Lohn- und Sozialdumping- Bekämpfungsgesetz...Lohn- und Sozialdumping-Bekämpfungsgesetz Überblick...

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Lohn- und Sozialdumping- Bekämpfungsgesetz Überblick und Leitfaden zur Entgelt-Compliance zwecks Vermeidung von Verwaltungsstrafen und Haftungen Tax Stand 1.1.2017 kpmg.at/tax

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  • Lohn- und Sozialdumping-BekämpfungsgesetzÜberblick und Leitfaden zur Entgelt-Compliance zwecks Vermeidung von Verwaltungsstrafen und HaftungenTax

    Stand 1.1.2017

    kpmg.at/tax

  • Aus Gründen der leichteren Lesbarkeit wird im folgenden Text die männliche Form gewählt. Die Angaben beziehen sich selbstverständlich auf Angehörige beider Geschlechter.

    1. Einleitung 5

    2. Korrekte Anwendung des Kollektivvertrags (KV) 62.1. Grundsätzliches 62.2. Welcher Kollektivvertrag (KV) ist anwendbar? 62.3. Folgen der Nichtanwendung des maßgeblichen KV 72.4. Einstufungskriterien 7

    3. Maßgebliche Entgeltbestand teile hinsichtlich des LSD-BG 83.1. Grundsätzliches 83.2. Abgrenzung zwischen unterentlohnungsrelevanten und

    nicht relevanten Entgelt bestandteilen 83.2.1. Entgeltbestandteile, welche der Entgeltkontrolle unterliegen 83.2.2. Entgeltbestandteile, welche nicht der Entgeltkontrolle

    unterliegen 93.3. Entgelt für Ausfallszeiten 103.4. Möglichkeit der Anrechnung von

    Überzahlungen auf die Unterentlohnung 11

    4. Arbeitszeitrechtliche Aspekte 124.1. Grundsätzliches zur Arbeitszeit 124.1.1.Rechtsgrundlagen 124.1.2. Arbeitszeitbegriffe 124.1.3. Aufzeichnungspflichten nach dem AZG 134.1.3.1. Allgemeines 134.1.3.2. Sanktionen 134.2. Entlohnung von Mehr- und Überstunden 144.2.1. Grundsätzliches 144.2.2. Form bzw Zeitpunkt der Abgeltung von Mehr- bzw

    Überstunden 144.3. Flexible Arbeitszeitmodelle 154.3.1. Grundsätzliches 154.3.2. Varianten (Auswahl) 164.3.2.1. Kollektivvertragliche Durchrechnungs modelle –

    Bandbreitenmodelle 164.3.2.2. Einarbeitung iVm Feiertage 164.3.2.3 Vier-Tage-Woche 164.3.2.4 Gleitzeit 164.3.3. Fehlerhafte Anwendung der Arbeitszeitmodelle und

    daraus drohende Risiken 17

    Inhalt

  • 3LSD-BG

    5. Grenzüberschreitende Sachverhalte 175.1. Allgemeines 175.2. Verpflichtungen bei einer Entsendung iSd LSD-BG 185.2.1. Entsendebegriff 185.2.2. Formale Verpflichtungen 195.2.3. Ausnahmen 205.3. Grenzüberschreitende Arbeitskräfteüberlassung 225.3.1. Abgrenzung der Arbeitskräfteüberlassung und

    Bedeutung des AÜG 225.3.2. Verpflichtungen bei grenzüber schreitenden

    Überlassungen ins Inland 225.4. Haftung für die Entgeltansprüche der (entsandten/

    überlassenen) Arbeitnehmer 24

    6. Strafen iZm dem LSD-BG 256.1. Grundsätzliches 256.2. Sanktionen 256.2.1. Geldstrafen 256.2.2. Sonstige Sanktionsmaßnahmen 256.2.2.1. Untersagung der Dienstleistung 256.2.2.2. Vorläufige Sicherheit bzw Zahlungsstopp 256.2.2.3. Evidenz über Verwaltungsstrafverfahren 256.3. Möglichkeiten einer Strafe zu entkommen bzw

    sie zu mindern 266.3.1. Verjährung nach LSD-BG 266.3.1.1.Rechtslage vom 1.5.2011 bis 31.12.2014 266.3.1.2. Rechtslage ab 1.1.2015 266.3.2. Anrechnung von Überzahlungen 266.3.3. Nachzahlung der Entgelte gegenüber den betroffenen

    Arbeitnehmern 266.3.3.1. Nachzahlung vor Erhebung durch Behörde 266.3.3.2. Nachzahlung nach Erhebung durch Behörde 27

    7. Leistungen von KPMG 27

    8. Abbildungen 27

    9. Abkürzungen 34

  • Den Überblick behalten

    Der Gesetzgeber hat in den letzten Jahren ein immer enger werdendes Korsett an Vorschriften zur Vermeidung von Lohndumping geschaffen. Am 1.1.2017 ist das Lohn- und Sozialdumping-Bekämpfungsgesetz (LSD-BG) in Kraft getreten, das die bisherigen Bestimmungen im Rahmen eines einheitlichen Gesetzes zusammenfasst und an einigen Stellen Änderungen vorsieht. Dieser Leitfaden soll Ihnen helfen, angesichts der hohen Komplexität der – stark mit anderen Rechtsbereichen verwobenen – Regelungen den Überblick zu behalten. Er kann eine eingehende Beratung aber nicht ersetzen, und wir empfehlen, im Einzelfall mit Ihrem KPMG-Berater Kontakt aufzunehmen.

  • 5LSD-BG

    1. EinleitungUrsprünglich war der Aspekt der Unterentlohnung einer, der zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer vor den Arbeitsgerichten auszufechten war. Für die Verwaltungsbehörden war eine Verkürzung des zustehenden Entgelts durch den Arbeitgeber nur insoweit relevant, als die ASVG-Beiträge seit jeher mindestens vom arbeitsrechtlichen Anspruchslohn zu bemessen waren.

    Im Zusammenhang mit der Öffnung des Arbeits-marktes für zahlreiche osteuropäische Staaten wurde mit 1.5.2011 im Rahmen des so genannten Lohn- und Sozialdumping-Bekämpfungsgesetzes (Sammelgesetz LSDB-G) erstmals eine Verwal-tungsstrafe für Unterentlohnungen eingeführt. Diese knüpfte ursprünglich am so genannten Grundlohn an. Seit 1.1.2015 bezieht sie sich auf das gesamte nach Gesetz, Verordnung oder Kollektiv-vertrag (im Folgenden „KV“) zustehende Entgelt, wobei die von der ASVG-Beitragspflicht ausge-nommenen Entgeltbestandteile ausgeklammert bleiben. Im Unterschied zum beitragsrechtlichen Anspruchslohnprinzip bleiben hier aber weiterhin Entgeltansprüche aufgrund anderer (nachrangiger) Rechtsgrundlagen – wie zB einer Betriebsvereinba-rung (im folgenden „BV“) oder einer einzelvertragli-chen Regelung – unbeachtlich.

    Durch das mit 1.1.2017 in Kraft getretene1,2 Lohn- und Sozialdumping-Bekämpfungsgesetz (LSD-BG) wurden die bisher im AVRAG enthaltenen Rege-lungen herausgelöst, um im Rahmen dieses formal neuen Gesetzes eine klare und übersichtliche Struk-tur zu schaffen. Bei dieser Neukodifizierung blieb das materiell-rechtliche Regelungskonzept zwar im Wesentlichen unverändert; Änderungen ergaben sich aber vor allem hinsichtlich folgender Aspekte:

    – Erweiterung des Geltungsbereiches (LSD-BG gilt für alle privatrechtlichen Arbeitsverträge, Heim-arbeiter, zum Teil auch für Landarbeiter und für überlassene arbeitnehmerähnliche Personen),

    – Ausdehnung des Ausnahmekatalogs iZm vorüber-gehenden Entsendungen vom Ausland ins Inland (dies betrifft insbesondere Tätigkeiten innerhalb eines Konzernverbundes),

    1 Sachverhalte, die sich bis 31.12.2016 ereignet haben, unterliegen noch den alten, im AVRAG bzw AÜG enthaltenen Bestimmungen (aus dem „LSDB-G“). 2 Da § 29 Abs 1 LSD-BG als Dauerdelikt ausgestaltet ist, können Unterentlohnungen, die vor dem Inkrafttreten des LSD-BG begonnen haben (und

    unter § 7i Abs 5 AVRAG fielen) und bei welchen noch vor dem Inkrafttreten des LSD-BG auf die korrekte Entlohnung umgestellt wurde, aber noch keine Nachzahlung für den unterentlohnten Zeitraum erfolgte, dem (neuen) LSD-BG unterliegen. Ein Dauerdelikt endet nämlich grundsätzlich erst mit der Beseitigung des rechtswidrigen Zustands, was nach den Erläuterungen (ErlRV 1111 BlgNR 25. GP 10) erst mit der Nachzahlung eintritt.

    – Adaption bzw Ausbau der Haftungsbestimmun-gen hinsichtlich der Mindestentgeltansprüche von nach Österreich entsandten oder überlassenen Arbeitnehmern (insbesondere für den Baube-reich),

    – Verdoppelung des Strafrahmens für Arbeitgeber bzw Überlasser bei Verstößen gegen Melde- und Bereithaltungsverpflichtungen iZm Entsendungen bzw Überlassungen ins Inland

    – Ausbau der grenzüberschreitenden Behördenzu-sammenarbeit und Vollstreckung.

    Die Lohnkontrolle im Hinblick auf das LSD-BG obliegt grundsätzlich der GKK bzw im Baubereich der BUAK. Bei nicht dem ASVG unterliegenden Arbeitnehmern (bei Anwendbarkeit einer ausländi-schen Sozialversicherung) ist die Kontrollbehörde die Finanzpolizei (KIAB), welche den ermittelten Sachverhalt an das eigens für die Zwecke der Lohnkontrolle eingerichtete Kompetenzcenter LSDB der Wiener Gebietskrankenkasse weitergibt. Die Bearbeitung einer auf Verdacht der Unterentlohnung erfolgten Anzeige durch die genannten Behörden und die Ausstellung der Strafbescheide erfolgt durch die zuständige Bezirksverwaltungsbehörde.

    Als Auslegungsbehelf zum LSDB-G hat das Sozial-ministerium 2015 eigene Richtlinien (LSDB-Richtli-nien) herausgegeben. Diese sind von den Vollzugs-behörden zu beachten, für die Gerichte aber nicht bindend. 2017 soll ein neuer Erlass zum LSD-BG ausgegeben werden.

    In dieser Broschüre sollen die im Hinblick auf die Bekämpfung von Unterentlohnungen relevanten Aspekte systematisch wie folgt gegliedert darge-stellt werden:

    - Ausgangspunkt für die Frage des Entgeltan-spruchs ist (in aller Regel) der jeweilige KV. In Kapitel 2 wird dargestellt, wonach sich in vielen Fällen der anzuwendende KV bestimmt und wel-che Kriterien bei der KV-lichen Einstufung beson-ders zu beachten sind. Aufgrund der Vielzahl von Branchen-Lösungen kann nur Grundsätzliches erläutert werden.

  • - Kapitel 3 beschäftigt sich mit der Frage, welche Entgeltbestandteile hinsichtlich des LSD-BG relevant sind und inwieweit Überzahlungen ange-rechnet werden können. Außerdem wird auf die Entgeltfortzahlungspflicht bei Nichtleistungszeiten (insbesondere Urlaub, Krankheit und Feiertag) eingegangen.

    - Von großer Bedeutung ist im gegebenen Zusam-menhang das Arbeitszeitrecht. Die diesbezügli-chen Grundsätze werden in Kapitel 4 unter 4.1. dargestellt. Unter 4.2. und 4.3. werden besonders wichtige Aspekte der Mehr- und Überstunden, der diesbezüglichen Zuschläge und die Möglichkeiten zur Vermeidung solcher Entgeltpflichten durch flexible Arbeitszeitmodelle erläutert.

    - Da gerade bei grenzüberschreitenden Sach-verhalten ein Unterlaufen der österreichischen Arbeitsstandards verhindert werden soll, sind hier besonders umfassende Vorgaben vorgesehen. In Kapitel 5 werden diese behandelt.

    - Kapitel 6 stellt schließlich dar, welchen Strafrah-men das Gesetz im gegebenen Zusammenhang vorsieht und welche Möglichkeiten bestehen, solche Strafen abzuwehren bzw zu verringern.

    Diese Broschüre soll einen systematischen und verständlichen Überblick bieten. Aufgrund der Kom-plexität des dargestellten Themenbereichs kann sie aber eine eingehende Beratung nicht ersetzen. Im Einzelfall sollten Sie sich daher mit Ihrem KPMG Berater in Verbindung setzen.

    2. Korrekte Anwendung des Kollektivvertrags (KV)

    2.1. Grundsätzliches

    Die Verwaltungsübertretung der Unterentlohnung erfüllt, wer als Arbeitgeber seinem Arbeitnehmer nicht zumindest das nach dem Gesetz, Verord-nung oder KV unter Beachtung der jeweiligen Einstufungskrite rien zustehende Entgelt bezahlt (§ 29 Abs 1 LSD-BG). Die korrekte Anwendung des maßgeblichen KV ist daher von entscheidender Bedeutung.

    3 OGH 22.11.2007, 8 Ob A 62/07m.4 OGH 30.08.1989, infas 1990, A36.

    Fehler, die in diesem Zusammenhang auftreten, basieren ua auf der Anwendung eines unrichtigen KV bzw anwendbaren Mindestlohntarifs, häufig aber auch auf einer zu niedrigen Einstufung in das Entlohnungsschema.

    Hat ein Arbeitgeber keinen Sitz in Österreich, gebührt sowohl einem Arbeitnehmer mit gewöhn-lichem Arbeitsort in Österreich als auch einem grenzüberschreitend nach Österreich entsandten oder überlassenen Arbeitnehmer das nach Gesetz, Verordnung oder KV am (österreichischen) Arbeits-ort vergleichbaren Arbeitnehmern von vergleichba-ren Arbeitgebern gebührende Entgelt. Dieses wird idR – ausgehend von der Tätigkeit des Arbeitneh-mers – anhand einer Einreihung in den fiktiv anzu-wendenden KV zu ermitteln sein.

    2.2. Welcher Kollektivvertrag (KV) ist anwendbar?

    Der auf das Arbeitsverhältnis anzuwendende KV richtet sich bei gewerblichen Tätigkeiten idR danach, welchem Arbeitgeberverband der Wirt-schaftskammer (Fachgruppe) der Arbeitgeber als Mitglied angehört, wobei diese Mitgliedschaft ex- lege durch die Erteilung einer Gewerbeberechtigung erworben wird. Die Zugehörigkeit zu einer Fach-gruppe bewirkt in aller Regel auch die zwingende Anwendbarkeit eines bestimmten KV.3 Bei Zwei-felsfragen zur Zugehörigkeit der Fachgruppe hat die Wirtschaftskammer diese festzulegen. Mitunter gibt es Bereiche, für die kein KV abgeschlossen wurde.

    Für den Arbeitgeber, der aufgrund der Ausübung fachlich verschiedener Tätigkeiten mehrfach kam-merzugehörig ist, können auch mehrere KV zur Anwendung kommen. Hier sind die Kollisionsregeln des § 9 ArbVG zu beachten, ua:

    – Ist die Mehrfachmitgliedschaft auf mehrere abgrenzbare Betriebe (auch Haupt- und Ne-benbetriebe) oder organisatorisch und fachlich abgegrenzte Betriebsabteilungen bezogen, dann gilt für die dort eingesetzten Arbeitnehmer jener KV, der dem Betrieb bzw der Betriebsabteilung fachlich oder örtlich entspricht. Diese Regelung kommt analog zur Anwendung, wenn es in einem Unternehmen Betriebe bzw organisatorisch abgegrenzte Betriebsabteilungen mit und ohne anwendbaren KV gibt.4

  • 7LSD-BG

    – Lässt sich eine solche fachlich-organisatorische Abgrenzung innerhalb des Unternehmens bzw Betriebes nicht ziehen, dann liegt ein so ge-nannter Mischbetrieb vor. Bei diesem kommt grundsätzlich jener KV zur Anwendung, der dem Wirtschaftszweig entspricht, der für den Betrieb die maßgebliche Bedeutung hat, dem betreffen-den Betrieb also das Gepräge gibt. Dieser Vorrang des Wirtschaftsbereichs mit der maßgeblichen wirtschaftlichen Bedeutung kommt allerdings nur dann zum Tragen, wenn für die Tätigkeiten innerhalb des Mischbetriebes zumindest zwei konkret anwendbare KV vorliegen. Wird hingegen in einem Mischbetrieb eine KV-unterworfene und KV-freie Tätigkeit ausgeübt, unterliegt der Misch-betrieb dem KV, auch wenn dies zu dem Ergebnis führt, dass alle Arbeitsverhältnisse dem KV des eigentlich untergeordneten Bereiches unterliegen.

    Auf Arbeitnehmerseite gilt der Grundsatz der Tarif-einheit, dh auf ein Dienstverhältnis kann immer nur ein KV einwirken. Wird ein Arbeitnehmer im Rahmen seines Dienstverhältnisses in mehreren Betrieben oder organisatorisch abgegrenzten Betriebsabteilun-gen des Arbeitgebers tätig, dann findet auf ihn jener KV Anwendung, der seiner überwiegend ausgeübten Beschäftigung entspricht.

    2.3. Folgen der Nichtanwendung des maßgeblichen KV

    Bei Ausübung einer gewerblichen Tätigkeit ohne die hierfür erforderliche Gewerbeberechtigung oder mit einer nicht passenden Gewerbeberechtigung wird der bei rechtmäßiger Ausübung anwendbare KV fingiert (§ 2 Abs 13 GewO). Die Mindestentgeltrege-lungen des tatsächlich maßgeblichen (tätigkeitsein-schlägigen) KV werden letztlich daher immer – also auch für „Pfuscher“ – schlagend.

    2.4. Einstufungskriterien

    Die Entlohnungsschemata der Branchen-KV sehen für Arbeiter und Angestellte separate Mindestent-lohnungs- bzw -gehaltsregelungen vor. Beiden gemeinsam ist, dass sich das Mindestentgelt idR an der Verwendung des Arbeitnehmers und der Betriebszugehörigkeit orientiert.

    Die Entlohnung der Arbeiter richtet sich idR nach der tatsächlich ausgeübten Tätigkeit bzw fachlichen

    5 Siehe auch Pkt 9.9 der LSDB-RL.

    Ausbildung des Arbeitnehmers, die in Lohngruppen abgebildet wird und innerhalb welcher der Mindest-lohn nach Dauer der Betriebs- bzw Berufszugehö-rigkeit ansteigen kann.5 Im Angestelltenbereich wird das Mindestgehalt in den KV nach Verwendungs- oder Beschäftigungsgruppen definiert. Innerhalb dieser Gruppen steigt das KV-liche Mindestgehalt idR nach den Jahren der Berufserfahrung an.

    Bei der Einstufung in die Lohn-, Verwendungs- oder Beschäftigungsgruppen sind – wenn die Berück-sichtigung von Jahren der Berufserfahrung im KV vorgesehen ist – oft auch die bei anderen Arbeit-gebern (auch in EU/EWR) erworbenen Jahre an Berufserfahrung zu berücksichtigen.

    Nach dem KV für die Angestellten in Handelsbetrie-ben sind zB für die Ermittlung des korrekten Mindest-gehaltes – egal in welcher Beschäftigungsgruppe – sogar sämtliche erworbenen Angestellten- Berufsjahre anzurechnen. Zu diesem Zweck ist der Arbeitgeber angehalten, sich die Nachweise bzw Informationen über Ausbildung und Berufserfahrung des Arbeitnehmers zu verschaffen. In diesem Fall hat der Arbeitgeber den Arbeitnehmer nachweislich aufzufordern, entsprechende Unterlagen vorzulegen.

    Das Mindestentgelt verändert sich nicht nur mit wachsender Betriebszugehörigkeit bzw Berufser-fahrung, sondern auch infolge einer auf Dauer angelegten Tätigkeitsveränderung.

    Unterentlohnungen treten dabei häufig iZm der Nicht- oder zu geringen Anrechnung von Vordienstzeiten bei anderen Arbeitgebern oder der Nichtbeachtung von Zeitvorrückungen auf. Doch auch die Einrei-hung der vom Arbeitnehmer ausgeübten Tätigkeit in eine der vorgegebenen Lohn- oder Verwendungs-gruppen ist in der Praxis nicht immer einfach.

    Für fehlerhafte Einstufungen, die auf Auskunft der KV-Parteien oder der GKK beruhen, die diese auf Basis vollständiger Sachverhaltsgrundlagen erteilt haben, trifft den Arbeitgeber kein grobes Verschulden. Die Rechtsunkenntnis ist ferner nicht vorwerfbar, wenn der Arbeitgeber sein Verhalten an der höchstgerichtlichen Rechtsprechung oder der Vollzugspraxis der Behörden orientiert. Nicht hinreichend sind aber Auskünfte unzuständiger Behörden bzw berufsmäßiger Parteienvertreter, wie zB Rechtsanwälte und Steuerberater.

  • 3. Maßgebliche Entgeltbestand-teile hinsichtlich des LSD-BG

    3.1. Grundsätzliches

    Bereits vor der Änderung durch das ASRÄG 2014 (LSDB-G) war die Unterschreitung des Grundlohnes – das ist im Wesentlichen der für die erbrachte Arbeitszeit nach dem KV zustehende Grundbezug einschließlich des Überstundenentgelts, aber ohne Zulagen, Zuschläge, Sonderzahlungen oder sonstiges KV-Entgelt – verwaltungsstrafrechtlich sanktioniert.

    Seit 1.1.2015 fällt das gesamte nach Gesetz, Ver-ordnung oder KV zustehende Entgelt unter Beach-tung der jeweiligen Einstufungskriterien und unter Ausnahme der nach § 49 Abs 3 ASVG beitrags-freien Entgeltbestandteile unter die behördliche Unterentlohnungskontrolle. Damit bleibt diese aber weiterhin hinter dem beitragsrechtlichen Anspruchslohnprinzip, durch das – ungeachtet der Rechtsgrundlage – alle zustehenden Entgeltbe-standteile erfasst werden, zurück.

    3.2. Abgrenzung zwischen unterentlohnungs-relevanten und nicht relevanten Entgelt-bestandteilen

    3.2.1. Entgeltbestandteile, welche der Entgeltkontrolle unterliegen

    Da der Anknüpfungspunkt der Unterentlohnungs-kontrolle das Entgelt gemäß Gesetz, Verordnung und KV ist, wird (seit 1.1.2015) auch die Nicht- zahlung von Zulagen, Zuschlägen, Sonder-zahlungen oder sonstigem KV-Entgelt verwaltungs-strafrechtlich sanktioniert.

    Der Lohnkontrolle unterliegen daher insbesondere:

    – Zulagen Zulagen, die für die Zurverfügungstellung der Arbeitskraft gebühren (zB Erschwerniszulagen, Gefahrenzulagen), sind – mit Ausnahme der (steuer- und) beitragsfreien Schmutzzulagen – Bestandteil der Entgeltkontrolle. Nicht der Entgeltkontrolle unterliegen Aufwandsentschä-digungen und beitragsfreie Zulagen (zB beitrags-freie Schmutzzulage, beitragsfreie Essenszu-schüsse).

    6 ErlRV 319 BlgNR 25. GP, 11.7 Seit 1.1.2017 gilt die verpflichtende monatliche Zahlung allfälliger Sonderzahlungsansprüche gemäß § 3 Abs 4 LSD-BG auch für überlassene Arbeit-

    nehmer (vorher nur im Fall der Entsendung) aus dem Ausland.

    – Zuschläge Berücksichtigung finden auch Zuschläge (zB Mehr- und Überstundenzuschläge, Nachtzuschlä-ge, Sonn- und Feiertagszuschläge). LSD-BG relevant sind auch Urlaubszuschläge nach dem BUAG. Zu beachten ist aber, dass andere Zuschlä-ge nach dem BUAG (zB Abfertigung, Überbrü-ckungsgeld) nicht der Entgeltkontrolle unterliegen.

    – Sonderzahlungen Seit 1.1.2015 fallen auch zu niedrige Sonderzah-lungen (zB Urlaubszuschuss und Weihnachtsre-muneration) unter den Tatbestand der Unterent-lohnung. Die arbeitsrechtliche Fälligkeit der Sonder-zahlungen bestimmt sich jedenfalls nach der anspruchsbegründenden Rechtsvorschrift (im Regelfall der KV)6. Der Gesetzeswortlaut des LSD-BG sieht aber unabhängig davon bei Dienstverhältnissen, welche dem ASVG unterliegen, eine Unterent-lohnung nur dann vor, wenn der Arbeitgeber die Sonderzahlungen nicht oder nicht vollständig bis zum 31. Dezember des jeweiligen Kalenderjahres geleistet hat (§ 29 Abs 1 LSD-BG). Mit dieser Bestimmung wird aufgrund der sehr unterschied-lichen Fälligkeitszeitpunkte oder Berechnungsme-thoden bei Sonderzahlungen ein jahresbezogener Prüfzeitraum vorgesehen. Bei Beendigung des Dienstverhältnisses sind die Sonderzahlungen zum Beendigungszeitpunkt ab-zugelten, in diesem Fall darf mit der Auszahlung nicht bis 31. Dezember zugewartet werden. Für Arbeitnehmer, welche nach Österreich ent-sendet oder überlassen7 werden, sind Sonder-zahlungen (sofern der fiktiv anzuwendende KV solche vorsieht – siehe bereits Pkt 2.1.) aliquot für den konkreten Lohnzahlungszeitraum zusätzlich zum laufenden Entgelt (und somit laufend) zu leisten. Das bedeutet, dass die Son-derzahlungen gemeinsam mit dem Grundgehalt abgerechnet werden und daher die Steuerbe-günstigung für sonstige Bezüge gem § 67 Abs 1 und 2 EStG nicht zur Anwendung kommen kann, weshalb eine begünstigte Besteuerung mit einem fixen Steuersatz (grundsätzlich 6 Prozent) nicht zulässig ist.

  • 9LSD-BG

    – Nach den LSDB-RL findet die Sonderregel betref-fend die monatlich aliquote Sonderzahlung im Fall einer ausreichenden Überzahlung (dh der tatsäch-lich geleistete [monatliche] Lohn des entsandten/überlassenen Arbeitnehmers liegt über dem sich aus dem fiktiv anzuwendenden KV ergebenden Entgeltanspruch inkl anteiliger Sonderzahlung) keine Anwendung. Dies wurde auch im Zuge der Kodifizierung des LSD-BG erneut klargestellt. Ent-geltzahlungen, die das nach Gesetz, Verordnung oder KV gebührende Entgelt übersteigen, sind auf eine allfällige Unterentlohnung im jeweiligen Lohnzahlungszeitraum anzurechnen (siehe Pkt 3.4.).

    – Wegzeitvergütungen (Entgelt für Fahrten zum Einsatzort) zählen auch zum Entgelt, soweit sie im KV vorgesehen sind.

    – Auch das Ausfallsentgelt unterliegt der Lohnkon-trolle (siehe Pkt 3.3.).

    3.2.2. Entgeltbestandteile, welche nicht der Entgeltkontrolle unterliegen

    Nachdem sich die Strafbestimmungen des LSD-BG nur auf das nach Gesetz, Verordnung oder KV zuste-hende Entgelt beziehen, fallen Entgeltbestandteile, welche aufgrund einer BV oder eines Einzelvertra-ges gewährt werden, nicht in die Entgeltkontrolle. Dies betrifft idR etwa folgende Entgelte:

    – Prämien (zB Zielerreichungsprämien, Gewinnbe-teiligungen) Da sich der Anspruch auf Prämien idR entwe-der aus dem Einzelvertrag oder einer BV ergibt, werden diesbezügliche Unterentlohnungen nicht verwaltungsstrafrechtlich sanktioniert. Sollen durch eine Prämie aber auch andere gesetzliche oder KV-lich normierte zwingende Ansprüche abgegolten werden, wäre dies insoweit hingegen von der Entgeltkontrolle erfasst.

    – Provisionen Auch Provisionen gebühren häufig nur auf Grund eines Einzelvertrages oder einer BV und unterlie-gen in diesem Fall nicht der Entgeltkontrolle. Zu beachten ist aber, dass manche KV eine Kom-bination von Fixum und Provision ermöglichen. Wird dabei das KV-liche (meist) Jahres-

    8 Dies ersetzt aber nicht die „arbeitsrechtliche“ Deckungsprüfung auf Basis des gesamten Entgelts (Anspruchslohn). 9 Wir empfehlen eine Einzelfallprüfung, da nicht in jedem Fall der den steuerlichen Höchstwert überschreitende Teil als Entgelt zu beurteilen sein wird.

    Mindestentgelt (inklusive Sonderzahlungen) nicht gewährt, liegt eine Unterentlohnung vor.

    – Überstundenpauschalen Bei Überstundenpauschalen liegt ua dann eine Unterentlohnung vor, wenn das Pauschale die geleisteten Jahresüberstunden nicht abdeckt und die Überstunden auch nicht anderweitig abgegol-ten werden. Die diesbezügliche Deckungsprüfung am Ende des Kalenderjahres (oder eines verein-barten kürzeren Beobachtungszeitraums) ist zur Entgeltkontrolle auf Basis der Mindestentgelte zu berechnen.8

    – Da KV-liche Istlohn(-gehalts)klauseln an einzel-vertragliche Überzahlungen anknüpfen, unterlie-gen sie nicht der Entgeltkontrolle.

    Für die Entgeltkontrolle irrelevant sind darüber hin-aus Vergütungen, die kein arbeitsrechtliches Entgelt darstellen bzw nach § 49 Abs 3 ASVG beitragsfrei sind. Nicht der Entgeltkontrolle unterliegen daher insbesondere:

    – Auslagenersätze (Vergütungen des Arbeitgebers für dienstliche Aufwendungen). Dazu gehören vor allem Fahrtkostenvergütungen inklusive Vergütungen für Wochenend- und Fami-lienheimfahrten, sowie Tages- und Nächtigungs-gelder, soweit sie nach § 26 Z 4 bzw § 3 Abs 1 Z 16b EStG nicht der Lohnsteuerpflicht unterliegen (Taggelder derzeit bis maximal EUR 26,40, Nächtigungsgelder bis maximal EUR 15,00 pro Tag). Der beitragspflichtige Teil der pauschalierten Taggelder zählt nicht zwangsläufig zum Mindest-entgelt iSd § 29 LSD-BG9.

    – Vergütungen für den Mehraufwand, welcher bei Arbeiten außerhalb des Betriebes oder mangels zumutbarer Rückkehrmöglichkeit an den stän-digen Wohnort (Familienwohnsitz) entsteht (zB Trennungsgelder und Bauzulagen).

    – Schmutzzulagen, soweit sie nach § 68 Abs 1, 5 und 7 EStG nicht der Lohnsteuerpflicht unterlie-gen (im maximalen Ausmaß von EUR 360,00 pro Monat). Dies bedeutet, dass bei der Gewährung von SEG-Zulagen der Anteil der steuer- und damit beitragsfreien Schmutzzulage an den gesamten Zulagen zu ermitteln ist und dieser Anteil bei der Entgeltkontrolle außer Betracht bleibt.

  • – Vergütungen, die aus Anlass der Beendigung des Dienstverhältnisses gewährt werden, wie zB Abfertigungen, Abgangsentschädigungen und Übergangsgelder sind betragsfrei. Urlaubser-satzleistungen und Kündigungsentschädigungen unterliegen aber sehr wohl der Entgeltkontrolle.

    – Beiträge nach dem BMSVG und Ansprüche nach dem BPG sind bei der Beurteilung einer allfälligen Unterentlohnung nicht zu berücksichtigen.

    3.3. Entgelt für Ausfallszeiten

    Auch das für leistungsfreie Zeiten fortgezahlte Ent-gelt unterliegt der Lohnkontrolle, wobei dies auch hier nur insoweit gilt, als dieses auf Entgeltbestand-teilen basiert, die nach Gesetz, Verordnung oder KV zustehen und nicht unter den Ausnahmekatalog des § 49 Abs 3 ASVG fallen.10 Das LSD-BG schützt so-mit insoweit auch das Entgelt für arbeitsfreie, aber entgeltpflichtige Zeiträume. Dieses Ausfallsentgelt soll den Arbeitnehmer während bestimmter berech-tigter Abwesenheiten einkommensmäßig so stellen, als hätte er die Arbeitsleistung erbracht.

    Das Ausfallsentgelt gebührt in Zeiten von:

    – Krankenstand in Form von Krankenentgelt (§ 8 Abs 1 und 2 AngG, § 3 EFZG),

    – Urlaub in Form von Urlaubsentgelt (§ 6 UrlG),

    – Feiertagen in Form von Feiertagsentgelt (§ 9 ARG),

    – sonstigen Dienstverhinderungen (zB Pflege-freistellung gemäß § 16 UrlG, Dienstverhinderun-gen gemäß §§ 8 Abs 3 AngG, 1154b Abs 5 ABGB oder dem anwendbaren KV).

    Zum Urlaubsentgelt sowie zum Krankenentgelt für Arbeiter definieren Generalkollektivverträge (im folgenden „GenKV“) zusätzlich den Entgeltbegriff. Diese sind branchenübergreifend auf sämtliche Arbeitsverhältnisse anzuwenden, sofern für den Betrieb die Kammer der gewerblichen Wirtschaft die KV-Fähigkeit besitzt. Die Branchen-KV können aber eigenständige, von den GenKV abweichende Regelungen betreffend Urlaubsentgelt und Kranken-

    10 ErlRV 1111 BlgNR 25. GP, 20 (zu § 29 LSD-BG).11 VwGH vom 11.12.2013, 2011/08/0327.12 OGH vom 25.2.2015, 9 ObA 12/15b.13 OGH vom 14.4.1999, 9 ObA 20/99b.14 VwGH vom 11.12.2013, 2011/08/0327.

    entgelt treffen und enthalten vielfach auch betref-fend sonstiger Dienstverhinderungen Regelungen.

    Gebührt einem Mitarbeiter nur ein fixer Bezug (zB Gehalt oder Stundenlohn für Normalstunden; keine Erbringung von in Geld abzugeltenden Mehrleistun-gen), so sind mit dem Fixbezug auch Ausfallszeiten abgedeckt (eine gesonderte Berechnung ist nicht erforderlich). Bei Erbringung von Mehrleistungen (für die ein Geldanspruch gebührt) oder bei An-spruch auf variable Entgeltbestandteile (zB Zulagen) hat er idR auch während der ausgefallenen Arbeits-zeit Anspruch auf Fortzahlung dieses Entgelts. Da-bei wird hinsichtlich der Methode zur Ermittlung des Ausfallsentgelts differenziert:

    – Grundsätzlich soll diesbezüglich das zukunftsori-entierte Ausfallsprinzip zur Anwendung kom-men. Lässt sich exakt feststellen, welches Ent-gelt (inkl Mehrleistungen, Zulagen etc) während der Dienstverhinderung gebührt hätte (zB mittels Dienstplan), so ist dieses Entgelt fortzuzahlen.

    – Ist eine solche Prognose nicht möglich, wird idR hilfsweise das vergangenheitsorientierte Durch-schnittsprinzip angewendet. Bei diesem wird für die Dauer der Dienstverhinderung der Durch-schnitt der variablen Entgelte innerhalb eines repräsentativen Beobachtungszeitraumes vor der Dienstverhinderung fortgezahlt. Der VwGH sieht dementsprechend aufgrund des Kontinuitätsge-dankens 13 Wochen als einen geeigneten Beob-achtungszeitraum an11. Bei stark schwankenden Bezügen (zB Schichtzulagen, saisonale Schwan-kungen) wird demgegenüber eine Berechnung nach dem Jahresdurchschnitt als angemessen betrachtet12. Regelt der KV – wie häufig – nur das Urlaubs- oder Krankenentgelt, so ist aus Gründen der praktischen Durchführbarkeit diese Bestim-mung auch auf andere Nichtleistungsentgelte anzuwenden.

    Fallen in den Beobachtungszeitraum auch Nicht leistungs-zeiten, sind diese grundsätzlich zu neutralisieren13.

    Enthält der anwendbare KV für die Ermittlung des Ausfallsentgelts eigenständige Regelungen und verweist er nicht lediglich auf die GenKV, ist diese Berechnungsart aber zwingend heranzuziehen.14

  • 11LSD-BG

    Für Provisionen sieht der GenKV zu § 6 UrlG zur Beweiserleichterung zwingend die Anwendung des Durchschnittsprinzips auf Basis eines Beobachtungs-zeitraums von 12 Monaten vor. Nach der Rsp des OGH ist diese Bestimmung auch auf das Krankenent-gelt anzuwenden15, wenn der KV keine abweichende Regelung enthält. Für den Fall einer Dienstfreistel-lung hingegen hat der OGH die Fortzahlung der Provisionen dann verneint, wenn der Arbeitnehmer aufgrund betrieblich bedingter Umstände auch ohne Dienstfreistellung keine Provisionen verdient hätte.16

    Was ist fortzuzahlen? Welche Entgeltbestandteile bei der Durchschnitts-berechnung heranzuziehen sind, ergibt sich in erster Linie aus dem Gesetz, den beiden GenKV und dem jeweiligen Branchen-KV. Grundsätzlich sind die im Beobachtungszeitraum regelmäßig geleisteten varia-blen Bezüge zur Berechnung heranzuziehen. Entgelte gelten als regelmäßig geleistet, wenn sie im Beobach-tungszeitraum überwiegend angefallen sind (zB in 7 von 13 Wochen, 7 von 12 Monaten, an 143 Arbeits-tagen in einem Jahr). Der anwendbare KV kann aber auch vorsehen, dass die Regelmäßigkeit unbeachtet bleibt und generell das durchschnittliche Entgelt eines vorgegebenen Zeitraumes fortzuzahlen ist.

    Werden Entgeltbestandteile im Beobachtungszeit-raum nur ausnahmsweise geleistet, so sind diese in die Durchschnittsberechnung nicht einzubeziehen, sofern der KV nicht Abweichendes vorsieht. Wenn sich feststellen lässt, dass ein Entgeltbestandteil selbst bei Arbeitsleistung nicht gebührt hätte (zB auf-grund einer Tätigkeitsveränderung oder betrieblicher Umstände, wie zB iFv Kurzarbeit), kann dieser Ent-geltbestandteil – mangels gegenteiliger Bestimmung im KV – bei der Berechnung außer Betracht bleiben. Zu beachten ist aber, dass der diesbezügliche, vom Arbeitgeber zu erbringende Beweis oftmals schwie-rig sein kann. Fortzuzahlen sind beispielsweise:

    – regelmäßig geleistete Überstunden (sofern sie nicht in Freizeit ausgeglichen werden),

    – Zulagen, Zuschläge,

    – Provisionen (mit Ausnahme der Direkt- und Folge-provisionen),

    – Akkordlöhne, Leistungsprämien,15 OGH vom 17.10.2002, 8 ObA 67/02i.16 OGH vom 16.12.2008, 8 ObA 75/08z.17 OGH vom 17.10.2002, 8 ObA 67/02i.18 OGH vom 7.6.2001, 9 ObA 295/00y.

    – Sonderzahlungen,

    – Gewinnbeteiligungen.

    Nicht zu berücksichtigen sind nach den beiden GenKV Sachbezüge und Aufwandsersätze sowie ua Mehr- und Überstunden, die durch Freizeit abgegol-ten werden (sehr wohl aber die Zuschläge hierauf, sofern diese in Geld ausbezahlt werden), Fahrtkos-tenvergütungen, Entfernungszulagen, sowie Tages- und Nächtigungsgelder. Überdies sind auch Direkt-provisionen und Folgeprovisionen – also Provisionen die ohnehin auch während Nichtleistungszeiten fortbezahlt werden – nicht in das Ausfallsentgelt miteinzubeziehen.17

    Zu beachten ist, dass eine pauschale Abgeltung des Kranken- bzw Urlaubsentgelts durch ein erhöhtes laufendes Entgelt nach der Rechtsprechung des OGH nicht zulässig wäre.18

    3.4. Möglichkeit der Anrechnung von Überzahlungen auf die Unterentlohnung

    Alle tatsächlich geleisteten Entgeltzahlungen, die das nach Gesetz, Verordnung oder KV gebührende Entgelt überschreiten, sind auf allfällige Unterent-lohnungen anzurechnen (§§ 13 Abs 4, 14 Abs 1, 15 Abs 1 LSD-BG). Überzahlungen aus BV, Arbeits-vertrag (oder auch nur faktisch Geleistetes) können somit auf Unterentlohnungen (Unterschreiten des KV-lichen Mindestentgelts) angerechnet werden, soweit sie sich auf den gleichen Lohnzahlungs-zeitraum beziehen. Unter Lohnzahlungszeitraum ist grundsätzlich jener Zeitraum zu verstehen, nach dem das Entgelt bemessen und bezahlt wird (häufig jeweils ein Monat).

    Hinsichtlich der Anrechnung von Überzahlungen ist folgendermaßen vorzugehen:

    – Es ist in einem Vergleich der Endsummen (nicht der einzelnen Entgeltbestandteile) das dem Arbeitnehmer in einem Lohnzahlungszeitraum (idR der Kalendermonat) bezahlte Entgelt dem nach Gesetz, Verordnung oder KV gebührenden Mindes-tentgelt für diesen Zeitraum gegenüberzustellen.

    – Nur dann, wenn die Summe der tatsächlichen Entgeltzahlungen im Lohnzahlungszeitraum die

  • Summe des gebührenden Mindestentgelts unter-schreitet, liegt eine Unterentlohnung nach dem LSD-BG vor.

    – Eine Gegenverrechnung des nicht bezahlten Arbeitsentgeltes mit Sachleistungen ist aufgrund des grundsätzlich geltenden Geldzahlungsgebots nur dann zulässig, wenn der KV dies vorsieht.19

    – Auch wenn eine lohnperiodenübergreifende Betrachtung nicht zum Wegfall des Delikts einer lohnperiodenbezogenen Unterentlohnung führen kann, kann strafmindernde leichte Fahrlässigkeit angenommen werden, wenn sich periodenüber-greifend keine Unterentlohnung ergibt.20

    Nach den Erläuterungen zu § 13 Abs 4 und § 29 Abs 1 LSD-BG (Feststellung bzw Verwaltungsstraf-tatbestand der Unterentlohnung) tritt die Fälligkeit allfällig noch abzugeltender Überstunden aus Pauschalentgeltvereinbarungen (zB Überstun-denpauschale, All-In-Vereinbarungen) nicht während des Durchrechnungszeitraums ein. Eine allfällige Unterentlohnung ist daher erst am Ende des Be-trachtungszeitraumes (im Zweifel: Kalenderjahr) feststellbar.

    4. Arbeitszeitrechtliche Aspekte 4.1. Grundsätzliches zur Arbeitszeit

    4.1.1.Rechtsgrundlagen Vorschriften betreffend die Gestaltung bzw Ver-teilung der Normalarbeitszeit, die zulässige Tages- und Wochenhöchstarbeitszeit, die erforderlichen Ruhepausen und die damit verbundenen Entgel-tansprüche finden sich im Arbeitszeitgesetz (AZG), im Arbeitsruhegesetz (ARG), in der diesbezüglichen Verordnung (ARG-VO) sowie in den anwendbaren KV oder Mindestlohntarifen (MLT), BV und Einzel-vereinbarungen. In den erstgenannten Vorschriften wurde die Arbeitszeit-RL 2003/88/EG umgesetzt. Das AZG ist grundsätzlich auf alle Arbeitnehmer, die das 18. Lebensjahr vollendet haben, anzuwenden. Ausgenommen vom AZG sind ua leitende Ange-stellte iSd § 1 Abs 2 Z 8 AZG, Lehr- und Erziehungs-kräfte und Heimarbeiter.

    Das Arbeitszeitrecht ist für die Thematik des Lohn- 19 Siehe auch § 15 Abs 5 LSD-BG.20 Pkt 10.4 der LSDB-RL. Siehe auch Pkt 6.3.3.2 dieser Broschüre. 21 In diesem Zusammenhang sollte die Möglichkeit der Vereinbarung von „Sonderüberstunden“ gem § 7 Abs 4 und 4a AZG, mit welcher die Ta-

    geshöchstarbeitszeit zulässigerweise auf maximal 12 Stunden ausgedehnt werden darf, nicht übersehen werden.

    dumping vor allem auch deshalb wichtig, weil es die Zuschlagspflicht für Mehr- und Überstunden regelt. Für die vom AZG ausgenommenen leitenden Angestellten kann sich ein Zuschlagsanspruch nur dann ergeben, wenn ein Zuschlag im anzuwenden-den KV vorgesehen ist.

    Sondervorschriften sind ua zu beachten für Haus-gehilfen- und Hausangestellte (HausgG), Bäckerei-arbeiter (BäckAG), Landarbeiter (LAG), Kranken-anstalten-Arbeitnehmer (KA-AZG), schwangere Arbeitnehmer (MSchG), Kinder- und Jugendliche (KJBG) oder Lenker (EWG-VO Nr. 3821/85 und EG-VO Nr. 561/2006).

    4.1.2. Arbeitszeitbegriffe

    Terminologisch sind zu unterscheiden:

    – Arbeitszeit ist die Zeit vom Beginn bis zum Ende der Arbeit ohne die Ruhepausen. Tagesarbeitszeit ist die Arbeitszeit innerhalb eines ununterbroche-nen Zeitraumes von 24 Stunden. Wochenarbeits-zeit ist die Arbeitszeit innerhalb eines Zeitraumes von Montag bis einschließlich Sonntag.

    – Unter der (gesetzlichen) Normalarbeitszeit wird grundsätzlich die gesetzlich normierte Arbeitszeit- obergrenze in Abgrenzung zur Überstunden-arbeit verstanden. Überstundenarbeit, für die grundsätzlich ein 50-prozentiger Entgeltzuschlag oder ein entsprechender Zeitausgleich zu ge-währen ist, liegt demnach vor, wenn der Arbeit-nehmer die Grenzen der zulässigen gesetzlichen wöchentlichen Normalarbeitszeit oder die tägliche Normalarbeitszeit, die sich aufgrund der Vertei-lung der wöchentlichen Normalarbeitszeit ergibt, überschreitet.21 Nach § 3 AZG darf die tägliche Normalarbeitszeit grundsätzlich acht Stunden, die wöchentliche Normalarbeitszeit 40 Stunden nicht überschreiten.

    – In KV sind vielfach kürzere Wochenarbeitszeiten vorgesehen, womit diese Wochenarbeitszeit als (KV-liche) Normalarbeitszeit gilt. In diesem Fall stellt eine darüber hinausgehende, 40 Stun-den aber nicht überschreitende Arbeitsleistung grundsätzlich „bloße“ (nicht zuschlagspflichtige) Mehrarbeit dar. Der KV kann aber auch diese Zeiten als „Überstundenarbeit“ bezeichnen bzw

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    diesbezüglich einen Zuschlag festlegen.

    – Eine Auswahl flexibler Arbeitszeitmodelle, die primär dazu dienen, die Bandbreite für die nicht zuschlagspflichtige Normalarbeitszeit auszudeh-nen, wird unter Pkt 4.3 dargestellt.

    – Passive Reisezeiten, die außerhalb der Normal-arbeitszeit im Rahmen einer Dienstreise anfallen und bei welchen der Arbeitnehmer keine Arbeits-leistung erbringt, können unter gewissen Voraus-setzungen niedriger entlohnt werden, sofern es eine dementsprechende Vereinbarung gibt (zB Arbeitsvertrag, KV, BV)22.

    – Teilzeitarbeit liegt vor, wenn die vertraglich vereinbarte Wochenarbeitszeit die gesetzliche oder, sofern der KV eine kürze Normalarbeitszeit vorgibt, diese unterschreitet.

    – Ruhepausen und Ruhezeiten zwischen den Ar-beitstagen regeln insb die §§ 11 und 12 AZG; die §§ 13 bis 15c enthalten Sonderbestimmungen für Lenker von Kraftfahrzeugen.

    – Das ARG regelt die Wochen- bzw Wochenend- ruhe, die Ersatzruhe und die Feiertagsruhe.

    4.1.3. Aufzeichnungspflichten nach dem AZG

    4.1.3.1. Allgemeines

    Zur Überwachung der Einhaltung der arbeitszeit-rechtlichen Vorgaben hat der Arbeitgeber für alle Arbeitnehmer (auch geringfügig Beschäftigte, sons-tige Teilzeitmitarbeiter und auch Arbeitnehmer mit All-In-Vereinbarung, nicht aber für leitende Angestell-te nach dem AZG) in der Betriebsstätte Aufzeichnun-gen über die geleisteten Arbeitsstunden zu führen. Verpflichtet der Arbeitgeber seine Arbeitnehmer, die Aufzeichnungen selbst zu führen, so hat er sie zur ordnungsgemäßen Führung der Aufzeichnungen anzuleiten und diese zu kontrollieren.

    Die Aufzeichnungen müssen die Lage der Arbeits-zeit (Arbeitsbeginn und Arbeitsende), die Dauer der Arbeitszeit und die Ruhepausen enthalten. Letzte-

    22 Durch passive Reisezeiten ist (unter Beachtung der Mindestruhezeiten) uU eine Überschreitung der Tages- bzw Wochenhöchstarbeitszeit zulässig (§ 20b AZG).

    res gilt nicht bei Saldoaufzeichnungen, sofern diese generell zulässig sind. Bei Anwendung flexibler Arbeitszeitmodelle ist zusätzlich Beginn und Ende des Durchrechnungszeitraums anzugeben. Darüber hinaus sieht das AZG zB für Lenker weitere Auf-zeichnungspflichten vor.

    Seit 1.1.2015 gelten bestimmte Erleichterungen für die Arbeitszeitaufzeichnung (Vereinfachungen bei schriftlich festgelegten fixen Arbeitszeiteintei-lungen, erweiterte Möglichkeit bloßer Saldenauf-zeichnungen, Erleichterungen bei der Pausenauf-zeichnung). Außerdem haben Arbeitnehmer auf ihr Verlangen hin Anspruch auf monatliche Übermitt-lung der Arbeitszeitnachweise.

    4.1.3.2. Sanktionen

    Arbeitszeitübertretungen sowie Verstöße gegen die Aufzeichnungspflicht werden – unabhängig von den Bestimmungen über das Lohn- und Sozialdumping – bestraft, wobei die Überwachung den Arbeits-inspektoraten obliegt.

    Arbeitszeitübertretungen sind mit Strafen von EUR 20,00 bis EUR 1.815,00 pro Arbeitnehmer und Verwaltungsübertretung, im Wiederholungsfall sogar bis zu EUR 3.600,00 bedroht. Die Strafbarkeit verjährt seit 1.7.2013 erst nach einem Jahr ab Ende des strafbaren Verhaltens.

    So wird bei Verstößen gegen die Aufzeichnungs-pflicht der Arbeitgeber (der/die Geschäftsführer) bzw ein ausdrücklich bestellter verantwortlicher Beauftragter hinsichtlich jedes einzelnen Arbeitneh-mers gesondert bestraft. Fehlen die Arbeitszeitauf-zeichnungen, so droht eine Verwaltungsstrafe iHv EUR 72,00 bis EUR 1.815,00, im Wiederholungsfall iHv EUR 145,00 bis EUR 1.815,00 pro Arbeitneh-mer, für den die Aufzeichnungen fehlen.

    Darüber hinaus werden Verfallsfristen gehemmt,

    − solange den Arbeitnehmern die Übermittlung der verlangten Arbeitszeitaufzeichnungen verwehrt wird bzw

  • − wenn durch das Fehlen der Aufzeichnungen die Feststellung der tatsächlich geleisteten Arbeits-zeit unmöglich oder unzumutbar wird.

    In diesen Fällen können Nachforderungen des Ar-beitnehmers von diesem innerhalb der gesetzlichen Verjährungsfrist von drei Jahren geltend gemacht werden.

    4.2. Entlohnung von Mehr- und Überstunden

    4.2.1. Grundsätzliches Die Höhe des dem Arbeitnehmer gebührenden Mindestentgelts richtet sich grundsätzlich nach der vereinbarten Arbeitszeit. Darüber hinaus gehende Arbeitszeiten sind gesondert abzugelten, wobei hier zu unterscheiden ist:

    – Die Überstundenentlohnung setzt sich aus dem Grundlohn und dem Zuschlag zum Grund-lohn zusammen:

    — Das Entgelt für die Normalstunden (= Über-stundengrundlohn) wird mit dem Stunden-lohnteiler ermittelt (173 iF einer wöchentlichen Normalarbeitszeit von 40 Stunden, 167 bei einer 38,5-Stunden-Woche). KV oder Min-destlohntarife sehen (idR zum Zwecke der Abgeltung von Sonderzahlungen) häufig für Überstunden (mitunter auch für Mehrstunden) günstigere Teiler (zB 143) vor. Auch kann der KV die BV ermächtigen, einen abweichenden Teiler zu normieren.

    — Nach § 10 AZG gebührt für Überstunden ein Zuschlag von 50 Prozent. Bei der Abgeltung der Arbeitsleistung durch Zeitausgleich ist der Zuschlag entsprechend in Freizeit zu berück-sichtigen oder auszuzahlen. Die jeweils maßgeblichen KV können dazu nähere bzw abweichende Regelungen ent-halten. So sehen manche KV 100-prozentige Zuschläge für bestimmte qualifizierte Über-stunden (zB während Nachtzeiten sowie an Sonn- und Feiertagen) vor. Darüber hinaus kann der KV auch vorgeben, dass eine Abgel-tung der Überstunden nur in Geld zulässig ist.

    – Soweit das Arbeitsausmaß von Vollzeitarbeits-kräften die KV-liche Wochenarbeitszeit, nicht aber gesetzliche Normalarbeitszeit von 40 Stunden

    übersteigt, gebührt für diese „kollektivvertragli-che Mehrarbeit“ nur dann ein Zuschlag, wenn der KV einen solchen vorsieht. Sieht der KV für diese Mehrarbeit keinen besonderen Teiler vor, gilt der Normalstundenteiler; fallweise ist der Teiler nach dem KV aber auch ident mit dem Überstundenteiler.

    – Seit 2008 haben Teilzeitarbeitskräfte grundsätz-lich einen Anspruch auf einen Mehrarbeitszu-schlag von 25 Prozent. Dieser gebührt nur dann nicht,

    — wenn bei gleitender Arbeitszeit die vereinbar-te Arbeitszeit innerhalb der Gleitzeitperiode (siehe Pkt 4.3.2.4.) im Durchschnitt nicht überschritten wird oder

    — wenn die Mehrarbeitsstunden innerhalb eines Kalendervierteljahres oder eines anderen festgelegten 3-Monats-Zeitraumes, in dem sie angefallen sind, durch Zeitausgleich im Ver-hältnis 1:1 ausgeglichen werden (der KV kann einen anderen Ausgleichszeitraum vorsehen).

    Soweit der maßgebliche KV für die Mehrarbeit von Vollzeitkräften keine oder geringere Zu-schläge vorsieht, gilt dies auch hinsichtlich der Mehrarbeitszuschläge für Teilzeitkräfte (bis zur Normalarbeitszeit der Vollzeitkräfte). Wenn daher zB der KV eine wöchentliche Normalarbeitszeit von 38 Stunden festlegt und für die 39. und 40. Wochenstunde keinen Zuschlag vorsieht, so sind diese beiden Mehrarbeitsstunden eines Teilzeit-mitarbeiters im gleichen zeitlichen Ausmaß ebenso zuschlagsfrei (§ 19d Abs 3c AZG).

    Seit 1.1.2015 unterliegen alle angeführten Entgeltbe-standteile (Überstunden- bzw Mehrarbeitsgrundlohn sowie Zuschläge) der behördlichen Mindestentgelt-kontrolle. Dabei ist aber nicht mit dem Ist-Entgelt sondern dem nach Gesetz, Verordnung oder KV gebührenden (Mindest)Entgelt zu rechnen.

    4.2.2. Form bzw Zeitpunkt der Abgeltung von Mehr- bzw Überstunden

    Überstundenentgelte sind im Kalendermonat des Anfalls der Überstunde fällig, sofern nicht der Ver-brauch in Freizeit durch KV (oder BV) vorgegeben oder mit dem Arbeitnehmer vereinbart wurde. Sieht der anwendbare KV nichts Gegenteiliges vor, so ist es (vor dem Hintergrund des LSD-BG) mitunter emp-

  • 15LSD-BG

    fehlenswert, durch BV oder Einzelvereinbarung die Fälligkeit des Überstundenentgeltes frühestens mit dem auf die Überstundenleistung folgenden Monat zu vereinbaren.

    Häufig werden Überstundenvergütungen aber auch durch (echte) Überstundenpauschalen (geson-derte Widmung eines Betrages zur Abgeltung von Überstunden) oder im Rahmen von All-In-Ver-trägen abgedeckt. Seit 1.1.201623 muss bei Pauschalentgeltvereinbarungen zwingend der/das dem Arbeitnehmer zustehende Grundlohn/-gehalt (= der Lohn/das Gehalt für die Normalarbeitszeit) im Dienstzettel oder Dienstvertrag ausgewiesen werden. Fehlt diese Angabe, hat der Arbeitnehmer Anspruch auf den branchen- und ortsüblichen Normalstundenlohn (Mindestentgelt laut KV zuzüg-lich Überzahlung), der am Arbeitsort vergleichbaren Arbeitnehmern von vergleichbaren Arbeitgebern gebührt.

    Zu beachten ist einerseits die Rechtsverbindlichkeit derartiger Vereinbarungen (einseitiges Abgehen nur bei Widerrufsvorbehalt im Rahmen eines echten Überstundenpauschales möglich) und andererseits die Notwendigkeit einer Deckungsprüfung, weil das Pauschale im Durchschnitt über einen längeren Zeitraum die zustehende Vergütung bei einer Einzelverrechnung der Überstunden nicht unterschreiten darf.

    Bei der Deckungsprüfung ist – in Ermangelung einer anderen Vereinbarung – am Ende eines Kalender-jahres zu kontrollieren, ob das vereinbarte Entgelt die tatsächlich erbrachten Leistungen abdeckt. Da ein im Rahmen einer solchen Deckungsprüfung ermittelter Differenzbetrag erst am Ende des Beobachtungszeitraums24 festgestellt und somit abrechenbar werden kann, liegt nur dann strafbares Lohndumping vor, wenn eine Unterdeckung nach Durchführung der Deckungsprüfung hinsichtlich des Mindestentgelts (Grundlohn, Überstunden, Zuschlä-ge, Ausfallsentgelt, etc) gemäß Gesetz, Verordnung oder KV nicht ausgeglichen wird.

    4.3. Flexible Arbeitszeitmodelle

    4.3.1. Grundsätzliches Das AZG erlaubt unter bestimmten Voraussetzun-gen eine der Vermeidung von Überstunden dienen-

    23 Arbeitsrechts-Änderungsgesetz 2015, BGBl I 2015/152, § 2 Abs 2 Z 9 iVm § 2g AVRAG.24 OGH vom 29.01.2014, 9 ObA 166/13x.

    de Ausdehnung der gesetzlichen oder KV-lichen Normalarbeitszeit während eines bestimmten Durchrechnungszeitraums. Durch ein solches Arbeitszeitkontokorrent (Auf- und Abbau von Normalarbeitszeitguthaben 1:1) wird gewährleistet, dass nur jene Mehrleistungen, die am Ende eines solchen Durchrechnungszeitraums (bzw im Zeit-punkt eines vorherigen Ausscheidens) noch nicht ausgeglichen werden konnten und auch nicht auf eine weitere Durchrechnungsperiode übertragen werden können, zuschlagspflichtige Mehr- oder Überstunden darstellen. Die vom AZG zur Veran-kerung flexibler Arbeitszeitmodelle Ermächtigten können hier aber – etwa durch einen zwingenden Zeitzuschlag für Mehrleistungen innerhalb der Durchrechnungsperiode – Einschränkungen vorse-hen.

    Voraussetzung für die Vermeidung von Überstunden (und -zuschlägen) ist aber, dass

    – der Arbeitgeber ein vom AZG und KV zugelas-senes Arbeitszeitmodell anwendet, das den Auf- und Abbau von Zeitguthaben innerhalb des Durchrechnungszeitraums zuschlagsfrei (die KV sehen zum Teil geringe Zeitzuschläge vor) ermög-licht und

    – die für die Einführung des Arbeitszeitmodells vorgegebene Vorschrift (zB in Betrieben mit Be-triebsrat durch BV, ohne Betriebsrat mit schriftli-cher Einzelvereinbarung) eingehalten wird und

    – die Arbeitsleistung innerhalb der in diesen Model-len vorgegebenen Rahmenbedingungen erbracht wird.

    Das AZG selbst regelt das Abweichen von den starren Arbeitszeitregelungen nur für die Handels-branche (§ 4 Abs 4 und 5 AZG), für andere Branchen ist die Durchrechnung im Rahmen der sogenannten Bandbreitenmodelle nur mit Zulassung durch den KV möglich. Davon zu unterscheiden sind insbe-sondere die Durchrechnungsmodelle iZm dem Einarbeiten iVm Feiertagen, der 4-Tage Woche, der Schichtarbeit und der Gleitzeit.

    Das AZG ermächtigt den KV zu zahlreichen Rege-lungen. Besteht auf Arbeitgeberseite keine KV-fähi-ge Körperschaft, können derartige Regelungen mit BV vorgenommen werden (§ 1a Z 2 AZG).

  • Bei der folgenden Auswahl von Flexibilisierungs-möglichkeiten ist immer zu beachten, dass es für besondere Personengruppen gesetzliche Beschrän-kungen gibt (zB MSchG, KJBG für werdende und stillende Mütter bzw Kinder und Jugendliche).

    4.3.2. Varianten (Auswahl)

    4.3.2.1. Kollektivvertragliche Durchrechnungs-modelle – Bandbreitenmodelle

    Der KV kann zulassen, dass innerhalb eines Durchrechnungszeitraums von bis zu einem Jahr (unter bestimmten Voraussetzungen auch länger)

    – die wöchentliche Normalarbeitszeit auf bis zu 50 Stunden (Durchrechnungszeitraum bis zu 8 Wochen) bzw bis zu 48 Stunden (längerer Durchrechnungszeitraum) und

    – die tägliche Normalarbeitszeit auf bis zu 9 Stunden

    ausgedehnt wird.

    Der KV kann auch die Übertragung von Zeitgut-haben in den nächsten Durchrechnungszeitraum zulassen.

    4.3.2.2. Einarbeitung iVm Feiertage

    Besteht seitens der Arbeitnehmer und Arbeitgeber das Bedürfnis, an Tagen vor oder nach einem Fei-ertag (zB „Fenstertage“) frei zu haben, kann verein-bart werden, dass die dadurch ausfallende Arbeits-zeit an anderen Werktagen eingearbeitet wird. Bei den eingearbeiteten Stunden handelt es sich nicht um Überstunden sondern um Normalarbeitszeit, weshalb auch keine Überstundenzuschläge anfallen.

    Die ausfallende Arbeitszeit darf dabei auf die Werkta-ge von höchstens 13 zusammenhängenden, die Aus-fallstage einschließenden Wochen verteilt werden. Der KV kann den Einarbeitungszeitraum verlängern.

    Bei einem Einarbeitungszeitraum von bis zu 13 Wochen darf die tägliche Normalarbeitszeit auf bis zu 10 Stunden ausgedehnt werden, bei längeren Einarbeitungszeiträumen auf bis zu 9 Stunden.

    4.3.2.3 Vier-Tage-Woche

    Eine Vier-Tage-Woche liegt vor, wenn die gesamte Wochenarbeitszeit regelmäßig auf vier Tage verteilt

    wird. In Betrieben mit Betriebsrat ist dazu zwingend eine BV abzuschließen, in Betrieben ohne Betriebsrat ist eine schriftliche Einzelvereinbarung erforderlich.

    Die tägliche Normalarbeitszeit darf bei einer Vier-Tage- Woche auf bis zu 10 Stunden ausgedehnt werden.

    4.3.2.4 Gleitzeit

    Das Modell der gleitenden Arbeitszeit bietet dem Arbeitnehmer die Möglichkeit, seine Arbeitszeit innerhalb der vorgegebenen Rahmenbedingun-gen flexibel zu gestalten. Zentrales Merkmal der Gelitzeit ist daher die Zeitsouveränität des Arbeitnehmers. Sie ermöglicht innerhalb eines bestimmten zeitlichen Rahmens (Gleitzeitperiode) den Aufbau von Zeitguthaben und einen späte-ren Abbau im Verhältnis 1:1, also zuschlagsfrei. Die tägliche Normalarbeitszeit darf dabei aber 10 Stunden, die Wochenarbeitszeit 50 Stunden nicht überschreiten.

    Die Einführung der Gleitzeit ist (wie auch die Ei-narbeitung iVm Feiertagen und die 4-Tage-Woche) auch ohne KV-Zulassung möglich. In Betrieben mit Betriebsrat ist aber zwingend eine BV abzuschlie-ßen; gibt es keinen Betriebsrat, so ist der Arbeitge-ber an den Abschluss einer schriftlichen Einzelver-einbarung mit dem Arbeitnehmer gebunden.

    Zu regeln ist die Dauer der Gleitzeitperiode, der Gleitzeitrahmen, das Höchstausmaß allfälliger Übertragungsmöglichkeiten von Zeitguthaben in die nächste Gleitzeitperiode und die Dauer und Lage der fiktiven Normalarbeitszeit.

    Überstunden liegen idF vor bei:

    – Leistungserbringung außerhalb des Gleitzeit- rahmens,

    – Überschreitung der täglichen (10 Stunden) oder der wöchentlichen (50 Stunden) Höchstgrenze der Normalarbeitszeit,

    – Überschreitung der sonst geltenden Grenzen der Normalarbeitszeit, wenn in die Zeitsouveränität eingegriffen wurde,

    – Überschreitung des Zeitguthabens, welches für die Übertragung in die nächste Gleitzeitperiode vereinbart wurde.

  • 17LSD-BG

    Besteht am Ende der Gleitzeitperiode ein Zeitgutha-ben, das in die nächste Periode vorgetragen werden darf, so handelt es sich hierbei um Normalstunden. Wird dieses Zeitguthaben nicht vorgetragen oder ist ein Vortrag in die nächste Periode nicht möglich, so handelt es sich hierbei zum Zeitpunkt des Endes der Gleitzeitperiode um Überstunden, die mit Zuschlag abzugelten sind.

    Der Unterschied zwischen einer Durchrechnung der Normalarbeitszeit und gleitender Arbeitszeit besteht darin, dass die Lage und das Ausmaß der Arbeits-zeit bei letzterer nicht vom Dienstgeber vorgegeben oder im Vorhinein einvernehmlich vereinbart wur-den, sondern der Dienstnehmer das Recht hat, sich innerhalb der vereinbarten Gleitzeit-Rahmenbedin-gungen die Arbeitszeit selbst einzuteilen.

    4.3.3. Fehlerhafte Anwendung der Arbeitszeitmodelle und daraus drohende Risiken

    Werden die Voraussetzungen für die Einführung der genannten Arbeitszeitmodelle nicht eingehalten (zB fehlende KV-Ermächtigung, fehlende oder mangelhafte Gleitzeitregelung), ist der privilegierte Auf- und Abbau von Zeitguthaben mit 1:1 (oder mit geringem Zuschlag) nicht möglich. Da idF bei Überschreitung der Tagesnormalarbeitszeit (Mehr- oder) Überstundenarbeit vorliegt, hat der Arbeitnehmer Anspruch auf den Über-stundengrundlohn und -zuschlag. Zu beachten ist in diesem Zusammenhang auch, dass bei unzulässigen Durchrechnungsmodellen die Mehr- und Überstunden samt Zuschlägen bereits im Kalendermonat der Leistung fällig werden. Bei allen flexiblen AZ-Modellen ist gesondert zu prüfen, welche Auswirkungen diese auf Teilzeitkräf-te haben.25

    25 Vgl dazu zB OGH vom 25. 6. 2013, 9 ObA 18/13g.26 Nach der Rechtsprechung des EuGH vom 12.2.2015, C-396/13, Sähköalojen ammattiliitto, sind auch pauschale Aufwandsersätze (zB Taggelder) als

    Entsendezulagen anzusehen (vgl auch Pkt 7.1 der LSDB-RL). Auch wenn derartige Zahlungen nach dem maßgeblichen (fiktiv anzuwendenden) KV zu leisten sind, unterliegen sie aufgrund der Steuer- und Beitragsfreiheit nicht den Tatbeständen des LSD-BG.

    27 §§ 3 Abs 3, 4 und 5 LSD-BG. 28 Es ist auf das Mindestentgelt für die in Österreich verbrachte Arbeitszeit und nicht etwa auf ganze Monate abzustellen, wenn nur Teile davon in

    Österreich zur Arbeitsleistung verbracht wurden (VwGH 30.6.2016, Ra 2014/11/0074). Generell ist idR der für vergleichbare Arbeitnehmer von vergleichbaren Arbeitgebern in Österreich anwendbare KV „fiktiv“ anzuwenden (siehe oben Pkt 3.1 und zB www.entsendeplattform.at).

    5. Grenzüberschreitende Sachverhalte5.1. Allgemeines

    Der grenzüberschreitende Dienstleistungsverkehr erfordert Rahmenbedingungen, die einerseits einen fairen Wettbewerb garantieren und andererseits die Rechte der Arbeitnehmer schützen. Dazu hat die EU eine Richtlinie über die Entsendung von Arbeit-nehmern im Rahmen der Erbringung von Dienst-leistungen (Richtlinie 96/71/EG) erlassen, nach der im Falle einer Entsendung dem Arbeitnehmer die arbeitsrechtlichen Mindeststandards des Aufnah-memitgliedsstaates („harte“ Kern der Beschäfti-gungsbedingungen) zu gewähren sind. Zu diesen zählt die Richtlinie va den Mindestlohn (inklusive Entsendungszulagen26), die Arbeitszeit, den bezahl-ten Urlaub, Arbeitnehmerschutzbestimmungen und besondere Bedingungen für die Arbeitskräfteüber-lassung.

    Dem entspricht es, dass nach der Rom-I-VO über das anzuwendende Recht bei grenzüberschreiten-den Arbeitsverhältnissen die Eingriffsnormen des Gastlandes auch dann zu beachten sind, wenn ein vorübergehend entsendeter Arbeitnehmer grundsätz-lich dem Vertragsstatut des Heimatstaates (Staat der gewöhnlichen Arbeitsverrichtung) unterliegt.

    Das LSD-BG legt auf Basis dieser Regelungen fest, dass zur Arbeitsleistung nach Österreich ent-sandte (an sich nicht dem inländischen Arbeitsrecht unterliegende) Arbeitnehmer einen Anspruch haben auf27

    – das österreichische Mindestentgelt, das für die Zeit des Einsatzes in Österreich28 am Arbeitsort vergleichbaren Arbeitnehmern von vergleichbaren Arbeitgebern gebührt,

    – bezahlten Urlaub nach § 2 UrlG, falls der An-spruch nach dem an sich anzuwendenden Recht geringer ist, und

  • – die Einhaltung der Höchstarbeits- und Mindest-ruhezeiten einschließlich der KV-lichen Arbeits-zeit- und -ruheregelungen, die am Arbeitsort für vergleichbare Arbeitnehmer und vergleichbare Arbeitgeber gelten.

    Diese Ansprüche bestehen auch für ins Inland überlassene Arbeitskräfte, wobei sich diese größtenteils schon aus dem auch für Inlandsüberlas-sungen maßgeblichen § 10 AÜG29 ergeben.30

    Das AVRAG und das AÜG sahen bereits vor der Einführung der spezifischen Bestimmungen gegen Lohn- und Sozialdumping im Jahr 2011 Verwal-tungsstrafen für die Nichteinhaltung besonderer formaler Verpflichtungen iZm grenzüberschrei-tenden Entsendungen bzw Arbeitskräfteüber-lassungen (Erstattung von Entsendemeldungen, Bereithaltung von SV-Bescheinigungen) vor. Seit 01.05.2011 ist – für Inlands- und Inboundfälle gleichermaßen – auch die Nichtgewährung des zu-stehenden Entgelts selbst (vorerst nur bezogen auf den Grundlohn, seit 2015 auf das gesamte KV-liche Mindestentgelt) verwaltungsstrafrechtlich sankti-oniert. Außerdem wurde damals das Erfordernis der Bereithaltung von Lohnunterlagen in deutscher Sprache festgelegt.

    5.2. Verpflichtungen bei einer Entsendung iSd LSD-BG

    5.2.1. Entsendebegriff

    Der Entsendebegriff des LSD-BG ist deshalb von entscheidender Bedeutung, weil er den Ausgangs-punkt für die in der Folge erläuterten Verpflichtun-gen aus dem LSD-BG bildet.31

    Bis 2014 setzte der AVRAG-Entsendebegriff – der Entsende-RL entsprechend – einen Dienstleistungs-vertrag zwischen einem leistungserbringenden ausländischen Unternehmen und einem inländi-schen Leistungsempfänger voraus. Seit 2015 ist der Entsendebegriff im gegebenen Zusammenhang aber weiter auszulegen:

    29 Insbesondere bezüglich Entgelt und Arbeitszeit während der Zeit im Beschäftigerbetrieb. 30 § 10 AÜG regelt insbesondere die Mindestentgeltansprüche für die Dauer der Überlassung, die arbeitszeitrechtlichen Ansprüche sowie jene, die sich aus der Überlassungsrichtlinie (Zugang zu Wohlfahrtseinrichtungen und -maßnahmen) ergeben. 31 Ist der Entsendetatbestand nicht erfüllt, so sind die Mindestlohnvorschriften nicht einzuhalten. Ebenso wenig ist eine Entsendemeldung zu erstatten

    und auch die Dokumentations- und Bereithaltepflichten finden keine Anwendung (Pkt 5.1 der LSDB-RL). 32 § 2 Abs 3 LSD-BG.33 Pkt 7.10 der LSDB-RL. 34 Pkt 4.1 der LSDB-RL.

    Eine Entsendung ist demnach dadurch gekenn-zeichnet, dass ein Arbeitnehmer mit gewöhnlichem Arbeitsort außerhalb Österreichs vorübergehend Arbeitsleistungen in Österreich für seinen Arbeitge-ber erbringt. Keine Voraussetzung ist, dass dieser vorübergehenden Inlandstätigkeit ein Dienstleis-tungsvertrag zwischen einem im Ausland ansäs-sigen Arbeitgeber und einem im Inland tätigen Dienstleistungsempfänger zugrunde liegt.32

    Der Entsendung muss daher einerseits keine Leistungsaustauschbeziehung zwischen dem Arbeitgeber und einem inländischen Leistungsbe-zieher zugrunde liegen. Andererseits setzt die Anwendbarkeit der Regelungen des LSD-BG zur Entsendung (im Unterschied zur ursprünglichen AVRAG-Regelung) auch keine Tätigkeit für einen im Ausland ansässigen Arbeitgeber voraus. Die Ein-griffsnormen des LSD-BG sind daher auch dann zu beachten, wenn ein inländischer Arbeitgeber einen Arbeitnehmer, dessen Arbeitsschwerpunkt an sich im Ausland liegt, vorübergehend im Inland einsetzt.

    Eine zeitliche Untergrenze iSe Mindestentsendezeit besteht nicht. Damit kann zB auch eine kurzfristige Dienstreise – soweit keine der unter Pkt 5.2.3. angeführten Ausnahmen greift – eine Entsendung iSd LSD-BG darstellen.33 In Abgrenzung zur Ar-beitskräfteüberlassung setzt eine Entsendung iSd LSD-BG voraus, dass der Arbeitnehmer auf Risiko des ausländischen Dienstgebers und mit dessen Betriebsmitteln im Inland tätig wird (keine Eingliede-rung in den Betrieb des Auftraggebers).

    Angesichts der europarechtlichen Bedenken gegen diesen sehr weitreichenden Entsendebegriff halten die Gesetzesmaterialien zum LSD-BG und die LS-DB-Richtlinien34 fest, dass auch bei Nichterfüllung der unter Pkt 5.2.3. erläuterten Ausnahmetatbestän-de von keiner Entsendung iSd LSD-BG ausgegan-gen werden kann, wenn im betreffenden Einzelfall die Zielsetzungen der Entsende-RL (Vermeidung von Wettbewerbsverzerrungen und Schutz des na-tionalen Arbeitsmarktes) bei objektiver Betrachtung nicht gefährdet sind.

  • 19LSD-BG

    5.2.2. Formale Verpflichtungen Bei einer Entsendung durch einen Arbeitgeber mit Sitz in einem EWR-Staat oder der Schweiz sind folgende formale Verpflichtungen wahrzunehmen:

    – Der Arbeitgeber hat das Formular „Entsende-meldung - ZKO 3“ vor der jeweiligen Arbeits-aufnahme35,36 elektronisch an die beim BMF angesiedelte „Zentrale Koordinationsstelle für die Kontrolle der illegalen Beschäftigung nach dem Ausländerbeschäftigungsgesetz und dem Lohn- und Sozialdumping-Bekämpfungsgesetz“ zu übermitteln. Darin sind insbesondere Angaben iZm der Bestimmung des nach österreichischem Recht gebührenden Mindestentgelts notwen-dig. Falls Drittstaatsbürger eingesetzt werden, müssen auch Nachweise zu ordnungsgemäßer Beschäftigung und Aufenthalt im Sitzstaat des Arbeitgebers erbracht werden. Für Entsendungen aus Kroatien in einen geschützten Dienstleis-tungsbereich (zB Baugewerbe, Hauskrankenpfle-ge, Reinigung von Gebäuden) ist jedenfalls eine Entsende-/Beschäftigungsbewilligung erforder-lich. Dies wird vom zuständigen AMS geprüft. Grundsätzlich ist für jede Entsendung eine gesonderte Meldung erforderlich. Seit 1.1.2017 sind jedoch auch sogenannte Rahmen- und Sammelmeldungen gesetzlich zulässig. Ist in Erfüllung eines Dienstleistungsvertrages der regelmäßige grenzüberschreitende Einsatz von Arbeitnehmern vereinbart, kann die Meldung in Bezug auf einen inländischen Auftragge-ber jeweils für einen Zeitraum von bis zu drei Monaten erstattet werden (Rahmenmeldung). Wurden mit mehreren Auftraggebern gleichartige Dienstleistungsverträge geschlossen, können in der Entsendemeldung für einen Arbeitnehmer alle Auftraggeber angeführt werden, sofern die Erfüllung der Dienstleistungsverträge in einem engen örtlichen und zeitlichen Zusammenhang erfolgt (Sammelmeldung).

    35 Für mobile Arbeitnehmer im Transportbereich ist die Meldung vor Einreise in das Bundesgebiet zu erstatten.36 Vor 1.1.2017 war die Meldung abgesehen von wenigen Ausnahmen spätestens eine Woche vor Arbeitsaufnahme zu erstatten.37 Alternativ können die Unterlagen nach § 21 Abs 2 LSD-BG auch im Inland bei der in der Entsendemeldung genannten Ansprechperson oder einer im

    Inland eingetragenen Zweigniederlassung, an der der ausländische Arbeitgeber seine Tätigkeit nicht nur gelegentlich ausübt, oder einer inländischen selbständigen Tochtergesellschaft oder Muttergesellschaft eines Konzerns, oder einem in Inland niedergelassenen berufsmäßigen Parteienvertreter (Steuerberater, Rechtsanwalt, Bilanzbuchhalter) bereitgehalten werden. Diese Ausnahme gilt nicht für mobile Arbeitnehmer im Transportbereich. Die bisherige Ausnahme von der Bereithaltungspflicht bei mangelnder Zumutbarkeit (§ 7b Abs 5 letzter Satz AVRAG) findet sich im LSD-BG nicht mehr.

    38 Grundsätzlich kann hier auf die vorherige Fußnote verwiesen werden, jedoch können die Lohnunterlagen auch für mobile Arbeitnehmer bei Zweignie-derlassungen bzw Tochter-/Muttergesellschaften (nicht aber bei Ansprechpersonen oder Parteienvertretern) bereitgehalten werden.

    39 Als Gesamtentsendezeitraum gilt nach § 19 Abs 3 Z 6 LSD-BG jener Zeitraum, in welchem Arbeitnehmer im Rahmen einer (wirtschaftlich zusammen-hängenden) Dienstleistung insgesamt (unabhängig davon, wie lange einzelne Arbeitnehmer im Rahmen dieses Zeitraums) entsendet werden.

    – Wenn der entsendete Mitarbeiter ausländischem Sozialversicherungsrecht unterliegt, hat der Arbeitgeber die Bescheinigung A 1 am inländi-schen Arbeitsort37 bereitzuhalten. Kann der Arbeitgeber im Zeitpunkt der Erhebung durch Nachweise in deutscher Sprache belegen, dass ihm die Ausstellung der Bescheinigung A 1 vor der Entsendung nicht möglich war, sind gleich-wertige Unterlagen in deutscher Sprache (Antrag auf Ausstellung der Bescheinigung A 1, Bestätigung des zuständigen SV-Trägers, dass der Arbeitneh-mer für die Dauer der Entsendung der ausländi-schen Sozialversicherung unterliegt) vorzulegen.

    – Am Arbeitsort38 müssen für den Gesamtentsen-dezeitraum39 folgende Lohnunterlagen bereitge-halten werden:

    — Arbeitsvertrag bzw Dienstzettel,

    — Lohnzettel,

    — Lohnzahlungsnachweise oder Banküberwei-sungsbelege,

    — Lohnaufzeichnungen,

    — Arbeitszeitaufzeichnungen und

    — Unterlagen, die eine Überprüfung der Lohneinstufung ermöglichen.

    Die angeführten Unterlagen müssen in deutscher Sprache bereitgehalten werden. Nur für den Arbeitsvertrag genügt ausnahmsweise auch die englische Sprache.

    – Letztlich sind auch die gewerberechtlichen Aus-übungsvorschriften Österreichs zu beachten. Insbesondere ist für reglementierte Gewerbe die Dienstleistungsanzeige nach § 373a GewO zu erstatten.

  • Bei Entsendungen durch einen Arbeitgeber mit Sitz in einem Drittstaat gelten folgende Verpflich-tungen:

    – Hier trifft den ausländischen Arbeitgeber keine Meldeverpflichtung nach dem LSD-BG. Der österreichische Auftraggeber hat allerdings die Verpflichtung, hinsichtlich der Beschäftigung von Drittstaatsangehören eine Beschäftigungsbe-willigung oder eine Entsendebewilligung beim AMS zu beantragen (für Schulungsprogramme ist lediglich eine Anzeige und das Vorliegen der daraufhin vom AMS ausgestellten Anzeigebestäti-gung erforderlich):

    — Dauert der Einsatz des betriebsentsendenden Unternehmens in Österreich nicht länger als sechs Monate, bedürfen Drittstaatsange-hörige einer Entsendebewilligung, welche längstens für die Dauer von vier Monaten erteilt werden darf. Dauert allerdings die Be-schäftigung des betreffenden Arbeitnehmers länger als vier Monate, so ist eine Beschäfti-gungsbewilligung erforderlich.

    — Für Bautätigkeiten ist hinsichtlich des Ein-satzes von Drittstaatsbürgern immer eine Beschäftigungsbewilligung notwendig (vgl § 18 Abs 11 AuslBG), und es hat eine um-fangreiche (der ZKO-Meldung entsprechende) Meldung nach § 33g BUAG zu erfolgen.

    – Arbeitskräfte aus Drittstaaten, die für einen länge-ren Zeitraum als sechs Monate entsendet werden, benötigen zusätzlich eine entsprechende Aufent-haltsbewilligung. Überschreitet die Entsendung die 6-Monatsgrenze nicht, so benötigt die Arbeits-kraft aus dem Drittstaat ein Visum, welches bei der zuständigen österreichischen Vertretungsbe-hörde im Ausland beantragt werden kann.

    – Auch hier müssen am Arbeitsort umfangreiche Lohnunterlagen bereitgehalten werden (siehe oben).

    – Die Ausübung des Gewerbes in Österreich bedarf grundsätzlich einer vorherigen Genehmigung

    40 § 3 Abs 5 LSD-BG. 41 Neu ist seit 1.1.2017, dass einerseits die Anlage durch den Arbeitgeber oder ein mit diesem verbundenes Konzernunternehmen gefertigt worden sein muss und andererseits auch Servicearbeiten erfasst werden.42 § 3 Abs 6 LSD-BG.

    bzw der Gewerbeanmeldung (diese kann für eine inländische Zweigniederlassung oder eine öster-reichische Tochtergesellschaft erfolgen). Dies gilt unabhängig davon, ob es sich um ein reglemen-tiertes oder ein freies Gewerbe handelt.

    5.2.3. Ausnahmen Das LSD-BG sieht folgende Ausnahmen, bei denen die angeführten Verpflichtungen gar nicht oder nur zum Teil zu beachten sind, vor:

    – Nach dem so genannten Montageprivileg40 gelten die arbeitsrechtlichen Ansprüche für ins Inland entsandte Arbeitnehmer, die

    — iZm der Lieferung von Betriebsanlagen,

    — welche im Ausland durch den Arbeitgeber oder ein mit diesem verbundenes Konzernun-ternehmen gefertigt wurden,

    — mit Montagearbeiten, der Inbetriebnahme, und damit verbundenen Schulungen oder mit Reparatur- und Servicearbeiten,

    — die nicht von inländischen Arbeitnehmern erbracht werden können,

    beschäftigt sind, 41 nur eingeschränkt:

    — Dauern die Arbeiten insgesamt nicht länger als drei Monate, gelten die Ansprüche auf das KV-liche Mindestentgelt nicht.

    — Dauern die Arbeiten nicht länger als 8 Tage, gelten auch die Regelungen über den zwin-genden Anspruch auf bezahlten Urlaub nicht.

    — Für Arbeitnehmer, die mit Bauarbeiten beschäftigt sind, gelten die Vorschriften über arbeitsrechtliche Ansprüche auf Mindes-tentgelt und Urlaub aber jedenfalls ab dem ersten Tag der Beschäftigung, und auch die angeführten formalen Verpflichtungen sind wahrzunehmen.42

  • 21LSD-BG

    – Bestimmte Arbeiten von geringem Umfang und kurzer Dauer sind grundsätzlich vom Ent-sendebegriff und somit aus dem Anwendungs-bereich des LSD-BG ausgenommen. Für diese gelten weder die Melde- und Bereithaltepflichten, noch die Mindestentgeltvorschriften sowie die (KV-lichen) Arbeitszeit- und Urlaubsregelungen. Konkret gilt das für folgende Tätigkeiten:

    — Geschäftliche Besprechungen ohne Erbrin-gung weiterer Dienstleistungen,

    — Teilnahme an Seminaren ohne Erbringung von weiteren Dienstleistungen,43

    — Arbeiten auf Messen und messeähnliche Ver-anstaltungen (Fach- und Publikumsmessen), ausgenommen Vorbereitungs- und Abschuss-arbeiten für derartige Veranstaltungen (Auf- und Abbau, Anlieferung von Gütern etc),

    — Besuch von und Teilnahme an Kongressen,

    — Kulturelle Veranstaltungen, die im Rahmen einer grenzüberschreitenden Tournee statt-finden, bei welcher dem Österreich-Anteil in zeitlicher Hinsicht nur untergeordnete Bedeu-tung zukommt und die Arbeitnehmer für einen Großteil der Tour (nicht nur für den Inlandsteil) engagiert werden,

    — Teilnahme und Abwicklung von internatio-nalen Wettkampfveranstaltungen (exklusive Vorbereitungs- und Abschlussarbeiten für die Veranstaltungen sowie die Bewirtung im Rahmen der Veranstaltung),

    — Tätigkeiten als mobiler Arbeitnehmer oder als Besatzungsmitglied in der grenzüberschrei-tenden Güter- und Personenbeförderung, sofern es sich um Transitverkehr handelt,

    — Tätigkeiten von Arbeitnehmern in interna-tional tätigen Konzernen oder Unterneh-men, die eine durchschnittliche monatliche Bruttoentlohnung iHv mindestens 125 Prozent des dreißigfachen der täglichen Höchstbei-tragsgrundlage (Wert 2017: EUR 6.225,00) erhalten, oder

    43 Nach den ErlRV sind auch kurzfristige Schulungen zur Aus- und Weiterbildung unter diesen Tatbestand zu subsumieren. Ist mit der Schulung keine Arbeitsleistung verbunden und kann sich die Schulung daher am Arbeitsmarkt nicht auswirken, können auch mehrwöchige Schulungen noch unter diese Ausnahme fallen (ErlRV 1111 BlgNR 25. GP, 4).

    44 Solange insgesamt die Höchstdauer von 2 Monaten pro Kalenderjahr nicht überschritten wird, wird auch ein mehrmaliger Arbeitseinsatz in Österreich zulässig sein.

    — Tätigkeiten im Rahmen von internationalen Aus- und Weiterbildungs- oder Forschungs-programmen an Universitäten, pädagogischen Hochschulen oder Fachhochschulen.

    – Eine zusätzliche Ausnahme normiert das LSD-BG für konzerninterne vorübergehende Entsen-dungen (und Überlassungen) von besonderen Fachkräften, wenn sie zwei Monate44 je Ka-lenderjahr nicht übersteigen und zu einem der folgenden Zwecke erfolgen:

    — Forschung und Entwicklung,

    — Abhaltung von Ausbildungen durch die Fachkraft,

    — Planung der Projektarbeit,

    — Erfahrungsaustausch,

    — Betriebsberatung,

    — Controlling oder

    — Mitarbeit im Bereich von für mehrere Länder zuständigen Konzernabteilungen mit Planungs- und Steuerungsfunktion (= sogenannte „Cluster-Abteilungen“, in denen konzernintern die Kompetenz für bestimmte Bereiche und Länder gebündelt sind, wie zB Personal, Finanzmanagement, Regional Management).

    Als besondere Fachkräfte gelten innerhalb des Konzerns tätige Personen, die über die für die Tätigkeitsbereiche, Verfahren oder Verwaltung des aufnehmenden Konzernunternehmens unerlässliche Spezialkenntnisse verfügen, wobei zu berücksichtigen ist, dass die Fachkraft über ein hohes Qualifikationsniveau einschließlich einer angemessenen einschlägigen Berufserfahrung verfügt.

    Ob ein Dienstleistungsvertrag abgeschlossen wurde, ist seit 1.1.2017 für die Anwendung der angeführten „echten“ Ausnahmen vom Entsen-detatbestand nicht mehr entscheidend. Eine diesbezügliche Abstufung der Ausnahmen, wie sie

  • bis 2016 bestand, sieht die neue Rechtslage nicht mehr vor. Liegt eine Ausnahme vor, sind weder die materiell-rechtlichen Ansprüche noch die formalen Verpflichtungen zu beachten („Totalausnahme“).

    Abbildung 1 auf Seite 28 gibt einen Überblick über diverse Verpflichtungen bei grenzüberschreitenden Entsendungen.

    5.3. Grenzüberschreitende Arbeitskräfteüber-lassung45

    5.3.1. Abgrenzung der Arbeitskräfteüberlassung und Bedeutung des AÜG

    Bei einer Arbeitskräfteüberlassung stellt der Auftragnehmer (Überlasser) dem Auftraggeber (Beschäftiger) eine Arbeitskraft zur Verfügung, damit diese auf Weisung des und unter Ein glieder-ung beim Beschäftiger(s) tätig wird. Die Überlas s-ung des Arbeitnehmers ist der eigentliche Gegen-stand der Dienstleistung; der Auftragnehmer schuldet keinen bestimmten Leistungserfolg, vielmehr wird der überlassene Arbeitnehmer auf Risiko des Beschäftigers in dessen Betrieb tätig. Nach § 4 AÜG ist für die Abgrenzung der wahre wirtschaftliche Gehalt und nicht die äußere Erscheinungsform des Sachverhalts ent-scheidend (Maßgeblichkeit der wirtschaftlichen Betrachtungsweise)46. Im Falle des Tätigwerdens im Betrieb des Auftraggebers sprechen folgende Kriterien für eine Arbeitskräfteüberlassung:

    – Keine Beauftragung eines/einer von der Leis-tungspalette des Auftraggebers („Beschäftigers“) abweichenden Produkts/Dienstleistung oder

    – Leistungsabwicklung vorwiegend mit Arbeitsmit-teln des Auftraggebers („Beschäftigers“) oder

    – Eingliederung beim bzw Dienst- und Fachaufsicht durch den Auftraggeber („Beschäftiger“) oder

    – keine Erfolgshaftung des Auftragnehmers („Über-lassers“).

    45 Siehe Rz 24 bis 33 der LSDB-RL.46 Diese wird nunmehr auch ausdrücklich in § 2 Abs 1 LSD-BG betont. 47 Zuletzt VwGH vom 21.07.2016, Ra 2016/11/0090.48 VwGH vom 19.05.2014, 2014/09/0026.49 VwGH vom 08.09.2016, Ra 2014/11/0083.50 In EWR-Fällen richtet sich die Entgeltfortzahlung bei Krankheit aber nach der VO 883/2004. Solange der Arbeitnehmer ausländischem Sozialversiche-

    rungsrecht unterliegt, sind die österreichischen Arbeitsrechtsvorschriften daher nicht anzuwenden (vgl auch Pkt 7.2 der LSDB-RL). 51 Für die Arbeitskräfteüberlassung gilt bei überlassenen Arbeitern der KV für das Gewerbe der Arbeitskräfteüberlassung, für überlassene Angestellte

    der KV für Angestellte im Handwerk und Gewerbe. Dieser KV enthält ausdrücklich einen Teil für den Bereich der Arbeitskräfteüberlassung.

    Zu beachten ist, dass nach der (überwiegenden) Rechtsprechung des VwGH47 eine Arbeitskräfte-überlassung bereits dann vorliegt, wenn nur eines der oben genannten Kriterien erfüllt ist. Einer Gesamtbeurteilung des Sachverhaltes iSd § 4 AÜG bedarf es demnach nur dann, wenn keines der genannten Kriterien zur Gänze erfüllt ist48.

    Zentrales Ziel des AÜG und des LSD-BG ist die Sicherung der arbeitsrechtlichen Ansprüche der Ar-beitnehmer, die innerhalb des Inlandes oder ins In-land überlassen werden. Die überlassenen Arbeits-kräfte werden daher – entsprechend den Vorgaben der Überlassungs-RL – hinsichtlich der Aspekte des (Mindest-)Entgeltanspruchs (grundsätzlich nach Maßgabe des Beschäftiger-KV), der Arbeitszeit und des Urlaubs mit den vergleichbaren Arbeitnehmern im Beschäftigerbetrieb gleichgestellt.

    Zur Gewährleistung dieser Ansprüche und hin-sichtlich der zahlreichen (in der Folge erläuterten) formalen Verpflichtungen bei Überlassungen wird zu einem großen Teil der Beschäftiger in die Pflicht genommen. Die verwaltungsstrafrechtliche Ver-antwortung für die Unterentlohnung trifft aber auch bei grenzüberschreitenden Überlassungen ausschließlich den Überlasser als Arbeitgeber.49

    Bei grenzüberschreitenden Überlassungen nach Österreich räumt das LSD-BG der überlassenen Ar-beitskraft auch einen Anspruch auf die inländische Entgeltfortzahlung50, die Kündigungsfristen und -ter-mine und eine allfällige Kündigungsentschädigung ein, falls diese Regelungen günstiger sind als jene des Heimatstaates. Außerdem fingiert das LSD-BG idZ auch die Anwendbarkeit des für die gewerbliche Überlassung anwendbaren KV; bei Arbeitskräfte-überlassungen ist daher ein Günstigkeitsvergleich zwischen dem AÜ- und dem Beschäftiger-KV notwendig51.

    5.3.2. Verpflichtungen bei grenzüber-schreitenden Überlassungen ins Inland

    Vorweg ist darauf hinzuweisen, dass die Ausnahme für den vorübergehenden (in Summe maximal zwei

  • 23LSD-BG

    Monate pro Kalenderjahr dauernden) konzerninter-nen Arbeitseinsatz von besonderen Fachkräften (nä-heres dazu siehe Pkt 5.2.3.) auch für Überlassungen gilt, weshalb die LSD-BG-Vorschriften in solchen Fällen nicht zur Anwendung kommen.

    Hinsichtlich der – über die sich aus dem AÜG ergebenden allgemeinen Informations-, Melde-, Aufzeichnungspflichten hinausgehenden – formalen Verpflichtungen im Falle einer grenzüberschrei-tenden Überlassung ist zwischen Überlassungen aus einem EWR-Staat bzw der Schweiz oder aus Drittstaaten zu unterscheiden:

    – Bei einer Überlassung durch einen Arbeitgeber mit Sitz im EWR bzw der Schweiz sind folgen-de (über die für Inlandsüberlassungen hinausge-henden52) Verpflichtungen wahrzunehmen:

    — Der Überlasser hat die „Überlassungs-meldung – ZKO 4“ vor der jeweiligen Ar-beitsaufnahme53 in Österreich elektronisch an die beim BMF angesiedelte zentrale Koordinationsstelle54 zu erstatten. Hier ist neben zeitlichen und inhaltlichen Aspekten der Überlassung primär die Höhe des nach den österreichischen Rechtsvor-schriften gebührenden Entgelts anzugeben. Auch hier müssen, falls Drittstaatsbürger eingesetzt werden, im Rahmen der Über-lassungsmeldung Nachweise zu ordnungs-gemäßer Beschäftigung und Aufenthalt im Sitzstaat des Arbeitgebers erbracht werden. Die im AuslBG vorgesehene Verpflichtung, dass der inländische Beschäftiger für die überlassene Arbeitskraft einer Beschäfti-gungsbewilligung bedarf, widerspricht nach der jüngsten Rechtsprechung EU-Recht und ist daher nicht (mehr) anzuwenden.55 Die Zentrale Koordinationsstelle hat die Über-lassungsmeldung an die zuständige Gewerbe-behörde, die GKK bzw die BUAK und an das Sozialministerium zu übermitteln. Die Mel-dung ist vom Beschäftiger am Arbeits (Ein-satz)ort in geeigneter Form zur Überprüfung bereitzuhalten oder zugänglich zu machen.

    52 Den Überlasser und den Beschäftiger treffen die Mitteilungs-, Informations- und Aufzeichnungspflichten der §§ 12 bis 13 AÜG.53 Nach der bis Ende 2016 geltenden Rechtslage war die Meldung im Regelfall spätestens eine Woche vor Arbeitsantritt zu erstatten.54 Zentrale Koordinationsstelle für die Kontrolle der illegalen Beschäftigung nach dem AuslBG und LSD-BG. Zur „Überlassungsmeldung ZKO 4“ vgl Pkt 8.6 der LSDB-RL. 55 VwGH 21.4.2015, Ra 2015/09/0006.

    — Der Beschäftiger hat für jede überlassene Arbeitskraft, die nicht der österreichischen Pflichtversicherung unterliegt, die Beschei-nigung A 1 bereitzuhalten.

    — Bei einer grenzüberschreitenden Arbeits-kräfteüberlassung trifft die Verpflichtung zur Bereithaltung der Lohnunterlagen (Arbeitsvertrag bzw Dienstzettel, Lohnzet-tel, Lohnzahlungsnachweise oder Banküber-weisungsbelege, Lohnaufzeichnungen, Arbeitszeitaufzeichnungen und Unterlagen, die eine Überprüfung der Lohneinstufung ermöglichen) den inländischen Beschäfti-ger. Diese Unterlagen sind vom Überlasser nachweislich bereitzustellen.

    – Bei einer Überlassung durch einen Arbeitgeber mit Sitz in einem Drittstaat ergeben sich folgende Verpflichtungen:

    — Hier ist eine Überlassung nur nach Erteilung einer Bewilligung gemäß § 16 Abs 4 AÜG zulässig. Diese Bewilligung kann die zu-ständige Gewerbebehörde über Antrag des Beschäftigers erteilen, wenn bestimmte Kriterien erfüllt sind (zB bestimmte Arbeits-kräfte sind nur im Wege der grenzüber-schreitenden Überlassung verfügbar). Die Bewilligung kann nur für eine bestimmte Anzahl von Arbeitnehmern und nur für einen bestimmten Zeitraum erteilt werden.

    — Hinsichtlich des Einsatzes von Arbeitneh-mern aus Drittstaaten hat der Beschäftiger überdies eine Beschäftigungsbewilligung nach dem AuslBG zu erlangen.

    — Auch hier hat der Beschäftiger alle erforder-lichen Lohnunterlagen (siehe Pkt 5.2.2.), die ihm vom Überlasser bereitzustellen sind, bereitzuhalten.

    Abbildung 2 auf Seite 29 gibt einen Überblick über diverse Verpflichtungen bei grenzüberschreitenden Überlassungen.

  • In Abbildung 3 auf Seite 30 ist die Verteilung der Pflichten zwischen Überlasser und Beschäftiger, die sie sich aus dem LSD-BG und dem AÜG ergeben, dargestellt.

    5.4. Haftung für die Entgeltansprüche der (entsandten/überlassenen) Arbeitnehmer

    Das LSD-BG sieht in den §§ 8 bis 10 hinsichtlich der nach Gesetz, Verordnung oder KV gebührenden Entgelte von nach Österreich entsandten oder überlassenen Arbeitnehmern folgende Haf-tungsbestimmungen für Auftraggeber vor:

    – Werden Arbeitnehmer von einem in einem Dritt-staat ansässigen Arbeitgeber nach Österreich entsendet, dann haftet der unternehmerische Auftraggeber als Bürge und Zahler für die ange-führten Entgeltansprüche dieser Arbeitnehmer. Haftung als Bürge und Zahler gemäß § 1357 ABGB bedeutet, dass sich der Gläubiger aussuchen kann, auf wen er zurückgreift (wahl-weise auf den Hauptschuldner oder den Bürgen). Im Falle einer Arbeitskräfteüberlassung gilt die Ausfallshaftung gemäß § 14 AÜG.

    – Der Auftraggeber von Bauleistungen haftet als Bürge und Zahler für die angeführten Entgel-tansprüche (zuzüglich BUAG-Zuschläge) der ins Inland entsandten oder überlassenen Arbeitneh-mer seiner Auftragnehmer.

    Voraussetzung für die Begründung der Haftung ist, dass

    — der Arbeitnehmer innerhalb von 8 Wochen nach Eintritt der Entgeltfälligkeit die BUAK schriftlich über das ausstehende Entgelt, das Arbeitsverhältnis und den Bauauftrag informiert,

    — die BUAK den Auftraggeber darüber unter Angabe des konkreten Betrages schriftlich informiert und

    — das ausstehende Entgelt weder verfallen noch verjährt ist. Die Haftung wird mit der angeführten Info-

    56 Bei Auftragsweitergabe an einen in einem Drittstaat ansässigen Auftragnehmer greift ohnedies die (oben erläuterte) Sonderhaftung nach § 8 LSD-BG.

    mation des Auftraggebers durch die BUAK begründet und endet neun Monate nach Fäl-ligkeit des Entgelts, sofern der Arbeitnehmer die Forderung nicht gerichtlich geltend macht. Der Auftraggeber kann für die Dauer der Haftung die Leistung des Werklohns ver-weigern. Hat er den Werklohn bereits ge-leistet, kann er vom Auftragnehmer gemäß § 1358 ABGB Ersatz für die im Haftungsweg geleisteten Entgelte fordern. Die Haftung des Auftraggebers erstreckt sich nicht nur auf seinen Auftragnehmer, sondern auf jeden weiteren Auftragnehmer, wenn das Rechtsgeschäft als Umgehungsgeschäft anzusehen ist und der Auftraggeber davon wusste oder dies aufgrund offensichtlicher Hinweise ernsthaft für möglich halten musste und sich damit abfand. Bei grenzüberschreitenden Überlassungen zum Zwecke der Durchführung von Bauarbei-ten kommt die Ausfallshaftung gem § 14 AÜG nicht zur Anwendung. Diese Haftung gilt nicht nur für gewerbliche Auftraggeber, sie erfasst auch Privatperso-nen, die Bauleistungen vergeben.

    – Generalunternehmer iSd § 10 LSD-BG, die einen öffentlichen Auftrag ganz oder teilweise in unzuläs-siger Weise (Verstoß gegen das Bundesvergabe-gesetz oder gegen vertragliche Vereinbarung) an andere (ausgenommen in Drittstaaten ansässige56) Unternehmer weitergeben, haften als Bürge und Zahler für die Entgeltansprüche der vom Subunter-nehmer eingesetzten Arbeitnehmer. Gleiches gilt für den Subunternehmer, falls er einen Auftrag ganz oder teilweise in unzulässiger Weise weitergibt. Den im Rahmen solcher Aufträge eingesetzten Arbeitnehmern ist von sämtlichen Auftraggebern innerhalb von 14 Tagen ab Zugang des Auskunftsbe-gehrens Auskunft über die Vergabekette zu erteilen. Im Baubereich muss die BUAK den Arbeitnehmern sämtliche ihr bekannte Auftraggeber nennen. Bei Umgehungsgeschäften erstreckt sich die Haf-tung des General- oder Subunternehmers auf die Arbeitnehmer jedes weiteren Auftragnehmers.

  • 25LSD-BG

    6. Strafen iZm dem LSD-BG6.1. Grundsätzliches

    Bei einem Verstoß gegen das Verbot der Unterent-lohnung bzw gegen die in diesem Zusammenhang vorgeschriebenen Melde-, Dokumentations- und Bereithaltungspflichten können gegenüber den zur Vertretung nach außen berufenen Organen (Geschäftsführer bzw Vorstandsmitglieder) bzw den verantwortlichen Beauftragten57 primär – grundsätzlich kumulativ anwendbare58 – Geldstrafen verhängt werden. Die vertretene Gesellschaft trifft diesbezüglich eine Haftung zur ungeteilten Hand.

    Darüber hinaus haben die Behörden zusätzliche Sanktionsmöglichkeiten, die von der Untersagung der Dienstleistung, der Erlangung von Sicherheits-leistungen, der Aufnahme in eine Evidenzliste bis zum Ausschluss von öffentlichen Vergabeverfahren reichen und die betroffenen Unternehmen unter Umständen stärker treffen als die Geldstrafen selbst.

    Die Behörden haben den Arbeitnehmer über eine sein Arbeitsverhältnis betreffende Anzeige wegen des Verdachts der Unterentlohnung zu informieren (§ 14 Abs 3 LSD-BG). Im Folgenden sollen zunächst die unterschiedlichen Arten von Sanktionen dar-gestellt werden. Danach soll aufgezeigt werden, welche Möglichkeiten bestehen, die Sanktionen zu vermeiden bzw zu vermindern.

    6.2. Sanktionen

    6.2.1. Geldstrafen

    Das LSD-BG sieht in den §§ 26 bis 30 bzw 31 Abs 4 die in Abbildung 4 auf Seite 31-32 dargestellten Geldstrafen vor.

    Darüber hinaus sind in dieser Abbildung auch die für Arbeitskräfteüberlassungen im § 22 AÜG vorgese-hen Geldstrafen dargelegt.

    6.2.2. Sonstige Sanktionsmaßnahmen

    6.2.2.1. Untersagung der Dienstleistung

    Ausländischen Arbeitgebern, die wiederholt rechts-kräftig bestraft worden sind, hat die Bezirksverwal-tungsbehörde die Au