Luhmanns Sozialität der Kommunikation LV · Kommunikationsüberfluss zu beherrschen. Niklas...

30
Luhmanns Sozialität der Kommunikation LV 1 Studenten Ressource für die Lehrveranstaltung „Luhmann Systemtheorie und Kommunikation“

Transcript of Luhmanns Sozialität der Kommunikation LV · Kommunikationsüberfluss zu beherrschen. Niklas...

Page 1: Luhmanns Sozialität der Kommunikation LV · Kommunikationsüberfluss zu beherrschen. Niklas Luhmann (1986, S.973, ebd.) sieht gleichfalls in dieser kommunikativen Verbundenheit die

Luhmanns Sozialität der Kommunikation LV

1

Studenten Ressource für die Lehrveranstaltung

„Luhmann Systemtheorie und Kommunikation“

Page 2: Luhmanns Sozialität der Kommunikation LV · Kommunikationsüberfluss zu beherrschen. Niklas Luhmann (1986, S.973, ebd.) sieht gleichfalls in dieser kommunikativen Verbundenheit die

Luhmanns Sozialität der Kommunikation LV

2

Inhaltsverzeichnis:

I. Einleitung

II. Zur Person Luhmanns

III. Luhmanns wissenschaftlicher Ansatz der Theorie sozialer Systeme

IV. Systemtheorie als interdisziplinäres Paradigma

V. Sozialität der Kommunikation

VI. Zur Theorie der Massenkommunikation und der Medien

Anhang: Wikipedia: Theorie Sozialer Systeme

Page 3: Luhmanns Sozialität der Kommunikation LV · Kommunikationsüberfluss zu beherrschen. Niklas Luhmann (1986, S.973, ebd.) sieht gleichfalls in dieser kommunikativen Verbundenheit die

Luhmanns Sozialität der Kommunikation LV

3

I. Einleitung

Kneer und Nassehi (1993) konstatieren das gespaltene Verhältnis Luhmanns zur Disziplin der

Soziologie. Luhmann, der nach einer Karriere als Jurist in der öffentlichen Verwaltung 1968

an die Universität Bielefeld berufen wurde, gibt an, an einem Lehrstuhl für Soziologie deshalb

besonders interessiert zu sein, „weil man als Soziologe alles machen kann, ohne auf einen

bestimmten Themenbereich festgelegt zu sein.“ (S. 8 Kneer und Nassehi 1993) Luhmann

differenziert sich sowohl von der empirischen Sozialforschung, die nur methodologisch, nicht

aber theoretisch schule, als auch von der theoretischen Soziologie, die nur Texte über Texte

produziere. Vielmehr fokussiert Luhmann auf das Interesse an einer Theorie, „deren Auflöse-,

und Rekombinationsvermögen soweit fortgeschritten ist, dass man die moderne Gesellschaft

theoretisch besser in den Blick bekommt. (S. 9 ebd.) Da er Theorien aus besseren

Differenzen ableitet, ist für ihn das Verhältnis von Systemen und Umwelt wesentlich, wie

auch der Funktionalismus, der es ermöglichte, Verschiedenes miteinander zu vergleichen.

Der Untersuchungsgegenstand dieser Seminararbeit befasst sich mit Luhmanns

wissenschaftlichem Ansatz der Sozialität als Kommunikation, sowie der Theorie der

Massenkommunikation und der Medien. Daumenlang und Heinrich (1997) erläutern zu

Kommunikationstheorien die enge Verwandtschaft von Kommunikation mit den Begriffen

„Interaktion“ und „Sprache“, wobei Kommunikation im engeren Sinn als „Vermittlung von

Bedeutung zwischen Menschen nach Reimann (1991, S. 965, ebd.) definiert wird. Zu den

notwendigen Kommunikationsvoraussetzungen gehören linguistische Kompetenz (Chomsky,

S.973 ebd.) der Anwendung grammatikalischer Regeln, sowie kommunikativen Kompetenz

der Erfüllung dieses Zeichensystems mit Sinn durch Erlernen der Bedeutungen, (Habermas,

S. 973 ebd.) die gemäß der Theorie des Symbolischen Interaktionismus ( Mead. S. 973, ebd.)

erst Verstehen ein gemeinschaftliches Zusammenleben ermöglicht; weiters die Beachtung der

menschlichen Wahrnehmungsformen um Kommunikationsmangel bzw.

Kommunikationsüberfluss zu beherrschen. Niklas Luhmann (1986, S.973, ebd.) sieht

gleichfalls in dieser kommunikativen Verbundenheit die Grundlage von sozialen Systemen.

Diese bestünde nicht aus Menschen oder deren Handlungen, sondern aus deren symbolischem

Ergebnis, das heißt aus deren Kommunikationen. In den sozialen Systemen entwickeln sich

Kommunikationsstrukturen (Festlegung der Teilnehmer am Kommunikationsprozess) und

Kommunikationsmuster. (Festlegung der Art der Kommunikation und ihrer Situationen, siehe

informelle und formelle Kommunikation). Die allgemeine Systemtheorie betrachtet

Kommunikationsstörungen als Entropie, verursacht durch das Nicht-Beachten bzw. Nicht-

Vorhandensein der kommunikativen Kompetenz - wogegen negative Entropie der

Page 4: Luhmanns Sozialität der Kommunikation LV · Kommunikationsüberfluss zu beherrschen. Niklas Luhmann (1986, S.973, ebd.) sieht gleichfalls in dieser kommunikativen Verbundenheit die

Luhmanns Sozialität der Kommunikation LV

4

Kommunikation, Redundanz, Feedback und Metakommunikation, geeignete Instrumente

bilden. Nach Daumenlang und Heinrich (1997, S. 975ff.) ist die Massenkommunikation, der

auf den Einsatz elektronischer Medien gestützte Bereich der Kommunikation mit den

Funktionen Unterhaltung, Bildung, Information und Alltagsstrukturierung der Rezipienten;

wobei die informierenden Massenmedien als vierte Macht im Staate, somit

Massenkommunikation als persuasive Kommunikation fungiert. Ortmann (1999, S.17) fasst

über die Realität der Massenmedien von Niklas Luhmann zusammen, dass sie die Realität

nicht abbilden, sondern als Stoff für unsere Wirklichkeit konstruieren. Die Gesellschaft kenne

von der Welt nur, was die Massenmedien darstellen und könne nur das als Welt zur Kenntnis

nehmen, was von den Massenmedien berichtet wird, sodass wir nach Luhmann kaum in der

Lage wären, „das medienvermittelte Wissen von dem kleingeschriebenen, selbsterfahrenen

wirklich zu trennen , und bezweifelt die Wahrheit der Massenmedien als nicht-

wissenschaftliche Wahrheit , wobei er Massenmedien als eigenes gesellschaftliches

Funktionssystem untersucht.

Page 5: Luhmanns Sozialität der Kommunikation LV · Kommunikationsüberfluss zu beherrschen. Niklas Luhmann (1986, S.973, ebd.) sieht gleichfalls in dieser kommunikativen Verbundenheit die

Luhmanns Sozialität der Kommunikation LV

5

II. Zur Person Luhmanns

Geboren 08.12.1927 in Lüneburg, gestorben 06.11.1998 in Bielefeld.

Kneer und Nassehi (1993) deuten an, dass Luhmanns Weg als Jurist und Soziologe in die

Wissenschaft ungewöhnlich verlaufen sei. Als studierter Jurist im Verwaltungsdienst befasste

er sich mit soziologischen Texten. Er erfand den Zettelkasten, ein thematisch vernetztes Text-

Verweissystem, ging 1960/1961 an die Harward Universität, mit dem Fokus auf

Systemtheorie, bevor er 1962 als Referent an der Hochschule für Verwaltungswissenschaften

in Speyer seine akademische Laufbahn begann, da er als Verwaltungsbeamter seinen

speziellen wissenschaftlichen Interessen nicht nachgehen konnte. 1966 promovierte und

habilitierte sich Luhmann an der Universität Münster, 1968 wurde er Universitätsprofessor an

der neukonzipierten Universität Bielfeld. Nach der Universität Essen (2003a) gilt der

Soziologe Niklas Luhmann ... als der deutsche Vertreter und Begründer der Systemtheorie.

Er hat mannigfaltige Forschungen nicht nur in der Soziologie, sondern auch in den

Wirtschafts- und Rechtswissenschaften, in der Theologie, der Geschichtswissenschaft,

Kommunikationswissenschaft und in der Literaturwissenschaft angeregt. Grund hierfür ist

sein Anspruch, alle gesellschaftlichen Teilbereiche mit denselben Kategorien beschreiben zu

können. Wie ist das möglich? Die Systemtheorie hat einen völlig neuen Blick auf die

vormoderne und moderne europäische Gesellschaft geworfen. Für Luhmann gelten nicht

länger die sozialen Unterschiede als bestimmende Strukturprinzipien der Gesellschaft,

sondern die verschiedenen gesellschaftlichen Teilbereiche (Wirtschaft, Recht, Politik,

Wissenschaft, Kunst, Erziehung, Liebe), in denen nach je eigenen Logiken unabhängig von

den jeweils anderen Systemen gehandelt wird - Luhmann bevorzugt den Begriff kommuniziert.

Diese Systeme bezeichnet er als Funktionssysteme, die jeweils eine wichtige gesellschaftliche

Aufgabe / Funktion exklusiv übernehmen. Das Wirtschaftssystem hat die Aufgabe, knappe

Güter zu verteilen, das Rechtssystem formuliert allgemein bindende Rechtsnormen und setzt

sie durch, das Wissenschaftssystem gewinnt Erkenntnisse über die Wirklichkeit und das

Politiksystem trifft kollektiv bindende Entscheidungen. All diese Systeme sind laut Luhmann

ähnlich strukturiert. Ihnen ist gemeinsam, daß sie eine Funktion exklusiv erfüllen müssen, und

daß sie autonom sind - sie erzeugen also die Regeln, nach denen sie operieren, ebenso selber,

wie auch die Elemente, aus denen sie bestehen. Diesen Vorgang nennt Luhmann Autopoiesis.

Außerdem orientieren sich die Systeme an einer Leitdifferenz, im Wirtschaftssystem geht es

etwa vorrangig um Zahlen und Nichtzahlen, im Rechtssystem um die Differenz zwischen

Recht und Unrecht, im Wissenschaftssystem um die von Wahrheit und Unwahrheit, - im

Page 6: Luhmanns Sozialität der Kommunikation LV · Kommunikationsüberfluss zu beherrschen. Niklas Luhmann (1986, S.973, ebd.) sieht gleichfalls in dieser kommunikativen Verbundenheit die

Luhmanns Sozialität der Kommunikation LV

6

Politiksystem schließlich um Macht oder Nicht-Macht. Diese Leitdifferenz wird auch der

Code des Systems genannt.

Page 7: Luhmanns Sozialität der Kommunikation LV · Kommunikationsüberfluss zu beherrschen. Niklas Luhmann (1986, S.973, ebd.) sieht gleichfalls in dieser kommunikativen Verbundenheit die

Luhmanns Sozialität der Kommunikation LV

7

III. Luhmanns wissenschaftlicher Ansatz der Theorie sozialer Systeme

Luhmann versucht, zwischen folgenden heterogenen Bestandteilen einen Theorieverbund

herzustellen.

1. Allgemeine Systemtheorie. (Erkenntnistheorien von

Beobachtungsverhältnissen);

2. Allgemeine Theorie sozialer Systeme. (Selbstreferentieller

Kommunikationszusammenhang in struktureller Koppelung mit psychischen

Systemen);

3. Theorie sozio-kultureller Evolution. (Zusammenwirken von Variations-,

Selektions-, Stabilisierungsmechanismen bei langfristiger Veränderung

sozialer Strukturen);

4. Theorie gesellschaftlicher Differenzierung. (Funktionale Differenzierung in

Teilsysteme, die anhand von Leitdifferenzen Funktionen der Gesellschaft

exklusiv bedienen);

5. Theorie symbolisch generalisierter Kommunikationsmedien.

(Motivationsmittel für Anschlusskommunikation und somit die Bildung

sozialer Systeme);

Nach Kneer und Nassehi (1993) verdankt sich Luhmanns öffentliche Wirkungsgeschichte vor

allem der Kontroverse - als Anti-Habermas - mit dem Frankfurter Sozialphilosophen Jürgen

Habermas; sein 1984 erschienenes Hauptwerk „Soziale Systeme“ begründe den

Paradigmenwechsel zur Theorie autopoietischer Systeme, bevor er sich mit den

verschiedensten Themen theoretischer Teilsysteme (Recht, Religion, Politik, Wirtschaft,

Wissenschaft, Kunst) auseinandersetzte. Für ihn war Soziologie die Lehre vom „zweiten

Blick“, bei dem erst Fragen und Bedenken vorkommen, indem gerade das „Nicht-Verstehen“

des ersten Blicks zum Verstehen auf den zweiten Blick gerade zu zwingen. (S. 11-13, ebd.)

Nach Heinze (2000, S.71) sind die Theorie des kommunikativen Handelns und die Theorie

autonomer sozialer Systeme von Luhmann, die mit Abstand wichtigsten Theoriemodelle in

der gegenwärtigen Diskussion. Beiden gemeinsam sei das Anliegen der Komplettierung

strukturtheoretischer Positionen mittels handlungstheoretischer Ansätze, die sich beide als

Kommunikations- und nicht als Handlungstheorien definieren.

Page 8: Luhmanns Sozialität der Kommunikation LV · Kommunikationsüberfluss zu beherrschen. Niklas Luhmann (1986, S.973, ebd.) sieht gleichfalls in dieser kommunikativen Verbundenheit die

Luhmanns Sozialität der Kommunikation LV

8

IV. Systemtheorie als interdisziplinäres Paradigma

Kneer und Nassehi (1993) eröffnen ihr Fachbuch über Niklas Luhmanns Theorie sozialer

Systeme mit einer Einführung in die allgemeine Systemtheorie, sowie in holistische und

systemtheoretische Denkweisen in der Soziologie. Sie betrachten Systemtheorie als

interdiziplinäres Paradigma.

Nach Bornmann (2003) hat Luhmann seine Systemtheorie auf autopoietische Systeme

gestützt, in der Form von Welt würde mit der Unterscheidung System und Umwelt operiert,

wobei die Umwelt eines Systems alles ist ohne das System. Die Dualität Umwelt und System

bildet zusammen die Welt. Nach Luhmann unterscheiden sich System und Umwelt dadurch,

dass :

1. die Umwelt als Rest der Welt nicht handeln könne, zum Handeln nur ein System in

der Lage sei;

2. jedes System die Welt zerlege, durch Unterscheidungen in Umwelt und darin

enthaltene andere Systeme,

3. die systeminterne Komplexität immer kleiner als die systemexterne sei, in der

relevante Informationen (Beobachtenswertes versus Ignorables) aus der Nahumwelt

anhand systemspezifischer Unterscheidungen erschlossen würden. System und

Umwelt interagieren, so, dass ein system nie als ganzes reagiert, dabei resonieren

destoweniger seiner Elemente auf einzelne Umweltereignisse je höher der

Komplexitätsgrad eines Systems ist. Luhmann vergleicht dies mit der Differenzierung

von Teilsystemen in der Gesellschaft als Maß des höheren Komplexitätsgrades des

Gesellschaftssystems zur Erreichung effektiver Resonanzmöglichkeiten auf

Umweltereignisse. Umwelt ist für Luhmann das „Korrelat aller im System benutzten

Fremdreferenzen , die im System anhand systeminterner Operationen repräsentiert

und über die Differenzierung Selbstreferentialität/Fremdreferentialität bezeichnet

wird. Elemente sind die kleinsten nicht weiter auflösbaren Einheiten eines Systems,

exklusive Bestandteile des Systems, das sie bestimmen und von einer Umwelt

abgrenzen. In der Theorie sozialer Systeme sind die Elemente kurzzeitige,

ereignishafte Konstituenten, wie Kommunikation und Gedanken, die einer raschen

Aktualisierung bzw. Erneuerung bedürfen. Nach Luhmann bilden funktional

differenzierte Gesellschaften (nach segmentären gefolgt von stratifizierten) den

derzeitigen Endpunkt einer Typologie struktureller Organisationsformen von

Gesellschaft, die funktional differenziert aus ungleichen Teilsystemen

Page 9: Luhmanns Sozialität der Kommunikation LV · Kommunikationsüberfluss zu beherrschen. Niklas Luhmann (1986, S.973, ebd.) sieht gleichfalls in dieser kommunikativen Verbundenheit die

Luhmanns Sozialität der Kommunikation LV

9

zusammengesetzt ist, die exklusiv zentrale Funktionen der Gesellschaft (Wissenschaft,

Wirtschaft, Recht, Politik) bedienen.

Jedes Funktionssystem kann nur die eigene Funktion erfüllen und nicht für ein anderes

einspringen, die Ausdifferenzierung von Funktionssystemen steigert die Integration des

Metasystems, da jedes „Funktionssystem voraussetzen muss, dass andere Funktionen

woanders erfüllt werden . Ein Subsystem entsteht, wenn die Unterscheidung von System und

Umwelt rekursiv auf das System angewandt wird. Für Luhmann ist die Gesellschaft das

„umfassende soziale System aller aufeinander bezugnehmender Kommunikationen . Die

elementaren Einheiten der Gesellschaft sind sinnhafte, rekursive, relationale

Kommunikationen und nicht Individuen. Indem die gesellschaftliche Realität kommunikativ

konstruiert wird und zunehmende funktionale Differenzierung Funktionssysteme bildet, muss

nach Luhmann eine Gesellschaftstheorie eines Gesellschaftssystemsenthalten:

1. Die Betrachtung der Einheit der Welt als Differenzierung von Gesellschaftssystem

und Umwelt.

2. Eine eigenständige Ausdifferenzierung des Gesellschaftssystems und Selbstdefinition

seiner Grenzen.

Die Operation der Beobachtung bzw. Unterscheidung markiert eine Grenze zwischen

Bezeichnetem (Unterscheidung zwischen Innen und Außen, die ein Beobachter vornimmt)

und Nicht-Bezeichnetem. Da Kommunikation nicht beobachtet werden könne, würde er/sie

auf eine beobachtbare Form, auf die Handlung reduziert, dabei gäbe es keine Kommunikation

ohne Informationen ab getroffenen Entscheidungen von sozialen und psychischen Systemen

(autopoietische Systeme, deren nicht wahr auflösbare Letzteinheiten Gedanken bzw.

Vorstellungen sind, die als Bewusstseinselemente Ereignischarakter von kurzer, momentaner

Dauer haben und als Gedanken mit Erinnerungsstrukturen gekoppelt sind), mit denen sie

Ereignisse und Zustände erfassen. Für Luhmann gibt es keine Informationsübertragung

zwischen Systemen, die lediglich durch Umweltereignisse irritiert werden könnten, die

innerhalb der Systeme als Resonanzleistungen Informationen verursachen, die sich (soziale

und psychische) Systeme durch eigene Selektionsleistungen (Informationswert) auf der

Grundlage über Wahrnehmungsmöglichkeiten beobachtend durch Operation der

Unterscheidung erarbeiten.

Autopoietische Systeme sind selbsterzeugende und selbsterhaltende Einheiten, die als

rekursives Netzwerk interagierender Komponenten organisationell geschlossen und autonom

Page 10: Luhmanns Sozialität der Kommunikation LV · Kommunikationsüberfluss zu beherrschen. Niklas Luhmann (1986, S.973, ebd.) sieht gleichfalls in dieser kommunikativen Verbundenheit die

Luhmanns Sozialität der Kommunikation LV

10

ohne Input von der Umwelt nicht determiniert sondern nur irritiert werden können; wobei von

den transformierten Umwelteinflüssen nicht die konkreten Systemzustände bestimmt werden,

sondern struktur- und zustansdeterminiert vom System selbst.

Für Luhmann sind die autopoietischen Systeme der Soziologie (Gesellschaft, Bewusstsein,

soziale Systeme) eine Selbstreproduktion des Sinngeschehens, eine Selbstorganisation, eine

Strukturdeterminiertheit und somit eine operative Schließung; wobei Systeme autopoietisch

operieren, indem sie mit Operationen, als kleinste Rechenschritte, sich generieren und über

selbsterzeugende Einheiten erhalten können.

Kommunikationseinheiten sind für Luhmann nicht weiter auflösbare Letztelemente sozialer

Systeme, dabei setzt sich Kommunikation aus drei ausschließlichen Bestandteilen bzw.

Selektionsleistungen zusammen:

1. Information: als Konstrukt einer sozialen Situation die inhaltliche Komponente der

Kommunikation

2. Mitteilung: formale Art der Übermittlung von Kommunikation

3. Verstehen: Signal der Anschlusskommunikation

Die Selbsterzeugung von Anschlusskommunikation resultiert aus dem Umstand, dass

Kommunikation, die selektiven Operationen bei Information und Verstehen, die Gedanken

nicht direkt beobachtet werden können; wobei das Fehlen von Informationen aller am

Kommunikationsprozess Beteiligter zur Kommunikation zwinge und Strukturen entstehen,

die eine Realität sui generis produzieren, also reduzierte Komplexität der sozialen Situation.

Während Realität für Luhmann als ein internes Produkt von sinnhaften Systemoperationen -

wie Gedankenprodukte psychischer Systeme - systemintern durch Sinngebung erschaffen

wird, operiert Sinn als Einheit der Unterscheidung von Aktuellem und Möglichem; dabei ist

Sinn der Operationsmodus von Bewusstsein bzw. Gesellschaft, der außerhalb dieser Systeme

nicht vorkomme, der auch die strukturelle Kopplung psychischer und sozialer

Systembildungen bei Bewahrung über Autopoiesis ermögliche: „Sinn ermöglicht das Sich-

Verstehen und Sichfortzeugen von Gedanken in der Kommunikation und zugleich das

Zurückrechnen der Kommunikation auf das Bewusstsein der Beteiligten. (Bornmann, 2003)

Nach Luhmann steuern symbolisch generalisierte Kommunikationsmedien die

gesellschaftlichen Kommunikationszusammenhänge mittels allgemein funktionierenden

Semantiken, deren Entwicklungsstufe es den Kommunikationstechniken ermögliche, sowohl

unter Anwesenden als auch mit Nichtanwesenden in nicht vorhersagbaren Situationen zu

kommunizieren.

Page 11: Luhmanns Sozialität der Kommunikation LV · Kommunikationsüberfluss zu beherrschen. Niklas Luhmann (1986, S.973, ebd.) sieht gleichfalls in dieser kommunikativen Verbundenheit die

Luhmanns Sozialität der Kommunikation LV

11

Jedes System hat eine spezifische Funktion, für die es exklusiv zuständig ist. Das

Rechtssystem formuliert Rechtsnormen und sichert sie, das Wirtschaftssystem verteilt knappe

Güter, und das Literatursystem hat die Funktion Weltkontingenz zu erzeugen, also der

Wirklichkeit eine zweite Wirklichkeit gegenüberzustellen, die schöner, fortschrittlicher,

besser, oder einfach nur anders ist als die eigentliche Wirklichkeit. Literatur führt uns also

stets eine Alternative vor Augen. Das können, eher auf den Einzelnen gemünzt, alternative

Handlungen z.B. in Bezug auf das Ende einer Liebesbeziehung, oder - globaler gesehen -

auch vollständig alternative Gesellschaftsmodelle sein. (Universität Essen, 2003b)

Kneer und Nassehi (1993) bezeichnen „System“ als etwas Zusammengesetztes im Vergleich

zum Elementaren (S. 17, ebd.), das eine Ganzheit als Einheit anspricht, die sich nicht nur aus

der Summe ihrer zueinander in Relation stehenden Elemente zusammensetzt.

Während das klassische Paradigma der (Natur-)Wissenschaften auf dem reduktionistischen

Weltbild der statischen Gültigkeit von Naturgesetzen, die als ewige Gesetze kosmischer

Ordnung auf alle Phänomene anwendbar sind, beruhte, führte - insbesondere in der Biologie -

die Unmöglichkeit, Leben durch klassische Wissenschaftsauffassung abzubilden, zu einem

Paradigmenwechsel von Einzelphänomenen zum System, durch Vernetzung von

Einzelphänomenen (z.B. lebender Organismus als System) im Sinne der wissenschaftlichen

Systemtheorie das Newtonsche Weltbild um den Gedanken einer interdisziplinären

allgemeinen Systemlehre zu ergänzen und das Problem der organisierten Komplexität

lebender Organismen oder sozialer Gruppen zu untersuchen.

Neben organisierter und unorganisierter Komplexität differenziert von Bertalanffy (S.21,

ebd.) nach Kneer und Nassehi (1993) die Unterscheidung zwischen offenen und

geschlossenen Systemen, wobei den wesentlichen Gegenstand der Systemtheorie die

Organisationsform der komplexen Wechselbeziehung zwischen einzelnen Elementen ist .

Morin (1999) warnt vor dem Unerwarteten: „Wenn das Unerwartete eingetreten ist, müssen

wir fähig sein, unsere Ideen und Theorien zu überdenken...“. Morin (1999) erachtet es im

Zusammenhang mit der Ungewißheit der Erkenntnis für jede Erziehung als notwendig, „die

Frage nach der Möglichkeit des Erkennens freizulegen“, dabei bliebe die Erkenntnis „ein

Abenteuer, für das die Erziehung die unerläßliche Wegzehrung liefern muß“, die das

Erkennen der Erkenntnis, die Integration des Erkennenden in seine Erkenntnis als permanent

notwendiges Erziehungsprinzip einschließe. Bioantropologische Bedingungen (Fähigkeiten

Gehirn↔Geist), soziokulturelle Bedingungen (Offene Ideenaustausch-Kultur) und

noologische Bedingungen (offene Theorien) erlaubten dem Menschen fundamentale

Fragestellungen über die Welt, den Menschen und über die Erkenntnis selbst. In der Suche

Page 12: Luhmanns Sozialität der Kommunikation LV · Kommunikationsüberfluss zu beherrschen. Niklas Luhmann (1986, S.973, ebd.) sieht gleichfalls in dieser kommunikativen Verbundenheit die

Luhmanns Sozialität der Kommunikation LV

12

nach Wahrheit müssten daher die selbstbeobachtenden, reflexiven und selbstkritischen

Prozesse untrennbar verbunden sein mit den betrachtenden, objektivierenden, kritischen

Tätigkeiten. So erfordere die Suche nach Wahrheit die Entwicklung von Reflexion

erlaubenden Metastandpunkten sowie eine Ausgewogenheit zwischen dem doppelten Besitz

von Ideen und Mythen durch unseren Geist und unseren Geist durch Ideen und Mythen, „wo

die gegenseitige Unterwerfung der beiden zu einem gastlichen Miteinander wird“. Morin

(1999) empfiehlt, sich des Es und des Man, die durch das Ich hindurch sprechen, bewußt zu

werden und unablässig bereit zu sein, die Selbstlüge aufzuspüren: „Wir müssen unsere

Theorien zivilisieren, d.h. wir brauchen eine neue Generation offener, rationaler, kritischer,

reflexiver und selbstkritischer Ideen, die in der Lage sind, sich selbst zu reformieren“, und es

müsse sich ein „Paradigma herauskristallisieren und Wurzeln fassen, das eine komplexe

Erkenntnis erlaubt“. Da nach Morin Irrtümer die Autonomie des Geistes hemmen und die

Suche nach Wahrheit verhindern, sieht er eine Hauptaufgabe der Erziehung darin, uns für den

vitalen Kampf um Klarsicht zu bewaffnen.

Capra (1996) umschreibt ebenfalls den Paradigmenwandel: „Das neue Paradigma könnte als

eine ganzheitliche Weltsicht bezeichnet werden, die Welt eher als ein integriertes Ganzes

betrachtend als eine unzusammenhängende Sammlung von Teilen. Es könnte auch als eine

ökologische Sicht bezeichnet werden, wenn der Begriff `ökologisch´ in einem viel breiteren

und tieferen Sinn als üblich verwendet wird. Tiefe ökologische Einsicht erkennt die

fundamentale Interdependenz aller Phänomene und die Tatsache, daß wir als Individuen und

Gesellschaften eingebettet sind in (und ultimativ abhängig sind von) den zyklischen Prozessen

der Natur.“

Morin (1999) beschreibt die paradigmischen Blindheiten: Wahrheit und Irrtum seien auch in

selektiven, deterministischen Paradigmen enthalten, die Morin (1999) in zwei Klassen

differenziert:

• Auswahl der intellektuellen Leitkonzepte, die widersprüchliche Konzepte ausschließen

oder unterordnen,

• Festlegung der logischen Leitoperationen, die bestimmten logischen Operationen auf

Kosten anderer den Vorzug einräumen.

Nach Morin (1999) äußerten sich Imprinting und Normalisierung in Form Kognitiver

Stereotypen, „prüfungslos übernommene Ideen“ resultierend aus der gebietenden und

verbietenden Macht der Paradigmen als vorherrschende Lehren, offizielle

Glaubensanschauungen, regierende Doktrinen und etablierte Wahrheiten. Nach Morin (1999)

Page 13: Luhmanns Sozialität der Kommunikation LV · Kommunikationsüberfluss zu beherrschen. Niklas Luhmann (1986, S.973, ebd.) sieht gleichfalls in dieser kommunikativen Verbundenheit die

Luhmanns Sozialität der Kommunikation LV

13

würden alle spezifisch sozial-ökonomisch-politischen Bestimmungen mit spezifisch

kulturellen Bestimmungen zusammenwirken, „um die Erkenntnis in einem

Multideterminismus von Imperativen, Normen, Verboten, Starrheiten und Blockaden

einzusperren“. Unter dem kognitiven Konformismus liege nach Morin (1999) ein kulturelles

Imprinting, als den Konformismus eingravierende Stammprägung, „und eine Normalisierung,

die ausschaltet, was ihn in Frage stellen könnte“. Das kulturelle Imprinting präge durch

Umwelt und Anpassung den Menschen von der Krippe bis ins Grab, somit könne die

soziologische und kulturelle Selektion sich der Wahrheitssuche widersetzen.

Nach Capra (2002) „entwickelten die frühen Hominiden ein komplexes Gehirn, die Fähigkeit

zur Werkzeugherstellung und die Sprache, während die Hilflosigkeit ihrer zu früh geborenen

Kinder zur Bildung einander unterstützender Familien und Gemeinschaften führte, des

Fundaments des menschlichen Gesellschaftslebens. Daher ist es sinnvoll, das Verstehen

sozialer Phänomene in einer einheitlichen Konzeption der Evolution von Leben und

Bewußtsein zu begründen ... Eine der wichtigsten philosophischen Folgen des neuen

Verständnisses von Leben ist eine neuartige Konzeption des Wesens von Geist und

Bewußtsein, die endlich die kartesianische Trennung von Geist und Materie überwindet ...

Die zentrale Erkenntnis der Santiago-Theorie der Kognition ist die Gleichsetzung von

Kognition, also dem Wissensprozeß, und Lebensprozeß. Die Kognition ist ... die mit der

Selbsterzeugung und Selbsterhaltung lebender Netzwerke verbundene Tätigkeit. Mit anderen

Worten: Die Kognition ist der Prozeß des Lebens selbst. Die organisierende Tätigkeit

lebender Systeme ist auf allen Ebenen des Lebens die geistige Tätigkeit ... Damit sind Leben

und Kognition untrennbar miteinander verbunden ... Die Kognition ist ... mit allen Ebenen

des Lebens verbunden und daher ein viel umfassenderes Phänomen als das Bewußtsein ... Die

Dialoge zwischen Menschen und Schimpansen vermittelten ein einzigartiges Verständnis der

kognitiven Fähigkeiten von Affen, was wiederum ein neues Licht auf die Ursprünge der

menschlichen Sprache wirft. Über die menschliche Natur stellt Capra (2002) fest, „daß sich

das kognitive und emotionale Leben von Menschen und Tieren nur graduell unterscheidet,

daß das Leben ein großes Kontinuum ist, in dem die Unterschiede zwischen den Arten

graduell und evolutionär sind“; dabei zitiert Capra (2002) Lakoff und Johnson (1999): „Der

Verstand ist somit nicht eine Substanz, die uns von anderen Tieren trennt er stellt uns

vielmehr in ein Kontinuum mit ihnen.“

Davies (2001) vertritt den Standpunkt, daß die sich in komplexer Selbstorganisation

entwickelte „Menschheit ein integraler Bestandteil des andauernden Prozesses der

Komplexifikation (so die Formulierung von Teilhard de Chardin) ist, verleiht uns zumindest

Page 14: Luhmanns Sozialität der Kommunikation LV · Kommunikationsüberfluss zu beherrschen. Niklas Luhmann (1986, S.973, ebd.) sieht gleichfalls in dieser kommunikativen Verbundenheit die

Luhmanns Sozialität der Kommunikation LV

14

eine gewisse Würde, die wir nicht besäßen, wenn wir nur ein zufälliger Zwischenfall in der

Weite des Kosmos wären“.

Nach Capra (2001) müsse jede Wissenschaft selbst herausfinden, wo in ihrem Bereich die

Grenzen ihres mechanistischen und reduktionistischen Weltbildes liegen. „Die Methode,

komplexe Phänomene auf ihre Grundbausteine zu reduzieren und die Mechanismen zu

betrachten, die zwischen ihnen wirken, ist in unserer Kultur so tief verwurzelt, daß sie häufig

mit der Wissenschaft selbst gleichgesetzt wird.“ Capra (2001) propagiert eine über das

mechanistische und reduktionistische Weltbild hinausgehende zu einer organischen,

ganzheitlichen und ökologischen Sicht führende Transparenz, die starken Einfluß auf die

Wissenschaften haben sowie therapeutisch und kulturell einigend wirken würde. Capra (2001)

betrachtet das Ungleichgewicht zwischen den beiden Arten des Bewußtseins, zwischen dem

dominant-männlichen „rationalen“ „Yang“ und dem unterdrückten-weiblichen „intuitiven“

„Yin“ in unserer „Kultur und Gesellschaft unter dem Gesichtspunkt dieser beiden

entgegengesetzten Pole“ und propagiert einen „evolutionären Umschwung“ zur

„Wiederentdeckung ganzheitlicher Auffassungen ... und nicht zuletzt eines stärker werdenden

feministischen Bewußtseins“, ein Gleichgewicht der Gegensätze Yin und Yang, „weil die

Funktionen von Körper und Geist nur als unterschiedliche Aspekte ein und desselben Systems

angesehen werden. Darüberhinaus wird der menschliche Organismus in seiner Beziehung

zum gesamten Kosmos betrachtet ... Bei der genaueren Untersuchung dieses dynamischen

Gleichgewichts erscheint es sinnvoll, beim Menschen drei allerdings wesentlich miteinander

zusammenhängende Aspekte zu unterscheiden und daraus erste begriffliche Ansätze für eine

ganzheitliche Betrachtungsweise zu gewinnen ... der Körper, die Seele ... und die Umwelt“.

Capra (2001) schlußfolgert, daß das Weltbild des kulturell-philosophischen

Ungleichgewichtes zunächst ausgesprochen erfolgreich gewesen sei, bis es „weit über die

Grenzen seiner Anwendbarkeit hinaus bis zu einem Punkt ausgeweitet wurde, daß es dazu

beitrug, eine materielle und gesellschaftliche Umwelt zu schaffen, die ... möglicherweise

sogar unser Überleben bedroht“.

Morin (1999) warnt vor intellektuellen Irrtümern: Unsere Ideen unterlägen nicht nur dem

Irrtum, sie förderten und unterstützten ihn sogar, indem sich Theorien gegen entgegengesetzte

Argumentationen wehren würden. „Obwohl wissenschaftliche Theorien die einzigen sind, die

die Möglichkeit ihrer Widerlegung akzeptieren, neigen sie auch dazu, diesen Widerstand an

den Tag zu legen.“

Morin (1999) erkennt als Antinomie, die riesigen Wissensfortschritte der disziplinären

Spezialisierungen der „in sich verkapselten Disziplinen“ seien verstreut und nicht verbunden

Page 15: Luhmanns Sozialität der Kommunikation LV · Kommunikationsüberfluss zu beherrschen. Niklas Luhmann (1986, S.973, ebd.) sieht gleichfalls in dieser kommunikativen Verbundenheit die

Luhmanns Sozialität der Kommunikation LV

15

und häufig die Kontexte, die Globalitäten, die Komplexitäten zerbrochen; wodurch

Hindernisse in unserem Erziehungssystem „die Ausübung einer umfassenden Erkenntnis

verhindern“, indem die fundamentalen und global-komplexen Probleme „aus den

Disziplinwissenschaften evakuiert worden“ seien. „Unter diesen Bedingungen verliert der

durch die Disziplinen geformte Geist seine natürlichen Fähigkeiten, die Wissenselemente zu

kontextualisieren, und sie in ihre natürlichen Gesamtheiten zu integrieren. Die Schwächung

der Wahrnehmung des Globalen führt zur Schwächung der Verantwortung (jeder neigt dazu,

nur für seine spezialisierte Aufgabe verantwortlich zu sein) sowie zur Schwächung der

Solidarität (der einzelne empfindet nicht mehr seine Verbindung mit seinen Mitbürgern).

Die essentiellen Probleme sind nach Morin (1999)

• Disziplinen und geschlossene Spezialisierung:

Nach Morin hindere die Überspezialisierung daran, das Globale und Wesentliche zu

sehen: „Während die Allgemeinbildung den Ansporn enthielt, jede Information oder jede

Idee in den Kontext zu stellen, parzelliert, trennt und unterteilt die disziplinäre

wissenschaftliche und technische Kultur die Kenntnisse und macht es immer schwieriger,

sie in den Zusammenhang zu stellen. Gleichzeitig macht das Zerschneiden der Disziplinen

unfähig, das zu erfassen, was ... komplex ist.“

Infolge der mathematisch kalkulierbaren Abstrahierung der Spezialisierung zeigt Morin

am Beispiel der Ökonomie auf, daß sie sozial und menschlich am rückschrittlichsten sei,

was die Unfähigkeit ihrer Fachleute erkläre, u.a. den wirtschaftlichen Verlauf

vorherzusagen.

• Reduktion und Disjunktion

Das wissenschaftliche Prinzip der Reduktion, das die Erkenntnis eines Ganzen auf die

Erkenntnis seiner Teile zurückführt, führe nach Morin „natürlich dazu, das Komplexe auf

das Einfache zu reduzieren“; entferne das Menschliche aus dem Menschen, blende das

Zufällige, das Neue, die Erfindung aus. „Die großen menschlichen Probleme

verschwinden zugunsten einzelner technischer (eindimensionaler) Probleme ... Je

multidimensionaler daher die Probleme werden, desto größer wird die Unfähigkeit, ihre

Multidimensionalität zu denken ... macht die blinde Intelligenz unwissend und

unverantwortlich.“

Capra (1996) postuliert: „Sich wieder ins Lebensnetz einzubringen, das heißt vor allem:

Gemeinwesen zu bilden und zu pflegen, die sich am Prinzip der ökologischen Nachhaltigkeit

ausrichten. In ihnen können wir unsere Bedürfnisse befriedigen und unsere Ziele

verwirklichen, ohne die Chancen künftiger Generationen zu schmälern.“

Page 16: Luhmanns Sozialität der Kommunikation LV · Kommunikationsüberfluss zu beherrschen. Niklas Luhmann (1986, S.973, ebd.) sieht gleichfalls in dieser kommunikativen Verbundenheit die

Luhmanns Sozialität der Kommunikation LV

16

Nach Kneer und Nassehi (1993) betrachten holistische (ganzheitliche) und systemtheoretische

Denkweisen in der Soziologie ein Soziales System als Ganzheit einer Menge von Elementen,

die soziale Elemente sind, nämlich soziale Handlungen . (S. 31, ebd.)

Page 17: Luhmanns Sozialität der Kommunikation LV · Kommunikationsüberfluss zu beherrschen. Niklas Luhmann (1986, S.973, ebd.) sieht gleichfalls in dieser kommunikativen Verbundenheit die

Luhmanns Sozialität der Kommunikation LV

17

V. Sozialität der Kommunikation

Nach Luhmann meint soziales System einen Sinnzusammenhang von aufeinander

verweisenden sozialen Handlungen, der sich von seiner Umwelt abgrenzt und dadurch

komplex ist, dass es mehr als einen Zustand annehmen kann, wobei Komplexität die

Gesamtheit der möglichen Zustände umfasst.

Reduktion von Komplexität bezeichnet die zentrale Funktion von Systemen, die Gesamtheit

der in der Welt möglichen Ereignisse einzuschränken. (S. 46, ebd.) Indem soziale Systeme

autopoietische Systeme sind, die fortlaufend Kommunikation aus Kommunikation in einem

rekursiv-geschlossenen Prozess produzieren, verarbeiten (soziale und psychische) Systeme

Komplexität in der Form von Sinn durch fortlaufendes Differenzieren zwischen Aktualität

und Möglichkeit. Sinn, der ständig auf Sinn und Nicht-Sinn verweist, ist somit

selbstreferentielles Geschehen (S. 80, ebd.).

Für Luhmann operieren die an der Kommunikation beteiligten Bewußtseinssysteme

selbstreferentiell-geschlossen, dabei bildet Kommunikation einen dreistelligen

Selektionsprozess (eine Einheit), der Information, Mitteilung und Verstehen miteinander

kombiniert (S. 81, ebd.) als Synthese aller drei Selektionsleistungen, weshalb Kommunikation

nicht auf die Mitteilungshandlung reduziert werden könne, obzwar häufig

Kommunikationssysteme sich selbst als Handlungssysteme verstehen, indem sich

Kommunikation selbst als Handlung auffasst, die einer Person zugerechnet wird. Die

Vereinfachung der Kommunikation als Mitteilungshandlung erlaubt es, durch Reduktion das

soziale Geschehen personenorientiert aufzufassen, verkürzt aber die dreistellige komplexe

Einheit aus Information, Mitteilung und Verstehen auf den Selektionspunkt der

Mitteilungshandlung einer Person; dabei sind auch Beschreibungen sozialer Zusammenhänge

als Handlungsketten und nicht als Kommunikationsketten einseitig (S. 87-89, ebd.).

Soziale Systeme nehmen sich interne Anknüpfungspunkte dadurch, dass sie

Kommunikationen als Mitteilungshandlungen auffassen und einzelnen Personen zurechnen;

dabei fungieren Struktur und Prozess als zwei Formen der Selektionsverstärkung in sozialen

Systemen – Strukturen erfüllen diese Funktionen durch Exklusionen, Prozesse erreichen

durch Auswahl passender Ausschlußmöglichkeiten eine Vorselektion. (S. 95, ebd.)

Nach Luhmanns Theorie der Gesellschaft sind Struktur und Prozess keine sich

ausschließenden Größen, vielmehr reproduzieren sich Strukturen nur in autopoietischen

Prozessen, die selbst innerhalb der Grenzen der jeweiligen Systemstruktur verlaufen. (S. 122,

ebd.)

Page 18: Luhmanns Sozialität der Kommunikation LV · Kommunikationsüberfluss zu beherrschen. Niklas Luhmann (1986, S.973, ebd.) sieht gleichfalls in dieser kommunikativen Verbundenheit die

Luhmanns Sozialität der Kommunikation LV

18

An der modernen funktional differenzierten Gesellschaft sind die Leitunterscheidungen der

funktionsspezifischen Kommunikationen in Form binärer Codierungen (entweder/oder), die

für das Funktionssystem nicht hintergehbar sind, gebaut, die mittels Codierung das Teilsystem

operativ schließen bzw. mittels Programmen, die über die Zuweisung von Codewerten

entscheiden, das System für externen Sinn öffnen. (S. 141, ebd.)

Während Lebenswelt die subjektive Perspektive des Beobachters bezeichnet, ist

Weltgesellschaft der Gesellschaftstyp der Moderne, in der die Einheit der Gesellschaft nur

mehr als erdumspannende Gesamtheit aller möglichen Kommunikationen verstanden wird (S.

155, ebd.); wobei Inklusion die Teilhabe von Personen an bestimmten Kommunikationen

bedeutet (S. 165, ebd.).

Für Luhmann ist Kommunikation auf der Ebene organischer, neuronaler und psychischer

Prozesse ausgeschlossen; vielmehr sind Kommunikationen keine Operationen von

Organismen, Nervensystemen oder Bewußtseinssystemen, sondern entstehen durch

Konstitution neuer sozialer Systeme, die als autopoietische Systeme fortlaufend rekursiv

Kommunikation an Kommunikation anschließen (S. 67-68, ebd.), der selbstrefentiellen

Erzeugung von Kommunikation durch Kommunikation als soziales Geschehen (S. 69, ebd.).

Da allein Bewußtsein Kommunikation irritieren oder reizen könne, sind soziale und

psychische Systeme strukturell miteinander gekoppelt: Keine Kommunikation ohne

Bewußtsein und umgekehrt.

Indem die Umweltkopplung der Kommunikationssysteme auf Bewußtseinsebene beschränkt

ist, bleibt ein Kommunikationssystem ein operativ geschlossenes selbstreferentielles System

(S. 70-71, ebd.); weshalb Kommunikation und Bewußtsein als strukturell gekoppelte

selbstreferentiell-geschlossene Systeme vollständig getrennt und überschneidungsfrei

operieren und auf unterschiedlichen Emergenzebenen ihre je eigene Autopoiesis auf ihre je

eigene Weise zustandebringen (S. 72 u. 74, ebd.): Kommunikation kommuniziert und denkt

nicht (S. 73, ebd.).

Nach Luhmann ist jede Information eine Selektion aus einem Horizont von Möglichkeiten, zu

deren Kommunikation mehrere Mitteilungsmöglichkeiten zur Verfügung stehen; wobei eine

Kommunikation dann vorliegt, wenn eine Auswahl von Information und mehreren

Mitteilungsmöglichkeiten sowie von mehreren Verstehensmöglichkeiten als Synthese aller

drei Selektionsleistungen getroffen wird (S. 81, ebd.).

Solange nur die Selektionen von Informationen und Mitteilung miteinander verknüpft werden,

liegt keine Kommunikation vor, von der erst als emergentem Geschehen gesprochen werden

Page 19: Luhmanns Sozialität der Kommunikation LV · Kommunikationsüberfluss zu beherrschen. Niklas Luhmann (1986, S.973, ebd.) sieht gleichfalls in dieser kommunikativen Verbundenheit die

Luhmanns Sozialität der Kommunikation LV

19

könne, wenn die mitgeteilte Information selektiv, in der einen oder anderen Weise verstanden

würde (S. 84, ebd.).

Page 20: Luhmanns Sozialität der Kommunikation LV · Kommunikationsüberfluss zu beherrschen. Niklas Luhmann (1986, S.973, ebd.) sieht gleichfalls in dieser kommunikativen Verbundenheit die

Luhmanns Sozialität der Kommunikation LV

20

VI. Zur Theorie der Massenkommunikation und der Medien

Da die Wirklichkeit, nicht als das, was sie ist, sondern nur als das, was sie nicht ist, erfasst

werden könne, sind Beobachtungssysteme Beobachterkonstruktionen, die Beobachtungen in

spezifischen Beobachtungsfeldern und die Übertragung ihrer Ergebnisse in die

Kommunikation in Form kognitiver Repräsentationen der beobachteten Realität ermöglichen.

Daraus erkläre sich Systemtheorie als Methode der Darstellung von Zusammenhängen aller

Arten als System. Indem Realität im Handlungssystem nur über Beobachtung zugänglich ist

und es kein System ohne kognitive Repräsentation gibt, hängt die Wirklichkeit von der

Theorie ab, sodass äußere und innere Realität zwei Aspekte derselben Konstruktion sind:

Sinnproduktionen als menschliche Konstruktionsleistungen. Kommunikation bildet soziale

Systeme, sozial konstruierte Wirklichkeiten, Realitätsdefinitionen, Eckwerte eines

gesellschaftlichen Wirklichkeitsmodells, das von der Kultur programmiert wird, einem

Gesamtpropgramm zum Vollzug der Gesellschaft durch kommunikative Thematisierung des

Wirklichkeitsmodells mittels Legitimation, Interpretation, Reflexion und Veränderung der

Eckwerte.

Indem sie Anlässe für systemspezifische Konstruktionsprozesse liefern, koppeln die Medien

kognitive mit kognitiven, kognitive mit sozialen und soziale mit sozialen Systemen, wobei die

Massenmedien durch das Gefühl des authentischen Dabeiseins ein angeblich gemeinsames

Wirklichkeitsmodell unterstellen; aus dem Bild der Wirklichkeit die Wirklichkeit des Bildes

wird.

Nach Luhmanns Realität der Massenmedien (1996) konstruieren – nicht verzerren –

Massenmedien die Realität; wobei er Massenmedien definiert als alle Einrichtungen der

Gesellschaft, die zur Verbreitung von Kommunikation technische Mittel zur Vervielfältigung

benutzen. Grundlegend dafür ist, dass keine Interaktion zwischen Sendern und Empfängern

besteht aufgrund der Zwischenschaltung von Technik.

In den Massenmedien erfolgt eine Doppelung der Realität, als reale Realität der die

Massenmedien durchlaufenden Kommunikationen sowie im Sinne dessen, was für oder durch

die Massenmedien für andere als Realität erscheint.

Der gesellschaftliche Erfolg der Massenmedien beruht nach Luhmann (1996) auf der

Durchsetzung der Akzeptanz von Themen, wobei die Codierung der Massenmedien eine

Unterscheidung zwischen Information und Non-Information ermögliche.

Nach Luhmann (1996) bilden die Programmbereiche der Massenmedien die drei Säulen der

Massenkommunikation:

Page 21: Luhmanns Sozialität der Kommunikation LV · Kommunikationsüberfluss zu beherrschen. Niklas Luhmann (1986, S.973, ebd.) sieht gleichfalls in dieser kommunikativen Verbundenheit die

Luhmanns Sozialität der Kommunikation LV

21

1. Nachrichten und Berichte, die als autopoietische Systeme immer unter

Manipulationsverdacht stehen;

2. Werbung, als Strukturierung des Begehrens;

3. Unterhaltung, als Spiel der Realitätsverdopplung durch Ausgliederung.

Die Massenmedien setzen den kognitiven, moralisch verantwortlichen Menschen als soziales

Konstrukt voraus, sie konstruieren Realität, indem die Massenmedien im Erarbeiten von

Informationen die Fähigkeit der Gesellschaft steigern, Informationen zu erarbeiten. Zugleich

erzeugen die Massenmedien eine nicht konsens-pflichtige Realität.

Massenmedien erfüllen nach Luhmann (1996) die Funktion, zur Selbstbeobachtung des

Gesellschaftssystems als soziales Gedächtnis der Gesellschaft die nötige Hintergrundrealität

bereitzustellen, die die Massenmedien fortlaufend re-imprägnieren; sie erzeugen weiters

Objekte, die in weiterer Kommunikation als bekannt gelten; sie leisten einen Beitrag zur

Realitätskonstruktion einer Gesellschaft durch Reaktualisierung ihrer Selbstbeschreibung und

sie repräsentieren Öffentlichkeit.

Ortmann (1999) fasst zusammen:

Der gängige Vorwurf gegen die Massenmedien ist der, sie würden die Realität verfälscht

wiedergeben. Das heißt, es wird davon ausgegangen, dass die Medien wissen, was Realität

ist, und dennoch, zum Beispiel um die Auflage oder die Einschaltquoten zu steigern, ein

verfälschtes Bild dieser Realität anbieten. Niklas Luhmann wählt in seinem ausgearbeiteten

Vortrag "Die Realität der Massenmedien" (in diesem Buch äussert sich Luhmann zum ersten

Mal ausführlich über das System der Massenmedien) einen von dieser populären Meinung

abweichenden Ansatz. Luhmann betont, man könne die Realität der Massenmedien nicht

begreifen, wenn man "ihre Aufgabe in der Bereitstellung zutreffender Informationen über die

Welt sieht und daran ihr Versagen, ihre Realitätsverzerrung, ihre Meinungsmanipulation

mißt"(Luhmann 1996). Ausgehend von seiner Systemtheorie entwirft Luhmann eine Theorie

der Konstruktion von Realität durch die Massenmedien, bei der sich alles um Selektion und

Unterscheidung dreht. Zentrales Problem seiner Überlegungen ist die "Konstruktion der

Realität der modernen Welt und ihres Gesellschaftssystems" (Luhmann 1996). Die zentralen

Fragen lauten: "Welche Realitätsbeschreibung erzeugen Massenmedien?" und: "Welche

Gesellschaft entsteht, wenn sie sich laufend und dauerhaft auf diese Weise über sich selbst

informiert?" (Luhmann 1996) ... Luhmann unternimmt den Versuch, die Theorie des

Massenmedien in seine allgemeine Theorie der modernen Gesellschaft einzuordnen. Dabei

geht er davon aus, "die Massenmedien seien eines der Funktionssysteme der modernen

Page 22: Luhmanns Sozialität der Kommunikation LV · Kommunikationsüberfluss zu beherrschen. Niklas Luhmann (1986, S.973, ebd.) sieht gleichfalls in dieser kommunikativen Verbundenheit die

Luhmanns Sozialität der Kommunikation LV

22

Gesellschaft, das, wie all anderen auch, seine gesteigerte Leistungsfähigkeit der

Ausdifferenzierung, der operativen Schließung und der autopoietischen Autonomie des

betreffendes Systems verdankt." (Luhmann 1996) Unter "Ausdifferenzierung" versteht

Luhmann "die Emergenz eines besonderen Teilsystems der Gesellschaft", welches "die

Merkmale der Systembildung, vor allem autopoietische Selbstreproduktion,

Selbstorganisation, Strukturdeterminiertheit und mit all dem: operative Schließung selbst

realisiert" (Luhmann 1996). Die Funktion der Massenmedien liegt darin, Informationen zu

verbreiten, deren wichtigstes Merkmal die Neuheit oder eine Abweichung vom Gewohnten

und Normalen ist und die ständig Aufmerksamkeit mobilisieren, binden und in

Alarmbereitschaft halten müssen (Rötzer). Im Sinne der Luhmannschen Systemtheorie handelt

es sich dabei um autopoietisch operierende soziale Systeme, die der technischen Erzeugung

und Verbreitung von Kommunikationen in der Gesellschaft dienen (Krause) ... Luhmann

betrachtet die Massenmedien als beobachtende Systeme, die zwischen Selbstreferenz und

Fremdreferenz unterscheiden (müssen) (Luhmann 1996).

Kommunikationen sind die Elemente des Systems und werden als

Information/Nichtinformation codiert: "Mit Information kann das System arbeiten ... Die

Massenmedien formen Kommunikationen und schaffen damit die Voraussetzung für weitere

Kommunikationen und dienen der gesellschaftlichen Selbstbeobachtung. Die Leistung der

Massenmedien besteht in der Formung der öffentlichen Meinung, wobei die Massenmedien

selbst formgebend im Medium der Öffentlichkeit operieren und zugleich als Repräsentanten

öffentlicher Meinung beobachtbar sind (Krause) ... Realität im luhmannschen Sinne kann nur

Konstruktion sein wenn "alle Erkenntnis aufgrund einer Unterscheidung von Selbstreferenz

und Fremdreferenz erarbeitet werden muß" und zwar im System selbst (Luhmann 1996). Wird

Realität in einer Kommunikation ausdrücklich betont, so impliziert dies für Luhmann

zugleich, "daß Zweifel möglich und vielleicht sogar angebracht sind" (Luhmann 1996) ...

Luhmanns Grundgedanke: erst die maschinelle Herstellung eines Produktes als Träger der

Kommunikation hat zur Ausdifferenzierung eines besonderen Systems der Massenmedien

geführt ... Kommunikation gilt allgemein als eine Austauschbeziehung (ausgetauscht wird

Information) zwischen zwei oder mehreren Partnern und setzt Vorhandensein von Sender und

Empfänger voraus Damit die Kommunikation gelingt, müssen Sender und Empfänger einen

gemeinsamen Code benutzen und beständig die Rollen wechseln. Im Falle der Massenmedien

ist dies nicht oder nur sehr schwer möglich: der Rückkanal zur Interaktion mit den

Empfängern fehlt. Darüber hinaus senden die Massenmedien in gewisser Weise ins

Ungewisse; sie wissen nicht, wer der Kommunikationspartner auf der Empfängerseite ist ...

Page 23: Luhmanns Sozialität der Kommunikation LV · Kommunikationsüberfluss zu beherrschen. Niklas Luhmann (1986, S.973, ebd.) sieht gleichfalls in dieser kommunikativen Verbundenheit die

Luhmanns Sozialität der Kommunikation LV

23

Darüber hinaus ist es den Massenmedien nicht möglich, die direkte Wirkung ihrer

Kommunikation auf die Empfänger abzulesen. Sie bekommen keine Rückmeldung darüber, ob

ihre Mitteilungen verstanden oder missverstanden worden sind ... Luhmann spricht wie

gesagt von einer "technisch bedingten Notwendigkeit einer Kontaktunterbrechung" und

betont, dass im Gegensatz zum sonst üblichen Ablauf von Kommunikation im Falle der

Massenmedien keine Interaktion zwischen Sender und Empfänger stattfinden kann ...

Luhmanns Überlegungen zur Realität der Massenmedien setzten sich nicht wie man leicht

vermuten könnte mit der populären Frage auseinander, wie die Massenmedien die Realität

in ihrer Darstellungsweise verzerren, zum Beispiel auf Grund von bestimmten Interessen.

Dafür müsste man von der Existenz einer allgemeingültigen Realität, bzw. von einer

objektiven Wahrheit ausgehen. Für Luhmann gibt es aber keine objektive Kontrolle über den

Informationsbegriff: "Wenn jemand etwas als Information aufnimmt, dann ist es Information

für ihn, ob es nun stimmt oder nicht. (...) Wenn man vom Primat der Unterscheidung zwischen

Information und Nichtinformation ausgeht, dann tritt die Wahrheitsfrage erst an zweiter

Stelle auf." (Luhmann, DS, 1996) ... Auf der anderen Seite betrachtet Luhmann also die von

den Massenmedien inszenierte und konstruierte Wirklichkeit, d.h. durch die

Kommunikationen der Massenmedien erscheint etwas für deren Empfänger als Realität

(Luhmann 1996) ... Demnach müssen die Massenmedien uns wissen lassen, dass wir ihnen

nicht trauen können, da wir nach Luhmann nur das wissen, was wir durch die Massenmedien

wissen. Dieser Konflikt führe weiterhin zu einem ( konsequenzlosen ) Manipulationsverdacht

in der Gesellschaft ... Luhmanns These lautet: "Wir haben es (...) mit einem Effekt der

funktionalen Differenzierung der modernen Gesellschaft zu tun." (Luhmann 1996) ...

Massenmedien sind also ein System, das durch eine operative Schließung eine Differenz von

System und Umwelt erzeugt ... Luhmann geht davon aus, dass die Wahrheit im Gegensatz

zur Wissenschaft im Bereich der Massenmedien nicht ausschlaggebend ist. Vielmehr sieht

er das Problem "in der unvermeidlichen, aber auch gewollten und geregelten Selektivität". Es

geht also darum, das die Massenmedien aus der Fülle der zur Verfügung stehenden

Informationen selektieren, denn es ist unmöglich (und wäre wahrscheinlich auch

uninteressant), alle Informationen zu verbreiten. Luhmann betont jedoch, dass mit "Selektion"

nicht die "Freiheit der Auswahl" gemeint sei ... Die Realität, die die Massenmedien in der

heutigen Gesellschaft erzeugen, ersetzt nach Luhmann die Wissensvorgaben, die ansonsten

durch die Religion, die Weisen, etc. bereitgestellt werden: es handelt sich um eine Realität der

Beobachtung zweiter Ordnung, d.h. die Gesellschaft überlässt ihre Selbstbeobachtung dem

Funktionssystem der Massenmedien (Luhmann 1996).

Page 24: Luhmanns Sozialität der Kommunikation LV · Kommunikationsüberfluss zu beherrschen. Niklas Luhmann (1986, S.973, ebd.) sieht gleichfalls in dieser kommunikativen Verbundenheit die

Luhmanns Sozialität der Kommunikation LV

24

Literaturquellen:

Bornmann (2003) Universität Kassel, http://www.uni-

kassel.de/~bornmann/Theorie/Luhmann/luh.htm

Capra, F. (1996) „The Web of Life. A New Synthesis of Mind and Matter", HarperCollins,

London. – Deutsche Ausgabe: „Lebensnetz Ein neues Verständnis der lebendigen Welt ,

Scherz Verlag Bern und München

Capra, F. (2001) „Die neue Physik und die wissenschaftliche Realität unserer Zeit“ in J.

Lovelock/R.Sheldrake/F.Capra/P.Davies „Der wisssende Kosmos Die Entdeckung eines

neuen Weltbildes“, Verlag Herder Freiburg im Breisgau

Capra, F. (2002) „The Hidden Connections A Science For Sustainable Living“, Doubleday,

a Division of Random House, New York; HarperCollinsPublishers, London. Deutsche

Ausgabe: „Verborgene Zusammenhänge Vernetzt denken und handeln in Wirtschaft,

Politik, Wissenschaft und Gesellschaft“, Scherz Verlag Bern, München, Wien

Daumenlang, K., Heinrich, T. (1997) „Kommunikationstheorien“ in „Taschenbuch der

Pädagogik“ Band Nr. 3 (S. 964-979), Hierdeis, H., Hug, T., (Hrsg.)

Davies, P. (2001) „Die kosmische Blaupause: Selbstorganisierte Prinzipien der Materie und

des Geistes“ in J. Lovelock/R.Sheldrake/F.Capra/P.Davies „Der wisssende Kosmos Die

Entdeckung eines neuen Weltbildes“, Verlag Herder Freiburg im Breisgau

Heinze, T. (2000) „Qualitative Sozialforschung Methodologie und Forschungspraxis“,

Studia Verlag, Innsbruck/Hagen

Kneer, G., Nassehi, A. (1993) „Niklas Luhmanns Theorie sozialer Systeme“, Wilhelm Fink

Verlag, München

Luhmann, N. (1996) „Die Realität der Massenmedien“, Opladen, Westdeutscher Verlag

Page 25: Luhmanns Sozialität der Kommunikation LV · Kommunikationsüberfluss zu beherrschen. Niklas Luhmann (1986, S.973, ebd.) sieht gleichfalls in dieser kommunikativen Verbundenheit die

Luhmanns Sozialität der Kommunikation LV

25

Morin, E. (1999) „Die sieben Fundamente des Wissens für eine Erziehung der Zukunft“,

UNESCO. Deutsche Ausgabe (2001): Reinhold Krämer Verlag Hamburg

Ortmann, S. (1999) „Niklas Luhmann: Die Realität der Massenmedien“,

http://www.berlinerzimmer.de/ortmann/studium/luhmann.pdf

Universität Essen (2003a) „Niklas Luhmann“, http://www.uni-essen.de/literaturwissenschaft-

aktiv/Vorlesungen/methoden/luhmann.htm

Universität Essen (2003b) „Systemtheorie und Literatur“, http://www.uni-

essen.de/literaturwissenschaft-aktiv/Vorlesungen/methoden/systemtheorie.htm

Page 26: Luhmanns Sozialität der Kommunikation LV · Kommunikationsüberfluss zu beherrschen. Niklas Luhmann (1986, S.973, ebd.) sieht gleichfalls in dieser kommunikativen Verbundenheit die

Luhmanns Sozialität der Kommunikation LV

26

Aus: http://de.wikipedia.org/wiki/Soziologische_Systemtheorie

Soziologische SystemtheorieAls soziologische Systemtheorie wird eine auf systemtheoretischen Diskursen und Begriffen basierende Theorieder Gesellschaft als Teil einer allgemeinen Soziologie bezeichnet. Als wichtigste Vertreter gelten TalcottParsons (handlungstheoretische Systemtheorie) und Niklas Luhmann (kommunikationstheoretischeSystemtheorie). Die Systemtheorie hat dabei den Anspruch, eine Universaltheorie im Sinne eines umfassendenund kohärenten Theoriegebäudes zu sein. Damit umfasst sie auch sich selbst als Gegenstand ihrer Theorie.Funktionalismus und SystemerhaltungWährend die soziologische Systemtheorie gegenwärtig fast ausschließlich in Europa weiterentwickelt wird,liegen ihre Ursprünge in den USA. Es gab zwei Hauptströmungen: den Struktur- oder Bestandsfunktionalismusund die Theorie Parsons, für die sich die zutreffendere Bezeichnung Systemfunktionalismus nicht durchgesetzthat. Parsons wird häufig unter Strukturfunktionalismus subsumiert, was er jedoch selbst (wie auch sein SchülerNiklas Luhmann) zurückweist. Tatsächlich unterscheidet sich seine Theorie auch fundamental vomStrukturfunktionalismus.

VII. StrukturfunktionalismusAusgehend von ethnologischen und anthropologischen Fragestellungen untersuchte der Strukturfunktionalismus(Alfred R. Radcliffe-Brown, Bronis aw Malinowski, Edward E. Evans-Pritchard) die Frage, wie Strukturen dasVerhalten von Individuen innerhalb einer Gesellschaft determinieren. Dabei wurden alle gesellschaftlichenStrukturen auf ihre Funktion hin befragt. Als Struktur wird dabei die Gesamtheit der sozialen Beziehungen undInteraktionen im sozialen Netzwerk einer Gesellschaft verstanden. Diese Strukturen einer Gesellschaft werdenals äußerst stabil und als nur durch externe Faktoren wandelbar angesehen. In diesem Sinne suchte derStrukturfunktionalismus nach den Bestandsvoraussetzungen sozialer Systeme und gesellschaftlicher Strukturen.Das Ergebnis waren im wesentlichen Listen mit Bestandsvoraussetzungen und Variablen. Die Limitierung aufsegmentäre Gesellschaften, wie etwa Stämme, wurde damit begründet, dass man einen isolierbaren begrenzbarenForschungsgegenstand brauchte, um überhaupt Aussagen treffen zu können.Systemtheorie bei ParsonsDer soziologische Systembegriff geht auf Talcott Parsons zurück. Parsons betrachtet dabei Handlungen alskonstitutive Elemente sozialer Systeme. Er prägte den Begriff der strukturell-funktionalen Systemtheorie. DerBegriff Struktur bezieht sich dabei auf diejenigen Systemelemente, die von kurzfristigen Schwankungen imSystem-Umwelt-Verhältnis unabhängig sind. Funktion dagegen bezeichnet den dynamischen Aspekt einessozialen Systems, also diejenigen sozialen Prozesse, die die Stabilität der Systemstrukturen in einer sichändernden Umwelt gewährleisten sollen. Die strukturell-funktionale Theorie beschreibt also den Rahmen, derHandlungsprozesse steuert. Ist die Struktur eines Systems bekannt, kann in funktionalen Analysen angegebenwerden, welche Handlungen für die Systemstabilisierung funktional oder dysfunktional sind. Handlungenwerden also nicht isoliert betrachtet, sondern im Kontext der strukturellen und funktionalen Aspekte desjeweiligen Sozialsystems.

VIII. AGIL-SchemaZur strukturellen und funktionalen Analyse von sozialen Systemen entwickelte Parsons ein Schema, mit dem diefür die Strukturerhaltung notwendigen Funktionen benannt werden können. Demnach müssen alle Systeme vierelementare Funktionen erfüllen:

1.Adaption (Anpassung),2.Goal Attainment

(Zielerreichung),3.Integration (Integration) und4.Latent Pattern Maintenance

(Strukturerhaltung)

(= AGIL). Einzelne Handlungen werden also nicht isoliert, sondern im Rahmen eines strukturellen undfunktionalen Systemzusammenhanges betrachtet. Handlungen sind dabei Resultate eben jenesSystemzusammenhanges, der durch diese Handlungen gestiftet wird (handlungstheoretische Systemtheorie).Parsons beschreibt den Zusammenhang zwischen System und Systemelementen also als rekursiv undberücksichtigt damit wechselseitige Ermöglichungs-, Verstärkungs- und Rückkopplungsbedingungen.Erweiterung und Neuformulierung durch Luhmannsiehe auch den Hauptartikel Systemtheorie (Luhmann)

Page 27: Luhmanns Sozialität der Kommunikation LV · Kommunikationsüberfluss zu beherrschen. Niklas Luhmann (1986, S.973, ebd.) sieht gleichfalls in dieser kommunikativen Verbundenheit die

Luhmanns Sozialität der Kommunikation LV

27

Niklas Luhmann erweiterte und revolutionierte die Theorie Parsons, indem er sich vom Handlungsbegriffabwandte und die Kommunikation (Systemtheorie) zum zentralen Punkt der Systemtheorie macht(kommunikationstheoretische Systemtheorie). Er sagt: Systeme (z.B. soziale Systeme) haben Operationen.Kommunikation ist dabei kein Ergebnis menschlichen Handelns, sondern ein Produkt sozialer Systeme.Luhmann teilt die Kommunikation in drei Elemente auf (Selektionsprozess):

• Information• Mitteilung und• Verstehen

Die Kommunikation wird durch symbolisch generalisierte Medien (z.B. Sprache, Schrift) vollzogen. Sprache alsgrundlegendes Kommunikationsmedium ist binär kodiert, d.h. jede Aussage kann als Affirmation (Bejahung)oder Negation (Verneinung) getroffen werden.

Personen sind keine Systeme, sondern Identifikationspunkte der Kommunikation. Gesellschaftkonstituiert und reproduziert sich also durch Kommunikation und ist darin auf Anschlußmöglichkeitenfür weitere Kommunikationen angewiesen, wobei Kommunikation nicht ohne Gesellschaft zu denkenist. Diese zirkuläre Definition grenzt sich bewusst von deduktiven Methoden der klassischenWissenschaft ab. Die Gesellschaft wird als sich selbst beschreibendes (autopoietisches) Systembetrachtet, das seine eigenen Beschreibungen enthält.

IX. Differenz und BeobachtungGesellschaft besteht also nicht aus handelnden Subjekten, Grundlage der Theorie ist vielmehr ein sich selbstbeobachtendes Beobachtungssystem. Am Anfang dieser Theorie steht also keine einheitliche Perspektive,sondern die Differenz (Systemtheorie) von Beobachtendem und Beobachtetem. Deren Einheit ist die Operationder Beobachtung, die sich als Kommunikation vollzieht. Beobachtung ist dabei immer eine systeminterneOperation, also eine Konstruktion eines Systems. Dabei ist die Beobachtung immer an die gewählteUnterscheidung gebunden, sie kann also nicht erfassen, was sie nicht sehen kann ("blinder Fleck"). Diesenblinden Fleck kann nur ein Beobachter zweiter Ordnung (Second Order Cybernetics, Second Semiotics)beobachten (wobei auch er wegen seines eigenen blinden Flecks nur sehen kann, was er sehen kann, usw.). Aufder Ebene der Beobachtung zweiter Ordnung gelangt man zu einer "polykontexturalen" Welt.Als Leitdifferenz setzt Luhmann die Unterscheidung von System und Umwelt. Systeme werden dabei im SinneMaturanas und von Foersters als autopoietisch, d.h. selbstreferentiell und operativ geschlossen, verstanden. Eine"Weltgesellschaft" stellt dabei den Gesamthorizont von vernetzten Kommunikationen dar. Gesellschaft ist hierdas umfassende System, das sich in funktionaler Weise ausdifferenziert und somit Systeme im System erzeugt,die ihre Umwelt in Form einer spezifischen binären Codierung beobachten (z.B. Recht/Unrecht imRechtssystem, Wahr/Falsch im Wissenschaftssystem, Allokation/Nichtallokation im Wirtschaftsystem,Immanenz/Transzendenz im Religionssystem oder Regierung/Opposition im politischen System). Diese Codesbilden lediglich den kontexturellen Rahmen, innerhalb dessen das Teilsystem Formen ausbilden kann. Der Codesorgt für die operative Schließung des Systems. Für die Offenheit des Systems sorgen Programme, also dieBedingungen, nach denen für die eine oder andere Seite einer Entscheidung optiert wird. Als Beispiel für einSystemprogramm können etwa Theorien in der Wissenschaft genannt werden, die über eine Zuordnung zu denCodewerten wahr / falsch entscheiden.

X. Soziale SystemeSoziale Systeme sind dabei die komplexesten Systeme, die Systemtheorien behandeln können. Soziale Systemevermitteln durch Komplexitätsreduktion zwischen der unbestimmten Weltkomplexität und derKomplexitätsverarbeitungskapazität des einzelnen Menschen. In einem sozialen System entsteht also imVergleich zur Umwelt eine höhere Ordnung mit weniger Möglichkeiten, die durch eine Grenze stabilisiert wird.

Page 28: Luhmanns Sozialität der Kommunikation LV · Kommunikationsüberfluss zu beherrschen. Niklas Luhmann (1986, S.973, ebd.) sieht gleichfalls in dieser kommunikativen Verbundenheit die

Luhmanns Sozialität der Kommunikation LV

28

Die Einschränkung der im System zugelassenen Anschlußmöglichkeiten für Kommunikation werden als Strukturdes Systems bezeichnet. Von der Struktur sind die System-Prozesse zu unterscheiden, die eine selektive zeitlicheAnordnung von Einzelereignissen beinhalten.Luhmann unterscheidet drei besondere Typen sozialer Systeme:

• Interaktionssysteme,• Organisationssysteme und• Gesellschaftssysteme. Die

Gesellschaft ist dabei einSystem höherer Ordnung, einSystem "anderen Typs". Sieumfasst die anderen Systeme,ohne dass sie in ihr aufgehen.

Wichtige, kommunikativ erzeugte Unterscheidungen sind für Luhmann etwa

• Zentrum/Peripherie,• Interaktion/Organisation,• Stratifikation/funktionale

Differenzierung. Diesoziologische Systemtheorieist konstruktivistisch undbasiert auf der Theorieoperativ geschlossenerSysteme.

Luhmanns Systemtheorie wird vor allem in Deutschland und Italien rezipiert.An der Weiterentwicklung der soziologischen Systemtheorie arbeiten in Deutschland vor allem die Soziologie-Professoren und Schüler Luhmanns Peter Fuchs und Dirk Baecker.Kritik an der SystemtheorieDie Systemtheorie nach Luhmann ist aufgrund ihres hohen begrifflichen Abstraktionsniveaus umstritten. Sieliefert lediglich funktional-strukturelle Beschreibungen. Aus diesem begrenzten Anspruch folgt auch ihrSelbstverständnis als nicht 'kritische', bzw. nicht am Ideal des Humanismus ausgerichtete Theorie. Bekannt ist indiesem Zusammenhang Luhmanns Kontroverse mit Jürgen Habermas.Weitere Kritikpunkte bestehen darin, die Systemtheorie stelle eher eine Begriffssammlung als einTheoriegebäude dar: "Hinter der Fassade ungeheurer Schwierigkeit und einem komplizierten Räderwerkartistischer Begrifflichkeit steckt lediglich eine Handvoll simpler Sätze: Die Welt ist kompliziert, alles ist mitallem verbunden, der Mensch erträgt nur ein begrenztes Mass an Kompliziertheit" (Dirk Käsler, zit. inKunczik/Zipfel 2005: 84). Dabei bestehe weder eine präzise und allgemein akzeptierte Definition desfunktionalistischen Systembegriffs, noch gebe es über die Lösung der vier Problembereiche gemäss AGIL-Schema bei Parsons hinaus explizite Hypothesen.Ausserdem wird der Systemtheorie eine versteckte Teleologie zum Vorwurf gemacht: Indem dieZielorientierung eines Subsystems zur Erhaltung des gesamten Systems als positive Funktion gewertet wird,geschieht eine versteckte Wertung und eine Legitimation des gesellschaftlichen Status quo. Bereits Robert K.Merton hatte von latenten (verborgenen) und manifesten (expliziten) Funktionen eines Systems gesprochen undsomit die funktionale Einheit eines Systems zurückgewiesen.Begriffe der soziologischen Systemtheorie

• Anschluss• Anschlussfähigkeit• Beobachtung• Differenz (Systemtheorie)

• Kontingenz• Doppelte Kontingenz

• Kommunikation (Systemtheorie)

Page 29: Luhmanns Sozialität der Kommunikation LV · Kommunikationsüberfluss zu beherrschen. Niklas Luhmann (1986, S.973, ebd.) sieht gleichfalls in dieser kommunikativen Verbundenheit die

Luhmanns Sozialität der Kommunikation LV

29

• Zeitdimension• Resonanz (Luhmann)

• Selektion (Luhmann)• Strukturelle Kopplung• Autopoiese

Literatur

XI. Primärliteratur

• Talcott Parsons Das Systemmoderner Gesellschaften, 6.Auflage, Juventa, 2003, ISBN3779907100

• Niklas Luhmann / Dirk Baecker,Einführung in dieSystemtheorie, 2. Auflage,Carl Auer, 2004, ISBN3896704591

• Niklas Luhmann, SozialeSysteme, 11. Auflage (1.Auflage 1984), Suhrkamp2001, ISBN 3518282662

• Niklas Luhmann, Einführung indie Theorie der Gesellschaft,Carl Auer, 2005, ISBN389670477X

• Niklas Luhmann, SoziologischeAufklärung (6 Bde.), VSVerlag, 2005, ISBN3531141767

• Niklas Luhmann, DieGesellschaft der Gesellschaft(2 Bde.), Suhrkamp 1998,ISBN 3518289608

• Dirk Baecker, Schlüsselwerkeder Systemtheorie, Wiesbaden,VS Verlag, 2005, ISBN3531140841

• Jürgen Habermas / NiklasLuhmann, Theorie derGesellschaft oderSozialtechnologie, Suhrkamp,1971, ISBN 3518063588

XII. Sekundärliteratur

• Margot Berghaus, Luhmannleicht gemacht, Utb, 2004,ISBN 3825223604

• Michael Gerth, 2005: Luhmannfür Einsteiger, multimedialeEinführung in dieSystemtheorie

• Walter Reese-Schäfer, NiklasLuhmann zur Einführung, 4.Auflage, Junius, 2005, ISBN3885063050

Page 30: Luhmanns Sozialität der Kommunikation LV · Kommunikationsüberfluss zu beherrschen. Niklas Luhmann (1986, S.973, ebd.) sieht gleichfalls in dieser kommunikativen Verbundenheit die

Luhmanns Sozialität der Kommunikation LV

30

• Helmut Willke, Systemtheorie, 6.Auflage, Utb, 2000, ISBN3825211614

• Georg Kneer / Armin Nassehi,Niklas Luhmanns Theoriesozialer Systeme, 4. Auflage,Utb, 2000, ISBN 3825217515

• David J. Krieger, Einführung indie allgemeine Systemtheorie,2. Auflage, Utb, 1996, ISBN3825219046

• Detlef Krause, Luhmann-Lexikon, Neudruck, Utb,2005, ISBN 3825221849

• Johann Dieckmann, Einführungin die Systemtheorie, Utb,2005, ISBN 3825283054

• Johann Dieckmann, Luhmann-Lehrbuch, Utb, 2004, ISBN3825224864

• Detlef Horster, Niklas Luhmann,2. Auflage, Beck, 2005, ISBN3406528120

• Stefan Jensen, Erkenntnis,Konstruktivismus,Systemtheorie, VS Verlag,1999, ISBN 3531133810

• Dirk Baecker, Wozu Systeme?,Kadmos, 2002, ISBN3931659232

• Jens Jetzkowitz / Carsten Stark,SoziologischerFunktionalismus, VS Verlag,2003, ISBN 3810037052

Von „http://de.wikipedia.org/wiki/Soziologische_Systemtheorie“

http://de.wikipedia.org/wiki/Systemwissenschaft