Lügen, schlimme Lügen und IT-Verträge

100
LIES Lügen, schlimme Lügen &IT-Verträge Guten Morgen! Ich freue mich, dass doch noch ein paar Leute da sind. Obwohl das Thema - IT-Verträge - alles andere als spannend ist und der Abstract schräg kopiert war, der zweite Teil war eigentlich nur Anmerkung für das Board. Damit die den nicht mit dem agile-Verträge-Talk verwechseln, weil darum geht es mir heute nur ein bisschen.

Transcript of Lügen, schlimme Lügen und IT-Verträge

Page 1: Lügen, schlimme Lügen und IT-Verträge

LIES

Lügen, schlimme Lügen

&IT-Verträge Guten Morgen!Ich freue mich, dass doch noch ein paar Leute da sind. Obwohl das Thema - IT-Verträge - alles andere als spannend ist und der Abstract schräg kopiert war, der zweite Teil war eigentlich nur Anmerkung für das Board. Damit die den nicht mit dem agile-Verträge-Talk verwechseln, weil darum geht es mir heute nur ein bisschen.

Page 2: Lügen, schlimme Lügen und IT-Verträge

Seitdem ich IT mache nervt es

Ich bin ein typischer IT-Nerd, und ich möchte coole Sachen mit Computern machen, die meine Kunden begeistern. Damit ist der Vertrag mein natürlicher Feind, denn er möchte verhindern, dass ich coole Dinge mache, die meine Kunden begeistern. Er möchte, dass ich genau das mache, was im Vertrag steht. Deshalb haben Verträge und ich schon immer ein gespaltenes Verhältnis.

Page 3: Lügen, schlimme Lügen und IT-Verträge

IANAL.

Eins vorweg - natürlich bin ich kein Anwalt. Und ich rate hier auch nicht zu Verträgen, und Rechtsberatung darf ich sogar rechtlich nicht machen. Ich weiß ehrlich gesagt noch nicht mal, ob die Aussage, dass das keine Rechtsberatung ist, schon eine Rechtsberatung wäre. Aber mir geht es auch eigentlich um einen anderen Punkt :-)

Page 4: Lügen, schlimme Lügen und IT-Verträge

„There are three kinds of lies: lies, damned lies, and statistics.“

Mark Twain credited this to Disraeli. (that’s a lie)

Wer den Titel gesehen hat weiß natürlich, wo der herkommt. Es gibt drei Arten von Lügen - Lügen, schlimme Lügen und Statistic.Bezeichnenderweise ist auch dieses Statement selbst eine Lüge, denn obwohl Mark Twain es Disraeli anhängt hat dieser es so nicht gesagt - als Politiker, der Statistik als Basis seiner Arbeit nimmt, wäre das vermutlich auch unklug. Deshalb hat auch Churchill nicht gesagt, dass er keiner Statistik glaubt, die er nicht selbst gefälscht hat. Das hat Göbbels über ihn behauptet, und das ist auch eine Lüge gewesen.

Page 5: Lügen, schlimme Lügen und IT-Verträge

Wieso das denn? Statistiken dokumentieren

doch nur die Realität?

Warum glaubt man Statistiken nicht? Statistiken fassen doch meist nur echte, gesammelte Daten zusammen? Hat jemand eine Idee? Genau, weil Statistiken Kontext haben - und im Richtigen Kontext angewandt sind sie wahr, man kann sie mit neuem Kontext auch gut missbrauchen.

Page 6: Lügen, schlimme Lügen und IT-Verträge

„Dienst nach Vorschrift.“

In Deutschland gibt es den Begriff von Dienst nach Vorschrift. Auch hier würde man denken „Hey, ist doch super, wenn alle Leute es so machen würden wie die Vorschrift es fordert.“ Gerade wir Deutschen, die gerne mal mitten in der Nacht einsam und verlassen auf die grüne Fussgängerampel warten sollte das doch eine völlige Superidee sein. Wenn Ihr mit jemand kooperiert der Dienst nach Vorschrift macht, wäre das eine Superidee?

Page 7: Lügen, schlimme Lügen und IT-Verträge

„Der Bundesgerichtshof sah 1973 ein derartiges Verhalten

von deutschen Fluglotsen, die als Beamte nicht regulär streiken durften, als rechtswidrig an.“

Quelle: https://de.wikipedia.org/wiki/Dienst_nach_Vorschrift

Faktisch ist Dienst nach Vorschrift sogar höchstrichterlich durch den Bundesgerichtshof verboten worden. Es ist eine Form des Streiks, genau nach Vorschrift zu arbeiten.

Page 8: Lügen, schlimme Lügen und IT-Verträge

„Du machst Dich strafbar, wenn Du Dich genau so verhält,

wie wir es im Arbeitsvertrag vereinbart haben.“

Das muss man sich mal auf der Zunge zergehen lassen: Der Staat kann seine Angestellten verklagen, wenn sie sich genau so verhalten, wie es Ihre Vorschriften vorsehen.

Page 9: Lügen, schlimme Lügen und IT-Verträge

IT-Verträge

Schauen wir uns das doch mal in der IT an.

Page 10: Lügen, schlimme Lügen und IT-Verträge

„Vertrag: Vereinbarung, die erst wirksam wird, wenn das Vertragen endet.“

Aber kommen wir zu den Verträgen. Auch zu denen gibt es sehr viele Zitate, und ich habe mal ein paar gesammelt. „Der Vertrag ist eine Vereinbarung, die erst wirksam wird, wenn das Vertragen endet.“. Wäre nicht eine Vereinbarung besser gewesen, die macht, dass man sich verträgt?

Page 11: Lügen, schlimme Lügen und IT-Verträge

"Jeder Vertrag enthält einiges, was er nicht enthält."

Ein Vertrag enthält einiges, was er nicht enhält. Offensichtlich gibt es da Dinge, die wichtig sind, die man aber mit einem Vertrag nicht in den Griff bekommen kann.

Page 12: Lügen, schlimme Lügen und IT-Verträge

„Vor dem Richter und auf hoher See

sind wir in Gottes Hand.“Und dann gibt es da noch den schönen Satz „Vor dem Richter und auf hoher See sind wir in Gottes Hand.“ - offensichtlich hat man wenig Einfluss auf das, was passiert, wenn man vor Gericht steht. Während der Durchschnittshamburger die hohe See für ein kalkulierbares Risiko hält, auf das man sich mit den richtigen Massnahmen einstellen kann.

Page 13: Lügen, schlimme Lügen und IT-Verträge

„Eines der obersten Ziele bei der Vertragsgestaltung ist die Vermeidung von Risiken. Der schönste Vertrag nutzt Ihnen nicht viel, wenn er hohe Risiken birgt.

Kapitel 1 Absatz 1 „Gestaltung und Management von IT-Verträgen“

Wozu gibt es IT-Verträge? Eines der obersten Ziele bei der Vertragsgestaltung ist die Vermeidung von Risiken. Der schönste Vertrag nutzt Ihnen nicht viel, wenn er hohe Risiken birgt. Das ist der erste Absatz im ersten Kapitel des guten Buches „Gestaltung und Management von IT-Verträgen.“. Im Umkehrschluss: wenn ich einen guten Vertrag habe, dann habe ich auch keine hohen Risiken mehr?

Page 14: Lügen, schlimme Lügen und IT-Verträge

Chaos Report 2012

18 %

43 %

39 %

SuccessfulChallengedFailed

Das sind die Zahlen aus dem Chaos Report 2012. Etwa 20% werden ohne Ergebnis beendet, der größte Teil erfüllt nicht das, was im Vertrag - nämlich Scope & Budget - vereinbart wurde. Nur knapp 40% liefern das, was vereinbart war.

Page 15: Lügen, schlimme Lügen und IT-Verträge

Das scheint ja nu nicht so gut geklappt zu haben. Das Hauptziel der Verträge ist, es grosse Risiken zu vermeiden, und trotzdem klappt das nur in 40% der Fälle? Na, Ihr Rechtsanwälte seit ja mal eine Grosse Hilfe gewesen.

Page 16: Lügen, schlimme Lügen und IT-Verträge

WTF?Offensichtlich ist da was Fischig mit den Verträgen. Die scheitern grandios an der gestellten Aufgabe, und trotzdem machen wir sie? Sollte man sich da nicht etwas besseres erlauben?

Page 17: Lügen, schlimme Lügen und IT-Verträge

CynefinLebensraum, Platz

Um an das Problem näher heranzukommen brauche ich mal Cynefin. Nachdem sich jetzt die Welt entschlossen hat, das weitestgehend frei und nicht walisisch auszusprechen halte ich mich daran. Wer das kennt: tut mir leid, da müsst ihr jetzt durch, ich beeile mich. Wer das nicht kennt: das ist nützlich.

Page 18: Lügen, schlimme Lügen und IT-Verträge

Komplex Kompliziert

Chaotisch Offensichtlich

Verwirrung

Cynefin ist ein Sensemaking-Model, also ein Modell das hilft, um Dinge zu verstehen. Gartner: “By 2016, the Cynefin framework will be used in 10% of IT operations organizations as a sensemaking methodology.“. Und hier hilft es. Es unterscheidet Dinge, die zB in Unternehmen passieren, in 5 Quadranten - komplex, kompliziert, chaotisch & offensichtlich.

Page 19: Lügen, schlimme Lügen und IT-Verträge

Ping Pong

OffensichtlichDer Zusammenhang zwischen Ursache und Wirkung ist bekannt, vorhersagbar und wiederholbar.

Page 20: Lügen, schlimme Lügen und IT-Verträge

Kompliziert

Ping

Einfach

Pong

Kompliziert

Ursache und Wirkung sind über Zeit und Raum getrennt, aber nachvollziehbar und wiederholbar.Das ist nicht trivial, aber machbar. Es ist besser, wenn ich eine Ausbildung und/oder Erfahrung mitbringe. Wird auch Knowable genannt, man kann es also sicher wissen, wenn man will. Komplizierte Welten können komplizierte Teile enthalten, aber alles verhält sich vorhersagbar, wenn man sich nur genug Zeit nimmt.

Page 21: Lügen, schlimme Lügen und IT-Verträge

Chaotisch

Pong

In Chaotisch wirds gemein. Es gibt keinen erkennbaren Zusammenhang zwischen Ursache und Wirkung. In chaotischen Teilen weiß ich nicht, was warum passiert. Ich mache Dinge und Dinge passieren, warum das so ist und wie die zusammenhängen - keine Ahnung.

Page 22: Lügen, schlimme Lügen und IT-Verträge

Komplex

Einfach

Einfach

Chaotisch

Komplex

Kompliziert

Einfach

In komplexen Welten wird es etwas anstrengender. Wie in der komplizieten Welt enthält ein komplexes System offensichtliche und komplizierte Teile, es kann aber auch chaotische und selbst komplexe Teile enthalten.

Page 23: Lügen, schlimme Lügen und IT-Verträge

Komplex

Einfach

Einfach

Chaotisch

Komplex

Kompliziert

Einfach

Diese stehen wieder in Beziehung, sie beeinflussen sich - in einer oder in beide Richtungen.

Page 24: Lügen, schlimme Lügen und IT-Verträge

Komplex

Einfach

Einfach

Chaotisch

Komplex

Kompliziert

Einfach

verstärkend

dämpfend

Rück- kopplung

Und sie wirken aufeinander, sie können sich verstärken und dämpfen - und es gibt Rückkopplungen. Und diese Schleifen machen uns das Leben schwer- denn sie lassen sich nur schwer vorausberechnen und vorhersagen. Auch die chaotischen Anteile sind nicht vorhersagbar, und das gleiche gilt natürlich auch für die komplexen Anteile, die enthalten sind.

Page 25: Lügen, schlimme Lügen und IT-Verträge

Komplex

Einfach

Einfach

Chaotisch

Komplex

Kompliziert

Einfach

verstärkend

dämpfend

Rück- kopplung

Und als ob es noch nicht genug wäre, gibt es in komplexen Systemen natürlich noch externe Einflüsse, die nicht vorhersagbar sind.

Page 26: Lügen, schlimme Lügen und IT-Verträge

Ursache und Wirkung sind erst im Nachhinein zu verstehen.

Im Vorhinein ist es nicht möglich.

KomplexUnd das macht das komplexe System zu einem gemeinen. Ursache und Wirkung verstehen wir erst im Nachhinein. Erst wenn wir wissen, welche externen Einflüsse es gab, welche Rückkopplungen, welche Verstärkungen, welche Schleifen wie gewirkt haben können wir sagen, was relevant für das Ergebnis war und was nicht.

Page 27: Lügen, schlimme Lügen und IT-Verträge

Es gibt unbekannte Unbekannte - man weiß noch nicht mal,

nach was man fragen sollte.

KomplexIch weiß also vorher auch nicht, welche Variablen ich mir angucken muss. Das sind unbekannte Unbekannte, also Dinge, von denen man gar nicht weiß, dass man sie nicht weiß.

Page 28: Lügen, schlimme Lügen und IT-Verträge

Das Ergebnis kennt man erst wenn es existiert.

KomplexDamit kann man offensichtlich nicht vollständig planen - ich weiß weder, wie Ursache und Wirkung zusammenhängen wird, noch weiß ich, welche Fragen ich stellen müsste.

Page 29: Lügen, schlimme Lügen und IT-Verträge

Komplex

Egal wie viel Zeit man mit Analyse verbringt, es ist nicht

möglich, die Risiken zu identifizieren oder die Lösung

oder den Aufwand zur Problemlösung vorherzusagen.

Jetzt könnte man sagen: ja, da haben die halt nicht genug recherchiert. Da hätten Sie einfach noch mehr planen müssen. Das Problem ist aber, dass selbst ein endlos grosser Aufwand für Planung weder die Lösung bestimmen kann, noch die Risiken erkennen kann, noch den Aufwand zur Problemlösung selbst bestimmen kann. Das klingt wie ein Paradoxon: es ist billiger etwas zu machen als es zu planen.

Page 30: Lügen, schlimme Lügen und IT-Verträge

Komplizierte Systeme

Wir Informatiker mögen komplizierte Systeme, da kann man brillanten Kram machen und mit Brain-Fu punkten. Mit genug Nachdenken ist jedes Problem verlässlich lösbar. Also wäre es doch super, wenn alle unsere Aufgabenstellungen komplizierte wären, weil wir darin so gut sind? Wie sieht es denn in der Praxis aus?

Page 31: Lügen, schlimme Lügen und IT-Verträge

Einfach

Kompli ziert

Komplex

Chaotisch

Lösung klar

Lösung unklar

An

fod

eru

ng

un

klar

An

ford

eru

ng

klar

Die Stacey-Matrix gibt einem die Möglichkeit, die Aufgaben einzuordnen - und zwar nicht nur in die Quadranten aus Cynefin, sondern auch klassifiziert nach Verstandenen Anforderungen und Lösung. Es gibt viele IT-Probleme, die in einfach stattfinden - die 20te Landing-Page und das 12te CMS. Wenn der Kunde aber noch nicht weiß was er will befinden wir uns im linken komplizierten Umfeld, da muss dann der Requirementsmanager klären um was es tatsächlich geht, wenn wir den XML-Import eines Lieferanten integrieren müssen sind wir im rechten komplizierten Feld erst analysieren müssen, wie das XML aussieht, ob da alles drinsteckt was wir brauchen und die Schnittstelle selbst überhaupt funktioniert.

Page 32: Lügen, schlimme Lügen und IT-Verträge

Einfach

Kompli ziert

Komplex

Chaotisch

Lösung klar

Lösung unklar

An

fod

eru

ng

un

klar

An

ford

eru

ng

klar

Ich habe Stacey-Chart oft in der IT gemacht, und meist landen IT-Projekte im komplexen. Die Anforderungen sind nicht völlig klar, dafür aber auch die Lösung nicht. Aber man weiß, was man tut.

Page 33: Lügen, schlimme Lügen und IT-Verträge

6 Monate 6 Personen

50% Scope-Creep

„Looks like there are unknown unknowns.“

David J Anderson von Agile Manager hat mehrere tausend Projekte analysiert, und die bekommen - grob als Faustformel - während der 6 Monate noch etwa die Hälfte an Aufwand mit dazu. Das erklärt auch die schlechte Trefferquote in Time & Budget im Chaos-Report.

Page 34: Lügen, schlimme Lügen und IT-Verträge

!

"

#

$

%

&Workflow Engine

Supplier Service

User Management

ERP

E-Commerce-Module

Web Frontend

Das ist auch nicht weiter verwunderlich - denn innerhalb unserer Lösungswelten selbst findet eine ganze Reihe von komplexen Systemen statt. Das Zusammenspiel zwischen verschiedenen Komponenten in einer IT-Landschaft ist zB ein klassisches komplexes System.

Page 35: Lügen, schlimme Lügen und IT-Verträge

Sales-Guy

Management

Project Lead

Endkunde

Product Development

Developer

Aber auch im Wetwarebereich passiert das. Das Team, die Kooperation mit dem Dienstleister.

Page 36: Lügen, schlimme Lügen und IT-Verträge

Und auch wenn es manchmal aussieht als wäre es ganz einfach - faktisch stecken praktisch überall komplexe Elemente drin.

Page 37: Lügen, schlimme Lügen und IT-Verträge

Einfach

Kompli ziert

Komplex

Chaotisch

Lösung klar

Lösung unklar

An

fod

eru

ng

un

klar

An

ford

eru

ng

klar

Die meisten IT-Projekte finden also im komplexen Bereich statt. Bei den anderen müssen wir uns keine Sorgen machen, ausser sie sind chaotisch.

Page 38: Lügen, schlimme Lügen und IT-Verträge

IT-Verträge

Kommen wir zurück zu den Wertverträgen. Welche beiden grossen Typen gibt es da?

Page 39: Lügen, schlimme Lügen und IT-Verträge

Werkvertrag

1. Vereinbarung 2. Implementierung 3. Abnahme 4. Mängelbeseitigung 5. Bezahlung

Werkverträge - und auch Kaufverträge, mit ein paar Abweichungen - bestehen auf der Zeitlinie im wesentlichen aus der initialen Vereinbarung, also dem Vertrag und der Definition des Werkes selbst, dann folgt die Implementierung, dann die Abnahme, es gibt Mängel die erkannt und beseitigt werden, und natürlich wird auch irgendwann noch einmal bezahlt.

Page 40: Lügen, schlimme Lügen und IT-Verträge

• Vereinbarung

• Detaillierte Aufgabenstellung • Fertigstellungstermin • Kosten • Gewährleistungen • Haftung …

Die initiale Vereinbarung besteht aus diesen Teilen: der detaillierten Aufgabenstellung, dem Fertigstellungstermin, den Kosten, der Handhabe von Gewährleistung und Haftung.

Page 41: Lügen, schlimme Lügen und IT-Verträge

• Detaillierte Aufgabenstellung

„Das Ergebnis kennt man erst wenn es existiert.“

Schauen wir uns die Punkte doch mal im Detail an. Wir brauchen also eine detaillierte Aufgabenstellung. Zeitgleich wissen wir aus dem Verhalten komplexer Systeme, dass das Ergebnis erst bekannt ist, wenn man durch die ganze Schoose durch ist. Wer kennt Pflichtenheft mit mehr als 500 Seiten? Wurde die Software so implementiert? Wenn ja: war der Kunde damit zufrieden?

Page 42: Lügen, schlimme Lügen und IT-Verträge

500 Seiten Pflichtenheft,

anyone?

Wer von Euch hat es schon mal mit kompletten Bäumen zu tun gehabt, wenn es um Pflichtenheft geht? . Wenn es hinreichend vollständig definiert ist, enthält es auch Widersprüche. Und die kann ich zwar in ein Word-Dokument schreiben, implementieren kann ich sie aber nicht.

Page 43: Lügen, schlimme Lügen und IT-Verträge

• Fertigstellungstermin • Kosten

Aber schauen wir weiter. Fertigstellungstermin und Kosten. Wir ITler werden gerne gefragt, und faktisch können wir nur Daumenpeilen und schätzen. Statistisch sind unsere Schätzungen immer unvollständig. Das muss so sein, schließlich handelt es sich um ein komplexes Systen.

Page 44: Lügen, schlimme Lügen und IT-Verträge

• Fertigstellungstermin • Kosten

Egal wie viel Zeit man mit Analyse verbringt, es ist nicht

möglich, die Risiken zu identifizieren oder die Lösung

oder den Aufwand zur Problemlösung vorherzusagen.

Wir bräuchten tatsächlich beliebig viel Zeit, um in einem komplexen Projekt die Risiken zu identifizieren, die Lösung selbst auszudefinieren und damit auch Ihre Kosten zu bestimmen.

Page 45: Lügen, schlimme Lügen und IT-Verträge

18 %

43 %

39 %

SuccessfulChallengedFailed

• Fertigstellungstermin • Kosten

Da sind wir wieder bei ihm hier. Das klappt dann ja immerhin in 39% der Fälle.

Page 46: Lügen, schlimme Lügen und IT-Verträge

Standish Group Chaos Report

Successful

!= in Scope, Time & Budget

Es wird noch besser. Für den kommenden Standish Group Chaos Report wurde auf Bitte der Kunden die Definition von Successful verändert. Bislang waren das alle Projekte, die in Scope, Time & Budget waren. Sie haben gesagt: das hat mit dem Projekterfolg eigentlich praktisch gar nichts zu tun. Statt dessen wird jetzt geschaut, ob der Wert des Projektes wahrgenommen werden kann. Tatsächlich ist Scope, Time & Budget offensichtlich nicht Projekterfolg.

Page 47: Lügen, schlimme Lügen und IT-Verträge

• Abnahme • Mängel / Abweichungen • Gewährleistung

Ursache und Wirkung sind erst im Nachhinein zu

verstehen. Im Vorhinein ist

es nicht möglich.

Kommen wir zur Abnahme. Nachher verstehe ich also, was ich am Anfang hätte haben wollen - und fordere es ein, denn es macht jetzt total viel Sinn. Das kannte der Dienstleister aber zu dem Zeitpunkt nicht, also konnte er das nicht liefern.

Page 48: Lügen, schlimme Lügen und IT-Verträge

Werkverträge sind inkompatibel zu Komplexität.

Implizite AnforderungenWerkverträge / Kaufverträge haben also so ihre Probleme mit komplexen Aufgabenstellungen. Und sie können die in sie gestellte Aufgabe, alles abzudecken, das Werk, die Risiken und den Aufwand zu Regeln nicht gerecht werden. Sie können nicht vollständig sein, und müssen implizite Anteile enthalten.

Page 49: Lügen, schlimme Lügen und IT-Verträge

Opportunistischer Exploit

Feature Creep:

Hey, das war doch völlig offensichtlich. Das hatte ich doch auch im Meeting erklärt, und Sie hatten genickt.

Das kann man natürlich auch ausnutzen. Auf Auftraggeber kann man das ausnutzen indem man die impliziten Anforderungen vollständig als gegeben ansieht. Und dies hätte der Dienstleister ja berücksichtigen können, weil im Vertrag auf die Grafik als mitgeltendes Dokument verwiesen wird, und zu dieser Grafik wurde ja in einem Meeting erklärt, wie sie zu verstehen ist.

Page 50: Lügen, schlimme Lügen und IT-Verträge

Opportunistischer Exploit

Feature uncreep Wir implementieren nur was explizit angefordert war. Alles andere ist Change Request.

Das gleiche gilt auch auf Auftragnehmerseite. Hier macht der Dienstleister Dienst nach Vorschrift - wie im Vertrag vereinbart. Plötzlich wird aus dem eben noch hochintelligenten Developer ein Post-Lobotomie-Patient, dessen Koordinationsfähigkeiten gerade zum Verweis auf Anforderungsdokument und Projektmanagement taugt.

Page 51: Lügen, schlimme Lügen und IT-Verträge

Opportunistischer Exploit

Max(Features/Aufwand) ==

Min(Qualität)

Wenn Werksverträge nur auf die äusseren Eigenschaften des Werkes eingehen, dann können wir ja die inneren so machen wie wir wollen. Und mit Copy & Paste, Qualitätsproblemen, unbehandelten Fehlern, schlechtem Design so weit gehen, dass unsere eigene Arbeitszeit minimal ist.

Page 52: Lügen, schlimme Lügen und IT-Verträge

Juristische Lösung §243 Absatz 1 BGB

Bei fehlender konkreter Vereinbarung wird eine Lösung

„mittlerer Art und mittlerer Güte“

geschuldet.

Natürlich gibt es eine rechtliche Regelung, wenn Dinge nicht explizit sind. Sofern nicht anders vereinbart, nimmt man mittlere Art und mittlere Güte an. Das gilt für beide Parteien - der eine darf nicht mehr verlangen, der andere muss nicht mehr liefern.

Page 53: Lügen, schlimme Lügen und IT-Verträge

Juristische Lösung §243 Absatz 1 BGB

Gesetzlich garantiertes Mittelmass.

Das ist auch wieder ganz spannend - man baut eine neue Software. Und die gesetzliche Incentivierung zeigt nicht auf das beste, was für das Geld zu haben ist, sondern auf eine mittelmässige Lösung.

Page 54: Lügen, schlimme Lügen und IT-Verträge

Change Request! Implizite Anforderung! Bug!

Und wer klärt, was eine Mittelmässige Lösung ist? Meist gibt es einen offiziellen Change Management Prozess, bei dem man sich einigt. Die Grundlage ist der Vertrag, überall wo es daraus nicht hervorgeht zählt das Mittelmass. Weil wir aber gerade in einer komplexen Umgebung sind, ist das keineswegs so einfach. Und jeder von uns, der mal bei solchen Dingen dabei sein durfte, weiß, wie viel man dort im Nebel navigiert und sich auf seinen Bauch verlässt.Eine verbindliche Extrapolation des Expliziten gibt es nicht, und sie orientiert sich auch nicht am für das Projekt Optimalen - denn das kennen wir auch noch gar nicht, wir sind schliesslich in einem komplexen System.

Page 55: Lügen, schlimme Lügen und IT-Verträge

Also lieber Dienstvertrag!

Es wird Bemühen geschuldet, nicht der Erfolg. Das Risiko liegt

beim Auftraggeber.

Also, sagen wir Dienstleister, dann doch gleich lieber Dienstvertrag. Dann können wir zu jedem Zeitpunkt das sinnvolle machen, und brauchen uns nicht in Vetragsinterpretationsdiskussionen aufzureiben.

Page 56: Lügen, schlimme Lügen und IT-Verträge

Also lieber Dienstvertrag!

Komplexes Environment: Check.

Tatsächlich sind Dienstverträge das übliche Werkzeug der Wahl, wenn das Environment hinreichend komplex oder gar chaotisch ist. Wenn Anforderungen, wenn technische Lösung oder die Kombination von beidem schlecht verstanden ist bildet Dienstvertrag praktisch die klassische Basis der Kooperation.

Page 57: Lügen, schlimme Lügen und IT-Verträge

Opportunistischer Exploit

Der Dienstleister erhöht seinen Gewinn indem er langsamer arbeitet.

Und es gibt noch einen Grund, warum wir Dienstleister solche Verträge mögen - wir werden für schlechte Performance über kurz nicht nur nicht bestraft, sondern sogar belohnt. Wenn eine Leistung sehr langsam erbracht wird, dann steigt bei uns sowohl Umsatz als auch Gewinn.

Page 58: Lügen, schlimme Lügen und IT-Verträge

Und was macht man als Auftraggeber? Man kontrolliert, um sicherzustellen, dass man nicht ausgenutzt wird. Kein Spass, es gibt Auftraggeber, die stichprobenartig Zeitbuchungen, Tickets und Commits nebeneinanderlegen, um zu prüfen, ob wirklich schnell genug gearbeitet wurde. Wer würde hier heute noch nach Lines of Code bezahlen? Genau.

Page 59: Lügen, schlimme Lügen und IT-Verträge

Dienstvertrag

Das ist als Idee gut, und im Obvious-Quadranten, wo alles einfach und nachvollziehbar ist funktioniert das auch. Im Komplexen Quadranten wiederum machen komplexe Systeme, was komplexe Systeme so machen - und es gibt zB Schmetterlingseffekte. Wer kennt den Schmetterlingseffekt? Genau, ein einziger Flügelschlag eines Schmetterlings zum rechtzeitigen Zeitpunkt erzeugt einen Orkan auf der anderen Seite der Welt.

Page 60: Lügen, schlimme Lügen und IT-Verträge

Dienstvertrag

Inverse Butterfly EffectBei komplexen Umgebungen gibt es aber auch den umgekehrten Fall - es wird sehr viel Aufwand betrieben, um am Ende kommt sehr wenig heraus.

Page 61: Lügen, schlimme Lügen und IT-Verträge

Da gab es ein Netzwerkproblem mit Docker.

Den inverse Butterfly Effect sehen wir vor allem dann, wenn Dinge mal wieder etwas länger dauern. Wenn ich mal ein bisschen Zeit für Facebook braucht, oder meinen Urlaub buchen möchte, oder vielleicht den neuen Wagen online konfigurieren will, dann sage ich einfach „Da gab es ein Netzwerkproblem mit Docker.“

Page 62: Lügen, schlimme Lügen und IT-Verträge

Irgendwie kann ich die Tests nicht

aus der IDE in Vagrant starten.Otto

Auch ein hervorragender Tipp, glaubwürdig zu erklären, warum ich ein paar Tage nichts geliefert habe: „Ich musste meine IDE erst so konfigurieren, dass die Tests sauber in der virtuellen Maschine durchlaufen.“

Page 63: Lügen, schlimme Lügen und IT-Verträge

Wir mussten für dieses Feature die Library auf die aktuelle Alpha upgraden und alles

anpassen. Aber da gab es einen Bug und wir haben alles

rückgängig gemacht.

Das ist bei uns schon fast ein monatlicher Javascript-Klassiker. JavaScript, da, wo man die Library alle 2 Monate upgraden muss. Und wo es immer Bugs gibt.

Page 64: Lügen, schlimme Lügen und IT-Verträge

Und natürlich die agile Variante. Beim Refactoring merkt man, dass man eigentlich noch mehr Refactoren sollte, weil das auch nicht schön ist. Und während man das refactored merkt man, dass man eigentlich noch mehr Refactoren sollte, weil das auch nicht schön ist. Und während man das refactored merkt man, dass man eigentlich noch mehr Refactoren sollte, weil das auch nicht schön ist.

Page 65: Lügen, schlimme Lügen und IT-Verträge

Man kann komplexe Arbeit

nicht kontrollieren.

Man kann komplexe Arbeit nicht kontrollieren. Als Auftragnehmer ist es in einem Dienstvertrag einfach, mehr Arbeit zu verursachen als sinnvoll ist - und das ist für den Auftraggeber praktisch nicht feststell- und nachvollziehbar.

Page 66: Lügen, schlimme Lügen und IT-Verträge

Die deutschen Vertragstypen taugen nicht für

komplexe IT-Projekte.

Fazit: eigentlich unterstützen unsere grossen Vertragstypen keine komplexen Projekte. Jura und Verträge kommen aus dem komplizierten Quadranten, und sie versuchen Problem zu lösen, die im komplexen Quadranten passieren.

Page 67: Lügen, schlimme Lügen und IT-Verträge

Komplex Kompliziert

Chaotisch Offensichtlich

Verwirrung

Und da kommt der fünfte Quadrant, den ich vorhin in Cynefin unterschlagen habe. Wenn ich nicht weiß, in welchem Quadranten ich mich befinde - oder wenn ich es zwar denke zu wissen, aber meine Welt sich anders verhält - dann bin in Disorder, und die Resultate meiner Methoden decken sich nicht mit dem, was ich eigentlich erreichen wollte. Und was machen wir ITler, wenn ein komplexes System nicht das macht, was wir von ihm wollen?

Page 68: Lügen, schlimme Lügen und IT-Verträge

Hacken!

Genau, wir setzen unsere Skimasken auf, nehmen unseren Hammer und hacken es.

Page 69: Lügen, schlimme Lügen und IT-Verträge

Agile Verträge

Oxymoron (ὀξύμωρος): rhetorische Figur, bei der eine Formulierung aus zwei gegensätzlichen, einander widersprechenden oder sich gegenseitig ausschließenden Begriffen gebildet wird.

Den Versuch Verträge auf Komplexität zu hacken nennt man „agile Verträge“. Analog zur Gnu Public License, bei denen ein Lizenzvertrag sich selbst aushebelt hebeln sie den vordefinierten Umfang aus, den ein normaler Werkvertrag enthält - oder hacken die Unverbindlichkeit des normalen Dienstvertrages.

Page 70: Lügen, schlimme Lügen und IT-Verträge

Dienstvertrag für Erwachsene

Klassischer Dienstvertrag, aber ...

- der Kunde kann Sprintbezahlung verweigern - ohne Angabe von Gründen - nach dem zweiten Mal können wir kündigen

'Und so hackt man den Dienstvertrag, bei dem der Dienstleister normalerweise nur dafür bezahlt wird, Zeit mit einer Aufgabe zu verbringen.

Page 71: Lügen, schlimme Lügen und IT-Verträge

Opportunistischer Exploit

Am Projektende nicht bezahlen.

Aber natürlich kann man das auch ausnutzen, als Auftraggeber kann ich bei diesem Vertrag einfach am Projektende auf die Bezahlung verzichten.

Page 72: Lügen, schlimme Lügen und IT-Verträge

„Money for Nothing and Your Change for free“

Basis: Standard-Festpreis-Werksvertrag + Dienstvertrag für Änderungen

Dann gibt's Money for Nothing and Change for Free als Variante für den Werksvertrag. Da werden zunächst alle Sachen geschätzt und mit gutem Buffer bepreist. Und dann beginnt man zu arbeiten, und arbeitet strict nach Businessvalue zu Aufwand priorisiert.

Page 73: Lügen, schlimme Lügen und IT-Verträge

„Money for Nothing and Your Change for free“

Und jetzt kommen wir zum ersten spannenden Teil: Change for Free. Der Kunde kann neue Features einführen, und im Gegenzug weniger wichtige Features herauswerfen - vorrausgesetzt, beide Seiten stimmen in der gemeinsamen Bewertung überein.

Page 74: Lügen, schlimme Lügen und IT-Verträge

„Money for Nothing and Your Change for free“

Der zweite Teil, Money for Nothing, und der ist ein echter Mindbender für klassische ITler: Der Auftraggeber kann jederzeit abbrechen, wenn der Geschäftswert der nächsten Anforderung die Erstellungskosten unterschreitet - und es sich für ihn also nicht mehr lohnt. In diesem Fall bekommt der Auftragnehmer 20% des Restbudgets, und der Auftraggeber spart 80% der Kosten ein.

Page 75: Lügen, schlimme Lügen und IT-Verträge

Variante: Fixed Profit

Es wird ein fixer Gewinn für das Projekt vereinbart, bezahlt und

nach Selbstkosten gearbeitet.Die nächste ist Fixed Profit - ich bepreise nach Festpreis, und zerlege meine Berechnung dann in Gewinnanteil und Kosten. Der Gewinnanteil ist fix. Der Kostenanteil flexibel, aber eben nur zu Selbstkosten.

Page 76: Lügen, schlimme Lügen und IT-Verträge

Variante: Fixed Profit

Resultat: beide Parteien profitieren von einer frühen Fertigstellung.

Beide Parteien sind hier incentiviert, das Projekt möglichst schnell fertig zu bekommen.

Page 77: Lügen, schlimme Lügen und IT-Verträge

Opportunistischer Exploit

• Dienstleister optimiert nach Auslastung.

• Auftraggeber will Budget behalten und alles Geld aufbrauchen.

Und wie immer gibt es auch hier Exploits. Als Dienstleister habe ich die Leute lieber in Selbstkosten als ohne Auftrag, und als Auftraggeber will ich das Budget möglichst überziehen, damit ich im nächsten Jahr mehr bekomme. Und als Auftragnehmer kann ich auch hier Qualität minimieren, und bei den Folgeaufträgen dann deutlich grösser werden - weil es ja auch tatsächlich deutlich länger dauert, mit der fiesen Qualität, die ich jetzt habe.

Page 78: Lügen, schlimme Lügen und IT-Verträge

Kein Vertrag ohne Risiko?

Warum gib es überhaupt Verträge, wenn sie ihr Kernziel, die Vermeidung von Risiko, auch nicht annähernd treffen.

Page 79: Lügen, schlimme Lügen und IT-Verträge

Unvollständige Verträge

Die Juristen sind natürlich keine Idioten, und deshalb kennen die das Problem. Die nennen das unvollständige Verträge.

Page 80: Lügen, schlimme Lügen und IT-Verträge

Unvollständige Verträge

• implizit • weitestgehend informell • eingeschränkt rechtsverbindlich • sehr flexibel • Vertragstreue kaum erzwingbar.

https://de.wikipedia.org/wiki/Unvollständiger_Vertrag

Das sind die Eigenschaften von unvollständigen Verträgen:

Page 81: Lügen, schlimme Lügen und IT-Verträge

„Dienst nach Vorschrift.“

Arbeitsverträge sind unvollständige Verträge.

Arbeitsverträge sind unvollständige Verträge. Deshalb kann man Leute verklagen, die sich ganz genau an diesen Vertrag halten. Und genau deshalb ist Dienst nach Vorschrift strafbar.

Page 82: Lügen, schlimme Lügen und IT-Verträge

Unvollständige Verträge

• implizit • weitestgehend informell • eingeschränkt rechtsverbindlich • sehr flexibel • Vertragstreue kaum erzwingbar.

Smells like IT spirit.

Mal ehrlich, für mich hört sich diese Liste _sehr_ nach IT an. Das ist quasi mein zuhause.

Page 83: Lügen, schlimme Lügen und IT-Verträge

Wo ist die Lösung?

Vertrag

Nicht hier

Und wo ist die magische Lösung für die Kooperation, wenn sie nicht im Vertrag zu finden ist?

Page 84: Lügen, schlimme Lügen und IT-Verträge

Wo ist die Lösung?

Vertrag

hier.Offensichtlich ausserhalb des Vertrages.

Page 85: Lügen, schlimme Lügen und IT-Verträge

Unvollständige Verträge

• langfristige Zusammenarbeit • Symmetrische

Informationsverteilung • Vetrauen / Altruismus • Investitionen klein halten

Unvollständige Verträge funktionieren, wenn die Anreize zu Opportunismus verringert werden. Das kann man auf ein paar Weisen machen. Die erste ist offensichtlich. Ich verhindere den kurzfristigen Opportunismus, indem ich länger zusammenarbeite. Einen langfristigen Opportunismus - etwa durch Vendor Lock-in - verhindere ich damit aber nicht.

Page 86: Lügen, schlimme Lügen und IT-Verträge

Informationssymmetrie herstellen

Rituale zur Informationssymmetrie

Also nächster Punkt - Informationssymmetrie herstellen, damit Asymmetrien nicht als Werkzeug zum Exploit genutzt werden können - und Opportunismus von beiden Seiten schnell erkannt werden kann. Wir machen das, auch in bestehenden Projekten, gerne als Rituale gemeinsam. Zunächst wird Rahmen und Ziel des Projektes, zB über das Elevator-Pitch-Template, hergestellt.

Page 87: Lügen, schlimme Lügen und IT-Verträge

Informationssymmetrie herstellen

Alternativ und zusätzlich wird der Lean Startup Canvas / der Business Model Canvas erstellt.

Page 88: Lügen, schlimme Lügen und IT-Verträge

Informationssymmetrie herstellen

Wir definieren die Personas und Ihre Ziele, und machen auf der Basis einen Storymapping-Workshop - ebenfalls auch um das bestehende Projekt zu dokumentieren und auf ein gemeinsames Verständnis zu bringen.

Page 89: Lügen, schlimme Lügen und IT-Verträge

Informationssymmetrie herstellen

Der aktuelle Status wird ebenfalls über Rituale - zB über Sprint Reviews etc - auf einen gemeinsamen Stand gebracht.

Page 90: Lügen, schlimme Lügen und IT-Verträge

Informationssymmetrie herstellen

Das gilt auch für Produktion und Featureerfolg.

Page 91: Lügen, schlimme Lügen und IT-Verträge

Transparenz!Vertrauen

Nächster Punkt ist Vertrauen. Das klingt jetzt esoterisch, ist aber tatsächlich ein massgeblicher Punkt, damit unvollständige Verträge funktionieren. Analog zum Arbeitsvertrag bedingt eine gute Kooperation Vertrauen. Eine einfache Variante zum Herstellen von Vertrauen ist Transparenz von beiden Seiten. Das heisst: geteilte Meetings, geteilter Chat, Ticketing, Confluence, Monitoring, Tests etc.

Page 92: Lügen, schlimme Lügen und IT-Verträge

Transparenz!Vertrauen

Net Promoter Score

Aber nicht nur Objektivität zählt hier, auch subjektives - bei Vertrauen offensichtlich. Wir nutzen dazu gerne den Net Promoter Score. Alle zwei Wochen stellen wir die Vertrauensfrage in der Form „Auf einer Liste von 1-10, wie sehr würdet Ihr uns weiterempfehlen?“ „Und was müssen wir machen, damit wir einen Punkt besser werden“. Das wird protokolliert, und auch die Verbesserungsmassnahmen sind nachvollziehbar - man hat also ein arbeitsfähiges Vertrauensthermometer.

Page 93: Lügen, schlimme Lügen und IT-Verträge

Ship early & ship often

Vertrauen

Der Klassiker zum Vertrauensaufbau: Resultate. Wer regelmässig zugesagte Resultate bringt, dem wird vertraut. Das gilt auch wieder in beide Richtungen.

Page 94: Lügen, schlimme Lügen und IT-Verträge

Vertrauen

Und dann gibt es natürlich die soziale Variante. Teambuilding ist im Kontext des Arbeitsumfeldes, wo auch unvollständige Verträge stattfinden, gang und gebe. Bei IT-Verträgen ist das vermutlich eher Golf, es schadet aber nicht, das ebenenübergreifend zu machen. TODO: für Vortrag in Hamburg. In München unbedingt durch Augustiner austauschen.

Page 95: Lügen, schlimme Lügen und IT-Verträge

Aktive Fehlerkultur

Altruistisches Handeln

Vertrauen

Und Investitionen von der eigenen Seite schaffen Vertrauen. Wer Fehler zugibt, wer zugunsten der anderen Partei handelt, der schafft Anreiz, dass die andere Partei sich auch so verhält.

Page 96: Lügen, schlimme Lügen und IT-Verträge

Fallback auf

Tit for Tat

Vertrauen

Ok, natürlich kann man jetzt sagen: ja, schön, in der perfektesten aller Welten vielleicht, Johann. Was passiert denn, wenn das Vertrauen missbraucht wird? Dann braucht es einen Anreiz, aus dem opportunistischem Verhalten wieder in ein kooperatives zu gehen. Die einfachste Variante ist „Tit for Tat“ - auf opportunistisches Verhalten ummittelbar auch mit opportunistischem Verhalten reagieren, das explizit machen, und bei kooperativen Verhalten ebenfalls wieder kooperativ Arbeiten.

Page 97: Lügen, schlimme Lügen und IT-Verträge

Nicht offensichtlich, aber wahr: Kleine Cycletime für beide.

Kleine Cycletime

Investitionen reduzieren

Und wie hält man Investitionen klein?Denkt man nicht, ist aber so: durch kleine Cycletime. Cycletime ist die Zeit von Arbeitsbeginn bis zur Produktivnahme des Arbeitsergebnisses.

Page 98: Lügen, schlimme Lügen und IT-Verträge

Investition für Auftraggeber:Kosten, bevor es Wert schafft.

Investition für den Auftragnehmer: Kosten, bevor es bezahlt wird.

Cycle-Time: Dauer & Größe dieser Kosten minimieren.

Kleine Cycletime

Investitionen reduzieren

Warum ist das so? Die Investitionen vom Auftraggeber sind die Kosten die Auftreten bevor er einen Wert daraus schöpfen kann. Die Investitionen des Auftragnehmers sind die Kosten, bevor er die Erstattung dafür vom Auftragnehmer bekommt.Wenn ich diese Zeiten kurz bekomme ist die Investition für beide Seiten klein und damit auch mein Risiko.

Page 99: Lügen, schlimme Lügen und IT-Verträge

• Schnelle Implementierung • Continuos Deployment • Qualität hoch -> wenig Rückläufer • Schnell in Produktion • Nutzen in Produktion messen

Kleine Cycletime

Investitionen reduzieren

Wie man Cycletime kleinbekommt wissen wir alle - da gibt es hier auf der CodeTalks vermutlich mehr als genug Vorträge zu.

Page 100: Lügen, schlimme Lügen und IT-Verträge

&tldr;

Der Vertrag alleine rettet bei komplexen Aufgaben nicht. Kooperation schon.

Fazit: Verträge sind nicht für komplexe Verträge gemacht. Wir können welche machen, die weniger schlimm sind. In jedem Fall können wir bei komplexen Aufgaben aber aktiv an der Kooperation arbeiten.