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Berichte der Bayerischen Landesanstalt für Wald und Forstwirtschaft Wissen Wälder im Klimawandel – Weißtanne und Küstentanne 66 130 Jahre

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Berichte der Bayerischen Landesanstalt für Wald und Forstwirtschaft

Wissen

Wälder im Klimawandel – Weißtanne und Küstentanne

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130 Jahre

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Wälder im Klimawandel – Weißtanne und Küstentanne

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Impressum

ISSN 0945-8131

Alle Rechte vorbehalten. Nachdruck, auch auszugsweise, sowie fotomechanische

und elektronische Wiedergabe nur mit Genehmigung des Herausgebers.

Insbesondere ist eine Einspeicherung oder Verarbeitung der auch in elektronischer

Form vertriebenen Broschüre in Datensystemen ohne Zustimmung

des Herausgebers unzulässig

Herausgeber Bayerische Landesanstalt und Bezugsadresse für Wald und Forstwirtschaft (LWF)

Hans-Carl-von-Carlowitz-Platz 185354 FreisingTelefon: 0049 (0) 81 61/71-4881Fax: 0049 (0) 81 61/[email protected]

Verantwortlich Olaf Schmidt, Leiter der Bayerischen Landesanstalt für Wald und Forstwirtschaft

Redaktion und Schriftleitung Dr. Alexandra WauerBildredaktion Christine HopfTitelbild Bayerische Landesanstalt für Wald

und ForstwirtschaftUmschlagrückseite Foto: Uwe ConradLayout Helinä Markkanen, München; Grafiken: Harald Fürst Druck Lerchl Druck, FreisingAuflage 800 StückCopyright © Bayerische Landesanstalt für Wald und Forstwirtschaft,

März 2011

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Vorwort

Am 10. März 2011 veranstaltet die Bayerische Landesanstalt für Wald und Forst-wirtschaft am Zentrum Wald-Forst-Holz in Freising-Weihenstephan die Tagung»Die Tanne – Perspektiven im Klimawandel«. Die auf der Tagung gehaltenen Vor-träge, ergänzt um einige zusätzliche Beiträge zu diesem Thema, halten Sie nunals Band 66 der Reihe LWF Wissen in Händen. Ziel des Heftes wie auch der Tagung ist es dabei nicht, die Weißtanne erneut in allen ökologischen und den-drologischen Einzelheiten darzustellen. Dazu verweisen wir auf das Heft LWFWissen Nr. 45 „Beiträge zur Tanne“. Vielmehr machen wir auf die positiven wald-baulichen Eigenschaften dieser Baumart aufmerksam, die wir auf geeignetenStandorten nutzen können, um stabile, naturnahe Wälder aufzubauen. Aber wirverschweigen auch nicht die Risiken, denen sie vor allem am Rande bzw. außer-halb ihres natürlichen Verbreitungsgebietes ausgesetzt ist. Die Weißtanne ist dieBaumart mit den höchsten Verlusten am Waldflächenanteil im vergangenen Jahr-hundert. Waldbesitzer und Forstleute bemühen sich daher seit längerem, die Tan-ne wieder verstärkt am Waldaufbau zu beteiligen. Erfolgreiches Wirtschaften mitder Tanne beruht auf langfristigen Verjüngungsverfahren, strukturreichem Wald-aufbau sowie angepassten Schalenwildbeständen. Der Klimawandel stellt dieForstwirtschaft vor neue große Herausforderungen, die vor allem wegen desstark steigenden Risikos bei der Fichte als Ersatz andere geeignete Nadelbaum -arten fordert. Deshalb werden neben verschiedenen Herkünften einheimischerBaumarten auch fremdländische Arten auf ihre Eignung im Klimawandel über-prüft. Aus diesem Grund werfen wir in diesem Heft auch einen Blick auf die inNordamerika beheimatete Große Küstentanne. Es ist das Verdienst der Tagungund des Heftes, Waldbesitzern und Forstleuten Hilfen zum Umgang mit der Tan-ne im Zeichen des Klimawandels zu geben, ihnen den aktuellen Kenntnisstandzu vermitteln und sie bei der Entscheidungsfindung und Risikoverringerung zuunterstützen. Ich hoffe, dass dieses Heft dazu beiträgt, der Tanne wieder mehrRaum zu geben, damit sie sich sie vom „Sorgenkind“ der Forstwirtschaft zumHoffnungsträger für die Zukunft entwickeln kann. Ich wünsche allen Leserinnenund Lesern viel Freude mit unserer neuen Ausgabe der Reihe LWF Wissen.

Olaf Schmidt

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Inhaltsverzeichnis

Impressum 2

Vorwort 3

Inhaltsverzeichnis 5

Mehr Mut zur Tanne 7Franz Brosinger

Standörtliche Möglichkeiten für den Anbau der Tanne (Abies alba und Abies grandis) in Bayern 11Christian Kölling, Wolfgang Falk und Helge Walentowski

Weißtanne und Küstentanne – Herkunftsfragen und weitere genetische Aspekte 20Monika Konnert und Randolf Schirmer

Von Donnerbüschen, Rüsslern, Saurem Regen und Rehen – zur Waldschutzsituation derWeißtanne und der Küstentanne 28Ralf Petercord

Wachstum der Weißtanne in Südwestdeutschland – Entwicklung, Klimarisiko und Verjüngung 41Ulrich Kohnle, Chaofang Yue und Dominik Cullmann

Ökonomische Bewertung der Tanne 51Herbert Borchert und Stefan Friedrich

Tanne – vom Sorgenkind zum Hoffnungsträger 59Andreas Rothe, Christoph Dittmar und Christian Zang

Verwendungsorientierte Managementstrategien für Buchen-Küstentannen-Mischbestände 63Hermann Spellmann, Mark Geb, Jürgen Nagel, Ralf Nagel und Matthias Schmidt

Verwendungsmöglichkeiten für Küstentannen-Schnittholz 74František Hapla

Holzmarkt und Waldumbau aus der Sicht der Holzindustrie 76Lars Schmidt

Anschriften der Autoren 79

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Schlüsselwörter: Weißtanne, Klimawandel, naturnaher

Waldbau, Naturverjüngung, Wald vor Wild

Zusammenfassung: Der Klimawandel stellt die Forstwirt-

schaft vor große und neue Herausforderungen, die unter

anderem wegen des stark steigenden Risikos bei Fichte in

Forderungen nach anderen, künftig besser geeigneten Na-

delbaumarten münden. Mit der Weißtanne verfügen wir

über eine Baumart, die ursprünglich in Bayerns Wäldern

weit verbreitet war und aus verschiedenen Gründen in den

letzten Jahrhunderten stark abgenommen hat, die aber

mit den prognostizierten Klimabedingungen auf ihrem

bisherigen Standortsspektrum wesentlich besser zurecht-

kommen wird als die Fichte. Auf Grund ihrer zahlreichen

ökologisch und waldbaulich positiven Eigenschaften ist

und bleibt sie ein unverzichtbares Element eines natur -

nahen Waldbaus. Waldbesitzer und Forstleute bemühen

sich bereits seit längerem, die Tanne wieder verstärkt am

Waldaufbau zu beteiligen. Dies hat regional bereits zu

einer leichten Erhöhung ihres Anteils in den Verjüngungen

geführt, die Anstrengungen müssen aber noch deutlich

erhöht werden. Grundbedingungen für eine erfolgreiche

stärkere Beteiligung der Tanne in Bayerns Wäldern sind ein

Mehr Mut zur TanneFranz Brosinger

Abbildung 1: Tannenwachsen im Schatten desAltbestandes auf und kön-nen lange Überschirmungs-phasen sehr gut überste-hen. (Foto: G. Aas)

naturnaher Waldbau mit langen Verjüngungszeiträumen,

Ausnutzen der Naturverjüngung wo möglich und vor

allem angepasste Schalenwildbestände.

Anpassung an den Klimawandel, Waldumbau und Ri-sikomanagement sind die Schlagworte, die aktuell denWaldbau dominieren. Diese Begriffe vermitteln aller-dings leicht den Eindruck, dass die heutigen Herausfor-derungen an die Forstwirtschaft nur mit neuen wald-baulichen Vorgehensweisen bewältigt werden können.Die bewährten und weithin anerkannten Grundsätze eines naturnahen Waldbaus treten dabei leider des Öfteren in den Hintergrund. Dabei zeigt gerade das Bei-spiel Tanne, dass wir keinen Paradigmenwechsel brau-chen, um für die Zukunft gerüstet zu sein.

Es ist unbestritten, dass für den Wald der Zukunft klimatolerante und anpassungsfähige, vor allem stabi-le und widerstandsfähige Baumarten notwendig sind.Dabei müssen wir auch auf Baumarten zurückgreifen,die bisher in den Wäldern eher gering vertreten sind.

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Unter diesen Gesichtspunkten entwickelt sich die Weißtanne zunehmend zum Hoffnungsträger für vieleWaldbesitzer und Forstleute, aber auch für die Holzin-dustrie. Nach den vorliegenden Baumarteneignungs-prognosen birgt die Weißtanne auf vielen Standorten inBayern ein deutlich geringeres Risiko als die Fichte. An-ders als andere Nadelbaumarten wird sie als heimischeBaumart zudem auch von den Naturschützern geschätzt.Aber wird die Tanne – Symbol für einen naturnahenWaldbau – die Erwartungen erfüllen können? WelcheRolle können und wollen wir ihr geben? Was müssenwir beachten, wenn wir verstärkt auf sie setzen?

Die Tanne – eine faszinierende Baumart

Ihre Vorteile wie hohe Wurzelintensität, regelmäßigeund reiche Fruktifikation sowie großer, langanhalten-der Zuwachs bei hoher Massenleistung sind schon oftbeschrieben worden. Die Tanne wächst im Schattendes Altbestandes auf und kann nach langen Phasen derÜberschirmung in die Oberschicht einwachsen. Damitstellt sie eine wertvolle Verbindung zwischen den Wald-generationen dar und ermöglicht einen flexiblen undnaturnahen Waldbau. Auf Grund dieser Eigenschaftenist sie die Plenterwaldbaumart schlechthin. Entschei-dend ist die Bedeutung der Tanne in den Bergmisch-wäldern für die Sicherung der vielfältigen Schutzfunk-tionen. Leider ist es im bayerischen Alpenraum überviele Jahrzehnte nicht gelungen, ausreichend Tannenachzuziehen. Daher fehlt sie oft gerade in den mittel-alten Beständen, während es vielerorts noch zahlreicheAltbestände mit höheren Tannenanteilen gibt. Auchheute bestehen trotz einer zunehmenden Zahl positiverBeispiele immer noch Defizite bei der Verjüngung derTanne im Bergwald.

Die Tanne – eine Baumart nur für Idealisten?

Bekanntlich war die Tanne früher viel stärker verbrei-tet, als dies heute der Fall ist. Sie ist Bestandteil fast al-ler natürlichen Waldgesellschaften Bayerns vom Alpen-raum über die Ostbayerischen Mittelgebirge bis hin zuden eher niederschlagsärmeren Regionen der Franken-höhe und im Südlichen Albvorland. Insgesamt wirdvon Tannenanteilen zwischen 8 und 15 Prozent an dernatürlichen Waldbestockung in Bayern ausgegangen.Ihr heutiger Anteil ist demgegenüber mit 2,1 Prozentverschwindend gering. Die Ursachen für ihren starkenRückgang sind bekannt und wurden vielfach beschrie-ben: Flächige, nicht tannengerechte Verjüngungsver-

Mehr Mut zur Tanne

fahren in früherer Zeit, überhöhte Wildbestände überviele Jahrzehnte und die Schwefeldioxid-Belastung derLuft in der zweiten Hälfte des vergangenen Jahrhun-derts. Aus diesen Gründen war die Tanne lange Zeit dasSorgenkind der Forstleute und Waldbesitzer. Im Wissenum ihre Vorzüge, aber auch aus Liebe zu dieser in sehrviele naturnahe Waldtypen zu integrierenden heimi-schen Baumart wurden und werden zum Teil erhebli-che Anstrengungen unternommen, um sie zu erhaltenund ihren Anteil wieder zu mehren. Dies gilt insbeson-dere für den bayerischen Staatswald, in dem die Grund-sätze einer naturnahen Forstwirtschaft seit über 30 Jah-ren praktiziert werden. Aber auch im Privat- undKörperschaftswald zeigen viele Waldbilder das Wirkenvieler engagierter Waldbesitzer.

Die Tanne – Gewinner im Klimawandel?

Als Ergebnis der langjährigen Bemühungen sind man-cherorts höhere Anteile von Tanne in der Verjüngungzu erkennen, von einem wirklichen Durchbruch sindwir allerdings noch weit entfernt. Dies ist jedoch keinGrund, an der Richtigkeit des Zieles zu zweifeln oderdie Bemühungen um die Tanne zu reduzieren. Im Ge-genteil, vor dem Hintergrund des Klimawandels kommtes heute mehr denn je darauf an, die Ursachen für dennicht befriedigenden Zustand beherzt und entschlos-sen anzugehen. Das Beispiel der Revitalisierung derTannen dank der konsequenten Entschwefelung derKohlekraftwerke und dem damit verbundenen Rück-gang der Schwefeldioxid-Emissionen zeigt, welche Er-folge möglich sind. Mut macht auch, dass die Tanne beiden zahlreichen Sturmereignissen der letzten Jahre ih-re große Stabilität unter Beweis gestellt hat. Ihre Wert-schätzung ist nach dem Jahrhundertsommer 2003nochmals deutlich gestiegen, hat sie doch, eigentlicheher in niederschlagsreichen Regionen zu Hause, eineerstaunliche Trockenheitstoleranz gezeigt. Nach denderzeitigen Klimaprognosen bleiben die Bedingungenfür die Tanne in nennenswerten Teilen Bayerns ins -gesamt noch günstig. Allerdings prognostizieren dieneu entwickelten Klimarisikokarten der LWF in colli-nen Gebieten mit warm-trockenen Klimabedingungenein höheres, zum Teil auch hohes Risiko. Das bedeutetnun nicht, dass die Tanne hier überhaupt nicht mehram Bestandsaufbau beteiligt werden sollte. Vielmehrgilt es, wie bei anderen Baumarten auch, die Anteileder Baumart in der Verjüngung entsprechend dem Risiko zu bemessen. Gerade bei der Tanne als typi-scher Mischbaumart ist die Gefahr einer Fehlentwick-lung vergleichsweise gering.

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Mehr Mut zur Tanne

In die Beurteilung muss neben den künftigen klimati-schen Bedingungen (Klimarisikokarten) zwingendauch der jeweilige Boden und seine Wasserspeicher-leistung einbezogen werden. Insbesondere sind die ho-he Wurzelenergie und die Fähigkeit der Tanne, Wasser-vorräte auch in tieferen Bodenschichten oder tonigenBöden zu erschließen, zu berücksichtigen. Die Tannekann und sollte daher auf solchen Standorten mit hö-heren Anteilen beteiligt werden. Gerade in den bereitsheute warm-trockenen Gebieten, in denen künftig vie-le Baumarten ein höheres Risiko aufweisen, kommt esdarauf an, gemischte und gestufte Bestände mit einermöglichst breiten Palette von Baumarten zu schaffen.Auf diese Weise wird das Risiko eines flächigen Aus-falls deutlich gemindert.

Künftig werden auch verstärkt Alternativen zur Fichteals Basis für die heimische Forst- und Holzwirtschaftverlangt. Seit längerer Zeit bewährte Gastbaumartenwie Douglasie und in begrenztem Umfang auch dieKüstentanne können in den künftigen Wäldern einegrößere Rolle spielen. Laufende oder neu in Angriff ge-nommene Anbauversuche werden zeigen, ob sich dieBaumartenpalette darüber hinaus noch erweitern lässt.Aber allzu leicht wird in der Debatte um Fremdländer-anteile vergessen, dass wir mit der Tanne eine heimischeund auf entsprechenden Standorten hochproduktive Nadelbaumart zur Verfügung haben, die ökonomischeund ökologische Vorteile vereint.

Tannen-Naturverjüngung nutzen wo immer möglich

Es spricht also viel dafür, die Anteile der Tanne vor allem in den für sie auch künftig noch günstigen Berei-chen zu erhöhen. Dies ist nicht zwingend mit hohen Investitionen verbunden. Die günstigste und effektivsteMöglichkeit bietet die Naturverjüngung. Die Tanne ver-fügt über ein enormes Naturverjüngungspotential. Die-ses kostenlose Angebot der Natur gilt es zu nutzen, woimmer möglich, auch bei höherem Klimarisiko. Natur-verjüngungen verfügen auf Grund ihrer hohen Aus-gangspflanzenzahlen über eine große genetische Viel-falt. Sie bietet dem daraus erwachsenden Bestandgrößere Chancen, sich an die verändernden Umwelt-bedingungen anzupassen.

Analysen verschiedener Tannenherkünfte am Amt fürForstliche Saat- und Pflanzenzucht Teisendorf bestätig-ten bedeutende Unterschiede bei der genetischen Va-riabilität. Die Tannenvorkommen im Alpenvorland undin den Alpen weisen eine große genetische Vielfalt auf,bei den Herkünften aus Nordostbayern (Frankenwaldund Fichtelgebirge) ist diese jedoch stark eingeschränkt.Dort sollte regional geeignetes Pflanzgut mit hoher ge-netischer Vielfalt die Naturverjüngung ergänzen.

In Gebieten, in denen sich die Tanne auch künftig guteignet, aber heute in den Ausgangsbeständen nicht vor-kommt, sollte sie nach Möglichkeit gepflanzt werden.Das gilt ganz besonders in Gebieten, in denen das

Abbildung 2: AngepassteWildbestände sind eine un-abdingbare Voraussetzungfür eine erfolgreiche Tannennaturverjüngung.(Foto: T. Bosch)

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Mehr Mut zur Tanne

Klimarisiko der Tanne niedriger ist als das der Fichte.Allerdings wollen solche Investitionen wohl überlegtsein, um langfristig Erfolg zu haben. Dabei müssen Fak-toren wie die waldbauliche Ausgangssituation, dieWuchsrelation zu anderen Pflanzen oder die Verbissbe-lastung in die Entscheidung mit einbezogen werden.Eine Selbstverständlichkeit sollte sein, die richtigenHerkünfte zu verwenden.

Mehr Tanne mit Können und Engagement

Die aus vielfältigen Gründen erwünschte Erhöhung desTannenanteils kann jedoch nur unter zwei Vorausset-zungen gelingen, zum einen einer naturnahen Wald -bewirtschaftung und zum anderen angepasster Wild-bestände. Bei all den neuen Aspekten dürfen diebekannten und bewährten Grundsätze eines naturna-hen Waldbaus nicht ausgeblendet werden. Tannenge-rechter Waldbau verlangt lange Verjüngungszeiträume,zurückhaltende Eingriffe vor allem zu Beginn der Ver-jüngungsphase und gestuften Waldaufbau in Mischungmit Buche und anderen Baumarten. Die Tanne eignetsich nicht für kurze Umtriebszeiten oder Kahlschlag-wirtschaft. Dies darf bei den aktuellen Diskussionen umdie Sicherung ausreichender Nadelholzanteile nichtvergessen werden. Angepasste Wildbestände sindzwingend notwendig, um eine natürliche Verjüngungder Tanne im Wesentlichen ohne Schutzmaßnahmenzu ermöglichen. Erforderlich ist eine konsequente Um-setzung des im Bayerischen Waldgesetz verankertenGrundsatzes „Wald vor Wild“. Nach den Ergebnissender Forstlichen Gutachten hat der Anteil der Tanne beiden aufgenommenen Bäumen von 1991 bis 2009 konti-nuierlich von 1,4 auf 3,5 Prozent zugenommen. Dies istzwar erfreulich, aber insgesamt noch bei weitem zu we-nig, zumal die Tannenanteile mit zunehmender Höhein den aufgenommenen Stichprobenflächen deutlichsinken. Um den Tannenanteil in den Wäldern mittelfris-tig nennenswert zu erhöhen, brauchen wir eine niedri-gere Verbissbelastung und höhere Tannen-Verjün-gungsvorräte als erstes und wichtigstes Etappenziel.

Ausblick

Die Tanne ist eine wertvolle Baumart. Wir brauchen siedringend für die Entwicklung eines gesunden, stabilen,strukturreichen und funktionsgerechten Waldes. Es istdaher wichtig, sie zu erhalten und ihren Anteil zu meh-ren. Die neuen Aspekte im Zusammenhang mit demKlimawandel verstärken die Notwendigkeit, die An-strengungen zu erhöhen. Mehr Engagement für die Tan-ne ist zwar oft schwierig, aber immer lohnend.

Key words: Silver Fir, climate change, sylviculture according

to nature, natural regeneration, giving forest priority over

game

Summary: Climate change presents forestry management

with big and new challenges. These are, above all, due to

fact that the spruce is increasingly put at risk and the en-

suing demands for other, more appropriate coniferous spe-

cies. The fir tree is a tree species, which will be able to

cope well with the expected climatic conditions, and whi-

le it used to be widely spread in Bavarian forests it has sub-

sequently decreased for various reasons, over the past few

centuries. Numerous positive characteristics in terms of eco-

logy and forestry turn the fir tree into an indispensable

element of natural forest management. Forest owners and

foresters have been trying for some time now to increase

the proportion of firs in forest structures again. These

efforts have led to a somewhat higher proportion of the

fir in reafforestations. However, these efforts have to be

stepped up even more. A higher proportion of the fir in

Bavarian forests can only be achieved by adhering to the

principles of natural forestry with long reafforestation

periods, while exploiting natural reafforestations wher -

ever possible and, above all, by an adaptation of hoofed

game stocks.

Übersetzung: Susanne Mühlhaus

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Standörtliche Möglichkeiten für den Anbau derTanne (Abies alba und Abies grandis) in BayernChristian Kölling, Wolfgang Falk und Helge Walentowski

Schlüsselwörter: Klimawandel, Anbauschwellenwerte,

Anbaurisiko

Zusammenfassung: Angesichts des Klimawandels ist die

Weißtanne nur in den derzeit kühlen Regionen Bayerns mit

einer Jahresdurchschnittstemperatur unter 7,5°C auch

künftig eine risikoarme Alternative zur anfälligeren Fichte.

Die Küstentanne ist eine Baumart mit eher engen Klima -

ansprüchen. Der Klimawandel wird zu einer deutlichen

Verlagerung ihrer Anbauregionen bei uns führen, ihr An-

bau ist daher mit höheren Risiken verbunden. Weder Weiß-

tanne noch Küstentanne sind an ein warmes, sommertro-

ckenes Klima angepasst, wie es uns der Klimawandel in

großen Teilen Bayerns bescheren wird.

Die Weißtanne ist unbestritten das Lieblingskind vielerFörster. Das mag vor allem daran liegen, dass sie eineheimische Nadelbaumart mit vielerlei waldbaulichenVorteilen ist (z.B. Schattenfestigkeit; langes Verharrenim Dunkelstand; Aufbau wüchsiger, vorrats- und ertrag-reicher, vielschichtiger Dauerwälder mit Extreme ab-pufferndem Bestandsinnenklima und hoher Kohlen-stoffspeicherfähigkeit; stabilisierende Funktion auftonig-mergeligen, quelligen, zu Versumpfung und Hang-rutschung neigenden Sonderstandorten auf Grund ihres intensiven Wurzelwerkes). Sie gilt als weniger trockenheitsanfällig und sturmfester als die Fichte(Mößnang 2004; Muck et al. 2008). Trotz dieser Vorteileweist die letzte Bundeswaldinventur BWI² (LWF 2004)in Bayern nur eine Weißtannen-Fläche von 49.000 Hekt -ar (2,1 Prozent der Waldfläche Bayerns) aus. Entwedersteht die Weißtanne in der Gunst der Waldbesitzer nichtbesonders weit oben oder es gibt objektive Gründe fürihre Seltenheit. Von verschiedenen Seiten werden sol-che Gründe angeführt.

Abbildung 1: Arealkarte der Weißtanne (Die Verbreitungs-daten stellte die Arbeitsgruppe AG Chorologie und Makro-ökologie am Insti tut für Geobotanik der Martin-Luther-Universtät Halle-Wittenberg zur Verfügung.

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Standörtliche Möglichkeiten für den Anbau der Tanne in Bayern

LWF Wissen 66

• Die nacheiszeitliche Rückwanderung der Weißtanneist noch nicht abgeschlossen.Da das Areal der Weißtanne in auffälliger Weise nachNorden hin begrenzt ist (Abbildung 1), geht man da-von aus, dass an dieser Grenze die langsame nach-eiszeitliche Rückwanderung der Weißtanne zum Erliegen gekommen ist und sich kaum noch fortsetzt(Kölling et al. 2004). Bei näherer Betrachtung zeigt sichaber, dass der Haltepunkt der Rückwanderung mitNaturraumgrenzen übereinstimmt. Die Ränder derGebirge bilden die jeweiligen Grenzen zu den ihnenvorgelagerten tannenfreien Ebenen und Hügel -ländern. Ob diese Arealränder gegen das Hügellandvorrangig klimatisch verursacht oder eher auf Grundbereits vorhandener Nutzungseinflüsse entstandensind, lässt sich nicht klären. Fakt ist, dass die Wald-flächen der Hügelländer und Ebenen in Mitteleuropavielfach bereits nutzungsüberprägt und fragmentiertwaren, als die durch die Mittelgebirgszüge wandern-de Tanne dort ankam. Nahe ihrer natürlichen Verbrei-tungsgrenzen sind die Baumarten hinsichtlich Popu-lationsgröße, Vitalität, Reproduktivität und Resilienznicht im Optimum, ziehen sich eng auf für sie güns-tige Standorte zurück (regionale Stenökie) und rea-gieren hier auf einwirkende Ungunstfaktoren beson-ders empfindlich. Manche potentielle Nischen nahedes klimaökologischen Arealrandes konnten viel-leicht auf Grund von Dispersionsbarrieren gar nichterst besetzt werden oder Nutzungseinflüsse und Na-turereignisse merzten kleine Vorposten wieder aus.

• Die Weißtanne ist besonders empfindlich gegenüberSchwefeldioxid-Immissionen.Die Empfindlichkeit der Weißtanne gegenüberSchwefeldioxid-Immissionen ist unbestritten (Ellingund Dittmar 2008; Elling et al. 2009). Tatsächlich über-lebten in besonders stark belasteten Regionen wiedem Erzgebirge nur sehr wenige Tannen die jahr-zehntelange Belastung mit Luftschadstoffen. Auch inden ostbayerischen Gebirgen dürften Schwefeldi-oxid-Immissionen die Seltenheit der Tanne mit ver-ursacht haben (vor allem in Nordost-Bayern; Walen-towski 1998). Nach Elling (2004) ist jedoch nach demRückgang der Emissionen vielerorts eine Abnahmeder Schäden und eine Revitalisierung der Bäume zubeobachten. Es bleibt zu hoffen, dass die Weißtannein den Schadensgebieten nach und nach wieder zu einem Element der Wälder wird.

• Die Weißtanne verträgt keine Kahlschlagswirtschaftmit kurzen Umtrieben. Als ausgesprochene Klimaxbaumart mit sehr hoherSchattentoleranz ist die Weißtanne an dauerwaldar-tige Waldbehandlungsformen gebunden. Abrupte

Unterbrechungen des Kronenschlusses, wie sie imKahlschlags- oder Saumbetrieb die Regel sind, ver-hindern die artgerechte Verjüngung der Tanne undführen früher oder später zu einem lokalen Ausster-ben der Art. Im Frankenwald wurde auf diese Weisedie Tanne von einer häufigen gebietstypischen Wald-baumart zu einer absoluten Rarität (Wirth 1956; Türk1993; Schmidt 2004; Rüther und Walentowski 2008).

• Überhöhte Schalenwildbestände verhindern eine stär-kere Beteiligung der Weißtanne.Unter den Nadelbäumen leidet die Tanne am meis-ten unter Wildverbiss (Schreiber 2010). Er macht sichumso stärker bemerkbar, je seltener die Tanne regio-nal am Waldaufbau beteiligt ist. Für sich genommenkann der Wildverbiss die Seltenheit der Tanne kaumerklären, aber als verstärkender Faktor trägt er sicher-lich dazu bei, dass weniger Tannen als erwartet heranwachsen.

• Die Weißtanne stellt als mitteleuropäische Gebirgs -baumart besondere Ansprüche an das Klima.Im Zuge der Forschungen der Bayerischen Landes-anstalt für Wald und Fortswirtschaft (LWF) zum Kli-mawandel ist das gesamte Areal der Waldbaumartennun stärker in das Blickfeld gerückt. In einer frühe-ren Arbeit (Kölling et al. 2004) beachteten wir diesen Aspekt nur am Rande. Mittlerweile wissen wir, dassdie Areale und Anbaugebiete der Waldbäume sehrstark klimatisch bedingt sind. Im Folgenden kommtes darauf an, den Aspekt der klimatischen Limitie-rung des Tannenvorkommens zu beleuchten. In denZeiten des Klimawandels ist dies keine akademischeFrage mehr, sondern die existenzielle Frage derBaumartenwahl unter veränderten Umweltbedin -gungen.

Abbildung 2: Klimahüllen von Weißtanne, Rotbuche und Fichte (nach Kölling 2007)

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präsent Level I

präsent EuroVegMap

beide präsent

beide absent

postulierte Vorkommen, sondern auch bei Waldinven-turen erfasste reale Vorkommen verwendet. Wir stüt-zen uns dabei auf das Netz der europäischen Waldzu-standserfassung Level I und ordnen den über 8.000Inventurpunkten dieses Netzes reale und potentielleTannenvorkommen zu (Abbildung 3).

Diese Vorkommen verbinden wir mit Klimadaten, umauf diese Weise die korrelative Beziehung zwischenden Vorkommen bzw. Nicht-Vorkommen und den anden Punkten herrschenden klimatischen Bedingungenaufzudecken.

In einem ersten provisorischen Schritt stellten wir nachExpertenurteil den Zusammenhang zwischen Jahres-temperatur und Jahresniederschlagssumme einerseitsund dem europaweiten Vorkommen der Weißtanne inForm einer Risikomatrix dar (Abbildung 4).

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Von der Verbreitungskarte zum Schwellenwertmodell

Eine erste Auswertung von Arealkarten der Baumartenin Form von Klimahüllen (Kölling 2007) hat die klimati-schen Eigenarten unserer Waldbaumarten verdeutlicht.Die Klimahüllen von Weißtanne, Rotbuche und Fichte(Abbildung 2) zeigen unterschiedliche Gestalt und Po-sition in einem Koordinatensystem aus Jahrestempera-tur und Jahresniederschlagssumme.

Die Weißtanne nimmt eine charakteristische Positionzwischen der Fichte und der Rotbuche ein. Tatsächlichmischen sich die drei Baumarten in einem bestimmtenTemperatur- und Niederschlagsbereich und bauen na-türlicherweise strukturreiche Bergmischwälder auf, indenen die Tanne ihre Konkurrenzvorteile insbesonde-re in späten Entwicklungsphasen – späte Zerfallsphaseund Verjüngungsphase – entfalten kann. Hin zu wärme-ren Temperaturen verschwindet zunächst die Fichte,dann die Weißtanne und zuletzt bleibt die Rotbuche übrig. Mittlerweile lösten elaboriertere Modelle die aufArealkarten basierende grobe Auswertung in Form vonKlimahüllen ab. Diese Artverbreitungsmodelle erlau-ben die Übertragung der Schwellenwerte auf die Flä-che (Regionalisierung). Bei der Modellbildung werdennicht nur potentielle, auf Grund von Verbreitungskarten

Standörtliche Möglichkeiten für den Anbau der Tanne in Bayern

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Abbildung 3: In den Art-verbreitungsmodellen ver-wendete reale (EU-Level I)und potentielle (EuroVeg-Map) Vorkommen derWeißtanne; insgesamt wur-den mehr als 8.000 Inven-turpunkte ausgewertet.

präsent Level I

präsent EuroVegMap

beide präsent

beide absent

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belegt. Die Risikomatrix lässt sich auch auf ein mögli-ches Klima der Periode 2071 bis 2100 anwenden (Ab-bildung 6).

Die daraus entstehende Karte offenbart eine Zunahmedes Anbaurisikos in vielen Regionen Bayerns. Die Ge-biete mit sehr geringem Anbaurisiko (blau) schrumpfenauf die ausgeprägten Gebirgslagen zusammen, die Ge-biete mit hohem und sehr hohem Risiko nehmen zu. Diein den Abbildungen 5 und 6 dargestellten Karten sindseit Anfang 2010 in der Bayerischen Forstverwaltung alsProvisorium im Einsatz. Neben den Karten für die Weiß-tanne gibt es auch solche für Fichte, Rotbuche, Eiche(Trauben- oder Stieleiche), Bergahorn, Europäische Lärche, Waldkiefer und Douglasie (Kölling et al. 2010).

Wo bleibt der Boden?

In den provisorischen Klima-Risikokarten werden ledig-lich Klimawerte verwendet, um das Anbaurisiko derWeißtanne abzuleiten. Das lässt sich durchaus begrün-den, denn zahllose wissenschaftliche Arbeiten belegen,dass klimatische Größen und insbesondere die Tempe-ratur die wichtigste Steuergröße für die Verbreitung derArten sind. Nicht nur auf Kontinentalebene, sondernauch auf regionaler Ebene bestimmt das Klima ganzwesentlich das Vorkommen der Arten. Erst auf der lokalen Ebene kommen weitere Steuergrößen hinzu. In

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Die Matrix spiegelt die Verteilung der europäischenWeißtannen wider. Weder potentielle noch aktuelle Vor-kommen sind unter sehr kühlen und sehr hohen Tem-peraturen verbreitet. Bei hohen Temperaturen beein-flusst noch eine zurückgehende Niederschlagssummedie Vorkommen. Der Häufigkeit bzw. dem Fehlen vonVorkommen kann ein abgestuftes Anbaurisiko zugeord-net werden. Die unterschiedlichen Risiken sind als Far-ben dargestellt. Im optimalen mittleren Temperaturbe-reich ist das Anbaurisiko für die Weißtanne sehr gering(blaue Farbe), zu den Rändern hin steigt das Risiko(orange Farbtöne). In diesen Klimakombinationen istder aus den europäischen Vorkommen abgeleitete Ri-sikoschwellenwert überschritten. Die Risikomatrix kannman ohne großen Aufwand auf die in Bayern gegen-wärtig herrschenden Kombinationen aus Jahrestempe-ratur und Jahresniederschlagssumme anwenden unddamit regionalisieren (Abbildung 5).

Dabei zeigt sich das erhöhte Risiko des Tannenanbausin den warm-trockenen Beckenlagen und Flusstälern(Donautal, Mittelfränkisches Becken, Fränkische Platteund Untermain). Tatsächlich sind in diesen Gebietenkaum Tannenvorkommen bekannt und auch im euro-päischen Kontext sind für die hier herrschenden Klima-kombinationen nur sehr wenige Tannenvorkommen

Standörtliche Möglichkeiten für den Anbau der Tanne in Bayern

LWF Wissen 66

Jah

resd

urc

hsc

hn

itts

tem

per

atu

r [C

o ]

Risikomatrix

11,00 – 11,67

9,96 – 11,00

8,58 – 9,96

8,42 – 8,58

8,15 – 8,42

7,93 – 8,15

7,66 –7,93

7,21 – 7,66

6,23 – 7,21

4,0 – 6,23

3,5 – 4,0

-1,39 – 3,5

532 – 549 549 – 739 739– 807 807 – 910 910 – 1210 1210 – 2734

Jahresniederschlagssumme [mm]

sehr geringes Risiko geringes Risiko erkennbares Risiko mittelhohes Risiko deutlich erhötes Risiko hohes Risiko sehr hohes Risiko

Abbildung 4: Risikomatrix der Weißtanne nach den Größen Jahrestemperatur und Jahresniederschlagssumme, wie sieden Klima-Risikokarten in den Abbildungen 5 und 6 zu Grunde liegt.

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Standörtliche Möglichkeiten für den Anbau der Tanne in Bayern

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niederschlagsarmen und warmen Regionen zeigen sichUnterschiede, je nach dem, ob Sonneneinstrahlung dieBäume zusätzlich belastet oder nicht. Umgekehrt pro-fitieren die Bäume in Regionen mit Wärmemangel vonzusätzlicher Strahlungsenergie, wie sie an Südhängenbereitgestellt wird. In Gebieten mit knappen Nieder-schlägen kann ein tiefgründiger Boden mit hoher Was-serspeicherung den Bäumen über Durststrecken hin-weghelfen. Dies gilt insbesondere für die Tanne mitihrem tief reichenden Wurzelwerk. Weder der lokaleFaktor Strahlung noch der Boden kann allerdings eineregionale Klimaungunst komplett aufheben. Lediglich inden klimaökologischen Randbereichen des Vorkom-mens einer Art gibt es eine Übergangszone (Ökoton),innerhalb der zunehmend lokale Lage, Lokalklima undBoden über Präsenz und Absenz entscheiden (ökolo-gische Kompensation; regionale Stenökie). Ein günsti-ges Bodenwasserangebot kann beispielsweise die ge-ringen Niederschläge von 520 Millimetern an dernordöstlichen Arealgrenze in Polen kompensieren (Kra-mer 1992). Lage- und Bodenparameter, die die Klima -situation modifizieren, sollten bei der Anwendung derKlima-Risikokarten in der Praxis speziell in klimaöko-logischen Randbereichen einer Baumart besonders berücksichtigt werden, ebenso wie eine geeignetewaldbauliche Behandlung und konsequente Wild -bestandsregulierung. Gerade Populationen am Randeder klimaökologischen Amplitude eines Genotyps be-finden sich in evolutiver Anpassung und müssen dahererhalten werden. Sie können ein wertvolles Genpoten-tial für die Anpassung der Wälder darstellen.

Ein ausreichender Wasserhaushalt ist für die Weißtan-ne wichtiger als eine gute Nährstoffversorgung, da dieBaumart bodenvag ist. Tannen wachsen sowohl auf kar-bonatreichen als auch auf silikatischen, basenarmenStandorten. Sie gedeihen auch auf luftarmen, vergley-ten Böden und können schwere tonige Substrate mit ih-ren Wurzeln durchdringen. Auf geeigneten Standortenund selbst auf staunassen Böden dringen Tannenwur-zeln bis in eine Tiefe von 1,6 Metern und damit weiterals viele andere Baumarten vor (Bucher 1999; Walen-towski et al. 2005).

Bäume für die Zukunft

Mit komplexen statistischen Artverbreitungsmodellenversuchen wir im Vorhaben „Bäume für die Zukunft“im Rahmen des Klimaprogramms Bayern 2020 die Beziehung zwischen dem Vorkommen der Arten undden herrschenden Standortsbedingungen noch trans-

Abbildung 5: Regionalisierung der Risikomatrix der Weißtanne mit den Klimawerten der Periode 1971–2000

Abbildung 6: Regionalisierung der Risikomatrix der Weißtanne mit den Klimawerten der Periode 2071–2100(Regionales Klimamodell WETTREG, Szenario B1)

sehr geringes Risiko

geringes Risiko

erkennbares Risiko

mittelhohes Risiko

deutlich erhöhtes Risiko

hohes Risiko

sehr hohes Risiko

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Die Vorteile der Artverbreitungsmodelle liegen darin,dass sie mit einer objektiven Methode sowohl Inventur-daten als auch das Expertenwissen von Vegetationskar-ten nutzen können. Die die heutige potentielle Verbrei-tung gut beschreibenden Modelle lassen sich auch indie Zukunft extrapolieren. Die Voraussetzung dafür ist,bei der Modellentwicklung das gesamte Areal zu be-trachten. Im Falle der Weißtanne sollte ein europäi-scher Datensatz zugrunde liegen (Falk und Mellert 2011).Denn für weite Bereiche Bayerns wird für die Zukunftein Klima vorhergesagt, das heute beispielsweise nurin Frankreich oder Italien herrscht. Wenn dort Tannenvorkommen, wird daraus geschlossen, dass sie auchentsprechende künftige Bedingungen in Bayern ertra-gen werden. Bei der Modellierung wird darauf geach-tet, dass das Modell die Standortsparameter, die dieVerbreitung der Baumart erklären, dem ökologischenWissen über die Baumarten gemäß interpretiert (z. B. bei 500 bis 600 Millimetern JahresniederschlagTrockenheitsgrenze der Tannenverbreitung). Die Mo-delle betrachten zahlreiche Standortsfaktoren gleichzei-tig und beschreiben das Potential für den Tannenanbau(Abbildung 7). Artverbreitungsmodelle sind daher eingeeignetes Hilfsmittel, um bei der Baumartenwahl einefundierte Entscheidung zu treffen.

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parenter und präziser zu erfassen. Das Ergebnis sindVorhersagemodelle, deren Ausgabegröße die Auftre-tenswahrscheinlichkeit der Art ist. Für die Weißtanneergibt ein mit der Methode der Generalisierten Additi-ven Modelle (GAM) auf der Grundlage von Klimadatenberechnetes Modell ein Ergebnis der für die Gegenwart1971 bis 2000 (Abbildung 7) und die Zukunft 2071 bis2100 (Abbildung 8) unterschiedlichen Wahrscheinlich-keiten des Vorkommens.

In der Gegenwart ist fast auf der ganzen Landesflächedie Wahrscheinlichkeit, eine Weißtanne anzutreffen odererfolgreich anbauen zu können, hoch. In der Zukunftsinkt diese Wahrscheinlichkeit regional ganz beträcht-lich. An vereinzelten Punkten im Gebirge hingegen steigtsie an. In der in den Abbildungen 7 und 8 dargestelltenrohen Form der Wahrscheinlichkeiten lassen sich dieModelle noch nicht unmittelbar für die Praxis verwerten.Dazu müssen den Wahrscheinlichkeiten Risikowerte zu-geordnet werden. Außerdem sollen die Modellergebnis-se nicht nur auf einzelne Inventurpunkte, sondern in ho-her Auflösung auf die gesamte Waldfläche bezogenwerden. Schließlich sind noch weitere Faktoren wieStrahlung und Bodeneigenschaften zu beachten. Am En-de entstehen Karten, die zwar ähnlich aussehen wie diein den Abbildungen 5 und 6 dargestellten Provisorien,aber höher aufgelöst sind und neben dem Klima auchweitere Standortsfaktoren berücksichtigen.

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Abbildung 7: Anwendung eines aus europäischen Verbrei-tungsdaten erstellten Artverbreitungsmodells auf die Klima-werte 1971-2000 an den Inventurpunkten der Bundes -waldinventur BWI²

Abbildung 8: Anwendung eines aus europäischen Verbrei -tungs daten erstellten Artverbreitungsmodells auf die Klima-werte 2071-2100 (Regionales Klimamodell WETTREG, SzenarioB1) an den Inventurpunkten der Bundeswald inventur BWI²

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der zukünftigen klimatischen Entwicklung ist es aberwichtig, die Wärme- und Trockentoleranz der Weißtan-ne nicht über Gebühr zu beanspruchen.

Alternative Küstentanne?

Es liegt nahe, die Weißtanne mit anderen nicht heimi-schen Tannenarten zu vergleichen. Für den forstlichenAnbau hat man in größerem Umfang bei uns vor allemdie Küstentanne (Abies grandis) herangezogen. Insbe-sondere im nordwestdeutschen Raum gibt es einige An-bauerfahrungen mit dieser Baumart, deren Heimat impazifischen Westen Nordamerikas liegt (Abbildung 9).

Ihr Areal ist zweigeteilt. Der küstennahe Teil liegt in denBergketten an der Pazifikküste vor allem in den StaatenWashington und Oregon, der Inlandsteil in den RockyMountains mit einem Schwerpunkt in Idaho. Das Klimaim Küstenareal ähnelt in gewisser Weise dem Klima beiuns, das Inlandsareal dagegen hat ein völlig anderesKlima (Abbildung 10). Daher werden für den Anbau beiuns auch nur die Küstenherkünfte verwendet (Konnertund Schirmer 2011, in diesem Band).

17

Heilsbringerin Weißtanne?

Je mehr man sich mit dem Klimawandel und seinerAuswirkung auf die Waldbäume befasst, desto mehrwird deutlich, dass es bei der Baumartenwahl keine Pa-tentlösungen gibt. Jede Baumart hat ihre naturgegebe-nen Anbaugrenzen und es ist nur eine Frage der Regi-on und der weiteren klimatischen Entwicklung, obdiese erreicht und überschritten werden. Unter be-stimmten, gut definierten Standortsbedingungen ist dieWeißtanne eine hochvitale und sehr leistungsfähigeBaumart. Das „Tannenparadies“ ist der mitteleuropäi-sche Gebirgsraum mit seinem mäßig kühlen und mä-ßig feuchten Klima. Auch außerhalb ihres eng begrenz-ten Areals hat die Weißtanne Anbaupotentiale, soferndie klimatischen Bedingungen dort nicht zu sehr vonden im Areal herrschenden abweichen. „Trocken -tannen“ wie sie aus dem Schweizer Kanton Wallis (Krause und Konnert 2009), aus dem Vinschgau im Wes-ten Südtirols (Autonome Provinz Südtirol 2010) oder ausMittelfranken (Kölling und Borchert 2004) bekannt sind,entpuppen sich bei näherer Betrachtung stets als Vor-kommen, die zwar unter geringeren Jahresnieder-schlagssummen (weniger als 800 Millimeter), aber beinicht zu warmen Temperaturen (unter 9,5 °C) gedei-hen. Gewiss kommen solche Vorkommen dem Exis-tenzrand der Weißtanne schon recht nahe. Angesichts

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Küstenherkünfte

Inlandsherkünfte

Abbildung 9: Areal der Küstentanne(nach Little 1971) im pazifischen Nord-westen Nordamerikas (BundesstaatenWashington, Oregon und Idaho)

Küstenherkünfte

Inlandsherkünfte

Washington

Oregon

Montana

Idaho

Kalifornien Nevada Colorado

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Abbildung 10: Sommer- und Wintertemperatur -spektren im Vergleich(1901–2002 aus dem Daten -satz CRU TS 2.1, Mitchellund Jones 2006)

20

18

15

13

10BRD Buche A.G.

InlandA.G. Küste

Weiss-Tanne

BRD Buche A.G. Inland

A.G. Küste

Weiss-Tanne

-10

10

8

5

3

0

-3

-5

-8

Tem

pera

tur

[o C]

Tem

pera

tur

[o C]

Sommertemperatur Juni, Juli, August

Wintertemperatur Dezember, Januar, Februar

Areal

Extremwerte

Median

75 %-Wert

25 %-Wert

5 %-Wert

95 %-Wert

Abbildung 11: Anwendung der Klimadaten aus Abbildung10 (2. und 3. Quartil) auf das Klima Bayerns 1971–2000

Abbildung 12: Anwendung der Klimadaten aus Abbildung10 (2. und 3. Quartil) auf das Klima Bayerns 2071–2100

Wie die Abbildung 10 zeigt, herrschen im küstennahenTeilareal im Vergleich zum Klima Deutschlands kühle-re Sommer und wärmere Winter. Wendet man den zen-tralen Teil der Sommer- und Wintertemperaturspektrender Küstentanne (das zweite und dritte Quartil) auf dasgegenwärtige Klima Bayerns an, entsteht ein Bild mög-licher Anbaugebiete für diese Baumart (Abbildung 11).Es handelt sich dabei um die (sub-)atlantisch gepräg-ten Regionen Bayerns, für die warme Winter und küh-le Sommer typisch sind. Im Klimawandel verlagern sichdiese Gebiete in die höheren Mittelgebirge und in dieAlpen (Abbildung 12).

Auf Grund der relativ engen Temperaturspektren derKüstentanne existieren kaum Gebiete, die sich nach denangelegten Maßstäben sowohl unter gegenwärtigen alsauch unter künftigen Klimabedingungen gleicherma-ßen für den Anbau eignen. Wo man auch erwägt, dieKüstentanne in Bayern anzubauen, das Risiko wird ent-weder gegenwärtig oder in der Zukunft hoch sein.

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Standörtliche Möglichkeiten für den Anbau der Tanne in Bayern

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Key Words: Climate change, cultivation thresholds, culti-

vation risk

Summary: With regard to climate change, the cultivation

of silver fir on presently cooler sites in Bavaria with a

mean annual temperature below 7.5° C is a low risk alter-

native to cultivation of the more vulnerable Norway spruce.

Grand fir is a species with specific climatic requirements and

climate change is causing a shift in site suitability for its

establishment. As a result, cultivation of this species is con-

sidered risky. Neither silver nor grand fir is adapted to a

warm climate with dry summers which is predicted for lar-

ge areas of Bavaria due to climate change.

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keinen Kontakt untereinander hatten. Als es vor unge-fähr 14.000 bis 12.000 Jahren wieder wärmer wurde, be-gann die Rückwanderung der Baumarten. Die sich vonWest nach Ost ausdehnenden Zentralalpen stellten da-bei ein Hindernis dar, das umgangen werden musste.Aus Pollenfunden weiß man, dass die Tanne südlichder Alpen bereits um 8.000 v. Chr. eintraf, nördlich derAlpen aber erst zwischen 2.500 und 500 v. Chr. DieKombination von Pollenfunden und genetischen Ana-lysen ermöglichte es, die Rückwanderungsgeschichteder Weißtanne ziemlich genau nachzuzeichnen (Kon-nert und Bergmann 1995; Liepelt et al. 2006).

In das Alpen- und Voralpengebiet kam die Tanne ausihren inselartigen Refugien im Apennin über den rela-tiv kurzen „Allgäuweg“ (Rheingraben). Eine neuere Arbeit (Liepelt et al. 2006) geht davon aus, dass dasHauptrefugium nicht im Apennin, sondern in den fran-zösischen Seealpen lag und von dort die Wanderungsüdlich der Alpen begann. Unbestritten ist, dass dieTanne über den deutlich längeren „Ostalpenweg“ (Süd-und Ostrand der Alpen, Waldviertel) in die ostbayeri-schen Mittelgebirge, die Berchtesgadener Alpen undden Chiemgau zurückwanderte. Auf diesem Rückwan-derungsweg war der Selektionsdruck größer, vor allemwegen der starken Konkurrenz der Buche, die in Ost-bayern vor der Tanne eingetroffen war (Mayer 1984). Daraus folgte ein Verlust bestimmter Genotypen. Nochheute sieht man dies an den deutlich geringeren Diver-sitätswerten der Tannenpopulationen aus Ost- undNordostbayern (z. B. Konnert 1993; Konnert und Hussen-dörfer 2004). Über den westlichen Rückwanderungs-weg („Schweizer Jura-Weg“) kam die Tanne in die Vogesen und den Schwarzwald. Im Schwäbisch-Fränkischen Wald und den angrenzenden RegionenMittelfrankens dürften sich die Ausläufer westlicher(„Schweizer Jura-Weg“) und östlicher („Ostalpen-Weg“) Rückwanderungswege getroffen und eine „Intro-gressionszone“ gebildet haben. Die Refugien in den Py-renäen, in Süditalien (Kalabrien) und auf dem Balkanspielten für die Tanne in Süddeutschland keine Rolle.

20

Schlüsselwörter: Weißtanne (Abies alba), Küstentanne

(Abies grandis), genetische Variation, Provenienzversuche,

Herkünfte im Klimawandel

Zusammenfassung: Die Weißtanne ist eine Baumart mit

einer ausgeprägten kleinräumigen genetischen Differen-

zierung. Diese ist unter anderem eine Folge ihrer nacheis-

zeitlichen Rückwanderungsgeschichte. Die genetische Dif-

ferenzierung der Weißtannenpopulationen in Bayern liegt

bei sechs Prozent und ist damit dreimal größer als die der

Buche. Die großen genetischen Unterschiede zeigen sich

auch in den Provenienzversuchen. Die höchste Wuchsleis-

tung auf bayeri schen Flächen bei gleichzeitig geringen Aus-

fällen zeigen Herkünfte aus den Karpaten (Rumänien, Slo-

wakei) und aus Südwestdeutschland. Herkünfte aus West-

und Südeuropa hingegen wachsen schwächer und sind

frostgefährdet. Im Klimawandel könnten auch „Trocken-

tannen“ interessant werden. In Anbauversuchen wird des-

halb geprüft, wie diese Ökotypen mit den Standortsbedin-

gungen in Bayern zurechtkommen. Transferversuche

werden zeigen, wie sich bayerische Herkünfte in wärme-

ren Regionen verhalten. Auch bei der Küstentanne ist die

Herkunftswahl für den wirtschaftlichen Erfolg entschei-

dend. Die in Deutschland wüchsigsten Herkünfte kommen

aus West-Washington und Vancouver Island. In Bayern hat

sich vor allem die Herkunft Elwha River (Olympic Halbin-

sel, Samenzone 221) bewährt. Nicht überzeugen konnten

Küstenherkünfte aus Südoregon sowie Inlandsherkünfte.

Weißtanne (Abies alba)

Ein kurzer Blick zurück Will man die heutige genetische Zusammensetzung derWaldbestände verstehen, muss man weit in die Vergan-genheit zurückgehen. Im Wechsel zwischen langenPhasen der Kaltzeit von bis zu 100.000 Jahren undWarmzeiten von etwa 15.000 Jahren wurde auch dieTanne immer weiter nach Süden abgedrängt. Sie über-lebte südlich der großen Gebirgsketten in räumlich weitvoneinander entfernten Regionen, auf der IberischenHalbinsel, in Südfrankreich, im Apennin und auf derBalkanhalbinsel. In den einzelnen Refugialgebieten bildeten sich unterschiedliche Genkollektive aus, die

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Weißtanne und Küstentanne – Herkunftsfragen und weitere genetische AspekteMonika Konnert und Randolf Schirmer

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• Als Folge sind auch bei der genetischen Diversitätder Populationen regionale Unterschiede zu beob-achten. Beispielsweise nimmt innerhalb Süddeutsch-lands die genetische Diversität von West nach Ostund von Süd nach Nord ab.

Auch die Tannenpopulationen auf dem Gebiet Bayernszeigen diese Eigenheiten. Die Häufigkeiten bestimmterGenvarianten wie IDH-B3 und LAP-A2 nehmen in West-Ost Richtung und in Süd-Nord Richtung ab. Die geneti-sche Diversität und Heterozygotie (Grad der Gemischt -erbigkeit) sind in Südwestbayern viel höher als in denanderen Regionen. Die geringste Diversität haben dieTannenpopulationen in Nordostbayern (Frankenwald,Fichtelgebirge; Abbildung 1). Die mittleren genetischenAbstände zwischen bayerischen Tannenpopulationenliegen zwischen circa zwei und 20 Prozent. An einzel-nen Genorten wurden aber auch Werte von bis zu 40Prozent ermittelt. Abstandswerte über fünf Prozent, er-mittelt mit Isoenzymmarkern, gelten als hoch und sindein Indiz für ausgeprägte genetische Unterschiede zwi-schen den Populationen. Die Gesamtdifferenzierung

21

Die Weißtanne – aus genetischer Sicht eine „besondere“ BaumartFür die Weißtanne liegen zahlreiche Analysen zur ge-netischen Variation und Differenzierung im gesamteneuropäischen Verbreitungsgebiet vor (z.B. Bergmann etal. 1990; Breitenbach-Dorfer et al. 1992; Konnert 1993, 1996;Longauer 1992; Bergmann und Konnert 1995; Hussendörfer1997; Konnert und Hussendörfer 2004). Sie zeigten, dassdie Tanne im Vergleich zu anderen Baumarten einige„genetische Besonderheiten“ aufweist:• Sie hat arealspezifische Genvarianten, das heißt, ein-

zelne Genvarianten sind nur in bestimmten Regionenzu finden (Tabelle 1). Oft hängen diese Varianten mitden früheren Refugialgebieten zusammen. SolcheGenvarianten sind für die Herkunftskontrolle wichtig.Aus ihrer An- bzw. Abwesenheit kann man Rückschlüs-se auf die Herkunft des Vermehrungsgutes ziehen.

• Es gibt geographische Kline in den Häufigkeiten derErbanlagen an mehreren Genorten, das heißt, dieHäufigkeiten bestimmter Genvarianten nehmen mitder geographischen Länge und/oder Breite zu.

Weißtanne und Küstentanne – Herkunftsfragen und weitere genetische Aspekte

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Herkunft AP-A1 AP-A3 6PGDH-B3 GOT-B3 MNR-B1 MNR-B2 PGM-B1

Pyrenäen

Kalabrien

0 1 1 1 0 0 0

0 1 1 0 0 1 1

Mittelitalien

Massif central

Französischer Jura

Vogesen

Schwarzwald

Südbayern

Thüringen

Böhmerwald

0 1 0 1 1 0 0

0 1 0 1 1 0 0

0 1 0 1 1 0 0

0 1 0 1 1 0 0

0 1 0 1 1 0 0

0 1 0 1 1 0 0

0 1 0 1 0 0 0

0 1 0 1 0 0 0

Zentralböhmen

Südost-Österreich

Sudeten

Mähren

Slowakische Karpaten

Beskiden

0 1 0 0 0 0 0

1 1 1 0 0 0 0

0 1 1 1 0 0 0

0 1 1 1 0 0 0

1 1 1 0 0 0 0

0 0 1 1 0 0 1

Rumänische Karpaten

Serbien

Mazedonien

Bulgarien

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1 0 1 0 0 1 1

1 0 1 0 0 1 1

Tabelle1: Unterschiedliche Genvarianten in Tannenpopula-tionen aus verschiedenen Regionen, 1 = Variante ist enthal-ten; 0 = Variante ist nicht enthalten (nach Konnert und Bergmann 1995)

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Als Mitte der 1970er Jahre an der einheimischen Weiß-tanne verstärkt Schäden auftraten, begannen Bayernund Baden-Württemberg einen gemeinsamen Versuch,um herauszufinden, wie Herkünfte aus Gebieten mit ge-ringen Waldschäden bei uns wachsen und ob sie eineAnbaualternative für die heimischen Herkünfte darstell-ten. In den Jahren 1986 bis 1989 wurden 16 Versuchs-flächen angelegt, davon elf in Bayern (Abbildung 2).Ausgewählt wurden Standorte, auf denen die Weißtan-ne auch natürlich vorkommt. Neben 42 süddeutschenProvenienzen umfasst der Versuch 17 europäische Her-künfte aus dem gesamten Verbreitungsgebiet dieserBaumart (Wolf et al. 1994).

Die Pflanzen entwickelten sich auf den Flächen sehrunterschiedlich. Im nordöstlichen kontinentalen Klimain Bayern (Nordhalben, Tännesberg) und auf derhöchstgelegenen Fläche in den Kalkalpen bei Füssenwuchsen sie am schwächsten, die Ausfälle waren vergleichsweise hoch. Demgegenüber gediehen diePflanzen sehr gut auf der Fläche Tiengen im Süd-schwarzwald und auf den beiden Flächen im Flysch-Moränengebiet Bad Reichenhall und Traunstein. Flä-chen mit Frostgefährdung und nach Süden geneigteHangflächen zeigten deutlich höhere Ausfälle als nachNorden oder Nordwesten geneigte Hänge, von denenKaltluft problemlos abfließen kann (Ruetz et al. 1998).Die höchste Wuchsleistung auf allen bayerischen Flächen bei gleichzeitig geringen Ausfällen (unter 15Prozent) zeigen Herkünfte aus Rumänien und der öst-lichen Slowakei (Abbildung 3).

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der Tannenpopulationen in Bayern liegt bei circa sechsProzent, ein hoher Wert, der die genetische Heteroge-nität der Populationen bestätigt. Die genetische Diffe-renzierung der Buchenpopulationen in Bayern liegt beietwa zwei Prozent (Konnert 1995).

In den Hauptverbreitungsgebieten der Tanne – Al-pen und Ostbayerische Mittelgebirge – ist die Differen-zierung deutlich geringer als in den Gebieten mit sehrfragmentierten und in ihrem Umfang stark reduziertenVorkommen wie in Mittelfranken und im Tertiären Hü-gelland. Hier veränderte menschliches Handeln das ur-sprüngliche genetische Muster wesentlich, ein klarerZusammenhang zwischen geographischer Nähe undgenetischer Ähnlichkeit ist nicht mehr zu erkennen. DieDiversität und der Grad der Gemischterbigkeit sind beimanchen Populationen mittel bis hoch, bei anderen nurgering. Die Unterschiede sind von Bestand zu Bestandbeträchtlich.

Ergebnisse aus Provenienzversuchen – Folgerungen für den Anbau in BayernProvenienz- oder Herkunftsversuche sind ein wichtigesInstrument, um die phänotypische Reaktion von Prove-nienzen auf unterschiedliche Umweltbedingungen zuprüfen. Die phänotypische Antwort einer Herkunft aufverschiedenen Testflächen mit unterschiedlichen Be-dingungen kann als simulierte Antwort auf sich ändern-de Bedingungen angesehen werden. Gleichzeitig zei-gen solche Versuche, wie groß die Anpassungsspanne(Plastizität) von Herkünften sein kann (Matyas und Na-gy 2004; Matyas et al. 2010).

Weißtanne und Küstentanne – Herkunftsfragen und weitere genetische Aspekte

LWF Wissen 66

Genetische Diversität

30252015105 0

Mittelschwäbisches Hügelland

Tertiäres Hügelland

Mittelfranken

Bayerischer Wald

Alpen

Nordostbayern

Vgam

Abbildung 1: Genetische Diversität in Weißtannenpopu -lationen aus verschiedenen Regionen Bayerns (mittlere regionale Werte als Balken, Extremwerte sind mit Linienverbunden) (Vgam = genetische Diversität)

Nordhalben

Fichtelberg

Tännesberg

Kehlheim Rusel

Anzing

Griesbach

Füssen

Traunstein

Bad Reichenhall

Grafrath

Abbildung 2: Lage der bayerischen Versuchsflächenim süddeutschen Tannen-Provenienzversuch

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den hoch. Die Ausfälle der Kalabrischen Herkunft stie-gen von 32 Prozent im Alter von elf Jahren auf 47 Pro-zent im Alter von 20 Jahren (Ruetz und Stimm 1994). DieErgebnisse dieses Versuches werden bei den Her-kunftsempfehlungen für forstliches Vermehrungsgut inBayern berücksichtigt. Für den ostbayerischen Raumwurden Herkünfte aus der Ostslowakei bereits als Ersatzherkünfte zugelassen. Zurzeit wird auch eine Zulassung von Herkünften aus Rumänien geprüft. Voraussetzung dafür sind herkunftsgesicherte Ernten.

Provenienzen aus warmen und trockenen Regionen –eine Alternative im Klimawandel?Im Klimawandel kommt es nicht nur auf die Wahl derrichtigen Baumart an, sondern auch auf die Wahl derrichtigen Herkunft (Konnert 2007). Die Tanne wird fürweite Regionen Bayerns empfohlen (Kölling et al., in die-sem Band). Allerdings ist bei dieser genetisch stark differenzierten und in einigen Regionen auch genetischverarmten Baumart der Herkunftsfrage besonderes Augenmerk zu schenken. In diesem Zusammenhangsind Herkünfte aus wärmeren und trockeneren Regio-nen besonders interessant. Auf der Südseite der

23

Ähnlich gut wachsen diese Herkünfte auch auf Flächenin Norddeutschland (Svolba 1994), der Schweiz (Com-marmot 1984) und der ehemaligen Tschechoslowakei(Paule und Hynek 1994). Sie entstammen einem Refugi-um im östlichen Balkan (möglicherweise in den Süd-karpaten oder in der Dobrudscha) und unterscheidensich genetisch deutlich von den mitteleuropäischenHerkünften (Konnert und Bergmann 1995). Mit Genmar-kern wurde eine hohe genetische Vielfalt nachgewie-sen, die Herkunftsversuche belegen ihre hohe Plastizi-tät. Die als Standard in die Versuche eingebrachteAlpenherkunft Siegsdorf erreicht in allen süddeutschenVersuchen guten Durchschnitt. Noch zufriedenstellen-de Wuchsleistungen zeigten Herkünfte aus den Voge-sen, dem Schwarzwald, dem Schwäbisch-FränkischenWald und den Bayerischen Alpen.

Demgegenüber lagen die Herkünfte aus dem west -lichen Frankreich, die italienischen Herkünfte ein-schließlich Kalabrien, die Herkünfte aus den ostbaye-rischen Mittelgebirgen und eine Herkunft ausMazedonien in der Wuchsleistung unter dem Durch-schnitt. Bei Herkünften aus Serbien und Kalabrien waren die Ausfälle vor allem auf Grund von Frostschä-

Weißtanne und Küstentanne – Herkunftsfragen und weitere genetische Aspekte

LWF Wissen 66

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Süddeutscher Weißtannen-Provenienzversuch140

120

100

80

60

40

20

0

Höhe Ausfall

Abbildung 3: Ergebnisse des süddeutschen Weißtannen-Provenienzversuches über alle Flächen; angegeben sind das Ausfallprozent und die Höhe im Alter 20.

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Unabhängig von der Herkunftsfrage muss in Anbe-tracht des Klimawandels der genetischen Diversität gro-ße Aufmerksamkeit geschenkt werden. Nur genetischvariable Populationen können langfristig auf sich än-dernde Bedingungen reagieren. Daher sollte in Gebie-ten wie z.B. im Frankenwald, Fichtelgebirge, teilweiseauch in Mittel- und Unterfranken, in denen die geneti-

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Schweizer Alpen und in Südtirol existieren Weißtannen-Ökotypen, die auf der Alpen-Nordseite nicht vorkom-men. Dazu gehören die Trockentannen im Wallis undim Vinschgau. Wie Hussendörfer (1997) zeigte, sind diesentwicklungsgeschichtliche Grenzvorkommen am Ran-de des trocken-subkontinentalen Alpeninneren. Siekonnten sich bis heute an Sonderstandorten (meistSchattseiten) reliktisch erhalten und zeichnen sichdurch eine sehr hohe genetische Diversität aus.

In dem vorhin beschriebenen Herkunftsversuch istauf den Flächen Bad Reichenhall und Nordhalben auchdie Herkunft Ochsenboden aus dem Wallis vertreten. Aufder Bad Reichenhaller Fläche erreichte sie in der Wuchs -leistung mittleres Niveau. In Nordhalben war ihre Wuchs-leistung schwächer. Sie belegte dort nur Rang 21 von 26Herkünften, war aber der einheimischen ostbayerischenHerkunft Zwiesel (Rang 26) noch immer überlegen. EinAnbauversuch in Fichtelberg mit der Walliser Trocken-tanne (Abbildung 4) und der einheimischen HerkunftRehau führte zum gleichen Ergebnis. Im Alter 20 war dieWalliser Tanne der lokalen Herkunft in der Wüchsigkeitund Vitalität deutlich überlegen.

In einem weiteren Anbauversuch im Osinger Waldbei Laufen (Oberbayern) wächst die Walliser Trocken-tanne genauso gut wie die Alpenherkunft Siegsdorf. Siekommt demnach mit den derzeit bei uns herrschendenStandorts- und Klimabedingungen gut zurecht. Da sieaußerdem in ihrem Ursprungsgebiet an Wärme undTrockenheit gut angepasst ist, könnte sie bei der zu erwartenden Klimaerwärmung auch für Teile Bayernsinteressant werden. In Kürze legt das Bayerische Amt fürforstliche Saat- und Pflanzenzucht (ASP) weitere Anbau -versuche in Unterfranken mit der Walliser Tanne sowiemit Tannen aus dem Vinschgau an, um zu sehen, obsich die Trockentannen auch für diese Region eignen.

Demgegenüber begrenzt die fehlende Frostresistenzder kalabrischen Tanne den Anbau. Obwohl einigeBäume auf den Flächen des Provenienzversuches einegute Wuchsleistung gezeigt haben, sind die Ausfälle aufGrund von Frost ein Ausschlusskriterium für den An-bau dieser Herkunft in Bayern und im Alpenraum.Auch wenn sich das Klima langsam erwärmt, ist wei-terhin mit einzelnen Frostereignissen zu rechnen.

Der Transfer der heimischen Herkünfte in wärmereund trockenere Gebiete kann die erwartete Klimaände-rung quasi »vorwegnehmen« und erlaubt, zu erfor-schen, ob sich Herkünfte aus Bayern an die neuen Be-dingungen anpassen können oder nicht. Zurzeit wirddies im Rahmen des Versuchsanbaus bayerischer undbulgarischer Tannenherkünfte (Abbildung 5) in Bulga-rien geprüft. Ein Parallelversuch in Bayern dient als Ver-gleichsstandard.

Weißtanne und Küstentanne – Herkunftsfragen und weitere genetische Aspekte

LWF Wissen 66

Abbildung 4: Walliser Trockentannen auf der Versuchs -fläche in Fichtelberg (Foto: ASP)

Abbildung 5: Samenplantage der Weißtanne in Solnik/Bulgarien; Nachkommen dieser Plantage sind auch in dem Transferversuch Bayern-Bulgarien enthalten. (Foto: G. Huber)

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sche Diversität der Tannenpopulationen stark eingeengtist, nicht nur auf die lokale Herkunft gesetzt, sondernVermehrungsgut aus anderen Regionen eingebrachtwerden, um die genetische Vielfalt anzureichern. Demtragen die Empfehlung von Tannenherkünften aus derSlowakei für Bayern bereits Rechnung.

Auch ist eine Naturverjüngung aus einzelnen oderwenigen Tannen nicht ratsam, selbst wenn die Verjün-gung in den ersten Jahren sehr vital und wüchsig erscheint. Auf lange Sicht könnte sich dies negativ aus-wirken, weil die Anpassungsfähigkeit auf Grund fehlen-der genetischer Variabilität nicht in ausreichendem Maße gegeben ist.

Küstentanne (Abies grandis)

Die Küstentanne kommt natürlich im Nordwesten derUSA und im südlichen British Columbia vor (siehe Ab-bildung S. 17 und Abbildung 6). Vom 51. bis zum 39.nördlichen Breitengrad wächst sie in zwei voneinandergetrennten Teil gebieten. Ein Gebiet erstreckt sich ent-lang der Pazifikküste, ein weiteres im Inland östlich desKaskadenkammes.

Innerhalb dieses standörtlich und klimatisch sehr he-terogenen Gebietes haben sich unterschiedliche Prove-nienzen ausgebildet. Neben dem Standort beeinflusstdie Wahl der geeigneten Herkunft ihre Leistungsfähig-keit maßgeblich. Dies zeigten Herkunftsversuche deut-lich (z.B. Kulef und Socha 2005; Liesebach et al. 2008; Rauet al. 1991, 1998). In Bayern wurden 1980/1981 vier Ver-suchsflächen im Rahmen eines westdeutschen IUFRO-Versuchs (insgesamt 27 Versuchsstandorte mit 65 Herkünften) angelegt. Sie liegen in den Regionen Selb,Kronach, Zwiesel und Hammelburg (Tabelle 2). Wegenhoher Ausfälle auf Grund von Hallimasch in der An-wuchsphase wurde die Fläche Hammelburg nicht indie Auswertung des IUFRO-Versuchs einbezogen. Hal-limaschbefall war auch auf Versuchsflächen in Öster-

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Weißtanne und Küstentanne – Herkunftsfragen und weitere genetische Aspekte

LWF Wissen 66

Abbildung 6: Küstentanne und Douglasie im Bestand Suiattle River flats bei Darrington (Foto: M. Konnert)

Forstbetrieb Waldort/Ort Anlagejahr Fläche [ha]

Höhenlage [m ü. NN]

AnzahlHerkünfte

NPV Bayerischer Wald(früher Forstamt Zwiesel)

Böhmweg/Buchenau

1980 0,7 800 11

Rothenkirchen(früher Forstamt Kronach)

Kraußenhänge/Wallenfels

1980 0,6 480 11

Selb Brandfleck/Thierstein

1980 0,4 560 9 (12)

Hammelburg(früher Forstamt Gemünden)

Krumbacher Wald/Langenprozelten

1981 0,3 290 16

Tabelle 2: Übersicht der wichtigsten Provenienzversuche mit Küstentanne in Bayern

reich zu beobachten (Liesebach et al. 2008). ZusätzlicheAnbauten wurden im gleichen Zeitraum bei Freyungangelegt.

Bewertung der Herkünfte Auf allen Versuchsflächen charakterisieren Geradschaf-tigkeit und sehr geringe Zwieselanteile die Küstentan-nen. Von allen Versuchsstandorten in westdeutschenMittelgebirgslagen zeigte sich die Küstentanne auf derFläche bei Zwiesel hinsichtlich Überlebensrate sowieDurchmesser- und Höhenzuwachs überdurchschnitt-lich gut. Die Versuchsentwicklung in Kronach lag im

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26

Mittelfeld, die Pflanzen bei Selb entwickelten sich hin-sichtlich der genannten Parameter deutlich schlechter(Abbildung 7).

Die leistungsfähigsten Herkünfte kommen aus West-Washington und Vancouver Island (Rau et al. 2008). Fürden Anbau in Bayern besonders gut eignet sich die Her-kunft Indian Creek – Elwha River (Olympic Halbinsel,Washington Samenzone 221). Sie zeigte auf allen vierbayerischen Versuchsstandorten die beste Wuchsleis-tung. Das ASP hat daher 1995 mit Saatgut dieser Her-kunft einen Saatgutreservebestand bei Glashütten(Forstbetrieb Pegnitz) angelegt. Die Herkunft BuckCreek (Darrington, Washington) erbrachte in den nord-bayerischen Mittelgebirgslagen um 500 Meter ü. NNsehr gute Leistungen. In höheren Lagen (BayerischerWald, 800 Meter ü.NN) lag sie nur im Mittelfeld. Abzu-raten ist von Herkünften aus der Küstenregion von Süd-Oregon und von Inlandsherkünften. Sie überzeugenhinsichtlich Wuchsleistung und Qualität nicht. MittelsIsoenzymanalysen kann zwischen nördlichen Küsten-herkünften (Washington/British Columbia) und Küsten-herkünften aus Oregon unterschieden werden (Konnertund Ruetz 1997).

Weißtanne und Küstentanne – Herkunftsfragen und weitere genetische Aspekte

LWF Wissen 66

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Abbildung 7: Wuchsleis-tung der Küstentanne auf Versuchsflächen inDeutschland; Flächen inBayern: Kron = Kronach,Selb = Selb, Zwie = Zwiesel(nach Rau et al. 2008)

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Key words: Silver fir (Abies alba), Grand fir (Abies gran-

dis), genetic variation, provenance trials, provenances

under climate change

Summary: As a result of migration history after the last ice

age Abies alba shows high genetic differentiation even at

microgeographic scale. As an example, the genetic diffe-

rentiation between Abies alba populations in Bavaria

attains 6 % and is thereby three times higher than for

beech populations. The great genetic differences are illus-

trated also by provenance trials. The best growing proven-

ances were from the Carpathians (Romania, Slovakia) and

also from Southwestern Germany. These provenances also

had the lowest mortality. Provenances from Western and

Southern Europe grew slowest and had high mortality due

to frost damages. Under climate change the importance

of the so called „dry fir” will increase. Some of these dry

ecotypes are actually tested in the field. At the same time

the adaptive potential of Bavarian provenances is tested

by transferring them to warmer regions.

For a successfull cultivation of Abies grandis provenance

choice is crucial. Provenances from West Washington and

Vancouver Island, British Columbia performed best. In

Bavaria the provenance Elwha River (Olympic Peninsula

seed zone 221) grow best on every test site. In contrast

coastal provenances from South Oregon and interior pro-

venances are not suitable for Bavaria.

27

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Weißtanne und Küstentanne – Herkunftsfragen und weitere genetische Aspekte

LWF Wissen 66

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ten Verlusten am Waldflächenanteil im vergangenenJahrhundert. In Bayern nimmt sie derzeit einen Wald-flächenanteil von insgesamt zwei Prozent (BWI2) ein,ihr Anteil an der natürlichen Waldbestockung würdedagegen acht bis 15 Prozent betragen (Kölling et al.2004). Kam sie in den westlichen Landesteilen Bayernsbereits um 1900 kaum noch vor, verlor sie im Laufe des20. Jahrhunderts auch in den vier östlichen Regierungs-bezirken erheblich an Fläche (Seitschek 1981; Borchert2007). Massivste Verluste waren in Oberfranken zu ver-zeichnen, der Tannenanteil sank z.B. im Frankenwaldvon 25 Prozent im Jahr 1934 auf aktuell 0,88 Prozent(Schmidt 2004). Die unbestreitbaren Erfolge der moder-nen, nachhaltigen Forstwirtschaft, wie sie in Deutsch-land seit über 200 Jahren betrieben wird, treffen auf dieWeißtanne also nicht zu. Es ist nicht gelungen, dieseBaumart trotz der verstärkten Bemühungen der vergan-genen 20 Jahre nachhaltig zu bewirtschaften. Dies wirdauch im Altersklassenaufbau nachdrücklich deutlich,58 Prozent der Weißtannenbestände sind älter als 100Jahre, 74 Prozent gar älter als 80 Jahre (Abbildung 1)(BWI2). Die Verjüngung in den Altbeständen ist, fallsüberhaupt vorhanden, häufig nicht gesichert.

28

Schlüsselwörter: Weißtanne, Waldschutzrisiken, Tannen-

sterben, Verbiss, Insekten, Pilze

Zusammenfassung: In den vergangenen 20 Jahren unter-

lag die Weißtanne einem starken Meinungswandel. Hatte

man sie forstlicherseits in den Jahren des Waldsterbens

nahezu aufgegeben, entwickelte sie sich mit dem zuneh-

menden Wissen um die Auswirkungen des Klimawandels

zu einem Hoffnungsträger des klimastabilen Waldumbaus.

Dabei wird allzu leicht vergessen, dass sich das biotische

Waldschutzrisiko nicht verändert hat. Der Waldumbau

kann nur dann gelingen, wenn dies berücksichtigt und an-

gemessen darauf reagiert wird.

Die Weißtanne gehört unbestritten zu den fünf Haupt-baumarten der deutschen Forstwirtschaft, so lernt eszumindest jeder Forststudent. Diese Zuordnung beruhtaber im Wesentlichen auf ihrer Bedeutung in der Ver-gangenheit bzw. in der potentiell natürlichen Vegeta -tion (pnV), da ihr Anteil an der Waldfläche bundesweitbereits geringer ist als der von Lärche oder Douglasie(BWI 2). Die Weißtanne ist die Baumart mit den höchs-

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Von Donnerbüschen, Rüsslern, Saurem Regen undRehen – zur Waldschutzsituation der WeißtanneRalf Petercord

An

teil

[%] 25

20

15

10

5

0

Altersklassenverteilung in Bayern

1–20 21–40 41–60 61–80 81–00 101–120 121–140 141–160 > 160

Tanne

Fichte

Alter [Jahre]

Abbildung 1: Vergleich derAltersklassenverteilung vonFichte und Tanne in Bayern

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Der Rückgang der Weißtanne ist im Wesentlichen an-thropogen bedingt. Er ist direkt auf die Bevorzugunganderer Baumarten, speziell der Fichte, sowie für dieTanne ungünstiger Bewirtschaftungsformen und indi-rekt auf die Überhege von Schalenwildbeständen zurückzuführen. Trotz teils spektakulärer Krankheitser-scheinungen wie dem „Tannensterben“ spielen abioti-sche und biotische Schadfaktoren kaum eine Rolle, essei denn eine psychologische bei der Baumartenwahl(Elling et al. 2007). Karl Gayer schrieb 1898: „Die Tanne istder Fichte gegenüber in Hinsicht der ihr drohenden Gefahren sehr begünstigt. Hat sie die Frostgefahr in derersten Jugend überstanden, und ist sie hier vom Zahnedes Wildes verschont geblieben, dann ist ihre weitereExistenz nur wenig bedroht.“ Diese Einschätzung hatheute, dank der Anstrengungen zur Reduktion derSchwefeldioxid-Immissionen in den 1980er Jahren, wie-der ihre Berechtigung. Dennoch ist das Wissen um dieWaldschutzrisiken der Weißtanne, gerade im Hinblickauf den Klimawandel und die Bedeutung der Tanne alsvergleichsweise klimastabile Baumart, entscheidend füreinen erfolgreichen Waldumbau.

Die Komplexkrankheit „Tannensterben“

„Alle kaputt“ titelte „Der Spiegel“ 1980 und berichteteüber eine „rätselhafte Krankheit“ der Tanne, „die ver-mutlich durch luftverfrachtete Industrieabgase verur-sacht wird“. Dies war der eigentliche Auftakt zum Wald-sterben (Abbildung 2), auch wenn es noch etwa einJahr unter dem Begriff „Tannensterben“ firmierte.

Der Begriff des Tannensterbens war jedoch bereits sehrviel älter (Neger 1908). Erste Meldungen über ein „Tan-nensterben“ kamen zu Beginn des 19. Jahrhunderts ausWestböhmen. In den vergangenen 200 Jahren tauchteder Begriff dann immer wieder in der Literatur auf undwurde dabei uneinheitlich verwendet (Brandl 1985). Daraus resultierten ein scheinbar periodisches Auftre-ten der Krankheit (Krehan 1989) und wegen vermeint-lich örtlicher Befallsunterschiede auch vielfältige Erklä-rungsversuche der Krankheitsursache (Schütt 1977;Seitschek 1981; Blaschke 1981, 1982; Larsen 1986). Schließ-lich wurde das Tannensterben als Komplexkrankheit,an der mehrere Schadfaktoren beteiligt sind, angese-hen (Krehan 1989). Diese Einschätzung spiegelt sich inder Definition des Duden-Universalwörterbuches(2006) wider, nach der das Tannensterben ein „durchVerschmutzung der Luft und an Trieben und Nadelnsaugende Schädlinge verursachtes, periodisch auftre-tendes Absterben von Weißtannen“ ist.

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Abbildung 2: Der Spiegel 1981: Titelbildzum Waldsterben

Definiert man das Tannensterben jedoch als überregio-nal auftretende Krankheit ohne erkennbare, eindeutigeKrankheitsursache und berücksichtigt die Verbesse-rung der Vitalität der Tanne nach der Verminderung derSchwefeldioxid-Immissionen, wird deutlich, dass in die-sen ein Schlüsselfaktor der Krankheitsentstehung zu sehen ist. Elling et al. (2007) stellen daher klar, dassSchwefeldioxid-Immissionen die zentrale Ursache desTannensterbens sind und weitere Stressoren den Krank-heitsverlauf nur verstärken. Die hohe Empfindlichkeitder Tanne gegen Schwefeldioxid ist genetisch bedingtund auf einen Verlust an genetischer Variation in derRefugialpopulation vor oder während der Rückwande-rung nach der letzten Eiszeit zurückzuführen (Larsen1986). Zur charakteristischen Symptomatik dieser Er-krankung, und nur bei dieser sollte der Begriff „Tannen-sterben“ verwendet werden, zählen (Krehan 1989; Ellinget al. 2007):• Kronenverlichtung von unten nach oben und von

innen nach außen• Frühzeitige Ausformung einer Storchennestkrone• Ausbildung eines pathologischen Nasskerns• Reduzierung und Deformation des Wurzelkörpers

(vor allem der Feinwurzeln)• Rückgang der Jahrringbreiten bzw. Jahrringausfälle.

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Schalenwild und Mäuse

Die Weißtanne ist ausgesprochen schattentolerant. Ihre Verjüngung ist bei entsprechenden Standortsbe-dingungen daher eigentlich waldbaulich unproblema-tisch. Trotzdem gelingt die Verjüngung, ja selbst diePflanzung in der Regel nicht, sofern nicht aufwendigeSchutzmaßnahmen gegen Wildverbiss ergriffen werden(Abbildung 3).

Das Schalenwild bevorzugt die Tanne als Nahrungs-pflanze, z.B. gegenüber der Fichte, da sie über einenvergleichsweise hohen Nährstoffgehalt (insbesondereStickstoff und Calcium) bei gleichzeitig geringen Gehal-ten die Verdauung behindernder, sekundärer Inhalts-stoffe (Lignin, Harz, u. a.) verfügt. Dieser bevorzugteVerbiss kann zu einer Entmischung der Verjüngung aufKosten der Tanne bis hin zum vollständigen Ausfall derBaumart führen (Ruegg und Schwitter 2002). Senn et al.(2007) zeigten, dass die Verbissintensität an Pflanzenvon 10 bis 130 Zentimetern Höhe signifikant mit der Populationsdichte des Schalenwildes ansteigt. Im Er-gebnis führt dieses „Waldsterben von unten“ (SDW2008) zu einer problematischen Gefährdung der Baum-art, die sich insbesondere im Schutzwald katastrophal

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Sturmgefährdung

Die retrospektive Auswertung der Sturmereignisse „Vivian“ und „Wiebke“ (Februar/März 1990) zeigte,dass das Sturmschadensrisiko der Weißtanne annä-hernd dem der Buche entspricht. Es ist damit etwa fünf-mal niedriger als das der Fichte und nur halb so hochwie das der Lärche bzw. der Kiefer (König et al. 1995).Die Weißtanne ist damit die sturmsicherste der wirt-schaftlich bedeutenden, einheimischen Nadelbaum -arten. Ursächlich für diese positive Eigenschaft ist ihrWurzelsystem. Charakteristisch für die Weißtanne istdie Ausbildung eines Pfahlwurzelsystems. Ist diesesWurzel system intakt, wird die Weißtanne nicht gewor-fen, sondern gebrochen; dies setzt deutlich höhereWindgeschwindigkeiten voraus.

Elling (2008, mündliche Mitteilung) vermutete, dass inder Phase des Tannensterbens ein sekundärer Halli-maschbefall die Pfahlwurzeln einzelner Alttannen schä-digte. Auf Wurzelschäden durch Phytophthora im Zu-sammenhang mit dem Tannensterben machte bereitsBlaschke (1981, 1982) aufmerksam. Betroffene Bäumekönnen den Verlust der Pfahlwurzel und die damit ver-bundene geringere Standsicherheit trotz Revitalisierungnur bedingt ausgleichen, in Altbeständen kann daherdas Sturmwurfrisiko erhöht sein. Vermutlich besteht einstandörtlicher Zusammenhang, der allerdings bishernicht überprüft wurde.

Frostgefährdung

Die Weißtanne ist in besonderem Maße spätfrostge -fährdet (Ellenberg 1986). Spätfrostereignisse sind in derRegel auf Strahlungsfrost zurückzuführen und stellendamit für Jungpflanzen unter zwei Metern Höhe ein be -sonderes Risiko dar. In spätfrostgefährdeten Lagen sindjunge Tannen daher zwingend auf einen schützendenAltholzschirm angewiesen, der diese Gefahr effektivverringert. Wird die Tanne im Rahmen des Waldum-baus vorangebaut, muss die Stabilität des Altholz-schirms daher gewährleistet sein (Lemme et al. 2010).

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Abbildung 3: Ersatztriebbildung bei einer mehrfach verbissenen Weißtanne (Foto: R. v. Beek)

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cher Nebenzyklus auf der Weißtanne ab, die als neuerSekundärwirt fungiert. Beide Dreyfusia-Arten bilden rinden- und nadelsaugende Formen aus, die sich alsPhloemsauger aus den nährstofftransportierenden Lei-tungsbahnen ernähren.

Der Befall der Mainadeln (Abbildung 4) ist der fürdie Pflanzen schwerwiegendere, da die betroffenenTriebe bei hoher Populationsdichte absterben (Abbil-dung 5) und Jungtannen bei mehrjährigem Befall vomGip feltrieb her vollständig absterben können (Nierhaus- Wunderwald und Forster 1999).

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auswirken kann. Neben dem Verbiss durch Schalen-wild sind auch Mäuseschäden an Tannensämlingen(Pflanzenhöhe unter 10 cm) von Bedeutung. Auch hiergibt es eine signifikant positive Korrelation zwischenVerbissintensität und Populationsdichte, die sich nega-tiv auf die Tannenverjüngung auswirkt (Senn et al. 2007).Allerdings unterliegt die Populationsdichte der Mäuseeiner hohen natürlichen Schwankung, spürbare Schä-den bleiben daher auf einzelne Jahre mit hoher Popu-lationsdichte beschränkt.

Insekten

Müller und Gossner (2004) betonen die tierökologischeBedeutung der Weißtanne im Hinblick auf ihre weiteökologische Amplitude, die es Tierarten mit der Präfe-renz für Nadelbäume ermöglicht, in unterschiedlichstenWaldgesellschaften zu leben. Dennoch gilt die Weißtan-ne im Vergleich zu anderen Baumarten als relativ arten-arm (Bücking 1998), auch wenn neuere Arbeiten, die dieKronenfauna mit berücksichtigen, diese Auffassung re-lativieren (Gauderer et al. 2006). In der forstlichen Praxisgilt die Weißtanne im Hinblick auf Schäden durch In-sekten als vergleichsweise unproblematisch. Tatsäch-lich ist die Zahl potentiell schädlicher Forstinsekten an der Weißtanne überschaubar, diese können aber un -ter bestimmten Bedingungen gravierende Schäden verursachen. Von besonderer Bedeutung sind die Tan-nentriebläuse, die Tannenstammlaus, verschiedene Bor-kenkäferarten, der Tannenrüsselkäfer sowie die holz-brütenden Lagerholzschädlinge.

TannentriebläuseDie Tannentriebläuse der Gattung Dreyfusia wurden ab1840 aus ihrem ursprünglichen Verbreitungsgebiet, derKaukasusregion, mit Abies-nordmanniana-Pflanzen nachMitteleuropa eingeschleppt. Zwei Arten werden unter-schieden, die Einbrütige Tannentrieblaus (Dreyfusianordmannianae) und die Zweibrütige Tannentrieblaus(Dreyfusia merkeri). Beide Arten durchlaufen im ur-sprünglichen Verbreitungsgebiet einen zweijährigenvollständigen Entwicklungszyklus, der aus mehrerenGenerationen besteht und einen Wirtspflanzenwechselbeinhaltet. Die geschlechtliche Fortpflanzung findet ander Orientfichte (Picea orientalis) als Primärwirt, dieungeschlechtliche Vermehrung an der Nordmannstan-ne (Abies nordmanniana) als Sekundärwirt statt. Die-ser vollständige Zyklus wird in Mitteleuropa praktischnicht beobachtet, da die Orientfichte in der Regel fehltund die einheimische Fichte keinen adäquaten Ersatzdarstellt. Vielmehr läuft ein einjähriger, ungeschlechtli-

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Abbildung 4: Nadelsauger der Tannentrieblaus (Dreyfusianordmannianae) an Maitrieb (Foto: R. Petercord)

Abbildung 5: Abgestorbener Terminaltrieb nach Befalldurch die Tannentrieblaus (Dreyfusia nordmannianae) (Foto: R. Petercord)

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Borkenkäfer der WeißtanneAn der Weißtanne finden sich, wie bei jeder anderenBaumart auch, rindenbrütende Borkenkäfer, die insbe-sondere nach Trockenstress-Ereignissen merklicheSchäden verursachen können. Die Borkenkäfer derWeißtanne sind aber weniger aggressiv als der Buch-drucker oder der Kupferstecher an der Fichte und be-

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Die Nadelsauger der Einbrütigen Tannentrieblaus bil-den in der Vegetationszeit nur eine Generation aus. DieZweibrütige Tannentrieblaus dagegen produziert imSpätsommer eine zweite Generation, damit erhöht sichdie Populationsdichte deutlich (Schwerdtfeger 1981). Be-troffen sind insbesondere Bäume der ersten Altersklas-se, jedoch können Bäume aller Altersklassen befallenwerden (Nierhaus-Wunderwald und Forster 1999). Bei äl-teren Bäumen ist der Befall auf Stamm (Rindensauger)und Wasserreiser (Nadelsauger) beschränkt. In der Re-gel liegt eine physiologische Disposition des Baumesfür den Massenbefall durch die Läuse vor, häufig wirddaher eine Zunahme des Befalls bei plötzlicher Freistel-lung vormals überschirmter Tannen beobachtet. DieUmstellung von Schatt- zu Lichtnadeln stellt für denBaum physiologischen Stress dar, den die Läuse beidann verringerter pflanzlicher Abwehr ausnützen können. Charakteristisch für einen starken Trieblaus -befall ist die Verkrümmung der Mainadeln nach innen,die beiden Wachsstreifen auf den Nadelunterseiten sindnicht mehr zu sehen (Abbildung 6). Der Stammbefalldurch die Tannentriebläuse ist in der Regel unbedeu-tend, kann den betroffenen Baum jedoch für Sekundär-besiedler disponieren.

TannenstammlausDie Tannenstammlaus (Dreyfusia piceae) (Abbildung7) ist in Mitteleuropa vermutlich einheimisch.

Sie besiedelt ausschließlich die Rinde älterer Tannenund vermehrt sich über zwei bis drei ungeschlechtlicheGenerationen im Jahr. Eine geschlechtliche Vermeh-rung über Gallen findet nicht statt. Ein Primärwirt istnicht bekannt. Der Befall der Tannenstammlaus ist vomStammbefall (Rindensauger) der Tannentrieb läuse prak-tisch nicht zu unterscheiden (Schwerdtfeger 1981).

Die Verlausung der Stämme durch die Tannenstamm-laus oder die Tannentriebläuse führt zu starken Nähr-stoffverlusten und beeinflusst den Wasserhaushalt ne-gativ, ist aber für den betroffenen Baum, insbesonderein höheren Altersklassen, in der Regel ungefährlich. DieTannenstammlaus gilt daher nicht als bedeutendesSchadinsekt der Weißtanne (Schwerdtfeger 1981). Ande-rerseits ist der Befall der Tannenstammlaus hinsichtlicheiner möglichen Disposition für Sekundärbesiedlergleich zu bewerten mit dem Stammbefall der Tannen-triebläuse. Die Stammverlausung ist ein Schüsselfaktorfür die Entstehung der Tannen-Rindennekrose (Feemerset al. 2005).

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Abbildung 7: Starker Befall durch die Tannenstammlaus(Dreyfusia piceae) an einer circa 40- jährigen Tanne (Foto: R. Petercord)

Abbildung 6: Charakteristisches Verkrümmen der Nadelnbei starkem Befall durch die Tannentrieblaus (Dreyfusianordmannianae) (Foto: R. Petercord)

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Alle drei Arten können witterungsabhängig mehrereGenerationen im Jahr durchlaufen, in Höhenlagen unter -halb 800 Meter ü.NN in der Regel zwei. Geschwister-bruten sind möglich. Die Brutbilder der Geschwister-bruten weichen von den charakteristischen Brutbildernder ersten Eiablage ab und können die Erkennung derArt anhand der Brutbilder erschweren. Alle drei Arten legen die Puppenwiegen im Splint (Splintwiegen)an. Eine Bekämpfung mittels Entrindung der Stämmeist in diesem Entwicklungsstadium daher nicht mehrwirksam (Nierhaus-Wunderwald 1995).

Eine weitere Borkenkäferart an der Weißtanne ist derKleine Tannenborkenkäfer (Cryphalus piceae). Er be-vorzugt die dünne Rinde von Ästen und Zweigen imKronenraum und besetzt damit an der Tanne die öko-logische Nische, die der Kupferstecher bei der Fichteinne hat. Die Art kann daher auch in Dickungen undStangenhölzern auftreten und Schäden verursachen.Auch diese Art kann primär werden und neigt zur Mas-senvermehrung. Das Brutbild des Kleinen Tannenbor-kenkäfers besteht aus einem unregelmäßigen platzarti-gen Muttergang, in dem die Eier haufenweise und nichtin extra Einischen abgelegt werden, sowie den strah-lenförmig von diesem Muttergang ausgehenden Larven-gängen. Der Kleine Tannenborkenkäfer durchläuft beigünstigen Witterungsbedingungen mindestens zweiGenerationen pro Jahr und legt Geschwisterbruten an(Nierhaus-Wunderwald 1995).

WeißtannenrüsselkäferDer Weißtannenrüsselkäfer (Pissodes piceae) ist als Se-kundärbesiedler ebenfalls auf vorgeschädigte Tannenangewiesen, besitzt aber wie die Borkenkäfer das Po-tential zur Massenvermehrung und kann daher primärwerden. Die Art befällt insbesondere Stellen mit dick-borkiger Rinde und ist daher häufig am unteren Stamm-abschnitt und nur bei stärkeren Alttannen bis hinauf indie Krone zu finden. Erstes Symptom eines Rüssel -käferbefalls sind Harztropfen an der Befallsstelle. Sieentstehen in Folge der Eiablage, zu der die Weibchenkleine Gruben in die Rinde nagen und jeweils zehn biszwanzig Eier ablegen. Die Eigruben werden bevorzugtan Astquirlen, krebsigen oder verletzten Stellen an -gelegt. Ausgehend von diesen Eigruben fressen die Larven Gänge, die je nach Rindendicke vollständig inder Rinde oder den Splint schürfend verlaufen. Die Lar-vengänge sind bis zu 50 Zentimeter lang und fest mitBohrmehl verstopft (Abbildung 8).

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Abbildung 8: Gangsystem des Weißtannenrüsselkäfers (Pissodes piceae) (Foto: R. Petercord)

nötigen vorgeschädigte Bäume. Bei ausreichendemBrutraumangebot können die Arten an Weißtanne pri-mär werden, dann entstehen Befallsnester, die aktiveWaldschutzmaßnahmen erfordern. Analog zu den Bor-kenkäfern an der Fichte haben sich auch die Borken-käfer der Tanne eingenischt. Je nach bevorzugter Rin-dendicke und Alter finden sich unterschiedliche Arten.An Altbäumen sieht man häufig einen Mischbefall, andem verschiedene Arten je nach Spezialisierung betei-ligt sind. Die wichtigste und bekannteste, gleichzeitigauch größte Borkenkäferart an der Weißtanne ist derKrummzähnige Tannenborkenkäfer (Pityokteines cur-videns). Charakteristisch ist sein Brutbild, es ähnelt einer Doppelklammer. Sie entsteht, weil zwei Weibchenvom selben Einbohrloch aus jeweils einen doppelarmi-gen Quergang als Muttergang anlegen. Die Rammel-kammer ist in der Regel nicht zu sehen, da sie in derdickborkigen Rinde, die die Art bevorzugt, verborgenliegt. Seine Schwesterarten, der Westliche Tannen -borkenkäfer (Pityokteines spinidens) und der Mitt -lere Tannenborkenkäfer (Pityokteines vorontzovi) sindan sternförmigen Brutsystemen zu erkennen. Beim Westlichen Tannenborkenkäfer sind sie in denselbenStammpartien zu finden wie beim KrummzähnigenTannenborkenkäfer. Der Mittlere Tannenborkenkäferbevorzugt dagegen die oberen, dünn- und glattrindigenStammteile und Äste und kommt daher bei Alttannennur im Kronenraum vor. Die Rammelkammer dieser Artist vergleichsweise groß und gut zu erkennen (Nierhaus-Wunderwald 1995).

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auch als Puppenwiegen dienen. Diese Larvengängesind circa fünf Millimeter lang und verlaufen in Faser-richtung, sie stellen die „Sprossen“ der Leiter dar. DieMuttergänge verlaufen mehr oder weniger radial, teil-weise den Jahrringen folgend und reichen bis circazehn Zentimeter tief ins Holz hinein. Die Elterntiere betreiben eine umfangreiche Brutpflege, indem sie denNährpilz im Gangsystem während der Larvalentwick-lung ihrer Nachkommen pflegen und für eine ausrei-chende Belüftung des Systems sorgen. Geschwisterbru-ten sind daher ausgeschlossen. Die vollständigent wickelten Jungkäfer verlassen das Brutsystem überdas Einbohrloch und überwintern in der Bodenstreu(Schwerdtfeger 1981). Pro Jahr wird eine Generationdurchlaufen (Schwerdtfeger 1981), es gibt allerdings Hin-weise auf eine mögliche zweite Generation (Parini undPetercord 2006). Da die Art zu den Frühschwärmernzählt und Befall bereits Ende März beobachtet werdenkann, sind entsprechende Waldschutzmaßnahmensehr früh im Jahr notwendig.

Pilze

Eine Vielzahl von Pilzarten lebt an oder mit der Weiß-tanne. Als Krankheitserreger sind insbesondere die Nadelpilze sowie die Erreger von Wurzelfäulen von Bedeutung. In der Regel sind diese Krankheitserregernicht auf die Weißtanne spezialisiert, sondern tretenauch an verschiedenen anderen Arten der GattungAbies, an anderen Nadelholzarten oder gar an Laub-holzarten in Erscheinung.

TannenkrebsEine der wichtigsten Tannenkrankheiten in Mitteleuro-pa ist der Tannenkrebs, den der Rostpilz Melampsorel-la caryophyllacearum verursacht. Die Krankheit istnicht auf die Weißtanne beschränkt, sondern wird auchan anderen Tannenarten beobachtet. Charakteristischsind je nach Befallsstelle Verdickungen (Krebs) anZweigen, an der Stammachse selbst oder die Ausbil-dung eines Hexenbesens. Die Infektion erfolgt im Früh-jahr über die jungen Nadeln. Der Pilz wächst von derInfektionsstelle in das Kambium und verursacht hier ei-ne krebsartige Wucherung, die an Zweigen und Ästenunproblematisch ist, am Stamm aber zu einer dauerhaf-ten Holzentwertung führt. Stämme mit entsprechendemSchadbild werden als „Rädertanne“ bezeichnet undkönnen im Bereich der Krebswucherung über Rinden-risse leicht von holzzersetzenden Arten, z. B. dem Tannen-Feuerschwamm (Phellinus hartigii), befallenwerden (Butin 1989; Metzger 2010).

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Sie enden in einer für alle Pissodes-Arten charakteristi-schen elliptischen Puppenwiege, die in den Splint ab-gesenkt und mit feinen Nagespänen ausgepolstert ist(Spanpolsterwiege) (Nierhaus-Wunderwald 1995).

Der Weißtannenrüsselkäfer besitzt eine hohe Ver-mehrungsfähigkeit, da die Alttiere über mehrere Jahreleben und während der gesamten Vegetationszeit Eierablegen. Deshalb sind an einem Stamm alle Entwick-lungsstadien parallel nebeneinander zu finden. Die Entwicklung dauert in der Regel ein Jahr, deshalb wirdnur eine Generation durchlaufen. Bei günstigen Witte-rungsbedingungen und früher Eiablage kann aber ei-ne zweite Generation angelegt werden. Die noch nichtvollständig entwickelten Tiere überwintern in den Brut-systemen im Stamm, die Adulten in der Nadelstreu(Nierhaus-Wunderwald 1995). Bereits wenige Brutsyste-me können ausreichen, um einen befallenen Stammzum Absterben zu bringen. Im Krankheitsverlauf derTannen-Rinden nekrose wird der Weißtannenrüsslerhäufig als Folgeschädling beobachtet (Feemers et al.2005; John 2009).

Holzbrütende ArtenZahlreiche holzbrütende Arten können auch Weißtan-nenstämme massiv entwerten. Dies lässt sich nur mitaktiven Waldschutzmaßnahmen vermeiden. Beispiel-haft werden hier zwei mycetophage Arten beschrieben. Der Sägehörnige Werftkäfer (Hylecoetus dermestoides)ist ausgesprochen polyphag und befällt sowohl liegen-des Laub- als auch Nadelholz. Die Larvengänge verlau-fen mehr oder weniger radial und führen damit zu ei-ner nahezu vollständigen Stammentwertung. Auffälligist der starke Auswurf weißen Bohrmehls, den die Lar-ve mittels eines charakteristischen Schwanzfortsatzesbewerkstelligt. Die Entwicklung dauert zwei bis dreiJahre, kann aber bei günstigen Bedingungen auch ein-jährig sein (Schwerdtfeger 1981).

Der Gestreifte Nutzholzborkenkäfer (Trypodenron li-neatum) gehört zu den holzbrütenden Borkenkäfernund ernährt sich wie der Werftkäfer von einem Ambro-sia-Nährpilz, der an den Gangwänden des Brutsystemsbzw. Larvenganges wächst. Charakteristisch für den Gestreiften Nadelnutzholzborkenkäfer ist das Brutsys-tem in Form einer einholmigen Leiter, das jeweils einWeibchen dieser monogamen Art anlegt. Das Brutsys-tem besteht aus einer kurzen Eingangsröhre und gabeltsich dann in meist zwei Muttergänge auf. Diese Mutter-gänge stellen jeweils den „Holm“ der Leiter dar. DasWeibchen nagt in den Gangboden und die Gangdeckealternierend Einischen, in die es jeweils ein Ei ablegt.Die Larven erweitern diese Einischen im Laufe ihrerEntwicklung zu kurzen Larvengängen, die letztlich

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Melampsorella caryophyllacearum durchläuft einen ob-ligaten Wirtswechsel mit Nelkengewächsen, insbeson-dere der Waldsternmiere (Stellaria nemorum), die da-mit die Hauptüberträgerin des Tannenkrebses ist. EineÜbertragung von Tanne zu Tanne ist ausgeschlossen.Zur Verminderung des Befallsdrucks sollten Tannennicht in unmittelbarer Nähe zu Orten gepflanzt werden,an denen Nelkengewächse vorkommen, dies sind ins-besondere Gräben, Waldstraßen und Rückegassen(Metzger 2010).

Tannen-NadelbräuneDie Tannen-Nadelbräune (Herpotrichia parasitica) isteine Krankheit der Jungbestände. Sie tritt in Naturver-jüngungen, Kulturen und Dickungen auf, die ein feuch-tes Innenklima kennzeichnet, typischerweise also infeuchten Lagen, bei zu großem Dichtstand oder dich-ter Überschirmung. Die Infektion erfolgt sowohl überSporen als auch über ein Überwachsen des unter Knos-penschuppen überwinternden Myzels auf die Nadeln.Befallen werden sowohl junge als auch alte Nadeln.Nachdem sie abgestorben und verbraunt sind, lösen siesich vom Zweig, bleiben jedoch locker daran hängen,da sie mit dem Myzelfaden verbunden sind. Über wald-bauliche Maßnahmen kann der Infektionsdruck redu-ziert werden (Butin 1996).

Tannen-NadelrostDer Rostpilz Pucciniastrum epilobii löst den Tannen-Na-delrost oder auch Tannen-Säulenrost aus. Die Art istebenso wie der Erreger des Tannenkrebses obligatwirtswechselnd (heterözisch). Die Hauptwirtspflanze,an der die geschlechtliche Vermehrung stattfindet, istdas Weidenröschen (Epilobium spp.). Auf seinen vor-jährigen am Boden liegenden Blättern entwickeln sichim Frühjahr Basidiosporen, die die jungen Tannen -nadeln infizieren. Auf der Tanne als Nebenwirtspflanzeent wickelt der Pilz seine ungeschlechtliche Form, dieüber charakteristische weiß-gelbe, stiftförmige Sporen-lager, die sich auf der Unterseite infizierter Nadeln imSommer ausbilden, Sporen (Aecidiosporen) abgeben(Abbildung 10).

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Der Hexenbesen oder Donnerbusch (Abbildung 9) ent-steht, wenn es dem Pilz gelingt, in eine Knospe einzu-dringen und sie über Pflanzenhormone zu einem ab-normalen Wachstum anzuregen.

Über die Jahre entsteht ein aufrecht wachsendes,reich verzweigtes „Bäumchen“, in dem der Pilz syste-misch vorhanden ist und über dessen Nadeln er jähr-lich im Sommer Sporen abgibt. Der Hexenbesen trägtdaher immer auch nur einen Nadeljahrgang. Hexenbe-sen können viele Jahre alt werden und eine beträchtli-che Größe erreichen. Der Hexenbesen schädigt denBaum direkt nur in geringem Maße und beschränktsich im Wesentlichen auf den Nährstoffentzug für seineVersorgung (Butin 1989; Metzger 2010). Allerdings befal-len Tannentriebläuse bevorzugt Hexenbesen. AufGrund der veränderten Physiologie des Hexenbesensbauen sie an ihnen lokale Massenvermehrungen auf,die wiederum als Quellpopulationen fungieren können.

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Abbildung 9: „Donnerbusch“, ausgelöst von Melampsorellacaryophyllacearum, dem Erreger des Tannenkrebses – charak te -ristisch ist die einjährige, kurze und gelb verfärbte Benadelung.(Foto: R. Petercord)

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Diese Sporen infizieren wiederum das Weidenröschen.Damit ist der Entwicklungszyklus geschlossen. Der Be-fall der Tanne ist in der Regel unproblematisch, nur beihoher Infektionsrate kann sich der Trieb verformenoder gar absterben. Eine konsequente Entfernung desWeidenröschens kann den Entwicklungszyklus unter-brechen und auf diese Weise die Krankheit effektiv be-kämpft werden (Butin 1996).

Tannennadel-RitzenschorfDer Tannennadel-Ritzenschorf (Lirula nervisequia) istein Schütteerreger der Weißtanne, der im gesamtenVerbreitungsgebiet auftritt. Da ausschließlich ältere Na-deljahrgänge (zwei- bis dreijährig) und in der Regel nureinzelne Nadeln betroffen sind, ist der forstwirtschaftli-che Schaden meist gering. Charakteristisch für den Pilzist die Ausbildung schwarzer Längswülste auf der Ober-seite der gelbverfärbten Nadeln im Frühjahr (Butin1996).

Kabatina-Nadelbräune der TanneDie Kabatina-Nadelbräune (Kabatina abietis) tritt anverschiedenen Tannenarten auf (Abbildung 11). Cha-rakteristisch ist eine klare Zonierung der befallenen Nadeln. Nadelbasis und Nadelspitze bleiben nach derInfektion noch lange grün und sind scharf von den rot-braunen, nekrotischen Bereichen abgegrenzt. Der Pilzwurde erst 1993 beschrieben und hat forstwirtschaftlicheine geringe Bedeutung, verursacht aber bei forstlichenNebennutzungen (Schmuckgrün, Weihnachtsbäume)erhebliche finanzielle Schäden (Butin 1996).

GrauschimmelfäuleDie Grauschimmelfäule (Botrytis cinerea) ist eine weit-verbreitete, wirtsunspezifische Art, die sowohl Laub-bäume als auch Nadelbäume befallen kann. Überwie-gend betroffen sind Douglasie, Tanne, Fichte undLärche. Der Pilz befällt die Pflanzen in der Austriebs-phase bei ausreichend hoher Luftfeuchtigkeit und eherniedrigen Temperaturen. Er bringt das junge, nicht ver-holzte Gewebe zum Absterben, die Maitriebe welkenund hängen schlaff herab. Die Schäden können dahermit Spätfrostschäden verwechselt werden, allerdingstritt der Grauschimmel meist nur an einzelnen Triebenauf. Bei ausreichender Luftfeuchtigkeit entwickelt sichauf dem abgestorbenen Gewebe ein üppig wachsendesgrau-braunes Luftmyzel. Die Schäden treten besondersin Saatbeeten, Kulturen und Dickungen auf und kön-nen zu erheblichen Ausfällen führen. Dichtstand fördertdiese Schäden. Bei Altbäumen beschränkt sich derSchaden auf die Schattenkrone und ist nicht lebensbe-drohlich (Butin 1996).

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Abbildung 10: Starker Befall einer von Weidenröschen umstandenen Tanne mit dem Tannen-Nadelrost(Foto: R. Petercord)

Abbildung 11: Kabatina-Nadelbräune der Tanne an Küsten-tanne (Abies grandis) (Foto: R. Petercord)

HallimaschDer Hallimasch (Armillaria spp.) ist der bedeutendsteErreger von Wurzelfäulen bei verschiedenen Laub- undNadelholzarten. Es handelt sich um einen bodenbürti-gen Pilz, der als Saprophyt eine wichtige Rolle bei derZersetzung abgestorbenen Holzes spielt. Der Halli-masch ist ein klassischer Schwächeparasit, der in eineparasitische Form wechselt, wenn Stressfaktoren seine

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Die Tannen-Rindennekrose entsteht nach dem Befalldurch die Tannenstammlaus (Dreyfusia piceae) bzw.die Tannentriebläuse (Dreyfusia nordmannianae; D.merkeri), wenn der Rindenpilz Nectria fuckeliana alssekundärer Schadorganismus in die Rinde eindringtund letale Schäden am Kambium verursacht. Massen-vermehrungen der Tannenstammlaus bzw. der Tan -nentriebläuse, die als Voraussetzung für die Komplex-krankheit angesehen werden müssen, entstehen beiphysiologischem Stress der Pflanzen, der vielfältige Ur-sachen (z.B. Trockenstress infolge von Niederschlags-defiziten oder Durchforstungsrückständen) habenkann. Den Läusen öffnet sich ein „physiologischesFenster“ günstiger Ernährungsbedingungen auf Einzel-baum- bis Bestandesebene. Die Einstichkanäle derphloemsaugenden Rindenlaus dienen dem Pilz dannals „Eintrittspforte“. Nectria fuckeliana kann intakte Rin-de nicht aus eigener Kraft infizieren, sondern benötigtderen Disposition auf Grund des Lausbefalls. Der Pilz,der ansonsten als Saprophyt auf der Rinde lebt, wirdnach dem Eindringen in die Rinde zum Parasiten, derdazu befähigt ist, das Kambium am Befallsort abzutö-ten, Kambiumnekrosen entstehen. Starker, flächigerHarzfluß kennzeichnet den Krankheitsverlauf. Letztlichkann das „Zusammenfließen“ der Kambiumnekrosenzum Absterben erkrankter Bäume führen (Feemers et al.2005). Präventive waldbauliche Maßnahmen könnendem Auftreten der Erkrankung entgegenwirken.

Daneben ist ein Sekundärbefall durch den Weißtan-nenrüssler (Pissodes piceae) bzw. die verschiedenenTannenborkenkäferarten (Pityokteines spp.) möglich.Sie beschleunigen den Krankheitsverlauf maßgeblichund können Massenvermehrungen durchlaufen, dieauch schwach geschädigte Tannen treffen. Dem sekun-dären Insektenbefall lässt sich nur mit Maßnahmen der„Sauberen Waldwirtschaft“ entgegenwirken (John 2009).

Tannenmistel

In den vergangenen Jahren ist eine Zunahme des Be-falls von Weißtannen mit der Tannenmistel festzustel-len (Abbildung 12) (Schmidt und Mayer 2004).

Die Tannenmistel (Viscum album ssp. abietis) ist eineUnterart der Gemeinen Mistel und befällt ausschließ-lich die Weißtanne und andere Tannenarten. Die Tannenmistel ist immergrün und gehört zu den Halb-schmarotzern, da sie ihren Nährstoffbedarf über diePhotosynthese selbst deckt und ihrer Wirtspflanze Was-ser und Mineralien entzieht. Dazu verwendet die MistelSenker (Haustorien), die den Anschluss an das Xylem

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Wirtspflanzen schwächen. Als Stressfaktoren kommenPflanzschock, Schädlingsbefall, Staunässe, Wurzelver-letzungen, Wasser- oder Nährstoffmangel in Frage. DerPilz dringt über die Wurzel ein und breitet sich über dasKambium nach oben aus. Gelingt es dem Baum nicht,den Befall abzuwehren, erreicht der Pilz letztlich denStamm. Sobald das Kambium stammumfassend besie-delt ist, stirbt der Baum ab. Besiedlung und Abwehr-kampf können sich, abhängig von der individuellen Vi-talität der Wirtspflanze, über Jahre hinziehen.Charakteristisch für den Hallimasch-Befall sind ein star-ker Harzfluß (Harzsticken), die Ausbildung eines Fä-chermyzels, die schnurähnlichen Rhizomorphen sowiedie essbaren Fruchtkörper (Nierhaus-Wunderwald 1994;Butin 1996).

Tannen-Rindennekrose In den vergangenen Jahren wurde über ein verstärktesAuftreten der Tannen-Rindennekrose in Baden-Würt-temberg berichtet (Schröter et al. 2010). In Bayern trittdie Krankheit ebenfalls auf, ist aber auf einzelne Bestän-de beschränkt. Die Tannen-Rindennekrose entsprichtin ihrem Krankheitsverlauf der Buchen-Rindennekroseund kann als Komplexkrankheit, an der mehrere Schad-faktoren beteiligt sind, verstanden werden.

Von Donnerbüschen, Rüsslern, Saurem Regen und Rehen – zur Waldschutzsituation der Weißtanne

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Abbildung 12: Massiver Mistelbefall (Foto: R. Petercord)

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In Mitteleuropa gibt es bisher kaum Erfahrungen mitSchadereignissen an der Küstentanne. Forstwirtschaft-liche Versuchsanbauten mit der Großen Küstentanneexistieren in Deutschland zwar bereits seit 1880. Aus-wertungen dieser Versuchsanbauten zielten im Wesent-lichen aber auf die Wuchsleistung der Baumart ab undliefern keine gesicherten Erkenntnisse zur Abschätzungdes biotischen Waldschutzrisikos. Ohne diese explizitzu prüfen, kommt Geb (2008) zu der Einschätzung: „We-der durch biotische noch durch abiotische Risikofak-toren ist die Küstentanne über ein Normalmaß hinausgefährdet.“ In der Literatur wird jedoch auf eine erhöh-te Anfälligkeit der Küstentanne gegenüber wurzelpatho-genen Pilzen, insbesondere dem Hallimasch, hinge -wiesen. Entsprechendes wurde im westdeutschenIUFRO-Küstentannen-Provenienzversuch beobachtet, indem auf manchen Flächen wiederholt einzelne Küsten-tannen auf Grund von Hallimasch ausgefallen sind (Rauet al. 2008). Darüberhinaus wurden nach der extremenTrockenheit im Sommer 2003 Stammrisse festgestellt(Rau et al. 2008), die für holzzersetzende Pilze Eintritts-pforten darstellen könnten. Nimsch (2005) beobachtetein bis 70-jährigen Küstentannen-Beständen immer wie-der erhebliche Ausfälle auf Grund von Hallimasch-Befall und lehnt daher den forstlichen Anbau der Küs-tentanne ab. Eine abschließende Bewertung des Wald-schutzrisikos der Küstentanne ist noch zu früh.

Ausblick

Wie schwer es ist, das zukünftige biotische Waldschutz-risiko für die Weißtanne, die Küstentanne und andereNadelholzarten in Mitteleuropa abzuschätzen, zeigenbeispielhaft die Fütterungsversuche von Kirichenko et al.(2008, 2010). Sie analysierten die Nahrungsqualität ver-schiedener europäischer und nordamerikanischer Nadelholzarten für den Sibirischen Kiefernspinner(Dendrolimus sibiricus). Die Art kommt in Sibirien anLärchen, Tannen, Kiefern und Fichten vor und gilt inRussland entsprechend ihrem großen Verbreitungsge-biet als die gefährlichste nadelfressende Schmetter-lingsart. In den vergangenen Jahren wurde eine Aus-dehnung ihres Verbreitungsgebietes nach Westenbeobachtet (Gninenko und Orlinskii 2002). Deshalb nahmdie European and Mediterranean Plant Protection Organization (EPPO) die Art in die Liste (A 2) der Qua-rantäne-Schädlinge auf (EPPO 2005). Kirichenko et al.(2008, 2010) zeigten, dass neben der Europäischen Lär-che auch die Douglasie, die Atlaszeder, die Rotfichte,die Sitka-Fichte, die Weymouthskiefer, die Waldkiefer,die Kanadische Hemlocktanne, die Küstentanne und

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der Wirtspflanze gewährleisten. Starker Mistelbefallkann die Wirtspflanze erheblich schwächen und sie fürSekundärbesiedler, insbesondere Borkenkäfer, dispo-nieren (Butin 1989).

Die Küstentanne – eine risikoärmere Tanne?

Grundsätzlich können Insekten und Pilze an jederBaumart Schäden verursachen. Dies gilt für einheimi-sche ebenso wie für fremdländische Baumarten. Beiden fremdländischen Baumarten treten biotische Wald-schutzprobleme meist verzögert auf. Gründe dafür sinddie geringe Anbaufläche, die zunächst fehlende Anpas-sung einheimischer Schadorganismen an die neueWirtspflanze sowie das Fehlen von Schadorganismenaus dem ursprünglichen Verbreitungsgebiet der Art.Gleichzeitig ist der Genpod der eingeführten Baumar-ten zunächst eingeschränkt und kann einheimischenArten die Anpassung erleichtern.

Bekannteste Beispiele für Krankheiten, die den Anbaufremdländischer Baumarten ganz oder zumindest teil-weise ad absurdum geführt haben, sind der Wey-mouthskiefern-Blasenrost (Cronartium ribicola) unddie Rostige Douglasienschütte (Rhabdocline pseudo -tsugae). Der Anbau der Weymouthskiefer galt bis zumAuftreten des Weymouthskiefern-Blasenrostes in den1930er Jahren in Mitteleuropa als forstlich besonderserfolgsversprechend und kam anschließend nahezuvollständig zum Erliegen. Auch der erst 1922 aus Nord-amerika eingeschleppte Erreger der Rostigen Dougla-sienschütte, der in seiner Heimat als forstlich unbedeu-tend gilt, beendete den Anbau der caesia- undglauca-Formen der Douglasie („graue und blaue Dou-glasie“) in Europa. Beide Krankheiten traten erst Jahr-hunderte (Weymouthskiefer) bzw. über 100 Jahre(Douglasie) nach Einführung der Baumarten nachEuropa in Erscheinung.

Im ursprünglichen Verbreitungsgebiet der Großen Küs-tentanne kommen 16 Arten forstschädlicher Insektenund 27 Arten pilzlicher Krankheitserreger vor (PacificForestry Centre 2010). Das Waldschutzrisiko der Küsten-tanne ist damit im Vergleich zu anderen Nadelbaumar-ten Nordamerikas im Hinblick auf Insektenschädenleicht und auf ihre Anfälligkeit gegenüber pilzlichenKrankheitserregern deutlich erhöht.

Von Donnerbüschen, Rüsslern, Saurem Regen und Rehen – zur Waldschutzsituation der Weißtanne

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auch die Weißtanne mit Überlebensraten von über 50Prozent als potentielle Wirtsbaumarten des SibirischenKiefernspinners in Frage kommen.

Das Beispiel zeigt, dass Waldschutz kein statisches, son-dern ein höchst dynamisches Arbeitsfeld ist und dieAnforderungen an den Waldschutz auf Grund des Klimawandels und der zunehmenden Globalisierung,die auch eine Globalisierung der Arten zur Folge hat,stark zunehmen werden. Diesen Anforderungen kannder Waldschutz nur mit Hilfe eines breiten, auf fundier-ter wissenschaftlicher Arbeit gründenden Arten- undMethodenwissens begegnen.

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Key words: European Silver fir, dieback, forest protection,

browsing damage, forest pest, insects, fungi

Summary: During the past twenty years the European sil-

ver fir underlay different changes of opinions. From the

forest side of view almost given up in the years of the forest

dieback, it became the white hope of climate-stabile forest

ameliorations during the increasing knowledge about the

climate change impact. Thereby easily forgotten is that the

risk of biotic forest protection has not changed at all and

that silvicultural regulations can only succeed if this aspect

will be considered and reacted adequately.

40

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geeigneten Bereichen als waldbauliche Alternative nutzen

zu können, müssen die spezifischen Anforderungen einer

tannengerechten Behandlung beachtet werden. Erfolgrei-

che Tannenwirtschaft in Baden-Württemberg basiert auf

langfristigen Verjüngungsverfahren und der Bewirtschaf-

tung in strukturreichen Bestandesformen (z. B. Plenter-

oder Femelwälder). Zwingende Voraussetzung dafür sind

regulierte Schalenwildbestände und Verjüngungsgänge

mit (sehr) lang anhaltenden Überschirmungsphasen. Mit

zunehmendem Tempo der Verjüngung verliert die Tanne

in der Verjüngung ihren Höhenvorsprung insbesondere ge-

genüber der Fichte. Er ist jedoch erforderlich, um auch nach

der Freistellung die Tanne in nennenswerten Anteilen auf

Dauer im Herrschenden zu halten. Besonders problema-

tisch sind dabei vor allem plötzliche Freistellungen gemisch-

ter Tannen-Fichten-Verjüngungen beispielsweise auf Grund

von Sturmschäden. Ohne energische Maßnahmen der

Mischwuchsregulierung zugunsten der Tanne ist hier im

Regelfall davon auszugehen, dass die unter Freiflächenver-

hältnissen deutlich vorwüchsige Fichte die Tanne bereits

bis zum Zeitpunkt der ersten Durchforstung aus dem Herr-

schenden verdrängt.

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Schlüsselwörter: Weißtanne, Waldwachstum, Klimawan-

del, Südwestdeutschland

Zusammenfassung: Die Analyse umweltbedingter Wachs-

tumstrends seit der Mitte des 20. Jahrhunderts weist in Ba-

den-Württemberg auf zum Teil markante Unterschiede

zwischen Tanne und Fichte hin. Bei Tanne trat etwa von

den 1960er bis in die 1980er Jahre eine auffällige Wachs-

tumsdepression auf. Umgekehrt verlief der Trendanstieg

in den 1980er Jahren bei Tanne deutlich steiler als bei Fich-

te. Bei beiden Baumarten setzte in der jüngeren Vergan-

genheit - noch deutlich vor dem ausgeprägten Trockenjahr

2003 - ein Rückgang im Wachstumstrend ein. Bei einer Kli-

maprojektion mit Horizont 2050 ergibt sich für das Klima-

Risiko der Fichte eine ausgesprochen ungünstige Einschät-

zung der Entwicklung. Auf der Grundlage dieser Projektion

wird die Fichte in weiten Teilen Baden-Württembergs als

führende Wirtschaftsbaumart abgelöst werden müssen.

Innerhalb der natürlichen Tannen-Verbreitungsgebiete im

Südwesten kommt dabei zumindest mittelfristig der Tan-

ne eine gewisse Bedeutung als Alternative zu, da sich die

Einschätzung ihres Klima-Risikos deutlich weniger ein-

schneidend verändert als bei der Fichte. Um die Tanne in

LWF Wissen 66

Wachstum der Weißtanne in Südwestdeutschland:Entwicklung, Klima-Risiko und VerjüngungUlrich Kohnle, Chaofang Yue und Dominik Cullmann

Abbildung 1: Junger Weiß-tannenzweig (Foto: G. Aas)

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Bedeutung der Tanne in Südwestdeutschland

Die Weißtanne (Abies alba; im folgenden „Tanne“)spielt in Südwestdeutschland (Baden-Württemberg) eine besondere Rolle. Sie stellt hier die wichtigste natürliche Nadelbaumart dar. Ihr Anteil lag im ursprüng - lichen Naturwald im landesweiten Durchschnitt nur wenig unter 20 Prozent (Moosmayer 1977). In den Tan-nengebieten, vor allem im Schwarzwald, waren die Anteile noch wesentlich höher und die Tanne war neben der Buche die regional dominierende Baumart.

Trotz bedeutender, historisch bedingter Flächenrück-gänge blieb der Tanne in Südwestdeutschland bis heu-te eine Sonderstellung erhalten. Gemäß der zweitenBundeswaldinventur konzentriert sich der Hauptanteil(über 60 Prozent) der deutschen Tannenvorkommenauf Baden-Württemberg. Der Abstand zum zweiten regionalen Schwerpunkt in Bayern (circa 30 Prozentder Tannenfläche in Deutschland) ist bereits erheblich;in den anderen Bundesländern kommen heute allen-falls marginale Tannenflächen vor. Die regional starkungleichmäßige Verteilung der Baumart spiegelt sichnaturgemäß auch in den Anteilen der Tanne in den Wäl-dern der einzelnen Bundesländer wider. Die Wälder Ba-den-Württembergs bestehen noch zu mehr als siebenProzent aus Tanne, dagegen liegen die Tannenanteilein Bayern als dem zweiten natürlichen Verbreitungs-

Wachstum der Weißtanne in Südwestdeutschland: Entwicklung, Klima-Risiko und Verjüngung

LWF Wissen 66

Abbildung 2: Anteil der Tanne an der Holzbodenfläche in den regionalen Einheiten Baden-Württembergs

schwerpunkt mit circa zwei Prozent der Waldfläche nurnoch knapp über dem Bundesdurchschnitt. Auch in-nerhalb Baden-Württembergs ist das Tannenvorkom-men regional konzentriert. Sein Schwerpunkt liegt ein-deutig im Wuchsgebiet Schwarzwald (Abbildung 2),das bei einem mittleren Tannenanteil von knapp 18 Pro-zent nahezu zwei Drittel der Tannenfläche des Landesumfasst (63 Prozent).

Die besondere forstliche Bedeutung der Tanne in Süd-westdeutschland beruht auch auf ihrer Leistungsfähig-keit. Mit einer nach der zweiten Bundeswaldinventurmittleren jährlichen Zuwachsleistung von circa 16 Vor-ratsfestmetern je Hektar liegt sie landesweit etwa aufdem Niveau der Fichte, zu der sie unter geeigneten Voraussetzungen eine auch ökonomisch interessante Alternative bilden kann. Bei vergleichbarer Gesamt-wuchsleistung bedienen beide Holzarten dieselbenMarktsegmente, da sich produzierte Dimensionen (Gerwig 1868; Hink 1973) und technische Eigenschaftendes Holzes (Wagenführ 2000) ähneln. Außerdem ist dieTanne im Vergleich zur Fichte unter vergleichbaren Be-dingungen Waldschutzrisiken gegenüber im Allgemei-nen weniger anfällig. Dies gilt beispielsweise für Risi-ken auf Grund von Sturm (Albrecht et al. 2010; Schmidtet al. 2010), Borkenkäfern (Hierholzer 1954) oder Rinden-verletzungen und Fäulen (Kohnle und Kändler 2007). Ei-ne Ausnahme bildet allerdings die besondere Empfind-lichkeit der Tanne gegenüber Wildverbiss. Sie erfordert

< 5 % der Holzbodenfläche

5−15 % der Holzbodenfläche

> 15 % der Holzbodenfläche

Anteil der Tanne in Baden-Württemberg

Mannheim

Karlsruhe

Freiburg

Friedrichshafen

Ulm

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Wachstum der Weißtanne in Südwestdeutschland: Entwicklung, Klima-Risiko und Verjüngung

LWF Wissen 66

die effektive Regulierung von Wildbeständen als uner-lässliche Grundvoraussetzung erfolgreicher Tannen-wirtschaft (Kohnle und Klädtke 2010; Weidenbach undKohnle 2010).

Nachdem sich vor dem Hintergrund aktueller Szenarienvon Klima-Projektionen für den Fichtenanbau in Baden-Württemberg gravierende Folgen abzeichnen (Hanewin-kel et al. 2010), erscheint es bei der Prüfung potentiellerAlternativen sinnvoll, auch die Möglichkeiten und Be-schränkungen der Tanne zu bewerten. Im Folgendensollen daher für Tanne im Vergleich zur Fichte untersüdwestdeutschen Verhältnissen Wachstumstrendsund klimatisches Risiko dargestellt werden. Ergänzendfolgen Hinweise zu den für eine tannengerechte Verjün-gung entscheidenden waldbaulichen Voraussetzungen.

Wachstum

Gegenstand von Wachstumstrendanalysen sind Verän-derungstrends im Wachstum, die auf Veränderungenwachstumsrelevanter Umweltfaktoren beruhen. Dasmessbare Wachstum ist allerdings eine integrative Sum-mengröße, die das Zusammenwirken unterschiedlicherFaktoren abbildet. Dabei spielen neben externen Um-welteinflüssen (z. B. Witterung, Stoffeinträge) auchnicht-umweltbedingte Faktoren eine wesentliche Rollewie beispielsweise das Alter oder die Standortsleis-tungskraft. Um die für die Wachstumstrendanalyse re-levante umweltbedingte Komponente extrahieren zukönnen, müssen zuvor die Wirkungen der nicht-um-weltbedingten Wachstumsfaktoren auf das Zuwachssig-nal herausgefiltert werden. Wachstumstrendanalysen legen ihren Schwerpunkt vor allem auf mittel- bis län-gerfristige Entwicklungen. Es ist daher von besondererBedeutung, solche mittel- bis längerfristigen Trends beider Filterung der Wirkung der nicht-umweltbedingtenWachstumsfaktoren nicht unabsichtlich mit herauszu-filtern. Eben dieses Risiko besteht jedoch bei der An-wendung „klassischer“ dendrochronologischer Metho-den, da deren Schwerpunkt vor allem auf derIdentifizierung und Verstärkung kurzfristiger (jährli-cher) Wachstumsschwankungen liegt. Deshalb wurdenan der Forstlichen Versuchs- und Forschungsanstalt Baden-Württemberg (FVA) geeignete Methoden mitentsprechendem Fokus auf den spezifischen Bedürf -nissen von Wachstumstrendanalysen angepasst undentwickelt. Sie verwenden Daten aus Jahrringanalysenausgewählter Probebäume bzw. aus periodischen Bestandesaufnahmen langfristiger wachstumskund -licher Versuchsflächen.

Durchmesser-Zuwachstrends herrschender BäumeHäufig greifen retrospektive Wachstumsuntersuchun-gen auf Jahrringanalysen herrschender Bäume zurück.Zur Extraktion der umweltbedingten Komponente desdarin enthaltenen Durchmesser-Zuwachssignals wurdeein Verfahren entwickelt, das erlaubt, im Rahmen einesmultiplen Dekompositionsmodells (Yue et al. 2011) ge-zielt die Wirkung der verschiedenen nicht-umweltbe-dingten Faktoren zu berücksichtigen. Da zu diesen Fak-toren auch die Bestandesdichte sowie die Wirkung vonDurchforstungen gehört, werden nur Jahrringserienvon aus langfristigen wachstumskundlichen Versuchs-flächen stammenden Probebäumen verwendet. Bei die-sen Beständen ist es auf Grund der periodisch wieder-holten Bestandesaufnahmen (Turnus in der Regel fünfJahre) möglich, die Bestandesentwicklung eindeutig zuquantifizieren.

Auf der Grundlage der verfügbaren Datenbasis wirdein Wachstumsmodell angepasst, das unter als kon-stant angenommenen Umweltbedingungen standardi-sierte Durchmesser-Zuwachserwartungswerte unter Berücksichtigung folgender nicht-umweltbedingterWachstumsfaktoren ermöglicht: Baumart, Alter, Bonität,soziologische Stellung der Probebäume, Bestandes-dichte und Durchforstungen. Diese modellierte Durch-messer-Zuwachserwartung liefert die Wachstums -referenz. Die Division des tatsächlich gemessenenZuwachses durch den modellierten Referenzzuwachsergibt einen (dimensionslosen) Trendquotienten, derdie extrahierte umweltbedingte Komponente im Durch-messer-Zuwachssignal der Probebäume repräsentiert.Die Trendquotienten der Zuwächse werden für das je-weilige Kalenderjahr gemittelt und die Entwicklung derMittelwerte mit Hilfe einer lowess-Funktion (locallyweighted scatterplot smoothing) geglättet. Der Ermitt-lung der im Folgenden dargestellten Durchmesser-Zuwachstrends herrschender Fichten und Tannen inBaden-Württemberg liegt eine lowess-Glättung mäßigerSteifheit (0,25) zugrunde.

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Insbesondere zeigte der Grundflächenzuwachs vonTannen-Beständen vergleichbar dem Durchmesserzu-wachs herrschender Einzelbäume in den 1970/80erJahren eine charakteristische Zuwachs-Depression. SeitBeginn der 1990er Jahre (Fichtenbestände) bzw. Mit-te/Ende der 1990er Jahre (Tannenbestände) zeigtenbeide Baumarten wieder deutlich rückläufige Zuwachs -trends. Allerdings scheinen die Niveauunterschiede beiden Grundflächen-Zuwachstrends ganzer Bestände ins-gesamt weniger stark ausgeprägt als bei herrschendenEinzelbäumen. Dies könnte auf zwei unterschiedlichenUrsachen beruhen. Zum einen dürften sich die mehr-jährigen Aufnahmeperioden nivellierend auf Extrem-werte auswirken und/oder zum anderen könnten imBestandesverband Bäume unterschiedlicher soziologi-scher Stellungen unterschiedlich reagieren und eben-falls nivellierend wirken.

Wachstum der Weißtanne in Südwestdeutschland: Entwicklung, Klima-Risiko und Verjüngung

LWF Wissen 66

Für Tanne liegen zwar ähnlich wie für Fichte Jahrring-daten bereits ab dem 19. Jahrhundert vor. Allerdings reichen die für die exakte Rekonstruktion der Bestan-desverhältnisse erforderlichen periodischen Bestan-desaufnahmen der Versuchsflächen, aus denen die Pro-bebäume stammen, nur wenig weiter zurück als in die1940er Jahre. Daher sind für Tanne qualifizierte Trend-aussagen erst etwa ab den 1940er Jahren möglich.Beim Vergleich der Durchmesser-Zuwachstrends wer-den bemerkenswerte Unterschiede zwischen Fichteund Tanne deutlich (Abbildung 3):• Die Tanne zeigte etwa ab den 1960er bis in die 1980er

Jahre eine auffällige Wachstumsdepression, die sichin dieser Ausprägung bei Fichte nicht findet.

• Der Trendanstieg in den 1980er Jahren verlief bei Tan-ne deutlich steiler als bei Fichte.

• Bei beiden Baumarten ist in jüngster Vergangenheitein Trendrückgang zu beobachten; er begann jedochbei Fichte erkennbar früher als bei Tanne. BeidenBaumarten gemeinsam ist dabei allerdings, dass dieUmkehr bereits deutlich vor dem ausgeprägten Trockenjahr 2003 einsetzte.

Grundflächen-Zuwachs ganzer BeständeJahrringserien haben sich zwar vor allem für dendro-chronologische Analysen als Datenbasis bewährt. DieDatengewinnung ist jedoch recht aufwendig und dieFrage bleibt offen, inwiefern die für die Jahrringanaly-sen ausgewählten herrschenden Bäume tatsächlich dasWachstum ganzer Bestände repräsentieren.

Um dieser Frage nachzugehen, wurde die Methodikder Wachstumstrendanalyse an der FVA so weiter ent-wickelt, dass die Daten aus den periodischen Wieder-holungsaufnahmen der langfristigen waldwachstums-kundlichen Versuchsflächen genutzt werden können.Dabei werden alle Bäume eines Versuchsbestandes gemessen. Insbesondere war es erforderlich, annuali-sierte Wachstumsschätzungen aus den mehrjährigenMessperioden unterschiedlicher Länge abzuleiten;grundlegende Prinzipien hierzu sind in Yue et al. (2008)näher ausgeführt. Auf der Basis dieser methodischenWeiterentwicklung war es möglich, die flächenbezoge-nen Grundflächen-Zuwachstrends ganzer Bestände zuanalysieren, die als guter Indikator für die Trends desVolumenzuwachses gelten können. Die Ergebnisse zei-gen bei Fichte und Tanne deutlich, dass sich die Zu-wachstrends der Grundfläche ganzer Bestände und derDurchmesser herrschender Bäume im Prinzip entspre-chen (Abbildung 4).

1,6

1,4

1,2

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uo

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1880

1890

1900

1910

1920

1930

1940

1950

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1980

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2000

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Durchmesser - ZuwachstrendsFichte

Tanne

1880

1890

1900

1910

1920

1930

1940

1950

1960

1970

1980

1990

2000

2010

Abbildung 3: Umweltbedingte Durchmesser-Zuwachstrendsherrschender Fichten (oben) oder Tannen (unten) in Baden-Württemberg; dargestellt sind Jahresmittelwerte, Standard-abweichung und eine lowess-Glättungsfunktion (Steifheit0,25); Datenquelle: Jahrringanalysen von Probebäumen auflangfristigen waldwachstumskundlichen Versuchsflächen

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Wachstum der Weißtanne in Südwestdeutschland: Entwicklung, Klima-Risiko und Verjüngung

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]Grundflächen - Zuwachstrends

1910

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1990

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Fichte

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1920

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1940

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1960

1970

1980

1990

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Tanne

Abbildung 4: Umweltbedingte Grundflächen-Zuwachs -trends ganzer Bestände aus Fichte (oben) oder Tanne (unten) in Baden-Württemberg; dargestellt sind Jahres -mittelwerte, Standardabweichung und eine lowess-Glättungs funktion (Steifheit 0,25); Datenquelle: periodische Wiederholungsaufnahmen langfristiger waldwachstumskundlicher Versuchsflächen.

Klima-Risiko

Die FVA beschäftigt sich im Rahmen eines abteilungs-übergreifenden Großprojektes intensiv mit der Frageder zukünftigen Eignung der Hauptbaumarten Südwest-deutschlands bei sich ändernden klimatischen Be -dingungen. Ziel ist die qualifizierte Beurteilung des Klima-Risikos und der waldbaulichen Eignung derBaumarten. Das methodische Vorgehen besteht auszwei getrennten Schritten (Hanewinkel et al. 2010). Alserster Schritt werden statistische Modelle zu klimatischbestimmten Arealräumen entwickelt. Dabei wird dasKlima-Risiko für Teilräume unterschiedlicher regional-klimatischer Angepasstheit modelliert (Klima-Risiko-Karten). Im zweiten Schritt wird die waldbauliche Eig-nungsbeurteilung der Baumarten aktualisiert. Dabeiwerden die für ein Szenario der Klimaveränderung mo-dellierten Klima-Risiko-Karten in das bestehende stand-ortskundliche Verfahren zur waldbaulichen Eignungs-beurteilung der Baumarten (Aldinger und Michiels 1997)einbezogen.

Für die Fichte sind bereits beide Schritte bis zur stand-ortsdifferenzierten Neueinschätzung der Baumarteneig-nung vollzogen (Hanewinkel et al. 2010). Für die Tanneliegt gegenwärtig erst das Ergebnis des ersten metho-dischen Arbeitsschrittes zur rein klimabezogenen Be-urteilung des Risikos vor. Die folgenden Ausführungenfür die Tanne beziehen sich daher ausschließlich aufdie Zwischenergebnisse der Klima-Risiko-Karte des ers-ten Arbeitsschrittes und können nur orientierendenCharakter haben (v. Teuffel 2010). Bei der Annahme ei-ner Klimaprojektion mit einem Zeithorizont bis zumJahr 2050 zeigt sich, dass für die Fichte in weiten Tei-len Südwestdeutschlands keine günstigen Verhältnissemehr für einen flächigen Anbau bestehen könnten (Ab-bildung 5). Die auf der Basis der für aktuelle Klimaver-hältnisse abgeleiteten Klima-Risiko-Karte für Fichtegünstige Beurteilung des Anbaupotentials in Höhe von55 Prozent dürfte bis Mitte des Jahrhunderts um 39 Pro-zentpunkte zurückgehen (Hanewinkel et al. 2010). Diesist auch deshalb besonders bedenklich, weil die mitder Fichtenwirtschaft verbundenen erheblichen Sturm-risiken (Albrecht 2009; Albrecht et al. 2010; Schmidt et al.2010) bei dieser Beurteilung noch gar nicht berücksich-tigt sind.

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Wachstum der Weißtanne in Südwestdeutschland: Entwicklung, Klima-Risiko und Verjüngung

LWF Wissen 66

Fichte aktuelles Klima

Ökologisches Optimum99

74

50

25

1

Ökologisches Suboptimum

Äußere Arealrandzone

Innere Arealrandzone

Klimaeignung

Fichte Projektion 2050

81

60

40

20

0

Klimaeignung

Tanne Projektion 2050

39

29

19

9

0

Klimaeignung

Tanne Klima 2000

41

30

20

10

0

Klimaeignung

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Wachstum der Weißtanne in Südwestdeutschland: Entwicklung, Klima-Risiko und Verjüngung

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Es wird also nötig sein, in größeren Bereichen des Lan-des leistungsfähige Alternativen zur Fichte zu finden.Als mögliche Alternative werden auch die Möglichkei-ten der Tanne diskutiert. Die bisherigen Zwischenergeb-nisse erlauben bereits einige Rückschlüsse. Danachführt die statistische Beurteilung des Klima-Risikos aufder Grundlage europaweiter Verbreitungs- und Klima-daten auch bei der Tanne in Baden-Württemberg zu ins-gesamt plausiblen Ergebnissen. Bei der Abbildung lo-kal begrenzter Vorkommen stößt das Vorgehen jedochan Grenzen. Beispielsweise wird das natürliche Tannen-vorkommen im Schwäbisch-Fränkischen Wald nicht erfasst (Abbildung 4). Zur Verbesserung der Trenn-schärfe der Modellierung könnte es unter Umständenhilfreich sein, den derzeit verwendeten europaweitenDatensatz zum Tannenvorkommen (Hanewinkel et al.2010) mit räumlich stärker aufgelösten Informationenbeispielsweise aus Betriebsinventuren zu ergänzen.

Insgesamt wird auch deutlich, dass sich die Verhältnis-se für Tanne weniger einschneidend verändern dürftenals für Fichte. In einigen Gebieten Baden-Württembergskönnte die Tanne tatsächlich mittelfristig als klimatischbesser geeignete ertragsstarke Baumart die Fichte zumindest teilweise ersetzen. Diese vorläufige Einschät-zung gilt in Südwestdeutschland allerdings nur für Gebiete innerhalb des natürlichen Tannen-Verbreitungs-gebietes.

Tannengerechter Waldbau

Insgesamt bietet die Tanne als natürliche Hauptbaumartin gewissem Umfang also auch Potential im Klimawan-del. Um dieses Potential effektiv nutzen zu können, istjedoch ein tannengerechter Umgang mit dieser Baum-art Voraussetzung. Dies gilt sowohl für die waldbauli-chen Anforderungen hinsichtlich der Verjüngung alsauch einer stabilitätsfördernden Bewirtschaftung in

langfristig strukturreichen Beständen ohne abrupteStrukturwechsel. Besondere Aufmerksamkeit erforderndie Voraussetzungen für eine erfolgreiche Verjüngung.Prinzipiell kann sich die ausgeprägte Schattbaumart vor allem unter Schirm sehr gut gegen stärker lichtbe-dürftige Konkurrenten wie beispielsweise die Fichtedurchsetzen. Erfolgreiche Tannenwirtschaft ist daher imRegel fall an (Natur-) Verjüngungsverfahren mit überJahrzehnte anhaltenden Überschirmungsphasen gebun -den. Neben Plenterwäldern bieten vor allem langfristi-ge Femelwälder beste Voraussetzungen für die Tanne.

Der Einfluss der Dauer der Überschirmung (Hiebsge-schwindigkeit) auf die Entwicklung der Tannenverjün-gung zeigt sich exemplarisch in einer systematischenFVA-Versuchsreihe zur langfristigen (Femel-)Verjün-gung in hiebsreifen Tannen-Fichten-Mischbeständen.An fünf verschiedenen Orten wird auf insgesamt 19 Ver-suchsfeldern unter anderem die Entwicklung der Na-turverjüngung bei unterschiedlich rascher Nutzung desAltbestandes beobachtet (Weise 1995): rasche (inner-halb von 20 Jahren), mittlere (innerhalb von 35 Jahren)und langsame Endnutzung (innerhalb von 50 Jahren).Zum Vergleich dienen geschlossene Vorratspflegefel-der, in denen lediglich 50 Prozent des laufenden Zu-wachses genutzt werden. Die Intervalle zwischen denAufnahmen von Altbestand und Verjüngung sowie derBehandlung betragen im Regelfall fünf Jahre. Abbil-dung 6 zeigt die Entwicklung der Verjüngung über fünfAufnahmen nach einer Versuchsdauer von 25 Jahren.Auf den Feldern mit raschem Verjüngungsgang ist dieVerjüngung seit der vierten Aufnahme (nach 20 Jahren)vollständig vom Altbestandsschirm frei gestellt. Auf denFeldern mit mittlerer Verjüngungsgeschwindigkeit istder Vorrat des Altbestandes zwischenzeitlich auf 30Prozent des Ausgangsvorrates abgesenkt und bei lang-samer Verjüngung auf 60 Prozent. Dargestellt in Abbil-dung 6 ist die Oberhöhe der Tannen im Vergleich zuden Fichten.

Abbildung 5: Klima-Risiko-Karten für Fichte [aus Hanewin-kel et al. (2010)] und Tanne in Südwestdeutschland abgelei-tet für das gegenwärtige Klima (oben) und eine Klimapro-jektion für das Jahr 2050 (unten); bei Tanne umschließendie eingezeichneten Grenzlinien (hellblau) die natürlichenVerbreitungsgebiete der Baumart in Baden-Württemberg.

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Deutlich zu erkennen ist, dass während der Überschir-mung die Tanne erwartungsgemäß im Vergleich zurFichte größere Höhenzuwächse leistet und in der rela-tiven Höhe kontinuierlich zulegt (Abbildung 6). Bei raschem Verjüngungsgang (Nutzung des Altbestandesinnerhalb von 20 Jahren) deutet sich in den Phasen mitstark aufgelockertem bzw. bereits abgedecktem Schirm(Aufnahmen 3 – 5) eine Stagnation der Höhenrelationzwischen Tanne und Fichte an. Auf den anderen Flä-chen baut die Tanne bei (noch) anhaltender Überschir-mung ihren Höhenvorsprung weiter aus.

Zu betonen ist, dass sich die einer erfolgreichen Tan-nenwirtschaft zugrunde liegenden langfristigen Verjün-gungszeiträume in (strukturreichen) Beständen aus-schließlich im Kontext angepasster Wildbeständeverwirklichen lassen. Tatsächlich gilt im baden-würt-tembergischen „Tannenland“ der Nachweis waldbau-lich für Tanne tragbarer (geringer) Verbissintensitätenals Gradmesser und Nagelprobe für die jagdliche Ernst-haftigkeit bei der Umsetzung der Ziele des naturnahenWaldbaus (Kohnle und Klädtke 2010).

Rasche Hiebsgänge und insbesondere abrupte Freistel-lungen (z.B. Sturm) sind der Entwicklung von Tannen-Verjüngungen grundsätzlich abträglich. Zum einen lei-det die Schattbaumart auf Freiflächen unter Problemen(z. B. Frost, Lausbefall). Zum anderen fällt sie in ge-mischten Verjüngungen im Wachstum vor allem gegen-über der unter Freiflächenverhältnissen vorwüchsigenFichte zurück. Problematisch kann dies insbesonderenach Sturmschäden werden, wie sich am Beispiel von„Lothar“ klar gezeigt hat. Vom Sturm abgedeckte Natur-verjüngungen enthielten zwar in erfreulich hohem Um-fang nennenswerte Tannenanteile (Kohnle et al. 2005 a).In vielen gemischten Verjüngungen aus Fichte und Tan-ne zeichnete sich jedoch bereits bei einer Erhebungvier Jahre nach dem Sturm ab, dass die Tannen imWachstum hinter den Fichten zurückzubleiben began-nen. In 12 detailliert aufgenommenen gemischten Ver-jüngungen waren die Tannen unmittelbar vor demSturm im Mittel zwar geringfügig höher als die Fichten(116 Prozent der Oberhöhe der Fichte); vier Jahre spä-ter (2003) waren sie mit im Mittel 91 Prozent der Ober-höhe bereits leicht hinter die Fichte zurückgefallen(Kohnle et al. 2005 b).

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Wachstum der Weißtanne in Südwestdeutschland: Entwicklung, Klima-Risiko und Verjüngung

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3

2

1 1 2 3 4 5

langsame Verjüngung (50 Jahre)

3

2

1 1 2 3 4 5

mittlere Verjüngung (35 Jahre)

3

2

1 1 2 3 4 5

Vorratspflege (50 % iV)

3

2

1 1 2 3 4 5

rasche Verjüngung (20 Jahre)

Aufnahme

Höhenentwicklung

Hd

om

Tan

ne

in R

elat

ion

Hd

om

Fic

hte

Abbildung 6: Höhenentwicklung von Tanne in Relation zuFichte in der Naturverjüngung unterschiedlich rasch geführ-ter Femelschläge; dargestellt sind Mittelwerte und Stan -dard fehler der Oberhöhenrelation zwischen Tanne undFichte in Jungwuchsaufnahmen bei fünfjährigen Aufnah-meintervallen (erste Aufnahme fünf Jahre nach dem erstenFemelhieb); Datenquelle: Femel-Versuchsserie Ta 221-225der FVA (Weise 1995) mit insgesamt 19 Versuchsfeldern.

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Um sich bis zur ersten Durchforstung im Herrschendenhalten zu können, benötigen Tannen in unbehandeltwachsenden Mischverjüngungen im Regelfall bei Frei-stellung einen erheblichen Höhenvorsprung vor derFichte. Dies zeigte sich bei einer anderen Arbeit in un-behandelten, gemischten Naturverjüngungen 14 Jahrenach Freistellung auf Grund von Sturm (Frühjahr 1990).Die im Winter 2003/04 noch im Herrschenden betei -ligten Tannen hatten zum Zeitpunkt der Freistellung die Fichten um ein Mehrfaches an Höhe übertroffen (Abbildung 7). Innerhalb von nur 14 Jahren hatten dieFichten diesen deutlichen Wuchsvorsprung im Wesent-lichen bereits eingeholt. Die mit großem Höhenvor-sprung ausgestatteten Tannen waren allerdings nochnicht entscheidend überwachsen, sondern immer nochim Herrschenden beteiligt.

Diese Befunde unterstreichen die Erfahrung forstlicherPraktiker mit plötzlich freigestellten gemischten Verjün-gungen aus Tanne und Fichte. Soll in solchen Situatio-nen die Tanne als stabilisierendes Element in nennens-wertem Umfang sicher bis zur Erstdurchforstung imHerrschenden erhalten bleiben, benötigt sie einen sub-stantiellen Höhenvorsprung vor der Fichte. Trifft diesnicht zu, ist im Regelfall eine energische Mischwuchs-regulierung zugunsten der Tanne erforderlich, um siebis zum Beginn der Durchforstung im Herrschendenhalten zu können.

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Wachstum der Weißtanne in Südwestdeutschland: Entwicklung, Klima-Risiko und Verjüngung

LWF Wissen 66

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Höhenentwicklung

Hd

om

Tan

ne

[in

% H

do

m F

ich

te]

Jahre nach Freistellung

VerjüngungenMittelwert

0 5 10 15 20

600

500

400

300

200

100

0

VerjüngungenMittelwert

Abbildung 7: Entwicklung der relativen Höhe von Tanne imVerhältnis zu Fichte in gemischten Verjüngungen während14 Jahren nach Freistellung auf Grund von Sturm; darge-stellt ist die Entwicklung in fünf verschiedenen Verjüngun-gen (grüne Linien) und des Mittelwertes (orange Linie), sowie eine fünfjährige Trendfortschreibung bis zum Altervon 19 Jahren [(leicht verändert aus Kohnle et al. (2005 b)].

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Key words: Silver Fir, forest growth, climate change, South-

Western Germany

Summary: Growth trend analysis based on either year ring

analysis of dominant trees or periodic measurements of

whole stands (basal area) disclosed notable differences

between Silver fir (Abies alba) and Norway spruce (Picea

abies) in Southwest Germany (Baden-Württemberg) since

the mid 20th century. On one hand, fir displayed a charac-

teristic growth depression during the 1960s – 1980s

whereas on the other hand the increasing growth trend in

the 1980s was much more prominent in fir than in spruce.

Since lately, growth trends in both species have reversed.

However, inversion of growth trends occurred well before

the drought year 2003.Based on a current climate scena-

rio, the climatic risk of spruce will develop very unfavoura-

bly in the German Southwest. According to the scenario,

spruce will most probably loose its role as the economic

staple tree in most of the state until 2050. In part, fir might

provide an alternative, as the species’ climate risk within its

natural ranges in Southwest Germany is judged to deve-

lop by far less unfavourably than in spruce. In order to ma-

nage fir effectively, it is necessary to pay particular atten-

tion to characteristic key elements in fir silviculture, in

particular for regeneration. In Southwest Germany, effecti-

ve fir silviculture is associated with long-term regeneration

techniques and management in unevenly-structured

stands (e.g. single selection forests or group selection sys-

tems such as ”Femelwald“). Obligate pre-requisite are re-

gulated populations of browsing wildlife species as well as

prolonged periods with decades with (partial) crown co-

ver. Under rapid regeneration cutting systems, the shade

tolerant fir looses the height dominance over spruce

necessary to maintain the fir in the dominant cohort of the

stand after complete removal of the overstory. Of parti -

cular concern with this respect are mixed fir-spruce rege-

nerations where the overstory is abruptly removed e.g.

through storm damage. Under full light conditions spruce

height growth is thriving and will rapidly outgrow fir. If fir

is not released under such conditions through selective pre-

commercial thinnings from spruce competition, it will as a

rule not be possible to retain adequate portions of domi-nant firs in the stand until the first thinning.

50

Wagenführ, R. (2000): Holzatlas. Fachbuchverlag Leipzig

Weidenbach, P.; Kohnle, U. (2010): Naturnahe Waldwirtschaft inBaden-Württemberg – ein Rückblick. AFZ/Der Wald 65, S. 20–22

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Wachstum der Weißtanne in Südwestdeutschland: Entwicklung, Klima-Risiko und Verjüngung

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Zwar zeigen sich im Dickenwachstum der Bäume kaumUnterschiede, wie eine Auswertung von mehr als50.000 Stichprobenflächen im bayerischen Staatswaldergab (Abbildung 1).

Auf diesen Stichprobenflächen kamen Fichte und Tan-ne in der Oberschicht gemeinsam vor, hatten daher beide die gleichen Standortsbedingungen. Die Vorrätein reinen Fichten-Beständen sind allerdings etwas hö-

51

Schlüsselwörter: Sturmschaden, Sturmwurfrisiko, Tanne,

Fichte, Überlebenswahrscheinlichkeit, Erwartungswert

Zusammenfassung: Im Zuge der Klimaänderung wird die

Fichte in Süddeutschland wohl erheblich an Fläche verlie-

ren. Derzeit werden Fichtenreinbestände in großem Um-

fang in Mischwälder umgebaut, in denen auch die Weiß-

tanne neben Fichte und Buche einen größeren Anteil

haben soll. Vor allem in den für die Fichte noch verbleiben-

den Anbaugebieten stellt sich die Frage, welche Vorzüge

aus wirtschaftlicher Sicht die Tanne gegenüber der Fichte

hat. Der Holzpreis, die Massenleistung und die schwierige-

ren Verjüngungsmöglichkeiten sprechen nicht für eine

wirtschaftliche Überlegenheit der Tanne. Das Sturmwurf -

risiko der beiden Baumarten unterscheidet sich nach Aus-

wertung der Inventurdaten aus dem bayerischen Staats-

wald jedoch signifikant. Obwohl Sturmwurfereignisse in

reinen Fichtenbeständen und in Mischbeständen aus Fich-

te und Tanne gleich häufig sind, treten in Fichten-Tannen-

Mischbeständen und Tannenreinbeständen deutlich gerin-

gere Schäden auf. Fichten-Tannen-Bestände scheiden

deshalb seltener vorzeitig aus als Bestände aus reiner Fich-

te. Dieses unterschiedliche Sturmwurfrisiko wurde ökono-

misch bewertet, indem aus den Inventurdaten Überlebens-

wahrscheinlichkeiten abgeleitet und die Erwartungswerte

der Bodenertragswerte kalkuliert wurden. Es zeigte sich,

dass unter Berücksichtigung des Ausfallrisikos ein gemisch-

ter Bestand aus Fichte und Tanne selbst bei einer etwas

geringeren Wuchsleistung einem Fichtenreinbestand öko-

nomisch ebenbürtig ist. Allerdings hängt der langfristige

wirtschaftliche Erfolg in weit höherem Maße von der

Höhe der Kosten für die Bestandesbegründung ab.

Die Fichte gilt als der Brotbaum der Forstwirtschaft inMitteleuropa. Sie wird dort im Zuge der Klimaänderungwohl erheblich an Fläche verlieren. Die Tanne bedecktin Bayern nur zwei Prozent der Waldfläche. Ihr künfti-ges potentielles Anbaugebiet wird sich häufig mit demüberschneiden, das für die Fichte überhaupt noch üb-rig bleibt. Es stellt sich deshalb die Frage, ob es auchaus wirtschaftlicher Sicht Vorzüge der Tanne gegenüberder Fichte gibt. Die Weißtanne wuchs in Bayern in derVergangenheit eher etwas langsamer als die Fichte.

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Ökonomische Bewertung der TanneHerbert Borchert und Stefan Friedrich

BH

D-Z

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ach

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Alter [Jahre]

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00 50 100 150 200 250

Durchmesser-Zuwachs

FichteTanne

Abbildung 1: Der durchschnittliche BHD-Zuwachs von Fichteund Tanne über dem Alter auf mehr als 50.000 Stichproben-flächen der Betriebsinventuren im bayerischen Staatswald, aufdenen beide Baumarten in der Oberschicht gemischt vorkamen.

Alter [Jahre]

Ant

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Holzvorrat im Vergleich zu Fichte, rein

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Fichte-Tanne

Tanne, rein

Abbildung 2: Die Höhe des Holzvorrates in Fichten-Tannen-Beständen und in reinen Tannen-Beständen im Verhältnis zudem in reinen Fichten-Beständen im bayerischen Staatswaldaußerhalb der Alpen; nur Stichprobenflächen mit reiner Fichte wurden einbezogen, wenn in demselben WaldortFichte und Tanne auch gemischt bzw. Tanne rein vorkam.

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her als die in Fichten-Tannen-Mischbeständen unddeutlich höher als die in reinen Tannen-Beständen (Ab -bildung 2).

Die Erzeugerpreise für das Stammholz der Weißtanneentsprachen seit 1990 im Mittel genau denen der Fich-te (Abbildung 3). Beide Zeitreihen korrelieren fast voll-ständig positiv miteinander (r=0,95).

Die Weißtanne ist in einem Baumarten-Portfolio nichtanders zu bewerten als die Fichte. Eine Mischung vonTanne und Fichte dämpft offensichtlich nicht die Markt-risiken der Forstbetriebe, wie es für andere Baumarten-Mischungen beschrieben wurde (Knoke 2008). Die Zeit-reihen der Preise in Abb. 3 überraschen etwas, weil dieForstbetriebe beim Verkauf meist Preisabschläge fürTanne vereinbaren. Die niedrigeren Preise der Tannefür Stammholz normaler Qualität gegenüber Fichte wer-den jedoch durch geringere Anteile schlechter Quali-täten bei der Tanne kompensiert.

Die Waldverjüngung ist bei der Weißtanne infolge star-ker Wildverbissbelastung häufig schwieriger als bei derFichte. Einzig die häufig genannte größere Standfestig-keit der Tanne bei Stürmen bleibt als ein wirtschaftli-ches Argument für den Tannenanbau. Die bisherigenKlimaprognosen deuten nicht auf eine Zunahme extre-me Winterstürme hin. Unzweifelhaft wird es bei einerKlimaerwärmung jedoch mehr Gewitterstürme geben,da diese eng mit der Temperatur korreliert sind. DerHolzpreis, der Verjüngungserfolg und das Wachstumder Tanne im Vergleich zur Fichte können keine wirt-schaftliche Überlegenheit der Tanne begründen. Im Folgenden wird deshalb analysiert, ob die größereSturmfestigkeit der Tanne den wirtschaftlichen Erfolgsteigern kann.

Datengrundlage

Die Sturmwurfrisiken wurden auf der Grundlage der imbayerischen Staatswald erhobenen Inventurdaten ana-lysiert. Bei den permanenten Betriebsinventuren imbayerischen Staatswald wird bei der Wiederholungs-aufnahme vermerkt, ob Bäume, die seit der letzten In-ventur ausgeschieden sind, Opfer eines Windwurfswurden. Sturmwürfe sind im Gegensatz zu Sturmbruchauch nach Aufarbeitung anhand der angeschobenenStöcke und Wurzelteller häufig zu erkennen. Die Tannedürfte auf Grund ihres Wurzelsystems im Vergleich zurFichte stabiler bei drohendem Sturmwurf als bei dro-hendem Bruch sein, insofern ist die Begrenzung auf

Ökonomische Bewertung der Tanne

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01985 1990 1995 2000 2005 2010

Holzpreise

FichteTanne

Abbildung 3: Entwicklung der Preise für Stammholz derStärke 2b von Fichte und Tanne im Staatswald Bayerns (unentrindet, frei Waldstraße)

Fichte-Tanne

Fichte,rein

Verteilung der Stichprobenflächen

Abbildung 4: Die Verteilung der Stichprobenflächen mit reinerFichte (Anteil ≥ 80Prozent) und von Fichte und Tanne. Die Linie zeigt die Grenze zwischen den Straten West und Ost.

Wurfrisiken bei dieser Analyse zweckmäßig. Die Inven-turdaten wurden im Zeitraum von 1985 bis Ende 2006aufgenommen. Der Datensatz umfasst keine Stichpro-benflächen aus dem Alpenraum. Abbildung 4 zeigt dieVerteilung der Stichprobenflächen.

Im Erhebungszeitraum der Daten betrafen starke Stür-me vor allem den Westen Bayerns. Ostbayern wurdekurz vorher (1984) und unmittelbar danach (2007) vonOrkanen heimgesucht. Aus diesem Grund wurden dieDaten entlang einer Geraden zwischen Bamberg undLandshut nach West und Ost getrennt. Für Fichten-Rein-bestände gab es circa 29.000 Stichprobenflächen, für

Fichte-Tanne

Fichte, rein

Verteilung der Stichprobenflächen

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reine Fichten-Bestände in der Nachbarschaft von Tan-ne circa 3.500 und für Fichten-Tannen-Bestände mitähnlichem Alter beider Baumarten etwa 3.000 Stichpro-benflächen mit im Durchschnitt 81 Prozent Anteil vonFichte und Tanne an der Grundfläche. Fichte und Tan-ne unterschieden sich im Alter um maximal 30 Prozent.Stichproben mit reiner Tanne gab es nur knapp 600, davon lagen fast drei Viertel im Osten Bayerns. Der Zeit-raum zwischen den beiden Inventuren betrug im Mit-tel zehn Jahre. Als Reinbestand wurden Stichproben-

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%]

Sturmwürfe im Westen

Fichte, reinFichte-TanneTanne, reinTrend: Fichte, rein

Abbildung 5: Die Häufigkeit von Sturmwürfen zwischenzwei Inventuren in reinen Fichten-Beständen, Fichten-Tannen-Beständen und Tannen-Beständen im Westen Bayerns über dem Alter am Beginn der Periode; nur Stich-probenflächen mit reiner Fichte wurden einbezogen, wenn in demselben Waldort auch Tanne vorkam.

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Sturmwürfe im Osten

Fichte, reinFichte-TanneTanne, reinTrend: Fi, Fi-Ta

Abbildung 6: Die Häufigkeit von Sturmwürfen zwischenzwei Inventuren in reinen Fichten-Beständen, Fichten-Tan-nen-Beständen und Tannen-Beständen im Osten Bayernsüber dem Alter am Beginn der Periode; nur Stichprobenflä-chen mit reiner Fichte wurden einbezogen, wenn in dem-selben Waldort auch Tanne vorkam

flächen von Fichte oder Tanne klassifiziert, wenn ihrAnteil 80 Prozent oder mehr betrug. Stichprobenflächenmit reiner Fichte wurden nur mit Flächen mit Fichte-Tanne oder reiner Tanne verglichen, wenn in demsel-ben Waldort auch die Tanne vorkam. Auf diese Weisesollten mögliche Standortsunterschiede als Grund füreine unterschiedliche Standfestigkeit der Baumartenweitgehend ausgeschlossen werden.

Als Maßstab für die ökonomische Bewertung wurdeder Bodenertragswert1 verwendet. Der Kalkulation wur-de ein Zinssatz von zwei Prozent zugrunde gelegt. AlsKulturkosten wurden 3.500 Euro pro Hektar veran-schlagt. Verwaltungskosten wurden außer Acht gelas-sen. Bei der Berechnung der Holzerlöse wurden dievon den Bayerischen Staatsforsten während der letztenfünf Jahre erzielten durchschnittlichen Holzpreise he-rangezogen. Für die Erntekosten wurden Leistungszah-len der maschinellen Holzernte und Stundensätze nachPausch und Ponitz (2002) sowie nach Lüthy (1997), korri-giert von Pausch, verwendet. Das Wachstum eines Fich-ten-Reinbestandes wurde mit dem Programm SILVAmodelliert. Dabei wurde ein nährstoffreicher Standortim Alpenvorland zugrunde gelegt. Das Wachstum einesFichten-Tannen-Bestandes wurde modelliert, indem dieVorratswerte des Fichten-Reinbestandes entsprechenddem in Abbildung 2 dargestellten Verhältnis reduziertwurden. Die Risiken von Sturmschäden wurden be-rücksichtigt, indem die Erwartungswerte der Bodener-tragswerte berechnet wurden. Dazu wurden die mögli-chen Abtriebserlöse mit den Wahrscheinlichkeiten fürdas Ausscheiden eines Bestandes infolge eines Sturm-wurfereignisses bzw. für das Überleben des Bestandeswährend des folgenden Jahrzehntes gewichtet. Im Fal-le des Ausscheidens auf Grund von Sturmwurf wurdeder erntekostenfreie Abtriebserlös um die Hälfte redu-ziert (Dieter 1997, S. 97). Zur Herleitung der bedingtenWahrscheinlichkeiten für das Überleben von Bestän-den sei auf Dieter (1997, S. 29) verwiesen.

Ergebnisse

Sturmwürfe waren im Westen und Osten Bayerns un-terschiedlich häufig (Abbildungen 5 und 6).

1 Der Bodenertragswert ist der Gegenwartswert aller künftigenEin- und Auszahlungen aus dem Wald mit unendlichem Zeit-horizont. Dabei wird von einem noch unbestockten Wald -boden ausgegangen.

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Dabei unterscheiden sich reine Fichten- und Fichten-Tannen-Bestände deutlich. Reine Fichten-Beständenwurden viel häufiger vollständig geworfen. Die Grund-fläche der geworfenen Bäume in den vom Sturmwurfbetroffenen Stichprobenflächen mit Fichte-Tanne warim Westen mit 23 Prozent hochsignifikant4 niedriger alsin denen mit reiner Fichte (35 Prozent). Innerhalb derFichten-Tannen-Bestände war in etwa der Hälfte der Fäl-le (52 Prozent) nur die Fichte vom Sturmwurf betroffen.In wenigen Fällen (elf Prozent) war allein die Tanne be-

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Im Westen stieg der Anteil der innerhalb eines Jahr-zehnts von Sturmwurf betroffenen Stichprobenflächenmit dem Alter der Bestände auf Werte von teilweisemehr als 40 Prozent an, im Osten blieb er meist unterzehn Prozent. Der Zusammenhang der Sturmwurf-Häufig -keit mit dem Alter war im Westen insbesondere bei denFichten-Reinbeständen sehr eng, im Osten dagegenkaum ausgeprägt. Gleichwohl besteht eine kausale Beziehung vorrangig mit der Baumhöhe (König 1995;Schmidt et al. 2006). Die Baumhöhe korreliert eng mitdem Alter. Für die ökonomischen Betrachtungen wirdjedoch der Alterszusammenhang benötigt. Werden al-le im Westen gelegenen Fichten-Reinbestände, von de-nen Wiederholungsaufnahmen vorliegen, in die Aus-wertung einbezogen, ist der Zusammenhang mit demAlter noch enger (Abbildung 7). In der Altersspannevon etwa 60 bis 120 Jahren, in der meist die Endnut-zungsentscheidung fällt, verlaufen beide Kurven nahe-zu identisch. In Fichten-Tannen-Beständen im westli-chen Teil Bayerns streuten die Werte über dem Alterstärker. Dies dürfte auf dem geringen Stichprobenum-fang beruhen.

Sturmwürfe waren in Fichten-Tannen-Beständen offen-sichtlich nicht weniger häufig als in Fichten-Reinbestän-den. Die Stichprobenflächen mit reiner Tanne waren imWesten seltener von Sturmwurf betroffen. Allerdings warhier die Zahl der Stichproben zu gering, um darausSchlüsse ziehen zu können.2 Häufig wurden bei denSturmwürfen nicht alle Bäume geworfen. Meistens warnur ein geringer Teil der Grundfläche betroffen (Ab -bildung 8).

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Häufigkeit von Sturmwürfen

Fichte, rein gesamt

Fichte, rein in Waldort mit Tanne

Abbildung 7: Die Häufigkeit von Sturmwürfen zwischen zweiInventuren in reinen Fichten-Beständen im Westen Bayernsüber dem Alter am Beginn der Periode; eine Trendlinie bezieht sich auf alle Stichprobenflächen mit reiner Fichte(N=14.942, R²=0,98), die andere nur auf Flächen, bei denenin demselben Waldort auch Tanne vorkam (N=762, R²=0,89).

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Schadensausmaß

Fichte, rein

Fichte-Tanne

Anteil der geworfenen Grundfläche [%]

5 15 25 35 45 55 65 75 85 95

Abbildung 8: Die Häufigkeitvon Stichprobenflächen mitSturmwurf verteilt über demSchadensausmaß in reinenFichten-Beständen und Fich-ten-Tannen-Beständen imWesten Bayerns; der Anteilder geworfenen Grundflä-che steht für das Schadens-ausmaß. 3

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Die Häufigkeiten bei den Fichten-Tannen-Beständenstreuen erheblich. Dies ist auf die geringe Zahl der Fäl-le mit größerem Schadensausmaß zurückzuführen.5

Aus diesem Grund wurde die Ausgleichskurve für dieFichten-Tannen-Bestände nicht aus der Punktewolke inAbbildung 9 geschätzt. Stattdessen wurde von der Häu-figkeit von Sturmwürfen in den reinen Fichtenbestän-den ausgegangen (siehe Abbildungen 5 und 7), weilsich Fichten-Tannen-Bestände darin offensichtlich nichtvon reinen Fichten-Beständen unterschieden. DieseHäufigkeit wurde mit der durchschnittlichen Häufigkeitvon Fällen mit mehr als 30 Prozent betroffener Grund-fläche in Fichten-Tannenbeständen (23 Prozent der Fäl-le) multi pliziert. Aus den Kurven in Abbildung 9, diedas Ausscheiden der Bestände infolge eines Sturm-wurfs beschreiben, lassen sich die in Abbildung 10 dar-gestellten Kurven von Überlebenswahrscheinlichkeitenerrechnen.

Diese sind so zu interpretieren, dass ein heute begrün-deter Bestand, der Sturmwurfrisiken unterliegt, wie siein den vergangenen zwei Jahrzehnten im Westen Bay-erns bestanden, mit einer Wahrscheinlichkeit von 65Prozent nach 75 Jahren noch existiert und das folgen-de Jahrzehnt überleben wird. Ein Fichten-Tannen-Be-stand wird mit einer Wahrscheinlichkeit von 82 Prozentnach 75 Jahren noch bestehen und das folgende Jahr-zehnt überleben. Dabei wurde unterstellt, dass Sturm-würfe erst ab einem Alter von 40 Jahren beginnen, auchwenn nach den Inventurdaten in Einzelfällen auch injüngerem Alter Fälle von Sturmwurf vorkamen. Dabeikann es sich auch um Nachhiebsreste gehandelt haben. Gleichung für die Wahrscheinlichkeit P des Ausschei-dens eines Bestandes über dem Alter (Abbildung 9):P(Fichte, rein)= –0,00001 x Alter 2 +0,0031 x Alter –0,0483P(Fichte–Tanne)= –0,000003 x Alter2 + 0,0012 x Alter –0,0113

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Ausscheiden von Beständen

Fichte, reinFichte-TanneTrend: Fichte, reinFichte-Tanne,geschätzt

Abbildung 10: Die geschätzte Überlebenswahrscheinlichkeitüber dem Alter für reine Fichten-Bestände und Fichten-Tan-nen-Bestände im Westen Bayerns unter Sturmwurfrisiken

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Überlebenswahrscheinlichkeit

Fichte, reinFichte-Tanne

Abbildung 9: Die Häufigkeit von Sturmwürfen mit mehr als30 Prozent betroffener Grundfläche zwischen zwei Inventurenin reinen Fichten-Beständen und Fichten-Tannen-Beständenim Westen Bayerns über dem Alter am Beginn der Periode

2 Auf 12 von 158 Stichprobenflächen mit reiner Tanne kamenim Westen Bayerns Sturmwurfschäden vor.3 Nur Stichprobenflächen mit reiner Fichte wurden einbezo-gen, wenn in demselben Waldort auch Tanne vorkam. DieGrundfläche bezieht sich auf den Beginn der Periode. 4 Irrtumswahrscheinlichkeit bei zweiseitigem t-Test < 1 Prozent5 In 22 von 95 Flächen mit Sturmwurf war mehr als 30 Prozentder Grundfläche betroffen. Im Westen Bayerns gab es insge-samt 447 Stichprobenflächen mit Fichte-Tanne.

troffen. Im Osten Bayerns wurde in den gemischten Be-ständen sogar in 59 Prozent der Fälle allein die Fichtegeworfen. Ein deutlicher Zusammenhang zwischendem Umfang der vom Sturmwurf betroffenen Grundflä-che und dem Baumartenanteil in den gemischten Be-ständen war nicht zu erkennen. In den Tannen-Reinbe-ständen im Westen Bayerns unterschied sich der vomSturmwurf betroffene Anteil an der Grundfläche nichtsignifikant von dem in den gemischten Beständen. Neh-men wir an, dass nur Bestände mit einem Schadens-ausmaß von mehr als 30 Prozent der Grundfläche einen Sturmwurf nicht überleben werden, ergibt sichdie in Abbildung 9 dargestellte Häufigkeit für das Aus-scheiden der Bestände.

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Ohne Berücksichtigung von Sturmwurfrisiken errech-nen sich die in Abbildung 11 dargestellten Bodener-tragswerte.

Die höheren Ertragswerte in den reinen Fichten-Bestän-den beruhen allein auf ihrer höheren Wuchsleistung.Der beste Zeitpunkt für die Endnutzung der Beständewäre ein Alter von 75 Jahren, weil dann die höchstenBodenertragswerte erzielt werden könnten. Werden dieSturmwurfrisiken berücksichtigt, ergeben sich die inAbbildung 12 dargestellten Kurven für die Erwartungs-werte.

Die zu erwartenden Ergebnisse sind niedriger als dieohne Berücksichtigung einer Sturmwurfgefährdung.Hier ist der Kurvenverlauf für die reinen Fichten-Bestän-de und die Fichten-Tannen-Bestände bis zur Kulminati-on im Alter von 75 Jahren nahezu identisch. In höhe-ren Altern sind die gemischten Bestände den reinenFichten-Beständen sogar überlegen. Zusammenfassendist festzustellen, dass gemischte Bestände aus Fichteund Tanne auf Grund ihrer größeren Stabilität bei Stür-men ihre etwas geringere Wuchsleistung im Vergleichzu reinen Fichten-Beständen kompensieren können.Der wirtschaftliche Erfolg beider Bestandesformen unterscheidet sich unter Berücksichtigung der Sturm-wurfrisiken kaum.

Wie Abbildung 13 zeigt, spielen andere Bedingungeneine weit größere Rolle: Lässt sich ein Bestand über Na-turverjüngung begründen, kann der Erfolg um ein be-trächtliches Maß gesteigert werden. Ist die Begründungnur im Wege der Pflanzung möglich und bedarf die Kul-tur auch noch eines Zaunschutzes, ist das wirtschaftli-che Ergebnis fast null.

Diskussion

Die permanenten Waldinventuren im bayerischenStaatswald stellen eine umfangreiche Datenquelle fürdie Analyse von Sturmwurfrisiken dar. Die Sturmwurf-schäden lassen sich bei dieser Analyse nicht bestimm-ten Stürmen und damit bekannten Sturmstärken zuord-nen, wie es Schmidt et al. (2006) im Fall des OrkansLothar im Jahr 1999 möglich war. Sie beziehen sich aufdas Sturmgeschehen, das in einem längeren Zeitraumin einem Gebiet auftritt. Die großen regionalen Unter-schiede in der Häufigkeit der Sturmwürfe zeigen, dassselbst ein Zeitraum von etwa zwei Jahrzehnten, ausdem die Daten stammen, knapp bemessen ist, um dieSturmwurfrisiken abzubilden, denen die Waldbestände

Ökonomische Bewertung der Tanne

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Abbildung 12: Die Erwartungswerte der Bodenertragswertein reinen Fichtenbeständen und Fichten-Tannen-Beständenunter Sturmwurfrisiken über der Umtriebzeit in Jahren

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Erwartungswerte

Fichte, reinFichte-Tanne

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Einfluss der Begründungskosten

ohne Kulturkostenmit Kulturkostenmit Zaun

Abbildung 13: Die möglichen Bodenertragswerte in Fichten-Tannen-Beständen über der Umtriebzeit in Jahren ohneBerücksichtigung von Sturmwurfrisiken mit und ohne Ansatz von Kulturkosten sowie mit Ansatz von Kulturkostenund Zaunschutz, wobei Zaunkosten in Höhe von 4.000 Europro Hektar kalkuliert wurden.

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Bodenertragswerte

Fichte, reinFichte-Tanne

Abbildung 11: Die möglichen Bodenertragswerte in rei -nen Fichtenbeständen und Fichten-Tannen-Beständen auf einem wuchskräftigen Standort im Alpenvorland ohne Be-rücksichtigung von Risiken über der Umtriebzeit in Jahren

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Beinhofer (2010) stellte ebenfalls Kurven für die Überle-benswahrscheinlichkeit von Baumarten dar, die er ausunterschiedlichen Quellen abgeleitet hatte. Die von ihmfür die Fichte gezeigte Kurve entspricht fast exakt derKurve, die in Abbildung 10 die Überlebenswahrschein-lichkeit der Fichten-Tannen-Bestände beschreibt. Dabeiberücksichtigt er nicht nur Sturmwurfrisiken, sondernauch andere Gefährdungen, denen die Fichte unter-liegt. Die von ihm für die Fichte beschrieben Überle-benswahrscheinlichkeiten sind also viel höher als diehier für die reinen Fichten-Bestände im Westen Bayernsgeschätzten Wahrscheinlichkeiten. In Anbetracht dererheblichen regionalen Unterschiede, die bei einer Be-trachtung von nur zwei Jahrzehnten bestehen können,sowie der Unterschiede zwischen gemischten und rei-nen Fichten-Beständen erscheinen die Unterschiede inden Kurven nicht widersprüchlich. Für die längerfristigbestehenden Sturmwurfrisiken in Süddeutschland dürf-te die hier beschriebene Überlebenswahrscheinlichkeitder Fichte zutreffender sein.

Bei den vorstehenden Betrachtungen wird der schlag-weise Hochwald als Bewirtschaftungsmodell zugrundegelegt. Die Weißtanne vermag sich allerdings eher inSystemen mit langfristigen Verjüngungsverfahren oderin Plenterwäldern gegenüber anderen Baumarten zubehaupten. Für solche Bewirtschaftungssysteme gibt esandere ökonomische Bewertungskriterien als den Bodenertragswert (Knoke 1998; Borchert 2002). Soll dasRisiko von Sturmwürfen dabei berücksichtigt werden,müsste es dort auf der Ebene der Einzelbäume zu-nächst in das Wachstumsmodell einbezogen werden.Ansätze dazu zeigte Müller (2002) auf. Auch das Erklä-rungsmodell von Schmidt et al. (2006) und eines von Albrecht (2009) beziehen sich auf Einzelbäume.

Das waldbauliche Ziel für die Standorte, die im Zugeder Klimaveränderung für die Fichte verbleiben, wer-den weder reine Fichten-Bestände noch Fichten-Tannen-Bestände, sondern eher Bestände aus Fichte,Tanne und Buche sein. In dieser Kombination mit Buche ergeben sich dann auch Vorteile auf Grund derunterschiedlichen Marktrisiken, denen die Baumartenausgesetzt sind (Knoke 2008).

57

langfristig unterliegen. Hätte der Datensatz Inventurenumfasst, die nach dem Orkan Kyrill zu Beginn des Jah-res 2007 im Osten Bayerns durchgeführt wurden, wä-ren vermutlich weniger starke regionale Unterschiedefestgestellt worden. Auf Grund der unterschiedlichengeologischen Voraussetzungen dürften im Osten Bay-erns skelettreiche und gut durchlüftete Waldböden häufiger sein. Deshalb ist eine größere Überlebens-wahrscheinlichkeit der Bestände bei gleichen Windge-schwindigkeiten durchaus plausibel.

Der Zusammenhang zwischen Baumart und der Wahr-scheinlichkeit eines Sturmwurfs wurde bei den bisheri-gen Arbeiten unterschiedlich bewertet. König (1995)stellte zwar einen signifikanten Einfluss der Bestandes-form fest. Die Baumhöhe, der Standort und der Zeitraumseit der letzten Durchforstung hatten jedoch einen weit-aus stärkeren Einfluss (König 1995). Schmidt et al. (2006)ermittelten ein geringeres Risikoniveau der Tanne imVergleich zur Fichte. Nach den Analysen von Albrecht(2009) erklärt die Baumart neben der Baumhöhe dengrößten Teil des Sturmschadensrisikos. Auch bei ihmerwies sich die Tanne als weit weniger gefährdet im Ver-gleich zur Fichte. Er bestätigte außerdem einen deutli-chen Einfluss der vorausgegangenen waldbaulichen Be-handlung. Selbst wenn der Einfluss der Baumart nichterheblich sein sollte, kann dies doch, wie hier gezeigt,der ausschlaggebende Beitrag sein, der die Tanne derFichte wirtschaftlich ebenbürtig macht.

Eine mögliche Verzerrung der Ergebnisse auf Grundunterschiedlicher Standorte sollte dadurch vermiedenwerden, dass Stichproben mit reiner Fichte nur berück-sichtigt wurden, wenn in demselben Waldort auch dieTanne wuchs. Dennoch gibt es natürlich auch inner-halb des Waldortes Standortsunterschiede und eineVerzerrung kann nicht vollständig ausgeschlossen wer-den. Das geringere Ausmaß der Sturmwurfschäden inFichten-Tannen-Beständen beruht wohl vor allem aufder geringeren Betroffenheit der Tanne. Es wäre auchdenkbar, dass auf Grund der Verflechtungen der Wur-zelsysteme die Tannen in den gemischten Beständendie Fichten stärker im Boden verankern könnten. Dasmuss zwar weiterhin nicht ausgeschlossen werden. Dashäufige selektive Ausscheiden der Fichte deutet jedochdarauf hin, dass dieser Effekt, wenn er bestehen sollte,eher gering ist. Weil der kausale Zusammenhang zumSturmrisiko weniger auf dem Bestandesalter, sondernauf der Baumhöhe beruht, wird die Überlebenswahr-scheinlichkeit je nach der Wuchsleistung in einem be-stimmten Alter eher größer oder kleiner sein als hierdargestellt.

Ökonomische Bewertung der Tanne

LWF Wissen 66

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Key words: Storm damages, risk, spruce, fir, land expec -

tation value, probability of survival

Summary: Because of climate change the area covered

from spruce (Picea abies) will decrease considerable in Sou -

thern Germany. Currently forest owners convert pure spru-

ce stands into mixed stands composed of spruce, beech

(Fagus sylvatica) and fir (Abies alba). Particularly in the

regions which remain suitable for spruce the question

pose, if there are economic advantages of fir over spruce.

The timber prices, timber growth and difficult regenera -

tion conditions don’t argue for an economic superiority of

fir. The risk of storm damages differs between both tree

species significantly as an analysis of forest inventory data

from the Bavarian state forest show. Although the risk of

being affected by a windstorm seems to be not lower in

mixed stands of fir and spruce, pure stands of spruce suf-

fer more damages. From forest inventory data the proba-

bility of survival of the stands and the land expectation

value were calculated. The land expectation value was

weighted with the probabilities of survival or loss caused

by storm damages and the corresponding differences in

the stumpage values. Considering the risk, mixed stands

of spruce and fir can yield the same profit, even if the tim-

ber growth of mixed stands is somewhat lesser. But in the

long term the profitability depends much more on theamount of regeneration costs.

58

Literatur

Albrecht, A. (2009): Sturmschadensanalysen langfristiger wald-wachstumskundlicher Versuchsflächendaten in Baden-Württem-berg. Freiburger Forstliche Forschung Band 42, 174 S.

Beinhofer, B. (2010): Zur Anwendung der Portfoliotheorie in derForstwissenschaft – Finanzielle Optimierungsansätze zur Be-wertung von Diversifikationseffekten. Forstliche Forschungsbe-richte München Nr. 208

Borchert, H. (2000): Die Bestimmung der für Forstbetriebe öko-nomisch optimalen Holznutzungsmengen – Ein kontrolltheore-tischer Ansatz. Dissertation Universität München, 176 S.

Dieter, M. (1997): Berücksichtigung von Risiko bei forstbetrieb-lichen Entscheidungen. Schriften zur Forstökonomie Band 16.Frankfurt a. M., J. D. Sauerländer’s Verlag

Knoke, T. (1998): Analyse und Optimierung der Holzproduktionin einem Plenterwald – zur Forstbetriebsplanung in ungleichalt-rigen Wäldern. Forstliche Forschungsberichte München Nr. 170

Knoke, T. (2008): Zur Rolle der Douglasie in einem finanziell op-timierten Baumarten-Portfolio. LWF Wissen 59, S. 83–87

König, A. (1995): Sturmgefährdung von Beständen im Altersklas-senwald – Ein Erklärungs- und Prognosemodell. Frankfurt a. M.,J. D. Sauerländer’s Verlag, 194 S.

Lüthy, C. (1997): Holzrücken mit Forwarder - Grundlagen zurLeistungsschätzung. Wald und Holz 4, S. 33–35, zitiert und kor-rigiert nach bzw. von Pausch, R.

Müller, F. (2002): Modellierung von Sturm-, Schnee- und Rotfäu-lerisiko in Fichtenbeständen auf Einzelbaumebene. Dissertati-on TU München, 180 S.

Pausch, R.; Ponitz, K. (2002): Leistung von Harvestern bei unter-schiedlichen Hiebsbedingungen auf der Basis langfristiger Be-obachtung. Forst und Technik 4

Schmidt, M.; Bayer, J.; Kändler, G. (2006): Sturm „Lothar“ - An-satz einer inventurbasierten Risikoanalyse. Vortrag auf der Jah-restagung der Sektion Ertragskunde des DVFFA

Ökonomische Bewertung der Tanne

LWF Wissen 66

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Abbildung 1 zeigt dies exemplarisch an einem Tannen-kollektiv aus dem Frankenwald, der wie das gesamtenordostbayerische Grenzgebirge vom „Tannensterben“besonders stark betroffen war. Die Ursachen für dasTannensterben wurden damals kontrovers diskutiert. Ei-nerseits wurden Luftschadstoffe (insbesondere Schwe-feldioxid) als Hauptursache genannt, andererseits gabes Hypothesen, die die Auswirkungen von Klimaextre-men (Dürre, Frost) in den Vordergrund stellten. AufGrund der schlechten Vitalität der Tanne insbesonde-re im Trockenjahr 1976 haben ihr viele Experten auchschlechte Noten hinsichtlich Dürreresistenz gegeben.In der umfangreichen Metaanalyse von Niinemets undValladares (2006) wird die Tanne auf einer Stufe mit derFichte als sehr dürreempfindliche Baumart eingestuft.

Tanne und Schwefeldioxid

Die umfangreichen Analysen, die gegen Ende des letz-ten Jahrhunderts im Zusammenhang mit dem „Wald-sterben“ durchgeführt wurden, belegen klar, dass Tannen sehr empfindlich auf erhöhte Schwefeldioxid-Konzentrationen reagieren. Insbesondere bei langfris-tiger Exposition mit relativ niedrigen Konzentrationensind Tannen deutlich anfälliger als Fichten und stelleneinen sensiblen Bioindikator für Abgas-Fernwirkungendar. In der Rückschau erstaunt es daher wenig, dass diestark gestiegenen Schwefelemissionen seit dem Zwei-ten Weltkrieg die Vitalität der Tanne massiv beeinträch-tigt haben. Dabei besteht ein enger Zusammenhangzwischen der Schwefelbelastung und dem Grad derSchädigung (Abbildung 2). Auch die zahlreichen Ein-zelbeispiele von Tannenschäden in der Umgebung lokaler Emittenten (z.B. Penzberg, Schwandorf, Ingol-stadt) betätigen eindrucksvoll, wie hohe Schwefelemis-sionen damals der Tanne zugesetzt haben.

59

Schlüsselwörter: Tanne, Schwefel, Klimawandel, Jahrringe

Zusammenfassung: Hohe Schwefeleinträge haben in der

zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts die Vitalität der Tan-

ne in Süddeutschland massiv beeinträchtigt. Jahrringana-

lysen zeigen deutlich den damit verbundenen Zuwachs-

rückgang. Nach dem Rückgang der Schwefeleinträge ab

den 1980er Jahren hat sich die Tanne erholt und auch

Extremereignisse wie den Hitzesommer 2003 gut überstan-

den. Die Ergebnisse eines neuen Forschungsprojektes, in

dem an zahlreichen Standorten in Bayern Jahrringmessun-

gen durchgeführt wurden, belegen, dass die Tanne auf

Trockenereignisse deutlich schwächer reagiert als die Fich-

te. Damit ist die Tanne auf vielen Standorten eine interes-

sante Ersatzbaumart für die Fichte im Hinblick auf die prog-

nostizierten Klimaveränderungen. Dies gilt insbesondere

für submontane bis montane Regionen mit ausreichendem

Niederschlag während der Vegetationszeit, dagegen

stoßen auch gesunde Tannen in kollinen Gebieten mitwarm-trockenen Klimabedingungen an ihre Grenzen.

In den 1970er und 1980er Jahren wurde die Anbaueig-nung der Tanne auf Grund des Tannensterbens vieler-orts in Frage gestellt. Dagegen gilt sie heute im Zeichendes Klimawandels neben der Douglasie als die Hoff-nungsträgerin unter den Nadelbäumen. Der folgendeBeitrag geht auf der Basis umfangreicher Jahrringana-lysen der Frage nach, warum sich die Bewertung derTanne innerhalb eines – zumindest forstlich gesehen –sehr kurzen Zeitraumes derart stark verändert hat.

In den 70er und 80er Jahren des vergangenen Jahrhun-derts war die zukünftige Anbaueignung der Tanne miteinem großen Fragezeichen versehen. Viele Tannenwiesen starke Schäden auf, die optisch vorwiegend aneiner Verlichtung der Krone und an der für die Tannetypischen Storchennestbildung zu erkennen waren. DerSchädigungsprozess führte teilweise bis zum Absterbender Bäume und wurde deshalb mit dem Begriff „Tannensterben“ umschrieben. Die äußerlich sichtba-re Schädigung der Tannenkrone war auch mit einemRückgang der Jahrringbreiten bis hin zum vollständi-gen Ausfall von Jahrringen verbunden.

LWF Wissen 66

Tanne – vom Sorgenkind zum HoffnungsträgerAndreas Rothe, C. Dittmar und C. Zang

Gewidmet Prof. Dr. W. Elling, der die „Rehabilitation“ seiner Lieb-lingsbaumart leider nicht mehr vollständig miterleben durfte.

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60

Es erstaunt nicht, dass derart vorgeschädigte Tannenauch empfindlich auf Witterungsextreme reagieren,ähnlich wie ein geschwächter Mensch auch anfälligerist für Krankheiten. Die Zuwachsrückgänge in Folge desTrockenjahres 1976 wurden oftmals als Trockenheitsan-fälligkeit interpretiert, obwohl die primäre Ursache inder hohen Schwefelbelastung lag. Dies wird klar, wennman die weitere Entwicklung der Tanne nach dem deut-lichen Rückgang der Schwefelemissionen ab den 1980erJahren betrachtet. Dank des Einbaus von Entschwefe-lungsanlagen gingen die Schwefelemissionen bis heuteum über 90 Prozent zurück. Die sichtbaren Schädennahmen ab, auch Jahrringmessungen belegen die Zu-nahme der Vitalität der Tanne. Wolfram Elling hat seineumfangreichen dendroökologischen Arbeiten in Süd-deutschland zu dieser Fragestellung in Abbildung 3 zusammengefasst. Deutlich zu sehen ist, dass das Maxi-mum der Schwefelemissionen in den 1970er Jahren mitdem Minimum der Radialzuwächse zusammenfällt unddie Jahrringbreiten der Tannen seitdem bis zur Jahrtau-sendwende stetig angestiegen sind. Heute liegen dieSchwefelemissionen fast in ganz Mitteleuropa auf einemakzeptablen Niveau und die Grenzwerte für eine Schä-digung der Tanne (zehn bis 15 Mikrogramm Schwefel-dioxid pro Kubikmeter) werden in Süddeutschland inder Regel weit unterschritten.

Tanne – vom Sorgenkind zum Hoffnungsträger

LWF Wissen 66

Abbildung 2: Zusammenhang zwischen Schwefelbelastungund Schädigungsgrad der Tanne an 41 Standorten in Süd-deutschland; als Maß für den Schädigungsgrad steht hierder Anteil der Bäume mit Jahrringausfällen pro Bestand(nach Elling et al. 2007).

900 1000 1100 1200 1300 1400 1500 1600 1700 18000

100

90

80

70

60

50

40

30

20

10

Schwefelgehalt [µg/g TS]

Sch

ädig

un

gsg

rad

[%

]

Schadensausmaß

Regressionr = 0,66; r3 = 43 %p < 0,001

Abbildung 1: Jahrringkurven von 20 Tannen im Franken-wald (Rothenkirchen/Pfaffenberg); Kurven mit Jahrring -ausfällen sind orange und violett hervorgehoben. Auf 40Bohrkernen wurden 129 fehlende Ringe nachgewiesen. 16der 20 analysierten Bäume sind von Jahrringausfällen betroffen (nach Elling et al. 2007).

Jah

rrin

gbre

ite

[mm

]

Jahrringkurven

1890 1900 1910 1920 1930 1940 1950 1960 1970 1980 1990 2000 2010

Radienkurven Ringausfälle datiert und eingesetzt (synchron)Ringausfälle nicht eingesetzt (nicht synchron) 535m ü NN

10

2

1

0,40,3

0,2

0,1

0,02

0,030,04

4

3

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61

Tanne und der Klimawandel

Nach dem Rückgang der Schwefelemissionen soll jetztdie Trockenempfindlichkeit der »nicht schwefelgeschä-digten« Tanne beurteilt werden. Die Natur hat dafür mitdem Trockenjahr 2003 ein besonderes Bioexperimentbereitgestellt. In diesem Jahr lagen die Sommertempe-raturen in Mitteleuropa um etwa 5°C über dem lang-jährigen Durchschnitt bei gleichzeitig geringen Nieder-schlägen. Damit war 2003 ein extremes Trockenjahr,das unter bisherigen Klimabedingungen sehr seltenauftritt, aber unter den prognostizierten Klimaszenarienin Zukunft deutlich häufiger werden könnte. Im Rah-men eines vom Bayerischen Staatsministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten gefördertenForschungsprojektes wurden deshalb umfangreichedendroökologische Arbeiten durchgeführt, um die Re-aktion der wichtigsten Wirtschaftsbaumarten auf einderartiges Extremereignis zu analysieren. Insgesamtwurden circa 1.500 Bäume in Bayern und angrenzen-den Gebieten einbezogen. Die Ergebnisse belegen klar,dass die Tanne weniger sensibel auf Trockenheit rea-giert als die Fichte (Abbildung 4). Der Zuwachsein-bruch im Trockenjahr war bei der Tanne signifikant ge-ringer als bei der Fichte und auch die Einbeziehung derErholung in den Folgejahren ergibt das gleiche Bild.

Tanne – vom Sorgenkind zum Hoffnungsträger

LWF Wissen 66

Jah

rrin

gbre

ite

[mm

] 4,5

4,0

3,5

3,0

2,5

2,0

1,5

1,0

0,5

0,0

Durchschnittliche Jahrringbreite der Tanne und Schwefelbelastung

SO2-

Emis

sio

nen

[10

00 t

]

4000

3000

2000

1000

1880 1890 1900 1910 1920 1930 1940 1950 1960 1970 1980 1990 2000

Jahrringbreite Tanne (+/- Stdabw)SO2 - Emissionen BRD (alt)

Abbildung 3: Schwefeldioxidemissionen in der ehemaligenBundesrepublik und durchschnittliche Jahrringbreite von1.010 Tannen in Süddeutschland (nach Elling et al. 2007)

-10

40

20

10

0

30

50

60

Fichte (n = 38)

Tanne (n = 25)

Zuw

ach

sver

lust

200

3 [%

]

Zuwachsrückgang Tanne und Fichte

p < 0,001Extremwerte

Median

75 %-Wert

25 %-Wert

5 %-Wert

95 %-Wert

Abbildung 4: Rückgang des Radialzuwachses von Tanneund Fichte im Trockenjahr 2003 im Vergleich zum Mittel-wert der Jahre 1998–2002 (n = Anzahl Waldbestände)

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Literatur

Elling, W.; Heber, U.; Polle, A.; Beese, F. (2007): Schädigung vonWaldökosystemen. Elsevier-Verlag, München, 422 S.

Niinemets, U.; Valladares, F. (2006): Tolerance to shade, drought,and waterlogging of temperate northern hemisphere trees andshrubs. Ecological Monographs 76, S. 521–547

Zang, C.; Rothe, A.; Pretzsch, H.; Weis, W. (2011): Zur Baumarten-eignung bei Klimawandel: Ableitung der Trockenstress-Anfällig-keit wichtiger Waldbaumarten aus Jahrringbreiten. Eingereichtbei der Allgemeinen Forst- und Jagdzeitung

Key words : Silver Fir, sulphur, climate change, tree-rings

Summary: High deposition of sulphur strongly reduced the

vitality of silver fir in Southern Germany during the second

half of the 20th century. Tree-ring chronologies clearly re-

flect the reduction of growth rates. After the decrease of

sulphur emmissions starting in the 1980ies silver fir reco-

vered and resisted even extreme climatic events like the

heat wave of 2003 without serious problems. According to

the results of a current research project investigating tree

ring chronologies throughout Bavaria Silver fir is significant-

ly less affected by drought compared to Norway spruce.

Thus, silver fir has potential to replace Norway Spruce as a

crop species at many sites under climate change scenarios

especially in submontane and montane regions with suffi-

cient precipitation during the growing season.

62

Damit bestätigen sich auch die Ergebnisse unserer frü-heren Arbeiten, die in Gebieten mit geringerer Schwe-felbelastung bereits im letzten Jahrhundert eine gerin-gere Anfälligkeit der Tanne im Vergleich zur Fichtezeigten. Unsere wissenschaftlichen Ergebnisse deckensich mit den älteren Einschätzungen der forstlichen Pra-xis. Rebel schrieb im Jahr 1922: »Auf den heißen Süd-hängen des Jura gut aushaltend und hauptständig wer-dend, hat die Tanne im Trockenjahr 1911 keine Abgängegehabt, sehr im Gegensatz zur Fichte.« Diese Aussagehätte auch gut auf das Trockenjahr 2003 gepasst, dasdie Tanne im Jura auch auf flachgründigen Südstand-orten erstaunlich gut überstanden hat. Dagegen starbenbekanntlich zahlreiche Fichten ab, insbesondere aufGrund von Borkenkäferschäden.

Dennoch bleibt die Tanne eine Baumart, die in mon -tanen und submontanen Regionen mit ausreichend Niederschlägen daheim ist. Tannen »stecken« bei Nie-derschlägen über 500 Millimeter während der Vegeta-tionszeit auch extreme Trockenjahre ohne nennenswer-te Zuwachsverluste »weg«, in trockeneren Gebietendagegen ist die Reaktion deutlich stärker ausgeprägt(Abbildung 5). Dies erklärt auch, warum der Zuwachs-rückgang 2003 im Norden Bayerns stärker war als imniederschlagsreicheren Südbayern. In den trockenerenGebieten Frankens gewinnt der lokale Standort zuneh-mend an Bedeutung. Tannen sind hier insbesondereauf tongründigen Standorten konkurrenzkräftig, auf denen eine stauende Schicht die Wassersickerung verzögert.

Folgerungen

Die hohen Schwefelemissionen in der zweiten Hälftedes 20. Jahrhunderts beeinträchtigten die Vitalität derTanne erheblich und führten zu einer hohen Anfällig-keit gegenüber sekundären witterungsbedingten Stress-faktoren. Nach dem Rückgang der Schwefelemissionenhat sich die Tanne rasch erholt und ist heute deutlichweniger trockenheitsanfällig als die Fichte einzuwerten.Damit ist die Tanne unter den prognostizierten Klima-änderungen auf vielen Standorten eine interessanteund ökologisch vorteilhafte Alternative zur Fichte. Diesgilt insbesondere für submontane bis montane Regio-nen mit ausreichendem Niederschlag während der Vegetationszeit, in kollinen Gebieten mit warm-trocke-nen Klimabedingungen stoßen dagegen auch gesundeTannen an ihre Grenzen.

Tanne – vom Sorgenkind zum Hoffnungsträger

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Zuw

ach

sver

lust

200

3 [%

] 40

30

20

10

0

-10

Zuwachsrückgang Tanne

300 400 500 600 700 800 900

mittlere Niederschlagssumme [mm]

R2 = 0,44p = 0,001

Abbildung 5: Rückgang des Radialzuwachses der Tanne imTrockenjahr 2003 in Abhängigkeit vom Niederschlag wäh-rend der Vegetationszeit

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naher Buchenbestände besonders die Große Küsten-tanne (Abies grandis (Dougl.) Lindley) an, die sich inzahlreichen Anbauversuchen als anbauwürdig undökologisch zuträglich erwiesen hat (Schwappach 1901,1911; Penschuk 1935/37; Wiedemann 1950; Lembke 1973;Schober 1977, 1978; Röhrig 1978; Stratmann 1988; Spell-mann 1994; Schober und Spellmann 2001; Lockow 2002).Für diese Mischbaumart sprechen vor allem ihr breitesökologisches Anbauspektrum, ihre Standortpfleglich-keit, ihre überragende Wuchsleistung und die gutenSteuerungsmöglichkeiten in der Waldbehandlung. Da-rüber hinaus sprechen die vielfältigen Verwendungs-möglichkeiten des Küstentannenholzes als Rohstoff fürdie Zellstoff-, Platten-, Spaner- oder Sägeindustrie für eine deutliche Ausweitung des Küstentannenanbaus inMischung mit Buche. Gleichzeitig weisen sie einen Erfolg versprechenden Lösungsweg, um die steigendeNachfrage nach Industrieholz und Sägeabschnitten be-reits mittelfristig zu decken. Im Rahmen des BMBF-Verbundprojektes „Forst-Holz-Wertschöpfungskette Bu-che / Küstentanne“ bestand die Aufgabe der Nordwest-deutschen Forstlichen Versuchsanstalt (NW-FVA) da-rin, auf Grundlage zahlreicher langfristig beobachteterund standörtlich breit gestreuter Anbau-, Standraum-und Ertragsversuche in Schleswig-Holstein, Nieder-sachsen, Nordrhein-Westfalen, Hessen, Rheinland-Pfalzund dem Saarland sowie ergänzender einmaliger Auf-nahmen waldbauliche und waldwachstumskundlicheEntscheidungsgrundlagen zur zielgerichteten Steue-rung von Buchen-Küstentannen-Mischbeständen inNordwestdeutschland zu erarbeiten. Diese sollen dabeihelfen, Wachstum und Qualitätsentwicklung in Rich-tung auf das jeweils angestrebte Produktionsziel Indus-trieholz, Energieholz oder Sägeholz zu lenken. Darüberhinaus sollten die Ergebnisse der Versuchsflächen -analysen dazu genutzt werden, den an der NW-FVA entwickelten und für Nordwestdeutschland parametri-sierten Waldwachstumssimulator BWINPro für Küsten-tannen-Rein- und -Mischbestände zu erweitern, um derforstlichen Praxis auch für diese Bestandestypen einPrognose- und Entscheidungswerkzeug bereitzustellen.

63

Schlüsselwörter: Weißtanne, Küstentanne, Waldwachs-

tum, Holzverwendung, Bestandesbehandlung

Zusammenfassung: Auf dem deutschen Holzmarkt zeich-

nen sich mittelfristig Versorgungsengpässe für schwäche-

re Nadelholz-Sortimente ab. Einen wesentlichen Beitrag

zur Lösung dieses Problems kann unter Umständen der An-

bau der schnell wachsenden Küstentannen in Mischung

mit der heimischen Buche leisten. Verwendungsorientier-

te Managementstrategien für Buchen-Küstentannen-

Mischbestände werden vorgestellt, die die Nordwestdeut-

sche Forstliche Versuchsanstalt im Rahmen des

BMBF-Verbundprojektes „Forst-Holz-Wertschöpfungsket-

te Buche / Küstentanne“ erarbeitete. Die Arbeitsgrundla-

gen bildeten die Auswertungen zahlreicher langfristig be-

obachteter und standörtlich breit gestreuter Anbau-,

Standraum- und Ertragsversuche sowie ergänzende einma-

lige Aufnahmen. Sie wurden auch dazu genutzt, den für

Nordwestdeutschland parametrisierten Waldwachstums-

simulator BWINPro für Küstentannen-Rein- und -Misch-

bestände zu erweitern.

Anlass und Ziele

Auf dem deutschen Holzmarkt zeichnen sich mittelfris-tig für schwächere Nadelholz-Sortimente Versorgungs-engpässe ab (Spellmann et al. 2008; Polley et al. 2009). Die-se ergeben sich aus Bereitstellungsproblemen seitensdes Kleinprivatwaldes, der großflächigen Überführungvon Nadelholzbeständen in Laubholzbestände sowieder steigenden energetischen Nutzung von Holz bei ei-ner gleichzeitigen Zunahme der stofflichen Verwertung.Insbesondere in Norddeutschland haben große, globalausgerichtete holzbe- und holzverarbeitende KonzerneProduktionskapazitäten aufgebaut, die zu einem enor-men Anstieg der Nadelholznachfrage mit einer verän-derten Sortenstruktur geführt haben (Rüther et al. 2007).

Einen wesentlichen Beitrag zur nachhaltigen Lösungder bestehenden bzw. sich abzeichnenden Holzmarkt-probleme kann der Anbau schnell wachsender Nadel-baumarten zusammen mit Buche leisten. Ökonomischwie ökologisch bietet sich für die Anreicherung natur-

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Verwendungsorientierte Managementstrategien für Buchen-Küstentannen-MischbeständeHermann Spellmann, Mark Geb, Jürgen Nagel, Ralf Nagel und Matthias Schmidt

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Insgesamt waren in allen Regionen sehr gute Anwuchs-erfolge der Küstentanne zu verzeichnen. Jungpflanzenfielen vor allem auf sehr stark vernässten Versuchsflä-chen aus, vereinzelt auch auf Grund von Hallimasch-Befall. Molkeböden stellten sich als Grenzstandorte fürden Küstentannenanbau heraus. Im Seitenschutz vonAlthölzern waren die Frostschäden weitaus geringer.Jugend- und Kulturgefahren waren nach dem viertenStandjahr nahezu überwunden. Der Pflanzschock hieltunter ungünstigen Verhältnissen über mehrere Jahrean. Im Höhenwuchs war die Douglasie der Küsten -tanne in den ersten Standjahren deutlich überlegen, danach holte die Küstentanne allmählich auf. DieSelbstdifferenzierung ist bei ihr noch stärker ausgeprägtals bei der Douglasie. In Rotwildgebieten traten Schäl-und Schlagschäden auf.

Standort-Leistungs-BezugDie qualitativen Ansprachen der Nährstoff- und Wasser-versorgung von der Standortskartierung spiegeln sichnicht in den Höhenwuchsleistungen der Küstentannenin den Anbauversuchen der Serie 1980/81 wider (Ab-bildung 1).

64

Natürliche Verbreitung

Die Große Küstentanne stammt aus dem westlichenNordamerika. Ihre beiden Hauptverbreitungsgebieteverteilen sich auf das Küstengebirge und die Westab-hänge der Kaskaden im Westen sowie auf die RockyMountains im Osten. Dort kommt sie in Höhenlagenzwischen 400 und 2.200 Metern ü.NN vor. Ihre klimati-sche Amplitude reicht vom mild ozeanischen bis zumstark kontinentalen Bereich, die Jahresniederschlägevariieren zwischen 350 und 2.800 Millimetern und dieTemperaturextreme reichen von – 40°C bis + 40°C. DieKüstentanne ist bodenvag, bevorzugt aber frische undtiefgründige Standorte und meidet dichte Tonböden.Meist kommt sie in Mischbeständen vor. Für Deutsch-land werden Herkünfte aus West-Washington sowie vonVancouver Island in Britisch Kolumbien empfohlen(Rau et al. 2008).

Analysen von Küsten-Reinbeständen alsGrundlage für die Bewirtschaftung von Buchen-Küstentannnen-Mischbeständen

Allgemeine Anbauerfahrungen in der Kultur- und JungbestandsphaseFür Empfehlungen zur Begründung und Pflege vonKüstentannenbeständen in Deutschland bilden dieüber 30 standörtlich breit gestreuten Küstentannen-An-bauversuche der Serie von 1980/81 in Nordwest-deutschland eine gute Grundlage. In diesen Versuchenist fast immer auch die Douglasie der Herkunft Darring-ton als Vergleichs- bzw. Mischbaumart vertreten. DieKüstentannenparzellen wurden einheitlich mit Pflanzender Herkunft Courtenay von der Ostseite Vancouver Is-lands im Verband 2,5 x 1,3 Meter, also mit 3.076 Stückpro Hektar begründet.

Verwendungsorientierte Managementstrategien für Buchen-Küstentannen-Mischbestände

LWF Wissen 66

Abbildung 1: Höhenwuchsleistung (H100 ) der Küstentannein Abhängigkeit von der Nährstoff- und Wasserversorgungim Alter 27 in der Anbauversuchsserie von 1980/81

Höhenwuchsleistung und Nährstoffversorgung

H10

0 [m

]

1 2 3 4 5

2322212019181716151413121110

reicharm

Höhenwuchsleistung und Wasserversorgung

H10

0 [m

]

1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12

23

22

21

20

19

18

17

16

15

14

grundnasstrocken

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Modellierung des WachstumsDie Versuchsflächendaten der NW-FVA sowie die Da-ten der ergänzenden Aufnahmen wurden auch zur Parametrisierung der Wachstumsfunktionen für dieBaumart Küstentanne genutzt.

Das Oberhöhenwachstum wurde unter Verwendungder für diese Zwecke bewährten Chapman-Richards-Gleichung modelliert. Anschließend wurden die abso-luten Oberhöhenbonitäten 22, 26, 30, 34 und 38 im Al-ter 50 sowie drei relative Ertragsklassen I, II und IIIentsprechend H100 von 34, 30, bzw. 26 m im Alter 50 fest-gelegt.

Vergleicht man die Oberhöhenverläufe des nord-westdeutschen Bonitätsfächers mit denjenigen andererKüstentannenertragstafeln (Lockow und Lockow 2007;Christie und Lewis 1961) sowie der Douglasien-Ertragsta-fel nach Bergel (1985), zeigt sich, dass die Verläufe amehesten denjenigen der Douglasien ähneln, aber im Alter zwischen 20 und 80 Jahren stets darüber liegen(Abbildung 3).

65

Bei gleicher Nährstoff- und Wasserversorgung variierendie Oberhöhenwerte im Alter 27 Jahre selbst im glei-chen Wuchsbezirk um mehrere Meter. Hieraus ergibtsich die Notwendigkeit, die qualitativen Bodenkennwer-te Nährstoffversorgung und Wasserhaushalt in weiter-gehenden Analysen quantitativ zu erfassen, um dasStandortspotential zutreffender beschreiben zu können.Insgesamt wird jedoch deutlich, dass die Küstentanneauf fast allen Versuchsstandorten ein hervorragendesLeistungspotential aufweist. Die Bestandesoberhöhen(H100) liegen fast immer auf dem Niveau der I. und II.Douglasien-Ertragsklasse. Im direkten Vergleich blei-ben die Küstentannen in den Versuchen gegenüber denDouglasien in der Oberhöhenentwicklung noch etwaszurück.

Auch hinsichtlich der Gesamtwuchsleistung zeigtsich das hohe Leistungsvermögen der Küstentanne(Abbildung 2). Die Gesamtwuchsleistungen liegen auffast allen Standorten zwischen der I. und II. Douglasien-Ertragsklasse oder noch darüber. Im direkten Vergleichmit der Douglasie ist die Küstentanne in vielen Versu-chen sogar überlegen. Dies ist ein deutlicher Hinweisauf die bemerkenswert hohe Standraumeffizienz dieserBaumart, da sie auf gleicher Fläche bei noch etwas ge-ringeren Bestandesoberhöhen mehr Biomasse als dieleistungsstarke Douglasie produziert. Im Vergleich zurDouglasie, aber auch zur Fichte, bildet die Küstentan-ne deutlich schlankere Kronen mit geringeren Kronen-breiten aus. Daraus ergibt sich eine höhere Stammzahl-haltefähigkeit.

Verwendungsorientierte Managementstrategien für Buchen-Küstentannen-Mischbestände

LWF Wissen 66

600,0

550,0

500,0

450,0

400,0

350,0

300,0

250,0

199,8

121,0

Gesamtwuchsleistung von Küstentanne und Douglasie

Versuch

I. Ertragsklasse Dgl.BERGEL st.Df

II. Ertragsklasse Dgl.BERGEL st.Df

III. Ertragsklasse Dgl.BERGEL st.Df

DouglasieKüstentanne

Goe

hrde

220

1D

annd

orf 2

004a

Rote

nbur

g 10

27j

Fuhr

berg

128

jN

euen

burg

142j

Eito

rf 3

67b

Bad

Sobe

rnhe

im 2

19D

hron

ecke

n 21

9Id

arw

ald

187b

Mün

den

55j

Laut

erbe

rg 3

107j

Fuhr

berg

136

2jN

euha

us 1

270/

71

Goe

hrde

68j

Nie

nbur

g 11

30j

Oer

rel 1

038/

91/9

8A

hlho

rn 1

657

Ahl

horn

107

jH

arse

feld

164

GW

L [m

3 ]Abbildung 2: Gesamt-wuchsleistung 27-jährigerKüstentannen- und Dougla-sien-Versuchsparzellen derAnbauversuchsserie von1980/81

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noch über der I. Bonität Nordwestdeutschland, die II.Bonität ist etwa deckungsgleich mit der II. Bonität Nord-westdeutschland.

Als Wachstumssimulator wurde für die Küstentanneder ForestSimulator BWinPro der NW-FVA in der aktu-ellen Version 7.5 gewählt. Der Simulator basiert auf demSoftware-Paket TreeGrOSS (Tree Growth Open SourceSoftware), das in der Programmiersprache Java für diepraktische Anwendung statistischer Einzelbaumwachs-tumsmodelle geschrieben wurde (Nagel 2002). AufGrund der bisher für Eiche, Buche, Fichte, Douglasie

66

Dieser Befund lässt sich mit Bezug zu den zuvor be-schriebenen Wachstumsvergleichen erklären. In demGrundlagenmaterial der Bergel’schen Ertragstafel sindjüngere, bereits unter dem Einfluss der Stickstoffeinträ-ge in den sechziger Jahren erwachsene Douglasienbe-stände nicht vertreten. Die Kurvenverläufe nach Lockowund Lockow für das Wachstum der Küstentanne in Bran-denburg sind in der Altersspanne 20 bis 50 Jahre fastdeckungsgleich mit denen für Nordwestdeutschland,fallen aber etwa ab Alter 60 deutlich ab. Die I. Bonitätnach Christie und Lewis für Küstentannen in England liegt

Verwendungsorientierte Managementstrategien für Buchen-Küstentannen-Mischbestände

LWF Wissen 66

50

40

30

20

10

0

[]

Alter

0 20 40 60 80 100 120

Oberhöhenentwicklung von Küstentanne und Douglasie

I. Ekl H100 = 38 m Lockow und Lockow 2007 II. Ekl H100 = 34 m Lockow und Lockow 2007 I. Ekl Christie und Lewis 1961 II. Ekl Christie und Lewis 1961III. Ekl Christie und Lewis 1961IV. Ekl Christie udn Lewis 1961 I. Ekl Douglasie Bergel 1985 (st. Hdf.) II. Ekl Douglasie Bergel 1985 (st. Hdf.)III. Ekl Douglasie Bergel 1985 (st. Hdf.) I. Ekl H100 = 34 m Nordwestdeutschland 2009 II. Ekl H100 = 30 m Nordwestdeutschland 2009 III. Ekl H100 = 26 m Nordwestdeutschland 2009

Abbildung 3: Vergleich derOberhöhenentwicklung(H100 ) nach verschiedenenKüstentannen-Bonitierungs -fächern (Christie und Lewis1961; Lockow und Lockow2007; Nordwestdeutsch -land 2009) und der Dou -glasien-Ertragstafel von Bergel (1985)

7.000

6.000

5.000

4.000

3.000

2.000

1.000

0

Einfluss frühzeitiger Läuterungen

N

s.st.L.st.L.Nullfl.

dg [cm x 100]

s.st.Lst.L.Nullfl.

dz [cm x 100]

s.st.L.st.L.Nullfl.

V [Vfm/ha x 10]

s.st.L.st.L.Nullfl.

iV [Vfm/ha x 100]

s.st.L.st.L.Nullfl.

Rantzau

Ahlhorn

Winnefeld

Kleve

Kaiserslautern

Abbildung 4: Einfluss früh-zeitiger Läuterungen (h100

ca. 8 m) auf verschiedeneBestandesmerkmale im Alter 27; Küstentannen-Standraumversuche derNW-FVA vor der Erst -durchforstung

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67

und Kiefer gewonnenen positiven Erfahrungen (Nagel1999; Nagel et al. 2002; Nagel et al. 2006) wurden – so-weit möglich – die bisher in BWinPro verwendeten Teil-modelle auch für die Küstentanne parametrisiert.

Der Simulator steht allen Interessierten im Internetunter www.nw-fva.de, Stichwort »Software«, zur Nut-zung zur Verfügung. Dort sind auch die Wachstums-funktionen beschrieben.

Wachstum der Küstentanne in Abhängigkeit von Bestandesbehandlungund Mischungsform

LäuterungseffekteIn den fünf Küstentannen-Standraumversuchen Rantzau(SH), Ahlhorn (NI), Winnefeld (NI), Kleve (NRW) undKaiserslautern (RP) wurden bei einer Oberhöhe vonsieben bis acht Metern starke bzw. sehr starke Läute-rungen vorgenommen und Nullflächen belassen (Ab-bildung 4). Im Zuge der Läuterungen wurden dieBaumzahlen (N) annähernd auf die Hälfte bzw. ein Drit-tel der Ausgangspflanzenzahlen abgesenkt. Auf dieseWeise wurde das Durchmesserwachstum im Bestan-desmittel (dg) stärker gefördert als bei den Z-Bauman-wärtern (dZ). Diese Beobachtung lässt sich mit dersehr starken Durchmesser-Differenzierung der Bestän-de erklären. Trotz der großen Unterschiede in derStammzahlhaltung sind jedoch die Bestandesvorräte(Vfm/ha) bei beiden Eingriffsvarianten sehr ähnlich.Hier kommt der Wuchsbeschleunigungseffekt nachstarken Eingriffen zum Ausdruck.

Betrachtet man die Durchmesserverteilungen in denLäuterungsversuchen vor der ersten Durchforstung,werden zwei weitere Aspekte offensichtlich (Abbildung5). Zum einen sind die Küstentannenbestände in ihrerDurchmesserentwicklung sehr stark differenziert – diesist aus waldbaulicher Sicht zu begrüßen (Strukturreich-tum, waldbauliche Pflegeoptionen, gestreckte Nut-zungszeiträume) – zum anderen machen Vorwüchsemit BHD-Werten über 25 Zentimeter unabhängig vonder Läuterungsintensität mehr als drei Viertel derStammzahlen aus. Dieses Kollektiv eignet sich jedochim Hinblick auf die Holzqualität (breite Jahrringe) nureingeschränkt für höherwertige Sägeholzprodukte.Dies ist für die Entwicklung verwendungsorientierterManagementstrategien ein wesentlicher Gesichtspunkt(frühzeitige Nutzung der Vorwüchse als Industrieholz).

Verwendungsorientierte Managementstrategien für Buchen-Küstentannen-Mischbestände

LWF Wissen 66

Durchmesserverteilungen bei Küstentannen-Standraumversuchen

N/h

a

1 4 16 1913107 22 25 31 34 37 40 46 4928 430

240

200220

d 1,3

starke Läuterung

180160140

12010080

604020

N/h

a

1 4 16 1913107 22 25 31 34 37 40 46 4928 430

240

200220

180160140

12010080

604020

d 1,3

Nullfläche

Rantzau Ahlhorn Winnefeld

Kleve Kaiserslautern

N/h

a

1 4 16 1913107 22 25 31 34 37 40 46 4928 430

240

200220

180160140

12010080

604020

sehr starke Läuterung

d 1,3

Abbildung 5: Durchmesserverteilungen in den Küstentan-nen-Standraum-Versuchen im Alter 27 vor der ersten Durchforstung

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jedoch in den Bestandesvorräten (Vfm/ha). Die Küs-tentanne dominiert hier auch gegenüber der Douglasiedeutlich und leistet in Relation zur Fichte das Doppel-te bis Dreifache, gegenüber der Buche das Vier- bisSechsfache.

Betrachtet man die Küstentanne allein und nur in Abhängigkeit von der Durchforstungsstärke, fallen meh-rere Aspekte auf. Hinsichtlich der erreichten Durchmes-ser (D100) und Oberhöhen (H100) liegen die verschiede-nen Durchforstungsstärken recht nahe beieinander.Betrachtet man dagegen die Bestandesvorräte, zeigensich sehr große Unterschiede zwischen der Nullvarian-te, der mäßigen und der starken Hochdurchforstung.Als waldbauliche Option scheidet die Nullvariante mitBlick auf die Vorpflege des Füll- und die Qualität des

68

DurchforstungIm Vergleich der grundflächengesteuerten Durch -forstungsversuche Winnefeld 3042, Münden 128 und Münden 2027 wird deutlich, über welch großes Leis -tungspotential die Küstentanne auf vergleichbarenStandorten gegenüber Douglasie, Fichte und Buche be-reits in einem frühen Alter verfügt (Abbildung 6). DieKüstentanne ermöglicht auf Grund ihres geringenStand raumbedarfs die höchste Stammzahlhaltung un-ter den Nadelbaumarten. In der Durchmesserentwick-lung der stärksten Stämme (d100) führt sie leicht vor derDouglasie, deutlich vor der Fichte und mit sehr großemAbstand vor der Buche. Auch bei der Bestandesober-höhe (H100) liegt die Küstentanne im Alter von 32 Jah-ren bereits vorne. Die größten Unterschiede zeigen sich

Verwendungsorientierte Managementstrategien für Buchen-Küstentannen-Mischbestände

LWF Wissen 66

Vo

rrat

/ha

[Vfm

m. R

.] 700

600

500

400

300

200

100

0

Vorratshaltung bei unterschiedlicher Durchforstungsstärke

Nullfl. Nullfl.m. Hdf. m. Hdf. st.Hdf.st.Ndf.m. Hdf. st. Hdf.st.Hdf. Nullfl.

Küstentanne

Douglasie

Fichte

Buche

Abbildung 6: Vorratshal-tung von Küstentanne,Douglasie, Fichte im Alter32 und Buche im Alter 36bei unterschiedlicherDurchforstungsstärke aufvergleichbaren frischen bisvorratsfrischen Standortenim Solling

140

120

100

80

60

40

20

id [

mm

]

id [

mm

]

Küstentannen

Kronenprozent

40 60 80100 max.

40 60 80100 max.

40

130

120

110

100

90

80

70

60

50

Extremwerte

Median

75 %-Wert

25 %-Wert

5 %-Wert

95 %-Wert

H = 6–8 m1989–199313–17 J

H = 10–13 m1997–200121–25 J

Abbildung 7: Küstentan-nen-GrünästungsversuchAhlhorn 1365j: Durchmes-serzuwachs in Abhängig-keit vom Kronenprozentund dem Zeitpunkt der ersten Ästung

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Reihenmischung mit BucheUm Hinweise für geeignete Mischungsformen abzulei-ten, wurde u. a. den Konkurrenzsituationen zwischenBuche und Küstentanne anhand von Einzelbaummerk-malen auf stark durchforsteten Versuchsflächen mit ab-wechselnd drei Reihen Küstentanne und drei Reihen inder Kombination Buche-Lärche-Buche nachgegangen.Erwartungsgemäß zeigten sich auf Grund der sehr ver-schiedenen Wachstumsrhythmen der Mischbaumartensignifikante Unterschiede bei den Brusthöhendurch-messern (BHD), Kronenansätzen (KA), H/D-Wertenund Kronenbreiten (KB) (Abbildung 8).

Der Versuch Ahlhorn 2138/39j bot außerdem dieMöglichkeit, Entwicklungsunterschiede zwischen Bu-chen aus Reihenmischung mit Küstentanne und sol-chen aus einem gleichaltrigen Buchenreinbestand zuanalysieren. Bezogen auf den mittleren Durchmesserund die mittlere Höhe sind die Küstentannen der Bu-che in Reihenmischung klar überlegen. Im Vergleich zuden Reinbestandsbuchen weisen die Mischbestands-buchen größere Höhen und höhere Kronenansätze auf,ihre Brusthöhendurchmesser sind jedoch geringer. Derstarke Seitendruck der Küstentanne »treibt« sie in en-gen Lichtschächten nach oben. Dort wachsen sie raschin die Höhe, um weiter überleben zu können. Dies führtjedoch auch zu hohen Schlankheitsgraden (H/D-Wer-te) und einer Gefährdung gegenüber Nassschnee. Fürdie Merkmale Kronenbreite (KB) und Kronenprozent(KR) wurden keine signifikanten Unterschiede zwi-schen den Varianten festgestellt.

69

Hauptbestandes weitgehend aus. Die starke Durchfors-tung bietet sich auch nicht an, da sie nicht zu recht -fertigende Vorratseinbußen mit sich bringt, die der Massenproduktion von Nadelsäge- und Industrieholzentgegenstehen. Bleibt die mäßige Hochdurchforstung,die der Standraumökonomie und Selbstdifferenzierungder Küstentanne Rechnung trägt und sich für die Pfle-ge von Küstentannenreinbeständen bzw. den Küsten-tannen-Anteilsflächen in Mischbeständen empfiehlt.

GrünästungDie Auswirkungen des Beginns, der Wiederkehr undder Stärke von Grünästungen auf den Zuwachs und dieAusbeute an astfreiem Schnittholz werden im Küsten-tannen-Grünästungsversuch Ahlhorn 1365 analysiert.Die 150 Probebäume sind auf zehn Versuchsgruppenverteilt. Sie unterscheiden sich nach der Ästungsinten-sität (keine Ästung, Reduktion der Kronenlängen auf80, 60 und 40 Prozent der Baumhöhen) sowie den Zeit-punkten der ersten Ästung (h = 6-8 m, Alter 13; h = 8-10 m, Alter 17; h = 10-13 m, Alter 21) bzw. der folgendenEingriffe zur Einhaltung der jeweils angestrebten Kro-nenprozente.

Die statistischen Auswertungen zeigen, dass nur dieGrünästungen mit einer Reduktion auf 40 Prozent Kro-nenlänge signifikante Einbußen beim Durchmesserzu-wachs verursachen (Abbildung 7). Die absoluten Zu-wachsreduktionen gegenüber der ungeästeten Variantescheinen mit steigendem Alter abzunehmen. Dies könn-te darauf zurückzuführen sein, dass mit zunehmendemAlter ein immer größerer Anteil photosynthetisch we-nig aktiver Nadelmasse entfernt wird. Grundsätzlich istanzumerken, dass sich mit Grünästungen das Durch-messerwachstum gegebenenfalls dämpfen und die Pro-duktion qualitativ hochwertiger Schnittholzsortimenteabsichern lässt.

Verwendungsorientierte Managementstrategien für Buchen-Küstentannen-Mischbestände

LWF Wissen 66

Bestandesmerkmale

Dim

ensi

on

en

BHD[cm]

Höhe[m]

H/D[:10]

KA[m]

KB[m]

KR[%]

30

25

20

15

10

5

0

KTa in ReihenmischungBu in ReihenmischungBu im Reihenbestand

(n.s)(n.s)

Abbildung 8: Vergleich der Bestandesmerkmale 32-jährigerKüstentannen und Buchen in Reihenmischung bzw. mit Buchen im Reinbestand; Standraumversuch Ahlhorn2138/39j

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• Variante 3: Buchen-Küstentannen-Mischbestand: Ausjeweils drei Reihen Küstentanne und zwei Reihen Bu-che wird eine Reihenmischung (2,5 m) erzeugt unddie Küstentannen ansonsten wie Variante 2 behan-delt (Abbildung 9).

Die Variante 2 (1.526 Vfm/ha) liefert gegenüber Varian-te 1 (1.361 Vfm/ha) insgesamt eine höhere Gesamt-wuchsleistung. Der Mischbestand hat die geringste Küs-tentannen-Gesamtwuchsleistung (1.173 Vfm/ha; Buche:192,7 Vfm/ha). Bezogen auf die Anteilsflächen imMischbestand ist die Küstentanne dort jedoch am leis-tungsstärksten, da sie in den Kontaktzonen zur Buchemehr Wuchsraum zur Verfügung hat. Bei den Z-Bäu-men der Variante 2 schwanken die Jahrringbreitendeutlich stärker als bei den Z-Bäumen der Variante 1(Abbildung 10). Die breitesten Jahrringe waren bei denKüstentannen in Reihenmischung mit der Buche zu ver-zeichnen. Dies lässt sich wiederum mit dem größerenWuchsraum in der Nachbarschaft zur Buche erklären.

70

Simulation unterschiedlicher Nutzungsstrate-gien in Küstentannen-Reinbeständen undKüstentannen-Buchen-Mischbeständen

Um den Einfluss verschiedener Eingriffsvarianten aufdie quantitative und qualitative Entwicklung in Küsten-tannen-Buchen-Mischbeständen zu quantifizieren, wur-den mit Hilfe des weiterentwickelten Waldwachstums-simulators und auf Basis einer realen, sehr wüchsigenVersuchsparzelle drei verschiedene waldbauliche Nut-zungsstrategien modelliert.• Variante 1: Küstentannen-Reinbestand: Bis zur Kulmi-

nation des laufenden Zuwachses im Alter 33 (h100

26,8 m) werden nur die vorwüchsigen Küstentannenentnommen. Danach werden 200 Z-Bäume pro Hekt -ar ausgewählt, gefördert, bei einer Zielstärke von45 Zentimetern geerntet und mit Nachrückern ersetzt.

• Variante 2: Küstentannen-Reinbestand: Im Alter wer-den 18 (h100 12,7 m) 200 vorherrschende Z-Bäumepro Hektar ausgewählt und nur diese freigestellt. DieZ-Bäume werden bei einer Zielstärke von 45 Zentime-tern geerntet und mit Nachrücken ersetzt.

Verwendungsorientierte Managementstrategien für Buchen-Küstentannen-Mischbestände

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Alter 27 Jahre Alter 37 JahreAlter 17 Jahre

Abbildung 9: Schematische Darstellung der Variante 3 (Buchen-Küstentannen-Mischbestand) für verschiedene Alter

Bestandesentwicklung Variante 3

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duktionszeiträume sind danach intensive Mischungennicht zu empfehlen. Eine frühzeitige Entnahme vor-wüchsiger Küstentannen führt bei vertretbaren Zu-wachseinbußen zu besseren Qualitäten. Sehr starkeLäuterungen und anschließend sehr starke Durchfors-tungen (natürlicher Bestockungsgrad 0,65) senken hin-gegen die Flächenproduktivität und führen zu sehr brei-ten Jahrringen bei den Z-Bäumen.

Auf Basis dieser Erkenntnisse lassen sich für Misch -bestände aus Küstentanne und Buche verwendungs -orientierte Managementstrategien ableiten. Für dieForstpraxis eignen sich insbesondere das klassischeProduktionsziel Säge- und Industrieholz oder die aus-schließliche Produktion von Holz für die Zellstoff- undHolzwerkstoffindustrie an. Um diese Produktionszielezu erreichen, bieten sich die in den Tabellen 1 und 2 dargestellten Strategien an.

71

Die Simulation verdeutlicht, dass die verschiedenenNutzungsvarianten und Mischungsformen Quantitätund Qualität des produzierten Holzes erheblich beein-flussen. Deshalb ist es notwendig, verwendungsorien-tierte, am jeweiligen Produktionsziel ausgerichtete Ma-nagementstrategien zu entwickeln.

Verwendungsorientierte Managementstrategien

Die Ergebnisse der Versuchsflächenauswertungen undder Wachstumsmodellierungen zeigen, dass die Bucheder Küstentanne im Wachstum deutlich unterlegen ist.Die fehlende Konkurrenz in der Nachbarschaft zur Bu-che führt bei vor- und herrschenden Küstentannen zuenormem Wachstum mit weiten Jahrringen. Angesichtsder Wuchsrelationen und der unterschiedlichen Pro-

Verwendungsorientierte Managementstrategien für Buchen-Küstentannen-Mischbestände

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VDurchmesserzuwachs, Oberdurchmesser

140

V1 V2 V3 0,7 0,8 0,9 1,0 1,1 1,2 1,3 1,4 1,5

1,4

1,2

1,0

0,8

120

100

80

60

40

20

0

Mit

tler

e Ja

hrr

ingr

eite

[cm

/a]

Häu

figk

eit

[n/h

a]

Mittlere Jahrringbreite [cm] Variante

V1 rein

V2 rein

V3 Misch

Mittlere Jahrringbreiten von Z-Bäumen

Abbildung 10: Vergleich der mittleren Jahrringbreiten vonZ-Bäumen der waldbaulichen Varianten 1 bis 3 und derenHäufigkeitsverteilung; die mittlere Jahrringbreite wurde füreinen Zeitraum von 63 Jahren berechnet.

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trupp-bis guppenweise

Literatur

Bergel, D. (1985): Douglasien-Ertragstafel für Nordwestdeutsch-land. Aus der Niedersächsischen Forstlichen Versuchsanstalt,Abteilung Waldwachstum, Selbstverlag, 72 S.

Christie, J. M.; Lewis, R. E. A. (1961): Provisional yield tables forAbies grandis and Abies nobilis. [British] Forestry CommissionForest Record 47, Her Majesty’s Stationery Office, London, 48 S.

72

Verwendungsorientierte Managementstrategien für Buchen-Küstentannen-Mischbestände

LWF Wissen 66

Produktionsziel Industrie -und Sägeholz

Standorte schwach bis ziemlich gut nährstoffversorgt, da sonst zu starkes Dickenwachstum; keine staunassen und wechseltrockenen Standorte

Bestandestyp Küstentanne/Buche: (KTa 50–70 % , Bu 30–50 %, Begleitbaumarten ca. 10 %) Tiefland ggf. REi oder WLi statt BuBuche/Küstentanne: (Bu 50–70 %, KTa 30–50 %,Begleitbaumarten ca. 10 %)(KTa als Zeitmischung, Auspflanzung Bu-NV)

Zielstärke Küstentanne 45 cm + in 40–60 Jahren

Buche 55 cm + in 100–140 Jahren

Mischungsform Buche in Küstentanne

Küstentanne in Buche

Kultur Freifläche

lichter Schirm

ca. 2.500–3.000 KTa/ha Anteilfläche, 7.000–10.000 Bu/ha

ca. 2.000–2.500 KTa/ha Anteilfläche, 5.000–7.000 Bu/ha

Pflege der Küstentanne

Jungbestand h100 (6–8 m): i.d.R. keine Läuterung, ggf. Protzenaushieb

Stangenholz h100 (8–12 m): Feinerschließung

Geringes Baumholz h100 (12–20 m): schrittweiser Auszug der vorherrschenden KTAvorsichtige Pflege der bestveranlagten herrschenden KTA

h100 (20–28 m): Auswahl von 200 Z-Bäumen/ha mäß Hdf.

Mittleres Baumholz h100 (> 28 m): gestreckte Zielstärkennutzung, möglichst NV

Produktionsziel Zellstoff und Holzwerkstoff

Standorte breite Standortpalette mit Ausnahme der reichen (zu schade), staunassen und wechseltrockenen Standorte (Jugendgefahren, Windwurf)

Bestandestyp Küstentanne/Buche (KTa 70–80 %, Bu 20–30 %, Begleitbaumarten ca. 10 %)Keine führende Buche, Buche als ökologische Anreicherung

Zielstärke Küstentanne 30 cm + in 30 bis 40 Jahren

Buche keine Festlegung, fallweise

Mischungsform Buche in Küstentanne

Kultur Freifläche

lichter Schirm

ca. 2.000–2.500 KTa/ha Anteilfläche, 3.000–4.000 Bu/ha

ca. 2.000–2.500 KTa/ha Anteilfläche, 2.000–3.000 Bu/ha

Pflege der Küstentanne

Jungbestand h100 (6–8m): i. d.R. keine Läuterung

Stangenholz h100 (8–12m): Feinerschließung

Geringeres Baumholz h100 (12–26m): Auswahl von 300 bis 350 Z-Bäumen/ha st. Hdf.

Neukultur im Seitenschutz der verbliebenen Buchen und Mischbaumarten

Tabelle 1: Produktionsziel Industrie- und Sägeholz

Tabelle 2: Produktionsziel Zellstoff und Holzwerkstoff

Lembke, G. (1973): Der gegenwärtige Stand des unter Schwap-pach begründeten Freienwalder Anbauversuchs mit ausländi-schen Baumarten. Beiträge für die Forstwirtschaft 7, S. 24–37

Lockow, K.-W. 2002: Ergebnisse der Anbauversuche mit ameri-kanischen und japanischen Baumarten. In: Ausländische Baum-arten in Brandenburgs Wäldern, Landesforstanstalt Eberswal-de, S. 41–101

horstweise

trupp- bis horstweise

erst Zielstärkennutzung, dann Abtriebh100 (> 26m):

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Schwappach, A. (1901): Die Ergebnisse der in den PreußischenStaatsforsten ausgeführten Anbauversuche mit fremdländischenHolzarten. Zeitschrift für das Forst- und Jagdwesen, S. 137–169,195–225, 261–292

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Wiedemann, E. (1950): Ertragskundliche und waldbaulicheGrundlagen der Forstwirtschaft. J. D. Sauerländer’s Verlag,Frankfurt a. M., 346 S.

Key words: Silver Fir, Grand Fir, forest growth, use of

wood, stand treatment

Summary: Timber product oriented silvicultural strategies

for mixed stands of beech (Fagus silvatica) and grand fir

(Abies grandis). A shortage of small dimensioned assort-

ments of coniferous timber might hit the German timber

market in near future. The fast growing grand fir, mixed

with beech, could help to overcome this shortage. Product

oriented silvicultural strategies for mixed stands of grand

fir and beech, which were developed by the Northwest

German Forest Research Station within the framework of

the project „value-added chain forest-timber: beech/grand

fir“, are presented. The strategies are based on the results

of many long-term observed cultivation, spacing and yield

experimental plots which are scattered over a wide ampli-

tude of forest sites. Additional data of single observations

were used to complement the data set. The data were

also used to extend the Northwest German version of the

forest growth simulator BWINPro for grand fir in pure and

mixed stands.

73

Verwendungsorientierte Managementstrategien für Buchen-Küstentannen-Mischbestände

LWF Wissen 66

Lockow, K-W.; Lockow, J. (2007): Anbau der Großen Küstentan-ne in Brandenburg aus ertragskundlicher Sicht. Forst und Holz,S. 15–18

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Schober, R. (1978): Erste Ergebnisse von Anbauversuchen mitTannen und anderen Koniferen aus Japan im Vergleich mit nord-amerikanischen und europäischen Nadelhölzern, Teil 2: Die Ver-suche und ihre Ergebnisse. Allgemeine Forst- und Jagdzeitung,S. 197–221

Schober, R.; Spellmann, H. (2001): Von Anbauversuchen mit Tan-nen und anderen Koniferen aus Japan, Nordamerika und Eu -ropa. Schriften aus der Forstlichen Fakultät der Universität Göt-tingen und der Niedersächsischen Forstlichen Versuchsanstalt,Band 130, J. D. Sauerländer’s Verlag, Frankfurt a. M., 178 S.

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74

Schlüsselwörter: Küstentanne, Holzeigenschaften, Schnitt-

holzsortierung, Verarbeitung

Zusammenfassung: Im Rahmen eines BMBF-Verbundpro-

jektes wurden technologisch relevante Eigenschaften des

Holzes der Großen Küstentanne (Abies grandis) durch-

leuchtet. Dabei standen die Eigenschaften und Verwen-

dungsmöglichkeiten des Schnittholzes im Vordergrund. Die

Ergebnisse aus dem Forschungsprojekt dienen neben der

Lösung konkreter praxisrelevanter Fragestellungen im Hin-

blick auf die Einsatzmöglichkeiten und Verarbeitungsbe-

dingungen auch der Entwicklung nachhaltiger Konzepte

zur optimalen, verwendungsorientierten Bereitstellung

dieses Holzes aus naturnaher Bewirtschaftung von Buchen-

Mischbeständen.

Die Forstpraxis bemängelt häufig eine „Nasskernbil-dung“ bei der Küstentanne. Daher wurden die Feuch-teverteilung und die Ursachen von Verfärbungen im„Kernholz“ der Küstentanne analysiert. Aus definiertenStammabschnitten wurde Schnittholz mit deutlichenVerfärbungen des „Kerns“ erzeugt. Nach der techni-schen Trocknung und Hobelung der Brettware wurdenkeine Farbunterschiede zwischen der ursprünglichenSplint- und „Kern“-zone festgestellt. Die Schnittholzqua-lität war in keiner Weise beeinträchtigt. Weitere Ergeb-nisse der Holzinhaltsstoffanalysen zeigten, dass eine„Nasskernbildung“ nicht generell mit einem mikrobiel-len Abbau der Reservestoffe verbunden sein muss. Kei-ne der Proben mit „Nasskern“ wies Veränderungen inder Lignifizierung der einzelnen Zellwandschichten auf.

LWF Wissen 66

Verwendungsmöglichkeiten für Küstentannen-Schnittholz František Hapla

Abbildung 1: Küstentanne-Terrassen-deckelement, Küstentanne-Triobalken,Küstentanne-Profilholz (Fotos: B. C. Kielmann)

Damit wurde bewiesen, dass ein »Nasskern« nichtzwangsläufig mit Holzqualitätseinbußen bei der Küsten-tanne einhergeht.

Mechanische Eigenschaften

Das Holz der Küstentanne wies bei 12 Prozent Holz-feuchte im Mittel eine Rohdichte von 0,422 Gramm proKubikzentimeter (g/cm3) im Splint, 0,389 g/cm3 im„Kernholz“ und 0,362 g/cm3 im juvenilen marknahenHolz auf. Die mechanischen Eigenschaften korrelierensehr gut mit der Rohdichte des Holzes. Die Messungenzeigen anhand des Vergleichs dreier Standortskollekti-ve auch, dass die Jahrringbreite als Ergebnis standört-licher Bedingungen und waldbaulicher Behandlung dieAusprägung von Rohdichte und Festigkeit dieses Hol-zes wesentlich beeinflusst. Die bekannte Tendenz ab-nehmender Rohdichten und Festigkeiten innerhalb derStämme von außen nach innen und von unten nachoben findet sich auch bei der Küstentanne bestätigt.

Sortierung

Die Verwendung der Küstentanne für Schnittholz imkonstruktiven Bereich setzt aktuell beinahe zwingendeine maschinelle Sortierung voraus. Der selbst bei ver-

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ästhetischen Gesichtspunkten wird das helle Holz mitseiner gleichmäßigen Struktur als zeitloses Muster po-sitiv beurteilt. Die relativ geringe Abholzigkeit sowie dergünstige Astansatzwinkel der Probebäume führten zueiner hohen Ausbeute an Schnittholz-Produkten. Dasmit dem Fichtenholz vergleichbare bis günstigere Sorp-tionsverhalten ergab bei der Schnittholztrocknung einegute Dimensionsstabilität. Das Schnittholz kann im In-nenbereich für Decken- und Wandvertäfelungen, Mas-sivholzplatten sowie als Schreinerware im Möbelbauseine Verwendung finden. Die Harzfreiheit des Holzesmacht die Küstentanne für die Herstellung von Sauna-einrichtungen besonders interessant.

Fazit

Aus waldbaulicher Sicht sprechen für die Küstentanneals Mischbaumart zur Buche mittlerweile mehrere Ar-gumente. Mit Hilfe gezielter waldbaulicher Maßnahmenkann die Küstentanne in Abhängigkeit vom jeweiligenProduktionsziel geeigneten Rohstoff sowohl für die Sä-geindustrie als auch für die Holzwerkstoff- und Zellstoff-industrie liefern.

Literatur

Hof, C.; Hapla, F.; Koch, G. (2008): Küstentanne häufig zu Unrechtunter Wert verkauft – Einfluss der Feuchteverteilung (Nasskern-bildung) auf Verfärbungen im Kernholz der Küstentanne (Abiesgrandis). Holz-Zentralblatt Nr. 29, S. 806-807

Hof, C.; Kielmann, B.C.; Hapla, F. (2008): Verwendungsorientier-te Untersuchungen am Schnittholz der Abies grandis. Holztech-nologie Nr. 6, S. 7-11

Key words: Grand fir, wood properties, sawn-timber gra-

ding, processing,

Summary: In the frame of BMBF-joint project utilization

orientated investigations on Grand fir (Abies grandis) tim-

ber were carried out. The wood product properties and

the possible uses of the sawn-timber were the principal ob-

jectives. The obtained investigation results contribute to

the development of a timber market for Grand fir. From

the point of view of wood quality, an optimal forest ma-

nagement strategy for this fast growing tree species should

be established too.

75

gleichsweise langsam gewachsenen Beständen nochrelativ grobe Jahrringbau führt bei visueller Sortierungzu inakzeptabel geringen Ausbeuten. Die maschinelleSortierung kann ein vorhandenes gutes Festigkeitsni-veau erschließen und nachweisen. Zur Beurteilung derSchnittholzqualität wurden circa 1.340 jeweils 2,5 Me-ter lange Stammabschnitte zu Kanteln mit einem Quer-schnitt von 80 x 25 Millimetern aufgeschnitten. Diesewurden entsprechend den Kriterien nach DIN 4074-1zunächst visuell sortiert. Eine Auswahl von 200 Kantelndaraus wurde weiterhin einer Sortierung mit dem »Tim-ber Grader« und anschließend der zerstörenden Vier-punkt-Biegeprüfung nach EN 408 unterzogen. Die Fes-tigkeit liegt unterhalb dem Niveau der Fichte, überlapptsich mit diesem jedoch insbesondere im äußerenSplintholz und bei engerem Jahrringbau. Das sehrschnell gewachsene Holz eines Versuchskollektivs er-reichte bei einer apparativ unterstützten Sortierung aufBasis der Messung des dynamischen E-Moduls mit demTimber Grader noch eine Gesamtausbeute von über 70Prozent in den Sortierklassen ab S7 aufwärts, die visu-elle Sortierung nach DIN 4074 schloss nahezu 95 Pro-zent dieses Schnittholzes aus.

Verarbeitung

Die Verarbeitung des Küstentannenholzes mit aktuellverfügbaren Klebstoffsystemen erscheint problemlos.Auch das mit der geringeren Rohdichte zusammenhän-gende weniger stark ausgeprägte Quellen und Schwin-den unter wechselnder Feuchtigkeit trägt zu einer sehrguten Beständigkeit der Klebefugen unter Last und beiFeuchtebeanspruchung bei. Als positiv erwiesen sichdie leichte Verarbeitbarkeit, das gute Verklebungsver-halten sowie die schnelle und gute Trocknung desSchnittholzes. Eine thermische Modifizierung mit demBICOS-Verfahren senkte die Ausgleichsfeuchte um cir-ca 50 Prozent und erhöhte die Resistenz des Holzes gegen Basidiomyceten sehr deutlich. Dabei wurdenwichtige mechanische Eigenschaften nur moderat be-einflusst. Das Elastizitätsmodul und die Druckfestigkeitnahmen gegenüber dem unbehandelten Vergleichskol-lektiv geringfügig zu, die Biegefestigkeit wurde dage-gen nur unwesentlich reduziert.

Die Küstentanne bietet einige Vorteile in der Holzverar-beitung. Die mechanischen Eigenschaften erreichenteilweise die Fichtenwerte. Dabei ist jedoch eine geziel-te waldbauliche Behandlung der Mischbestände uner-lässlich. Weiterhin wurden gute Ergebnisse bei der Be-arbeitung und Verklebung des Holzes erzielt. Aus

Verwendungsmöglichkeiten für Küstentannen-Schnittholz

LWF Wissen 66

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Globalisierte Märkte

Um auf einem zunehmend globalisierten Markt konkur-renzfähig und auch langfristig erfolgreich zu bleiben,müssen Unternehmen Anforderungen und Tendenzendes Marktes erkennen und bedienen können. Bei einem Produkt, das wie das Rohholz extrem lange Produktionszeiten hat, ist eine auf kurzfristige Marktent-wicklungen ausgerichtete Produktion mit hohen Risi-ken behaftet. Nur eine breite Produktpalette gewährleis-tet die notwendige Flexibilität, situationsbedingt zureagieren. Die naturnahe Waldwirtschaft mag die rich-tige Antwort auf die Risiken der Klimaveränderungsein. Ganz ohne gezielte Steuerung der Baumartenzu-sammensetzung, gegebenenfalls mittels Nachpflanzungund Pflege produktiver, auch nichtheimischer Baumar-ten, kann sie jedoch nicht optimal die Nachfrage desMarktes bedienen.

Die Rahmenbedingungen für die Forst- und Holzwirt-schaft lassen sich in Stichworten wie folgt umreißen: • Weltweit wächst der stoffliche, chemische sowie

energetische Holzverbrauch;• insbesondere steigt die energetische Nutzung auf

Grund der Verknappung fossiler Rohstoffe;• der Naturschutz fordert großflächigen Nutzungs -

verzicht, zahlreiche Gesetze und Verordnungen aufEU-, Bundes- und Landesebene beeinträchtigen dieNutzung;

• der Rundholzmarkt ist „regional“ begrenzt (Trans-portkosten); Holzaufkommen und Verfügbarkeit ins-besondere Nadelholzsortimente sind rückläufig (Nut-zungskonkurrenz, Naturschutz, Waldumbau);

• der Schnittholzmarkt hingegen ist zunehmend glo-bal/international, weltweit „offen“, sowohl für deut-sche Unternehmen im Ausland als auch auf dem hei-mischen Markt für ausländische Marktpartner.

In der Folge steigen die Rohstoffkosten bei gleichzeitigstagnierenden bzw. sinkenden Produkterlösen.

76

Schlüsselwörter: Holzmarkt, Beschaffungs- und Absatz-

problem, naturnahe Waldwirtschaft

Zusammenfassung: Der naturnahe Waldbau ist aus der

modernen Forstwirtschaft nicht mehr wegzudenken, ver-

bindet er doch in hervorragender Weise ökonomische und

ökologische Funktionen und Zielsetzungen. Trotzdem darf

das „Denken“ einer modernen Forstwirtschaft nicht an der

Waldstraße enden. Der Rundholzbeschaffungsmarkt ist

auf Grund logistischer und ökonomischer Restriktionen re-

gional ausgerichtet. Weiterhin sind das Holzaufkommen

und die Verfügbarkeit insbesondere von Nadelholzsorti-

menten rückläufig. Gleichzeitig agieren Großkonzerne als

auch klein- und mittelständische Unternehmen zuneh-

mend auf globalisierten Schnittholzmärkten. Eine moder-

ne Forstwirtschaft sollte vor allem auch auf die Erhaltung

und Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit des gesamten

Clusters Forst und Holz ausgerichtet sein und kann sich auf

Dauer nicht leisten, am Markt vorbei zu produzieren. Aus

Sicht der Holzindustrie ist – natürlich unter Beachtung öko-

logischer Erfordernisse – ein Waldbau zwingend, der die

standörtlichen Voraussetzungen auf der gesamten Wald-

fläche voll ausschöpft.

Der naturnahe Waldbau ist aus der modernen Forstwirt-schaft nicht mehr wegzudenken, verbindet er doch inhervorragender Weise ökonomische und ökologischeFunktionen und Zielsetzungen. Außerdem ist die natur-nahe und sorgsame Bewirtschaftung der Wälder unterEinbeziehung natürlicher Prozesse die „passende“ Ant-wort auf die zunehmende und zum Teil polemische Kritik der Naturschutzverbände an der Forst- und Holz-wirtschaft in Deutschland. Trotzdem darf das „Denken“einer modernen Forstwirtschaft nicht an der Wald -straße enden.

LWF Wissen 66

Holzmarkt und Waldumbau aus der Sicht der HolzindustrieLars Schmidt

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Fragestellung an die Forstwirtschaft

Mit Blick auf diese Rahmenbedingungen und Entwick-lungen sollte die Forstwirtschaft insbesondere folgen-de Fragen beantworten, um die Zukunftsfähigkeit desHolzstandortes Deutschland sicher stellen zu können:• Marktkonforme Baumartenzusammensetzung und

Sortimente: Reichen die Nadelholzanteile (insbeson-dere auch klimaresistenter Arten) für den zukünfti-gen Bedarf und Verbrauch aus?

• Laubstarkholz: Welche gemeinsamen Anstrengun-gen können Forst und Holz unternehmen, um tradi-tionelle sowie zukunftsfähige Märkte für Laubmas -sivholz zu stärken und auszubauen, um einengenügenden Absatz für den zukünftigen Laubstark-holzüberhang auch „abseits“ der energetischen Nut-zung sicherzustellen?

• Moderne und effiziente Logistikketten im Rahmender Einzelstammnutzung: Können wir die Effizienz indieser Kette mit dem Ziel internationaler Wett -bewerbsfähigkeit erhalten oder sogar ausbauen? Istausreichend Personal für „just-in-time“-Belieferung,Betreuung im Privatwald und ökonomische Betriebs-abläufe vorhanden?

• Artenvielfalt und Naturschutz im Zuge sorgsamerWaldbewirtschaftung: Lässt sich die Forstwirtschaftdiese Kernkompetenzen vom amtlichen und kom-merziellen Naturschutz nehmen?

77

Beschaffungsproblem der Nadelholz -sägeindustrie

Der Nadelholzanteil geht in Deutschlands Wäldern flä-chenmäßig zurück. Dieser Prozess entspricht jedochnicht dem zukünftigen Holzbedarf. Die rückläufigen Na-delholzmengen, vor allem in den Bau- und Industrie-holzsortimenten, werden den heimischen Holzbedarfder Bevölkerung nicht mehr decken können. Dahermuss, insbesondere aus klimapolitischer Sicht, ein aus-reichender Nadelholzanteil in deutschen Wäldern er-halten bleiben. Denn viele Verwendungsmöglichkeitenfür Holz im Bereich „Konstruktion, Platte und Papier“sind nur mit Nadelhölzern zu verwirklichen. Es ist alsokein Unwille der Industrie, sich technisch auf die geän-derte Rohstoffsituation einzustellen, sondern schlichteine Frage der Märkte.

Absatzproblem der Laubsägeindustrie

Die Nachfrage nach Laubholz steht im Gegensatz zuden waldbaulichen Maßnahmen. Die Produktion vonLaubschnittholz ist rückläufig. Mit Blick auf diese nega-tive Entwicklung ist ebenfalls fraglich, ob ausreichendAbsatzmärkte vorhanden sind und ob das Zielsortiment»Buchenstarkholz« noch bestehen kann. Der Markt fürmassive Laubholzprodukte geht zunehmend an Holz-werkstoffe verloren. Lösungsansätze könnten neben gezieltem Marketing für „echtes“ Massivholz auch dieWeiterentwicklung neuer Anwendungsbereiche (kon-struktiver Bereich, TMT) bieten.

Holzmarkt und Waldumbau aus der Sicht der Holzindustrie

LWF Wissen 66

Men

ge

[ M

io. m

3 ] 25

20

15

10

5

0

Schnittholzproduktion

Nadelschnittholzproduktion

1999

2000

2001

2002

2003

2004

2005

2006

2007

2008

2009

Men

ge

[ M

io. m

3 ] 1,4

1,2

1,0

0,8

0,6

0,4

0,2

0

Laubschnittholzproduktion

1999

2000

2001

2002

2003

2004

2005

2006

2007

2008

2009

Abbildung 1: Produktion von Nadel- und Laubschnittholz inKubikmetern (ZMP 2007)

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Eine moderne Forstwirtschaft sollte insbesondere auchauf die Erhaltung und Steigerung der Wettbewerbsfä-higkeit des gesamten Clusters Forst und Holz ausgerich-tet sein. In einem zunehmend globalisierten Markt müs-sen wir die Konkurrenzfähigkeit unseres gemeinsamenProduktes Holz im Vergleich zu anderen Roh- undWerkstoffen erhalten. Kein wirtschaftlich handelndesUnternehmen (und auch nicht die Forstwirtschaft)kann es sich auf Dauer leisten, am Markt vorbei zu pro-duzieren. Nur eine marktwirtschaftlich orientierte Forst-wirtschaft kann auch langfristig erfolgreich sein.

Key words: Natural forestry, timber market, timber buying

and sale problems.

Summary: We couldn’t possibly imagine modern-day

forest management without the concept of natural

forestry, in particular because it connects economic with

ecological functions and objectives in an excellent manner.

Nevertheless, modern-day forest management „thinking“

must not stop at the forest tracks. The procurement mar-

ket for logs has a strong regional focus due to logistic and

economic limitations. Apart from this, the amount of

wood and, notably, the availability of coniferous wood li-

nes are declining. At the same time, large companies as

well as SMEs are increasingly moving on global sawn tim-

ber markets. Modern-day forest management should

mainly focus on maintaining and increasing competitive-

ness of the entire forestry and timber cluster and cannot

afford to keep up producing without taking into account

market needs. From the perspective of the timber indus-

try – of course taking into account ecological requirements

– forestry needs to make the most of site conditions in the

entire forest area.

Übersetzung: Susanne Mühlhaus

78

Handlungsempfehlungen und Forderungenseitens der Holzindustrie

Die Arbeitsgemeinschaft Rohholzverbraucher (AGR)und der Bundesverband Säge- und Holzindustrie(BSHD) fordern:• Der Nadelholzanteil ist auf den geeigneten Standor-

ten in ausreichendem Umfang von 50 Prozent sicher-zustellen.

• Die Fichte ist außerhalb ihres natürlichen Verbrei-tungsgebietes mit Nadel-Laubmischwaldbeständenmit Beimischung geeigneter Nutzholzarten wie Dou-glasie und Lärche zu ersetzen.

• Die Küstentanne ist schnellwüchsig und hat eine brei-te Standortsamplitude. Sie liefert frühzeitig verwert-bares Durchforstungsholz. Ihre Verwendung als Sägeholz (insbesondere in stärkeren Dimensionen)ist allerdings problematisch, vor allem wegen derStarkastigkeit, des Nasskerns und des Trocknungs-verhaltens.

• Als Alternative zur Fichte ist daher aus Sicht der Sä-geindustrie der Douglasie der Vorzug zu geben, weilsie hervorragendes Sägeholz liefert, keine erkennba-ren Probleme für die einheimische Flora und Faunaverursacht, schnellwüchsig ist und hervorragendesHolz liefert (kein Nasskern, unproblematisch in derTrocknung).

• Der Tannenanteil ist aus ökologischer Sicht zu erhö-hen.

• Die Verjüngung von Nadelholz auf geeigneten Stand-orten unter Beimischung von Laubholz mittels Pflan-zung oder Saat ist zu optimieren und zu erweitern.

• Der förderfähige Nadelholzanteil beim Waldumbau(Fichte, Tanne, Douglasie) im Privatwald muss er-höht werden.

• Auf Laubholzstandorten sollte ein Nadelholzanteil alsZeitmischung eingebracht werden.

• Der Waldanteil in Deutschland ist zu erhöhen. Brach-liegende landwirtschaftliche Flächen sollten vorzugs-weise mit Nadelgehölzen aufgeforstet werden.

• Die Förderrichtlinienpolitik sollte zugunsten einesstärkeren Anbaus von Nadelgehölzen geändert wer-den.

• Die Kiefer sollte auf geeigneten Standorten im Nord-ostdeutschen Tiefland künstlich verjüngt werden, ins-besondere dann, wenn die Naturverjüngung aufGrund starker Bodenvegetation ausbleibt.

Holzmarkt und Waldumbau aus der Sicht der Holzindustrie

LWF Wissen 66

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Prof. Dr. Dr. h.c. František Hapla Burckhardt-Institut der Georg-August-Universität

Göttingen

Abteilung Holzbiologie und Holzprodukte

Büsgenweg 4

37077 Göttingen

[email protected]

Dr. Christian KöllingBayerische Landesanstalt für Wald und Forstwirtschaft

Hans-Carl-von-Carlowitz-Platz 1

85354 Freising

E-Mail: Christian. [email protected]

Dr. Ulrich KohnleForstliche Versuchs- und Forschungsanstalt

Baden-Württemberg

Abteilung Waldwachstum

Wonnhaldestraße 4

79100 Freiburg

E-Mail: [email protected]

Dr. Monika KonnertBayerisches Amt für forstliche Saat- und Pflanzenzucht

Forstamtsplatz 1

83317 Teisendorf

E-Mail: [email protected]

Jürgen NagelNordwestdeutsche Versuchsanstalt

Abteilung Waldwachstum

Grätzelstraße 2

37079 Göttingen

E-Mail: [email protected]

Ralf NagelNordwestdeutsche Versuchsanstalt

Abteilung Waldwachstum

Grätzelstraße 2

37079 Göttingen

E-Mail: [email protected]

79

Dr. Herbert BorchertBayerische Landesanstalt für Wald und Forstwirtschaft

Hans-Carl-von-Carlowitz-Platz 1

85354 Freising

E-Mail: [email protected]

Franz BrosingerBayerisches Staatsministerium für Ernährung,

Landwirtschaft und Forsten

Ludwigstraße 2

80539 München

E-Mail: [email protected]

Dominik CullmannForstliche Versuchs- und Forschungsanstalt

Baden-Württemberg

Abteilung Waldwachstum

Wonnhaldestraße 4

79100 Freiburg

E-Mail: [email protected]

Dr. Christoph DittmarUmweltforschung & Bildung (UFB)

Am Sandacker 25

95511 Mistelbach

[email protected]

Wolfgang FalkBayerische Landesanstalt für Wald und Forstwirtschaft

Hans-Carl-von-Carlowitz-Platz 1

85354 Freising

E-Mail: [email protected]

Stefan FriedrichBayerische Landesanstalt für Wald und Forstwirtschaft

Hans-Carl-von-Carlowitz-Platz 1

85354 Freising

E-Mail: Stefan. [email protected]

Mark GebNordwestdeutsche Versuchsanstalt

Abteilung Waldwachstum

Grätzelstraße 2

37079 Göttingen

E-Mail: [email protected]

LWF Wissen 66

Anschriften der Autoren

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Chaofang Yue Forstliche Versuchs- und Forschungsanstalt

Baden-Württemberg

Abteilung Waldwachstum

Wonnhaldestraße 4

79100 Freiburg

E-Mail: [email protected]

Christian ZangHochschule Weihenstephan-Triesdorf

Fakultät Wald und Forstwirtschaft

Hans-Carl-von-Carlowitz-Platz 3

85354 Freising

E-Mail: [email protected]

80

Dr. Ralf PetercordBayerische Landesanstalt für Wald und Forstwirtschaft

Hans-Carl-von-Carlowitz-Platz 1

85354 Freising

E-Mail: [email protected]

Prof. Dr. Andreas RotheHochschule Weihenstephan-Triesdorf

Fakultät Wald und Forstwirtschaft

Hans-Carl-von-Carlowitz-Platz 3

85354 Freising

E-Mail: [email protected]

Randolf SchirmerBayerisches Amt für forstliche Saat- und Pflanzenzucht

Forstamtsplatz 1

83317 Teisendorf

E-Mail: [email protected]

Lars SchmidtBundesverband Säge- und Holzindustrie Deutschland e.V.

Hauptgeschäftsstelle Berlin

Reinhardtstraße 18

10117 Berlin

E-Mail: [email protected]

Matthias SchmidtNordwestdeutsche Versuchsanstalt

Abteilung Waldwachstum

Grätzelstraße 2

37079 Göttingen

E-Mail: [email protected]

Prof. Dr. Hermann SpellmannNordwestdeutsche Versuchsanstalt

Abteilung Waldwachstum

Grätzelstraße 2

37079 Göttingen

E-Mail: [email protected]

Dr. Helge WalentowskiBayerische Landesanstalt für Wald und Forstwirtschaft

Hans-Carl-von-Carlowitz-Platz 1

85354 Freising

E-Mail: [email protected]

Anschriften der Autoren

LWF Wissen 66