufgestellt. in SO).

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Wissenschaftslogik ist Syntax. 259

Charakter der Satze leichter erkenhen zu lassen. In der dritten Rubrik wird der Charakter der einzelnen Satze oder Kenn­zeichnungen angegeben; es stellt sich heraus, daB die meisten von ihnen syntaktisch sind.

86. Wissenschaftslogik ist Syntax. Wir haben durch eine kurze Betrachtung der Probleme der

Wissenschaftslogik der Physik und der auch zur Wissenschafts­logik gehorenden sogenannten Grundlagenprobleme verschiedener Gebiete zu zeigen versucht, daB es sich hier im Grund um syntak­tische Fragen handelt, wenn auch die iibliche Formulierung haufig diesen Charakter verhiillt. Die metaphysische Philosophie will iiber die empirisch-wissenschaftlichen Fragen eines Wissen­schaftsgebietes hinausgehen und Fragen nach dem Wesen der Gegenstii.nde des Gebietes stellen. Wir halten diese Fragen fiir Scheinfragen. Auch die nicht-metaphysische Wissenschaftslogik nimmt einen anderen Gesichtspunkt ein als den der empirischen Wissenschaft; aber nicht durch eine metaphysische Transzendenz, sondern dadurch, daB sie die Sprachformen selbst wieder zu Objekten einer neuen Untersuchung macht. Auf Grund dieser Auffassung kann in irgend einem Gebiet der Wissenschaft nur entweder in den Satzen des Gebietes oder ii ber die Satze des Gebietes gesprochen werden; es werden also nur Objektsatze und syntaktische Satze aufgestellt.

DaB wir diese beiden Satzarten unterscheiden, heiSt nicht, daB man die beiden Untersuchungen immer voneinander trennen solI. Vielmehr werden in der Praxis wissenschaftlicher Unter­suchungen stets beide Gesichtspunkte und beide Satzarten mit­einander verkniipft werden. DaB die fachwissenschaftlichen Untersuchungen viele syntaktische Satze enthalten, haben wir am Beispiel einer physikalischen Abhandlung gesehen. Es gilt aber auch umgekehrt, daB die wissenschaftslogischen Unter­suchungen stets zahlreiche Objektsatze enthalten, und zwar teils ObjektBii.tze des Gebietes, das gerade wissenschaftslogisch unter­sucht wird, teils Satze etwa iiber die psychologischen, soziologi­schen, historischen Umstii.nde, unter denen in dem betreffenden Wissenschaftsgebiet gearbeitet wird. So konnen wir also zwar die Begriffe einteilen in logische und deskriptive, und auch noch die Satze einfacher Form in wissenschaftslogische, d. h. syntak-

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260 Philosophie und Syntax.

tische Satze und ObjektBii.tze; dagegen gibt es keine scharfe Einteilung der Oberlegungen und ihrer Darstellungen, der Ab­handlungen. Die Abhandlungen etwa auf dem Gebiet der Biologie enthalten teils biologische, teils syntaktische Satze; es gibt do. nur graduelle Unterschiede in bezug darauf, ob in der betreffenden Abhandlung die einen oder die anderen Fragen im Vordergrund stehen; auf Grund hiervon mag man fiir die Praxis zwischen fach­biologischen und wissenschaftslogischen Abhandlungen unter­scheiden. Fiir den, der wissenschaftslogische Fragen bearbeiten will, ergibt sich hieraus, daB er auf die stolzen Anspruche einer iiber den Fachwissenschaften thronenden Philosophie zu ver­zichten hat; er muB sich klarmachen, daB er auf demselben Feld arbeHet wie der Fachwissenschaftler, nur mit etwas anderer Aufmerksamkeitsverteilung: der Blick ist mehr auf die logischen, formalen, syntaktischen Zusammenha.nge gerichtet. Unsere These, daB Wissenschaftslogik Syntax ist, darf also nicht dahin miB­verstanden werden, ala konne die Aufgabe der Wissenschaftslogik losgelost von der empirischen Wissenschaft und ohne Riicksicht auf deren empirische Ergebnisse bearbeitet werden. Allerdings ist die syntaktische Untersuchung eines schon gegebenen Systems eine rein mathematische Aufgabe; aber die Sprache der Wissen­schaft liegt nicht in syntaktisch bestimmter Form vor; wer sie untersuchen will, muB daher auf den in der Fachwissenschaft praktisch angewendeten Sprachgebrauch achten und in An­lehnung an ibn erst die syntaktischen Bestimmungen aufstellen. Und ein Vorschlag zu einer syntaktischen Neugestaltung eines bestimmten Punktes der Wissenschaftssprache ist allerdings prinzipiell gesehen eine frei wa.hlbare Festsetzung. Aber eine 80lche Festsetzung kann nur dann in praktisch brauchbarer und fruchtbarer Weise getroffen werden, wenn dabei auf die jeweils vorliegenden empirischen Ergebnisse der fachwissenschaftlichen Forschung Riicksicht genommen wird. [Z. B. ist die Wahl zwischen determinierenden und Wahrscheinlichkeitsgesetzen oder die Wahl zwischen euklidischer und nichteuklidischer Geometrie in der Physik zwar nicht eindeutig bestimmt durch das Erfahrungs­material, wird aber in Anlehnung an dieses Material getroffen.] Jede wissenschaftslogische, jede philosophische Arbeit ist zur Unfruchtbarkeit verurteilt, wenn sie nicht in naher Fiihlung mit der Fachwissenschaft vorgenommen wird.

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Wissenschaftslogik ist Syntax. 261

Vielleicht kanJil. man sagen, daB die Untersuchungen der nicht-metaphysischen Philosophie, besonders der Wissenschafts­logik der letzten J ahrzehnte, im Kern immer schon syntaktische Untersuchungen waren, ohne es zu wissen. Dieser Charakter der Untersuchungen muB jetzt auch theoretisch eingesehen und konsequent durchgefiihrt werden. Dann und nur dann wird es gelingen, an die Stelle der traditionellen Philosophie eine streng wissenschaftliche Disziplin zu stellen, namlich die Wissenschafts­logik als Syntax der Wissenschaftssprache. Der Schritt aus dem Chaos der subjektivistischen philosophischen Probleme auf den festen Boden der exakten syntaktischen Probleme muB getan werden. Dann erst haben wir es mit scharf en Begriffen und deut­lich faBbaren Thesen zu tun. Dann erst besteht die Moglichkeit einer fruchtbaren Zusammenarbeit verschiedener Forscher an denselben Problemen, fruchtbar fiir die einzelnen wissenschafts­logischen Fragen, fiir das untersuchte Wissenschaftsgebiet, fiir die eine, einheitliche Wissenschaft. Hier haben wir nur ein erstes Werkzeug in Gestalt syntaktischer Begriffe geschaffen. Die Anwendung dieses Werkzeugs zur Bearbeitung der zahlreichen, gegenwartig drangenden wissenschaftslogischen Probleme und die Verbesserung des Werkzeugs, die sich aus seiner Anwendung ergeben wird, erfordert die Zusammenarbeit vieler Krafte.

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Literaturverzeichnis nnd Namenregister. Die Ziffern hinter den Verfassel'llamen verweisen auf die Seiten

dieses Buches; fettgedruckte Ziffern bezeichnen die wichtigeren Stellen. [ ] Einige Schriften sind in den Zitaten dieses Buches durch ein

Schlagwort in eckigen Klammern bezeichnet; diese Schlag­worter sind im folgenden Verzeichnis kursiv gedruckt.

Ausfiihrlichere Literaturangaben iiber Logistik und logische Syntax finden sich in: Fraenkel [Mengenlehre], Jorgensen [Treatise], Lewis [Survey].

Ackermann, W. - Zum Hilbertschen Aufbau der reellen Zahlen. Math. Ann. 99, 1928. - Uber die Erfiillbarkeit gewisser Zahl­ausdriicke. Math. Ann. 100, 1928. - S. a. Hilbert!

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Sachregister. Die Ziffern bezeichnen die Seiten' fette Ziffern geben die

wichtigsten Stellen an. '

Abkurzungen: I = Syntax der Sprache I, II = Syntax der Sprache II, A = Allgemeine Syntax.

A. ~, s. Ausdruck. 0, s. Zeichen. a· II: 88; A: 124f., 128, 136. Abbildung A: 166. abgeschlossen A: 129. abhangig II: 89; A: 127. Abkiirzung 109f. ableitbar I: 26, 36, 66; II: 84;

A: 124. Ableitung I: 26f., 30ff., 36, 65;

II: 84f.; A: 124. ~fu, s. Ausdrucksfunktion. ~g, s. Ausdrucksgerust. allgemeine Syntax 106, 120. Allgemeinheit 20, 42ff., 115f.,

150, 249. Alloperator I: 19; A: 146, 149,

174. Allwort 219, 238. analytisch I: 26, 36f., 39; II:

88£., 93; A: 135, 164. Anfiihrungszeichen 17, 107 ff.,

l1lf. Antinomie 3, 99, 163f. Anzahl 100, 254. Aquivalenz I: 17f.; A: 155. Aquivalenzzeichen I: 14, 17; II:

75; A: 187.

2i:rg, Argument, .ausdruck I: 24; II: 74, 78; A: 140.

Arithmetik 28f., 52; II: 87, 89, 95; A: 158, 165, 232, 253ff.

Arithmetisierung 47ff., 50,69. atomarer Satz II: 78. Aufweisung 71, 108. Ausdruck 4; I: 15; A: 120. Ausdrucksfunktion A: 144. Ausdrucksgeriist A: 140. ausgeschlossene DritteI: 31 43

45; A: 156. ' , Auswahlprinzip II: 82f., 87, 97. autonym 16, 106, 109, 112, 180,

181, 190. autonyme Redeweise 181, 189ff. axiomatische Syntax 69f. axiomatisches System 67, 69f.

B. basiert 54, 60, 63. Bedeutung 142, 215. berechenbar 103f. beschrankter Op. I: 19; A: 144. BeweisI: 27, 31, 65; II:84; A: 124. beweisbar I.: 26f., 66; II: 84;

A: 124. Bezeichnung und Bezeichnetes

17, 106-113.

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270 Saohregister.

c. Charakteristik A: 155.

D. b, s. deskrlptiv. Definiendum, Definiens 22. Definition I: 22f., 34, 68f., 63, 69;

II: 79f.; A: 124f., 147. Definitionenkette 22, 62. Definition88Chema 59. definit 10; I: 41; 118 ff. , 118f.,

125; A: 161. deskriptiv 1. d. 2( I: 12, 13, 28,

34, 63; A: 180f., 174. 2. d. Spraohe A: 131, 162. 3. d. Syntax 7, 46, 66ff., 69ff.,

92, 107. determiniert 1. d. (S, ~ A: 127.

2. d. Sprache A: 161. Deutung 93, 170ff., 182, 254ff. Disjunktion I: 17f.; A: 15M. doppelte Negation I: 31; A: 156. durchlaufende V mabIe 117.

E. Einheitsspraohe, -wissenschaft 46,

212, 248f. Einsetzung I: 20, 33, 64; II: 80f.,

86; A: 143, 146. Einsetzungsstelle I: 20; A: 145. Einsetzungswert A: 144, 146. elementarer Satz 118; A: 147. Elimination I: 28, 29; II : 80 ;

A: 126. entscheidbar 1. e. (S, ~ 4If.; II:

86; 113; A: 124. 2. e. Sprache A: 161.

Entscheidungsverfahren 41 f., 90, 113f.

"Erlauterung" 209, 249. Ersetzung 83, 122. Existenzoperator I: 19; A: 149. Existenzsatz, unbeschrankter 43,

115. explizite Definition 22, II: 79. extensional 83, 183ff.

Extensionalitatsgrundsatz II: 83, 87.

Extensionalitatsthese 101, 188.

F. f, s. Funktorvariable. f- II: 88f.; A: 124ff., 128, 136. Folge 25; I: 36; II: 89; A: 121,

126, 197. Folge von Zahlen 102ff., 232. Folgebestimmungen I: 34f.; II:

88; A: 124. Folgereihe I: 30£.; A: 125. Form 16, 108. formal 1, 201, 207£. formale Redeweise 181, 212. Formalismus 227, 253ff. Formbestimmungen 2, 4; I: 24,

54ff.; II: 78ff.; A: 122. Frage 222. Frakturzeichen I: 10£. £rei (b) I: 20, 57; II: 78; A: 146. \J;u, s. Funktorausdruck. fu, s. Funktor. Funktion, s. Ausdrucksf., Satzf. Funktionenkalkul I: 32; II: 86. Funktor 13; I: 16, 47, 63; A: 140. Funktorausdruck II: 74, 78; A:

140. Funktorvariable II: 75; A: 148.

G. QJ 92. Gattung A: 122; 219. Gebrauchsdefinition 22. gebunden (b) I: 20, 57; II: 78;

A: 146. GehaIt I: 38; II: 90; A: 128. gehaltfremd A: 129. gehaltgleich I: 38; A: 129, 137,

184. gehalttreu A: 169. Geometrie 7, 69U., 131, 172, 266. geschlossen I: 20, 57; A: 147. Gesetz, s. Naturgesetz. gesetzmiHlige Folge' 102ff. Gestalt 14, 91, 107f.

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Sachregister. 271

gleiche Zeichen 13f. Gleichheitszeichen, s. Identitatsz. Gleichung I: 17, 33; A: 186. Gliedzahl 47f., 52, 54, 59. Grundklasse A: 151. Grundsatz 27; I: 28, 64; II: 81ff.;

A: 124. Grundzeichen I: 2lf., 62; II: 79;

A: 124, 174. gliltig A: 126.

H. Hauptausdruck, .zeichen A: 130. "Hoheres" 24lf. Hypothese 44, 240£.

I. Identitatssatz, s. Gleichung. Identitatszeichen I: 14, 17, 29;

II: 75; A: 186f. Implikation I: 17ff.; II: 79; 110;

A: 155f., 178, 196ff. "impradikabel" 99, 163. impradikativ 88, 115ff. in·, siehe das betr. Stammwort. indirekte Rede 218. individual· A: 141, 148. Indizes I: 16; II: 76. Induktion 1. vollst. I: 29f., 35;

II: 82f. 2. unvollst. 245.

inhaltliche Redeweise 180, 182, 212, 213, 236.

"Inhaltslogik" 201f., 208. intensional 141, 185, 188ff. "intern" 231. Intuitionismus 41ff., 233. irreflexiv 177. isoliert A: 123. isomorph A: 167.

K. ,K' I: 15, 21, 28; II: 82. st, s. Klasse v. Ausdr. f, 8. Konstante. Kalklil 4, 120, 171.

Kennzeichnung 21, 106ff.; A: 146, 148, 217.

Kennzeichnungsoperator 21; A: 146.

Klammer 14, 18. Klasse 34, 87, 95ff., 98ff. Klasse v. Ausdr. I: 34; II: 89;

A: 121. klassische Mathematik 74, 102,

173, 253. Komprehensionsaxiom 87. Konjunktion I: 17 f.; II: 79; A:

155f. konsistent A: 160. KonstanteI: 15; II: 75; A: 147. konstituierbar 247. Kontinuum 89, 232. kontradiktori8ch I: 26, 36f., 39;

II: 88; A: 135. Kontraklasse, ·satz A: 153. Koordinatensprache 11, 40. Korrelat 165.

L. I, s. logisch 1. L. A: 133ff., 136. Lage 40. "Logik" 1, 176, 20lf., 204ff. logisch 1. l. ~ I: 12, 13, 23, 34,

63; A: 130f. 2. l. Sprache A: 131, 162. 3. l. Bestimmungen A: 133f. 4. 1. Analyse 7.

Logizismus 227, 21)3ff. Liigner 163f.

M. Mathem., 8. Arithm., reelle Zahl. Menge, s. Klasse. Mengenlehre II: 74, 77, 87f., 99. Merkmaldefinition 71. Metalogik 9. Metamathematik 9, 253ff. Metaphysik 7, 204, 208-210, 237,

250. Modalitatslogik A: 180, 189, 192

bis !":I01, 230. molekularer Satz II: 78; 249.

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272 Sachregister.

N. in II: 75. Nachpriifung 245ff., 251. Name 11, 25, 142. Namensprache 11. Naturgesetz 44f., 72, 103, 133,

138, 234, 244ff., 249. Nebenzeichen A: 130. Negation I: 17, 19; A: l05f. nicht·definierbar, s. undef. nu, Nullzeichen I: 12, 16; A: 157.

o. Objektsatz 203, 210. Objektsprache 4, 113. offen I: 20, 57; A: 147. operabel A: 145. Operand I: 19; A: 145. Operator I: 19, 21; II: 74f.;

A: 144, 146.

P. ~, s. Pradikatvariable. p. A: 188ff., 187; 244. passendes Argument A: 141. "Phanomenologie" 216, 233. "Philosophie" 8, 45, 208--206,

261. physikalische Bestimmungen 131,

188f. physikalische Sprache l04f., 131,

234f., 248f£., 251, 256ff. physikalische Syntax 50, 70ff. Physikalismu.s 105, 248, 252. ~r, Pradikat 12; I: 15, 63; A:

140. ~r, Pradikatausdruck II: 74, 78,

95ff.; A: 140, 144. Pradikatvariable II: 75; A: 148. Pramisse 25ff. Protokollsatz 233, 244:ff., 257f. Pseudo·Objektsatz 177, 211. Psychologie, psychologische

Sprache 105, 239, 252. Psychologismus 1, 25, 88, 202,

204, 216.

Q. 0, s. Zuordnung. quasi·syntaktisch A: 177, 179,

213.

R. Realismus 228, 237. Reduzibilitatsaxiom 77, 87. rootle Zahl II: 101£.; A: 159; 232. Reihenzahl 49, 53. reine Syntax 6, 14, 48-50, 69. rekursive Definition 22, 59, II: 79. Relativierung in bezug auf Spra·

che 139, 188, 200, 225f., 250.

s. 6, s. Satz. f, s. Satzvariable. fa, s. Satzzeichen. Satz I: 13,24,63; II: 78; A: 122f.,

195. Satzfunktion 20, 98; A: 144:. Satzgeriist A: 140, 144. Satzkalkiil I: 28, 31; II: 81£., 86. Satzvariable II: 75; Ill; A: 148. Satzverknupfung A: 153. Satzzeichen II: 75; A: 122. Scheinproblem, ·satz 8, I95f.,

204ff., 209f., 225ff., 231, 237, 288f., 241£., 247, 250, 252, 259.

Schema 1. f. Grundsatze I: 27; II: 81, 86. 2. f. Beweise und Ableitungen

I: 30f.; II: 85f. SchluBregel 25, 27; I: 80; II: 84. Schranke des Operators 19. Semantik 9, 191. Semasiologie, Sematologie 9. 6fu, s. Satzfunktion. 69, s. Satzgerlist. "Sinn" 38, 137, 201£., 210, 216. "sinnlos" 43, (73), 99, 114, 116,

209, 247, 249, 250. Spielraum A: 152. Sprachbezirk II: 79. Sprache 1, 4; A: 120. Sprachwissenschaft 9.

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Sachregister. 273

St, s. Strichausdruck. Stellenbezeicbnung 11. Strich 1If. Strichausdruck I: 12,24; II: 91. "strikte" Implikation 157, 175,

180, 198, 196ff. etu, StufensyBtem A: 139. Stufenzahl II: 76; A: 139. Substitution, s. Einsetzung. symbolische Sprache 3. synonym 1. syn. 2l I: 88; II: 90;

A: 129, 137, 184. 2. syn. Sprachen A: 169.

syntaktische Bezeichn. 107f., 113. syntaktischer Satz 30f., 210. Syntax I, 8. Syntaxsprache 4, 46, 107, 113;

A: 178. synthetisch I: 26, 86f.; II: 89;

A: 186.

T. Tautologie 89, 129; s. analytisch. Teilsprache 182, 168. Toleranzprinzip 44f., 117f., 249. Typeneinteilung II: 71H., 87, 99;

117, 163, 192, 224.

U. iiberabzahlbar 89. lJbersetzung A: 167ff., 171. umfangsgleich 98; A: 140f., 184. Umformungsbestimmungen 2, 4;

I: 26, 64; II: 80ff.; A: 122. un·, siehe das betr. Stammwort. Unabhii.ngigkeit A: 127. undefinierbar 89, 95, 164f. undefinierl, s. Grundzeichen. unendliche Satzklassen I : 36;

II: 90. Unendlichkeitsa:riom 72, 87. unentscheidbar I: 26; II: 86, 94;

A: 124, 165. ungeordnet 103f. ungesattigt 25, 100. unmittelbar ableitbar 26; I: 29,

64; II: 84; A: 124.

Car nap. Syntax. 2. Auft.

unmittelbare Folge I: 16; A: 121, 122ff.

"unsagbar" 208f., t41f. Unvollst. der Arithmetik 126,

160.

v. ~, s. Variabelausdruck. b, s. Variable. Variabelausdruck A: 143. Variabilitatszahl A: 150. Variable I: 10, 20; II: 75; 142ff.;

A: 147; 221. Variante A: 145. Verifikation, s. Nachp:r"ii1uDg. Iletln, s. Verkniipfungszeichen I, II. Verkniipfungszeichen I: 16H.;

II: 83; A: 154. verschobene Redeweise 235. vertriglich I: 88; II: 89; A: 127. verwandt A: 122f. Vitalismus 247, 252. $f, s. Satzverkniipfung. Ilf, s. Verkniipfungszeichen A. Vollausdruck, Vollsatz A: 140. vollstii.ndig 1. v. e, ~ A: 128,151.

2. v. Sprache A: 161.

W. "Wahlfolge" 103. "wahr" 1M, 179, 183. Wahrheitsfunktion 183. Wahrheitswerttafel 18f., 154:. Wahrscheinlichkeit 103, 235, 244. Wertausdruck II: 74. Werlbereich II: 80; A: 144. Wertverlauf A: 14Of., 184. widergiiltig A: 127. widerlegbar I: 26; II: 85; A: 124. Widerspruch 98; 217, 224, 231;

s. a. Antinomie. widerspruchsfrei, -voll90; A: 169. Widerspruchsfreiheitsbeweis 90,

96, 166. WisseIl8Chaftsl.ogik 7, 206-210,

259ff. Wort&prache 2, 8, 171.

18

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274 Sachregister.

z. ,8, 8. Zahlausdruck. 5, 8. Zahlvariable. "Zahl" 211, 220, 223, 227, 282,

238. Zahlausdruok I: 13, 24, 63;

II: 78; A: 167. Zahlfunktor A: 158. Zahlpradikat A: 158. Zahlvariable I: 15; II: 75;

A: 157.

Zahheichen I: 12, 15, 24, 52, 63; A:157.

,zei' 47f., 67. Zeichen 4; I: 16; A: 120. &fu, s. Zahlfnnktor. a~r, s. Zahlpradikat. zugeordneter syntaktischer Satz

177, 179. Zuordnung, syntaktiBche 165. Zuordnungsdefinition 7, 68, 70. 33, s. Zahheichen.

Synhktische Zeichen (bei Frakturzeichen): { .• } 34. + 34. 0( .. ) 84. C:) s. EinBetzung. r:] s. Ersetzung.

Satz: M&nzsche Buchdruckerel. A·I090 Wlen