Luxemburger Wort - 23/04/2008 - „Erste Stiftung Europas für Rock- und Popmusik“

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Luxembourger Wort 23 avril 2008 Serie Philanthropie: Bertram-Pohl Foundation, Luxemburg „Erste Stiftung Europas für Rock- und Popmusik“ Der Urenkel des Wella-Gründers will vom Senningerberg aus junge Musiker unterstützen Bertram Pohl gab der Stiftung seinen Namen und sieht das auch als besondere Verpflichtung. Die von der Stiftung geförderte Band „Nukular“ nimmt in dieser Woche ihre erste CD auf. (FOTOS: BP-FOUNDATION) VON CORDELIA CHATON Junge Musiker können Hoffnung schöpfen: Der Urenkel des Wella- Gründers, Bertram Pohl, hat auf dem Senningerberg eine Stiftung für Rock- und Popmusik gegründet. Sie will jungen Musikern jenseits des Kommerzdrucks Kreativität er- möglichen. Zunächst werden ger- manophone Bands unterstützt, frankophone und anglophone stehen bereits auf dem Plan. Wer in der schmucken roten Villa auf dem Senningerberg empfan- gen wird, bekommt schon beim Warten einen Eindruck vom Gast- geber. An den Wänden hängen Gemälde junger Meister. Auf dem Glastischchen vor den schwarzen Designersesseln liegen Bücher. Über Karl Ströher beispielsweise, den Eigner des Darmstädter Wella-Konzerns, der Ende der 60er-Jahre im großen Stil begann, Kunst zu sammeln und viel dem Frankfurter Museum für Moderne Kunst spendete. Oder auch über Franz Ströher, dessen Vater, der 1880 das Unternehmen gründete. Die Bücher liegen hier nicht ohne Grund. Pohl ist der Urenkel des Wella-Gründers. Und genau wie seine Vorfahren empfindet er sich als Philanthropen, als Menschen- freund und Wohltäter.Pohl, der seit elf Jahren in Luxemburg lebt, will sich jetzt der Unterstützung der Jugend in Europa widmen. „Nach dem Verkauf der Wel- la-AG 2003 fühlte ich die innere Verpflichtung, stifterisch tätig zu werden. Leider verlor ich anfangs sehr viel Zeit durch anwaltli- che Fehlberatung. Des- halb arbeiten wir erst seit Anfang 2006 an der definitiven Gründung“, erzählt er. Am sechsten Sep- tember 2007 stand endlich die nach ihm benannte Betram-Pohl Foundation. Ihr Sitz ist nicht zufällig in Luxemburg. „Ich bin Wahl-Luxemburger. Als Schweizer mit deutscher Famili- engeschichte und Wohnsitz in Lu- xemburg definiere ich mich als ,deutschsprachiger Europäer‘ und daher wollte ich mit meiner Stif- tung etwas für junge Menschen in Mitteleuropa tun. Luxemburg bot sich natürlich als Sitz an“, erklärt er in perfektem Hochdeutsch. Jungen Menschen helfen, ist ein weites Feld. Pohl setzte da an, wo er selbst gern das Ohr hinhält: Bei Rock- und Popmusik. „Meines Wissens sind wir einzigartig und die erste Stiftung Europas für Rock- und Popmusik“, meint der Musikfreund. Im Klassikbereich gäbe es viel, in diesem jedoch wenig. Vier bis fünf Monate Gewächshaus für Musiker Damit die Stiftung auch die richti- gen Talente fördert, arbeitet sie mit der Hochschule für Musik und Theater Hamburg zusammen. Denn diese führt seit 1982 die im deutschsprachigen Raum einzig- artigen Popkurse durch. Der Pop- kurs Hamburg ist ein Kontaktstu- diengang für Popularmusik an der Hochschule, der zweimal jährlich in Form von dreiwöchigen Kursen stattfindet. Bewerber müssen einen Lebenslauf und Aufnahmen ihrer Songs einreichen. Ein Do- zentengremium trifft daraus eine Vorauswahl. Eine Live- Prüfung entscheidet anschließend über die Teilnahme. „Von rund 300 Bewerbern wer- den nur 50 ge- nommen“, meint Pohl. Prof. Peter Weihe, seines Zei- chens Dozent, Stu- diogitarrist, Mitbegrün- der der Popkurses Hamburg, Produzent und Gründungs- und Vorstandsmitglied des Verbandes der deutschen Musikproduzenten, ist ebenfalls für die musikalische Leitung der Bertram-Pohl Founda- tion zuständig. Vor einigen Mona- ten fiel die Wahl auf „Nukular“, eine Band aus dem Popkurs, Ses- sion 2007. Die jungen, unbekann- ten Musiker konnten durch die gewährten Stipendien unter idea- len Bedingungen vier bis fünf Mo- nate im Studio des Popinstituts Hannover produzieren. „Frei von Kommerzstress, wie in einem Ge- wächshaus geschützt, wo sie sich entfalten können. Deswegen nen- nen wir das auch so“, erklärt Pohl. Im Februar und März war die Band bereits im Studio und arbei- tet derzeit am Feinschliff ihrer Aufnahmen. Der Stifter überlässt die Arbeit am Projekt namens „Gewächs- hausprinzip“ im Detail seinem Ge- schäftsführer Marc Hayard. Der Luxemburger war früher im Fi- nanzwesen tätig, begeistert sich aber genau wie der Stiftungsgrün- der für Rock- und Popmusik. Er hält den Kontakt zu den Bands und hat auch in Luxemburg ein erstes Projekt aus der Taufe gehoben. Seit Anfang der Woche prüft eine Jury rund 50 Luxemburger Musik- talente in der Rockhal für die Stif- tung auf Herz und Nieren, um förderungswürdige Talente her- auszufiltern. Wir planen langfristig auch die Unterstützung frankophoner und anglophoner Musik. Das wird schon über die Grenzen in die Großregion hinausstrahlen“, meint Hayard. „Auswahlverfah- ren werden wir in Zukunft auf unserer Internetseite bekannt ge- ben.“ Pohl und Hayard wollen Main- Stream vermeiden und Talente finden, die sich jenseits bekannter Töne entwickeln. Auch gängige Casting-Konzepte sind ihnen ein Graus. Die Stiftung ist dabei ein wichtiges Vehikel, ebenso wie die Zusammenarbeit mit exter- nen Experten und anderen Stif- tungen. Viel mehr als nur Musik: Kampf gegen Folter, Drogen, Pädophilie Aber die Bertram-Pohl-Stiftung will weit mehr. So unterstützt sie das Projekt „International Bridges to Justice“. Pohl erklärt, warum: „Man muss manchmal auch auf sein Herz hören können. IBJ ist ein fantastisches Projekt zur Abschaf- fung der Folter in dieser Welt. IJB sensibilisiert und fördert Pflicht- verteidiger, damit diese das Sys- tem ausnützen und so gegen die Folter kämpfen können. Richter und Polizeibehörden werden quasi von unten sensibilisiert und gehalten, die eigenen Gesetze zu beachten. Das funktioniert sehr gut und mit erstaunlich geringem finanziellen Aufwand.“ Das Herz spielt bei Pohl eine wichtige Rolle. „Stiften muss von Herzen kommen. Philanthrop ist man einfach, das ist eine Lebens- anschauung“, begründet er. Die hat ihm nicht zuletzt seine Mutter mitgegeben. „Vor allem aber weiß ich, wie viel jene dafür gearbeitet haben, die das Vermögen geschaf- fen haben“, betont Pohl, dessen Stiftung über ein Kapital von sechs Millionen Euro verfügt. Und weil Pohls Herz für die Jugend schlägt, kann er sich noch mehr vorstellen: „Es gibt Überle- gungen, gegen Pädophilie und Drogenmissbrauch zu kämpfen“, sagt er. „Aber ich habe auch ge- lernt, dass man als Stifter aufpas- sen muss, dass die Ziele der Stif- tung erhalten bleiben.“ Derzeit konzentriert sich die Bertram-Pohl Foundation erst ein- mal auf Musik. Geschäftsführer Hayard ärgert sich über die Schwierigkeiten mit der Adminis- tration. „Wenn Sie eine öffentliche Straße bauen wollen, ist es ein- fach, EU-Mittel zu finden. Bei Po- pularmusik dagegen nicht – und es gibt viel zu viele Anlaufstellen!“ Ihm fehlt die Lobby im eigenen Land. Aber sein Herz ist voll, und darauf kommt es bei der Stiftung schließlich an. Bertram Pohl hat als Motto gewählt: Ab imo pectore – Von ganzem Herzen. www.bp-foundation.org Alle Artikel der Serie finden sich unter www.philanthropie.lu

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Luxembourger Wort 23 avril 2008Luxemburger WortMittwoch, den 23. April 2008WIRTSCHAFT & FINANZEN94

Serie Philanthropie: Bertram-Pohl Foundation, Luxemburg

„Erste Stiftung Europasfür Rock- und Popmusik“

Der Urenkel des Wella-Gründers will vom Senningerberg aus junge Musiker unterstützen

Bertram Pohl gab der Stiftung seinen Namen und sieht das auch als besondere Verpflichtung.

Die von der Stiftung geförderte Band „Nukular“ nimmt in dieser Woche ihre erste CD auf. (FOTOS: BP-FOUNDATION)

V O N C O R D E L I A C H A T O N

Junge Musiker können Hoffnungschöpfen: Der Urenkel des Wella-Gründers, Bertram Pohl, hat aufdem Senningerberg eine Stiftungfür Rock- und Popmusik gegründet.Sie will jungen Musikern jenseitsdes Kommerzdrucks Kreativität er-möglichen. Zunächst werden ger-manophone Bands unterstützt,frankophone und anglophonestehen bereits auf dem Plan.

Wer in der schmucken roten Villaauf dem Senningerberg empfan-gen wird, bekommt schon beimWarten einen Eindruck vom Gast-geber. An den Wänden hängenGemälde junger Meister. Auf demGlastischchen vor den schwarzenDesignersesseln liegen Bücher.Über Karl Ströher beispielsweise,den Eigner des DarmstädterWella-Konzerns, der Ende der60er-Jahre im großen Stil begann,Kunst zu sammeln und viel demFrankfurter Museum für ModerneKunst spendete. Oder auch überFranz Ströher, dessen Vater, der1880 das Unternehmen gründete.Die Bücher liegen hier nicht ohneGrund. Pohl ist der Urenkel desWella-Gründers. Und genau wieseine Vorfahren empfindet er sichals Philanthropen, als Menschen-freund und Wohltäter.Pohl, derseit elf Jahren in Luxemburg lebt,will sich jetzt der Unterstützungder Jugend in Europa widmen.

„Nach dem Verkauf der Wel-la-AG 2003 fühlte ich die innereVerpflichtung, stifterisch tätig zuwerden. Leider verlor ich anfangssehr viel Zeit durch anwaltli-che Fehlberatung. Des-halb arbeiten wir erstseit Anfang 2006 ander definitivenGründung“, erzählter.

Am sechsten Sep-tember 2007 standendlich die nach ihmbenannte Betram-PohlFoundation. Ihr Sitz istnicht zufällig in Luxemburg.„Ich bin Wahl-Luxemburger. AlsSchweizer mit deutscher Famili-engeschichte und Wohnsitz in Lu-xemburg definiere ich mich als,deutschsprachiger Europäer‘ unddaher wollte ich mit meiner Stif-tung etwas für junge Menschen inMitteleuropa tun. Luxemburg botsich natürlich als Sitz an“, erklärter in perfektem Hochdeutsch.

Jungen Menschen helfen, ist einweites Feld. Pohl setzte da an, woer selbst gern das Ohr hinhält: BeiRock- und Popmusik. „MeinesWissens sind wir einzigartig unddie erste Stiftung Europas fürRock- und Popmusik“, meint derMusikfreund. Im Klassikbereichgäbe es viel, in diesem jedochwenig.

Vier bis fünf MonateGewächshaus für Musiker

Damit die Stiftung auch die richti-gen Talente fördert, arbeitet siemit der Hochschule für Musik und

Theater Hamburg zusammen.Denn diese führt seit 1982 die imdeutschsprachigen Raum einzig-artigen Popkurse durch. Der Pop-kurs Hamburg ist ein Kontaktstu-diengang für Popularmusik an derHochschule, der zweimal jährlichin Form von dreiwöchigen Kursenstattfindet. Bewerber müsseneinen Lebenslauf und Aufnahmenihrer Songs einreichen. Ein Do-zentengremium trifft daraus eine

Vorauswahl. Eine Live-Prüfung entscheidet

anschließend überdie Teilnahme.„Von rund 300Bewerbern wer-den nur 50 ge-nommen“, meintPohl.

Prof. PeterWeihe, seines Zei-

chens Dozent, Stu-diogitarrist, Mitbegrün-

der der Popkurses Hamburg,Produzent und Gründungs- undVorstandsmitglied des Verbandesder deutschen Musikproduzenten,ist ebenfalls für die musikalischeLeitung der Bertram-Pohl Founda-tion zuständig. Vor einigen Mona-ten fiel die Wahl auf „Nukular“,eine Band aus dem Popkurs, Ses-sion 2007. Die jungen, unbekann-ten Musiker konnten durch diegewährten Stipendien unter idea-len Bedingungen vier bis fünf Mo-nate im Studio des PopinstitutsHannover produzieren. „Frei vonKommerzstress, wie in einem Ge-wächshaus geschützt, wo sie sichentfalten können. Deswegen nen-nen wir das auch so“, erklärt Pohl.Im Februar und März war dieBand bereits im Studio und arbei-tet derzeit am Feinschliff ihrerAufnahmen.

Der Stifter überlässt die Arbeitam Projekt namens „Gewächs-hausprinzip“ im Detail seinem Ge-

schäftsführer Marc Hayard. DerLuxemburger war früher im Fi-nanzwesen tätig, begeistert sichaber genau wie der Stiftungsgrün-der für Rock- und Popmusik. Erhält den Kontakt zu den Bands undhat auch in Luxemburg ein erstesProjekt aus der Taufe gehoben.Seit Anfang der Woche prüft eineJury rund 50 Luxemburger Musik-talente in der Rockhal für die Stif-tung auf Herz und Nieren, umförderungswürdige Talente her-auszufiltern.

„Wir planen langfristig auch dieUnterstützung frankophoner undanglophoner Musik. Das wirdschon über die Grenzen in dieGroßregion hinausstrahlen“,meint Hayard. „Auswahlverfah-ren werden wir in Zukunft auf

unserer Internetseite bekannt ge-ben.“

Pohl und Hayard wollen Main-Stream vermeiden und Talentefinden, die sich jenseits bekannterTöne entwickeln. Auch gängigeCasting-Konzepte sind ihnen einGraus. Die Stiftung ist dabeiein wichtiges Vehikel, ebenso wiedie Zusammenarbeit mit exter-nen Experten und anderen Stif-tungen.

Viel mehr als nur Musik: Kampfgegen Folter, Drogen, Pädophilie

Aber die Bertram-Pohl-Stiftungwill weit mehr. So unterstützt siedas Projekt „International Bridgesto Justice“. Pohl erklärt, warum:„Man muss manchmal auch aufsein Herz hören können. IBJ ist ein

fantastisches Projekt zur Abschaf-fung der Folter in dieser Welt. IJBsensibilisiert und fördert Pflicht-verteidiger, damit diese das Sys-tem ausnützen und so gegen dieFolter kämpfen können. Richterund Polizeibehörden werdenquasi von unten sensibilisiert undgehalten, die eigenen Gesetze zubeachten. Das funktioniert sehrgut und mit erstaunlich geringemfinanziellen Aufwand.“

Das Herz spielt bei Pohl einewichtige Rolle. „Stiften muss vonHerzen kommen. Philanthrop istman einfach, das ist eine Lebens-anschauung“, begründet er. Diehat ihm nicht zuletzt seine Muttermitgegeben. „Vor allem aber weißich, wie viel jene dafür gearbeitethaben, die das Vermögen geschaf-fen haben“, betont Pohl, dessenStiftung über ein Kapital von sechsMillionen Euro verfügt.

Und weil Pohls Herz für dieJugend schlägt, kann er sich nochmehr vorstellen: „Es gibt Überle-gungen, gegen Pädophilie undDrogenmissbrauch zu kämpfen“,sagt er. „Aber ich habe auch ge-lernt, dass man als Stifter aufpas-sen muss, dass die Ziele der Stif-tung erhalten bleiben.“

Derzeit konzentriert sich dieBertram-Pohl Foundation erst ein-mal auf Musik. GeschäftsführerHayard ärgert sich über dieSchwierigkeiten mit der Adminis-tration. „Wenn Sie eine öffentlicheStraße bauen wollen, ist es ein-fach, EU-Mittel zu finden. Bei Po-pularmusik dagegen nicht – und esgibt viel zu viele Anlaufstellen!“Ihm fehlt die Lobby im eigenenLand. Aber sein Herz ist voll, unddarauf kommt es bei der Stiftungschließlich an. Bertram Pohl hatals Motto gewählt: Ab imo pectore– Von ganzem Herzen.

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