Lotusblumen

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 Michae l Eggert: Die Entfaltung der Lotosblumen Wir sind Sp iegelw esen Unsere Identität und unser Selbstgefühl entspringen - so absurd es zunächst erscheinen mag- der Tatsache "gespiegelt zu werden“ - im Dialog, im Erwachsenenalter, aber auc h, auf sehr viel existentiel lerer Ebene, als Kleinkind: "Die Mutter schaut das Baby an, das sie im Arm hält, das Baby schaut in das Antlitz der Mutter und findet sich selbst darin. vo rausgesetzt, dass die Mutter t atsächlich das kleine ei nmalige, hi lfl ose W esen anschaut und nicht ihre eigenen Introjekte, auch nicht ihre Erwartungen, Ängste, Pläne, die sie für das Kind schmiedet, auf das Kind projiziert. Im letzteren Fall fi ndet d as Kind im Antlitz der Mutter n icht sich selbst, sondern die Not der Mutter. Es selbst bleibt ohne Spiegel und wird in seinem ganzen späteren Leben vergeblich diesen Spiegel suchen.“ - 1 - Ali ce Mil ler meint damit auch , dass diese Art v on früh kindli chem Mangel im Angeschautwerden später dazu führen kann, dass aus diesen Kindern Meister im Einfühlungsvermögen werden; insbesondere Psychoanalytiker, aber natürlich auch Psychologen oder andere P rofi- Versteher in allen sozialen Berufen. Manchmal sind die individuel len Bedürftigkeiten der Akt eure in sozialen Berufen tatsächlich hoch - das Helfersyndrom ist kein Mythos. Dass die innere Intention zu helfen auch einem persönlichen Bedürfnis entspringen kann, bleibt meist im Unbewussten. Menschen mit einer "inneren Missi on" können viel bewi rken, aber auc h v iel blockieren, da dieser innere Stachel immer in ihre  Absi chten hine in spi el t und i m Umfel d Widers tände hervor ruf t. Aber natürl ich e xisti eren wir auch sonst a ls Erwachsene dadurch, dass wir von Anderen gespiegelt werden. Das zeigt sich in Untersuchungen - 2 - von Schlaganfall patienten, deren Gesichtszüge t eil weise gel ähmt bli eben. Nicht selten setzt danach eine sozial e Isolation ein, da Emotionen sich nicht mehr im Gesicht darstellen lassen- es bleibt maskenhaft für den Gesprächspartner. Die Patienten können das emotionale Feedback nicht mehr oder nur bedingt leisten. Das ist für Gesprächspartner häufig kaum zu ertragen; wir hängen einfach zu sehr davon ab, bestätigt zu werden. Diese ununterbrochene Feedback- Schleife, mit der wir durchs Leben gehen, bleibt weitgehend unbemerkt. Wenn jemand auf unser Erscheinen, unsere Äußerungen, unsere Präsenz nicht reagiert, sondern einfach wie eine Ding vor uns steht, verunsichert uns das, selbst wenn wir wissen, dass es sich um einen Patienten handelt und dass er nicht reagieren kann. Wir baden in einem Meer von emotionalen Feedbacks, denn daraus konstituieren wir uns, dadurch fühlen wir uns, dadurch sind wir angenommen und angekommen. Der Philosoph Maurice Merleau-Ponty beleuchtet das Thema und Dilemma mit dem Satz: „Ich lebe im Gesichtsausdruck des anderen und fühle, wie er in meinem lebt.“ -3 - Es ist schon auch ein Akt der Emanzipation, nicht restlos in das Geflecht unserer Spiegelungen verwoben zu sein, einen freien Blick und etwas Entzug zu bekommen von dieser Sucht nach Bestätigung. Hilfreich dabei ist u.a. meditatives Arbeiten, da man bei dieser Betätigung zunächst keine Feedbacks erhält. In gewisser Weise steht man nackt vor etwas, was wir darum als Leere empfinden, weil dies ein Reich ohne Spiegel ist. Die Erfahrung der Leere ist ein notwendiges Durchgangsstadium in der meditativen  Arbei t. Es gi bt nicht einmal mehr körperl iche und bi ologische Rückmeldungen. Der Gedanke nfl uss steht s til l. Niemand be stätigt uns , ni emand schaut uns an. Wir si nd konzentriert, aber ohne Inhalte, ohne Ziel, ohne Das. Da wir Spiegelwesen sind, ist das ein Moment am Abgrund. Ohne ein Das sind wir, so wie wir sind, einfach nicht mehr existent: „Jede Erhöhung der Erfahrungsebene stellt die Seele vor ein Nichts oder einen Abgrund, weil sie im nächst höheren Gebiet zunächst nicht strukturieren, das heißt  Die Egoisten Lotosblumen 19.09.2014 http://www.egoisten.de/autoren/styled-20/styled-59/index.html 1 / 5

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Lotusblumen

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  • Michael Eggert: Die Entfaltung der Lotosblumen

    Wir sind Spiegelwesen

    Unsere Identitt und unser Selbstgefhl entspringen - so absurd es zunchst erscheinen mag- der Tatsache"gespiegelt zu werden - im Dialog, im Erwachsenenalter, aber auch, auf sehr viel existentiellerer Ebene, alsKleinkind:"Die Mutter schaut das Baby an, das sie im Arm hlt, das Baby schaut in das Antlitz der Mutter und findetsich selbst darin. vorausgesetzt, dass die Mutter tatschlich das kleine einmalige, hilflose Wesen anschautund nicht ihre eigenen Introjekte, auch nicht ihre Erwartungen, ngste, Plne, die sie fr das Kindschmiedet, auf das Kind projiziert. Im letzteren Fall findet das Kind im Antlitz der Mutter nicht sich selbst,sondern die Not der Mutter. Es selbst bleibt ohne Spiegel und wird in seinem ganzen spteren Lebenvergeblich diesen Spiegel suchen. -1- Alice Miller meint damit auch, dass diese Art von frhkindlichemMangel im Angeschautwerden spter dazu fhren kann, dass aus diesen Kindern Meister imEinfhlungsvermgen werden; insbesondere Psychoanalytiker, aber natrlich auch Psychologen oderandere Profi- Versteher in allen sozialen Berufen. Manchmal sind die individuellen Bedrftigkeiten der Akteurein sozialen Berufen tatschlich hoch - das Helfersyndrom ist kein Mythos. Dass die innere Intention zu helfenauch einem persnlichen Bedrfnis entspringen kann, bleibt meist im Unbewussten. Menschen mit einer"inneren Mission" knnen viel bewirken, aber auch viel blockieren, da dieser innere Stachel immer in ihreAbsichten hinein spielt und im Umfeld Widerstnde hervor ruft. Aber natrlich existieren wir auch sonst alsErwachsene dadurch, dass wir von Anderen gespiegelt werden. Das zeigt sich in Untersuchungen -2- vonSchlaganfallpatienten, deren Gesichtszge teilweise gelhmt blieben. Nicht selten setzt danach eine sozialeIsolation ein, da Emotionen sich nicht mehr im Gesicht darstellen lassen- es bleibt maskenhaft fr denGesprchspartner. Die Patienten knnen das emotionale Feedback nicht mehr oder nur bedingt leisten. Dasist fr Gesprchspartner hufig kaum zu ertragen; wir hngen einfach zu sehr davon ab, besttigt zuwerden. Diese ununterbrochene Feedback- Schleife, mit der wir durchs Leben gehen, bleibt weitgehendunbemerkt. Wenn jemand auf unser Erscheinen, unsere uerungen, unsere Prsenz nicht reagiert,sondern einfach wie eine Ding vor uns steht, verunsichert uns das, selbst wenn wir wissen, dass es sich umeinen Patienten handelt und dass er nicht reagieren kann. Wir baden in einem Meer von emotionalenFeedbacks, denn daraus konstituieren wir uns, dadurch fhlen wir uns, dadurch sind wir angenommen und

    angekommen. Der Philosoph Maurice Merleau-Ponty beleuchtet das Thema und Dilemma mit dem Satz: Ich lebe im Gesichtsausdruck des anderen und fhle, wie er inmeinem lebt. -3-Es ist schon auch ein Akt der Emanzipation, nicht restlos in das Geflecht unserer Spiegelungen verwoben zu sein, einen freien Blick und etwas Entzug zu bekommen vondieser Sucht nach Besttigung. Hilfreich dabei ist u.a. meditatives Arbeiten, da man bei dieser Bettigung zunchst keine Feedbacks erhlt. In gewisser Weise steht mannackt vor etwas, was wir darum als Leere empfinden, weil dies ein Reich ohne Spiegel ist. Die Erfahrung der Leere ist ein notwendiges Durchgangsstadium in der meditativenArbeit. Es gibt nicht einmal mehr krperliche und biologische Rckmeldungen. Der Gedankenfluss steht still. Niemand besttigt uns, niemand schaut uns an. Wir sindkonzentriert, aber ohne Inhalte, ohne Ziel, ohne Das. Da wir Spiegelwesen sind, ist das ein Moment am Abgrund. Ohne ein Das sind wir, so wie wir sind, einfach nicht mehrexistent: Jede Erhhung der Erfahrungsebene stellt die Seele vor ein Nichts oder einen Abgrund, weil sie im nchst hheren Gebiet zunchst nicht strukturieren, das heit

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  • unterscheiden kann. -4- Aber dort, am Abgrndigen, entspringt zugleich das, was an uns Kraft und leerer Wille ist. Wir bemerken diese Unterstrmungen zunchst nicht,weil wir in unsere Spiegelungen so verstrickt sind. Das, was dieses Schweigen bersteht, was hier mit Wrme, Leben und in Klarheit entspringt, ist das, was keinerBesttigung bedarf, sondern sich selber trgt. Wir sind die geistige Welt". Wir mssen durch diesen Nullpunkt hindurch, um dessen gewahr zu werden. Im Folgendenwerden wir einige Zugnge dazu skizzieren.

    Wahrnehmung des therischen

    Wenn das Bedrfnis lebendig geworden ist, die verdnnte Aufmerksamkeit das Alltagsbewusstsein - und die zwanghafte fortwhrende Kommentierung vonDenkergebnissen durch die fhlende Seele -5- durch konzentriertes ben zu berwinden, entwickelt sich mit der Zeit das Denken zu einem Wahrnehmungsorgan fr dasLebendige, fr therkrfte -6-. Es gibt zahlreiche spirituelle Bewegungen und Organisationen, die die Dekonstruktion des Alltags- Ichs propagieren, aber an dieser Stellestatt weiterer Forschungsarbeit eine ansonsten positivistische Erleuchtungsmetaphorik anhngen. Offenbar gibt es eine Reihe von technisch funktionellenSelbstbeglckungsmechanismen, die an diesem Punkt ansetzen knnen, aber sich in diesem Selbstgenuss auch erschpfen.

    Das Erleben ist aber auch bei denen, die an diesem Punkt erst den Beginn einer ernsthaften geistigen Arbeit sehen, sehr unterschiedlich ausgeprgt. Meist ist ein visuellesEmpfinden prgnant, etwa in Form von Wahrnehmung des therischen als leuchtende, strahlende, innerlich sich bewegende Bilder oder Folgen von Bildern. -7- Eineweniger visuell ausgeprgte Wahrnehmung fasst Gedanken als komprimierte, sich entfaltende Denkbezge auf, in Kontexten, die in sich bereits stimmig sind- ein flssigeres,lebendigeres Denken. Aber es gibt auch eine Neigung zu einer Wahrnehmungsart, die mehr die unteren Sinne aktiviert, vor allem Lebens-, Eigenbewegungs- und Tastsinn.Dann werden innere Kraftstrukturen, innere Rume, dynamische Energien erfahren, die etwas wie ein quasi- leibliches Empfinden bedingen, das aber nicht mehr mit deneigentlichen Krpergrenzen kongruent ist: Die therkrfte knnen als reine Kraftimpulse erlebt werden, das entsprche der Sinneswahrnehmung durch den Tastsinn -8-In diesem Fall erlebt man sich nicht mehr im Leib, sondern man erlebt Kraftzentren und Dynamiken am Leib, die eine charakteristische, universelle Struktur besitzen. Mannennt diese Kraftzentren Chakren.

    Rudolf Steiner belegte sie auch mit einem anderen Terminus: Die Lotusblumen werden an dem astralischen Leibe bewusst. In dem Zeitpunkte, in dem man die eine oderdie andere entwickelt hat, wei man auch, dass man sie hat. Man fhlt, dass man sich ihrer bedienen kann und dass man durch ihren Gebrauch in eine hhere Welt wirklicheintritt. Die Eindrcke, welche man von dieser Welt erhlt, gleichen in mancher Beziehung noch denen der physisch-sinnlichen. Wer imaginativ erkennt, wird von der neuenhheren Welt so sprechen knnen, dass er die Eindrcke als Wrme- oder Klteempfindungen, Ton- oder Wortwahrnehmungen, Licht- oder Farbenwirkungen bezeichnet.Denn wie solche erlebt er sie. Er ist sich aber bewusst, dass diese Wahrnehmungen in der imaginativen Welt etwas anderes ausdrcken als in der sinnlich-wirklichen. Ererkennt, dass hinter ihnen nicht physisch-stoffliche Ursachen, sondern seelisch-geistige stehen. -9-

    Die Entfaltung der Chakren steht damit an der Nahtstelle zum imaginativen Erkennen und wie dargestellt werden soll- im Mitvollzug systemischer Prozesse in Natur,Kommunikation und Teamentwicklung. Unmittelbar mit dem Prozess verbunden ist die Empfindung einer situativen Lsung vom persnlichen Gewordensein, vomGewohnheitsleib und der gewachsenen Persnlichkeitsstruktur. Im gleichen Mae wachsen multiperspektivische Denkaktivitten, Intuition in die Ambitionen Anderer undFormulierungsfhigkeiten fr im Raum Stehendes, wenn z.B. Teams, Parteien, Gruppen um Lsungsmglichkeiten in konkreten Situationen ringen. Vordergrndig ndertsich aber zunchst primr bemerkbar- das Verhltnis zur eigenen Leiblichkeit.

    Das Erlebnis des Leibfreien

    Mich wundert immer etwas, dass so viel und gern, wenn es um meditatives Erleben geht, von leibfreier Erfahrung gesprochen wird. Das ist ungenau. Es ist ja nicht so, dasswir einerseits im Leib steckten und uns dann - in einem Ausnahmezustand - daraus meditativ befreien wrden. Wir stecken als Menschen nicht fest, sondern justieren unsals Welt-Leib-Wesen dauernd neu, in einem dynamischen Prozess. Im Wahrnehmen des Gleichgewichts, der Schwere und Leichte, in der Wahrnehmung des Anderen, imEmpfinden der Qualitt des Lichts, ja selbst in dem Nachfahren der Gebrde einer Pflanze leben wir dauernd in der Welt. Sollten wir tatschlich fest stecken - was z.B.durch bestimmte Medikamente knstlich erzeugt werden knnte - verlren wir Gleichgewicht und Selbstgefhl, fielen um, wrden ohnmchtig oder wrden uns durch eineepileptische Entladung befreien.

    Die Empfindung, im Leib zu sein, entspringt den dauernden Rckmeldungen unserer Sensorik - etwa in Bezug auf die krperliche Oberflche und ein gewisses leiblichesSelbstempfinden, also durch die unteren Sinne. Das Sich- Selbstempfinden, die Identifikation mit dem leiblichen Sein zieht einen Groteil unserer Aufmerksamkeit auf sich.Die Bindung und Bannung unserer eigentlich freien Aufmerksamkeit durch das krperliche Gefhl zersplittert diese und verhindert die freie, d.h. formfreie Konzentration. ImMeditativen geht es darum, die unwillkrlichen Rckmeldungen zeitweilig abzustellen, um die ungeteilte Aufmerksamkeit zu erfahren und uns selbst in ihr. Das bringtungeahnte Energien mit sich, ja einen regelrechten Starkstrom von reiner Kraft.

    Diese Befreiung gelingt schrittweise und ist sprbar in der Aktivierung der wesentlichen Chakren, vom Stirnbereich ber den Kehlkopf, vom Herz bis hin zum Nabel -10-. Mitder Aktivierung des Herzchakras beginnt das Erleben ungeteilter Aufmerksamkeit und existentiell strmender Energien. Die Loslsung von den Rckmeldungen derKrpergrenzen gelingt wohl erst ganz auf der Ebene der Nabelkraft. Erst dann kommen wir zur Erfahrung des "unberhrbaren Wesens" oder der Reinheit des Spiegels:Die Selbst- Natur ist wie ein klarer, glnzender Spiegel, der Bilder widerspiegelt. Wenn der Spiegel dies tut, leidet dadurch in irgendeiner Weise seine Klarheit? Nein,keineswegs. Leidet sie dann vielleicht, wenn keine Bilder widergespiegelt werden? Nein, keineswegs. Weshalb nicht? Weil die Verwendung des klaren Spiegels keinenEinwirkungen ausgesetzt ist und seine Spiegelflche dadurch nie verdunkelt wird. Ob Bilder widergespiegelt werden oder nicht, ndert nichts an seiner Klarheit. Weshalbnicht? Weil dasjenige, das keinen Einwirkungen ausgesetzt ist, inmitten der Bedingtheiten keinen Wechsel kennt. -11-

    Der Prozess der damit angedeuteten spirituellen Metamorphose vollzieht sich in mehreren um der Systematik willen einzeln dargestellten Schritten zur Entfaltung derChakren, der in der Praxis aber durchaus diskontinuierlich verlaufen mag manchmal auch chaotisch- und mit schmerzlichen Selbsteinsichten verbunden sein muss, wiespter noch dargestellt werden soll.

    Viele vor allem junge Menschen- empfinden eine gewisse Loslsung im Bereich des Kopfes, sind sich aber nicht bewusst, dass es sich um eine beginnende innereBewegung im Bereich des Stirnchakras handelt. Meist flieen die gewonnenen Mglichkeiten in soziale Ttigkeiten, in das Wahrnehmen und Entfalten kommunikativer undsystemischer Prozesse. Es wird leichter, intuitiv festzustellen, in welche Richtung sich soziale Dynamiken entwickeln, ihnen zu folgen und sie formulierbar zu machen. DasInternet mit seinen Mglichkeiten zur permanenten Abstimmung, aber auch die wachsende Evaluationskultur in Wirtschaft, Politik und Bildung sind mgliche technischeGrundlagen fr das sich entwickelnde lebendige Denken im Rahmen sozialer Verantwortung. Nicht zuletzt beginnt an diesem Punkt auch eine Kultur der Selbst-Evaluation imSinne von Supervision- einer Betrachtung persnlicher, intimer Entwicklungsschritte- im Spiegel des Teams, in dem sich der Einzelne befindet.

    Wenn die Ausweitung auf das Kehlkopfchakra gelingt, wird diese frei schweifende Potentialitt allmhlich weiter konzentriert und fokussiert. An diesem Punkt kommt eindeutliches Willenselement in die Entwicklung hinein. Das meditative Leben vertieft sich, da nun auch eine Gerichtetheit der freien Krfte mglich wird. Die erste echteLoslsung von Rckmeldungen der Krperlichkeit wird erlebbar, indem man sich in einem meditativen Strom mitgenommen fhlt; die bislang eher punktuelle Konzentration

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  • wird zuerst im Rahmen der meditativen Arbeit dauerhaft. Allmhlich wird die Empfindung, am Rande dieses Kraftstroms zu leben, zunehmend den ganzen Alltag durchziehenund stndig als Hintergrund- Strmen bemerkbar sein. In schwierigen Situationen, in Konflikten oder in scheinbar ausweglosen Konstellationen lsst man etwas los, so dassein Agieren aus der geistigen Prsenz heraus mglich wird. Die eigenen Intentionen stehen hinter der intuitiven Wahrnehmung des Willens aller Beteiligten zurck. Man kannaus moralischer Phantasie heraus handeln- in konzentrierter Improvisation.

    In der Praxis ist anzumerken, dass weder Herz- noch Nabelchakra erwartungsgem als bestimmter Punkt erlebt werden; das Herzchakra lsst sich vielmehr u.a. als Kraftzwischen den Handinnenflchen erleben, der Nabelpunkt hingegen ist ber die ganze Krperoberflche erweitert. In frhen Anweisungen fr eine esoterische Schulung 12- also in den Jahren 1906- 1908 ist Rudolf Steiner immer wieder auf einen bungskanon zur Entwicklung derChakren eingegangen. Die bungen laufen nach dem Muster

    Ich bin (sich zu konzentrieren auf den Punkt an der Nasenwurzel..)Es denkt (sich zu konzentrieren auf den Kehlkopf..)Sie fhlt (sich dabei zu konzentrieren auf das Herz..)Er will (konzentriere sich dabei auf den Nabel..) -13-

    Teilweise waren diese bungen verbunden mit Anweisungen zur Regulierung der Atmung, auf die Rudolf Steiner spter vllig verzichtete, mit bei ihm unvermeidlichenErklrungen (Es bedeutet: Das Weltdenken..) und mit Anregungen fr den Lebensstil: Alkohol ist absolut zu meiden. Vegetarische Kost nicht unbedingt, doch frderlich.Zum damaligen Zeitpunkt wurden die bungen als eine Art individuelles Paket an Schler von Rudolf Steiner persnlich gegeben.

    Die Hauptbungen Rudolf Steiners in Bezug auf die Entfaltung des Herzchakras bestehen einerseits aus konkreten Anordnungen- etwa, dass man sich konzentrieren solleauf seine beiden Arme und Hnde. Man hlt die Hnde so, dass sie entweder gefaltet sind oder dass die Rechte ber die Linke gelegt ist -14-. Andererseits nimmt er auchdie Erfahrung schildernd vorweg, gibt damit aber auch klare Richtungsanweisungen in Bezug auf das meditative Geschehen: Man wird, wenn man dieseKonzentrationsbungen einige Wochen energisch fortsetzt, an den Stellen, auf die man sich konzentriert, etwas fhlen, also an der Nasenwurzel, im Kehlkopf, einen Stromin den Hnden und Armen und an der ganzen ueren Krperoberflche. Beim Konzentrieren auf Arme und Hnde wird man fhlen, wie die letzteren durch eine Kraftauseinandergetrieben werden, man lasse sie dann auseinandergehen, das heit, der Kraft folgen, aber man suggeriere sich dies nicht. Es muss ganz von selbst eintreten.-15-

    In Bezug auf das Nabelchakra deutet Rudolf Steiner einen weiteren Entwicklungsschritt an, indem er schreibt, dass im Er will Gott gemeint sei, in dessen Willen wir unserganzes Sein stellen. -16-

    Heute werden wir solche bungen bei Bedarf nach eigenem Geschmack, Stil und Umstnden gestalten. Die konkreten Beschreibungen zu den dabei auftretendenErfahrungen, die Steiner gibt, knnen aber sehr hilfreich sein - im Sinne von Wegmarken in einer verschneiten inneren Landschaft.

    Jenseits der Rckmeldungen unserer biologischen Entitt im Leibfreien- sind wir in der Formlosigkeit, in der Leere, aber keinesfalls in einem Nichts. Im Gegenteil; dies istder Bereich, in dem die Quellen entspringen, der Bereich der Potentialitt. Hier erst haben wir die Kraft, formfreie Energien zu begleiten. Sie sind immer da, aber wir warenfaktisch bislang abgelenkt- unser Spiegel war getrbt. Die Trbung entsteht, wie schon erwhnt, durch die Aufsplitterung der Aufmerksamkeit: Whrend vorher die Ich-Kraft wie verdnnt in die vielfltigen Seelenttigkeiten hinausfliet und in dieser Verdnnung wie schlft, gewinnt sie jetzt eine Konzentration, in der sie den Verlust vonIdentifikation mit Seeleneigenschaften erst bemerken kann, sich quasi jetzt erst richtig empfindet. -17-

    Wir knnen diese Vielfalt diese Verdnnung- bei gleichzeitiger Beanspruchung und Wahrnehmung auch beim Autofahren erleben, als ein extremes Beispiel fr das vielbeschworene Alltagsbewusstsein. Dabei schauen wir nicht nur in jede Richtung, sondern projizieren unsere Krpergrenzen auf das Gefhrt, dessen Auenmae unsereKrpergrenze einnimmt- relativ zum Straenrand, dem flieenden Verkehr und unserer Geschwindigkeit. Das Auto wird zu unserem Leib. Es ist eine Projektionsflche.Unseren eigenen Krper empfinden wir nicht, sonst wre die zerstreute Aufmerksamkeit gefhrlich verengt.

    Was im Straenverkehr die Diversifikation unserer Aufmerksamkeit genannt werden kann, wird in der meditativen Erfahrung zur entgegengesetzten Bewegung: Es gehthier um die inhaltsfreie Fokussierung, um das Durchgehen durch einen Nullpunkt, auf dessen anderer Seite neue Dynamiken entspringen- auch in Bezug auf die Kraftpunkteunserer erweiterten Leiblichkeit, die Chakren. Aber gehen wir noch etwas auf die eigentliche Erfahrung ein.

    Einfaltung

    Dort, wo es zur lebendigen geistigen Erfahrung kommt, zur Einstimmung ins Quellende, in den Strom, bemerkt man die einzelnen Chakren so wenig, wie man sich derSinnesorgane bei der Wahrnehmung im Alltag bewusst wird; sie werden transparent. Es ist ganz offensichtlich, wenn man die esoterische Literatur studiert, dass dieNuancen der Erfahrungen an diesem Punkt unterschiedlich sein knnen; ich kenne z.B. weniger eine Orientierung nach Oben oder Unten, sondern eher einen Strom in derWaagerechten, der aus dem Rcken kommt, sich vor allem in Hhe des Kehlkopf ballt und nach vorne strmt. Es ist deutlich, dass die Wirksamkeit der Chakren sichbndelt, dass etwa die Helle des Stirnbereichs sich mit dem Tastend- Empfindenden des Herzstroms im Willensartigen des Kehlkopfs mischt.

    Es entspringt ein geistiger Kraftraum vor dem inneren Auge, der fluktuierend- oszillierend wirkt, ohne feste Struktur, aber sehr wohl begrenzt und gehalten von bindendenKrften aus dem Bauchraum und von den Hnden her. Wenn der Strom eine gewisse Strke erreicht hat, wird das Schweigen sprechend. Ohne dass eine bestimmteSchwelle oder ein bergang erlebbar wre, bauen sich Gesten, annhernd Gestalthaftes im Kraftraum auf - etwa eine Gebrde, die khl und in unnachahmlicher Aufrechteund Gerechtigkeit nach vorne weist. Die Gebrde ist sprechend und vllig transparent; es ist nichts, was man geschaffen oder aus sich heraus gebracht htte; es istwillenhaft. Aber solche Gestalten, die sich entfalten, sind auch flchtig, man muss den Eindruck erhaschen - festhalten kann man ihn nicht. Das sonst zerstreute eigene Wesen ist in diesen Strom wie eingefaltet und verdichtet; man ist ganz und gar prsent. Aber gerade durch die transzendierte Prsenz bildetman diesen Kraftraum, in dem die geistige Erfahrung stattfinden kann. Das Zusammenwirken der Chakren fhrt dazu, dass es keinen Sinn mehr macht, Willen, Denken oderFhlen zu unterscheiden; hier, im Nicht-Orthaften fallen sie vollkommen zusammen und werden zu einer einzigen Kraft, die im Sich- Zurcknehmen eine Art innerer Bhneschafft. Der Wille ist hell und gefhlvoll zugleich. Das Glck, real, das Gefhl, endlich nicht in einem zersplitterten, zerstreuten und insofern illusionren Bewusstsein zu leben,sondern ganz zu sein, mischt sich mit der Sicherheit, teil zu haben an etwas Realem. Es ist ein trockenes, nchternes Glck, gemischt mit diesem Realismus, der absieht vonallem, was nur persnlich ist.

    Man wei ja: Das kann man nicht verlieren. Man ist nur dahin zurckgekehrt, woher dem man stammt und in was man wieder eingehen wird. Das Alltagsbewusstsein istdemgegenber eine Form von Amnesie oder zeitweiliger Zerstreutheit; der verdichtete Wille, den man sonst nur in Wirkungen kennt, kehrt sich so um, dass er Raum fr eingeistiges Geschehen bildet.

    Bildlich ausgedrckt knnte man im geschilderten Prozess, obwohl es dabei lediglich um den Beginn geistiger Entfaltung geht, in Bezug auf den Willen von einemGralsgeschehen sprechen. Die auf das Entschiedenste fokussierte Konzentration, der Ausdruck reinen Willens, nimmt sich im gleichen Ma zurck, wie sie sich vorher

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  • eingefaltet hat. Jenseits der Wnsche, der Assoziationen und Gefhligkeiten verharrt sie in reiner Erwartung. Sie wird, um im Bild zu bleiben, zu einer Schale, die diesengeistig- therischen Innenraum bildet. Was nun (vielleicht) geschieht, ist das Aufspringen von Quellen, die jenseits dessen liegen, was man aus sich selbst heraus bildenknnte. Von nun an hat man teil daran, aber man erschafft es nicht.

    Die illusionre Selbstbespiegelung

    Natrlich gibt es einen Positivismus auch innerhalb der anthroposophischen Bewegung. Positivismus ist eine Art, sich die Dinge angenehm hinzulegen, damit sie nicht wehtun. Dazu gehrt zum Beispiel die verbreitete Vorstellung, eine geistige Welt mit Wesen, die wirken und wollen, gbe es nur in der Form von geistig- seelischer Projektion. Eswird behauptet, man giee innere Erlebnisse in ein quasi- visuelles ueres hinein. Das ist natrlich bis zu einem gewissen Grad auch mglich. Wer meditativ ttig ist, kenntdie Magie des Wnschens ganz gut. Es gibt eine weite und verbreitete Sphre- auf der Ebene der Ego- Projektionen -, in der viele Illusionen aufkommen knnen. Solangeman haftet und versucht, die eigene Groartigkeit und Einzigartigkeit fest zu halten, bildet man sich alles Mgliche ein. Man bildet es auch aus: Verschnupfte und verzettelteEsoteriker mgen das, was sie sich wnschen, manchmal auch zu sehen glauben. In der Feld-Wald-und-Wiesen-Esoterik macht man manche Mcke zum Erzengel.

    Das illusionre Zwischenreich erstickt an der eigenen Selbstbezglichkeit. Man braucht eine gehrige Portion Selbstdistanz, um aus dieser Region heraus zu kommen. Hierhausen die Propheten, die Erleuchteten und die seelisch Umtriebigen. Ihr Kennzeichen ist die Bedeutsamkeit, die sie sich selbst verleihen. Man macht sich in dieser Hinsichteben etwas vor und bringt unbemerkt einen Popanz in sich hervor.

    Mit der Zeit aber wird die Luft klarer und der Blick frei. Vielleicht geht es nicht immer ohne Blessuren ab. Es geht keinesfalls um Selbstkasteiung und lustvolles Leiden, sehrwohl aber um den kritischen Blick auf uns selbst. Dort, wo der Blick frei wird, sprt man, dass man auf Eis steht und dass darunter ein Strom fliet. Man kann ihn unter denFen vibrieren fhlen, und wei, dass man ein Teil von ihm ist. Nein, man bringt ihn nicht hervor, ganz im Gegenteil. Man ist so weit frei von sich selbst geworden, dassman den Blick und das Gespr fr ihn hat- den schaffenden, gestaltenden Strom jenseits der Erscheinungen und Formen. Hier gibt es nichts als reinen Willen. Auch derStrom ist nicht frei davon. Aber wenn er ein Lebensstrom ist, ist er doch nicht jenseits von Wissen und Erkennen. Er ist hell, prall voll von erkennendem Schaffen. Mankommt an den Punkt, erleben zu knnen: Du bist Quelle -18-.

    Man kommt nur hier hin - natrlich ist es kein Ort, sondern eine Erfahrung-, wenn man die Selbstkonstruktionen und -bespiegelungen ein Stck weit - durchaus nichtunbedingt umfassend - hinter sich gelassen hat. Ein Zipfel freien Blicks reicht ja, um ber den Tellerrand zu schauen. Natrlich muss man sich mit der Leere konfrontierthaben, um das Entspringen der Flle erleben zu knnen. Aber die Leere ist kein Zustand, sondern ein Durchgangsstadium. Wenn die Leere halbwegs vollbracht undausgehalten wird, entspringt in ihrer Mitte der Strom. Zugleich ist mit der Entdeckung der Quelle auch eine Erfahrung des eigenen, nicht leibgebundenen Ich verbunden:Die Ich-bin-Erfahrung ist immer die Erfahrung des formfreien Wesens. -19-

    Weltkraft Gte

    Der Strom hat bestimmte Charakteristika. Nicht nur, dass er der Grund des Schaffens und Bewusstseins ist, trgt er in sich auch die Eigenheit, konstruktiv zu sein. Es drcktsich in ihm ein Wille aus, in dem unser eigener tiefster Wille vllig aufgehen kann, denn es ist der Wille zum Leben, das Bejahen dessen, was aufbaut, was sich selbstverschenkt- eine kosmische Freigiebigkeit und Gte, an der wir teilhaben drfen und der wir als Wesen entstammen: Das wahre Ich will nicht gesucht sein, wenn eserscheinen soll, und es verbirgt sich, wenn es gesucht wird. Denn es wird nur in der Liebe gefunden. Und Liebe ist die Hingabe des eigenen Wesens an das fremde Wesen.Daher muss das wahre Ich wie ein fremdes Wesen gefunden werden. -20-

    Der "schaffende Weltenwille", in dem wir uns finden, ist nichts Abstraktes, Ausgedachtes, sondern etwas, was in seiner Entfaltung personalen Charakter hat. Er findet auchnicht nur in unserem Inneren statt, sondern ist eine Kraft, die sprbar Natur und Welt durchdringt und mit Geist und Sinn erfllt: Man fngt an, sich wie mit dem ganzenWeltenbau verwachsen zu fhlen, trotzdem (man) sich in seiner vollen Selbstndigkeit empfindet. Es ist diese Empfindung ein Aufgehen in die ganze Welt, ein Einswerdenmit derselben, aber ohne die eigene Wesenheit zu verlieren. Man kann diese Entwickelungsstufe als Einswerden mit dem Makrokosmos bezeichnen. Es ist bedeutsam, dassman dieses Einswerden nicht so zu denken hat, als wenn durch dasselbe das Sonderbewusstsein aufhren und die menschliche Wesenheit in das All ausflieen wrde. -21-

    Diese Erfahrung wird mit der prozessualen Entfaltung der Chakren begonnen und begleitet, und sie hat von Anfang an auch den Charakter einer spirituellen undmoralischen Kraftentfaltung. Man kann das zweifellos bersehen und sich festhaken in dem oben beschriebenen spirituellen Positivismus, der die eigene Erleuchtung zumMittel- und Endpunkt der Entwicklung macht. Man knnte die Weltkraft Gte unter dem Eis lassen. Man wrde dann in einer glorifizierten Selbstbespiegelung verharren undfhlte sich selbst als Mittelpunkt eines einsamen, leeren Kosmos. Dann aber bliebe man auf einem toten Gleis stehen und nhme nicht teil an der verwandelnden Kraft dieserGte, die die Welt und auch uns selbst im Innersten bewegt.

    Gerade im bergang zu den zunchst nur zu erahnenden Dynamiken des inneren Kraftstroms, der mit der Entfaltung des Herzchakras zusammen hngen, gibt esHindernisse, die nur anzudeuten sind, da sie ganz individuelle Zge tragen. Man nimmt sich das nicht vor- es ist ein zwangslufiges Nebenergebnis der inneren geistigenDifferenzierung. Vor dem Eintreten in den Strom steht immer eine eingehende kritische Selbstbeschau, ein berblicken der ganzen eigenen Biografie. Durch unsereErfahrungen, unsere Prgungen und Verletzungen, aber auch Fhigkeiten haben wir uns in bestimmter Weise entwickelt, sind zu einer bestimmten Person mitStandpunkten, Widerstnden, aber auch Idealen geworden. Leibfrei d.h. frei von Formen - werden bedeutet, wie sich zeigt, auch, dass man die Konstruktionsprinzipiendieser Person erkennt. Schon dabei wird es immer schwerer, nicht mit Abwehrmechanismen, Durchhalteparolen oder gar Selbstverachtung zu reagieren. Man sieht sichzunehmend so, wie man wahrgenommen wird- und zwar von einer fiktiven, neutralen Auenwarte aus. Man sieht sehr klar gute und schlechte Ausgangsbedingungen undwas man daraus gemacht hat. Man sieht schlichte egoistische Antriebe, die man selbst frh vielleicht schon in der spten Jugend- mit idealistischen Leitmotivenbertncht hat. Dazu gehrt auch die Bedrftigkeit der Helfer in sozialen Berufen, die am Anfang dieses Textes thematisiert wurde. Das Erwachen besteht auch darin, dassman die ganze schlichte Struktur eigenen Wnschens, Empfindens und Strebens nun klar vor Augen hat. Gerade unter den sakrosankten persnlichen Idealen verbergensich deutlich erkennbar simple Motive. Man erkennt, dass man mit dem, was das Gewordene an einem selbst ist, in gewisser Weise fertig ist. Vielleicht erlebt man das als einScheitern, als eine scharfe biografische Zsur. Zumindest erkennt man, dass es sich an diesem Punkt des Erkenntnisweges um ein existentielles Problem handelt- man kannsich nicht immer weiter selbst entfalten. Vor der Klrung dieser schmerzlichen Sachverhalte hat man nicht die notwendige Neutralitt und emotionale Ausgewogenheit, umin den Strom eintreten zu knnen.

    Wer an sich festhalten mchte, erstarrt an einer Stelle der skizzierten Entwicklung. Wer an das in sich selbst Sakrosankte nicht rhren kann oder will es schlichtweg nichtertrgt-, wird in Zukunft mit gesteigerter ideologischer und weltanschaulicher Wucht das verteidigen, was ihm geblieben ist. Man wird die eigene Position verklren undwomglich ein Alleinvertretungsrecht fr bestimmte spirituelle Fhigkeiten behaupten. Wer aber schaffenden Weltenwille auch nur anfnglich in sich erlebt hat, wird zwardaraus Kraft schpfen, aber keine Sicherheiten und perseverierenden Positionierungen gewinnen. Die Orientierung, die der Weltkraft Gte folgt, ist notwendig dialogischausgerichtet. Der immer neu entspringende Quell der Aufmerksamkeit, Freude und Anteilnahme wird den Schler der Geisteswissenschaft zum offenen Gesprchspartnermachen- keinesfalls aber zu einem belehrenden, auf Selbstverteidigung getrimmten Monolithen. Er wei ja, dieser Quell entspringt in jedem Menschen, ja er ist die tragendeKraft jeder Existenz. In ihm finden wir wieder und entdecken uns zugleich neu.

    Lotosblumen 19.09.2014

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  • 2014 Michael Eggert Kontakt

    __________Verweise und Anmerkungen

    1 Alice Miller, Das Drama des begabten Kindes, Frankfurt 1979, S. 59 f

    2 Jonathan Cole, s.u.

    3 Als Widmung zitiert in Jonathan Cole, ber das Gesicht. Naturgeschichte des Gesichts und unnatrliche Geschichte derer, die es verloren haben, o.O. 1999

    4 Georg Khlewind, Meditationen ber Zen-Buddhismus, Thomas von Aquin und Anthroposophie, Stuttgart 1999, S. 71

    5 Dorian Schmidt, s.u., S. 52

    6 Dorian Schmidt, s.u., S. 46

    7 Dorian Schmidt, s.u., S. 46

    8 Dorian Schmidt, s.u., S. 46

    9 Rudolf Steiner, Die Geheimwissenschaft im Umriss, GA 13, Dornach 1977, S. 258

    10 Andere spirituelle Schulen gehen deutlich anders vor, etwa die von Sri Aurobindo. Auch einzelne anthroposophische Autorinnen wie Heide Oehms gehen deutlich berden hier ausgeleuchteten Bereich hinaus

    11 Suzuki in: Khlewind, Meditationen ber Zen- Buddhismus, Thomas von Aquin und Anthroposophie, Stuttgart 1999, S. 77

    12 R. Steiner, Anweisungen fr eine esoterische Schulung, Dornach 1979

    13 Anweisungen, S. 36 ff

    14 Anweisungen, S. 36

    15 Anweisungen, S. 37

    16 Anweisungen, S. 37

    17 Dorian Schmidt, Lebenskrfte- Bildekrfte. Methodische Grundlagen zur Erforschung des Lebendigen. Stuttgart 2010, S. 54 f

    18 Georg Khlewind, Licht und Leere, Stuttgart 2011, S. 5319 Georg Khlewind, Licht und Leere, Stuttgart 2011, S. 24

    20 Rudolf Steiner, 22.4.1923. In: Was wollte das Goetheanum und was soll die Anthroposophie?, GA 84, Dornach 1986

    21 Rudolf Steiner, Die Geheimwissenschaft im Umriss, GA 13, Dornach 1977, S. 293

    In einer gekrzten Version 2013 in Die Drei erschienen

    Lotosblumen 19.09.2014

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    Die Egoisten