LOW COST HOUSING KUBA - BRASILIEN … · In Brasilien sind informelle Siedlungen so genannte ......

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Fachhochschule Köln University of Applied Sciences Cologne Betreuer: Prof. Dr . F . W . Grimme V erfasser: Dipl.-Ing. Arch. Rainer S t ark Institut für Tropentechnologie Semesterprojekt 2003 LOW COST HOUSING KUBA - BRASILIEN Fallbeispiel: 1-2 stockiges Doppelhaus in Kuba

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Fachhochschule KölnUniversity of Applied Sciences Cologne

Betreuer: Prof. Dr. F. W. Grimme Verfasser: Dipl.-Ing. Arch. Rainer Stark

Institut für TropentechnologieSemesterprojekt 2003

LOW COST HOUSING KUBA - BRASILIEN Fallbeispiel: 1-2 stockiges Doppelhaus in Kuba

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Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung und Überblick Kubas Seite 31.1 Lage und Landkarte1.2 Vegetationen und Landschaft 1.3 Klimabedingungen

2. Kuba - Brasilien: ein Vergleich Seite 42.1 Favelas oder Stadtplanung2.2 Bevölkerungswachstum und Landflucht 2.3 Low Cost, eine Frage des Anspruchs2.4 Staatlich oder Privat2.5 Nachbarschaftshilfe oder Microbrigadas2.6 Warum Kuba einen Sonderfall darstellt

3. Problemdarstellung der Wohnraumknappheit inKuba: Eine Chronik Seite 8

4. Analysieren der ökonomischen und soziologschenAspekte der Zielgruppen Seite 10

4.1 Quartierstruktur 4.2 Haushaltsnettoeinkommen und Lebensstil4.3 Die Familie4.4 Die Wohnung

5. Projektbeschreibung und Konzept der Planung6.1 Projektziel Seite 126.2 Zielgruppe6.3 Projektbeschreibung6.4 Finanzierung6.5 Beschreibung der Wohneinheit 6.6 Soziale Aspekte der Planung 6.7 Ökonomische Aspekte der Planung 6.8 Bautechnik6.9 Arbeitskräfte6.10 Komfortbedingungen und Mikroklima

6. Energieeffizienz Seite 16

7. Umweltplitik und Alternative Energien Seite 17

8. Literaturhinweise Seite 18

9. Kostenschätzung Seite 17

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1. Kuba: allgemeine FaktenEinwohner in Tausend: 2000: 11 234Bevölkerungsdichte (Einwohner pro qkm): 101Bevölkerung: Kubaner; (Z 2000) ~11 000 000 Einw. - (S)51% Mulatten, 37% Weiße, 11% Schwarze; zahlr. Exil-Kubaner in den USAAnalphabetenrate Erwachsene (> 15 J.) : 1999: 3%Anteil der Bevölkerung mit Zugang zu Trinkwasser in %:2000: 91Anteil der Bevölkerung mit Zugang zu Sanitärein-richtun-gen in %: 2000: 98Amtssprache: SpanischHauptstadt La Habana (Havanna) mit 2189716 Einw. (F1999)Fläche (km²): 110 860 Religion 1992: 39% Katholiken, versch. protestant.Kirchen; 56% gelten als konfessionslosStaatsform: Sozialistische Republik seit 1959 -Verfassung von 1976, zuletzt geändert 1992 - OberstesStaatsorgan: Volkskongress (Asamblea Nacional delPoder Popular) mit 601 (vorher: 589) alle 5 J. gewähltenMitgl.; Staatsrat (Consejo de Estado) mit 31 Mitgl. alsständiges Organ; dessen Vors. ist zugleich Staatsoberh. -Wahlrecht ab 16 J.Verwaltung: 14 Provinzen und Sonderverwaltungs-gebietIsla de la Juventud Staatsoberhaupt und Regierungschef:Staatsratsvorsitzender und Generalsekretär desZentralkomitees der PCC: Fidel Castro Ruz, seit 1959Äußeres: Felipe Pérez Roque, seit 28.5.1999Unabhängigkeit: 20. 5. 1902 (ehem. spanische Kolonie)Parteien: Partido Comunista de Cuba / PCC: Führungsrolle in der Verfassung verankert Währung: 1 Kuban. Peso (kub $) = 100 CentavosBruttosozialprodukt (Mio. US-$): keine AngabenErwerbspersonen in Tausend: 1999: 5 511Frauenerwerbsquote in % der weiblichen Bevölkerung:1999: 39,2Arbeitslosigkeit in % aller Erwerbspersonen: keine AngabenImport von Gütern (Mio. US-$): keine AngabenImportgüter: 1998: 25% Erdöl, 13% chemische Produkte,10% Nahrungsmittel, 6% Maschinen, 5% RohstoffeExport von Gütern (Mio. US-$): keine AngabenExportgüter: 1998: 42% Zucker und -produkte, 18%Nickelerze und -konzentrate, 9% Meeresfrüchte, 13% TabakLeistungsbilanzsaldo (Mio. US-$): keine AngabenEnergieverbrauch pro Kopf (kg Öleinh.): 1998: 1 066,13 3LOWCOST HOUSING Kuba 2003 Dipl.-Ing.Arch. Rainer Stark

Internationaler Touristenreiseverkehr: Zahl der einreisen-den Touristen (Mio.): 1999: 1,6Internationaler Touristenreiseverkehr:Deviseneinnahmen (Mio. US-$): 1999: 1 714

Durchschnittstemperatur (°C) Niederschläge (cmr)

J 18 7,1F 18 4,6M 23 4,6A 25 5,8M 26 11,9J 27 16,5J 32 12,5A 32 13,5S 31 15O 26 17,3N 24 7,9D 19 5,8

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2. Kuba - Brasilien ein Vergleich

Das Thema dieser Arbeit sind Konzeptvorschläge fürLowcost Housing in Kuba und Brasilien. Vorab soll hierfestgestellt werden, dass die beiden Länder nur beimKlima ähnliche Bedingungen aufweisen. Obwohl es sichin beiden Fällen um Länder des Südens handelt, sind siedoch sehr verschieden. Dieses erste Kapitel soll die vie-len Unterschiedlichkeiten aufzeigen. Es erläutert auf wel-chen Grundlagen und Annahmen der Entwurf eines kos-tengünstigen Wohnungsbaus in Kuba entstanden ist, undwarum es kein Konzept für Brasilien ist. Die intensive Erforschung und Auseinandersetzung mitden spezifischen Eigenheiten des jeweiligen Landes, indem man arbeitet, ist die Grundlage und Bedingung fürden Erfolg eines Projektes.Im Folgenden werden vor allem die Verhältnisse in Kubathematisiert, da der Fokus der gesamten Arbeit auf Low-Cost-Housing in Kuba liegt.

2.1 Favelas oder StadtplanungIn Brasilien sind informelle Siedlungen so genannteFavelas an den Rändern der großen Städte die Regel. DieStadtplaner können nicht mithalten mit derGeschwindigkeit und Menge, der in die Industriezentrenstrebenden Landbevölkerung. Es gibt täglich illegaleLandbesetzung oder unkontrollierbare Verdichtung beste-hender Siedlungen. Die Lebensbedingungen sind häufiggefährlich, unhygienisch und mit einem schlechtenKomfort. Es fehlt meist jegliche technische Infrastrukturwie Versorgung mit Trinkwasser, Elektrizität, Telefon undder Anschluss an die Kanalisation. Es fehlt eine sozialeInfrastruktur, wie Schulen, Kindergärten, Sportstätten,Seniorenheimen, Krankenhäusern usw. Die Favelas sindselten an das Netz des ÖPNV angeschlossen. In Kuba gibt es diese Favelas praktisch nicht. Das hatmehrere Gründe, die in den folgenden Kapiteln nocherläutert werden. Ein Grund waren Programme zurVerbesserung der Lebensverhältnisse in den ländlichenGebieten, die eine Landflucht verhindert haben. DieseSituation gab den kubanischen Stadtplanern dieMöglichkeit mit Neuplanungen von Siedlungen auf denWohnraumbedarf zu reagieren. Die Qualität dieserSiedlungen sind zum Teil sehr unterschiedlich. Alle erfüll-len jedoch allgemeine soziale und technischeMindeststandards und sind auch sicher. Gleichzeitig wurden allerdings großflächig Altbauten dem Verfall preisg 4LOW COST HOUSING Kuba 2003 Dipl.-Ing.Arch. Rainer Stark

geben, die neue Probleme auf dem Wohnungsmarktschafften. Dennoch, Stromausfälle oder Probleme bei derVersorgung mit Telefon, Trinkwasser oder Kanalisationgibt es im ganzen Land. In Kuba existieren ebenfallsbessere und schlechtere Wohnlagen, aber so genannteGatet Comunitys für die Reichen und Favelas für dieArmen, gibt es nicht. Die Aufgabe der Stadtplaner und Architekten ist also eineganz andere. In Brasilien gilt es Konzepte zu finden, dieein städtebauliches Auffangbecken bilden, das die chaoti-sche Siedlungsbildung verhindert und eine strengeOrdnung entstehen lässt. Villa El Salvador, eine Vorstadtvon Lima in Peru, ist ein sehr gutes Beispiel wie ein sol-cher Plan aussehen kann, der sich im großen Ganzen bisheute bewährt hat. ANHANGDie Brasilianer stehen unter Zeitdruck. Wenn keineSiedlungsgebiete ausgewiesen werden, kommt es zu ille-galer Landbesetzung.In Kuba wird Städtebau ähnlich dem der Industrienationenbetrieben. Es wird ein Bedarf festgestellt, ein Masterplanentwickelt und dann wird gebaut, oder auch nicht. Mit ille-galer Landbesetzung müssen sich die kubanischenBehörden wenig auseinandersetzen.

2.2 Bevölkerungswachstum und LandfluchtDie brasilianische Bevölkerung hat sich in den letzen 30Jahren verdoppelt und der Reichtum in den Städten hatstark zugenommen. Brasilien erlebte bis vor kurzem einenständigen wirtschaftlichen Wachstum, der vor allem in denStädten stattfand. Auf der Suche nach Arbeit drängt dieLandbevölkerung in die Metropolen.Auf dem Land ist die Situation der Arbeitsuchenden ofthoffnungslos und gefährlich. Die Konflikte entstehen zwi-schen den Großgrundbesitzern und den landlosenBauern. "Laut Regierungsangaben sind zwar seit 1995 imRahmen der Landreform, der Umverteilung von landwirt-schaftlichen Flächen aus Großgrundbesitz auf vor allemmittellose Kleinbauern, rund 546000 Familien auf 18 Mio.Hektar angesiedelt worden. Laut Angaben derLandlosenbewegung Movimento dos TrabalhadoresRurais Sem Terra (MST), die 1984 gegründet wurde undder inzwischen etwa 5 Mio. Personen angehören, gibt esaber noch immer 4,8 Mio. Familien ohne Land, was seit

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Jahren zu sozialen und politischen Konflikten führte. Rund150000 Familien leben zurzeit auf besetzten Flächen." Einige Großgrundbesitzer wehren sich gegen die ausihrer Sicht illegalen Landnahmen mit der Entsendung vonTodesschwadronen. Allein im nördlichen BundesstaatPará sollen durch diese Exekutionskommandos hundertevon Bauernführern, Kindern und Kirchenvertretern zuTode gekommen sein.Kuba hat im gleichen Zeitraum einen Bevölkerungswachstumvon nur 20% zu verzeichnen. Nach der MachtübernahmeFidel Castros wurde die Wirtschaft verstaatlicht. Es gabeine große Landreform. Nach der politischen und wirt-schaftlichen Bindung an die Sowjetunion war dieZuckerproduktion wieder das wichtigste Exportgut undgrößter Devisenbringer. Die Politik der Monokultur wirdfortgesetzt. Was vor der Revolution die Zuckerbarone ausden USA waren, wird nun vom kubanischen Staat weiter-geführt. Auch wenn es dem Land bis zum Zusammenbruchder Sowjetunion verhältnismäßig gut ging, entwickeltKuba sich wirtschaftlich und industriell nicht weiter. Nachdem Ende des Ostblocks und dem Wegfall der lukrativenTauschwirtschaft >Zucker zum doppelten Weltmarktpreisgegen Öl< ruft Castro die Spezialperiode aus. Es beginnteine Mangelwirtschaft mit: Lebensmittelrationierung,Stopp aller staatlichen Bauaktivitäten, Beschneidungsämtlicher Leistungen, Stromversorgung, Transport…Eine Landflucht löste das allerdings nicht aus. Auf demLand war zumindest die Selbstversorgung mit Lebensmittelngesichert.Kuba kommt allmählich aus der Krise und verzeichnet einständiges wirtschaftliches Wachstum. Trotzdem muss diekubanische Bevölkerung mit ähnlichen Problemen lebenwie in Brasilien.

2.3 Low Cost, eine Frage des AnspruchsWie man Low-Cost-Housing definiert ist sowohl eineFrage des Lebensstandards als auch eine psychologi-sche. Wenn jemand wirklich arm ist und das Sozialsystemnicht kreift, hat sicher sehr niedrige Ansprüche. VieleBrasilianer, die vom Land in die Stadt kommen, besitzenoft nicht mehr als ihre Hände zum Arbeiten. Eine entscheidende Rolle spielt auch das Umfeld und diePeergroup. Die meisten Zuwanderer teilen ein ähnlichesSchicksal und leben unter denselben Umständen. Es wirdals Normalfall akzeptiert, dass das neue Leben in derStadt in einer Favela beginnt. Die Hoffnung diese infor-mellen Siedlungen eines Tages zu verlassen, erweist sich 5Low-Cost-Housing Kuba 2003 Dipl.-Ing.Arch. Rainer Stark

oft als trügerisch.In Kuba gibt es zwar ein enormes Defizit auf demWohnungsmarkt, aber das soziale Netz gewährleistetnach wie vor eine bezahlbare Mindestversorgung. DieZahl der Obdachlosen ist verschwindend gering. Hinzu kommt in Kuba der psychologische Faktor. Die all-gemeine Selbsteinschätzung ist, dass Kuba auf Grunddes US-Embargos zwar arm, aber kein Entwicklungslandist. Man ist stolz auf ein gutes Bildungs- undGesundheitssystem, das sich mit den Industrienationenmessen kann. Die momentane Misere wird als fremdver-schuldete Periode angesehen, die zwar schon langeandauert aber hoffentlich bald vorüber geht. Bei dieserWahrnehmung gibt es keinen Platz für "Armenhäuser". Allerdings gab und gibt es seit den Siebzigern Projektezum Kostensparenden Bauen, nachwachsendenWerkstoffen und alternativen Bauweisen. Umgesetzt wirddavon bis dato wenig.

2.4 Staatlich oder PrivatBei der Planung neuer Siedlungsgebiete und derAusweisung von Bauland hat Kuba theoretisch einen ent-scheidenden Vorteil gegenüber Brasilien. 100% desGrund und Boden sind im Staatsbesitz und können einfa-cher umgenutzt oder neu beplant werden. Es entstehenalso keine Kosten beim Ankauf privaten Baulands und esgibt auch keinen Widerstand von Grundbesitzern.Allerdings existieren oft konkurrierende Interessen vonverschiedenen, am Planungsprozess beteiligtenInstitutionen. Kuba hat darüber hinaus eine sehr schwer-fällige Bürokratie und Hierarchien mit langenBefehlsketten.

2.5 Nachbarschaftshilfe oder MicrobrigadasIm Bereich des kostengünstigen Bauens kann man natür-lich nicht alle Arbeitsleistungen bei Baufirmen in Auftraggeben. Eigeninitiative ist oft nicht genug. Praktikabel istdie Nachbarschaftshilfe. Die zukünftigen Bewohner einesStraßenzuges bauen also gemeinsam ein Haus nach demanderen. Zumindest helfen sie sich bei den arbeitsintensi-ven Bauphasen. Hier greift das Prinzip: Eine Hand wäschtdie andere. Die besten Resultate gewährleistet hier eintragfähiger Masterplan als Grundlage, und dieBereitstellung von Ingenieuren und Facharbeitern derKommune. Sie sollen mit Rat und Tat zur Seite stehen undkontrollieren, dass eine Mindestqualität undStandsicherheit gewährleistet ist.

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In Kuba wurde dieses Prinzip weiterentwickelt und alsAlternative zur staatlichen Bauwirtschaft etabliert. Diesestaatlich organisierte Nachbarschaftshilfe trägt denNamen: MicrobrigadasDie Micros sollten in den Siebzigern die Bauaktivitätendes Bauministeriums ergänzen. Der Staat sah sich nichtin der Lage den Bedarf an Wohnraum aus eigener Kraftzu bewältigen. Die Verantwortung wird zwischen denMinisterien und Staatsbetrieben aufgeteilt. Entscheidendfür das Recht an einer Wohnung im Programm der Microsist die Anstellung bei dem jeweiligen Staatsbetrieb. Dannführen die Firmen unter den Angestellten eine Liste, in derdie Familien nach Dringlichkeit geordnet sind. Vielleichtähnlich unserem System der verschiedenen Stufen desWohnberechtigungsscheins, die einem Anrecht auf eineSozialwohnung sichern.Ein Beispiel: Die Elektrizitätswerke Havannas etwa sollenWohnraum für die eigenen Angestellten schaffen. DasBauministerium weist das Bauland aus. DieElektrizitätswerke lassen von Stadtplanern einenBebauungsplan erstellen. Entsprechend den städtebau-lichen Vorgaben und der erforderlichen Wohneinheitenwerden von Architekten verschiedene Haustypen entwor-fen. Diese Vorplanung leistet normalerweise dasBauministerium. Die Bandbreite reicht vom Bungalow biszur fünfgeschossigen Gebäudezeile. Das Bauministeriumstellt den Elektrizitätswerken außerdem das Baumaterialzur Verfügung. Die Ingenieure und Facharbeiter auf denBaustellen werden vom E-Werk bezahlt. Deshalb unter-halten viele Staatsunternehmen eigeneArchitekturabteilungen. Die jeweiligen Arbeitnehmer wer-den für den Zeitraum ihres Hausbaus beurlaubt. EinMehrfamilienhaus wird dann gemeinsam von all seinenzukünftigen Bewohnern erbaut. Die Erfahrungen sinddurchaus positiv, da die Projekte sich am tatsächlichenBedarf ausrichten und die Erbauer im eigenen InteressePfusch vermeiden und auf Qualität achten.

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2.6 Warum Kuba einen Sonderfall darstelltWenn man vom Modell Brasilien spricht, beschreibt mandamit eine marktorientierte Gesellschaft mit extrememReichtum einer kleinen Oberschicht, einer dünnenMittelschicht und einer Bevölkerungsmehrheit unter derArmutsgrenze. Städtebaulich ist es das Sinnbild für "GatetComunitys" auf der einen Seite und Favelas auf der ande-ren. Dieses Modell steht Pate für fast ganz Lateinamerika.Auf Kuba trifft es jedoch nicht zu. Kuba stellt unter denamerikanischen Staaten einen Sonderfall dar. Seit derRevolution von 1959 ist Kuba eine sozialistischeRepublik. Die Regierung Castro hat von Anfang an großeAnstrengungen unternommen, eine Gleichberechtigungzwischen Schwarz und Weiß sowie Frau und Mann herz-ustellen, ein soziales Sicherungsnetz aufzubauen, eineallgemeine medizinische Versorgung sicherzustellen, dasLand zu alphabetisieren und ein Bildungssystem für alleaufzubauen. Bildung, niedrige Kriminalitätsrate, sozialeSicherheit und medizinische Versorgung sind in denmeisten lateinamerikanischen Ländern nur einerMinderheit zugänglich. Diese Grundwerte kubanischerPolitik haben durch alle Krisen hindurch Bestand. DieKehrseiten: politische Unfreiheit, Zensur, technischeRückentwicklung,Misswirtschaft und Versorgungsengpässe,Bürokratie und Planwirtschaft haben das Land lahmgelegt. Seit der schweren Krise nach dem Politikwechselin Russland und der folgenden Spezialperiode, betreibtKuba allerdings eine wirtschaftliche Öffnung zum Ausland.Auch wenn man nun ein jährliches Wirtschaftswachstumverzeichnet, bleiben politische Reformen aus. Hier liegteines der Haupt- Entwicklungshemmnisse.

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3. Problemdarstellung der Wohnraumknappheit inKuba: Eine Chronik

Vor 1959 Vor der kubanischen Revolution

Die Hauptstadt:- 20% der 6 000 000 Einwohner Kubas leben inHavanna - ¾ der nationalen Industrie, (ausgenommen die Zuckerproduktion) konzentriert sich in H., der größte Hafen, Gesundheits- und Bildungs-einrichtungen und Tourismus- Gravierendes Gefälle der Lebens- und Einkommensverhältnissen: Hauptstadt - Rest desLandes

Konsequenz:Starke Landflucht und die Entstehung von Favelas an denStadträndern. Die Bewohner lebten dort unter marginalenund ungesundenBedingungen, weit entfernt von denLebensbedingungen der Ober- oder Mittelklasse. Aber auch die städtische Arbeiterschicht lebte unter miserablenBedingungen in der Altstadt.1959-1960 Nach der Revolution:

- Bruch mit der bestehenden Gesellschaftsordnung- Große Veränderungen wie die Agrarreform- Nationale Alphabetisierungs- Kampagne -Verstaatlichung ausländischer Unternehmen

Wohnungsbau in Havanna:- Bau von La Habana del Éste, ein neues Quartierfür 15 000 Bewohnern mit vier- und elfgeschossigen Gebäuden. Es wurden des Weiteren verschiedene Siedlungen mit ein- zweistöckigen Einfamilienhäusern oder vierstöckigen Mehrfamiliehäuser errichtet. Diese neuen Wohnungen können die Bewohner der Favelas aufnehmen, und führen zum Verschwinden dieserElendsviertel.-Mietsenkungen und das Gesetz zur Stadtreform(Ley de Reforma Urbana) 1960. Dieses Gesetz macht die Mehrheit der Mieter zu Besitzern ihrer Wohnungen.- Vergabe der Neubauten und der verlassenen, leerstehenden Villen der ehemaligen Oberschicht, die fast geschlossen das Land verlassen hat. 8LOW COST HOUSING Kuba 2003 Dipl.-Ing.Arch. Rainer Stark

1963 Erstellung eines ersten Stadtentwicklungsplans(Plan Director) für Havanna

- Es wird zunehmend der Versuch unternommendas Bauwesen zu industrialisieren- Folge dieser Bestrebung sind Trabantenstädtmit isoliert stehenden Wohnblöcken und eine hohe Verdichtung.

Konsequenzen:- Das Material und das qualifizierte Personal fürkonventionellen Hausbau geht verloren.- Bedeutungsverlust der bestehenden Gebäude und deren Vernachlässigung.

Das restliche bebaute Stadtgebiet:- Traditionelle Wohnviertel (Habana vieja, Centro Habana, Vedado) werden vernachlässigtund keine Maßnahmen zu deren Erhaltung getroffen. Die Wohnqualität sinkt bis hin zur Einsturzgefahr der Häuser.

-Aufgrund mangelnder städtebaulicher Qualitäten der neuen Trabantenstädte und vorallem wegen dem miserablen ÖPNV suchen viele Havanner nach Wohnungen im Stadtzentrum. Das führt zur Überbevölkerung der Innenstadt und zu nicht genehmigten Umbauten der Wohnungen und Häuser. Dies führt oft zu einer weiteren statischenBelastung der Gebäude und zu weiterenVersorgungseng- pässen im ohnehin veraltetenWasser-, Kanalisation- und Elektrizitätsnetzes.Überdies gibt es einschneidende Veränderungenim städtischen Nutzungsmix.- Umbauten von Ladenlokalen in zweigeschossigeWohnungen verändern das Straßenbild. Oft berücksichtigen diese Transformationen nichtdas Mindestmaß an hygienisch notwendiger Belüftung.- Gängige Umbauten sind der Einbau einer zusätzlichen Geschossdecke um die Wohnfläche zu verdoppeln und die enormen (5m) Geschoßhöhen der Kolonialbauten auszunutzen. Diese niedrigen, unerträglich heißen und stickigen Zwischengeschosse nennen die

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Kubaner sarkastisch "barbacoa", Grill.- Weitere Improvisationen sind Hütten auf den Dächern, die Erweiterung der engen Wohnungenauf die Arkadengänge und den Innenhof.- Große Teile der Altstadt und der Gründerzeitquartiere wurden dadurch im Laufe der Jahrzehnte unbewohnbar. Ein noch größererAnteil wird zwar noch genutzt, allerdings mit der Gefahr von Einstürzen in erdrückender Enge undoft ohne fließendes Wasser oder Anschluss an dieKanalisation. Der Verfall der Altstadt hat aber bereits vor der Revolution, Anfang des 20. Jh. begonnen. Die wohlhabenden Kubaner verließendie enge und stickige Altstadt und erbauten sich großzügige Villen im grünen Vedado oder Miramar. Die Häuser wurden daraufhin von den ärmeren Bürgern bewohnt.- Privatpersonen dürfen im sozialistischen Kuba keine Baustoffe erwerben. Die einzige, aber teureMöglichkeit bietet der Schwarzmarkt. Aus diesemGrund gibt es auch nur wenige Reparaturarbeitender Bewohner an ihren Wohnungen.

1970 Die Bildung der Microbrigadas wird direkt von Fidel Castro angeregt. - Seit Beginn der Micros 1970 bis zum Jahr 75 sind bereits 1150 Wohnungen gebaut. Mit dem System der Microbrigadas werden sowohl kleine ländliche Bauvorhaben als auch ganze Trabanten-städte errichtet. - Das System stößt allerdings schnell an seineGrenzen. Der Nachschub an Baumaterial und technischem Gerät kann nicht gewährleistet werden.- Ein weiteres Defizit der Micros ist die ausschließliche Ausrichtung auf die Bedürfnisse der angestellten Arbeiter. Das System schließt aber die oft vielbedürftigeren Arbeitslosen aus, ebenso wie die Angestellten von Staatsbetrieben ohne eigene

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Micros. - Es gibt kein flächendeckendes System im gesamten Land- Zonen in denen es keine Micros gibt sind auf dieHilfe des Staates angewiesen.

1980 Größtes Beispiel ist Alamar im Osten Havannas, das auf 120 000 Einwohner ausgelegt ist und derzeit 60 000 Einwohner zählt. Bei diesen großen Siedlungsbauten fehlt es jedoch an einem ausgewogenen Nutzungsmix. Es entstanden Schlafstätten mit einer geringen urbanen Qualitätund den üblichen daraus resultierenden Problemen. Weitere Siedlungen in der Größenordnung Alamars liegen ebenfalls an der Stadtperipherie: Altahabana im Süden, Reparto Eléctrico im Südosten und Ermita-San Agustín imWesten.

1990 Wirtschaftskrise und SpezialperiodeEinstellung jeglicher Bauaktivitäten

1997 Wiederaufnahme der Arbeit in den Microbrigadeneinzelner Betriebe, aus eigenen Mitteln. Es entstehen aber nur wenige Neubauten.Die Bauwirtschaft in Kuba konzentriert sich in denletzten Jahren auf Hotelbauten oder luxuriöse Apartments für solvente Ausländer

Dezember 2002 Absetzung des Bauministers Ing. MarioJunco wegen Misswirtschaft und Veruntreuung

Zusammenfassend hat das bestehende Defizit anWohnraum zwei Hauptursachen: 1. Schlechter Zustand des Gebäudebestandes 2. Wenige Neubauten

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4. Analyse der ökonomischen und soziologi schen Aspekte der ZielgruppenQuartierstruktur und Wohnkultur in Havanna

4.1 QuartierstrukturAufgrund der hohen Bevölkerungsdichte und der kurzfris-tig nicht beizukommenden Wohnungsnot, spielt der öffent-liche und halb öffentliche Raum eine wichtige Rolle Dochgerade an Frei - bzw. Grünräumen fehlt es im gesamtenZentrum der Stadt.

4.2 Haushaltsnettoeinkommen und LebensstilHauptbedürfnisse sind Parks und Plätze alsQuartierzentren. Diese Plätze fungieren als Treffpunkt dernäheren Nachbarschaft. Hier können die Älteren Dominooder die Kinder Baseball spielen, die Treffen der CDR(Komitee zur Verteidigung der Revolution) stattfinden undim Freien die sozialen Kontakte gepflegt werden. Hierbeiist es sinnvoller viele kleine Plätze zu schaffen als wenigegroße. Die kubanische Bevölkerung nimmt geradezuselbstverständlich von der Straße Besitz ein, großePlatzanlagen bleiben allerdings Menschenleer. Der öffent-liche Raum bekommt zusätzliche Bedeutung, aufgrundfehlender oder unbezahlbarer Alternativen sozialerKontaktmöglichkeiten. Dazu zwei Beispiele. DieEintrittspreise zu Musikkonzerten oder Diskotheken liegenzwischen 5-10$US. Der durchschnittliche Monatslohneines gut verdienenden Kubaners liegt bei ~ 15 - 20 $ US.Auch wenn man bedenkt das der überwiegendeBevölkerungsteil noch über zusätzliche Dollareinkünfteverfügen ( Verwandte in Maiami, Schwarzmarkt,Nebenjobs für Touristen...), die das offizielle Salär beiweitem übersteigen, bleibt etwa der abendlicheRestaurantbesuch unerschwinglich.Eine ebenso wichtige Bedeutung kommt den halb öffent-lichen Bereichen zu. Hiermit sind Vorgärten, innen liegen-de Höfe oder zur Straße hin offene HofartigeErschließungen gemeint. Diese Zonen haben einen priva-teren Charakter und dienen als direkteWohnungserweiterung und als Puffer zur anliegendenStraße. Hier ist eigentlich der klassische Ort für dieDominorunde und um vorbeikommende Bekannte zuempfangen. Der Gang in die Wohnung kommt erst imnächsten Schritt, und ist keineswegs selbstverständlich.An diesen Flächen mangelt es jedoch im ZentrumHavannas ebenso wie an Grünflächen undQuartiersplätzen. 10LOW COST HOUSING Kuba 2003 Dipl.-Ing.Arch. Rainer Stark

Zurzeit muss die Straße all dies leisten, was natürlich nurbegrenzt möglich ist und viele Gefahren birgt.Ein wichtiges Thema der zukünftigen Stadtplanung wirddie Bewältigung des ruhenden Verkehrs sein. Die anstei-gende Anzahl an Privatautos führt schon jetzt zu einerNutzung der wenigen existierenden Freiflächen alsParkplatz oder Garage ( Innenhof ). Durch das zu erwar-tende Wirtschaftswachstum Kubas wird derIndividualverkehr sprunghaft ansteigen. Die Gestaltungdes Öffentlichen Raums als kostenloseVersammlungsstätte bleibt dabei prioritär, da sowohl einbedeutender Lohnzuwachs für die Mehrheit derBevölkerung, als auch eine Lösung der Wohnungsnot-Problematik mittelfristig unwahrscheinlich ist.

4.3 Die FamilieDie klassische kubanische Familie besteht aus den Elternund zwei Kindern. Manchmal lebt noch ein Teil derGroßeltern mit in der Wohnung. Oder eins der Kinderbekommt wiederum ein eigenes Kind…s.o.

4.4 Die WohnungAufgrund der Enge sind den Kubanern die folgendenKriterien entscheidend: - Belüftung- Belichtung- Kontakt zwischen Innen und AußenGerade der Außenkontakt spielt eine entscheidendeRolle, die sich in dem Wunsch nach einem Balkon odereiner Terrasse äußert. Beide finden sich in der gesamtenBaugeschichte Kubas als zentrale Elemente wieder. Vonden ersten eingeschossigen Lehmbauten an wurde demEingangsbereich stets eine verschattet Terrasse vorgela-gert. Dieser Bautyp (heute meist aus Beton oder Ziegel)findet sich nach wie vor auf der gesamten Insel. Diemehrgeschossige Kolonialarchitektur in den Städten hatfast immer eine Arkade im Erdgeschoss und einen Hof mitGalerien, sowie Loggien, Balkone und eine Dachterrassein den Obergeschossen, die einen fließenden Übergangvom Innen- zum Außenraum schaffen. Diese Flächen sindallerdings heute vielfach zur Erweiterung der Wohnungumgebaut. Ungenutzte Balkone sind Luxus. DerWohnraum ist oft auch Speisezimmer undEingangsbereich. Er ist der Zentrale Bereich um den sichdie Wohnung /das Haus organisiert. Küche undWohnbereich sind voneinander getrennt. Das hat hygieni-sche Gründe und wird ebenfalls durch die vielfältige

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Nutzung des Wohnraums verständlich. Die Küche liegtjedoch in unmittelbarer Nähe und bildet mit dem Bad unddem Hof den Feuchtbereich. Der so genannte Patio (Hof)ist zentraler Bestandteil jeder kubanischen Wohnung undimmer an die Küche angeschlossen. Hierbei handelt essich um eine einer Loggia ähnelnden Abstellkammer, dienach außen offen ist. Patio und Balkon/Terrasse liegengetrennt voneinander. Bad und Küche sind meist so kleinwie möglich. In einem Zimmer schlafen in der Regel zweiKinder oder die Eltern. Die Zimmer sollen einen direktenZugang zu Bad haben, der nicht durch den Wohnraumführt.Eine Möglichkeit zur Querlüftung muss gegeben sein.

Die Wohnungsausrichtung folgt normalerweise folgendemSchema:- Bad, Küche und Patio in Süd und Süd- Westrichtung- Schlafräume in Ost und Nord -Ostrichtung- Wohn- und Aufenthaltsraum nach Norden

Minimale Raummaße für eine Standardwohnung:- Wohnen 9 m²- Essen 6 m²- Zimmer 7 m²- Bad 3 m²- Küche 5 m²- Patio 4 m²

Wohnen und Essen wird jedoch in der Regel zusammen-gelegt

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5. Projektbeschreibung und Konzept der Planung

5.1 Projektziele- Entwicklung eines Gebäudetyps, der durch Einsatz inno-vativer Baustoffe und Bauweise eine kostengünstigeAlternative zum Status Quo darstellt und zugleich einenhöheren Wohnkomfort sowie eine bessere Ökobilanz bietet- die Bekämpfung der Wohnraumknappheit - Das Projekt soll Lösungsansätze bieten, die landesweitanwendbar sind- Das Gebäude soll erstellt werden können durchEigenbau+Microbrigadas oder in Fertigbaueise duchstaatliche Baufirmen-Etappenweise Erbauung und Erweiterung

5.2 ZielgruppeDie Zielgruppe ist ein Sektor der Bevölkerung, der unterakuter Wohnraumknappheit leidet. Trotz niedrigemEinkommen soll eine kurzfristige Perspektive für ein eige-nes Haus entstehen. Der Bauprozess soll sowohl inEigenleistung als auch durch die Micros möglich sein.

5.3 ProjektbeschreibungDas Projekt benötigt als Grundlage einen streng definier-ten, städtebaulichen Rahmen. Ein Raster aus Haupt- undNebenstraßen, die eine sich wiederholende Bauflächenumschließen. Diese Quartiere sind aufgeteilt in gleichgroße Parzellen für Wohnhäuser, Flächen zur Errichtungöffentlicher Einrichtungen und Freiflächen als Parks oderSportplätze. Da diese Studie nicht auf einen speziellen Ortzugeschnitten ist, habe ich der Einfachheit halber dasstädtebauliche Ordnungsprinzip Villa El Salvador in Peruals Grundlage meiner Planungen angenommen. s. AnhangDie einzelnen Quartiere bestehen aus einer Vielzahl vonein- oder zweigeschossigen Häusern, die nebeneinanderals Doppelhäuser konzipiert sind. Jedes Doppelhaus hat imErdgeschoss eine Wohnung. Im Obergeschoss kann entwe-der eine weitere Wohneinheit aufgesetzt werden, oder eineErweiterung der Erdgeschosswohnung vorgenommen wer-den. Verbunden sind beide Etagen mit einem Treppenlaufaußerhalb des Gebäudes. Jedes Haus hat eine bebauteFläche von 42qm und jede Wohnung hat eine Wohnflächevon 30qm. Die Häuser sind gespiegelt. Die geplanteWohndichte ist ca. 300 bis 350 EW\ ha als Mittelwert undHöchstwert. Die bebauten Flächen betragen 50 % derGesamtfläche. Der Rest umfasst Straßen, Zwischenwege,grüne Flächen, Spielplätze und Treffpunkte.

5.4 FinanzierungDie Finanzierung des Projektes könnte durch das Systemder Microbrigadas geschehen. Die Materialkosten trägt derjeweilige Staatsbetrieb. Die zukünftigen Bewohner bringenihre Arbeitskraft ein und können dann über eine besondersgünstige Ratenzahlung Eigentum an ihren Wohnungenerweben. Die Abzahlung folgt dem Prinzip des Mietkaufes.Die monatliche Miete beträgt 6% des Arbeitslohnes. Beistaatlichen Wohnbauten liegt sie bei 10%. Hier soll noch ein-mal daran erinnert werden, dass nur die Familien einenAnspruch auf eine Wohnung durch die Micros haben, die beiden jeweiligen Staatsbetrieben angestellt sind.

Hier findet >der theoretischen Arbeit zuliebe< eine starkeVereinfachung der kubanischen Verhältnisse statt. Es würdeden Rahmen dieser Arbeit sprengen, die kubanische Praxisvon staatlichen Leistungen, Schwarzmarkt, Korruption unddie Funktionsweisen einer Planwirtschaft zu entflechten.Grundsätzlich könnten in Kuba, bei einem tatsächlichenInteresse, Entscheidungen schneller getroffen und durchge-setzt werden als in den meisten marktwirtschaftlich orientier-ten Demokratien. Ob die sich seit Jahrzehnten verschärfendeLage auf dem Wohnungs-markt, die nötige Priorität von denEntscheidungsträgern beigemessen bekommt, bleibt aller-dings abzuwarten.

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5.5 Beschreibung einer WohneinheitWohnzimmerDas Wohnzimmer hat eine Größe von 2,45 x 3,35 m. Esgibt eine Eingangstür mit einer Öffnung für Beleuchtungund Belüftung. Vom Wohnzimmer aus werden auch dieKüche, die Schlafzimmer und die Toilette durch einen klei-nen Flur erschlossen. SchlafzimmerJedes Schlafzimmer hat eine Größe von 2,45 x 2,45 m.Diese Fläche bietet Platz für ein Doppelbett oder zweiEinzelbetten. Ein geräumiger Einbauschrank trennt dieZimmer. Bad/ToiletteDie Toilette hat die Größe von 1,425 x 1,55 m und liegtneben der Küche. Boden und Wände sind halbhochgefliest. Der Duschabfluss wird durch ein Gefälle imBoden erreicht, auf eine Duschwanne wird verzichtet. KücheDie Küche hat eine Größe von 2,45 x 1,55 m und zweiTüren. Eine führt zum Wohnzimmer und die andere zumAbstellraum. TerrasseDer Eingangsbereich ist als überdachte Terrasse ausge-bildet

5.6 Soziale Aspekte der PlanungDie freien Plätze und angelegten Grünanlagen fördern diesozialen Kontakte der Nachbarn. Das städtebaulicheKonzept erlaubt vor allem den Kindern in der Nähe ihrerEltern miteinander zu Spielen. Das führt zur Verstärkungder sozialen Beziehungen und stärkt die Identifizierungder Bewohner mit ihrer Siedlung und erzeugt eine sozia-le Kontrolle.

Wohnen

Bad

Zimmer

Zimmer

KüchePatio

Terrasse

EG M 1:100

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5.7 Ökonomische Aspekte der Planung

Landnutzung Doppelhäuser benötigen weniger Bauland alsEinzelhäuser. Das bringt eine höhere Dichte und somiteine erhebliche Einsparung bei der Basisinfrastruktur.

BaumaterialienZwei wichtige Baustoffe sind in Kuba nicht in ausreichen-den Mengen lokal zu produzieren: Stahl und Holz. Holzwird nur für Fensterrahmen, Fensterläden, Einbauten undMöbel verarbeitet. Die Verwendung von Baustahl alsBetonbewehrung ist in Kuba zwar die Regel, muss aberimportiert und in Devisen bezahlt werden. Zement wird in Kuba selbst hergestellt und ist verhältnis-mäßig günstig. Ein Ansatz zum kostengünstigen Bauen ist somit derVersuch, den Anteil an Stahl im Rohbau zu minimieren.Seit Jahren gibt es schon Überlegungen und Versuche mitBagassezement. Bagasse ist ein Abfallprodukt aus derZuckerindustrie. Das Zuckerrohr ist langfasrig und kannhohe Zugkräfte aufnehmen. Somit erfüllt es eigentlich dieidealen Voraussetzungen als Betonzuschlag, alternativzum Stahl. Bisher gab es aber vielerlei Probleme mit demin den Fasern verbleibenden Zuckergehalt und demUnwissen über den Verrottungsprozess im Beton. Schützenhilfe kam dann von der Universität Bonn. Dorthat Dr. Ralf Pude vom Institut für Obst- und Gemüsebauden ökologischen Baustoffs "Chinaschilf" erforscht: "Seit zehn Jahren erforscht Dr. Pude den schnellwach-senden Schilf aus Fernost. Dabei kam ihm auch derGedanke, die Pflanze als Baumaterial zu verwenden.Doch der Durchbruch gelang erst, als vor gut anderthalbJahren der siebzigjährige Ingenieur Heribert Höhn miteiner Idee an ihn herantrat, wie man aus Miscanthus undZement ganze Wände mauern könnte. Die Pflanzen ein-fach zu häckseln und unter den Zement zu rühren, funk-tioniert nämlich nicht - das Produkt zerbröselt wie einKörnerbrot, das mit dem falschen Mehl gebacken wurde.Höhn hatte einen Mineralisator entwickelt und patentierenlassen, der den Zusammenhalt von Häckselgut undZement deutlich verbessert. "Dadurch können wir nun'Miscanthus-Steine' und geschosshohe Wandelementeproduzieren, die aufgrund des hohen Luftgehalts in denPflanzenstängeln einen ausgezeichneten Dämmwertbesitzen", erklärt Dr. Pude. Für die Herstellung von Estricheignen sich dagegen andere Miscanthus-Sorten, die sich

zu besonders stabilen Werkstoffen verarbeiten lassen, diegleichzeitig gute Dämmwerte gegen Wärme und Trittschallaufweisen. Nach der Mineralisation ist das Baumaterialunempfindlich gegen Nässe; auch Pilze oder andereSchmarotzer können dem Material dann nichts mehranhaben."Auf meine Anfrage hin, ob dieser Mineralisierungsprozessauch bei Bagasse funktioniere, und somit anstatt desChinaschilfes eingesetzt werden könne, kam es zu einemTreffen in Bonn. Herr Höhn hatte bereits eineVersuchsreihe gestartet und mir bestätigt, dass seinVerfahren auch bei Zuckerrohr Erfolg hat. Im Fall desModellprojektes in Kuba sind folgende Anwendungendenkbar:

1. alle tragenden und nicht tragenden Wände2. Bodenplatte3. Ausfachung zwischen den Deckenträgern

Das würde die Verwendung von Baustahl auf die Träger inder Geschossdecke und im Dach reduzieren. Hier währein Modellversuchen zu prüfen, ab welcher Geschosszahlund Belastung, die statisch erforderliche Dicke der tragen-den Mauern höhere Kosten produzieren als einStahlbetonskelettbau mit nicht tragenden Ausfachungen.

5.8 BautechnikDie Wände und Decken können als Fertigteile in derFabrik hergestellt werden und binnen ein- zwei Tagen derRohbau entstehen. Es ist allerdings ebenfalls möglich, vorOrt auf der Baustelle Mauersteine herzustellen und dieWände hoch zumauern. Dieser Vorgang dauert natürlichviel länger und verursacht erheblich höhere, volkswirt-schaftliche Kosten. Immerhin bindet der Bauprozess fürlange Zeit Arbeitskräfte, die in ihren Betrieben fehlen. DieProduktion und der Einsatz von Fertigteilen bringen abernicht nur wirtschaftliche Einsparungen sondern aucheinen Technologiezuwachs. In den Siebzigern hat Kubaauf dem Gebiet der Betonfertigteilherstellung ein hohestechnisches Niveau erreicht, welches durch die langeKrisenzeit und den Baustopp im Wohnsektor, wieder ver-loren ging. Hier kann möglicherweise an alte Traditionenangeknüpft werden.Fenster- und Türöffnungen gehen immer bis unter dieDecke. So kann man auf bewährte Unterzüge verzichten.Außerdem bietet das Oberlicht über den Türen dieMöglichkeit eine Lüftungsöffnung zu integrieren.

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GrundrisszonierungEinen erheblichen Anteil an den Kosten tragen dieVersorgungsleitungen (Frischwasser, Abwasser). Bei die-sem Posten kann auch am wenigsten improvisiert werden.Die Zielsetzung war die Minimierung der laufenden MeterRohrleitung im Haus und im Quartier insgesamt. DieLösung bringt die Konzentration des Nassbereichs beiderDoppelhaushälften an einem Punkt. Beide Küchen, Bäderund der Waschtisch im Patio liegen direkt aneinander. Eswird also jeweils nur eine Zu- und Ableitung proDoppelhaus geben. Bei einer Aufstockung wird nur eineSteigleitung bzw. ein Fallrohr benötigt und derWarmwassertank kann vom Dach, zentral, alle Bereicheversorgen.Die Raumgrößen sind auf ein Minimum reduziert undungenutzte Verkehrsflächen vermieden worden. DerWohnraum dient als Verteilerfläche.Das Doppelhaus spart zum Einzelhaus eine tragendeAußenwand inklusive Fundament ein.

5.9 ArbeitskräfteDie Arbeitskräfte sind größten Teils die zukünftigenEinwohner selbst, plus einige gelernten Facharbeiter, dieausreichende Erfahrung haben.

5.10 Komfortbedingungen und MikroklimaSonnenschutz Das gesamte Haus wird von einem leichten, fliegendenPultdach aus gewellten Faserzementplatten überdacht,gegen Regen abgedichtet und beschattet. Haupt-ausrichtung ist Nord-Süd oder eben umgekehrt auf deranderen Straßenseite. Das fliegende Pultdach hat jeweilsauf der Südfassade einen größeren Überstand. Das istder einzige Unterschied zwischen den beiden Straßen-seiten. Der Abstand zwischen den Doppelhäusern ist sehrschmal und bietet gerade Platz für eine Außentreppe insObergeschoß. Die Grundstücke sind absichtlich schmalzugeschnitten um diesen engen Hausabstand zu erzwin-gen. Dadurch entsteht erstens die gewünschte Dichte unddie Gebäude verschatten sich zudem untereinandergegen die tiefer einstrahlende Westsonne. Im ungünstig-sten Fall kommt es zu einer teilweisen, zweistündigenBestrahlung der Schlafzimmer von 14:00-16:00 Uhr.Durch den Anbau von Bäumen und Pflanzen, soll derSonnenschutz weiter erhöht werden. Die Terrassen undEingänge sind schattiert um den Bewohnern einen ange-nehmen Platz im Freien zu schaffen.

WändeEs ist bekannt, dass die Außenwände eine erheblicheMenge von Wärme aufnehmen und in das Haus abstrah-len, wenn sie besonnt werden. Schwere Wände speicherndie Hitze tagsüber und strahlen sie in der Nacht wiederab. Die Form der Häuser minimiert die Oberfläche derGebäudehülle und sie beschatten sich größtenteils selber.Dadurch kann die Wärmetransmission von außen nachinnen reduziert werden. Die Wände aus Bagassezementsind vergleichbar mit hiesigem Poren- oder Leichtbeton.Der "k-Wert" einer 30 cm dicken Außenwand könnte unter0,3 W/m² x K liegen, ein Spitzenwert, den das Wandele-ment ohne Hohlkörper und ohne Zusatzdämmung erreicht.Die Wandelemente sind massiv, ohne Beplankung, undohne dichtende Folien. Gleichzeitig ist der Werkstoffdampfdiffusionsfähig, und verfügt über gute schalldämm-mende Eigenschaften.

DachDer gewählte Dachaufbau wirkt als Hitzeschild gegen dieSonne. Oberer Raumabschluss ist die Decke für das poten-tielle Obergeschoss. Sie besteht aus Stahlbetonträgern alsFertigbauteile und einer Ausfachung mit Deckenelementenaus Bagassezement. Darüber wird das fliegende Pultdachaus gewellten Faserzementplatten aufgeständert. Daserhitzte Überdach erzeugt eine starke Thermik und sorgtfür eine gute Durchlüftung des Dachzwischenraums. Diedarunter liegende, verschattete Massivdecke heizt sichnicht auf und trägt zu einem angenehmen Raumklima bei.Bei der Decke über dem obersten Geschoss kann manauf die meisten Stahlbetonträger verzichten. Es ist dannaber auch in ferner Zukunft keine weitere Gebäudeerhöhungmehr möglich. Diese Dachkonstruktion hat außer denmikroklimatischen Qualitäten noch einen weiteren Vorteil.Wenn, wie in unserem Beispiel angenommen, einBaugeschehen in mehreren, teils lange auseinander lie-genden, Etappen abläuft, kann das Dach wiederverwertetwerden. Es wird demontiert und auf das neue Geschossaufgesetzt. Bei einem üblichen Dachaufbau wird in Kubaauf die Betondecke ein Gefälleestrich aufgebracht unddiese danach mit Asphalt, Bitumen oder Kacheln versie-gelt. Diese Technik ist bei einer einmaligen Ausführungdeutlich billiger als ein zweites Dach. Wenn man aber auf-stocken will, ist das gesamte Material verloren und daseingebrachte Gefälle muss zudem wieder ausnivelliertwerden. Außerdem ist dieser Dachaufbau wegen seinerÜberhitzungsgefahr eigentlich nur bei Geschosshöhen

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von über 4 Metern zu verantworten. Hier etwas mehr zuinvestieren, erscheint also gerechtfertigt. Produktinfor-mationen finden sich im Anhang.Risiko AsbestzementDie handelsüblichen und preisgünstigen Faserzement-platten werden mit Asbest hergestellt. Dieser baustoff istin der Herstellung und Verarbeitung ein Gesundheitsrisikound deshalb in Deutschland verboten. Trotzdem greife ichbewusst auf diesen Baustoff zurück, da er kurzfristig dieeinzige realistische Lösung des Problems darstellt. Es istdarüber hinaus nichts gegen eine Faserzementplatte ein-zuwenden wenn alternative zuschläge verwendet werden.Die Produktionstechnik wird in Kuba beherrscht. Es mussnun darauf hingearbeitet werden den Asbest zeitnah zuersetzen.GründachWenn die zwei möglichen Geschosse in einem Zuggebaut werden kann man auch ein Gründach in Erwägungziehen. Bauphysikalisch ist es sehr günstig und kannzudem auch zur Kleintierhaltung (Hühner, Kaninchen etc.)genutzt werden. Technisch ist es jedoch aufwendig herzu-stellen.Traditionelle DachformenDer Vollständigkeit halber sollen hier noch die traditionell-len Dachformen in ländlichen Regionen beschrieben wer-den. Fast alle Dächer sind Satteldächer und wahlweisemit Mönch- und Nonnen- Dachziegeln oder Yagua(Palmenblätter) eingedeckt. Die Dächer haben großeÜberstände. Besonders die Yaguadächer sind ein wir-kungsvoller Schutz gegen die Hitze der Sonne. In ver-dichteten Siedlungen und Städten kann diese Technikaber keine Anwendung finden. Die Brandgefahr ist zuhoch, und außerdem sind diese Dächer Brutstätten fürallerlei Reptilien und Insekten, also auch der Denge(Gelbfieber) bringenden Mosquitos. Ziegeldächer sind inKuba heute unbezahlbar.

Belüftung Das Thema Querlüftung wurde besonders imPlanungsprozess berücksichtigt, da sie der wichtigsteFaktor für das Wohlbefinden im heißfeuchten Kuba ist. Infeucht- heißen Klimazonen kann ein angenehmesRaumklima nur durch einen hohen Luftwechsel und star-ke Luftbewegung (3-4 m/s) im Gebäudeinneren erzeugtwerden. Entscheidender Faktor ist eine gut funktionieren-de Querlüftung. Es wurden daher ausreichend Öffnungengeschaffen, die sich gegenüber liegen. Die größten Öff-

nungen sind in den Nord- und Südfassaden vorne und hin-ten, damit eine starke Luftbewegung durch die gesamteWohnung stattfindet. Die zwei Schlafzimmer könnensowohl über die großen Fenster in Nord- bzw.Westfassade und öffenbare Oberlichter in den Türen quer-gelüftet werden, als auch über kleine Fenster an den derOst- bzw. Westfassade.

6. Energieeffizienz

Bei einem Low-Cost-Building gibt es natürlich fast keineGebäudetechnik, die einen nennenswerten Faktor beimEnergieverbrauch ausmacht. Man muss jedoch berük-ksichtigen, das die Elektrizitäts- und Gaspreise für denHausgebrauch stark subventioniert sind und daher keinökonomisch motiviertes Bestreben zum Energiesparen ent-steht. Die Regierung versucht hier allerdings überWerbespots, ein Um-weltbewusstsein zu schaffen. Eine Größe beim Energieverbrauch ist die Warmwasser-erzeugung. Trotz hoher Außentemperaturen scheuenKubaner nichts mehr als kaltes Wasser. HandelsüblicheWarmwassererzeuger sind ineffiziente Durchlauferhitzerim Duschkopf. Ein Wassertank auf dem Dach ist bereits weit verbreitet.Dieser dient jedoch ausschließlich als wasservorrat für dietäglichen druckabfälle im Versorgungsnetz. Um die Sonnenenergie effektiver zu nutzen und die Hitzedes Tages besser konservieren zu können, steht in unse-rem Fall der Tank in einem Treibhaus. Ein Teil desPultdaches ist mit transparentem Fiberglas gedeckt.Darunter steht der schwarz gestrichene Tank in einerabgeschlossenen Box. Der Tank unterhalb der Dachhautvermeidet zudem aufwendige Anschlussdetails. Die gewähle Dachform bietet ideale bedingungen für einenachrüstung durch Kollektoranlagen oder PhotoVoltaikElementen.

PrimärenergieaufwandDer Primärenergieaufwand, also die Energie zurHerstellung der Baumaterialien und während derBauphase ist ebenfalls gering. Bis auf die Armierung derDeckenträger kann komplett auf Stahl verzichtet werden.Das Hauptbaumaterial ist Bagassebeton unbewehrt. Esist selbsttragend, von geringer Dichte, wärmedemmend,Feuchte- und Salzbeständig. Zusätzliche Dichtungsbahnen,Dämmmaßnahmen oder sonstige Oberflächenveredelungen

sind nicht Notwendig. Es kann allerdings einePutzoberfläche aufgebracht werden. Der Putz kann eben-falls aus einem Bagasse-Zement-Gemisch hergestelltwerden.Der höchste Energieverbaruch entsteht bei der Zement-herstellung. Bagasse als Zuschlag und Holz für Fenster, Türen undInnenausbau sind regenerative Baustoffe. Alle Baustoffekönnen in Kuba hergestellt werden. Es entstehen keinelangen Transportwege.

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7. Umweltplitik und Alternative Energien

Energiepolitik in Kuba

7.1 offizielle Haltung der Regierung zum Umweltschutzund zur Energiegewinnung- Sechziger Jahre- Che Industrieminister beginnt auf demLand regenerative Energieprojekte- Achtziger Jahre- Entwicklungsstillstand, 57% Wirtschafts-verkehr mit Russland garantieren den Ölbedarf des Landes- Neuziger Jahre- nach Zusammenbruch des Ostblockseigene Energiepolitik

7.2 Beteiligte staatliche Institutionen- Ministerio de Ciencia, Tecnologia y Medio Ambiente (CITMA)- Ministerio de Educación (MINED)- Ministerio de Educación Superior (MES)- Ministerio de la Agricultura (MINAGRI)- Ministerio de la Industria Azucarera (MINAZ)- Ministerio de la Industria Sidero Mecanica (SIME)

7.3 Firmen und Nicht-Regierungs-Organisationen- Pronaturaleza- El Hombre y la Naturaleza- Federación de Mujeres Cubanas (FMC)- CUBASOLAR

7.4 Verschiedene Energiequellen in Kuba7.4.1 SonnenenergieJe qm und Tag fällt auf Kubanisches TerritoriumSonnenenergie äquivalent 0,5 kg Heizöl, imJahresdurchschnitt. Der Grad der Sonneneinstrahlung aufKuba ist nahezu gleich im gesamten Inselgebiet von 5kWh/qm pro Tag. 7.4.2 Biomasse- Zucker: Wichtigster und größter Agrikultur-Industriezweigist die Zuckerproduktion. Jährlich werden aus 60 mio. tZuckerrohr 7 mio. Tonnen Reinzucker produziert. AlsSekundärprodukt entstehen 17,5 mio. Tonnen Bagasseund eine gleiche Menge an verschiedenen Abfallproduk-ten wie Blätter, Herz und Stroh. Die Bagasse deckt 30%des kubanischen Energiebedarfes. - Brennholz: Die Menge an existierendem Brennholz, wel-ches umweltverträglich abgeholzt werden kann beträgt3,5 mio. m³ Holz pro Jahr und wird lokal verarbeitet. DieHolzvorkommen sind regional unterschiedlich und kon-zentrieren sich in den Bergen, Küsten und Inseln. 73% der

Vorkommen konzentrieren sich in 7 Provinzen (von 14)und der Insel "Isla de la Juventud". - Weitere lokalen Biomassen: Hülsen und schalen vonReis und Kokosnuss, Kaffee- Kleie sowie Sägemehl undHobelspäne - Biogas: Aktuelles Potential des Rohmaterials zuProduktion von Biogas sind 78 mio m³ Abfälle undKompost. Diese Abfälle bilden den Größten MüllbergKubas und entstehen hauptsächlich in den Zuckerfabri-ken, Alkoholbrennereien und der Kaffeepro-duktion. DieVorteile der Biogasproduktion liegen in der Verarbeitungalso Verringerung von Abfall und produzieren alsSekundärprodukt einen sehr ertragreichen Dünger. 7.4.3 WasserenergieDer gesamte potentielle Energiegewinn aus Wasserbeträgt 650 MW und entspricht einer Leistung von 1300GW/h pro Jahr und ist entsprechend der Heizkraft von 500000 Tonnen Rohöl. Von diesem Potential werden derzeitnur 55 MW genutzt, und 80 GW/h im Jahr produziert. DieWasserkraft wird hauptsächlich in ländlichen Berggebietengenutzt. Angestrebt sind eine Gesamtleistung von 25 MWin 400 verschiedenen Mini- und Mikrozentralen. Hiervonsind bereits 200 installiert, die eine stabile Energieversorgungvon 30 000 Personen in ~230 ländlichen Ansiedlungengarantieren. Das Größte Wasserkraftwerk steht in Toa-Duaba und hat eine Leistung von 300 MW und produziert600GW/h im Jahr. Im Zuge der Agrarreform nach derRevolution wurden an den Flüssen über 1000 kleinerStauseen angelegt. 7.4.4 WindenergieÜber das Land verteilt existieren mehr als 8000 Windräderüber fast alle Provinzen verteilt. Auf die Initiative vonCubaSolar wurde in Bayamo die Produktion mehrflügligerWindräder wieder aufgenommen. Die Entwicklung vonneuen effizienteren Modellen wird im Centro Integrado deTecnología Apropiada de Camagüey vorangetrieben.Anfangs existierten keine ausreichenden Windmessungen,die einen hinreichenden Aufschluss über die optimalenStandorte geben konnten. Seit einer detaillierten Mess-reihe von CubaSolar und MINBAS haben sich vor allemdie Inseln und Riffe als besonders geeignet herausgestellt.Drei verschiedene Anlagen sollen hier aufgeführt werden:Ein Windpark auf der Insel Turiguanó mit 450 KW, einMischsystem aus Windkraft und Diesel auf dem RiffRomano mit 10KW und ein Anschauungsprojekt in Puntade Ganado mit 3 KW.

7.4.5 Thermoelektrische Energie und PhotovoltaikDie Sonneneinstrahlung hat eine Intensität von 5000 kcal/m²am Tag. Die landesweiten Unterschiede sind relativ gering.Bis 1989 wurden Flachkollektoren und Heizwassertanksproduziert. An der Entwicklung und Produktion beteiligtwaren: Centro de Investigaciones de la Energia Solar(CIES), Santiago de Cuba, Instituto Superior PolitécnicoJosé Antonio Echeverría (ISPJAE), Ministerio de laIndustria Sideromecánica y Electrónica (SIME). Es wur-den Kubaweit 350 solare Heizsysteme in Krankenhäu-sern, Kindergärten oder Altenheimen und anderen sozialenEinrichtungen installiert. Die durch den Zusammenbruchdes Ostblocks provozierte schwere WirtschaftskriseKubas wurde die Produktion eingestellt. Seit 1993 werdenunter der Leitung von EcoSol und Rensol wieder Solar-elemente zu kommerziellen zwecken Produziert. Durch dieMitarbeit von CubaSolar wurden neue kompakte Kollektorenentwickelt mit einer hohen Effizienz, angepasst an die kli-matischen Verhältnisse und mit hoher Qualität. Produziertwurden die Elemente von ECISOFT und durch EcoSolvermarktet. Seit fast 20 Jahren werden von der CIES und Grupo deInvestigaciones de la Energía Solar Habana Technikenentwickelt zur Nutzung der Sonnenenergie bei derTrocknung von landwirtschaftlichen Produkten, medizini-schen Pflanzen, Getreide und Hölzern. In Kuba existieren zurzeit noch 5% der Haushalte in länd-lichen Gebieten ohne Elektrizitätsanschluss. Zu diesemZweck wurde ein Programm zur Elektrizitätsversorgungmittels Photovoltaik beschlossen. Vorrangig dabei sindmedizinische Stationen (200) und andere sozialenEinrichtungen (40). In Kuba gibt es zwei große Produktionsstätten fürPhotovoltaikelemente: -Combinado de Componentes Electrónicos ComandanteErnesto Che Guevara, Pinar del Rio-Copextel s.a., La Habana7.4.6 Meereswärme und KühleAuf lange Sicht können die unterschiedlichen Temperaturenin den Wasserschichten des Ozeans, die von der Sonnen-einstrahlung auf die Wasseroberfläche herrühren, zurEnergiegewinnung genutzt werden. Der Temperaturunter-schied beläuft sich zwischen 15-20C° in Tiefen von 700-1000m. Der Große Anteil Küste gemessen an der Gesamt-fläche Kubas sowie die Form der Marinen Platte erlaubendie Nutzung des Meerwassers zur Elektrizitätserzeugung

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sowie zur Kühlung und Klimatisierung. Schon Anfang des20 Jh. wurde in Kuba durch den französischenWissenschaftler Claude demonstriert, wie man mit einemPilotprojekt in der Bucht von Matanza auf eine Leistungvon 30KW kommen kann.

7.5 Die Institutionen und Ihre Forschungsschwerpunkte

Centro de Investigaciones de Energia SolarEntwicklung von Solarkollektoren, Trockenkammern fürAgrarprodukte, Wasserdestillationsanlagen, Treibhäuser,Solarhäuser, Windräder, Solare Wasserpumpen,Windgeneratoren, Photovoltaiksysteme, Technologien zurKultivierung von Mikroalgen, Solarsaunen, Solar- undBiomasseküchen.

Instituto de Materiales y Reactivos para la Electronica(IMRE), Uni HabanaEntwicklung von Solarzellen und Technologien zurGewinnung und Nutzung von Wasserstoff

Centro Integral de Technologias Apropeadas (CITA),CamagüeyEntwicklung von Wind- und Wasserkraftanlagen

Cento de Estudios de Technologias de EnergiasRenovables (CETER), ISPJAE HabanaErforschung der thermischen Energiegewinne aus Sonne,Wind und Biomasse

Grupo de Fisica Ambiental del Ministerio de la Construcción(MICONS) und Grupo de Arquitectura Solar, Architektur-fakultät ISPJAE, HavannaTageslichtnutzung und natürliche Belüftung undBioklimatische Architektur

Grupos de Energia Eolica de CubaSolar y MINBAS unddas Instituto de Meteorologia Grundlagenforschung zum Gesamtenergiepotential ausWind auf Kuba

Instituto Cubano de Investigaciones Azucareras (ICINAZ),Ministrio de AzucarNeue Nutzungen der Abfälle und Nebenprodukte derZuckerindustrie, wie Bagasse und Stroh als Brennstoffeoder Biogas

Weitere Technische Universitäten: Santiago de Cuba, Santa Clara, Cienfuegos und Pinar del RioForschung an, Zuckerindustrie, Agrarwissenschaften,Solararchitektur, Kühlung und Klimatisierung,Thermoelektrische Geräte, Wasserenergie

Ministerio Industria Sideromecanica y Electronica (SIME)Fabrikation verschiedener Produkte zur Nutzung vonregenerativen Energien im Werk Combinado Sidero-mecanico de Santa Clara und Fabrikation von Solarwarm-wassergeräten in Moron, seit kurzem existiert eineProduktionsstätte für moderne solare Heizanlagen in derFirma ECISOFT, weitere Produkte sind effiziente Küchenund Wasserturbinen.

Ministerio de la Industria Azucarera (MINAZ)Die Zuckerindustrie ist der Landesweit größte Produzentvon erneuerbarer Energie. Grundlage ist die Verwertungvon Bagasse sowie anderer Sekundärprodukte aus demZuckerrohranbau.

Ministerio de la Agricultura (MINAGRI) Verwertung von Biomasse und Brennholz sowie derProduktion von Holzkohle. Das Landwirtschaftsministeriumproduziert in seiner Fabrik in Bayamo Windräder zumBetreiben von Wasserpumpen.

RENSOL, Moron, Ciego de AvilaHerstellung von Solarheizgeräte für den KubanischenMarkt und den Export. Forschung auf dem gesamtenGebiet erneuerbarer Energien.

CUBASOLARKubanische Gesellschaft zur Unterstützung der NutzungRegenerativer Energiequellen und des Umweltschutzes

8.6 Gesetz zum Umweltschutz in Kuba11. Juli 1997 (Ley No.81 "Del Medio Ambiente")Dieses Gesetz schafft die Grundlagen der Evaluierungvon Einwirkungen auf die Umwelt. Es ist ein Äquivalentzur Deutschen Umweltverträglichkeitsprüfung bei Bau-maßnahmen, Umweltschutzprogrammen etc.Verantwortlich ist das Ministerio de Ciencia Technologia yMedio Ambiente (CITMA)

8. Literatur

Der Überwiegende Teil der Arbeit basiert auf eigenenErhebungen und Nachforschungen. Dennoch einigeBuchempfehlungen und WWW-Adressen zum Thema:

Tropenbau / Energieeffizientes Bauen

Der Klassiker:“Tropenbau“, Georg Lippsmeier, zu bestell-len unter www.lippsmeier.de, ~25Ä

Sehr anschaulich: “Sol Power“, Behling, Prestel, ISBN 3-7913-1651-6, 10Ä

Von 1992 aber ein Meilenstein: “WohltemperierteArchitektur“, Oswalt, C.F.Müller, ISBN 3-7880-7459-0

Gut aber spanisch: “Arquitectura solar para climas cali-dos“, Geohabitat, ISBN 84-607-1006-8

Alles über Chinaschilf: www.miscanthus.de

Kuba

Aktuell und umfassend: "Kuba heute, Politik, Wirtschaft,Kultur", Ottmar Ette & Martin Franzbach (Hrsg.), Verwert-Verlag 200, ISBN 3-89354-575-1, 45Ä

Immer gut Informiert: “BeckscheReihe-Kuba“

Umfassender Überblick über Kubas Energiepolitik, Datenund Projekte, in Spanisch: “El Camino del Sol“, E. Turrini,Cubasolar, ISBN 959-7113-02-3

Architekturgeschichte: “Arquitectura Colonial“, J.E. Weiss,Editorial Pueblo y Educación, La Habana

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