Lungenembolie - SIGA/FSIA · 2015. 7. 16. · Thrombose, Lungenembolie, Komplikationen in der...

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Lungenembolie Komplikation in der Anästhesie Ines Gutekunst Weiterbildung in Anästhesiepflege und Reanimation Departement Anästhesie - Universitätsspital Basel Kurs November 2006

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  • Lungenembolie

    Komplikation in der Anästhesie

    Ines Gutekunst Weiterbildung in Anästhesiepflege und Reanimation Departement Anästhesie - Universitätsspital Basel Kurs November 2006

  • Ines Gutekunst Seite 2

    VORWORT

    MOTIVATION

    An meinen Einstieg in die tägliche Anästhesiepraxis kann ich mich noch gut erinnern.

    Theoretisch sind wir in der Ausbildung früh auf verschiedene Komplikationen in der

    Anästhesie aufmerksam gemacht worden und als Lernende hat man einen grossen

    Respekt davor. Bin ich mir doch der Verantwortung voll bewusst und weiss, dass ich

    für ein anderes Menschenleben grösste Sorge zu tragen habe.

    Komplikationen während der Anästhesie sind vielseitig und unregelmässig

    auftretend. Ich habe mich für das Thema „Lungenembolie, Komplikation in der

    Anästhesie“ entschieden.

    Vermutlich ist es nicht so leicht nachzuvollziehen, warum ich meine ganze

    Aufmerksamkeit einem Thema widme, welches ich in der alltäglichen Anästhesie

    Praxis noch nie erlebt habe. Aber ich finde das Thema spannend und interessant.

    Zudem vermute ich, dass es in einer weniger akuten Form häufiger vorkommt, von

    uns jedoch unbemerkt bleibt.

    ZIEL

    Ziel meiner Arbeit ist es aufzuzeigen, wie häufig klinisch relevante Lungenembolien

    bei Patienten unter Allgemeinanästhesien auftreten und ob sich in den letzten

    10 Jahren in Bezug auf die Inzidenz etwas geändert hat. Zudem wollte ich der Frage

    nachgehen, in wieweit es neue Erkenntnisse zum Thema Prophylaxe und Therapie

    in Bezug auf Lungenembolien in der Anästhesie gibt.

    Mir ist klar, dass das Thema grundsätzlich ein medizinisches Thema ist. Trotzdem

    sehe ich als Pflegende darin eine Herausforderung. Eine unserer Pflegeaufgaben ist

    es, Gesundheit zu fördern und zu erhalten, gesundheitlichen Schäden vorzubeugen

    und Menschen in der Behandlung und im Umgang mit Auswirkungen von

    Krankheiten zu unterstützen.

  • Ines Gutekunst Seite 3

    Bei der Bearbeitung des Themas möchte ich Theorie und Praxis miteinander

    verknüpfen. Es ist mir wichtig, dieses vielschichtige und komplexe Thema

    überschaubar aufzugliedern und in einer verständlichen Form wiederzugeben. Meine

    Abschlussarbeit richtet sich in erster Linie an das Anästhesie-, Instrumentier- und

    Lagerungsfachpersonal.

    DANKSAGUNG

    Ich danke Dr. Martin Siegemund, Oberarzt am Departement Anästhesie des

    Universitätsspitals Basel, für die Durchsicht der Arbeit und die Unterstützung bei

    fachlichen Fragen und Problemen.

    Weiter gilt mein Dank Herrn Christoph Schori, Weiterbildungsleiter Anästhesiepflege

    am Universitätsspital Basel für seine Tipps bezüglich Gestaltung der Arbeit.

    Basel, Februar 2008

  • Ines Gutekunst Seite 4

    INHALTSVERZEICHNIS

    EINLEITUNG 1. Themenwahl 4

    2. Aufbau und Methode 4

    3. Eingrenzung des Themas 5

    HAUPTTEIL 4. Der Atemweg – Anatomie und Physiologie 6

    5. Der Lungenkreislauf – Anatomie und Physiologie 7

    6. Die Thrombose – Ätiologie und Pathologie 8

    7. Die Lungenembolie 10 7.1. Einleitung 10

    7.2. Ätiologie und Pathogenese 10

    7.3. Pathophysiologie 13

    7.4. Symptome 14

    8. Wie häufig treten intraoperative Lungenembolien auf? 16 8.1. Zahlen aus dem Universitätsspital Basel 16

    9. Hat sich in den letzten 10 Jahren in Bezug auf die Inzidenz 18

    der Lungenembolien in der Anästhesie etwas verändert?

    10. Prophylaxe und Therapie 19 10.1. Medikamentöse Prophylaxe 19

    10.2. Intermittierend komprimierende, pneumatische Strümpfe (IPC) 20

    10.3. Intraoperatives Management bei Verdacht einer Lungenembolie 23

    10.4. Postoperatives Management bei Verdacht einer Lungenembolie 24

    10.5. Lungenembolie Diagnostik 24

    SCHLUSSTEIL 11. Zusammenfassung 25

    12. Literaturverzeichnis 27

  • Ines Gutekunst Seite 5

    EINLEITUNG

    1. THEMENWAHL

    Sobald ich angefangen hatte, mich mit dem Thema auseinanderzusetzen, waren es

    viele Fragen, die mich interessierten, aber drei Hauptrichtungen, die sich konkreter

    abzeichneten.

    Daher habe ich mich für folgende drei Fragestellungen entschieden.

    • Wie häufig treten klinisch relevante Lungenembolien bei Patienten unter

    Allgemeinanästhesien auf?

    • Hat sich in den letzten 10 Jahren in Bezug auf die Inzidenz der Lungenembolien

    in der Anästhesie etwas verändert?

    • Gibt es neue Erkenntnisse zum Thema Prophylaxe und Therapie in Bezug auf

    Lungenembolien in der Anästhesie?

    2. AUFBAU UND METHODE

    Zu Beginn werde ich mich den anatomischen und physiologischen Grundlagen des

    Atemweges, speziell der Lunge, dem Lungenkreislauf und der Thrombose widmen.

    Die Repetition erachte ich als sinnvoll, um anschliessend verschiedene

    Zusammenhänge besser verstehen zu können.

    Die Kernthematik wird einerseits die Lungenembolie sein. Anderseits die Bearbeitung

    der beiden Fragen: Wie häufig treten klinisch relevante Lungenembolien bei

    Patienten unter Allgemeinanästhesien auf? und hat sich in den letzten 10 Jahren in

    Bezug auf die Inzidenz der Lungenembolien in der Anästhesie etwas verändert?

    Die neuen Erkenntnisse zum Thema Prophylaxe und Therapie schliessen den

    Hauptteil ab.

    Den letzten Teil widme ich zusammenfassend den gemachten Erfahrungen bei der

    Bearbeitung des Themas.

  • Ines Gutekunst Seite 6

    Methodisch konzentrierte ich mich hauptsächlich auf Literaturrecherchen, d.h.

    Verwendung von Fachbüchern und wissenschaftlichen Arbeiten / Forschungsstudien.

    Artikel fand ich mit Hilfe der Datenbank „Pub Med“. Ich suchte mit den Begriffen:

    Thrombose, Lungenembolie, Komplikationen in der Anästhesie, Anästhesienotfälle,

    Beatmung und pulmonary embolism.

    Zudem flossen Gespräche mit einem Experten immer wieder in die Bearbeitung der

    Thematik ein.

    3. EINGRENZUNG DES THEMAS

    Mein Augenmerk lege ich bei dieser Arbeit auf erwachsene Patienten während einer

    Allgemeinanästhesie.

    Wie schon erwähnt ist das Thema so vielschichtig und gross, dass postoperative

    Lungenembolien, Lungenembolien in der Geburtshilfe oder Lungenembolien bei

    Regionalanästhesien primär nicht in meine Arbeit mit eingeschlossen werden.

    Komplett ausklammern möchte ich es jedoch nicht, da sich die meisten Daten und

    Publikationen auf postoperative Lungenembolien beschränken.

    HAUPTTEIL

  • Ines Gutekunst Seite 7

    4. DER ATEMWEG - ANATOMIE UND PHYSIOLOGIE

    Topographisch wird der Atemweg in einen oberen und einen unteren Part aufgeteilt.

    - obere Atemwege: Nasenhöhle, Rachenraum, Kehlkopf

    - untere Atemwege: Luftröhre, Bronchialsystem der Lunge

    Funktionell werden die Atmungsorgane in Luftleitende und Respiratorische,

    d.h. Gasaustauschende Abschnitte unterteilt:

    - Luftleitende Abschnitte: Nasenhöhle, Kehlkopf, Luftröhre, Bronchien, Bronchiolen,

    Bronchioli terminales

    - Gasaustauschende Abschnitte: Bronchioli respiratorii, Alveolen

    Ich möchte mich auf den Gasaustauschenden Abschnitt beschränken und auch hier

    nur die Alveolen (Abbildung 1), in denen der eigentliche Austausch von Sauerstoff (O2)

    und Kohlendioxid (CO2) stattfindet, beschreiben.

    Abbildung 1

    Schematische Darstellung eines

    Bronchiolus terminalis

    A: Alveolen

    N: Nerv

    M: zirkuläre Muskelschicht des Bronchiols

    D: Schleimhautdrüse BT: Bronchiolus terminalis

    PA: Äste der Pulmonalarterie

    PV: Äste der Pulmonalvenen

    BR: Bronchioli respiratorii

    AS: Alveolarsepten

    DA: Ductus alveolaris

    Die Zahl der Alveolen wird auf ungefähr 300 Millionen und ihre Gesamtoberfläche auf

    70 – 140 m2 geschätzt. Dies ist bei jedem Menschen abhängig von Geschlecht,

    Körpergrösse, Alter und Konstitution.

    Die Alveolen sind eng mit dem Kapillarsystem der Lunge verbunden. Beide

    Basalmembranen sind zum grössten Teil miteinander verschmolzen. Das

  • Ines Gutekunst Seite 8

    Alveolarepithel ist so dünn, dass CO2 und O2 von osmotischen Kräften getrieben

    hindurch diffundieren können. Dies hängt vor allem von der Höhe der alveolären

    Partialdrücke ab. Nur wenn Partialdruckgratienten zwischen Alveolen und dem Blut

    bestehen, können die Atemgase diffundieren. Damit das Blut O2 aus den Alveolen

    aufnehmen kann, muss also der alveoläre pO2 höher sein als der gemischtvenöse.

    Umgekehrt kann CO2 aus dem Blut nur dann in die Alveolen abgegeben werden,

    wenn der gemischtvenöse pCO2 höher ist als der alveoläre. Wichtigste Aufgabe der

    alveolären Ventilation ist somit die Aufrechterhaltung physiologischer

    Partialdruckdifferenzen.

    5. DER LUNGENKREISLAUF - ANATOMIE UND PHYSIOLOGIE

    Als Lungenkreislauf wird der Teil des Blutkreislaufs bezeichnet, der das Blut vom

    Herzen zur Lunge und wieder zurückführt.

    Er ist in folgender Weise aufgebaut:

    - Pumpe: rechter Ventrikel

    - Verteilersystem: Arterien und Arteriolen

    - Austauschsystem: Lungenkapillaren

    - Sammelsystem: Venolen und Venen

    Das sauerstoffarme Blut wird vom rechten Ventrikel über den Truncus pulmonalis

    abgeführt. Dieser Stamm teilt sich in die rechte und linke Lungenarterie (Arteria

    pulmonalis), die sich in der jeweiligen Lunge verzweigen. Dort erfolgt der

    Gasaustausch, wie im Kapitel 4 beschrieben.

    Das nun sauerstoffreiche Blut fliesst über mehrere Lungenvenen (Vena pulmonales)

    wieder zurück zum Herzen, genauer zum linken Vorhof. Neben den Lungenarterien

    wird die Lunge auch durch Bronchialarterien versorgt, welche die Lunge mit

    sauerstoffreichem Blut aus Abgängen der Aorta versorgen.

    Die wichtigste Aufgabe des Lungenkreislaufes ist der pulmonale Gasaustausch. Der

    Lungenkreislauf wird auch als kleiner Kreislauf bezeichnet.

  • Ines Gutekunst Seite 9

    Es gilt aber: Die pro Minute durch den Lungenkreislauf strömende Blutmenge

    entspricht derjenigen im grossen Kreislauf.

    6. DIE THROMBOSE - ÄTIOLOGIE UND PATHOLOGIE

    Unter einer Thrombose versteht man den Verschluss eines Blutgefässes durch ein

    Blutgerinnsel (Thrombus).

    Thromben können sowohl im venösen als auch im arteriellen Teil des Blutkreislaufs

    entstehen. Ein Thrombus kann das Gefäß als festsitzender Thrombus an seiner

    Entstehungsstelle verstopfen, oder er kann sich lösen, vom Blutstrom mitgerissen

    werden und an anderer Stelle Verstopfungen verursachen, die dort zum Ausfall der

    Blutversorgung von Organen führen. Die von Thromben ausgelösten

    Krankheitsbilder sind u.a. der Infarkt, die Thrombose oder in deren Folge die

    Lungenembolie .

    Von einer tiefen Venenthrombose (TVT) spricht man, sobald eine tief liegende und

    direkt zum Herz führende große Vene betroffen ist.

    Tiefe Venenthrombosen finden wir hauptsächlich im Bereich Beine und Becken,

    dagegen sind die Arme und der Schultergürtel seltener betroffen.

    Die Grundlage der Entstehung eines Thrombus ist das Zusammenwirken von drei

    Faktoren, die nach ihrem Entdecker Virchow-Trias benannt wurde. Die drei Faktoren

    sind:

    • Veränderungen an der Gefäßwand

    • langsamere Strömungsgeschwindigkeit des Blutes

    • erhöhte Bereitschaft des Blutes zur Blutgerinnung, bzw. Veränderungen in der

    Zusammensetzung des Blutes

    Folgende Arten von Thromben gibt es:

    • Weisser Thrombus = fibrinreicher Thrombus

    • Roter Thrombus = Ec und Tc reicher Thrombus

    • Plättchenthrombus = Thrombus der vorwiegend aus Tc besteht

  • Ines Gutekunst Seite 10

    • Fibrinthrombus = Thrombus der nur aus Fibrin besteht.

    • Phlebolith = auch Venenstein, ein verkalkter Venenthrombus

    Detailliert werde ich die Ursachen und die Risikofaktoren im Kapitel Lungenembolie

    beschreiben.

    7. DIE LUNGENEMBOLIE

    7.1. Einleitung

    frische Embolie

    verschieden alte Thrombosen

    Abbildung 2 Kompleter Verschluss des Truncus Pulmonalis

  • Ines Gutekunst Seite 11

    Eine Lungenembolie (meistens eine Lungenarterienembolie) entsteht durch den

    plötzlichen, teilweisen oder vollständigen Verschluss einer Lungenarterie (siehe Abbildung 2).

    Dazu kommt es, wenn sich ein oder mehrere Thrombus/Thromben ablösen und

    durch das rechte Herz in die Lunge eingespült werden.

    Aber nicht nur ein Thrombus kann eine Lungenembolie auslösen, auch wenn dies in

    80% der Fall ist.

    Wir unterscheiden folgende Embolien:

    - Thromboembolie (Einschwemmen eines Blutgerinnsels)

    - Fettembolie (Einschwemmen von Fetttröpfchen, z.B. nach grossen, offenen

    Knochenbrüchen)

    - Gas- bzw. Luftembolie (nach Injektion von Luft oder Gas)

    - Tumorembolie (Verstopfung der Gefässe durch Tumorgewebe)

    - Fruchtwasserembolie (Geburtskomplikation)

    Laut Meissner & Niedermeyer (1995) 1 werden nur 29% der autoptisch gefundenen

    LE auch klinisch diagnostiziert! Während die Prävalenz von LE bei hospitalisierten

    Pat. in den letzten 20 Jahren durch die Intensivierung prophylaktischer Massnahmen

    reduziert wurde, blieb die Häufigkeit der nicht diagnostizierten LE und deren Letalität

    unverändert.

    7.2. Ätiologie und Pathogenese Der Entstehungsort der Thrombose beeinflusst das embolische Risiko. 90% der LE

    stammen aus dem Abflussgebiet der unteren Hohlvene.

    - Oberschenkel 60%

    - Beckenvenen 15-20%

    - Unterschenkel < 1%

    - Obere Extremitäten < 1%

    - Rechter Vorhof < 1%

    Zudem werden die verschiedenen Lungenabschnitte unterschiedlich häufig von LE

    betroffen.

  • Ines Gutekunst Seite 12

    Meissner & Niedermeyer (1995) 1 beschreiben ebenfalls die Häufigkeit einer LE in

    den verschiedenen Lungenabschnitten. Die Emboluslokalisation bei 69 Pat. hat

    folgende Zahlen ergeben. Dazu muss man aber sagen, dass bei 45 von 69 Pat. mehr

    als ein Lappen befallen war.

    Die Verteilung der Embolien über die verschiedenen Lungenlappen ist ein Zeichen

    der Perfusionsunterschiede.

    Rechte Lunge Linke Lunge

    Oberlappen 16 17

    Mittellappen 20 21

    Unterlappen 42 37

    Wie im Kapitel Thrombose schon beschrieben, beobachtete Virchow, dass eine

    Thrombusentwicklung im frei strömenden Blut eine Rarität darstellt.

    Die Koagulabilität wird posttraumatisch, postoperativ und postpartal zusätzlich durch

    den Anstieg der Thrombozytenzahl mit vermehrter Thromboplastinfreisetzung erhöht.

    Während eine geschlechtsspezifische Disposition für die Entwicklung von LE nicht

    nachweisbar ist, kann ein Altersgipfel zwischen 50 und 65 Jahren, offenbar im

    Zusammenhang mit anderen Erkrankungen wie Herzinfarkt oder Tumor, statistisch

    belegt werden.

    Aus verschieden Quellen der Literatur ist ersichtlich, dass ein Herzinfarkt oder ein

    Tumor nicht die einzigen Risikofaktoren sind.

    Folgende vorbestehende Faktoren begünstigen die Entstehung einer LE:

    - Art der Operation oder Trauma

    - Thromboembolien in der Anamnese

    - Gefässwandveränderungen

    - Höheres Lebensalter

    - Maligne Grunderkrankung

    - Übergewicht

    - Varikosis

    - Längere Immobilisation

    - Östrogenhaltige orale Kontrazeption

    - Schwangerschaft und Wochenbett

  • Ines Gutekunst Seite 13

    - Vorbestehende Herzerkrankungen

    - Hyperkoagulopathie

    - Rauchen

    - Familiäre Vorbelastungen

    - Infektionen

    Bei der Art des Eingriffes gilt es nochmals zu unterscheiden:

    Die Zahlen dazu sind sehr eindrücklich (Goldhill, 1997) 2

    Häufigkeit TVT und letale Lungenembolie bei verschiedenen Risikogruppen TVT % Letale LE %

    Allgemeinchirurgischer Eingriff 19-25 1

    Orthopädischer Eingriff (Knie/Hüfte) 45-70 1-3

    Urologischer Eingriff 25 -

    Gynäkologischer Eingriff 7-45 1

    Neurochirurgie 9-50 1,5-3

    Polytrauma 20-40 1-4

    Bei einer LE ist die Versorgung der dahinter liegenden Gefässe mit Blut nicht mehr

    ausreichend oder gar nicht mehr gegeben. Dadurch ist die sauerstoffaustauschende

    Fläche der Lunge reduziert. Bei grossen Lungenembolien kann es selten zum

    Absterben von Lungengewebe kommen, man spricht dann von einem Lungeninfarkt.

    Problematisch ist auch der Blutstau vor dem Verschluss, der zu einer mehr oder

    weniger starken Druckerhöhung im Lungenkreislauf führt. Dadurch kommt es zur

    Überbelastung des rechten Herzens, das gegen einen erhöhten Widerstand arbeiten

    muss. Dies kann zum akuten Rechtsherzversagen führen und unbehandelt zum

    Tode.

    Das Ausmass der Katastrophe liegt natürlich dem Ort des Geschehens zu Grunde.

    Von der Peripherie hin zu den grossen Lungenarterien wird der Schaden, denn eine

    LE anrichtet immer grösser wie diese Illustration sehr deutlich zeigt.

  • Ines Gutekunst Seite 14

    7.3. Pathophysiologie In der Literatur beschrieben, werden die Auswirkungen einer LE auf das Herz-

    Kreislauf-System (Hämodynamik) bzw. die Lunge (Gasaustausch) von folgenden drei

    Faktoren beeinflusst.

    - Einerseits ist natürlich das Ausmass des Gefässverschlusses von entscheidender

    Bedeutung.

    - Anderseits ist die Frage zu klären, wo anatomisch gesehen hat die Embolie statt

    gefunden.

    - Und zuletzt ein sehr wichtiger Aspekt, der auf die Konstellation vorbestehender

    Risikofaktoren aufmerksam macht.

    Die letzten beiden oben erwähnten Faktoren wurden in den vorherigen Kapiteln

    schon beschrieben. Zum Ausmass des Gefässverschlusses gibt es von Meissner &

    Niedermeyer (1995) 1 interessante Zahlen.

    Durch den mechanischen Verschluss kommt es zur Reduktion der

    Querschnittsfläche des perfundierenden Lungengefässbettes. Diese kann in

    Abhängigkeit vom Ausmass der Okklusion durch Rekrutierung vorher nicht

    durchbluteter Gefässabschnitte teilweise kompensiert werden. So ist aus

    experimentellen Untersuchungen bekannt, dass bei Lungengesunden erst eine

    Verminderung der Kapillarquerschnittsfläche von mehr als 50% zu einem

    signifikanten Anstieg des pulmonalarteriellen Mitteldruckes führt.

    Abbildung 3 Lungenembolie

  • Ines Gutekunst Seite 15

    Vorbestehende Erkrankungen wie Herzinsuffizienz, obstruktive oder restriktive

    Ventilationsstörungen führen bereits zu einer deutlichen Abnahme der

    pulmonalvaskulären Reservekapazität, so dass auch embolische Verschlüsse von

    weniger als 50% letal verlaufen können.

    „Aus hämodynamischer Sicht spielen bei der Lungenembolie weitaus mehr Faktoren

    eine Rolle als die blosse Druckbelastung des rechten Ventrikels. Während in der

    Frühphase einer Lungenembolie hämodynamische Veränderungen das

    Krankheitsbild wesentlich beeinflussen, kennzeichnet die Interaktion verschiedener

    humoraler Faktoren die postakute Phase. Die hämodynamischen Veränderungen bei

    der akuten Lungenembolie sind seit Jahren bekannt und in ihrem

    pathophysiologischen Ablauf verstanden. Hingegen sind die humoralen

    Veränderungen und die Mechanismen, die letztlich bei einer Minderheit der Patienten

    zur chronisch thromboembolischen pulmonalen Hypertonie führen, noch zum

    grossen Teil spekulativ und in ihrem individuellen Beitrag zum Krankheitsbild unklar“

    (Breuer, 2007, S.6) 3

    7.4. Symptome

    Eine akute LE tritt ohne vorherige Ankündigung auf. Folgende Symptome können

    sich uns in der Phase zeigen:

    • Plötzlich einsetzende Atemnot

    • Atemabhängiger pleuritischer Schmerz

    • Synkope

    • Einseitige Beinschwellung

    • Husten

    • Tachypnoe

    • Rasselgeräusche

    • Tachycardie

    • Hypotonie

    Bei einem Patienten während einer Intubationsanästhesie fallen die verbal

    geäusserten Beschwerden des Patienten bekanntlich weg. Auf dem Monitor zeigt

    sich folgendes Bild:

  • Ines Gutekunst Seite 16

    • Tachycardie

    • Hypotonie

    • etCO2 Abfall

    • pO2 Sättigungsabfall

    Je nach Ort und Umfang der LE kann sich der hämodynamische Zustand des

    Patienten rapide verschlechtern und eine cardiopulmonale Reanimation wird nötig.

    Nichtsdestotrotz sind die Symptome der LE unspezifisch und können auch bei

    anderen Erkrankungen auftreten. Als Differenzialdiagnosen müssen wir an folgendes

    denken:

    • Myokardinfarkt

    • Perikardtamponade

    • Pneumonie

    • Pleuritis

    • Pneumothorax

    • Asthamanfall

    • Aortendissektion

    Die Verdachtsdiagnose muss innerhalb der ersten Stunde bestätigt oder

    ausgeschlossen werden.

    Eine Lungenembolie ist potentiell immer lebensbedrohlich

    und muss sofort behandelt werden.

  • Ines Gutekunst Seite 17

    8. WIE HÄUFIG TRETEN INTRAOP. LUNGENEMBOLIEN AUF?

    Bei meinen Recherchen hat sich schnell heraus kristallisiert, dass sich die meisten

    Daten, Studien und wissenschaftlichen Texte ausschliesslich auf die perioperative LE

    konzentrieren. Das ist natürlich nicht explizit das gewesen, was ich mir erhofft habe

    zu finden, da ich mich in meiner Fragestellung besonders auf die intraoperativen LE

    festgelegt hatte.

    Gleichzeitig habe ich auch realisiert, dass sich mein Interesse zwar durchaus global

    verteilt, ich im Kern aber die Zahlen und Daten unseres Hauses am spannendsten

    gefunden hätte. Aber da es wie schon erwähnt global wenig Material zum Thema

    gibt, ist es natürlich illusorisch zu glauben, ich könnte jetzt aus unserem Hause die

    grossen Zahlen präsentieren.

    8.1. Zahlen aus dem Universitätsspital Basel Doch so ganz ohne Zahlen, das konnte ich fast nicht glauben!

    Mit der Unterstützung von Professor Mark Kaufmann, leitender Arzt an unserem

    Departement Anästhesie, sind wir in der hiesigen Datenbank folgendermassen

    fündig geworden.

    Am USB gab es von 2003 – 2007 12 operierte Patienten, bei denen der Verdacht

    einer TVT und/oder LE geäussert wurde. Entweder war im Anästhesieprotokoll etwas

    von einem intraoperativen unerklärlichen SpO2 Abfall beschrieben oder der Patient

    klagte im Aufwachraum über Atemnot. Durch die beschriebenen Äusserungen hat

    das System diese Patienten herausgefiltert, denn in der Tat, wie in den vorherigen

    Kapiteln beschrieben, weiss man heute, dass die Zahl der letal verlaufenden LE um

    das Vielfache höher ist. Konkret möchte ich damit sagen, dass es mehr als

    12 Patienten am USB in einem Zeitraum von 4 Jahren gegeben hat, die an einer LE

    erkrankt sind. Die Daten lassen sich nur leider nicht eruieren.

    Von den 12 Patienten kann ich zusammenfassend sagen:

    8 Patienten waren unauffällig und der Verdacht einer TVT/LE hat sich nicht bestätigt.

    2 Patienten wiesen lediglich in ihrer Anamnese eine LE auf.

    2 Patienten erkrankten an einer LE, davon war bei einer Patientin der Verlauf letal.

    Die beiden letzteren Patienten möchte ich kurz vorstellen.

  • Ines Gutekunst Seite 18

    Patient A ist männlich, 75 jährig und bekam eine bds. Hüft Totalprothese in ITN Intubation und Anästhesieverlauf waren problemlos. Bei Op-Ende hustete der

    Patient und es erfolgte ein SpO2 Abfall bis 80% (ca. 1 Min.). Nach Vertiefung der

    Anästhesie und trachealem Absaugen erholte sich die pO2 Sättigung auf 98%. Bei

    guter Spontanatmung folgte die Extubation. Anschliessend erneuter SpO2 Abfall auf

    80% (ca. 30 Sec.). Bei klinisch suffizienter Eigenatmung und cardiopulmonal stabil,

    werden im AWR und später auf der IMC immer wieder SpO2 Abfälle notiert.

    Aus den Unterlagen ist ersichtlich, dass daraufhin folgende Schritte eingeleitet

    wurden: O2 Gabe, Schmerztherapie, Labor, Röntgen Thorax, Spiral-CT,

    Fragmingabe und Atemtherapie.

    Eine LE rechts basal wurde diagnostiziert, therapiert und der Patient konnte

    3 Wochen später die orthopädische Klinik verlassen.

    In der Anamnese des Patienten kommen folgende Risikofaktoren zum Tragen:

    - Art der Operation oder Trauma (orthopädischer Eingriff)

    - Höheres Lebensalter

    - Übergewicht

    - Vorbestehende Herzerkrankungen

    - Längere Immobilisation (vermutlich vor dem Eingriff, schmerzbedingt)

    Patientin B ist weiblich, 54 jährig und bekam eine Laparatomie (Ovarial-Ca) Bei der verstorbenen Patientin kam es am 4. postoperativen Tag, nach einem bis zu

    dem Zeitpunkt problemlosen Verlauf (inkl. Anästhesie und Operation), während

    einer Mobilisation auf dem Gang zu einer Kreislaufschwäche, welche von den

    klinischen Parametern als Synkope gedeutet wurde. Unter Trendelenburglagerung

    erholte sich die Patientin zunehmend und war gut ansprechbar. Ca. 15 min. später

    wurde die Patientin plötzlich zyanotisch, zeigte eine Schnappatmung, erbrach sich

    und wies einen Herz/Kreislaufstillstand auf. Es wurde unmittelbar mit der

    kardiopulmonalen Reanimation begonnen. Leider ohne Erfolg.

    Der Verdacht auf eine fulminante zentrale LE geht aus den Unterlagen hervor.

    In der Anamnese der Patientin kommen folgende Risikofaktoren zum Tragen:

    - Art der Operation (Gynäkologischer Eingriff)

    - Längere Immobilisation (vermutlich nach dem grossen Eingriff)

    - Maligne Grunderkrankung

  • Ines Gutekunst Seite 19

    An beiden Fallbespielen ist zu erkennen, dass Risikofaktoren wie im Kapitel 7.2.

    beschrieben:

    • Art der Operation oder Trauma

    • Thromboembolien in der Anamnese

    • Gefässwandveränderungen

    • Höheres Lebensalter

    • Maligne Grunderkrankung

    • Übergewicht

    • Varikosis

    • Längere Immobilisation

    • Östrogenhaltige orale Kontrazeption

    • Schwangerschaft und Wochenbett

    • Vorbestehende Herzerkrankungen

    • Hyperkoagulopathie

    • Rauchen

    • Familiäre Vorbelastungen

    • Infektionen

    nie zu unterschätzen sind!

    9. HAT SICH IN DEN LETZTEN 10 JAHREN IN BEZUG AUF DIE

    INZIDENZ DER LUNGENEMBOLIE IN DER ANÄSTHESIE

    ETWAS VERÄNDERT?

    Ich nahm an, dass auch auf dem Gebiet der Embolien der medizinische Fortschritt

    Einzug gehalten hat.

    Bessere Medikamente (Bereich Prophylaxe), Anästhesieverfahren, Zunahme der

    minimal invasiven Operationsmethoden, schnellere postoperative Mobilisationen.

    Das sind doch klare Signale.

  • Ines Gutekunst Seite 20

    Durch die besseren Bedingungen, wie eben beschrieben, hat man bessere

    Möglichkeiten geschaffen. Trotzdem kann man klar sagen, es hat sich nichts

    geändert.

    Das liegt vor allem daran, dass unsere Patienten auf dem Operationstisch in den

    letzten 10 Jahren viel älter und multimorbider geworden sind. Dazu kommt die

    grosse Zunahme an malignen Grunderkrankungen und das zusammen ergibt heute

    eine Situation, die vor 10 Jahren nicht anders war. Nur die Ursachen haben sich

    verändert.

    10. PROPHYLAXE UND THERAPIE

    10.1. Medikamentöse Prophylaxe

    Blickt man 10 Jahre zurück, kann man feststellen, dass man sich in regelmässigen

    Abständen an ein neues Präparat gewöhnen musste. Immer wieder kamen neue

    Antikoagulantien auf den Markt.

    Man unterscheidet direkte Antikoagulantien, die direkt mit den Gerinnungsfaktoren

    reagieren und indirekte Antikoagulantien, welche die Synthese der

    Gerinnungsfaktoren hemmen.

    Thrombozytenaggregationshemmer wie Acetylsalicylsäure (u.a. ASS, Aspirin®) und

    Clopidogrel (u.a. Plavix®, Iscover®) werden umgangssprachlich auch als

    Blutverdünner bezeichnet, sind aber im engeren Sinne keine Antikoagulantien. Sie

    hemmen nicht die plasmatische Blutgerinnung, sondern die Eigenschaft der

    Blutplättchen verklumpen zu können.

    Heparin bindet als Co-Faktor an Antithrombin III, einem köpereigenen Hemmer der

    plasmatischen Gerinnung, und verhindert damit den normalen Gerinnungsprozess.

    So können Blutbestandteile nicht mehr zusammen kleben. Präventiv wird es vor

    allem nach Operationen oder bei langer Bettlägerigkeit subcutan verabreicht.

    Heparin gibt es in zwei Formen: fraktioniertes und unfraktioniertes Heparin.

  • Ines Gutekunst Seite 21

    Unfraktioniertes Heparin wird auch hochmolekulares Heparin genannt. Es wirkt

    schnell und wird hauptsächlich als Therapie bei TVT und LE als Infusion intravenös

    verabreicht.

    Fraktioniertes Heparin wird auch niedermolekulares Heparin genannt. Es wirkt

    länger, zeigt eine geringere Blutungsgefahr und wird subcutan gespritzt.

    Vertreter dieser Gruppe sind: Certoparin (Mono-Embolex®), Dalteparin (Fragmin®),

    Enoxaparin (Clexane®), Nadroparin (Fraxiparin®,Fraxodi®), Reviparin (Clivarin®) und

    Tinzaparin (innohep®).

    Ein neueres und noch selten eingesetztes Präparat ist zum Beispiel Fondaparinux

    (Arixtra®).

    Der Standard bei uns im Hause sieht zurzeit folgendermassen aus:

    Je nach Operation wird schon am Vorabend mit der Thromboseprophylaxe

    begonnen.

    Fragmine: Niedriges Thromboserisiko → 2500 IE

    Hohes Thromboserisiko → 5000 IE

    oder

    Clexane: Niedriges Thromboserisiko → 20mg i.v.

    Hohes Thromboserisiko → 40mg i.v.

    Bei Adipositas oder starkem Untergewicht muss die Dosis angepasst werden.

    10.2. Intermittierend komprimierende, pneumatische Strümpfe (IPC).

    Am USB werden seit ca. 1 Jahr die IPC (intermittent pneumatic compression) Strümpfe von der Firma Kendall/Healthcare eingesetzt. Sie heissen Kendall SCDTM

    (Sequential Compression Sleeves), sind oberschenkellang und werden bei uns in

    Kombination mit den Antithrombosestrümpfen (ATS) verwendet. D.h. zuerst werden

    die ATS angezogen und darüber die IPC in der passenden Grösse angelegt.

    Eingesetzt werden die Strümpfe ab intraoperativ, in der Neurochirurgie und bei

    chirurgischen Eingriffen in Steinschnittlage mit einer geplanten Operationsdauer

    > 3 Stunden.

  • Ines Gutekunst Seite 22

    Ottilia Rohrer hat ihre HöFa II Abschlussarbeit 2004 am WE`G in Aarau dem Thema:

    Thromboseprophylaktischer Effekt intermittierend komprimierender, pneumatischer

    Strümpfe (IPC): Eine systematische Literaturanalyse, gewidmet. 4

    Sie schreibt in ihrer Arbeit (2004) 4 : „TVT stellen aufgrund der demographischen

    Entwicklung sowie der kürzeren Hospitalisationsdauer in verschiedenen klinischen

    Bereichen ein zunehmendes Problem dar, welches mit Folgerisiken behaftet ist.

    Gegenwärtige Behandlungsrichtlinien basieren in erster Linie auf prophylaktische

    Massnahmen. Neben medikamentösen Prophylaxen stehen physikalische

    Massnahmen durch die Pflege im Vordergrund.“

    „Vorneweg kann man schon sagen, dass in nahezu allen klinischen Bereichen die

    IPC eine signifikante Reduktion der Thromboseentstehung belegen. Sie haben

    wenige schädigende Nebenwirkungen und sind möglicherweise auch kosteneffizient.

    Entscheidend für die Wirksamkeit von IPCs sind deren korrekte Anwendung und die

    Compliance der Patienten.“

    (Basierend auf 25 in den Datenbanken gefundenen Studien wird die Wirkung der IPC

    analysiert).

    Abbildung 4

  • Ines Gutekunst Seite 23

    IPC Strümpfe bestehen aus verschiedenen Manschetten, die um die Unterschenkel

    und teilweise um die Oberschenkel geschlossen werden. In regelmässigen

    Abständen wird von distal beginnend ein definierter Druck in den Manschetten

    erzeugt. Dies führt zu einer Erhöhung des venösen Rückflusses, reinigt die

    Venenklappen und kann die Spitzengeschwindigkeit im venösen Blutbett um bis zu

    200% erhöhen.

    Die Strümpfe gibt es knie- oder oberschenkellang, zudem sind sie in drei

    verschiedenen Grössen erhältlich.

    Sie können komplementär oder alternativ zu Antithrombosestrümpfen (ATS)

    eingesetzt werden. Die Kombination von IPC und ATS wird sehr empfohlen.

    • Kompressionsstärke:

    Muhe (1982) „mass mit einer RCT bei 25 Patienten im Alter von 41-81 Jahren die

    venöse Strömungsgeschwindigkeit bei verschiedenen Kompressionsdrücken (34,6

    mmHg, 64,2 mmHg, 92,5 mmHg) zwischen Fussrücken und Leiste. Anschliessend

    wurde an 69 bettlägerigen Patienten überprüft, ob erhöhte Kompressionsdrücke die

    Anzahl der TVT reduzieren. Die Dauer der IPC Behandlung umfasst bei jedem

    Patienten die Zeit von der Anästhesie bis zum 5. postoperativen Tag. Die Patienten

    erhielten die IPC dreimal täglich für je 10 Kompressionszyklen im Abstand von sechs

    Stunden. Bei den IPC handelte es sich um oberschenkellange Systeme. Die Rate

    von TVT lag bei Kompressionsdrücken von 90-102 mmHg bei 4,2%, bei Drücken von

    35 mmHg bei 12% und bei der Heparin-Gruppe bei 15%“ (zitiert in Rohrer, 2004,

    S.179).

    Es bleibt daher unklar, warum fast einheitlich durchschnittliche Kompressionsdrücke

    von 45 mmHg angewandt und von den meisten Firmen auch empfohlen werden.

    Dies mit der Begründung, dass es den physiologischen Druckverhältnissen der

    Venen entspricht und genüge.

    Ich denke, höhere Kompressionsdrücke sind für die Patienten sehr unangenehm und

    beeinträchtigen unter Umständen die arterielle Zirkulation.

    • Kontraindikation:

    Bei offenen Wunden, Gangränen der unteren Extremitäten sowie bestehenden TVT.

    Bei Operationen am Bein mit einer komplikationslosen Naht besteht keine

    Kontraindikation.

  • Ines Gutekunst Seite 24

    • Anwendungsdauer:

    Laut Rohrer (2004) 4 ist aus verschieden Studien ersichtlich, dass das Tragen der

    IPC Strümpfe den grösstmöglichen Nutzen bringt, wenn präoperativ aber sicher

    intraoperativ begonnen wird und man konsequent bis zur vollständigen Mobilisation

    damit fortfährt. Zudem sollten sie dauernd getragen werden, ausser zur Körperpflege

    und zur Mobilisation.

    „Ferree und Wright (1993) 5 „untersuchten bei 185 Patienten nach posteriorer,

    lumbaler Operation an der Wirbelsäule das Auftreten von TVT. 74 Patienten wurden

    mit ATS behandelt, 111 Patienten bekamen zur Tromboseprohylaxe IPC und

    zusätzlich ATS. Vier Patienten der ATS-Gruppe entwickelten Thrombosen. In der

    IPC-Gruppe wurden keine Thrombosen entdeckt. Dieser Unterschied ist signifikant.“

    Das ärztliche Neurochirurgenteam bei uns im Hause ist von der Wirkung bzw. dem

    therapeutischen Nutzen der IPCs voll überzeugt.

    10.3. Intraoperatives Management bei Verdacht einer Lungenembolie

    Eine intraoperative akute LE ist für den Patienten eine lebensbedrohliche Situation.

    Wie im Kapitel 7.4. beschrieben zeigt sich beim intubierten Patienten auf dem

    Monitor folgendes Bild: Der Patient wird Tachycard und Hypoton, die SpO2 sinkt, der

    etCO2 Wert sinkt. Je nach Ort und Umfang der LE kann sich der Zustand des

    Patienten rapide verschlechtern und eine cardiopulmonale Reanimation wird nötig.

    100% O2

    Gabe

    Kreislauf unterstützen

    Chirurg muss OP beenden

    Hilfe anfordern

    Was ist zu tun?

  • Ines Gutekunst Seite 25

    10.4. Postoperatives Management bei Verdacht einer Lungenembolie

    • Immobilisation, Lagerung (Oberkörper hoch)

    • O2 Gabe 6l/min.

    • Monitoring (O2 Sättigung, Kreislaufparameter)

    • Analgesie z.B. Morphin 10 mg i.v./s.c.

    • Heparin-Bolus 5000-10 000 EI i.v.

    • Diagnostik mittels CT oder Echokardiographie

    • Gabe von Katecholamine

    • Lyse / offene chirurgische Embolektomie / Katheterthrombektomie

    10.5. Lungenembolie Diagnostik

    Die Verdachtsdiagnose muss innerhalb der ersten Stunde bestätigt oder

    ausgeschlossen werden.

    Oft ist jedoch die Diagnose der LE schwierig. Symptome und klinische Zeichen sind

    unspezifisch. Unbehandelt weist die Lungenembolie eine hohe Mortalität auf.

    Bisher war man sich gewohnt, anhand von Anamnese, Klinik, EKG, Röntgenthorax

    und Blutgasanalyse die Wahrscheinlichkeit einer Lungenembolie abzuschätzen.

    Der Nachweis wurde mittels Lungenszintigraphie oder Pulmonalisangiographie

    erbracht.

    In den letzten Jahren haben neue diagnostische Instrumente Einzug in den

    klinischen Alltag gehalten: Die Bestimmung der Fibrin-Abbauprodukte oder

    D-Dimere (bei Patienten postoperativ und auf der Intensivstation nicht verwertbar),

    die Duplexsonographie der Beinvenen und die Spiral-CT der Pulmonalarterien

    (Cottier & Pippert, 2001) 6

    Im Larsen/Anästhesie ist ein Stufenplan der Lungenembolie Diagnostik beschrieben:

    Stufe 1: Klinische Untersuchung, EKG, Blutgasanalyse, Thorax-Röntgenbild, ZVD

    Stufe 2: Lungenszintigraphie, transthorakale Echokardiographie

    Stufe 3: Transösophageale Echokardiographie, CT, MRT, Pulmonalisdruckmessung

    Stufe 4: Pulmonalisangiographie

  • Ines Gutekunst Seite 26

    SCHLUSSTEIL

    11. ZUSAMMENFASSUNG

    Als ich begann, mich mit der Abschlussarbeit auseinander zu setzen - das Thema

    hatte ich schon ausgesucht - konnte ich gar nicht verstehen, warum es relativ wenig

    Literatur über die akute intraoperative Lungenembolie gibt. Wie schon im Kapitel 8

    erwähnt, finden die meisten LE peri- und postoperativ statt. Grundsätzlich zu den

    Risikofaktoren, die der Patient vor einer Operation mitbringt, ist trotz modernster

    Medikamente und Anästhesieverfahren, der operative Eingriff selbst eine enorme

    Belastung für den Körper und erhöht das Risiko auf eine LE um das Vielfache.

    Zudem darf die Immobilität des Patienten nach einem chirurgischen Eingriff nicht

    unterschätzt werden. Siehe Kapitel 8.1. Fallbeispiel Patient B.

    Die ersten beiden Fragestellungen konnte ich leider nur bedingt beantworten, jedoch

    bin ich bei den Recherchen auf viel Informationsmaterial rund um das Thema der

    Lungenembolie gestossen, was für mich sehr interessant war. Dabei ist die vertiefte

    Auseinandersetzung mit dem Thema aus meiner Sicht erreicht worden. Mein

    primärer Fokus war die intraoperative Lungenembolie und im Rahmen des

    vorgegeben Umfanges der Arbeit beschränkte ich mich auf das Wesentliche. In der

    Arbeit nicht zum Tragen gekommen sind Fallbeispiele, die oft in Journals publiziert

    worden sind. Sie wurden nicht erwähnt, weil mir einerseits die beiden hauseigenen

    Fallbeispiele näher lagen, anderseits hätte es den Umfang der Arbeit um einiges

    gesprengt.

    Der Patient, den wir in der Vorbereitung erwarten, bekommt ein künstliches

    Hüftgelenk. Wir haben im Anästhesieprotokoll gelesen, dass der Patient ein starker

    Raucher ist, wir nehmen zur Kenntnis, dass derselbe Patient vor Jahren an einem

    Karzinom operiert wurde. Wer von uns denkt sofort an das hohe Risiko einer LE?

    Dabei würde der Patient von den 15 Risikofaktoren schon 4 erfüllen. Kämen dann

    noch Übergewicht, höheres Lebensalter und eventuelle längere Immobilität dazu,

    hätte der Patient fast 50% aller Risikofaktoren erfüllt.

  • Ines Gutekunst Seite 27

    Das Risiko an einer Lungenembolie zu erkranken ist in den letzten 10 Jahren nicht

    zurückgegangen. Wir haben zwar bessere Prophylaxemöglichkeiten,

    Diagnosemethoden und Therapien, jedoch sind die Risikofaktoren, die jeder Patient

    mitbringt, der eine mehr, der andere weniger, ein ganz entscheidender Punkt!

    Eindrücklich war für mich die HöFa II Arbeit 4 von Ottilia Rohrer mit dem Thema:

    Thromboseprophylaktischer Effekt intermittierend komprimierender, pneumatischer

    Strümpfe (IPC).

    Der therapeutische Nutzen der IPC ist bei korrekter Anwendung beeindruckend,

    auch wenn noch nicht alle davon begeistert sind. Wir verwenden die pneumatischen

    Strümpfe laut meinen Kenntnissen bis jetzt nur im Spital. Nicht so in den USA. Von

    einer Bekannten, die vor 2 Jahren nach einer Operation, trotz ihrem hohen Alter

    zwar schnell aus dem Spital entlassen wurde, jedoch zu Hause längere Zeit äusserst

    eingeschränkt mobil war, weiss ich, dass sie ihre eigenen pneumatischen Strümpfe

    bekam und diese nach einem vorgegebenen Fahrplan benutzte.

    Wie am Anfang der Arbeit erwähnt, war mir klar, dass das Thema meiner

    Abschlussarbeit ein medizinisches Thema ist. Mit der Arbeit 4 von Ottilia Rohrer

    möchte ich den Kreis von Pflege und Medizin, Forschung aus ärztlicher und

    pflegerischer Sicht schliessen.

    Das Institut für Pflegewissenschaft an der Universität Basel hat 2003 eine Definition

    von professioneller Pflege veröffentlicht.

    Professionelle Pflege fördert und erhält Gesundheit, beugt gesundheitlichen

    Schäden vor und unterstützt Menschen in der Behandlung und im Umgang mit

    Auswirkungen von Krankheiten und deren Therapien. Dies mit dem Ziel, für betreute

    Menschen die bestmöglichen Behandlungs- und Betreuungsergebnisse sowie die

    bestmögliche Lebensqualität in allen Phasen des Lebens bis zum Tod zu erreichen.

    Die pflegerische Herausforderung rund um die akute Lungenembolie in der

    Anästhesie aus meiner Sicht könnte ich mit eigenen Worten nicht besser

    beschreiben.

  • Ines Gutekunst Seite 28

    12. LITERATURVERZEICHNIS

    Auflistung der Studien ihrer Nennung im Text nach 1 Meissner, E. & Niedermeyer, J. (1995). Lungenembolie. In: Fabel, H. (Hrsg.),

    Pneumologie. Urban & Schwarzenberg 2. Auflage. (343-358). 2 Goldhill, D.R. (1997). Postoperative Thrombose und Embolie. In: Taylor, T.H. &

    Major, E. (Hrsg.), Risiken und Komplikationen in der Anästhesie. Lübeck: Gustav

    Fischer Verlag. (284-294). 3 Breuer, H.-W. M. (2007). Pathophysiologie der Lungenembolie. Pneumologe, 4,

    6 – 12. 4 Rohrer, O. (2006). Thromboseprophylaktischer Effekt intermittierend

    komprimierender, pneumatischer Strümpfe (ICP): Eine systematische

    Literaturanalyse. Pflege, 19, 175-187. 5 Ferree, B. A. & Wright, A. M. (1993). Deep venous thrombosis following posterior

    lumbar spinal surgery. Spine, 8, 1079-1082. 6 Cottier, C. & Pippert, H. (2001). Wie diagnostiziert man eine Lungenembolie?

    Schweiz Med Forum, Nr.27, 716-722.

    Weitere Informationsquellen

    Pschyrembel, W. (1982). Klinisches Wörterbuch. Berlin: Walter de Gryter.

    254. Auflage.

    Siegemund, M. (2007). Akute Lungenembolie. Powerpoint-Präsentation am USB

    Larsen, R. (2006). Anästhesie. München: Urban & Fischer. 8.Auflage. S. 943-944.

    http://nursing.unibas.ch/ins/deut/allg-infos/institut/institut.html

  • Ines Gutekunst Seite 29

    http://www.pflegewiki.de

    http://de.wikipedia.org/wiki/Portal:Medizin

    Bildmaterial

    Titelblatt: thromboembolus in distal main and proximal left pulmonary

    arteries.

    www.images.md

    Abbildung 1: http://de.wikipedia.org/wiki/Lunge

    Abbildung 2: www.images.md

    Abbildung 3: W&B / Szczesny

    Abbildung 4: SCD Strümpfe / Kendall Healthcare