LUTHER Von Den Guten Werken (1520)

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1222 1Von den guten Werken (1520)

Martin Luther

Von den guten Werken

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[Vom ersten Gebot]

Zum ersten ist zu wissen, daß es keine guten Werkegibt, außer denen allein, die Gott geboten hat, gleich-wie es keine Sünde gibt, außer der allein, die Gottverboten hat. Darum: wer gute Werke wissen und tunwill, der braucht nichts anderes als Gottes Gebot zukennen. So spricht Christus (Matth. 19, 17): »Willstdu selig werden, so halte die Gebote.« Und als derJüngling fragte (Matth. 19, 18), was er tun solle, daßer selig würde, hielt ihm Christus nichts anderes vorals die Zehn Gebote. Demnach müssen wir die Unter-scheidung der guten Werke aus den Geboten Gotteslernen und nicht aus dem Schein, der Größe oderMenge der Werke selber, auch nicht aus dem Gutdün-ken der Menschen oder menschlichem Gesetz oderWeise, wie wir sehen, daß es durch unsere Blindheitunter großer Verachtung göttlicher Gebote geschehenist und noch immer geschieht.

Zum zweiten: Das erste und höchste, alleredelstegute Werk ist der Glaube an Christus, wie er Joh. 6,28 sagt. Als die Juden ihn fragten: »Was sollen wirtun, daß wir gute göttliche Werke tun?« antwortete er:»Das ist das göttliche gute Werk, daß ihr an denglaubt, den er gesandt hat.« Nun, wenn wir das hörenoder predigen, so gehen wir darüber hin und achtens

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ganz gering und leicht zu tun, obwohl wir doch hierlange stehen und ihm gut nachdenken sollten. Denn indiesem Werk müssen alle Werke zusammengefaßtsein und ihrer Gutheit Einwirkung gleich wie einLehen von ihm empfangen. Das müssen wir deutlicherklären, daß sie es begreifen können.

Wir finden ihrer viele, die da beten, fasten, Stiftun-gen machen, dies und das tun, ein vor den Menschengutes Leben führen. Wenn du sie fragst, ob sie auchgewiß seien, daß es Gott wohlgefalle, was sie so tun,antworten sie: Nein. Sie wissens nicht oder zweifelndran. Darüber hinaus sind es auch der großen Gelehr-ten etliche, die sie verführen und sagen, es sei nichtnötig, dessen gewiß zu sein, obwohl sie doch sonstnichts anderes tun als gute Werke zu lehren. Siehe da:alle diese Werke geschehen außerhalb des Glaubens,darum sind sie nichts und ganz tot. Denn wie ihr Ge-wissen gegen Gott stehet und glaubet, so sind dieWerke auch, die daraus geschehen. Nun ist da keinGlaube, kein gutes Gewissen Gott gegenüber. Darumist den Werken der Kopf ab und all ihr Leben undGuttun nichts. Daher kommts: wenn ich den Glaubenso sehr betone und solche ungläubigen Werke verwer-fe, beschuldigen sie mich, ich verbiete gute Werke,obwohl ich doch gerne rechte gute Werke des Glau-bens lehren wollte.

Zum dritten: Fragst du sie weiter: ob sie das auchDigitale Bibliothek Band 63: Martin Luther

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für gute Werke halten, wenn sie ihrem Handwerknachgehen, gehen, stehen, essen, trinken, schlafen undallerlei gute Werke zu des Leibes Nahrung oder allge-meinem Nutzen tun, und ob sie glauben, daß Gottdarin ein Wohlgefallen über sie habe, so wirst du fin-den, daß sie nein sagen und die guten Werke so engfassen, daß sie nur beim in der Kirche Beten und beiden Fasten und Almosen bleiben. Die andern erachtensie als vergeblich, daran Gott nichts gelegen sei, undso verkürzen und verringern sie durch den verdamm-ten Unglauben Gott seinen Dienst, dem alles dienet,was im Glauben geschehen, geredet, gedacht werdenkann. So lehrt der Prediger (9, 7 f.): »Gehe hin fröh-lich, iß und trink und wisse, daß deine Werke Gottwohlgefallen. Laß dein Kleid allezeit weiß sein, unddas Öl laß deinem Haupt nimmer gebrechen. Brauchedas Leben mit deinem Weibe, das du lieb hast, alleTage dieser unsteten Zeit, die dir gegeben sind.« –Das »Kleid allezeit weiß sein«, das ist: alle unsereWerke sind gut, wie sie genannt werden mögen, ohneallen Unterschied. Dann sind sie aber weiß, wenn ichgewiß bin und glaube, sie gefallen Gott. Und so ge-bricht mir das Öl des fröhlichen Gewissens nimmer-mehr von dem Haupt meiner Seele. So sagt ChristusJoh. 8, 20: »Ich tue allezeit, was ihm wohlgefällt.«Wie tat er das allezeit, obwohl er doch zu seiner Zeitaß und trank und schlief? Und 1. Joh. 3. 19 f.: »Dabei

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mögen wir erkennen, daß wir in der Wahrheit stehen,wenn wir unser Herz vor seinen Augen trösten undein gut Vertrauen (zu ihm) machen können. Und wennuns unser Herz straft oder verdammt, so ist doch Gottgrößer als unser Herz, und wir haben die Zuversicht:was wir bitten, das werden wir empfangen. Denn wirhalten sein Gebot und tun, was ihm wohlgefällt.«

Weiter: »Wer aus Gott geboren ist (das ist, werglaubt und Gott trauet), der sündiget nicht und kannnicht sündigen«, 1. Joh. 3, 9. Weiter Psalm 34, 23:»Es wird ihrer keiner sündigen, die ihm vertrauen«, jain Psalm 2, 12: »Selig sind die, die auf ihn trauen.«Ist das wahr, so muß alles gut sein, was sie tun, oderihnen bald vergeben sein, was sie Übles tun. Siehe daaber, weshalb ich den Glauben so hoch erhebe, alleWerke (in ihn) hineinziehe und alle Werke verwerfe,die nicht daheraus fließen.

Zum vierten: Hier kann nun ein jeglicher selbstmerken und fühlen, wenn er Gutes und nicht Gutestut. Denn findet er sein Herz in der Zuversicht, daß esGott gefalle, so ist das Werk gut, wenn es auch so ge-ring wäre wie einen Strohhalm aufheben. Ist die Zu-versicht nicht da oder zweifelt er dran, so ist dasWerk nicht gut, ob es schon alle Toten auferweckteund sich der Mensch verbrennen ließe. Das lehretPaulus Röm. 14, 23: »Alles, was nicht aus oder imGlauben geschieht, das ist Sünde.« Von dem Glauben

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und keinem anderen Werk haben wir den Namen, daßwir Christgläubige heißen, als vom Hauptwerk. Dennalle anderen Werke kann ein Heide, Jude, Türke, Sün-der auch tun. Aber fest darauf trauen, daß er Gottwohlgefalle, ist keinem möglich als einem Christen,mit Gnaden erleuchtet und befestigt. Daß aber dieseReden selten sind und mich etliche darob einen Ketzerschelten, geschieht deshalb, weil sie der blinden Ver-nunft und heidnischen Kunst gefolgt sind, den Glau-ben nicht über sondern neben andere Tugenden ge-setzt und ihm ein eigenes Werk gegeben haben, abge-sondert von allen Werken der anderen Tugenden.(Und das), obwohl er allein doch alle anderen Werkegut, angenehm und würdig macht, damit daß er Gotttrauet und nicht zweifelt, es sei für ihn alles wohlge-tan, was der Mensch tut. Ja, sie haben den Glaubennicht ein Werk bleiben lassen, sondern, wie sie sagen:einen »habitus« daraus gemacht, obwohl doch dieganze Schrift keinem den Namen eines göttlichenguten Werkes gibt als dem Glauben allein. Darum istes kein Wunder, daß sie blind und Blindenleiter ge-worden sind. Und dieser Glaube bringt alsbald mitsich Liebe, Friede, Freude und Hoffnung. Denn werGott trauet, dem gibt er alsbald seinen heiligen Geist,wie Paulus Gal. 3, 22 sagt: »Ihr habt den Geist emp-fangen nicht aus euren guten Werken, sondern da ihrdem Wort Gottes geglaubt habt.«

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Zum fünften: In diesem Glauben werden alleWerke gleich und ist eins wie das andere, fällt allerUnterschied der Werke dahin, sie seien groß, klein,kurz, lang, viel oder wenig. Denn die Werke sindnicht von ihretwegen, sondern von des Glaubenswegen angenehm, welcher gleichmäßig und ohne Un-terschied in allen und jeglichen Werken ist, wirkt undlebet, wie viele und verschieden sie immer sind. (Dasist) ebenso, wie alle Gliedmaßen von dem Hauptleben, wirken und den Namen haben und ohne dasHaupt kein Glied leben, wirken oder Namen habenkann.

Daraus folget dann weiter, daß ein Christenmensch,der in diesem Glauben lebt, nicht eines Lehrers guterWerke bedarf, sondern was ihm vorkommt, das tut er.Und alles ist wohlgetan, wie Samuel (1. Sam. 10, 6ff.) zu Saul sprach: »Du wirst ein anderer Menschwerden, wenn der Geist über dich kommt; dann tue,was dir vorkommt; Gott ist bei dir.« So lesen wirauch (1. Sam. 1, 17 ff.) von Hanna, Samuels Mutter.Da sie dem Priester Eli glaubte, der ihr Gottes Gnadezusagte, ist sie fröhlich und friedlich heimgegangenund hat sich hinfort nicht mehr hieran und daran ge-kehret, das ist: es ist ihr alles ein Ding und allesgleich geworden, was ihr vorgekommen ist. AuchPaulus sagt Röm. 8, 2: »Wo der Geist Christi ist, daist alles frei.« Denn der Glaube läßt sich an kein

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Werk binden. Ebenso läßt er sich aber auch keinesnehmen, sondern, wie der erste Psalm (Ps. 1, 3) sagt:»Er bringt seine Frucht zu seiner Zeit«, das heißt: wiees kommt und gehet.

Zum sechsten: Das können wir an einem grobenfleischlichen Exempel sehen: Wenn ein Mann oderWeib vom andern Liebe und Wohlgefallen erwartetund das fest glaubt – wer lehret denselben, wie er sichstellen soll, was er tun, lassen, sagen, schweigen, den-ken soll? Die Zuversicht allein lehret ihn das alles,und mehr als not ist. Da ist ihm kein Unterschied inWerken, er tut das Große, Lange, Viele so gern wiedas Kleine, Kurze, Wenige und umgekehrt und dazumit fröhlichem, friedlichen, sicheren Herzen und istganz ein freier Geselle. Wo aber ein Zweifel da ist, dasucht er sichs, welches am besten sei; da hebt er an,sich Unterschiede der Werke auszumalen, womit ermöge Huld erwerben, und geht dennoch mit schwe-rem Herzen und großer Unlust hinzu und ist gleichgefangen, mehr als halb verzweifelt und wird oft zumNarren darüber.

Ein Christenmensch, der in dieser Zuversicht gegenGott lebt, weiß ebenso alle Dinge, vermag alle Dinge,nimmt alle Dinge auf sich, was zu tun ist, und tutsalles fröhlich und frei, nicht um gute Verdienste undWerke zu sammeln, sondern weil es ihm eine Lust ist,Gott auf diese Weise gut zu gefallen; er dienet Gott

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ganz umsonst, daran zufrieden, daß es Gott gefällt.Wer umgekehrt mit Gott nicht eins ist oder daranzweifelt, der hebt an, sucht und sorget, wie er dochgenugtun und Gott mit vielen Werken bewegen wolle.Er läuft zu Sankt Jakob, nach Rom, Jerusalem, hier-und dahin, betet das Brigitten-Gebet, dies und das, fa-stet diesen und jenen Tag, beichtet hier, beichtet da,fragt diesen und jenen und findet doch nicht Ruhe undtut das alles mit großer Beschwernis, Verzweiflungund Unlust seines Herzens, wie auch die Schrift sol-che guten Werke auf hebräisch: Aven amal, aufdeutsch: »Mühe und Arbeit«2 nennt. Dazu sinds nichtgute Werke und alle verloren. Es sind viele darübertoll geworden und vor Angst in allen Jammer gekom-men. Von denen steht Weish. Sal. 5, 6: »Wir sindmüde geworden in dem unrechten Weg und sindschwere, saure Wege gewandelt, aber Gottes Weghaben wir nicht erkannt und die Sonne der Gerechtig-keit ist uns nicht aufgegangen.«

Zum siebenten: In den Werken ist der Glaube nochgering und schwach. Laß uns weiter fragen: Wenn esihnen übel geht an Leib, Gut, Ehre, Freund oder wassie haben, ob sie dann auch glauben, daß sie Gottnoch wohlgefallen und er ihre Leiden und Widerwär-tigkeiten, sie seien klein oder groß, gnädig über sieordne? Hier ist die Kunst: zu Gott, der sich nach allunserm Sinn und Verstand zornig stellet, gute Zuver-

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sicht zu haben und sich Besseres von ihm zu versehenals sichs empfindet. Hier ist er verborgen, gleichwiedie Braut im Hohenlied 2, 9 sagt: »Siehe, er steht hin-ter der Wand und sieht durch das Fenster.« Das ist so-viel wie: hinter dem Leiden, die uns gleich von ihmscheiden wollen wie eine Wand, ja eine Mauer, stehter verborgen und sieht doch auf mich und läßt michnicht. Denn er steht und ist bereit, in Gnaden zu hel-fen, und durch die Fenster des dunklen Glaubens läs-set er sich sehen, vgl. Jeremias in den Klageliedern 3,31 ff.: »Er verwirft die Menschen, aber er tut es nichtaus der Absicht des Herzens.«

Diesen Glauben kennen sie gar nicht und gebensich auf. Sie denken, Gott habe sie verlassen und seiihnen feind. Ja, sie schreiben solches Übel den Men-schen und Teufeln zu, und ist da gar keine Zuversichtzu Gott. Darum ist ihr Leiden ihnen auch allezeit är-gerlich und schädlich. Dennoch gehen sie hin und tunetliche – wie sie meinen gute – Werke, gar nicht sol-chen ihren Unglauben wahrnehmend. Aber welcheGott in solchem Leiden trauen und eine feste, guteZuversicht auf ihn behalten, daß er an ihnen einWohlgefallen habe, denselben sind die Leiden undWiderwärtigkeiten eitel köstlich Verdienst und dieedelsten Güter, die niemand schätzen kann. Denn derGlaube und die Zuversicht machen vor Gott allesköstlich, was den andern das Allerschädlichste ist,

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wie auch vom Tod im 116. Psalm (116, 15) geschrie-ben steht: »Der Tod der Heiligen ist köstlich geachtetin Gottes Augen.« Und soviel die Zuversicht und derGlaube in dieser Stufe im Vergleich zur ersten Stufebesser, höher und stärker ist, soviel übertreffen dieLeiden in diesem Glauben alle Werke im Glauben.Und so ist zwischen solchen Werken und Leiden einunermeßlicher Unterschied der Wirkung.3

Zum achten: Über das alles ist der höchste Graddes Glaubens, wenn Gott nicht mit zeitlichem Leiden,sondern mit dem Tod, Hölle und Sünde das Gewissenstraft und gleichsam Gnade und Barmherzigkeit absa-get, als wollte er ewiglich verdammen und zürnen.Das erfahren wenige Menschen, wie David im 6.Psalm (6, 1) klagt: »Herr, strafe mich nicht in deinemGrimm.« Hier zu glauben, daß Gott gnädiges Wohl-gefallen an uns habe, ist das höchste Werk, das vonund in der Kreatur geschehen kann, wovon die Werk-heiligen und Guttäter gar nichts wissen. Denn wiewollten sie hier sich Gutes und Gnaden von Gott ver-sehen, dieweil sie in ihren Werken nicht gewiß sindund (schon) am geringsten Grad des Glaubens zwei-feln.

Siehe, so habe ich gesagt, den Glauben allezeit ge-priesen und alle Werke, die ohne solchen Glauben ge-schehen, verworfen, um dadurch die Menschen vonden falschen, gleißenden, pharisäischen, ungläubigen

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guten Werken, deren jetzt alle Klöster, Kirchen, Häu-ser, niedere und hohe Stände voll sind, zu den rech-ten, wahrhaftigen, grundguten, gläubigen Werken zuführen. Darin widerstrebt mir niemand als die unrei-nen Tiere, deren Füße nicht gespalten sind (wie imGesetz des Mose, 3. Mose 11, 4, angezeigt), die garkeinen Unterschied in den guten Werken leiden wol-len, sondern einherplumpen: wenn es nur gebetet, ge-fastet, gestiftet, gebeichtet, genuggetan ist, soll esalles gut sein, ob sie schon gar keinen Glauben angöttliche Gnade und Wohlgefallen dabei gehabthaben. Ja, dann achten sie es am meisten gut, wennsie davon nur Vieles, Großes, Langes ohne alle solcheZuversicht getan haben. Und hernach erst wollen sieGutes erwarten, wenn die Werke getan sind. Und sobauen sie ihre Zuversicht nicht auf göttliches Wohlge-fallen, sondern auf ihre getanen Werke. Das ist aufSand und Wasser bauen, weshalb sie zuletzt einengrausamen Fall tun müssen, wie Christus (Matth. 7,26 f.) sagt. Diesen guten Willen und Wohlgefallen,darauf unsre Zuversicht steht, haben die Engel vomHimmel verkündet, da sie in der Christnacht sangen:»Ehre sei Gott in der Höhe, Friede der Erde, gnädigesWohlgefallen den Menschen.«

Zum neunten: Siehe, das ist das Werk des erstenGebotes, da (2. Mose 20, 3) geboten ist: »Du sollstnicht andere Götter haben.« Das ist soviel gesagt wie:

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dieweil ich allein Gott bin, sollst du auf mich alleindeine ganze Zuversicht, Vertrauen und Glauben set-zen und auf niemand anders. Denn das heißt nichteinen Gott haben, was du äußerlich mit dem MundGott nennest oder mit Knien und Gebärden anbetest,sondern wenn du ihm von Herzen trauest und dichalles Guten, aller Gnade und Wohlgefallens von ihmversiehst, es sei in Werken oder Leiden, im Lebenoder Sterben, in Lieb oder Leid. (Das ist so) wie derHerr Christus (Joh. 4, 24) zu der heidnischen Frausagt: »Ich sage dir, wer Gott anbeten will, der mußihn im Geist und in der Wahrheit anbeten.« Und die-ser Glaube, Treue, Zuversicht des Herzens von Grundauf ist wahrhaftige Erfüllung dieses ersten Gebotes,ohne welchen sonst kein Werk ist, das diesem Gebotgenugtun kann. Und wie dieses Gebot das allererste,höchste, beste ist, aus welchem die anderen alle flie-ßen, in ihm gehen und nach ihm gerichtet und gemes-sen werden, so ist auch sein Werk (das ist der Glaubeoder Zuversicht zu Gottes Huld zu aller Zeit) das al-lererste, höchste, beste, aus welchem alle anderen flie-ßen, gehen, bleiben, gerichtet und gemessen werdenmüssen. Und andere Werke sind im Vergleich zu die-sem ebenso, als ob die anderen Gebote ohne das erstewären und kein Gott wäre.

Deshalb sagt Augustin4 gut, daß des ersten Gebo-tes Werke seien: Glauben, Hoffen und Lieben.5 Nun

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ist oben gesagt, daß solche Zuversicht und Glaube mitsich Liebe und Hoffnung bringt. Ja, wenn wirs rechtansehen, so ist die Liebe das erste oder wenigstenszugleich mit dem Glauben. Denn ich möchte Gottnicht trauen, wenn ich nicht dächte, er wolle mir gün-stig und hold sein, wodurch ich ihm wieder hold undbewegt werde, ihm von Herzen zu trauen und michalles Guten von ihm zu versehen.

Zum zehnten: Nun siehst du es selbst, daß alle die,welche Gott nicht allezeit vertrauen und nicht aufseine Gunst, Huld und Wohlgefallen in allen ihrenWerken oder Leiden, Leben oder Sterben bauen, son-dern solche bei anderen Dingen oder bei sich selbstsuchen, dieses Gebot nicht halten und wahrhaftigeAbgötterei treiben, ob sie gleich auch die in anderenGeboten geforderten Werke täten, dazu aller HeiligenGebete, Fasten, Gehorsam, Geduld, Keuschheit undUnschuld auf einen Haufen hätten. Denn das Haupt-werk ist nicht da, ohne welches die anderen alle nichtssind als ein lauter Gleißen, Scheinen, Fälschen undnichts dahinter, vor welchem uns Christus warnet(Matth. 7, 15); »Hütet euch vor den falschen Prophe-ten, die zu euch kommen in Schafskleidern.« Das sindalle, die durch viele gute Werke (wie sie sagen) sichGott wohlgefällig machen und Gott seine Huld abkau-fen wollen, gleich als wäre er ein Trödler oder Tage-löhner, der seine Gnade und Huld nicht umsonst

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geben wollte. Das sind die verkehrtesten Menschenauf Erden, die schwerlich oder nimmermehr zum rech-ten Weg bekehret werden.

Desgleichen (gehören hierhin) alle, die in Wider-wärtigkeiten hierhin und dahin laufen und allenthal-ben Rat, Hilfe und Trost suchen, nur nicht bei Gott,wo es ihnen aufs höchste geboten ist, ihn zu suchen.Diese tadelt der Prophet Jesaja (9, 13) so: »das unsin-nige Volk bekehret sich nicht zu dem, der es schlägt.«Das ist: Gott schlug sie und schafft ihnen dazu Leidenund allerlei Widerwärtigkeiten, daß sie zu ihm laufenund ihm vertrauen sollten. Trotzdem laufen sie vonihm weg zu den Menschen, jetzt nach Ägypten, jetztnach Assyrien, endlich auch zum Teufel, von welcherAbgötterei viel in demselben Propheten und demBuch der Könige geschrieben ist. So tun auch alleheiligen Gleißner noch, wenn ihnen etwas zustößt,daß sie nicht zu Gott laufen, sondern von und vor ihmfliehen, nur daran denken, wie sie durch sich selbstoder menschliche Hilfe ihres Anliegens ledig werdenund sich doch für fromme Leute halten und halten las-sen.

Zum elften: Das ist die Meinung des Paulus an vie-len Stellen, wo er dem Glauben so viel zuschreibt,daß er sagt: »Der Gerechte wird aus Glauben leben«(Röm. 1, 17), und der Glaube ist das, weshalb er vorGott als gerecht geachtet wird. Besteht denn die Ge-

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rechtigkeit im Glauben, so ists klar, daß er allein alleGebote erfüllet und alle ihre Werke gerecht macht,sintemal niemand gerecht ist, er tue denn alle GeboteGottes. Umgekehrt können die Werke niemand vorGott ohne den Glauben rechtfertigen. Und der heiligeApostel verwirft die Werke und preiset den Glaubenso ganz aus vollem Munde, daß etliche, durch seineWorte geärgert, sprachen: »Ei, so wollen wir keingutes Werk mehr tun« (die er aber als die Irrigen undUnverständigen verdammt, Röm. 6, 1 ff.).

So geschieht es noch (heute), wenn wir zu unserenZeiten die großen, (glänzend) scheinenden, aber ohneallen Glauben getanen Werke verwerfen, daß siesagen: sie sollten nur glauben und nichts Gutes tun.Die Werke des ersten Gebotes nennt man nämlich zudieser unserer Zeit: Singen, Lesen, Orgelspielen,Messehalten, Metten, Vesper und andere Gezeitenbeten, Kirchen, Altäre, Klöster stiften und aus-schmücken, Glocken, Kleinode, Kleider, Geschmeide,auch Schätze sammeln, nach Rom, zu den Heiligenlaufen. Danach, wenn wir (entsprechend) bekleidetuns bücken, Knie beugen, Rosenkränze und Psalterbeten, und das alles nicht vor einem Abgott, sondernvor dem heiligen Kreuz Gottes oder seiner HeiligenBilder tun: das nennen wir »Gott ehren«, »anbeten«und laut des ersten Gebotes »keine anderen Götterhaben«, welches doch auch Wucherer, Ehebrecher

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und allerlei Sünder tun können und täglich tun.Nun wohlan! Geschehen diese Dinge mit solchem

Glauben, daß wir überzeugt sind, es gefalle Gott alleswohl, so sind sie löblich, nicht um ihrer Tugend, son-dern um solchen Glaubens willen, dem alle Werkegleich gelten, wie gesagt ist. Zweifeln wir aber daranoder sind nicht davon überzeugt, daß Gott uns holdsei und an uns Gefallen habe, oder vermessen uns gar,ihm durch und nach den Werken zu gefallen, so istslauter Betrügerei: auswendig Gott geehret, inwendigsich selbst als einen Abgott gesetzt. Das ist die Ursa-che, warum ich so oft wider solcher Werke Pomp,Pracht, Menge geredet und sie verworfen habe. Dennes ist am hellen Tage, wie sie nicht allein im Zweifeloder ohne solchen Glauben geschehen, sondern wieunter tausend nicht einer ist, der nicht sein Vertrauendarauf setzt, dadurch Gottes Huld zu erlangen undseiner Gnade zuvorzukommen vermeint und so Jahr-marktsware6 daraus macht. Das kann Gott nicht lei-den, der seine Huld umsonst versprochen hat undwill, daß man bei derselben und mit Zuversicht7 be-ginne und in derselben alle Werke vollbringe, wie sie(auch) genannt seien.

Zum zwölften: Daraus merke selber, wie weit esvoneinander (entfernt) ist, das erste Gebot nur mit äu-ßerlichen Werken und es mit innerlichem Vertrauenerfüllen. Denn dieses macht rechte, lebendige Gottes-

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kinder, jenes macht nur ärgere Abgötterei und dieschädlichsten Heuchler, die auf Erden sind. Sie ver-führen unzählig viele Leute mit ihrem großen Scheinzu ihrer Weise und lassen sie doch ohne Glaubenbleiben und so, jämmerlich verführt, in dem äußerli-chen Geplärre und Gespenste stecken. Von denen sagtChristus (Matth. 24, 23): »Hütet euch, wenn sie euchsagen werden: siehe, hier oder da ist Christus«, eben-so Joh. 4, 21: »Ich sage dir, daß die Zeit wird kom-men, da ihr weder auf diesem Berge noch zu Jerusa-lem werdet Gott anbeten, denn geistliche Anbetersucht der Vater.« Diese und dergleichen Sprüchehaben mich bewegt und sollen jedermann bewegen,das große Gepränge mit Bullen, Siegeln, Fahnen,Ablaß zu verwerfen, womit das arme Volk zum Kir-chenbauen, Geben, Stiften, Beten geführt wird, wäh-rend doch vom Glauben ganz geschwiegen, ja er ganzniedergedrückt wird. Denn dieweil er unter den Wer-ken keinen Unterschied macht, so kann neben ihmnicht irgendein Werk vor dem anderen mit so großemAufblasen und Treiben bestehen. Denn er will alleinGottesdienst sein und diesen Namen und diese Ehrekeinem andern Werk lassen, außer soviel wie er ihm(davon) mitteilt, was er tut, sofern das Werk in undaus ihm geschieht. Dieser Unfug ist im Alten Testa-ment vorgebildet, da die Juden den Tempel verließenund an anderen Orten,8 in den grünen Lustgärten und

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auf den Bergen opferten. Ebenso tun diese auch. AlleWerke sind sie emsig zu tun, aber dies Hauptwerk desGlaubens achten sie nimmer.

Zum dreizehnten: Wo sind nun die, die da fragen,welche Werke gut seien, was sie tun sollen, wie siefromm sein sollen? Ja, wo sind auch die, die da sagen,daß wir keine Werke lehren oder tun sollen, wenn wirvon dem Glauben predigen? Gibt dieses erste Gebotallein nicht mehr zu schaffen, als jemand tun kann?Wenn ein Mensch tausend oder alle Menschen oderalle Kreaturen wäre, so wäre ihm dennoch hier genugaufgeleget und mehr als genug: so ihm geboten ist, ersolle allezeit in Glauben und Zuversicht zu Gott lebenund wandeln, solchen Glauben ja auf keinen anderenrichten und so nur einen, den rechten, (aber) keinenanderen Gott haben.

Dieweil denn das menschliche Wesen und seineNatur keinen Augenblick ohne Tun oder Lassen, Lei-den oder Fliehen sein kann (denn das Leben ruhetnimmer, wie wir sehen): wohlan, so hebe an, wer dafromm sein und voll guter Werke werden will und übesich selbst in allem Leben und Werken, zu allen Zei-ten an diesem Glauben. Er lerne, stetig alles in sol-cher Zuversicht zu tun und zu lassen, so wird er fin-den, wieviel er zu schaffen hat und wie alle Dingeganz im Glauben (eingeschlossen) liegen und wie ernimmer müßig werden kann (obwohl auch der Mü-

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ßiggang in des Glaubens Übung und Werk geschehenmuß). Und kurzum, nichts kann in und an uns seinoder sich ereignen: so wir glauben, es gefalle allesGott (wie wir sollen), so muß es gut und verdienstlichsein. So sagt Paulus 1. Kor. 10, 31: »Liebe Brüder,alles was ihr tut, ihr esset und trinket, tut alles in demNamen Jesu Christi, unseres Herrn.« Nun kann es indessen Namen nicht geschehen, es geschehe denn insolchem Glauben. Ebenso Röm. 8, 28: »Wir wissen,daß alle Dinge den Heiligen Gottes zum Besten die-nen.« Darum ist die Rede etlicher: gute Werke seienverboten, wenn wir den Glauben allein predigen, derRede gleich, als wenn ich zu einem Kranken spreche:hättest du die Gesundheit, so hättest du die Werke derGliedmaßen alle, ohne welche aller Gliedmaßen Wir-ken nichts ist; und er wollte daraus schließen, ichhätte der Gliedmaßen Werk verboten, obwohl ichdoch gemeint habe, die Gesundheit müsse zuvor dasein und wirken, dann wirken alle Werke aller Glied-maßen. So muß auch der Glaube Werkmeister undHauptmann in allen Werken sein, oder sie sind garnichts.

Zum vierzehnten: Dagegen könntest du einwenden:Warum hat man denn so viele geistliche und weltlicheGesetze und viele Zeremonien der Kirchen, Klöster,Stätten, um die Menschen dadurch zu guten Werkenzu drängen und zu reizen, wenn der Glaube alle Dinge

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durch das erste Gebot tut? Antwort: Eben deshalb,weil wir den Glauben nicht allesamt haben oder ach-ten. Wo jedermann den hätte, bedürften wir keinesGesetzes mehr, sondern täte ein jeglicher von sichselbst aus gute Werke zu aller Zeit, wie ihn solcheZuversicht mit Recht lehret. Nun aber sind viererleiMenschen:

die ersten (jetzt gesagt), die keines Gesetzes bedür-fen. Von ihnen sagt Paulus 1. Tim. 1, 9: »Dem Ge-rechten (das ist: dem Gläubigen) ist kein Gesetz gege-ben.« Sondern solche tun freiwillig, was sie wissenund können, und sehen allein in fester Zuversicht dar-auf, daß Gottes Gefallen und Huld in allen Dingenüber ihnen schwebt.

Die zweiten wollen solche Freiheit mißbrauchen,sich fälschlich darauf verlassen und faul werden. Vondenen sagt Petrus 1. Petr. 2, 16: »Ihr sollt leben, alsdie frei sind und doch nicht diese Freiheit zu einemDeckel der Sünde machen«, als sagte er: Die Freiheitdes Glaubens gibt nicht Erlaubnis zu Sünden, wirdsie auch nicht decken, sondern gibt Erlaubnis, allerleiWerke zu tun und alles zu leiden, wie es vor die Handkommt, daß jemand nicht an ein oder etliche Werkeallein gebunden sei. Ebenso sagt auch Paulus Gal. 5,13: »Sehet zu, daß ihr diese Freiheit nicht eine Ursa-che zum fleischlichen Leben sein lasset.« Diese mußman mit dem Gesetz antreiben und mit Lehren und

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Vermahnung bewahren.Die dritten sind böse Menschen, zu Sünden allezeit

bereit. Die muß man mit geistlichen und weltlichenGesetzen wie die wilden Pferde und Hunde zwingen,und wo das nicht helfen will, sie durchs weltlicheSchwert ums Leben bringen, wie Paulus Röm. 13, 3 f.sagt: »Die weltliche Gewalt trägt das Schwert unddienet Gott darin, nicht zur Furcht den Frommen, son-dern den Bösen.«

Die vierten, die noch Anfänger im Verständnis9solchen Glaubens und geistlichen Lebens sind, diemuß man wie die jungen Kinder locken und reizenund mit dem äußerlichen, bestimmten und verbindli-chen Schmuck, mit Lesen, Beten, Fasten, Singen, Kir-chen, Zierden, Orgeln und was sonst in Kirchen undKlöstern festgesetzt und gehalten wird, solange, bissie auch den Glauben erkennen lernen. Obwohl hiereine große Gefahr ist, sofern die Regenten, wie esjetzt leider geht, sich mit diesen Zeremonien und sinn-lichen Werken plagen und abmühen, als wären dasdie rechten Werke, mit Unterlassen des (Hinweisesauf den) Glauben, den sie immer nebenbei lehren soll-ten, gleichwie eine Mutter dem Kind neben der Milchauch andere Speise gibt, solange bis das Kind selbstdie starke Speise essen kann.

Zum fünfzehnten: Dieweil wir denn nicht allegleich sind, müssen wir diese Menschen dulden und

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mit ihnen halten und tragen, was sie halten und tra-gen, und sie nicht verachten, sondern den rechtenWeg des Glaubens unterweisen. So lehret PaulusRöm. 14, 1: »Des Schwachen im Glauben nehmt euchan, ihn zu unterweisen.« So tat er auch selbst (1. Kor.9, 20): »Ich habe es mit denen gehalten, die unter demGesetz waren, als wäre ich auch darunter, obwohl ichdoch nicht darunter war.« Und Christus, als er denZinspfennig geben sollte, wozu er nicht pflichtig war,disputieret (Matth. 17, 25) mit Petrus, ob die Kinderder Könige Zins geben müßten oder allein andereLeute. Antwort des Petrus: »Allein andere Leute.«Sprach Christus: »So sind der Könige Kinder frei,doch daß wir sie nicht ärgern, so gehe hin ans Meerund wirf die Angel aus. Der erste Fisch, der dakommt, den nimm, und in seinem Mund wirst dueinen Pfennig finden; den gib für mich und dich.«

Hier sehen wir, daß alle Werke und Dinge einemChristen durch seinen Glauben frei sind, und er aberdoch, weil die anderen noch nicht glauben, mit ihnenträgt und hält, was er nicht schuldig ist. Das tut eraber aus Freiheit, denn er ist gewiß, es gefalle so Gottgut und tut es gerne, nimmts an wie ein anderesfrei(gestelltes) Werk, das ihm ohne sein Erwählen vordie Hand kommt, dieweil er nicht mehr begehret undsucht, als wie er nun bewirke, Gott in seinem Glaubenzu gefallen.

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Dieweil wir uns in diesem Sermon aber zu lehrenvorgenommen haben, welches rechtschaffene guteWerke sind, und jetzt von dem höchsten Werke reden,ists offenbar, daß wir nicht von den zweiten, drittenoder vierten Menschen reden, sondern von den er-sten,10 denen die andern alle gleich werden sollen,und sie werden von den ersten so lange geduldet undunterwiesen. Darum soll man diese Schwachgläubi-gen, die gerne Gutes tun und Besseres lernen wolltenund es doch nicht begreifen können, in ihren Zeremo-nien nicht verachten, wenn sie daran kleben, als sei esmit ihnen ganz verloren, sondern ihren ungelehrten,blinden Meistern die Schuld geben, die sie nie denGlauben gelehret, sie so tief in die Werke geführethaben. Und man soll sie sanft und mit vorsichtigerBedachtsamkeit wieder heraus in den Glauben führen,wie man mit einem Kranken umgeht, und zulassen,daß sie etlichen Werken um ihres Gewissens willennoch eine Weile lang anhangen und sie als zur Selig-keit nötig treiben, so lange, bis sie den Glauben rechtfassen, auf daß nicht, wenn wir sie so geschwind her-ausreißen wollen, ihre schwachen Gewissen ganz zer-schellet und verwirret werden und weder Glaubennoch Werke behalten. Aber die Hartköpfigen, die, inWerken verstockt, nicht achten, was man vom Glau-ben sagt, auch dagegen streiten, soll man fahrenlas-sen, auf daß ein Blinder den andern führe, wie Chri-

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stus tat und lehret (Matth. 15, 14).Zum sechzehnten: Wendest du aber ein: wie kann

ich mit Sicherheit erwarten, daß alle meine WerkeGott gefällig sind, so ich doch zuweilen falle, zu vielrede, esse, trinke, schlafe oder je sonst über dieSchnur haue, was mir zu vermeiden nicht möglich ist?Antwort: Diese Frage zeigt an, daß du den Glaubennoch wie ein ander Werk achtest und nicht über alleWerke setzest. Denn eben deshalb ist er das höchsteWerk, das er auch bleibt und die täglichen Sündentilgt, dadurch, daß er nicht zweifelt, Gott sei dir so ge-neigt, daß er solchem täglichen Fall und der Gebrech-lichkeit durch die Finger sieht. Ja, ob auch schon eintödlicher Fall geschehe (was doch denen, die im Glau-ben und Gottvertrauen leben, nimmer oder selten wi-derfähret), so steht doch der Glaube wieder auf undzweifelt nicht, seine Sünde sei schon dahin. Wie 1.Joh. 2, 1 f. steht: »Das schreibe ich euch, liebe Kin-der, auf daß ihr nicht sündiget. So aber jemand dochfällt, so haben wir einen Fürsprecher vor Gott, JesusChristus, der da ist eine Vergebung für alle unsereSünden.« Und Weisheit 15, 2: »Und ob wir schonsündigten, so sind wir doch die Deinen und erkennen,daß du groß bist.« Und Sprüche 24, 16: »Siebenmalkann fallen ein gerechter Mensch, steht aber sovielmalwieder auf.« Ja, diese Zuversicht und Glauben muß sohoch und stark sein, daß der Mensch wisse, daß all

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sein Leben und Wirken vor Gottes Gericht eitel ver-dammliche Sünde sind, wie Psalm 143, 2 geschriebensteht: »Es wird vor dir kein lebendiger Mensch ge-recht erfunden.« Und er muß an seinen Werken soverzweifeln, daß sie nicht gut sein können, es sei denndurch diesen Glauben, der kein Gericht, sondern lau-ter Gnade, Gunst, Huld und Barmherzigkeit erwartet,wie David Psalm 26, 3 sagt: »Deine Barmherzigkeitist mir stets vor Augen und ich bin guten Muts gewe-sen an deiner Wahrheit«, und Psalm 4, 7 f.: »DasLicht deines Angesichts schwebt über uns (das ist dieErkenntnis deiner Gnade durch den Glauben), unddamit hast du mein Herz fröhlich gemacht.« Dennwas er erwartet, das geschieht ihm. Siehe, so sind dieWerke aus Barmherzigkeit und Gnade Gottes, nichtaus ihrer Natur, ohne Schuld, vergeben und gut, umdes Glaubens willen, der sich auf diese Barmherzig-keit verläßt. Deshalb müssen wir uns der Werke hal-ber fürchten, aber der Gnade Gottes halber uns trö-sten. Wie geschrieben steht Psalm 147, 11: »Gott hatein gnädig Wohlgefallen über die, so sich vor ihmfürchten und doch auf seine Barmherzigkeit trauen.«So beten wir mit ganzer Zuversicht: »Vater unser«,und bitten doch: »Vergib uns unsre Schuld«, sindKinder und doch Sünder, sind wohlgefällig und tundoch nicht genug. Das macht alles der in Gottes Huldbefestigte Glaube.

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Zum siebzehnten: Fragst du aber, wo der Glaubeund die Zuversicht gefunden werden können oder wosie her-kommen: das ist freilich am nötigsten zu wis-sen. Zum ersten: Ohne Zweifel kommt er nicht ausdeinen Werken noch Verdienst, sondern allein ausJesus Christus, umsonst versprochen und gegeben,wie Paulus Röm. 5, 8 sagt: »Gott macht uns seineLiebe sehr süß und freundlich dadurch, daß Christusfür uns gestorben ist, als wir noch Sünder waren«, alswollte er sagen: Sollte uns das nicht eine starke, un-überwindliche Zuversicht machen, daß ehe wir darumgebeten oder gesorgt haben, ja noch in Sünden fürund für wandelten, Christus für unsere Sünde stirbt?Daraus folgt: so denn Christus (eine Zeitlang) für unsgestorben ist, als wir noch Sünder waren, wievielmehr werden wir durch ihn selig werden, so wir nundurch sein Blut gerechtfertigt sind. Und so wir mitGott durch seines Sohnes Tod versöhnet sind, als wirnoch seine Feinde waren, wieviel mehr – da wir nunversöhnet sind – werden wir durch sein Leben behal-ten werden. Siehe, so mußt du dir Christus einprägenund sehen, wie Gott dir in ihm seine Barmherzigkeitvorhält und anbietet, ohne alle deine vorausgehendenVerdienste, und aus solchem Bild seiner Gnade denGlauben und die Zuversicht der Vergebung aller dei-ner Sünden schöpfen. Darum fängt der Glaube nichtbei den Werken an; sie machen ihn auch nicht, son-

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dern er muß aus Blut, Wunden und Sterben Christiquellen und fließen. Wenn du siehst, daß dir Gott sohold ist, daß er auch seinen Sohn für dich gibt, mußdein Herz dadurch so süß und Gott wieder hold wer-den, und so muß die Zuversicht aus lauter Gunst undLiebe heranwachsen, Gottes gegen dich und deinergegen Gott. Ebenso lesen wir noch nie, daß jemandemder heilige Geist gegeben worden sei, wenn er gewirkthat, aber allezeit, wenn sie das Evangelium von Chri-stus und der Barmherzigkeit Gottes gehört haben.Aus demselben Wort muß auch noch heute und al-lezeit der Glaube herkommen und sonst nirgends.Denn Christus ist der Fels, da man Butter und Honigdraus saugt, wie Mose 5. Mose 32, 13 sagt.

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Von dem zweiten guten Werk

Zum achtzehnten: Siehe, bisher haben wir das ersteWerk und erste Gebot behandelt, wenn auch nur kurz,schlicht und obenhin, denn gar viel wäre davon zusagen. Nun wollen wir die Werke durch die nachfol-genden Gebote hindurch weiter untersuchen. Daszweite und nächste Werk nach dem Glauben ist dasWerk des zweiten Gebotes, daß wir Gottes Namenehren und ihn nicht unnütz brauchen sollen, welches,gleichwie alle anderen Werke, ohne den Glaubennicht geschehen kann; geschieht es aber ohne ihn, soists ein bloßes Gleißen und Schein. Nach dem Glau-ben vermögen wir nichts Größeres zu tun, als GottesLob, Ehre, Namen zu preisen, zu predigen, zu singenund auf alle Weise zu erheben und groß zu machen.Und obwohl ich droben gesagt habe und es wahr ist,daß kein Unterschied unter den Werken ist, wo derGlaube ist und wirkt, so ist das doch nur dann gültig,wenn sie gegen den Glauben und sein Werk gehaltenwerden. Aber wenn man sie miteinander vergleicht,besteht ein Unterschied und ist eines höher als das an-dere. Gleichwie im Leib die Gliedmaßen in bezug aufdie Gesundheit keinen Unterschied haben, und dieGesundheit in dem einen gleich wirkt wie in dem an-deren, so sind doch der Gliedmaßen Werke unter-

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schieden und eines ist höher, edler, nützlicher als dasandere.

So ist es auch hier: Gottes Ehre und Namen preisenist besser, als die folgenden Werke der anderen Gebo-te; und müssen doch in demselben Glauben (vor sich)gehen wie alle anderen. Ich weiß aber wohl, daß die-ses Werk geringgeachtet, dazu unbekannt worden ist.Darum wollen wir es weiter ansehen und es genug ge-sagt sein lassen, daß solches Werk im Glauben undder Zuversicht geschehen soll, es gefalle Gott wohl.Ja, es ist kein Werk, darin man ebenso die Zuversichtund den Glauben empfindet und fühlet wie beimEhren des Namens Gottes. Und es hilft sehr den Glau-ben stärken und mehren, obwohl alle Werke auchdazu helfen, wie Petrus 2. Petr. 1, 10 sagt: »LiebeBrüder, habt Fleiß, daß ihr durch gute Werke eureBerufung und Erwählung gewiß macht.«

Zum neunzehnten: Das ist ebenso, wie wenn daserste Gebot verbietet, wir sollen keine anderen Götterhaben, und damit gebietet, wir sollen einen, den rech-ten Gott haben. (Das geschieht) durch einen festenGlauben, Vertrauen, Zuversicht, Hoffen und Liebe,welches allein die Werke sind, damit man einen Gotthaben, ehren und behalten kann. Denn mit keinem an-deren Werk kann man Gott erlangen oder verlieren,als allein mit Glauben oder Unglauben, mit Vertrauenoder Zweifeln. Der anderen Werke reichet keines bis

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zu Gott.Ebenso wird auch im zweiten Gebot verboten, wir

sollen seinen Namen nicht unnütz brauchen. Dochwill das nicht genug sein, sondern es wird darunterauch geboten, wir sollen seinen Namen ehren, anru-fen, preisen, predigen und loben. Zwar ists nicht mög-lich, daß Gottes Name nicht verunehrt werden sollte,wo er nicht recht geehret wird. Denn ob er schon mitdem Munde, Kniebeugen, Küssen oder anderen Ge-bärden geehret wird: so das nicht im Herzen durchden Glauben an Gottes Huld und Zuversicht ge-schieht, ist es doch nichts als ein Schein und Beschö-nigung der Gleißnerei.

Nun siehe, wie mancherlei gute Werke der Menschin diesem Gebot alle Stunden tun kann und diesernimmer ohne gute Werke dieses Gebotes sein kann,so er will, so daß er fürwahr nicht weit zu wallen oderheilige Stätten zu suchen braucht. Denn sage an: wel-cher Augenblick kann vergehen, in dem wir nichtohne Unterlaß Gottes Güter empfangen oder aberböse Widerwärtigkeit leiden? Was sind aber GottesGüter und Widerwärtigkeiten anders als stete Ver-mahnung und Reizung, Gott zu loben, ihn zu ehrenund zu segnen, ihn und seinen Namen anzurufen?Wenn du nun aller Dinge müßig wärest, hättest dunicht allein an diesem Gebot genug zu schaffen, daßdu Gottes Namen ohne Unterlaß segnest, singest, lo-

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best und ehrest? Und wozu ist die Zunge, Stimme,Sprache und der Mund anders geschaffen? Wie Psalm51, Vers 17 sagt: »Herr, tue meine Lippen auf, daßmein Mund deinen Ruhm verkünde«, und Vers 16:»Meine Zunge soll deine Barmherzigkeit erheben.«Was ist im Himmel für ein Werk als das dieses zwei-ten Gebotes, wie im 84. Psalm (V. 5) steht: »Seligsind, die in deinem Haus wohnen, sie werden dichloben ewiglich.« Ebenso sagt auch David im 34.Psalm (V. 2); »Gottes Lob soll allezeit in meinemMunde sein«, und Paulus 1. Kor. 10, 31: »Ihr essetund trinket oder tut etwas anderes, so tut es alles Gottzu Ehren«, ebenso Kol. 3, 17: »Alles, was ihr tut, essei mit Worten oder Werken, tut es in dem Namen un-seres Herrn Jesus Christus, Gott dem Vater zu Lobund Dank.« Wenn wir dieses Werk wahrnähmen, sohätten wir hier auf Erden ein Himmelreich und al-lezeit genug zu tun, gleichwie die Seligen im Himmel.

Zum zwanzigsten: Daher kommt das wunderlicheund rechte Urteil Gottes, daß zuweilen ein armerMensch, dem niemand viele und große Werke anse-hen kann, bei sich selbst in seinem Hause Gott fröh-lich lobet, wenn es ihm wohlgeht, oder mit ganzer Zu-versicht anruft, so ihn etwas anstößet, und damit eingrößeres und Gott angenehmeres Werk tut als ein an-derer, der viel fastet, betet, Kirchen stiftet, wallfahrtetund sich hier und da mit großen Taten bemühet. Hier

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geschieht es diesem Narren, daß er das Maul aufsper-ret und so ganz verblendet nach großen Werken Aus-schau hält, daß er dieses größten Werkes auch nim-mer gewahr wird und Gott loben in seinen Augen einganz klein Ding ist vor den großen Bildern seiner ei-genen, erdachten Werke, in welchen er vielleicht mehrsich als Gott lobet, oder an denen er selber ein Wohl-gefallen hat, mehr als an Gott. Und so stürmt er mitguten Werken gegen das zweite Gebot und seineWerke an, so wie der Pharisäer und der offenbareSünder im Evangelium11 von dem allen ein Ebenbildabgeben. Denn der Sünder rufet Gott in seinen Sün-den an, lobet ihn und traf die zwei höchsten Gebote:den Glauben und Gottes Ehre. Der Gleißner verfehletsie beide und pranget mit anderen guten Werkendaher, durch welche er sich selber und nicht Gott rüh-met, und mehr auf sich als auf Gott sein Vertrauensetzet. Darum ist er billig verworfen und jener auser-wählt. Das macht alles, daß die Werke, je höher undbesser sie sind, um so weniger gleißen. Dazu kommt,daß ein jedermann vermeint, dieselben mit Leichtig-keit zu tun, dieweil man vor Augen hat, daß niemandsich so sehr stellet, als ob er Gottes Name und Ehrepreise, als eben die, die es nimmer tun und mit sol-chem Gleißen, dieweil das Herz ohne Glauben ist, dasköstliche Werk zur Verachtung machen. Deshalb darfauch der Apostel Paulus Röm. 2, 23 frei sagen, daß

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die Gebote Gottes Namen am meisten lästern, die sichdes Gesetzes Gottes rühmen. Denn Gottes Namen zunennen und seine Ehre aufs Papier und an die Wändezu schreiben, ist leicht geschehen, aber ihn gründlichloben und segnen in seinen Wohltaten und getrost an-rufen in allen Anstößen, das sind fürwahr die allersel-tensten, höchsten Werke nächst dem Glauben. Wirwürden vor Kummer verzagen, wenn wirs sehen soll-ten, wie wenig derer in der Christenheit sind. Unddoch mehren sich dieweil noch immer die hohen, hüb-schen, prächtig glänzenden Werke, die Menschen er-dacht haben, oder die diesen rechten Werken zwar inder Farbe gleich sind, in Wirklichkeit ist aber allesglaubenslos, treulos und kurzum nichts Gutes dahin-ter. So straft auch Jesaja 48, 1 das Volk Israel:»Höret ihr, die ihr den Namen habt, als wäret ihr Isra-el, die ihr schwöret bei dem Namen Gottes und ge-denkt seiner weder in der Wahrheit noch in der Ge-rechtigkeit.« Das ist deshalb, weil sie es nicht imrechten Glauben und Zuversicht taten, welches dierechte Wahrheit und Gerechtigkeit ist, sondern trautenauf sich selbst, ihre Werke und Vermögen, und riefendoch Gottes Namen an und lobten ihn, welches nichtzusammenpaßt.

Zum einundzwanzigsten: So ist nun das erste Werkdieses Gebotes, Gott in allen seinen Wohltaten loben,derer unermeßlich viele sind, so daß auch solches

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Lobes und Dankes billig kein Unterlaß noch Endesein soll. Denn wer vermag ihn für das natürlicheLeben, geschweige denn für alle zeitlichen und ewi-gen Güter vollkommen zu loben? Und so ist derMensch mit diesem einzigen Stück dieses Gebotesmit guten köstlichen Werken überschüttet. So er dieseim rechten Glauben übt, ist er fürwahr nicht unnützhier gewesen. Und in diesem Stück sündiget niemandso sehr wie die allergleißnerischsten Heiligen, die sichselbst wohlgefallen, sich gerne rühmen oder gerne ihrLob, Ehre und Preis vor der Welt hören.

Darum ist es das zweite Werk dieses Gebotes, (daßman) sich hüte, fliehe und meide alle zeitliche Ehreund Lob und ja nicht seinen Namen, guten Leumundund groß Geschrei suche, daß jedermann von ihmsinge und sage. Das ist eine ganz gefährliche unddoch die allerverbreitetste und leider wenig beachteteSünde. Es will ja jedermann als etwas angesehen wer-den und nicht der Geringste sein, wie gering er immerist. So tief ist die Natur in ihrer eigenen Meinung undin ihrem Vertrauen auf sich selbst verböset, diesenzwei ersten Geboten entgegen.

Nun achtet man dieses grausame Laster in der Weltfür die höchste Tugend, um welches willen es denen,die nicht zuvor gut in den Geboten Gottes und derheiligen Schrift Historien verständig und erfahrensind, überaus gefährlich ist, heidnische Bücher und

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Historien zu lesen oder zu hören. Denn alle heidni-schen Bücher sind mit diesem Gift des Lob- und Eh-resuchens ganz durchtränkt. Darinnen lernet man derblinden Vernunft nach, als seien das nicht tätige oderteuere Menschen, noch könnten sie es werden, diesich durch Lob und Ehre nicht bewegen lassen. Unddie werden für die besten geachtet, die Leib undLeben, Freund und Gut und alles hintenan setzen, aufdaß sie Lob und Ehre erjagen. Es haben alle heiligenVäter über dieses Laster geklagt und einträchtig be-schlossen, daß es als allerletztes Laster zu überwin-den sei. Augustin sagt:12 »Alle anderen Laster ge-schehen in bösen Werken, nur allein die Ehre und daseigene Wohlgefallen geschieht in und von den gutenWerken.« Wenn der Mensch darum nicht mehr zu tunhätte als dieses zweite Werk des Gebotes, hätte erdennoch sein Leben lang voll zu schaffen, mit diesemLaster zu fechten, das so allgemein, so listig, so be-hend und hartnäckig auszutreiben ist.

Nun lassen wir diese guten Werke alle stehen undüben uns in vielen anderen, geringeren guten Werken,ja stoßen dieses eben durch andere gute Werke umund vergessen es ganz. So wird dann der heiligeName Gottes durch unseren verfluchten Namen, unsereigenes Wohlgefallen und Ehresuchen unnütz ge-braucht und verunehret, der allein geehrt werden soll-te. Welche Sünde ist vor Gott schwerer als Totschlag

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und Ehebruch? Aber die Bosheit dieser Sünde siehtman nicht so gut wie die des Totschlags um ihrerSubtilität willen; denn sie wird nicht im grobenFleisch, sondern im Geist vollbracht.

Zum zweiundzwanzigsten: Es meinen etliche, daßes für junge Leute gut sei, wenn sie mit Ruhm, Ehreund umgekehrt mit Schande und Schmach angereiztund bewegt werden wohlzutun. Denn viele sind es,die Gutes tun und Übles lassen um der Furcht vor derSchande und der Liebe zur Ehre willen, was sie sonstkeineswegs täten oder ließen. Die lasse ich es so hal-ten. Aber wir suchen jetzt, wie man rechte gute Werketun solle. Und die dazu geneigt sind, bedürfen für-wahr nicht, daß sie mit der Furcht vor Schande undder Liebe zur Ehre angetrieben werden; sondern siehaben und sollen haben einen höheren und viel edle-ren Antrieb: das ist Gottes Gebot, Gottes Furcht, Got-tes Wohlgefallen und ihren Glauben und Liebe zuGott. Welche diesen Antrieb nicht haben oder nichtachten und sich von Schande oder Ehre treiben lassen,die nehmen auch damit ihren Lohn dahin, wie derHerr sagt (Matth. 6, 2. 5); und wie der Antrieb ist, soist auch das Werk und der Lohn: keines ist gut, außerallein vor den Augen der Welt.

Nun meine ich, man könnte einen jungen Menschenebenso leicht mit Gottesfurcht und Geboten gewöhnenund antreiben wie mit jedem anderen. Doch wo das

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nicht helfen will, müssen wir dulden, daß sie umSchande und Ehre willen Gutes tun und Böses lassen,gleich wie wir auch böse Menschen oder die unvoll-kommenen dulden müssen, von denen droben geredetist;13 können auch nicht mehr dazu tun, als ihnensagen, wie ihr Tun nicht genug und recht vor Gott sei,und sie so lassen, bis sie lernen, auch um Gottes Ge-botes willen recht zu tun. Das ist so, wie die jungenKinder mit Gaben und Verheißen der Eltern angereiztwerden zu beten, zu fasten, zu lernen usw., wo esdoch nicht gut wäre, das ihr Leben lang zu treibenund nimmer zu lernen, es in Gottes Furcht Gutes tun.Viel ärger (wäre es), so sie sich um Lobes und Ehrewillen Gutes zu tun gewöhneten.

Zum dreiundzwanzigsten: Das ist aber wahr, daßwir dennoch einen guten Namen und Ehre haben müs-sen. Und jedermann soll sich so halten, daß mannichts Übles von ihm sagen könne, noch jemand sichan ihm ärgere, wie Paulus Röm. 12, 11 ff. sagt: »Wirsollen fleißig sein, Gutes zu tun, nicht allein vor Gott,sondern auch vor allen Menschen.« Und 2. Kor. 4, 2:»Wir halten uns so ehrlich, daß kein Mensch es an-ders von uns wisse.« Aber hier muß großer Fleiß undVorsicht sein, daß solche Ehre und guter Name dasHerz nicht aufblase und sich ein Wohlgefallen darin-nen mache. Und hier gilt der Spruch Salomos (Spr.27, 21): »Wie das Feuer im Ofen das Gold bewährt,

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so wird der Mensch bewähret durch den Mund des-sen, der ihn lobt.« Wenige und ganz hochgeistlicheMenschen müssen das sein, die in Ehre und Lob bloß,gelassen und sich gleich bleiben, daß sie sich dersel-ben nicht annehmen, ein Gutdünken und Gefallendaran haben, sondern ganz frei und ledig bleiben, allihre Ehre und Namen allein Gott zurechnen, ihm al-lein auftragen und sie nicht anders gebrauchen alsGott zu Ehren und dem Nächsten zur Besserung undsich selbst in gar nichts zu eigenem Nutzen und Vor-teil: so, daß er sich seiner Ehre nicht vermesse odersich über den alleruntüchtigsten, verachtetsten Men-schen erhebe, der auf Erden sein mag, sondern sichals einen Knecht Gottes erkenne, der ihm die Ehre ge-geben hat, ihm und seinen Nächsten damit zu dienen;nicht anders, als hätte er ihm etliche Gulden um sei-netwillen den Armen auszuteilen befohlen.

So sagt er Matth. 5, 16: »Euer Licht soll leuchtenvor den Menschen, auf daß sie eure guten Werkesehen und euren Vater preisen, der im Himmel ist.«Er sagt nicht, sie sollen euch preisen, sondern nureure Werken sollen ihnen zur Besserung dienen, daßsie dadurch Gott in euch und in ihnen selbst loben.Das ist der rechte Gebrauch von Gottes Namen undEhre, wenn Gott durch anderer Besserung gelobtwird. Und wo die Leute uns und nicht Gott in unsloben wollen, sollen wir es nicht leiden und dem mit

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allen Kräften wehren und davor als vor der aller-schwersten Sünde und Dieberei göttlicher Ehre flie-hen.

Zum vierundzwanzigsten: Daher kommt es, daßGott einen Menschen vielmal in schwere Sünde fallenoder liegen lässet, auf daß er vor sich selbst und je-dermann zu Schanden werde, der sich sonst nichthätte von diesem großen Laster der eitlen Ehre undNamen enthalten können, so er in großen Gaben undTugenden bestanden geblieben wäre. Und Gott mußgleichsam mit anderen schweren Sünden dieser Sündewehren, damit sein heiliger Name allein in Ehren blei-be. Und so wird eine Sünde die Arznei der anderenum unserer verkehrten Bosheit willen, die nicht alleindas Übel tut, sondern auch alles Gute mißbraucht.

Nun siehe, wieviel der Mensch zu schaffen hat,wenn er gute Werke tun will, die ihm allezeit in gro-ßen Haufen zur Hand liegen und von denen er allent-halben umringt ist. Leider läßt er sie vor Blindheit lie-gen und sucht andere seines Gutdünkens und Wohlge-fallens, denen er folget, so daß niemand genug dawi-der reden, niemand sich genug davor hüten kann.Damit haben alle Propheten zu schaffen gehabt undsind alle deswegen erwürget worden, allein deshalb,weil sie diese selbst erdachten Werke verwarfen undnur Gottes Gebot predigten. Deren einer, Jeremias,spricht (7, 21 f.): »So läßt euch der Gott Israels

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sagen; nehmet hin eure Opfer und tut sie zusammenmit allen euren Gaben und fresset eure Opfer undFleisch selbst. Denn ich habe euch von denselbennichts geboten, sondern das habe ich euch geboten,ihr sollt meine Stimme hören (das ist: nicht, was euchrecht und gut dünkt, sondern was ich euch befehle)und wandeln in dem Wege, den ich euch gebotenhabe.« Und 5. Mose 12, 8. 32: »Du sollst nicht tun,was dich recht und gut dünkt, sondern was dein Gottdir geboten hat.«

Diese und dergleichen unzählige Sprüche sind ge-sagt, den Menschen nicht allein von den Sünden, son-dern auch von den Werken wegzureißen, die sie gutund recht dünken, und sie nur in einfältiger Meinungauf Gottes Gebote zu richten, daß sie diese allein undallezeit fleißig wahrnehmen, wie 2. Mose 13, 9 ge-schrieben steht: »Du sollst dir diese meine Gebotewie ein Malzeichen in deiner Hand und so ein stetesVorbild vor deinen Augen sein lassen«, und Psalm 1,2: »Ein frommer Mensch, der redet auch mit sichselbst von dem Gebot Gottes Tag und Nacht.«

Denn wir haben mehr als genug und zuviel zuschaffen, wenn wir Gottes Geboten allein genugtunsollen. Er hat uns solche Gebote gegeben, welcherwir, so wir sie verstehen, fürwahr keinen Augenblickmüßig gehen dürfen und aller anderen Werke wohlvergessen könnten. Aber der böse Geist, der nicht

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ruhet: wo er uns nicht auf die linke Seite in die bösenWerke führen kann, ficht er auf der rechten Seitedurch selbst erdachte, scheinbare gute Werke. Dage-gen hat Gott geboten (5. Mose 28, 14; Josua 23, 6):»Ihr sollt nicht wanken von meinen Geboten, wederzur rechten noch zur linken Hand.«

Zum fünfundzwanzigsten: Das dritte Werk diesesGebotes ist Gottes Namen in aller Not anrufen. Denndas erachtet Gott als seinen Namen geheiliget undgroß geehrt, so wir ihn in der Anfechtung und Notnennen und anrufen. Auch ist das endlich die Ursache,warum er uns viel Not, Leiden, Anfechtung, auch denTod zufügt, dazu noch in vielen, bösen, sündigenNeigungen leben lässet, auf daß er dadurch den Men-schen dringe und ihm große Ursache gebe, zu ihm zulaufen, zu schreien, seinen heiligen Namen anzurufenund so dieses Werk des zweiten Gebotes zu erfüllen,wie er sagt (Psalm 50, 15. 14): »Rufe mich an in dei-ner Not, so will ich dir helfen, so sollst du michehren; denn ein Opfer des Lobes will ich haben.« Unddas ist der Weg, dadurch du zur Seligkeit kommenkannst, denn durch solches Werk wird der Mensch ge-wahr und erfährt, was Gottes Name sei, wie mächtiger ist, allen zu helfen, die ihn anrufen. Dadurchwächst gar sehr die Zuversicht und der Glaube, mitwelchem das erste und höchste Gebot erfüllet wird.Das hat David erfahren (Psalm 54, 9. 8): »Du hast

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mich erlöset von aller Not, darum will ich deinenNamen preisen und bekennen, daß er lieblich und süßist.« Und Psalm 91, 14 spricht Gott: »Ich will ihn er-lösen, deshalb, weil er auf mich hoffet. Ich will ihmhelfen, deshalb, weil er meinen Namen erkannt hat.«

Nun siehe, welcher Mensch ist auf Erden, der nichtsein Leben lang auch an diesem Werk genug zu tunhätte? Denn wer ist eine Stunde lang ohne Anfech-tung? Ich will der Anfechtungen der Widerwärtigkeitschweigen, deren unzählig viele sind. Ist das dochauch die gefährlichste Anfechtung, wenn keine An-fechtung da ist und alles wohl steht und zugeht, daßder Mensch dabei Gottes nicht vergesse, zu frei werdeund der glückseligen Zeit mißbrauche. Ja, hier bedarfer zehnmal mehr des Anrufens des Namens Gottes alsin der Widerwärtigkeit, dieweil geschrieben steht(Psalm 91, 7): »Tausend fallen auf der linken Seiteund zehntausend auf der rechten Seite.« Auch sosehen wir das am hellen Tage, in aller Menschen täg-licher Erfahrung, daß (mehr) grausame Sünden undUntugenden geschehen, wenn Friede ist, alle Dingewohlfeil und gute Zeit ist, als wenn Krieg, Pestilenz,Krankheiten und allerlei Unglück uns beladen haben.Darum ist auch Mose um sein Volk besorget, eswürde aus keiner (anderen) Ursache Gottes Geboteverlassen, als daß es zu voll, zu satt wäre und zuvielRuhe hätte, wie er sagt (5. Mose 32, 15): »Mein lie-

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bes Volk ist reich, voll und fett geworden, darum hates wider seinen Gott gestrebet.« Deshalb ließ Gottdemselben auch viele seiner Feinde überbleiben undwollte sie nicht vertreiben, auf daß sie nicht Ruhe hät-ten und sich üben müßten, Gottes Gebote zu halten,wie Richter 3, 1 f. geschrieben steht. Ebenso tut erauch uns, wenn er uns allerlei Unglück zufügt. Soganz besorgt ist er um uns, daß er uns lehre und trei-be, seinen Namen zu ehren und anzurufen, Zuversichtund Glauben gegen ihn zu gewinnen und so die erstenzwei Gebote zu erfüllen.

Zum sechsundzwanzigsten: Hier handeln nun dietörichten Menschen gefährlich, und besonders die auseigenen Werken Heiligen und was etwas Besonderessein will. Da lehren sie sich Segnen, der beschütztsich mit (Himmels) Briefen, der läuft zu den Weissa-gern; einer sucht dies, der andere das, damit sie nurdem Unglück entlaufen und sicher seien. Es ist nichtzu erzählen, was für ein teuflisch Gespenst in diesemSpiel mit Zaubern, Beschwören, Aberglauben regiert,was alles deshalb geschieht, damit sie nur GottesNamen nicht bedürfen und ihm nichts vertrauen. Hiergeschieht dem Namen Gottes und beiden ersten Gebo-ten große Unehre, daß man das bei dem Teufel, Men-schen oder Kreaturen sucht, was allein bei Gott durcheinen reinen, bloßen Glauben, Zuversicht und fröhli-ches Wagen und Anrufen seines heiligen Namens ge-

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sucht und gefunden werden sollte.Nun greif du es selbst mit der Hand, ob das nicht

eine große, tolle Verkehrung ist: dem Teufel, Men-schen und Kreaturen müssen sie glauben und sich vonihnen des besten versehen, und ohne solchen Glaubenund Zuversicht hält und hilft nichts. Was soll dochder fromme, treue Gott entgelten, daß man ihm nichtauch soviel oder mehr glaubet und trauet als demMenschen und Teufel, so er doch nicht allein Hilfeund sicheren Beistand zusagt, sondern auch gebietet,sich desselben zu versehen und allerlei Ursache dazugibt und treibt, solchen Glauben und Vertrauen in ihnzu setzen. Ist das nicht kläglich und zum Erbarmen,daß der Teufel oder Mensch, der nichts gebietet, auchnicht drängt, sondern allein zusagt und verspricht,über Gott gesetzt wird, der da zusagt, drängt und ge-bietet, und mehr von ihm als von Gott selber gehaltenwird? Wir sollten uns billig schämen und an denenein Beispiel nehmen, die dem Teufel oder Menschentrauen. Denn so der Teufel, der doch ein böser, lügen-hafter Geist ist, allen die Treue hält,14 die mit ihmsich verbinden, wieviel mehr, ja allein wird der aller-gütigste, wahrhaftigste Gott die Treue halten, so ihmjemand vertrauet. Ein reicher Mann vertrauet und ver-läßt sich auf sein Geld und Gut, und es hilft ihm, undwir wollen nicht auf den lebendigen Gott vertrauenund uns verlassen, daß er uns helfen wolle oder

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könne? Man sagt: Gut macht Mut. Das ist wahr, wieBaruch 3, 17 schreibt: Das Gold sei ein Ding, da dieMenschen sich drauf verlassen. Aber sehr viel größerist der Mut, den da das höchste, ewige Gut macht, aufwelches sich nicht Menschen, sondern allein GottesKinder verlassen.

Zum siebenundzwanzigsten: Wenn nun schonkeine dieser Widerwärtigkeiten uns zwänge, GottesNamen anzurufen und ihm zu vertrauen, so wäre dochwohl die Sünde allein übrig genug, uns in diesemWerk zu üben und zu ihm zu treiben. Denn die Sündehat uns mit dreierlei starkem, großen Heer umzingelt.Das erste ist unser eigenes Fleisch, das andere dieWelt, das dritte der böse Geist, durch welche wirohne Unterlaß getrieben und angefochten werden,womit Gott uns Ursache gibt, ohne Unterlaß guteWerke zu tun, das heißt, mit diesen Feinden und Sün-den zu streiten. Das Fleisch sucht Lust und Ruhe; dieWelt sucht Gut, Gunst, Gewalt und Ehre; der böseGeist sucht Hoffart, Ruhm, Wohlgefallen an sichselbst und Verachtung anderer Menschen.

Diese Stücke sind allesamt so mächtig, daß ein jeg-liches für sich selbst genug ist, einen Menschen anzu-greifen. Und wir können sie doch auf keine Weiseüberwinden, als allein mit Anrufen des heiligenNamen Gottes in einem festen Glauben, wie SalomoSprüche 18, 10 sagt: »Der Name Gottes ist ein fester

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Turm; der Gläubige flieht dahin und wird über alleserhoben.« Ebenso David (Psalm 116, 13): »Ich willden heilsamen Kelch trinken und Gottes Namen anru-fen«, ebenso Psalm 18, 4; »Ich will mit Lob Gott an-rufen, so werde ich vor allen meinen Feinden errettetwerden.« Diese Werke und die Kraft des göttlichenNamens sind uns unbekannt geworden, deshalb, weilwir seiner nicht gewöhnt, noch nie mit Sünden ernst-lich gestritten und seines Namens nicht bedurft haben.Das macht, wir sind in unseren selbsterdachten Wer-ken allein geübt, die wir durch unsere Kräfte habentun können.

Zum achtundzwanzigsten: Auch sind dieses Gebo-tes Werke, daß wir mit dem heiligen Namen Gottesnicht schwören, fluchen, lügen, trügen, zaubern undanderen Mißbrauch treiben sollen. Das sind dann sehrgrobe Stücke und jedermann wohlbekannt – dieseSünde hat man fast allein in diesem Gebot gepredigtund verkündet. In ihm ist auch inbegriffen, daß wirauch anderen wehren sollen zu lügen, schwören, trü-gen, fluchen, zaubern und in anderer Weise mit Got-tes Namen zu sündigen. Darinnen wird zwar viel Ur-sache gegeben, Gutes zu tun und Bösem zu wehren,aber das größte und allerschwerste Werk dieses Ge-botes ist: den heiligen Namen Gottes wider alle schüt-zen, die seiner in geistlicher Weise mißbrauchen undihn unter diese alle auszubreiten. Denn das ist nicht

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genug, daß ich für mich selbst und in mir selbst dengöttlichen Namen lobe und anrufe, in Glück und Un-glück. Ich muß hervortreten und um Gottes Ehre undNamen willen auf mich Feindschaft aller Menschenladen, wie Christus (Matth. 10, 22) zu seinen Jüngernsprach: »Es werden euch feind sein um meines Na-mens willen alle Menschen.« Hier müssen wir Vater,Mutter und die besten Freunde erzürnen. Hier müssenwir wider die Obrigkeiten, geistliche und weltliche,streben und ungehorsam gescholten werden. Hiermüssen wir die Reichen, Gelehrten, Heiligen undalles, was etwas ist in der Welt, wider uns erwecken.Und obwohl das besonders die zu tun schuldig sind,denen Gottes Wort zu predigen befohlen ist, so istdoch auch ein jeglicher Christ dazu verbunden, wo esdie Zeit und Stätte fordert. Denn wir müssen für denheiligen Namen Gottes aufs Spiel setzen und darangeben alles, was wir haben und können, und mit derTat beweisen, daß wir Gott und seinen Namen,(seine) Ehre und (sein) Lob über alle Dinge liebenund über alle Dinge auf ihn vertrauen und uns vonihm Gutes versehen, um damit zu bekennen, daß wirihn für das höchste Gut achten, um dessentwillen wiralle anderen Götter fahrenlassen und aufgeben.

Zum neunundzwanzigsten: Hier müssen wir zumersten allem Unrecht widerstreben, wo die Wahrheitoder Gerechtigkeit Gewalt und Not leidet, und dürfen

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dabei keinen Unterschied der Person machen, wie etli-che tun, die gar fleißig und emsig für das Unrechtfechten, das den reichen, gewaltigen Freunden ge-schieht, aber wo es den Armen oder Verachteten oderFeinden geschieht, sind sie ganz still und geduldig.Diese sehen den Namen und die Ehre Gottes nicht inihm selbst an; sondern durch ein gemaltes Glas, undmessen die Wahrheit oder Gerechtigkeit nach den Per-sonen und werden ihres falschen Auges nicht gewahr,das da mehr auf die Person als auf die Sache sieht.Das sind Heuchler durch und durch15 und habennicht mehr als den Schein, die Wahrheit zu schützen.Denn sie wissen gut, daß es ohne Gefahr ist, wo manden Reichen, Gewaltigen, Gelehrten, Freunden bei-steht und kann deren (Hilfe) wieder genießen, vonihnen beschützt und geehrt werden. Auf diese Weiseist es sehr leicht, wider das Unrecht zu fechten, dasPäpsten, Königen, Fürsten, Bischöfen und anderengroßen Hansen widerfährt. Hier will jedermann derfrömmste sein, wo es nicht so not ist. O wie heimlichist hier der falsche Adam mit seiner Selbstsucht; wiefein deckt er das Suchen seines Vorteils mit demNamen der Wahrheit und Gerechtigkeit und GottesEhre! Wo aber einem armen und geringen Menschenetwas widerfähret, da findet das falsche Auge nichtviel Gewinn, sieht aber die Ungunst der Gewaltigengut; darum lässet er den Armen fein ohne Hilfe blei-

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ben. Und wer möchte die Menge dieses Lasters in derChristenheit aufzuzählen: So spricht Gott Psalm 82, 2ff.: »Wie lange richtet ihr so unrecht und seht auf diePerson des Ungerechten? Schaffet dem Armen undWaisen Recht und fördert dem Elenden und Dürftigensein Recht. Errettet den Armen und den Verlassenenhelft von der Gewalt des Ungerechten.« Aber man tutes nicht; darum folget auch daselbst: »Sie wissennichts und verstehen auch nichts, wandeln in Finster-nis.« Das ist: die Wahrheit sehen sie nicht, sondernsie haften allein an dem Ansehen der Großen, wie un-recht sie (auch) haben; erkennen auch die Armennicht, wie gerecht sie (auch) sind.

Zum dreißigsten: Siehe, da wären wohl viele guteWerke vorhanden, denn der größere Teil der Gewalti-gen, Reichen und Freunde tut Unrecht und handelt mitGewalt wider die Armen, Geringen und Gegner. Undje größer, desto ärger. Und wo man nicht mit Gewaltwehren und der Wahrheit helfen kann, sollte mandoch das bekennen und mit Worten helfen, den Unge-rechten nicht zufallen, ihnen nicht recht geben, son-dern die Wahrheit frei heraus sagen. Was hülfe esdoch, so der Mensch allerlei Gutes täte, zu Rom undzu allen heiligen Stätten liefe, allen Ablaß erwürbe,alle Kirchen und Stifte baute, wo er hier an demNamen und der Ehre Gottes schuldig erfunden würde,daß er dieselben zum Schweigen gebracht und verlas-

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sen, sein Gut, Ehre, Gunst und Freunde größer geach-tet hätte als die Wahrheit (die Gottes Namen und Ehreselber ist)? Oder wer ist der, dem solches gute Werknicht täglich vor seine Türe und in sein Haus komme,so daß es ihm nicht not wäre, weit zu laufen oder nachguten Werken zu fragen? Und wenn wir der Men-schen Leben ansehen, wie es in diesem Stück an allenOrten so gar geschwind und leicht fähret, müssen wirmit dem Propheten (Ps. 116, 11) rufen: »alle Men-schen sind Lügner«, lügen und betrügen. Denn dierechten, guten Hauptwerke lassen sie anstehen, be-mänteln und tarnen sich16 mit den geringsten undwollen fromm sein, mit stiller Ruhe gen Himmel fah-ren.

Wendest du aber ein: warum tuts Gott nicht alleinund selber, so er doch gut einem jeden zu helfen kannund weiß? Ja, er kanns wohl. Er will es aber nicht al-lein tun. Er will, daß wir mit ihm wirken und tut unsdie Ehre an, daß er mit uns und durch uns sein Werkwirken will. Und wenn wir von der Ehre nicht Ge-brauch machen wollen, so wird ers doch allein aus-richten, den Armen helfen, und die ihm nicht habenhelfen wollen und die große Ehre seines Werkes ver-schmäht haben, wird er samt den Ungerechten ver-dammen als die, die es mit den Ungerechten gehaltenhaben. (Das ist so), gleichwie er allein selig ist: erwill aber uns die Ehre antun und nicht allein selig

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sein, sondern uns mit ihm selig haben. Auch wo ersallein täte, so wären uns seine Gebote vergebens ge-stellt, dieweil niemand Ursache hätte, sich in den gro-ßen Werken dieser selben Gebote zu üben. Es würdeauch niemand versuchen, ob er Gott und seinenNamen für das höchste Gut achtet und um seinetwil-len alles zusetzet.

Zum einunddreißigsten: Zu diesem Werk gehört esauch, allen falschen, verführerischen, irrigen, ketzeri-schen Lehren, allem Mißbrauch geistlicher Gewalt zuwiderstreben. Das ist nun viel höher, denn dieselbenfechten eben mit demselben heiligen Namen Gotteswider Gottes Namen. Deshalb hat das einen großenSchein und dünkt gefährlich, ihnen zu widerstehen,dieweil sie vorgeben, daß wer ihnen widerstrebe, derwiderstrebe Gott und allen seinen Heiligen, an derenStelle sie sitzen und deren Gewalt sie brauchen, spre-chen, daß Christus von ihnen gesagt habe (Luk. 10,16): »Wer euch höret, der höret mich, und wer euchverachtet, der verachtet mich.« Auf diese Worte stüt-zen sie sich ganz stark, werden frech und kühn zusagen, zu tun, zu lassen, was sie wollen, bannen, ver-fluchen, rauben, töten und treiben alle ihre Schalkheit,wie sie es nur gelüstet und (sie es) erdenken mögen,ohne alle Hindernisse.

Nun hat Christus nicht gemeint, wir sollen siehören in allem, was sie sagen und tun, sondern wenn

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sie sein Wort, das Evangelium – nicht ihr Wort, seinWerk – und nicht ihr Werk uns vorhalten. Wie könn-ten wir sonst wissen, ob ihre Lügen und Sünden zumeiden wären? Es muß ja eine Regel geben, inwiefernsie zu hören und ihnen zu folgen sei; welche Regelnicht von ihnen, sondern von Gott über sie gesetztsein muß, danach wir uns zu richten wissen, wie wirim vierten Gebot hören werden. Nun muß es so sein,daß auch im geistlichen Stand der größere Teil falscheLehre predige und geistlicher Gewalt mißbrauche,damit uns Ursache gegeben werde, dieses GebotesWerk zu tun, und wir versucht werden, was wir gegensolche Gotteslästerer um Gottes Ehre willen tun undlassen wollen.

Oh, wenn wir hier fromm wären, wie oft müßtendie Offizialbuben17 ihren päpstlichen und bischöfli-chen Bann vergebens fällen? Wie sollten die römi-schen Donnerschläge so matt werden! Wie oft müßtemancher das Maul halten, dem jetzt die Welt zuhörenmuß? Wie wenig würde man in der Christenheit Pre-diger finden! Aber es hat überhand genommen; wasund wie sie es nur vorgeben, muß alles recht sein.Hier ist niemand, der für Gottes Namen und Ehrestreite, und ich meine, daß keine größere noch allge-meinere Sünde in den äußerlichen Werken gescheheals in diesem Stück. Es ist so hoch, daß wenige esverstehen, dazu, mit Gottes Namen und Gewalt ge-

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schmückt, gefährlich anzugreifen. Aber die Prophetensind vor Zeiten Meister darin gewesen, ebenso wie dieApostel, besonders Paulus, die sichs gar nicht anfech-ten ließen, obs der oberste oder unterste Priester ge-sagt, in Gottes oder seinem eigen Namen getan hätte.Sie nahmen der Werke und Worte wahr und hieltensie (vergleichend) gegen Gottes Gebot, unangesehen,ob es der große Hans oder der kleine Nickel gesagt,18(ob er) es in Gottes oder Menschen Namen getanhätte. Darum mußten sie auch sterben. Davon wäre zuunseren Zeiten viel mehr zu sagen, denn es ist jetztviel ärger. Aber Christus und Petrus und Paulus müs-sen das alles mit ihren heiligen Namen decken, so daßkein schändlicherer Schanddeckel auf Erden gekom-men ist als eben der allerheiligste, hochgelobte NameJesu Christi. Es möchte einem vor dem Leben grauen,allein des Mißbrauchs und der Lästerung des heiligenNamens Gottes halber, unter welchem wir (so es län-ger währen sollte), ich besorge, den Teufel öffentlichfür einen Gott anbeten werden, so ganz überschweng-lich grob gehen die geistliche Gewalt und die Gelehr-ten mit den Sachen um. Es ist hohe Zeit, daß wir Gottmit Ernst bitten, daß er seinen Namen heiligen wollte.Es wird aber Blut kosten, und die in der heiligen Mär-tyrer Gut sitzen und mit ihrem Blut gewonnen sind,müssen wiederum selber Märtyrer machen. Davon einandermal mehr.

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Von dem dritten Gebot

Zum ersten: Nun haben wir gesehen, wieviel guteWerke in dem zweiten Gebot sind, welche doch ansich selbst nicht gut sind, sie geschehen denn imGlauben und in Zuversicht göttlicher Huld, und wie-viel wir zu tun haben, so wir dieses Gebot alleinwahrnehmen, während wir leider mit viel anderenWerken umgehen, die darauf gar keinen Bezughaben.19 Nun folget das dritte Gebot: »Du sollst denFeiertag heiligen!« In dem ersten ist geboten, wie sichunser Herz gegen Gott verhalten soll mit Gedanken;im zweiten, wie der Mund mit Worten. In diesem drit-ten wird geboten, wie wir uns gegen Gott in den Wer-ken verhalten sollen. Und das ist die erste und rechteTafel Mose, in welcher diese drei Gebote beschriebensind und den Menschen auf der rechten Seite regieren,das ist: in den Dingen, die Gott anlangen und in wel-chen Gott mit ihm und er mit Gott zu tun hat, ohneVermittlung irgendeiner Kreatur.

Die ersten Werke dieses Gebotes sind grob undsinnlich, die wir für gewöhnlich Gottesdienst nennen;als da sind Messe hören, beten, Predigt hören an denheiligen Tagen. Nach dieser Bedeutung sind garwenig Werke in diesem Gebot. Dazu sind sie nichts,wo sie nicht in Gottes Huld, Zuversicht und Glauben

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gehen, wie droben gesagt ist. Deshalb wäre es auchwohl gut, daß weniger heilige Tage wären, sintemalihre Werke zu unseren Zeiten zum größeren Teil ärgersind mit Müßiggehen, Fressen und Saufen, Spielenund anderen bösen Taten als die der Werktage. Überdas werden die Messe und Predigt ohne alle Besse-rung gehört, das Gebet ohne Glauben gesprochen. Esgeht fast so zu, daß man meinet, es sei genug gesche-hen, wenn wir die Messe mit den Augen gesehen, diePredigt mit den Ohren gehört, das Gebet mit demMund gesprochen haben. Und (wir) gehen so äußer-lich obenhin, denken nicht, daß wir etwas aus derMesse ins Herz empfangen, etwas aus der Predigt ler-nen und behalten, etwas mit dem Gebet suchen, be-gehren und erwarten (sollten), obwohl hier die größteSchuld der Bischöfe und Priester ist oder denen diePredigt befohlen ist, daß sie das Evangelium nichtpredigen und die Leute nicht lehren, wie sie Messesehen, Predigt hören und beten sollen. Drum wollenwir diese drei Werke in Kürze auslegen.

Zum zweiten: In der Messe ist es nötig, daß wirauch mit dem Herzen dabei sind. Dann sind wir aberdabei, wenn wir den Glauben im Herzen üben. Hiermüssen wir die Worte Christi erzählen, da er dieMesse einsetzt und spricht: »Nehmet hin und esset,das ist mein Leib, der für euch gegeben wird.« Des-selbengleichen über den Kelch: »Nehmet hin und trin-

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ket alle daraus. Das ist ein neues, ewiges Testamentin meinem Blut, das für euch alle und für viele ver-gossen wird zur Vergebung der Sünden. Das sollt ihrtun, sooft ihrs tut, zu meinem Gedächtnis.« In diesenWorten hat Christus sich eine Gedächtnisfeier20 ge-macht, ihm täglich in aller Christenheit nachzuhaltenund hat ein herrlich, reich, groß Testament dazu ge-macht, darinnen nicht Zins, Geld oder zeitlich Gut,sondern Vergebung aller Sünden, Gnade und Barm-herzigkeit zum ewigen Leben vermacht und verordnetsind; alle, die zu dieser Gedächtnisfeier kommen, sol-len dasselbe Testament haben. Er ist darauf gestor-ben, womit solch Testament beständig und unwider-ruflich geworden ist. Des zum Zeichen und Urkundehat er anstatt Briefs und Siegels seinen eigenen Leibund sein Blut unter dem Brot und Wein hier gelassen.

Hier ist nun not, daß der Mensch das erste Werkdieses Gebotes recht gut übe; daß er nur nicht daranzweifle, es sei so und lasse sich das Testament gewißsein, auf daß er nicht Christus zu einem Lügnermache. Denn was ists anders: so du bei der Messestehst und nicht denkst oder nicht glaubst, daß dirallda Christus durch sein Testament Vergebung allerSünden vermacht und gegeben habe, als wenn dusprächest: Ich weiß nicht oder glaube es nicht, daß eswahr sei, daß mir meiner Sünden Vergebung hier ver-macht und gegeben ist? Oh, wieviel Messen sind jetzt

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in der Welt? Wie wenige aber, die sie mit solchemGlauben und Brauch hören? Dadurch wird Gott ganzschwer erzürnet. Deshalb soll und kann auch niemandmit Frucht bei der Messe sein, er sei denn betrübt undgöttlicher Gnade begierig und wäre seine Sünde gernelos; oder wenn er aber in bösem Vorsatz ist, daß erdoch unter der Messe sich wandle und Verlangennach diesem Testament gewinne. Darum ließ man vorZeiten keinen öffentlichen Sünder bei der Messe sein.

Wenn nun dieser Glaube recht gehet, so muß dasHerz von dem Testament fröhlich werden und in Got-tes Liebe erwarmen und zerschmelzen. Da folget dannLob und Dank mit süßem Herzen. Davon heißet dieMesse auf griechisch »Eucharistia«, das ist Danksa-gung, daß wir Gott für solch tröstliches, reiches, seli-ges Testament loben und danken; gleichwie der dankt,lobt und fröhlich ist, dem ein guter Freund tausendoder mehr Gulden vermacht hat. So wie es Christusviele Male gleichwie denen geht, die mit ihrem Testa-ment etliche reich machen, die ihrer nimmer geden-ken, noch Lob und Dank sagen, gehen jetzt unsereMessen so, daß sie nur gehalten werden, wir wissennicht, wozu und warum sie dienen. Darum danken wirauch weder noch lieben noch loben, bleiben dürr undhart dabei, lassens bei unsern Gebetlein bleiben.Davon ein andermal mehr.

Zum dritten: Nun sollte die Predigt nichts anderesDigitale Bibliothek Band 63: Martin Luther

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sein als die Verkündigung dieses Testamentes. Aberwer kanns hören, wenns niemand prediget? Nun wis-sens die selbst nicht, die es predigen sollen, darumgeht die Predigt in anderen untüchtigen Fabeln spa-zieren und wird Christus so vergessen. Das geschiehtuns gleich wie mit dem in 2, Kön. 7, 19, daß wirunser Gut sehen und nicht genießen, wovon auch derPrediger 6, 2 sagt: »Das ist ein großes Übel, wo Gotteinem Reichtum gibt und läßt ihn denselben nimmergenießen.« So sehen wir der Messen unzählig vieleund wissen nicht, ob es ein Testament, dies oder dassei, gerade als wäre es sonst ein allgemein gutes Werkfür sich selbst. O Gott, wie sind wir so ganz verblen-det! Wo aber solches recht geprediget wird, da istsnot, daß man dasselbe mit Fleiß höre, fasse, behalte,oft dran denke und so den Glauben wider alle Anfech-tung der Sünden stärke; sie seien vergangen, gegen-wärtig oder zukünftig. Siehe, das ist die einzige Zere-monie oder Übung, die Christus eingesetzt hat, darinsich seine Christen sammeln, üben und einträchtighalten sollen; welche er doch nicht wie andere Zere-monien hat ein bloßes Werk sein lassen, sonderneinen reichen, überschwenglichen Schatz darein ge-legt, allen denen zu reichen und zuzueignen, die daranglauben. Diese Predigt soll dazu reizen, den Sündernihre Sünden leid zu machen und die Begierde nachdem Schatz anzuzünden. Darum muß es (für die) eine

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schwere Sünde sein, die das Evangelium nicht hörenund solchen Schatz und reiches Mahl, dazu sie gela-den werden, verachten. Viel größere Sünde aber istes, das Evangelium nicht predigen und so viel Volks,die das gerne hörten, verderben lassen, obwohl dochChristus so streng geboten hat, das Evangelium unddies Testament zu predigen, daß er auch die Messenicht gehalten haben will, es sei denn, daß dasEvangelium gepredigt werde, wie er sagt: »Sooft ihrdas tut, so gedenket mein dabei.« Das ist, wie Paulus1. Kor. 11, 26 sagt: »Ihr sollt von seinem Tod predi-gen.« Deshalb ist es schrecklich und greulich, zu un-seren Zeiten Bischof, Pfarrer und Prediger zu sein.Denn niemand kennet mehr dies Testament, geschwei-ge, daß sie es predigen sollten, welches doch ihrehöchste und einzige Pflicht und Schuld ist. Wieschwer werden sie für so viele Seelen Rechenschaftgeben, die um des Fehlens solchen Predigens halberverderben müssen!

Zum vierten: Man soll beten, nicht, wie es die Ge-wohnheit ist, viele Blätter (des Gebetbuchs) oderKörnlein (des Rosenkranzes) zählen, sondern sich et-liche anliegende Not vornehmen, dieselbe mit ganzemErnst begehren und darin den Glauben und die Zuver-sicht zu Gott so üben, daß wir nicht daran zweifeln,wir würden erhöret. So lehret Sankt Bernhard seineBrüder und sagt:21 »Liebe Brüder, ihr sollet euer

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Gebet ja nicht verachten, als sei es umsonst; denn ichsage euch fürwahr, daß ehe ihr die Worte vollbringt,so ist das Gebet schon im Himmel angeschrieben. Ihrsollet dessen eines gewiß von Gott erwarten: daß euerGebet erfüllet werden wird, oder so es nicht erfülletwird, daß es euch nicht gut und nützlich wäre, es zuerfüllen.« So ist das Gebet eine besondere Übung desGlaubens, der da das Gebet bestimmt so wohlgefälligmacht, daß es entweder sicher erfüllet wird oder daßein Besseres als wir bitten dafür gegeben wird. Sosagt auch Jak. 1, 6 f.: »Wer da Gott bittet, der sollnicht zweifeln im Glauben, denn so er zweifelt, sodenke er nicht, daß er etwas von Gott erlange.« Dasist ja ein klarer Spruch, der stracks zu- und absagt:Wer nicht vertrauet, der erlangt nichts, weder das,was er bittet, noch ein Besseres.

Solchen Glauben zu erwecken, hat auch Christus(Mark. 11, 24) selbst gesagt: »Ich sage euch, alles,das ihr bittet, glaubt nur, daß ihrs empfangen werdet,so geschiehts gewiß«; und Lukas 11, 9 f.: »Bittet, sowird euch gegeben; suchet, so findet ihr; klopfet an,so wird euch aufgetan. Denn wer da bittet, der emp-fängt; wer da sucht, der findet; wer da anklopft, demwird aufgetan. Welcher Vater unter euch gibt seinemSohn einen Stein, so er ihn um Brot bittet? Oder eineSchlange, so er um einen Fisch bittet? Oder einenSkorpion, so er um ein Ei bittet? So ihr aber wisset,

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wie ihr euren Kindern gute Gaben geben sollt undselbst nicht gut seid von Natur, wieviel mehr wirdeuer himmlischer Vater einen guten Geist allen geben,die ihn bitten!«

Zum fünften: Wer ist so hart und steinern, den sol-che mächtigen Worte nicht bewegen sollten, mit allerZuversicht, fröhlich und gerne zu beten? Aber wievie-le Gebete müßte man reformieren, wo man diesenWorten nach recht beten sollte! Es sind jetzt wohl alleKirchen und Klöster voll Betens und Singens; wiegeht es aber zu, daß wenig Besserung und Nutzendavon kommt und es täglich ärger wird? Es ist keineandere Ursache, als die Jak. 4, 3 anzeigt, der sagt:»Ihr bittet viel und euch wird nichts, darum daß ihrnicht recht bittet.« Denn wo dieser Glaube und Zuver-sicht im Gebet nicht ist, da ist das Gebet tot undnichts mehr als eine schwere Mühe und Arbeit. Wennfür die etwas gegeben wird, ists doch nichts anderesals zeitlicher Nutzen ohne alle Güter und Hilfe für dieSeelen, ja zu großem Schaden und Verblendung derSeelen. In der gehen sie hin und plappern viel mitdem Mund, ungeachtet, ob sie es erlangen oder begeh-ren oder darauf trauen, und bleiben in solchem Un-glauben verstockt, als in der ärgsten Gewohnheitwider die Übung des Glaubens und die Natur des Ge-betes.

Daraus folgt, daß ein rechter Beter nimmer daranDigitale Bibliothek Band 63: Martin Luther

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zweifelt, sein Gebet sei gewiß angenehm und erhöret,obgleich ihm auch nicht eben dasselbe gegebenwerde, um das er bittet. Denn man soll Gott die Notim Gebet vorlegen, doch ihm nicht ein Maß, Weise,Ziel oder Stätte setzen, sondern es ihm anheimgeben,ob er es besser oder anders geben wolle als wir den-ken; denn wir wissen oft nicht, was wir bitten. (Dasist) wie Paulus Röm. 8, 26 schreibt, und wie er Eph.3, 20 sagt: »Und Gott wirkt und gibt höher als wirbegreifen.« So sei kein Zweifel des Gebetes halber,daß es angenehm und erhöret sei und wir doch Gottdie Zeit, Stätte, Maß und Ziel freilassen, er werde esgut machen, wie es sein soll. Das sind die rechten An-beter, die ihn in dem Geist und der Wahrheit anbeten.Denn welche nicht glauben, daß sie erhöret werden,die sündigen auf der linken Seite wider dieses Gebotund treten zu weit davon weg mit dem Unglauben.Die ihm aber ein Ziel setzen, die sündigen auf derrechten Seite und treten zu nahe hinzu mit VersuchenGottes. So hat er es beides verboten, daß man nichtvon seinem Gebot weiche, weder zur linken noch zurrechten Hand, das ist, weder mit Unglauben noch mitVersuchen, sondern mit einfältigem Glauben auf derrichtigen Straße bleibe, ihm vertraue und ihm dochkeine Ziel setze.

Zum sechsten: So sehen wir, daß dieses Gebotgleich wie das zweite nichts anderes sein soll als eine

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Übung und Einprägen des ersten Gebotes, das ist desGlaubens, des Vertrauens, der Zuversicht, Hoffnungund Liebe zu Gott, auf daß das erste Gebot in allenGeboten der Hauptmann und der Glaube das Haupt-werk und Leben aller anderen Werke sei, ohne wel-chen sie (wie gesagt) nicht gut sein können. Wenn duaber sagst: Wie, wenn ich nicht glauben kann, daßmein Gebet erhöret und angenehm sei? Antwort: Ebendeshalb ist der Glaube, Beten und alle anderen gutenWerke geboten, daß du erkennen sollst, was dukannst und nicht kannst. Und wo du findest, daß dunicht so glauben und tun kannst: beklage dich demü-tig darüber vor Gott und hebe so mit einem schwa-chen Funken des Glaubens an, um denselben täglichmehr durch seine Übung in allem Leben und Wirkenzu stärken. Denn es ist niemand auf Erden, der an Ge-brechen des Glaubens (das ist des ersten und höchstenGebotes) nicht ein großes Stück habe. Denn auch dieheiligen Apostel im Evangelium und vornehmlich Pe-trus waren schwach im Glauben, daß sie auch Chri-stus baten und sagten (Luk. 17, 5): »Herr, mehre unsden Glauben«, und er sie gar oft tadelt, daß sie einengeringen Glauben hätten. Darum sollst du nicht verza-gen, nicht Hände und Füße gehen lassen,22 wenn dufindest, daß du in deinem Gebet oder anderen Werkennicht so stark glaubest, wie du wohl solltest und woll-test. Ja, du sollst Gott aus Herzensgrund danken, daß

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er dir deine Schwachheit so offenbaret, durch welcheer dich lehret und vermahnet, wie es dir not sei, dichim Glauben zu üben und täglich zu stärken. Dennwieviele siehest du, die da hingehen, beten, singen,lesen, wirken und scheinen, wie sie große Heiligewären, die doch nimmermehr dahin kommen, daß sieerkennen, wie es um das Hauptwerk, den Glauben,bei ihnen beschaffen sei. Damit verführen sie verblen-det sich und andere Leute, meinen, sie seien gar wohldran, bauen also heimlich auf den Sand ihrer Werkeohne allen Glauben, nicht auf Gottes Gnade und Zu-sagung durch einen reinen, festen Glauben. Drumhaben wir, dieweil wir leben, es sei wie lange eswolle, alle Hände voll zu tun, daß wir mit allen Wer-ken und Leiden des ersten Gebotes und des GlaubensSchüler bleiben und nicht aufhören zu lernen. Nie-mand weiß, wie groß es ist, Gott allein zu trauen, alswer es anfängt und mit Werken versucht.

Zum siebenten: Nun siehe abermals: wenn kein an-deres gutes Werk geboten wäre, wäre nicht das Betenallein genug, das ganze Leben des Menschen imGlauben zu üben? Zu diesem Werk sind denn geistli-che Stände besonders verordnet, wie denn etlicheVäter vor Zeiten Tag und Nacht beteten. Ja, es istfreilich kein Christenmensch, der nicht ohne Unterlaßzu beten Zeit habe. Ich meine (damit) aber das geistli-che Beten, das ist: niemand wird durch seine Arbeit,

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wenn er will, so hart beschwert, daß er nicht in sei-nem Herzen daneben mit Gott reden kann, ihm seineoder anderer Menschen Not vorlegen, Hilfe begehren,bitten und in dem allen seinen Glauben üben und stär-ken kann. Das meint der Herr Luk. 18, 1, da er sagt:»Man muß ohne Unterlaß beten und nimmer aufhö-ren«, obwohl er doch Matth. 6, 7 viele Worte und lan-ges Gebet verbietet. Damit tadelt er die Gleißner,nicht weil das mündliche lange Gebet böse sei, son-dern weil das nicht das rechte Gebet sei, das allezeitgeschehen kann und weil es ohne des Glaubens inner-lich Bitten nichts ist. Denn das äußerliche Gebet müs-sen wir auch zu seiner Zeit üben, besonders in derMesse, wie dieses Gebot es fordert, und wo es (als Er-gänzung) zu dem innerlichen Gebet und Glauben för-derlich ist, es sei im Hause oder auf dem Feld, in die-sem oder jenem Werk, davon jetzt mehr zu sagennicht Zeit ist. Denn das gehöret in das Vaterunser,darin alle Bitten und mündliche Gebete mit kurzenWorten inbegriffen sind.

Zum achten: Wo sind sie nun, die gute Werke zuwissen und zu tun begehren? Laß sie das Beten alleinfür sich nehmen und im Glauben recht üben, so wer-den sie finden, daß es wahr sei, wie die heiligen Vätergesagt haben, daß es keine (größere) Arbeit als dasBeten gebe. Murmeln mit dem Mund ist leicht oderwird wenigstens als leicht angesehen, aber mit Ernst

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des Herzens den Worten in gründlicher Andacht, mitBegierde und Glauben Folge tun, daß man ernstlichbegehre, was die Worte enthalten, und nicht zweifle,es werde erhöret, das ist eine große Tat vor GottesAugen. Hier wehret der böse Geist mit allen Kräften.Oh, wie oft wird er hier die Lust zu beten verhindern,Zeit und Stätte nicht lassen, ja auch vielmals Zweifelmachen, ob der Mensch würdig sei, eine solche Maje-stät, wie Gott sie sei, zu bitten. (Er wird den Men-schen) so verwirren, daß der Mensch selber nichtweiß, ob es ernst sei, was er betet23 oder nicht; ob esmöglich sei, daß sein Gebet angenehm sei und dersel-ben wunderliche Gedanken viele. Denn (der böseGeist) weiß wohl, wie wehe es ihm tut, wie mächtigund allen Menschen nützlich eines Menschen rechtgläubiges Gebet ist. Darum läßt ers nicht gerne auf-kommen. Hier muß der Mensch fürwahr weise seinund nicht daran zweifeln, daß er und sein Gebet vorsolcher unermeßlichen Majestät unwürdig sei. Er darfauf keine Weise sich auf seine Würdigkeit verlassenoder es seiner Unwürdigkeit halber unterlassen; son-dern muß Gottes Gebot wahrnehmen und ihm dassel-be vorrücken,24 dem Teufel entgegentreten und sosagen: Um meiner Würdigkeit willen habe ich nichtsangefangen, um meiner Unwürdigkeit willen nichtsunterlassen; ich bitte und wirke allein deshalb, weilGott aus seiner bloßen Güte allen Unwürdigen Erhö-

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rung und Gnade zugesagt hat. Ja, (er hat sie) nicht al-lein zugesagt, sondern auch aufs strengste bei seinerewigen Ungnade und seinem Zorn zu beten, zu trauenund zu nehmen geboten. Ist es der hohen Majestätnicht zu viel gewesen, solche seine unwürdigenWürmlein so teuer und hoch zu verpflichten zu bitten,ihm zu vertrauen und von ihm zu nehmen, wie sollmirs zu viel sein,25 solches Gebot mit aller Freudeaufzunehmen, wie würdig oder unwürdig ich auchsei? So muß man des Teufels Eingeben mit GottesGebot vertreiben. So höret er auf und sonst nimmer-mehr.

Zum neunten: Was sind aber die Sachen und Be-dürfnisse, die man dem allmächtigen Gott in demGebet vorlegen und klagen muß, um darin den Glau-ben zu üben? Antwort: Es sind zum ersten die Notund das Gedränge, die einen jeglichen selbst betref-fen. Davon sagt David Psalm 32, 7: »Du bist meineZuflucht in aller Angst, die mich umgibt; und bistmein Trost mich zu erlösen aus allem Übel, das michumringt«, ebenso Psalm 142, 2: »Ich habe gerufenmit meiner Stimme zu Gott dem Herrn. Ich habe mitmeiner Stimme Gott gebeten. Ich will ausbreiten vorseinen Augen mein Gebet und will es vor ihm aus-schütten, alles was mir anliegt.« So soll ein Christen-mensch sich in der Messe vornehmen, was er an Ge-brechen fühlet oder zu viel habe und das alles frei vor

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Gott mit Weinen und Winseln ausschütten, wie ersaufs kläglichste vermag, gleich als vor seinem treuenVater, der bereit ist, ihm zu helfen. Und weißt du odererkennst du deine Not nicht oder hast du keine An-fechtung, so sollst du wissen, daß du am allerübelstendaran bist. Denn das ist die größte Anfechtung, daßdu dich so verstockt, hartmütig, unempfindlich erfin-dest, daß dich keine Anfechtung bewegt. Es ist aberkein besserer Spiegel, darin du deine Not sehenkannst, als eben die Zehn Gebote, in welchen du fin-dest, was dir gebricht und was du suchen sollst.Darum, wo du an dir einen schwachen Glauben,wenig Hoffnung und geringe Liebe zu Gott findest,weiter daß du Gott nicht lobest und ehrest, sondern ei-gene Ehre und Ruhm lieb hast, der Menschen Gunstgroß achtest, nicht gerne Messe und Predigt hörst,faul bist zu beten – in welchen Stücken niemand ohneGebrechen ist – so sollst du diese Gebrechen höherachten als alle leiblichen Schäden an Gut, Ehre undLeib – wie sie auch ärger sind als der Tod und alletödliche Krankheit – und diese Gott mit Ernst vorle-gen, klagen und Hilfe erbitten, mit aller Zuversichtderselben warten, daß du erhöret seiest und die Hilfeund Gnade erlangen werdest. Gehe dann weiter in diezweite Tafel der Gebote und siehe, wie ungehorsamdu gewesen bist und noch seiest gegen Vater undMutter und alle Obrigkeit, wie du mit Zorn und Haß,

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Scheltwort dich gegen deinen Nächsten vergehst, wiedich Unkeuschheit, Geiz und Unrecht in Tat und Wortgegen deinen Nächsten anficht, so wirst du ohneZweifel finden, daß du aller Not und Elend voll bistund Ursache genug habest, auch Blutstropfen zu wei-nen, so du könntest.

Zum zehnten: Ich weiß aber wohl, daß ihrer vieleso töricht sind, daß sie solche Dinge nicht erbittenwollen, sie finden sich denn vorher rein und sind derMeinung, Gott höre jemand nicht, der in Sünden liegt.Das machen alles falsche Prediger, die nicht mit demGlauben oder Vertrauen auf Gottes Huld, sondern miteigenen Werken anzuheben lehren. Siehe, du elenderMensch: wenn dir ein Bein gebrochen ist oder dicheine Gefahr des leiblichen Todes überfällt, so rufst duGott, diesen und jenen Heiligen an und wartest nichtso lange, bis dir das Bein gesund wird oder die Ge-fahr aus sei, und bist nicht so närrisch, daß du den-kest, Gott erhöre niemand, dem das Bein gebrochenist oder der in tödlicher Gefahr ist. Ja, du meinst, Gottsoll dann am allermeisten erhören, wenn du in dergroßen Not und Angst bist. Ei, warum bist du dennhier so närrisch, wo unermeßlich größere Not undewiger Schaden ist und willst nicht eher um Glauben,Hoffnung, Liebe, Demut, Gehorsam, Keuschheit,Sanftmut, Frieden, Gerechtigkeit bitten, du seiestdenn vorher ohne allen Unglauben, Zweifel, Hoffart,

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Ungehorsam, Unkeuschheit, Zorn, Geiz und Unge-rechtigkeit, obwohl du doch desto mehr und fleißigerbeten und schreien solltest, je mehr du dich in diesenStücken gebrechlich erfindest! So blind sind wir. Mitleiblicher Krankheit und Not laufen wir zu Gott; mitder Seelen Krankheit laufen wir von ihm weg undwollen nicht wieder kommen, wir seien denn vorhergesund, geradeso, als möchte irgendein anderer Gottsein, der dem Leib, und ein anderer, der dem Geisthelfen könnte, oder als wenn wir uns in geistlicherNot, die doch größer als die leibliche ist, selber helfenwollten. Das ist ein teuflischer Rat und Vornehmen.Nicht so, lieber Mensch! Willst du von Sünden ge-sund werden, darfst du dich nicht Gott entziehen, son-dern mußt viel getroster zu ihm laufen und ihn bitten,als wenn dich eine leibliche Not überfallen hätte. Gottist den Sündern nicht feind, sondern allein den Un-gläubigen, das ist denen, die ihre Sünden nicht erken-nen, klagen, noch Hilfe dagegen bei Gott suchen, son-dern sich durch ihre eigene Vermessenheit selberzuvor reinigen, seiner Gnade nicht bedürfen und ihnnicht einen Gott sein lassen wollen, der jedermanngibt und nichts dafür nimmt.

Zum elften: Das ist alles von dem Gebet um eige-nen Bedürfnisses willen26 und insgemein gesagt.Aber das Gebet, das zu diesem Gebot eigentlich ge-höret und ein Werk des Feiertages heißt, ist viel bes-

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ser und größer. Das soll für die Sammlung der ganzenChristenheit geschehen, für alle Not aller Menschen,Feind und Freund,27 und besonders für die Not, diein eines jeglichen Pfarrei oder Bistum ist. So befahlPaulus 1. Tim. 2, 1 ff. seinem Jünger Timotheus: »Ichvermahne dich, daß du dafür sorgest, daß man bitteund flehe für alle Menschen, für die Könige und alleObrigkeit, auf daß wir ein stilles, ruhiges Leben füh-ren mögen in Gottes Dienst und Reinheit. Denn dasist gut und angenehm vor Gott, unserm Seligmacher.«Desgleichen gebot Jeremias (29, 7) dem Volke Israel,sie sollten Gott für die Stadt und Land Babylon bit-ten, deshalb weil der Stadt Friede auch ihr Friedewäre, und Baruch 1, 11: »Bittet für das Leben desKönigs zu Babylon und für das Leben seines Sohnes,auf daß wir mit Frieden unter ihrem Regiment leben.«

Dieses gemeinsame Gebet ist köstlich und das al-lerkräftigste, um dessentwillen wir auch zusammen-kommen. Davon heißt auch die Kirche ein Bethaus,da wir allda zusammen einträchtig unser und allerMenschen Not vornehmen sollen, dieselbe Gott vor-tragen und um Gnade anrufen. Das muß aber mitherzlicher Bewegung und Ernst geschehen, daß unssolche Nöte aller Menschen zu Herzen gehen, und wirso mit wahrhaftigem Mitleiden über sie in rechtemGlauben und Vertrauen bitten. Und wo solches Gebetin der Messe nicht geschieht, so wäre es besser, die

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Messe zu unterlassen. Denn wie steht und reimetsichs, daß wir leiblich zusammen in ein Bethaus kom-men, womit angezeigt wird, wir sollen für die ganzeGemeinde insgemein rufen und bitten, obwohl wir dieGebete verstreuen und so teilen, daß ein jeglicher nurfür sich selbst bittet und niemand sich des anderen an-nimmt, noch sich um jemandes (anderen) Notdurft be-kümmert? Wie kann das Gebet nützlich, gut, ange-nehm und gemeinsam oder ein Werk des Feiertagsund der Versammlung heißen? Wie handeln die, dieihre eigenen Gebetlein halten, der für dieses, dieserfür das, und nichts haben als eigennützige, eigensüch-tige Gebete, denen Gott feind ist?

Zum zwölften: Auf dieses gemeinsame Gebet istnoch von alter Gewohnheit her ein Hinweis geblie-ben, wenn man am Ende der Predigt die Beichte er-zählet und für alle Christenheit auf der Kanzel bittet.Aber es sollte damit nicht ausgerichtet sein, wie esjetzt Brauch und Weise ist, sondern man sollte es eineMahnung sein lassen, die ganze Messe hindurch fürsolche Notdurft zu bitten. Dazu fordert uns der Predi-ger auf, daß wir würdig bitten, nachdem er uns unse-rer Sünde wegen zuvor ermahnet und dadurch gede-mütiget hat, was aufs kürzeste geschehen soll: daß da-nach das Volk im Haufen sämtlich Gott seine Sündeselbst klage und für jedermann mit Ernst und Glaubenbitte. Oh, wenn Gott wollte, daß irgendein Haufe die-

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ser Weise nach Messe hörte und betete, daß allgemeinein ernstes Herzensgeschrei des ganzen Volkes zuGott aufginge, welche unermeßliche Tugend und Hilfesollte aus diesem Gebet folgen! Was könnte allenbösen Geistern Schrecklicheres begegnen? Was fürein größeres Werk könnte auf Erden geschehen? Da-durch würden so viele Fromme erhalten, so viele Sün-der bekehret! Denn die christliche Kirche auf Erdenhat fürwahr keine größere Macht noch Werke alssolch gemeinsames Gebet wider alles, was ihr zusto-ßen kann. Das weiß der böse Geist wohl, darum tut erauch alles, was er kann, dieses Gebet zu verhindern.Da lässet er uns hübsche Kirchen bauen, viel stiften,pfeifen, lesen und singen, viel Messe halten und desGepränges ohne alles Maß treiben. Davor ist ihmnicht bange;28 ja er hilft dazu, daß wir solch Wesenfür das beste achten und uns dünken, wir habensdamit gut ausgerichtet. Aber daß dies gemeinsame,starke, fruchtbare Gebet daneben untergeht und durchsolches Gleißen unmerklich unterbleibt, da hat er,was er sucht. Denn wo das Gebet darniederliegt, wirdihm niemand etwas nehmen, auch niemand widerste-hen. Wo er aber gewahr würde, daß wir dieses Gebetüben wollten, wenn es gleich unter einem Strohdachoder im Schweinestall wäre, würde er es fürwahrnicht gehen lassen, sondern sich weit mehr vor diesemSchweinestall als vor allen hohen, großen, schönen

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Kirchen, Türmen, Glocken fürchten, die irgend seinmögen, wo solch Gebet nicht drinnen wäre. Es liegtfürwahr nicht an Stätten noch Gebäuden, wo wir zu-sammenkommen, sondern allein an diesem unüber-windlichen Gebet, daß wir dasselbe recht zusammentun und vor Gott kommen lassen.

Zum dreizehnten: Dieses Gebetes Vermögen mer-ken wir daran, daß vor Zeiten Abraham für die fünfStädte, Sodom, Gomorra usw. bat und es so weitbrachte, daß Gott sie nicht vertilgt hätte, wo zehnfromme Menschen drinnen gewesen wären, zwei ineiner jeden. Was wollten sie dann tun, wo viele untereinem Haufen herzlich und mit ernstem VertrauenGott anriefen? Auch sagt Jak. 5, 16 f.: »Liebe Brüder,bittet füreinander, daß ihr selig werdet. Denn einesfrommen Menschen Gebet vermag gar viel, das da an-hält oder nicht ablässet« (das ist, das nicht aufhöret,fort und fort zu bitten), auch wenn ihm nicht gleichgeschehe, was er bittet, wie etliche Weichmütige tun.Und als Exempel dafür nimmt er Elias, den Prophe-ten. Der war ein Mensch, sagt er 5, 17, »wie wir sind,und bat, daß es nicht regnen sollte, und es regnetenicht in drei Jahren und sechs Monaten. Wiederumbetete er, und es hat geregnet und ist alles fruchtbargeworden«. Der Sprüche und Exempel, die uns zubeten antreiben, sind gar viele in der Schrift, doch so,daß es mit Ernst und Glauben geschehe. Wie David

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Ps. 33, 18 sagt: »Gottes Augen sehen auf die From-men und seine Ohren hören auf ihre Gebete«, ebensoPs. 145, 18: »Gott ist nahe bei denen, die ihn anrufen,sofern sie ihn in der Wahrheit anrufen.« Warum setzter dazu: »in der Wahrheit anrufen?« Nämlich weil dasnicht gebetet noch angerufen heißt, wo der Mund al-lein murmelt. Was sollte Gott tun, wenn du so mitdeinem Maul, Buch oder Paternoster daherkommst,daß du an nichts mehr denkest, als wie du die Wortevollendest und die Zahl erfüllst, so daß, wenn dich je-mand fragt, was die Sache wäre, darum du bittest,oder was du vorgenommen hättest, du es selbst nichtwissen wirst. Denn du hast dich nicht darauf bedacht,dies oder das Gott vorzulegen oder von ihm zu begeh-ren. Deine einzige Ursache zu beten ist die, daß dirdas und so viel zu beten auferlegt ist, das willst duhalten und vollbringen. Was ists Wunder, daß Blitzund Donner oft Kirchen anzünden, dieweil wir so ausdem Bethaus ein Spotthaus machen und das gebetetnennen, darin wir nichts vorbringen noch begehren.Wir sollten aber so tun wie die, welche etwas vongroßen Fürsten erbitten wollen. Die nehmen sich nichtvor, bloß eine Menge Worte zu schwätzen. Der Fürstwürde sich sonst dünken lassen, sie spotteten seinoder wären unsinnig. Sondern sie fassens auf die ge-eignetste Weise und legen ihre Not mit Fleiß dar, stel-lens jedoch mit guter Zuversicht seiner Gnade an-

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heim, es werde erhöret. So müssen wir mit Gottwegen gewisser Sachen handeln: etliche vorliegendeNot mit Namen nennen, seiner Gnade und gutem Wil-len anheimgeben und nicht zweifeln, es sei erhöret.Denn er hat solchen Bitten Erhörung zugesagt, wasein irdischer Herr nicht getan hat.

Zum vierzehnten: Diese Weise zu beten können wirmeisterlich, wenn wir leiblich Not leiden, wenn wirkrank sind: da ruft man Sankt Christoph an, da SanktBarbara, da gelobt man sich Sankt Jakob, hier unddahin, da ist ernstes Gebet, gute Zuversicht und allegute Art des Gebetes. Aber wenn wir in der Kirchezur Messe sind, da stehen wir wie die Ölgötzen, wis-sen nichts aufzubringen noch zu klagen, da klapperndie Steine, rauschen die Blätter29 und das Maul plap-pert. Da wird nichts mehr daraus.

Fragst du aber, was du in dem Gebet vorbringenund klagen sollst, so bist du aus den Zehn Gebotenund dem Vaterunser leicht belehrt. Tu die Augen aufund sieh dein und aller Christenheit Leben, besondersden geistlichen Stand, so wirst du finden, wie Glaube,Hoffnung, Liebe, Gehorsam, Keuschheit und alle Tu-gend darniederliegen, allerlei grausame Laster regie-ren, wie es an guten Predigern und Prälaten gebricht,wie eitel Buben, Kinder, Narren und Weiber regieren.Da wirst du finden, daß es nötig wäre, solchen grau-samen Zorn Gottes in aller Welt mit eitel Blutstränen

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alle Stund ohn Unterlaß abzubitten. Und es ist jawahr, daß noch nie größere Not gewesen ist zu beten,als zu dieser Zeit und hinfort mehr bis ans Ende derWelt.

Bewegen dich solche grausamen Gebrechen nichtzu Jammer und Klage, so laß dich durch deinenStand, Orden, gute Werke oder Gebet nicht verführen:es wird keine christliche Ader noch Art an dir sein, duseiest wie fromm du magst. Es ist aber alles (zuvor)verkündet, daß zu der Zeit, wenn Gott am höchstenzürnen und die Christenheit am meisten Not leidenwürde, daß dann nicht Fürbitter und Fürsprecher beiGott erfunden werden sollen, wie Jesaja weinend sagt(64, 7): »Du bist erzürnt über uns und ist leider nie-mand, der aufstehe und halte dich.« Ebenso sagt He-sekiel (22, 30 f.): »Ich habe gesucht unter ihnen, obnicht jemand wäre, der doch einen Zaun zwischen unsmachte und stünde gegen mich und wehrete mir. Ichhabe ihn aber nicht gefunden. Darum habe ich meinenZorn über sie gehen lassen und habe sie in der Hitzedes Grimmes verschlungen.« Mit den Worten zeigtGott an, wie er will, daß wir ihm widerstehen und für-einander seinem Zorne wehren sollen, wie vom Pro-pheten Mose30 oft geschrieben steht, daß er Gott ab-hielt, daß sein Zorn nicht das Volk von Israel über-schüttete.

Zum fünfzehnten: Wo wollen aber die bleiben, dieDigitale Bibliothek Band 63: Martin Luther

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nicht allein solch Unglück der Christenheit nicht ach-ten und nicht Fürbitte dagegen tun, sondern darüberlachen, ein Wohlgefallen daran haben, ihres NächstenSünden richten, afterreden, davon singen und sagenund dürfen dennoch unerschrocken und unverschämtin die Kirche gehen, Messe hören, Gebete sprechenund sich für fromme Christen halten und halten las-sen? Die bedürfen wohl, daß man zwiefach für sie bit-tet, wo man einfach für die bittet, welche von ihnengerichtet, beredet und belacht werden. Diese sind alszukünftige Erscheinung auch durch den linken Schä-cher vorhergesagt, der Christus in seinem Leiden, Ge-brechen und Not lästerte und durch alle die, die Chri-stus am Kreuz schmähten, da sie ihm am meisten ge-holfen haben sollten.

O Gott, wie blind, ja unsinnig sind wir Christengeworden! Wann will des Zornes ein Ende sein,himmlischer Vater, daß wir der Christenheit Unglück,dafür zu bitten wir in der Kirche und in der Messeversammelt werden, spotten, lästern und richten? Dasmacht unsere tolle Sinnlichkeit. Wenn der TürkeStädte, Land und Leute verdirbt, Kirchen verwüstet,so meinen wir, der Christenheit sei großer Schadengeschehen. Da klagen wir und bewegen Könige undFürsten zum Streit. Aber daß der Glaube untergeht,die Liebe erkaltet, Gottes Wort zurücksteht, allerleiSünde überhandnimmt, da gedenkt niemand des Strei-

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tens. Ja, Päpste, Bischöfe, Priester, Geistliche, die indiesem geistlichen Streite wider diese Geistlichen, dieviel ärger als Türken sind, Herzöge, Hauptleute undFähnriche sein sollten, die sind eben selbst solcherTürken und teuflischen Heeres Fürsten und Anführer,wie Judas der Juden Anführer war, als sie Christusfingen. Es mußte ein Apostel, ein Bischof, ein Prie-ster, der Besten einer sein, der Christus umzubringenanfing. Ebenso muß die Christenheit auch nicht an-ders als von denen, die sie beschirmen sollten, verstö-ret werden. Und sie bleiben doch so wahnsinnig, daßsie dennoch den Türken fressen wollen. So zünden siedas Haus und den Schafstall daheim selbst an und las-sen ihn mit den Schafen und allem was darinnen istbrennen und trachten nichtsdestoweniger dem Wolf inden Büschen nach. Das ist die Zeit, das ist der Lohn,den wir durch Undankbarkeit gegen die unendlicheGnade verdient haben, die uns Christus umsonst er-worben hat mit seinem teuren Blut, schwerer Müheund bitterem Tod.

Zum sechzehnten: Siehe da, wo sind die Müßigen,die nicht wissen, wie sie gute Werke tun sollen? Wosind die, die nach Rom, zu Sankt Jakob, hierhin unddahin laufen? Nimm dieses einzige Werk der Messevor dich. Siehe deines Nächsten Sünde und Fall an,erbarme dich seiner, laß dichs jammern, klage es Gottund bitte dafür. Dasselbe tue für alle andere Not der

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Christenheit, besonders der Obrigkeit, die Gott unsallen zur unerträglichen Strafe und Plage so greulichfallen und verführet werden läßt.

Tust du das mit Fleiß, so sei gewiß, du bist der be-sten Streiter und Herzöge einer, nicht allein gegen dieTürken, sondern auch gegen die Teufel und höllischenGewalten. Tust du es aber nicht, was hülfe es dir, daßdu alle Wunderzeichen aller Heiligen tätest und alleTürken erwürgtest und doch schuldig erfunden wür-dest als einer, der seines Nächsten Notdurft nicht ge-achtet und dadurch wider die Liebe gesündigt hätte.Denn Christus wird am Jüngsten Tag nicht fragen,wieviel du für dich gebetet, gefastet, gewallfahrtet,dies oder das getan hast, sondern wieviel du den an-deren, den Allergeringsten, wohlgetan hast.

Nun sind unter den Geringsten ohne Zweifel auchdie, die in Sünden und geistlicher Armut, Gefängnisund Notdurft sind, derer jetzt gar weit mehr sind, alsdie leibliche Not leiden. Darum sieh dich vor. Unsereeigenen angenommenen guten Werke führen uns aufund in uns selbst, daß wir allein unseren Nutzen undSeligkeit suchen. Aber Gottes Gebote drängen uns zuunserem Nächsten, daß wir dadurch nur anderen zuihrer Seligkeit nützlich seien, gleichwie Christus amKreuz nicht für sich selbst allein, sondern mehr füruns bat, da er (Luk. 23, 34) sprach: »Vater vergibihnen, denn sie wissen nicht, was sie tun.« So müssen

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wir auch füreinander bitten. Daraus kann ein jeder-mann erkennen, wie die Afterredner, frevelhaftenRichter und Verächter anderer Leute ein verkehrtes,böses Volk sind, die nicht mehr tun als allein dieschmähen, für die sie bitten sollten. In diesem Lastersteckt niemand so tief als eben die, welche viel eigenegute Werke tun und um ihres schönen, (hervorragend)scheinenden Wesens willen in mancherlei guten Wer-ken als etwas Besonderes von den Menschen glänzenund geachtet werden.

Zum siebzehnten: Dieses Gebot hat nach geistli-chem Verstand noch ein viel höheres Werk, welchesdie ganze Natur des Menschen in sich begreift. Hiermuß man wissen, daß »Sabbat« auf hebräisch »Feier«oder »Ruhe« heißt, deshalb weil Gott am siebentenTage ruhte und von allen seinen Werken aufhörte, dieer geschaffen hatte (1. Mose 2, 3). Darum gebot erauch, daß man am siebenten Tag feiern und mit unse-ren Werken aufhören solle, die wir in den sechsTagen wirken. Und dieser Sabbat ist uns nun in denSonntag verwandelt und die andern Tage heißenWerktage; der Sonntag heißt Ruhetag oder Feiertagoder heiliger Tag. Wollte Gott, daß in der Christen-heit kein Feiertag wäre als der Sonntag, daß man un-serer Frau (Maria) und der Heiligen Feste alle auf denSonntag legte! Dann unterblieben durch die Arbeitder Werktage viel böse Untugenden, würden auch die

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Länder nicht so arm und ausgezehrt. Aber nun sindwir mit vielen Feiertagen geplagt, zum Verderben derSeelen, Leiber und Güter, davon viel zu sagen wäre.Diese Ruhe oder Aufhören mit den Werken ist zwei-erlei, leiblich und geistlich. Darum wird dieses Gebotauch auf zweierlei Weise verstanden. Die leiblicheFeier oder Ruhe ist die, davon oben gesagt ist, daßwir unser Handwerk und Arbeit anstehen lassen, aufdaß wir uns zur Kirche sammeln, die Messe sehen,Gottes Wort hören und insgemein einträchtig beten.Diese Ruhe ist leiblich und hinfürder von Gott in derChristenheit nicht geboten, wie der Apostel (Kol. 2,16) sagt: »Laßt euch von niemand verpflichten zu ir-gendeinem Feiertage, denn diese sind der Schattenvom Zukünftigen.« Nun aber ist die Wahrheit erfüllet,daß auch alle Tage Feiertage sind, wie Jesaja 66, 23sagt: »Es wird ein Feiertag am anderen sein«; umge-kehrt sind auch alle Tage Werktage. Doch ist es nötig(Feiertage zu haben) und von der Christenheit verord-net um der unvollkommenen Laien und Arbeitsleutewillen, daß die auch zum Wort Gottes kommen kön-nen. Denn die Priester und Geistlichen halten, wie wirsehen, alle Tage Messe, beten alle Stunde und übensich in dem Wort Gottes mit Studieren, Lesen undHören. Darum sind sie auch vor anderen von der Ar-beit befreit, mit Zinsen versorgt und haben alle TageFeiertag, tun auch alle Tage die Werke des Feiertags

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und ist ihnen keiner Werktag, sondern einer wie derandere. Und wenn wir alle vollkommen wären unddas Evangelium könnten, könnten wir alle Tage wir-ken, so wir wollten, oder feiern, so wir könnten. Dennfeiern ist jetzt nicht nötig noch geboten als allein, umdas Wort Gottes zu lernen und zu beten.

Zum achtzehnten:31 Die geistliche Feier, die Gottin diesem Gebet vornehmlich meinet, ist, daß wirnicht allein die Arbeit und das Handwerk anstehenlassen, sondern vielmehr, daß wir allein Gott in unswirken lassen und wir nichts Eigenes in allen unserenKräften wirken. Wie geht das aber zu? Das geht sozu: Der Mensch, durch die Sünde verderbt, hat vielböse Liebe und Neigung zu allen Sünden. (Es ist so)wie die Schrift sagt (1. Mose 8, 21): »Des MenschenHerz und Sinne stehen allezeit nach dem Bösen«, dasist Hoffart, Ungehorsam, Zorn, Haß, Geiz, Unkeusch-heit usw., und Summa Summarum: in allem, was ertut und läßt, suchet er mehr seinen Nutzen, Willenund Ehre als Gottes und seines Nächsten. Darum sindalle seine Werke, alle seine Worte, alle seine Gedan-ken, all sein Leben böse und nicht göttlich. Soll nunGott in ihm wirken und leben, so müssen alle dieseLaster und Bosheiten erwürgt und ausgerottet werden,daß hier eine Ruhe und Aufhören aller unserer Werke,Worte, Gedanken und unseres Lebens geschehe, daßhinfort, wie Paulus Gal. 2, 20 sagt, nicht wir, sondern

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Christus in uns lebe, wirke und rede. Das geschiehtnun nicht mit süßen, guten Tagen, sondern hier mußman der Natur wehtun und wehtun lassen. Hier hebtder Streit zwischen dem Geist und dem Fleisch an,hier wehret der Geist dem Zorn, der Wollust, der Hof-fart, ebenso will das Fleisch in Lust, Ehren und Ge-mächlichkeit sein. Davon sagt Paulus Gal. 5, 24:»Welche unseres Herrn Christus sind, die haben ihrFleisch gekreuzigt mit seinen Lastern und Lüsten.«Hier folgen nun die guten Werke: Fasten, Wachen,Arbeiten, davon etliche so viel sagen und schreiben,obwohl sie doch weder Anfang noch Ende derselbenwissen. Darum wollen wir nun auch davon reden.

Zum neunzehnten: Die Feier – daß unsere Werkeaufhören und Gott allein in uns wirke – wird aufzweierlei Weise vollbracht, zum ersten durch unsereeigene Übung, zum anderen durch anderer und fremdeÜbungen oder Antreiben. Unsere eigene Übung sollso geschehen und beschaffen sein, daß, wo wir zumersten unser Fleisch, Sinne, Willen, Gedanken hin-drängen sehen, daß wir dem widerstehen und nichtfolgen, wie der weise Mann Jesus Sir. 18, 30 sagt:»Folge nicht deinen Begierden« und 5. Mose 12, 8:»Du sollst nicht tun, was dich recht dünkt.« Hier mußder Mensch die Gebete in täglicher Übung haben, dieDavid Ps. 119, 35. 37 betet: »Herr, führe mich aufdeinem Wege und laß mich nicht meine Wege gehen«

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und dergleichen viel, welche alle in dem Gebet inbe-griffen sind: »Dein Reich komme.« Denn der Begier-den sind so viele, so mancherlei, (sie sind) dazu bis-weilen durch Eingebung des Bösen so behend, subtilund von guter Gestalt, daß es einem Menschen nichtmöglich ist, sich auf seinem Weg selbst zu regieren.Er muß Hände und Füße gehen lassen, sich GottesRegiment befehlen, seiner Vernunft nichts trauen, wieJeremia 10, 23 sagt: »Herr, ich weiß, daß des Men-schen Wege nicht in seiner Gewalt sind.« Das ist be-zeuget, als die Kinder von Israel aus Ägypten durchdie Wüstenei gingen, da kein Weg, keine Speise, keinTrank, keine Zuflucht war. Darum ging Gott ihnenvoran, am Tag mit einer lichten Wolke, in der Nachtmit einer feurigen Säule, speiste sie vom Himmel mitHimmelsbrot, erhielt ihre Kleider und Schuhe, daß sienicht zerrissen, wie wir in den Büchern Mose lesen.Darum bitten wir: »Dein Reich komme«, daß du unsregierst und nicht wir selbst; denn nichts Gefährliche-res ist in uns als unsere Vernunft und Wille. Und diesist das höchste und erste Werk Gottes in uns und diebeste Übung, unsere Werke zu unterlassen: die Ver-nunft und den Willen außer acht, still stehenlassenund sich Gott in allen Dingen anbefehlen, besonders,wenn sie geistlich sind und gut gleißen.

Zum zwanzigsten: Dem folgen die Übungen desFleisches nach; seine grobe, böse Lust zu töten, ihnen

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Ruhe und Stillstand zu machen. Diese müssen wir mitFasten, Wachen, Arbeiten töten und stille machen.Und aus diesem Grund lernen wir, wieviel und warumwir fasten, wachen oder arbeiten sollen. Es sind leiderviele blinde Menschen, die ihr Kasteien, es sei Fasten,Wachen oder Arbeiten, allein darum üben, weil siemeinen, es seien gute Werke, daß sie damit viel ver-dienen. Darum fahren sie daher und tun deren zuwei-len so viel, daß sie ihren Leib damit verderben undihren Kopf toll machen. Noch viel blinder sind die,die das Fasten nicht allein nach der Menge oderLänge messen wie diese, sondern auch nach der Spei-se. Sie achtens dafür, es sei viel kostbarer, wenn sienicht Fleisch, Eier oder Butter essen. Über diese hin-aus sind diejenigen, die das Fasten nach den Heiligenrichten und nach den Tagen erwählen, der am Mitt-woch, der am Sonnabend, der an Sankt Barbara, deran Sankt Sebastian32 und so fort. Diese allesamt su-chen nicht mehr in dem Fasten als das Werk an sichselbst; wenn sie das getan haben, meinen sie, es seiwohlgetan. Ich will hier davon schweigen, daß etlicheso fasten, daß sie sich dennoch vollsaufen, daß etlicheso reichlich mit Fischen und anderen Speisen fasten,daß sie dem mit Fleisch, Eiern und Butter viel näher-kämen, dazu viel bessere Frucht der Fasten erhielten.Denn solches Fasten ist nicht Fasten, sondern der Fa-sten und Gott spotten. Darum laß ichs geschehen, daß

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sich ein jeglicher Tag, Speise, Menge zu fasten er-wähle, wie er will, sofern, daß er es nicht dabei blei-ben lasse, sondern auf sein Fleisch achthabe. Sovielwie dasselbe geil und mutwillig ist, lege er an Fasten,Wachen und Arbeit drauf und nicht mehr, es habe ge-boten Papst, Kirche, Bischof, Beichtiger oder wer dawill. Denn der Fasten, des Wachens, der Arbeit Maßund Regel soll ja niemand an der Speise, Menge oderTagen nehmen, sondern je nach Abgang oder Zugangder fleischlichen Lust und des Mutwillens, um derent-willen allein – sie zu töten und dämpfen – das Fasten,Wachen, Arbeiten eingesetzt ist. Wo dieselbe Lustnicht wäre, so gälte Essen soviel wie Fasten, Schlafensoviel wie Wachen, Müßig sein soviel wie Arbeitenund wäre eines so gut wie das andere, ohne allen Un-terschied.

Zum einundzwanzigsten: Wo nun jemand fände,daß von Fischen sich mehr Mutwillen in seinemFleisch erhöbe als von Eiern und Fleisch, soll erFleisch und nicht Fisch essen. Wenn es umgekehrt je-mand fände, daß ihm vom Fasten der Kopf wüst undtoll oder der Leib und Magen verderbt würden oder erdessen nicht nötig hat noch bedarf, seinen Mutwillenim Fleisch zu töten, soll er das Fasten ganz anstehenlassen und essen, schlafen, müßiggehen soviel ihmzur Gesundheit nötig ist, unangesehen, ob es widerder Kirche Gebot oder die Gesetze von Orden und

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Ständen sei. Denn kein Gebot der Kirche, kein Gesetzirgendeines Ordens kann das Fasten, Wachen, Arbei-ten höher setzen oder treiben, als soviel und soweit esdienet, das Fleisch und seine Lust zu dämpfen oder zutöten. Wo dies Ziel übergangen und das Fasten, Spei-se, Schlafen, Wachen höher getrieben wird als dasFleisch leiden kann oder zur Tötung der Lust not ist,und wo damit die Natur verderbt, der Kopf zerbro-chen wird, da bilde sich niemand ein, daß er ein gutesWerk getan habe oder entschuldige sich mit der Kir-che Gebot oder eines Ordens Gesetz. Er wird als einergeachtet werden, der sich selbst verwahrlost, und so-viel an ihm ist, ist er selber sein eigener Mörder ge-worden. Denn der Leib ist nicht darum gegeben, ihmsein natürlich Leben oder Werk zu töten, sondern al-lein seinen Mutwillen zu töten, es wäre denn, daß derMutwille so stark und groß wäre, daß ihm ohne Ver-derben und Schaden des natürlichen Lebens nichtgenug Widerstand werden möchte. Denn, wie gesagt,bei Übungen des Fastens, Wachens, Arbeitens sollman das Auge nicht auf die Werke an sich haben,nicht auf die Tage, nicht auf die Menge, nicht auf dieSpeise, sondern allein auf den übermütigen und geilenAdam, daß dem der Kitzel dadurch verwehret werde.

Zum zweiundzwanzigsten: Aus dem können wir er-messen, wie weise oder närrisch etliche Weiber han-deln, wenn sie schwanger gehen, und wie man sich in

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bezug auf die Kranken verhalten soll. Denn die När-rinnen hängen so hart am Fasten, daß sie eher dieFrucht und sich selbst in große Gefahr bringen,33 ehesie nicht das Fasten mit den anderen zugleich aufge-ben sollten. Sie machen sich da ein Gewissen, dakeins (nötig) ist, und wo es (nötig) ist, machen siesich keines. Das ist alles der Prediger Schuld, daßman von Fasten so daherschwätzt und seinen rechtenGebrauch, Maß, Frucht, Ursache und Ende nimmeranzeigt. So sollte man die Kranken alle Tage essenund trinken lassen, was sie nur wollten. Und kurzum:wo der Mutwille des Fleisches aufhört, da hat schonalle Ursache zu Fasten, Wachen, Arbeiten, dies oderdas zu essen, aufgehört und ist gar kein Gebot mehrda, das da bindet. Umgekehrt soll man sich vorsehen,daß aus dieser Freiheit nicht eine nachlässige Faulheiterwachse, den Mutwillen des Fleisches zu töten. Dennder schalkhaftige Adam ist gar listig, sich selbst Frei-heit zu suchen und (dabei) des Leibes oder HauptesVerderben vorzugeben. Wie etliche hineinplumpenund sagen, es sei nicht nötig noch geboten zu fastenoder sich zu kasteien; sie wollen dies und das ohneScheu essen, gerade als hätten sie sich lange Zeit mitFasten sehr geübt, obwohl sie es doch nie versuchthaben. Nicht weniger sollen wir uns bei denen vorÄrgernis hüten, die nicht genug verständig sind undes für große Sünde halten, so man nicht auf ihre

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Weise mit ihnen fastet und ißt. Hier soll man sie güt-lich unterrichten und sie nicht frech verachten oderihnen zum Trotz dies oder das essen, sondern die Ur-sache anzeigen, warum es so nicht recht geschehe undsie so mit Muße zu derselben Auffassung führen. Wosie aber halsstarrig sind und sich nichts sagen lassen,soll man sie fahrenlassen und tun, wie wir wissen,daß recht ist.

Zum dreiundzwanzigsten: Die andere Übung, dieuns von anderen her überfällt, ist, wenn wir von Men-schen oder Teufeln beleidigt werden, so uns das Gutgenommen, der Leib krank und die Ehre genommenwird und uns das alles zu Zorn, Haß, Ungeduld undUnruhe bewegen möchte. Denn Gottes Werk – wie esin uns regiert, nach seiner Weisheit und nicht nachunserer Vernunft, und nach seiner Reinheit undKeuschheit, nicht nach unseres Fleisches Mutwillen –denn Gottes Werk ist Weisheit und Reinheit, unserWerk ist Torheit und Unreinheit, die sollen stillste-hen. So soll es auch in uns nach seinem Frieden regie-ren und nicht unser Zorn, Ungeduld und Unfriede.Denn Friede ist auch Gottes Werk, Ungeduld ist unse-res Fleisches Werk, das soll stillstehen und tot sein,so daß wir allenthalben einen geistlichen Feiertag fei-ern, unserer Werke müßiggehen und Gott in uns wir-ken lassen. Darum, um solche unsere Werke und denAdam zu töten, schickt uns Gott viele Anstöße über

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den Hals, die uns zu Zorn bewegen, viel Leiden, diezu Ungeduld reizen, zuletzt auch den Tod undSchmach der Welt. Damit sucht er nichts anderes, alsdaß er Zorn, Ungeduld und Unfriede austreibe und zuseinem Werke, das ist zum Frieden in uns komme. Sospricht Jesaja 28, 21: »Er nimmt sich eines fremdenWerkes an, auf daß er zu seinem eigenen Werkkomme.« Was ist das? Er schickt Leiden und Unfrie-den zu, auf daß er uns lehre, Geduld und Frieden zuhaben. Er heißet sterben, auf daß er lebendig mache,so lange, bis der Mensch geprüft, so friedsam undstill werde, daß er nicht bewegt werde, es gehe ihmgut oder schlecht, er sterbe oder lebe, er werde geehrtoder geschändet. Da wohnet dann Gott selbst allein,da sind nimmer Menschenwerke. Das heißet dann denFeiertag recht gehalten und geheiligt. Da führet derMensch sich selbst nicht, da gelüstet es ihn selbstnicht, da betrübt ihn nichts, sondern Gott führet ihnselber, eitel göttliche Lust, Freude und Friede ist damit allen anderen Werken und Tugenden.

Zum vierundzwanzigsten: Diese Werke achtet er sogroß, daß er den Feiertag nicht allein zu halten, son-dern auch zu heiligen oder heilig zu achten gebietet,womit er anzeigt, daß kein köstlicher Ding sei alsLeiden, Sterben und allerlei Unglück. Denn sie sindein Heiligtum und heiligen den Menschen von seinenWerken zu Gottes Werken, gleichwie eine Kirche von

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natürlichen Werken zu Gottes Dienst geweiht wird.Darum soll er sie auch als Heiligtum erkennen, frohwerden und Gott danken, so sie ihm kommen. Dennwenn sie kommen, so machen sie ihn heilig, daß erdies Gebot erfüllet und selig wird, erlöst von seinensündlichen Werken. So spricht David Ps. 116, 15:»Der Tod seiner Heiligen ist ein köstlich Ding vorseinen Augen.« Und auf daß er uns dazu stärkt, hat ernicht allein solche Ruhe34 geboten – denn die Naturstirbt und leidet gar ungern und es ist (für sie) ein bit-terer Ruhetag, ihrer Werke müßig und tot zu sein –sondern er hat uns in der Schrift mit mannigfaltigenWorten getröstet und sagen lassen (Ps. 91, 15): »Ichbin bei ihm in allen seinen Leiden und will ihm her-aushelfen«, ebenso Psalm 34, 20: »Der Herr ist naheallen den Leidenden und wird ihnen helfen.« Darannicht genug, hat er ein kräftiges, starkes Exempeldafür gegeben, seinen einzigen, lieben Sohn JesusChristus, unsern Herrn. Der hat am Sabbat den gan-zen Feiertag gelegen, aller seiner Werke ledig, und alsder erste dieses Gebot erfüllet, obwohl ohne Notwen-digkeit für sich selbst, allein uns zum Trost, daß wirauch in allen Leiden und Sterben still sein und Friedehaben sollen. (Wir sollen) ansehen, daß wie Christusnach seiner Ruhe35 auferweckt ist und nun fortan al-lein in Gott und Gott in ihm lebt, so werden auch wirdurch Tötung unseres Adams – welche nicht vollkom-

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men geschieht außer durch der Natur Tod und Begra-ben – in Gott erhoben, daß Gott ewiglich in uns lebeund wirke. Siehe, das sind die drei Stücke des Men-schen: die Vernunft, die Lust, die Unlust, darinnenalle seine Werke gehen. Die müssen so durch diesedrei Übungen: Gottes Regierung, unsere eigene Ka-steiung, anderer Beleidigung erwürgt werden und sogeistlich Gott feiern, ihm zu seinen Werken Platz ein-räumen.

Zum fünfundzwanzigsten: Solche Werke aber undLeiden sollen im Glauben und guter Zuversicht göttli-cher Huld geschehen, auf daß, wie gesagt ist, alleWerke im ersten Gebot und Glauben bleiben und derGlaube sich in denselben übe und stärke, um dessent-willen alle anderen Gebote und Werke gesetzt sind.Darum siehe, wie ein hübscher, goldener Ring sichselber aus diesen drei Geboten und ihren Werkenmacht und wie aus dem ersten Gebot und Glauben daszweite Gebot bis ins dritte fließt, und das dritte wie-derum durch das zweite bis in das erste Gebot treibt.Denn das erste Werk ist Glauben, ein gutes Herz undZuversicht zu Gott haben, aus dem fließt das zweiteWerk: Gottes Namen preisen, seine Gnade bekennen,ihm allein alle Ehre geben. Danach folgt das dritte:Gottesdienst üben mit Beten, Predigt Hören, Sinnenund Trachten nach Gottes Wohltat, dazu sich kasteienund sein Fleisch zwingen. Wenn nun der böse Geist

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solchen Glauben, Gottes Ehre und Gottes Dienst ge-wahr wird, so tobet er und hebt die Verfolgung an,greift Leib, Ehre und Leben an, treibet auf uns Krank-heit, Armut, Schande und Sterben, was also Gott ver-hängt und verordnet. Siehe, da beginnt das zweiteWerk oder die zweite Feier des dritten Gebotes. Da-durch wird der Glaube sehr hoch versucht, wie dasGold im Feuer. Denn es ist ein groß Ding, eine guteZuversicht zu Gott zu erhalten, ob er uns schon Tod,Schmach, Ungesundheit, Armut zufüget, und ihn insolchem grausamen Bild des Zorns für den allergütig-sten Vater halten, welches in diesem Werk des drittenGebotes geschehen muß. Da dränget denn das Leidenden Glauben, daß er Gottes Namen in solchen Leidenanrufen und loben muß und kommt so durch das dritteGebot wiederum in das zweite (Gebot). Und durchdieses Anrufen und Lob des göttlichen Namenswächst der Glaube und kommt zu sich selbst undstärkt sich so selbst durch die zwei Werke des drittenund zweiten Gebotes. Und so geht er aus in die Werkeund kommt wieder durch die Werke zu sich selbst,gleichwie die Sonne aufgeht bis an den Niedergangund wieder bis zu dem Aufgang kommt. Darum wirdin der Schrift der Tag dem friedlichen Leben in denWerken zugeeignet, die Nacht dem leidenden Lebenin der Widerwärtigkeit, und der Glaube lebt und wirktso in beiden, geht aus und ein, wie Christus Joh. 9, 4

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sagt.Zum sechsundzwanzigsten: Diese Ordnung der

guten Werke bitten wir im Vaterunser. Das erste, waswir sagen, ist: »Vater unser, der du bist im Himmel.«Das sind Worte des ersten Werkes des Glaubens, derlaut des ersten Gebotes nicht zweifelt, er habe einengnädigen Gott und Vater im Himmel. Das zweite ist:»Dein Name werde geheiligt«, darinnen der Glaubebegehret, daß Gottes Name, Lob und Ehre gepriesenwerde und denselben in aller Notdurft anrufet, wie daszweite Gebot lautet. Das dritte: »Dein Reich komme«,darinnen wir den rechten Sabbat und Feierstille, Ruhevon unserm Werk erbitten, daß allein Gottes Werk inuns sei und Gott so in uns als in seinem eigenenReich regiere, wie er Luk. 17, 21 sagt: »Nehmetwahr, Gottes Reich ist nirgends als in euch selbst.«Das vierte Gebet: »Dein Wille geschehe«, darinnenwir bitten, daß wir die sieben Gebote der zweitenTafel halten und haben möchten, in welchem auch derGlaube gegen den Nächsten geübt wird, gleichwie erin diesen dreien in Werken allein gegen Gott geübtist. Und das sind die Gebete, darinnen das Wörtlein»du«, »dein«, »dein«, »dein« drinnen steht, so daßdieselben nur suchen, was Gott angehöret. Die ande-ren sagen alle: »unser«, »uns«, »unsern« usw. Dennda bitten wir um unsere Güter und Seligkeit. Und dassei von der ersten Tafel des Mose gesagt und den Ein-

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fältigen grob darüberhin die höchsten guten Werkeangezeigt.36

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Editorische Bemerkung

Im Februar 1520 mahnt Spalatin Luther, daß er dieAbfassung einer Schrift über die guten Werke ver-sprochen habe. Luther antwortet, er wisse von nichts;er zeigt sich wenig geneigt, an die Arbeit zu gehen.Aber schon bald danach muß er es getan haben, dennim März steckt er bereits tief in der Arbeit, von der erhofft, sie könne »das Beste werden von allem, was ich(bisher) veröffentlicht habe« (Bd. 10,75). AnfangJuni 1520 werden die ersten Exemplare der Schriftversandt, von der noch im selben Jahre sieben weitereAusgaben erschienen. So begann die Serie der großenReformationsschriften Luthers; es ist sicher richtig,ihnen die Schrift »Von den guten Werken« zuzuord-nen.

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Anmerkungen

1 Vorangestellt ist die Widmungsvorrede Luthers anHerzog Johann (den Beständigen), den Bruder undNachfolger (1525-1532) des Kurfürsten Friedrich desWeisen, vom 29. März 1520 (WA 6,202-204), hierausgelassen, weil nur von historischem Interesse.

2 Vgl. z.B. Ps. 90,10 usw.

3 Eig.: »unterscheidt der besserung«.

4 Enchiridion ad Laurentium, seu de fide, spe et cari-tate 3, ML 40,232.

5 S. 99, 3ff.

6 Eig.: »einen Jarmarckt«.

7 Eig.: »an der selben anheb durch eine zuvorsicht«.

8 Vgl. z.B. Richt. 2,1 ff.; 1. Sam. 12,10 usw.

9 Eig.: »die noch mutig und kindisch sein ym vor-stand«.

10 Vgl. S. 107, 24ff.

11 Vgl. Luk. 18,10 ff.

12 Prosperi Aquitani sententiae ex Augustino deliba-tae 48, ML 45, 1863.

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13 Vgl. S. 107, 30ff.

14 Eig.: »helt glauben«.

15 Eig.: »heuchler in der haut«.

16 Eig.: »schmucken und ferben sich«.

17 Die Offiziale sind Träger der kirchlichen Ge-richtsbarkeit.

18 Nickel = Nikolaus, in den niederen Schichten oftgebrauchter Name, von daher das Wortspiel.

19 Eig.: »die disses gar keinen vorstand haben«.

20 Eig.: »ein begencknisz odder jartag«.

21 In Quadragesima sermo 5,5, ML 183,180.

22 = müßig gehen lassen.

23 Eig.: »das ehr bettet«.

24 Eig.: »auffrucken«, »entgegen bietten«.

25 Eig.: »zu bitten, trawen und von yhm nehmen szotheur und hoch zuvorpflichten«.

26 Eig.: »gebet eigener notdurfft«.

27 Die sog. offene Schuld und das allgemeine Kir-chengebet.

28 Eig.: »nit leyde«.Digitale Bibliothek Band 63: Martin Luther

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29 D.h. die Steine des Rosenkranzes und die Blätterdes Gebetbuches.

30 Vgl. 2. Mose 32,11 f.; 4. Mose 14,13 ff. usw.

31 Von hier ab weicht die Zählung der Stücke vonWA und Clemen ab. Der erste Druck der Schrift (unddie meisten seiner Nachfolger) zählt hier nämlich zumzweiten Mal »Czum Sibentzehenden«, offensichtlichdoch, weil Luther sich beim Schreiben verzählt hat.Clemen druckt, den Grundsätzen seiner Ausgabe ent-sprechend, also zweimal »zum Siebzehnten«, die WAstreicht die Angabe und hat S. 149,7 dann »CzumAchtzehenden« (und entsprechend an den anderenStellen: S. 150,5; 151,8 usw.). Das scheint mir Lu-thers Absichten entgegen zu sein, der hier (mit Recht)einen neuen gezählten Hauptabschnitt haben wollte.

32 Der Barbaratag ist am 4. Dezember; der Seba-stiantag am 20. Januar.

33 Eig.: »der frucht und yhr selbs grosse ferlickeitwagen«.

34 Eig.: »solch feyr«.

35 Eig.: »seiner ruge unnd feyer«.

36 Folgt WA 250,19 – 276 eine Behandlung der Ge-bote der »anderen taffel«, d.h. des 4. bis 10. Gebots,hier ausgelassen, weil nicht mehr den grundsätzlichen

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Fragen zugewandt, sondern der ethischen Praxis undaußerdem durch spätere Abhandlung der gleichenThemen überholt (Großer Katechismus Bd. 3,11-150;Kleiner Katechismus in Band 6). Dieser Teil derSchrift bedeutet für Luther nur eine Durchgangsepo-che; der erste hier abgedruckte Teil dagegen kanndauernde Gültigkeit beanspruchen.

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