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MAG. HARALD PERNITSCH / DR. FRITZ BRUNNER Zur Kniebeuge Technik-Methodik-Medizin-Biomechanik-Praxis Vorbemerkung ....................................................................................... 2 Methodischer Aufbau der optimalen Kniebeugetechnik aus leistungssteigernder und präventiver Sicht......................................... 3 Die Kniegelenksbelastung bei Kniebeugen............................................................................................. 12 Kniegelenkskräfte Druckverteilung an den Kontaktflächen des Kniegelenks Praxiserfahrung und Praxisbedarf Fazit......................................................................................................... 21

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MAG. HARALD PERNITSCH / DR. FRITZ BRUNNER

Zur Kniebeu geTechnik -Methodik-Medizin-Biomechanik-Praxis

Vorbemerkung ....................................................................................... 2

Methodischer Aufbau der optimalen Kniebeugetechnik ausleistungssteigernder und präventiver Sicht......................................... 3

Die Kniegelenksbelastung beiKniebeugen............................................................................................. 12

KniegelenkskräfteDruckverteilung an den Kontaktflächen des KniegelenksPraxiserfahrung und Praxisbedarf

Fazit......................................................................................................... 21

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VorbemerkungVorbemerkung

Mit Kniebeuge werden die Beugung und anschließende Streckung derKniegelenke im aufrechten Stand und die dafür notwendigen Ausgleichs- bzw.Stabilisierungsbewegungen des Gesamtkörpers bezeichnet. Je nachBeugewinkel in den Knien können hohe, halbe und tiefe Kniebeugenunterschieden werden. Die tiefe oder ganze Kniebeuge wird hier alseigentliche Kniebeuge verstanden, bei welcher (in der Sagittalebenebetrachtet) soweit gebeugt wird, bis die Hüfte (Hüftgelenkspfannen) unter deroberen Kniekante ist und nicht so tief, dass die Oberschenkelrückseite amUnterschenkel aufliegt. Der Kniewinkel beträgt dabei ungefähr 60-80°. Diehalbe Kniebeuge endet bei ca. 80-100° (Oberschenkel ist knapp über derWaagrechten) und die hohe Kniebeuge bei 100-120°.

Speziell von theoretischer Seite werden immer wieder Bedenken über zuhohe Kniegelenks- und Wirbelsäulenbelastungen bei tiefen Kniebeugenausgedrückt.

In dieser Arbeit soll diese Thematik praxisrelevant diskutiert werden, wofür einmethodischer Aufbau der Kniebeugetechnik und eine altersgemäßeSteigerung der Zusatzlasten vorausgesetzt und nach Leistungsniveau undTrainingsintention differenziert werden muss.

Im Sinne eines leistungssteigernden Trainings wird dabei von derGrundhaltung ausgegangen, dass es nicht gilt im Training Belastungen zuvermeiden, sondern möglichst effektive Belastungen zu setzen, um hoheAdaptationen auszulösen. Eine Belastung ist effektiv, wenn sie hoch genugist, um einen Trainingsreiz zu bieten und nicht so groß ist, dass einepathologische Schädigung provoziert wird.

Literatur:AHMED A.M. / D.L. BURKE; Tibial surface of the knee, J. Biomech. Engin. 105: 216-225, 1983BRUNNER F.; Biomechanische Analyse des Sportkegelns, Innsbruck 1996HILLE E. / K.-P. SCHULTZ; Kontaktflächenbestimmung des femorpatellaren Gelenkes, Zeitschriftfür Orthopädie und ihre Grenzgebiete 122,1: 40-47, 1984HUBERTI H.H. / W.C. HAYES / J.D. HARRY; Patellofemoral contact pressures, unveröffentl.Vortragsmanuskript, 1983KAPANDJI I.A.; Funktionelle Anatomie der Gelenke, Band 2, Stuttgart 1985KAPANDJI I.A.; Funktionelle Anatomie der Gelenke, Band 3, Stuttgart 1985KÖNIG, Martin Friedrich; Das sportmedizinische Profil des Gewichthebers, Diss., Zürich 1988NISELL R.; Mechanics of the knee, Acta Orthopädica Scandinavica, Suppl. 216 vol. 56,Copenhagen 1988WEINECK J.; Sportanatomie, 6. Aufl., Erlangen 1990

Vorbemerkung 2

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Methodischer Aufbau der optimalen KniebeugetechnikMethodischer Aufbau der optimalen Kniebeugetechnikaus leistungssteigernder und präventiver Sichtaus leistungssteigernder und präventiver Sicht

Phase 1 - Voraussetzungen schaffenPhase 1 - Voraussetzungen schaffen (ab der vorpuberalen Phase möglich)(ab der vorpuberalen Phase möglich)

Prinzipiell besteht schon in der vorpuberalen Phase im Kraft- und Schnelligkeitsbereicheine hohe Trainierbarkeit, wobei die primären Anpassungen im Bereich derintermuskulären Koordination und der nervalen Ansteuerung zu erzielen sind. Bis zurPubertät verläuft die Entwicklung des Kraft- und Schnelligkeitsverhaltens stetig ansteigendund weitgehend parallel. Für das Krafttraining ist zu beachten, dass die Halte- undStützmuskulatur, vor allem im Rumpfbereich, in der Regel durch geringe Beanspruchungzu schwach ausgebildet ist! Es muss also vorrangig eine entsprechende Haltemuskulatur(ausgeglichenes Muskelkorsett zwischen Ober- und Unterkörper, zwischen rechter undlinker Körperhälfte, zwischen Körpervorder- und Körperrückseite) entwickelt werden, bevordie dynamische Muskulatur (z.B. Beinstreckerschlinge) trainiert wird. Wird erst in einerspäteren Altersstufe mit dem Krafttraining begonnen, muss ebenfalls zuerst dieKörperstatik entsprechend ausgebildet werden!Dieses Prinzip gilt auch für den Ablauf jeder nachfolgende Trainingsphase! Weiters ist beim Krafttraining zu berücksichtigen, dass das Skelett von Kindern einegrößere Elastizität aber geringere Biegefestigkeit hat. Somit ist das Skelett zwar einerseitsverletzungsanfälliger (zu hohe Belastungen führen zu degenerativen Abbau-erscheinungen) aber andererseits durch adäquate Reize besonders beeinflussbar:Druckbelastungen regen das Längenwachstum des Knochens an, Zugbelastungen durchMuskeln das Breitenwachstum. Die Widerstandsfähigkeit von Muskeln, Sehnen, Bändernund jene des Skelettsystems gegen äußere Kräfte kann durch Training wesentlich erhöhtwerden! Für die Inhalte des Kraft- und Schnelligkeitstrainings bedeutet dies, dass siemöglichst komplex (Ganzkörperbelastungen) und koordinativ orientiert sein sollten, wobeidas eigene Körpergewicht als Last genügt.Ein weitere Voraussetzung zur korrekten Durchführung einer Kniebeuge ist eineausreichende Beweglichkeit, die in dieser Altersphase meist vorhanden ist oder sehr leichterworben werden kann. Insbesondere im Bereich der Wadenmuskulatur, Achillessehne,der tiefen Rückenmuskulatur und der Schultermuskulatur.

Ausgewählte Beispiele für Dehnübungen

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Ausgewählte Beispiele für Kräftigungsübungen

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Phase 2 - Erwerben und Festigen der GrundtechnikPhase 2 - Erwerben und Festigen der Grundtechnik

Trainingsziele, -effekte:! Erlernen der technisch korrekten Ausführung der Kniebeuge -

intermuskuläre Koordination! Durch dosierte Belastungen die Strukturen des passiven

Bewegungsapparates anpassen! Kraftausdauertraining, speziell medialer und lateraler Anteil des m.

quadrizeps in tiefer Position zur Gelenksstabilisierung, zusätzliche Reizungund Training durch kombinierte Kraft-Koordinationsübungen ebenfalls zurStabilisierung

Ausführungshinweise: Ausgangsstellung: Mindestens hüftbreite Stellung, Zehen zeigen leicht nachaußen, gerader Oberkörper, Blick ist nach vorne und leicht aufwärts gerichtet;zur Stabilisation können die Hände in den Nacken gelegt werdenBeugen: Fersen bleiben am Boden; maximale Tiefe = Oberschenkel darfWade nicht berühren; auf Stabilität im Bereich der Lendenwirbelsäule achten!- Knie bewegen sich in gedachter Linie über den Zehen

Variation:

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Stabilisation mit Gymnastikstab im Nacken; Beugetiefe;Koordinationskniebeugen: Kniebeugen mit zusätzlichenkoordinativen Anforderungen um speziell dieGesamtkörperstabilisation zu trainieren!

Häufige Fehler:Oberkörper bleibt nicht gerade, stabil; Knie beugen nichtüber den Zehen; Ferse hebt ab - Beweglichkeit Wadenmuskulatur undAchillessehne trainieren (ev. anfangs breiterer Stand mit stärker geöffnetenFüßen)!

Medizinische Aspekte:Die individuell leicht geöffnete Fußstellung und die Forderung, dass die Kniein einer senkrechten Ebene mit der Fußlängsachse (“über den Zehenbeugen“) liegen müssen, sollen eine anatomisch-natürliche Kniebeugungermöglichen. Die beiden Femurkondylen (Gelenkknorpel des Oberschenkels-zweiköpfig) drehen bei der Beugung auf den tibialen (Schienbein)Gelenkflächen und gleiten gleichzeitig nach hinten. Der laterale (äußere)Kondylus legt dabei im Vergleich zum medialen (innerer) ca. den doppeltenWeg zurück. Die inkongruenten Kontaktflächen zwischen Femurkondylen undTibiaplateau werden durch die eingelagerten Menisci vergrößert bzw.ausgeglichen, welche mit den Femurkondylen mit nach hinten gleiten. Würdedas Knie durch Innen- oder Außenrotation aus der Ebene (Fußlängsachse-Knie-Hüfte) abweichen, käme es zur ungleichgewichtigen Belastung desFemorotibialgelenkes. Dasselbe gilt für das Femoropatellargelenk. Die Patellagleitet während der Kniebeugung in einer Rinne am Femurkopf vertikal nachunten und bei der Kniestreckung nach oben. Die schräg nach oben und leichtnach außen wirkende Kraft des M. quadriceps femoris wird auf diese Weisevertikal ausgerichtet. In gebeugter Rotationsstellung, beispielsweise in einerspeziell für Mädchen üblichen X-Beinstellung, wird die Kniescheibe gegen denlateralen Teil der der Gleitrinne gepresst. Die Gefahr einer Subluxation,Luxation oder Arthrose steigt dadurch erheblich. Diese Gefahr kann nicht nurdurch eine entsprechende Knieposition vermieden werden, sondern auchdurch eine gezielte Kräftigung des medialen Anteils des M. quadricepsfemoris, der die Patella nach medial zieht (KAPANDJI 1985, S.64-146). Dergeforderte „aufrechte Oberkörper“ soll eine natürlich gekrümmteWirbelsäulenhaltung erzwingen. Der leicht nach vorne oben gerichtet Blickerleichtert dies. Sämtliche Ausführungen und Hinweise zur Kniebeuge setzenneben den an-geführten Bedingungen im Bereich der Körperstatik undBeweglichkeit eine Abklärung der orthopädischen Gesund--heit mittels einerentsprechenden ärztlichen Untersuchung voraus und haben nur für jenePersonen Gültigkeit, welche alle Voraussetzungen erfüllen!

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Phase 3 - Technikvariationen: Reiß- und UmsetzkniebeugePhase 3 - Technikvariationen: Reiß- und Umsetzkniebeuge (ab Pubeszenz)(ab Pubeszenz)

Trainingsziele, -effekte:! sukzessives Erschweren der technischen Anforderungen und langsame

Einführung von Zusatzlasten - beim Erlernen dieser Techniken muss derTrainer unbedingt dabei sein!

! bei beiden Kniebeugevariationen wird die Hebearbeit fast ausschließlichdurch die Beinmuskulatur verrichtet und diese dadurch speziell trainiert -gleichzeitig wird durch die gerade Oberkörperhaltung, -stabilisation trainiert(Rücken-, Bauch u. Schultermuskulatur) ohne die Wirbelsäule zu belasten!

! damit werden die notwendigen Voraussetzungen für die Bewältigung hoherund schnellkräftiger Belastungen geschaffen

! Steigern der Zusatzlasten im zweiten Teil der Pubeszenz - der Gymnastik-stab wird durch die Hantelstange mit Zusatzlast ersetzt (Gewicht für 15 WHermitteln) – 2 Helfer sichern jeweils an der Hantel außen (ev. auf Erhöhungstehend), und/oder der Trainer/ein Kräftiger sichert von hinten!

Im zweiten Teil der Pubeszenz kann aufgrund der hormonellen Veränderungen und derbeginnenden Stabilisierung im Längenwachstum mit einem Training zur Vergrößerung derMuskelmasse begonnen werden. Dazu wird eine Übergangsform zwischen Hypertrophie-und intensivem Kraftausdauertraining (siehe Anschlussabschnitt) gewählt. Für dieseTrainingsphase wird die Intensität der Belastung im Bereich von 60-70% der individuellenMaximalkraft empfohlen. Mit dieser Intensität können ca. 15 Wiederholungen einer Übungdurchgeführt werden. Es muss zur Ermittlung der individuellen Zusatzlasten nichtunbedingt ein Maximalkrafttest durchgeführt werden, sondern es genügt die experimentelleBestimmung, indem jenes Gewicht ermittelt wird, mit welchem gerade noch 15 WH möglichsind (keine 16. WH!). Die Bewegungsausführung erfolgt langsam bis zügig mitkontinuierlicher Muskelspannung,gegen Ende einer Serie müssen die Muskeln “brennen”.Nur dann wird der notwendige Reiz zum vermehrten Aufbau von Muskeleiweisstrukturen(=Hypertrophie) gesetzt. Es werden 3-5 Serien mit einer Pause von 2-3 Min. absolviert.

Ausführung - Reißkniebeuge:Gymnastikstab in Hochhalte, mindestens schulterbreiter Griff; bewussteMuskelspannung im gesamten Rumpfbereich erzeugen – “den Stab nachoben schieben”; Blick gerade nach vorne; Gesamtkörperhaltung und Beugenwie oben – tiefe Beuge (Hüfte unter Knie)

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Häufige Fehler (zusätzlich zur Phase 2):Mangelnde Beweglichkeit im Schultergelenk – die Arme kippen nach vorn;

Ausführung - Umsetzkniebeuge:Der Gymnastikstab / die Hantel wird vorne auf den Schultern aufgelegt, mitschulterbreitem Griff fixiert – Ellbogen horizontal fixieren (ev. Kreuzgriff); tiefeund halbe (Kniewinkel = 100-110°) Kniebeuge

Häufige Fehler:OK kippt nach vor, der Stab/die Hantel kann nicht fixiert werden und rollt nachvor auf die Oberarme – vor allem bei den letzen WH einer Serie kontrollieren!

Variation:Koordinationskniebeugen

Medizinische Aspekte:wie Phase 2 - Diskussion der Beckenkippung im nächsten Kapitel!

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Phase 4 - Anwendung: Gewicht am Rücken (ab Adoleszenz)Phase 4 - Anwendung: Gewicht am Rücken (ab Adoleszenz)

Trainingsziele, -effekte:! Steigerung bis zu maximalen Lasten und Bewegungsgeschwindigkeiten -

alle Krafttrainingsformen! die Hebearbeit wird durch Rücken und Beine verrichtet - beide

Muskelpartien werden dynamisch trainiert!

Ausführung:Die Bewegung wird entsprechend den Angaben für die Kniebeuge ohneZusatzlast und die Reiß- und Umsetzkniebeuge ausgeführt. Es müssenHallen- od. Gewichtheberschuhe getragen werden! Die Hantelstange liegt nunim Nacken auf den Schultern auf, wobei die Stange mit den Schultern aktivnach oben gedrückt wird, so dass kein Druckschmerz im Halswirbelbereichentsteht. Vor allem bei tiefen Kniebeugen mit hoher Zusatzlast wird einFersenkeil verwendet, um eine Beckenkippung nach hinten zu vermeiden.Eine weitere Stabilisierungssicherung für den Lendenwirbelbereich bietet einGewichthebergürtel. Das Beugetempo wird so gewählt, dass man dieBewegung jederzeit stoppen kann. Hinter dem Übenden steht ein Sichernder,der dem Übenden von hinten unter die Arme greift, wenn dieser aus eigenerKraft nicht mehr aufstehen kann.

Spezielle Fehlerquellen:Ausweichen mit dem Becken nach hinten oder seitlich - Kontrolle durchTrainer oder Spiegel;Zu hohe Belastung am Zehenballen (Druck soll gleichmäßig an der Fußsohleverteilt sein)

Variation:Standbreite;Beuge: tief/halb;Geführte HantelMedizinische Aspekte:

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Wenn die Hantel am Nacken gehoben wird, muss das Hüftgelenk in einertiefen Kniewinkelposition stärker gebeugt werden (Oberkörper wird stärkernach vor geneigt), um den Schwerpunkt über der Unterstützungsfläche (Füße)zu halten. Im Bereich der Lendenwirbelsäule können dadurch beiunzureichender Kraft der Rumpfmuskulatur oder falscher AusführungstechnikFehlbelastungen auftreten.

Die tiefe (autochthone) Rückenmuskulatur dient zur Aufrichtung desRumpfes und verstärkt dabei durch einen kräftigen Fixpunkt am Kreuzbeinund den Ansätzen an Lenden-, Brustwirbel und Rippen die Lendenlordose(Hohlrücken). Es wird ein medialer und lateraler Muskelstrang unterschieden.Der mediale Strang besteht aus kurzgliedrigen Muskelketten, die an Dorn-bzw. Querfortsätzen der Wirbelkörper befestigt sind. Der laterale Strangbesteht aus langen Muskelzügen, die sich in der Lendenregion zu einemmächtigen Muskelstrang, dem M. erector spinae (Rumpfaufrichter) vereinen.Dieser wird bei der Rumpfstreckung vom M. quadratus lumborum, einerviereckigen Muskelplatte, die sich zwischen letzter Rippe, Darmbeinkammund Wirbelsäule erstreckt, unterstützt. Die innervierte Bauchmuskulatur zieht den Rumpf bei fixiertem Becken nachvorne. Man unterscheidet gerade (M. rectus abdominis) und äußere undinnere schräge, stark flächenhafte Muskelzüge. Gleichzeitig wird dieLendenlordose eingeschränkt bzw. korrigiert, wenn eine Hyperlordose derLendenwirbelsäule vorliegt. Zur Aufrechterhaltung der anatomisch natürlichen Lendenlordose inunterschiedlichen Beugestellungen ist somit ein perfekt koordiniertes Zusam-menspiel einer gut ausgeprägten Rücken- und Bauchmuskulatur notwendig.

Ein Problem, das in tiefer Beugeposition bei unzureichender Kräftigung bzw.Beweglichkeit auftreten kann, ist die Beckenkippung nach hinten . Um dasGleichgewicht zu halten, muss der Rumpf etwas nach vorne geneigt werden.In den Hüftgelenken muss dazu stark gebeugt werden, wodurch dieischiokruralen Muskeln (Hüftstrecker bzw. Kniebeuger) passiv angespanntwerden und die Hüfte dadurch in der Beuge limitieren bzw. wieder strecken.Die Lendenwirbelsäule, die über das Kreuzbein und einem Bandapparatrelativ starr mit dem Becken verbunden ist, macht diese Bewegung mit. D. h.,dass eine Beckenkippung nach hinten in tiefer Beugeposition zurEntlordosierung der Lendenwirbelsäule führen kann. Eine Ursache dafür kannin einer mangelhaften Beweglichkeit der ischiokruralen Muskulatur liegen,einer Beweglichkeitseinschränkung in den Sprunggelenken (bedingt stärkereHüftbeugung, um den Rumpf nach vorne zu bringen) oder in einer Verkürzungdes Bandapparates im lumbosakraler Übergangsbereich, vor allem desoberen Bandzuges des Ligamenta iliolumbalia. Eine weitere wesentlichhäufigere Ursache ist die unzureichende Kräftigung der autochthonen

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Rückenmuskulatur, die die Lendenlordose in der tiefen Position stabilisierensollte.Häufig wird ein Fersenkeil verwendet, um diese Entlordosierung in tiefenBeugepositionen zu vermeiden. Durch den Fersenkeil wird derSprunggelenkswinkel geöffnet, wodurch es leichter wird, den Schwerpunktüber der Unterstützungsfläche zu halten, ohne im Hüftgelenk stark zu beugen.Der Rumpf kann in einer aufrechteren Position fixiert werden, was dieStabilisierung der Lendenlordose erleichtert. Wenn die Phasen 1-3 desKniebeugenaufbaus durchlaufen wurden, ist der Fersenkeil als Hilfe nichtnotwendig, kann aber beim Training mit hohen Lasten alsSicherungsmaßnahme verwendet werden.

Im lumbosakralen Übergang (Kreuzbein-Lendenwirbelübergang) tretenScherkräfte auf, da das Kreuzbeinplateau gegenüber der horizontalen um ca.30° nach vorn geneigt ist und der 5. Lendenwirbel die Tendenz zeigt, aufdiesem Plateau nach unten bauchwärts abzugleiten. Diese Scherkraft-komponente wird mit zunehmender Rumpfbeugung nach vorn verstärkt. Das Abgleiten wird durch eine Verankerung des Gelenkfortsatzes des 5.Lendenwirbels im oberen sakralen Gelenksfortsatz verhindert. Diese erheblichbelastete Verbindung wird durch die Fasern der Zwischenwirbelscheibe und inwesentlich höherem Ausmaß durch eine stark ausgeprägte Rückenmuskulaturunterstützt bzw. entlastet. Ein Bruch dieser Verbindung würde zumWirbelgleiten - Spondylolisthesis führen.Schmerzen in diesem Bereich treten bei falscher Ausführungstechnik auf, beider das Becken beim Aufstehen nach hinten „geschoben“ wird und so derNeigungswinkel des Kreuzbeinplateaus zur Horizontalen noch vergrößert wirdund/oder wenn die Zusatzlast zu schnell erhöht wird, ohne dieRückenmuskulatur ausreichend gekräftigt zu haben.

Eine weitere Folge zu hoher Lasten ist das seitliche Ausweichen mit demBecken oder den Knien. Selbst wenn niemals beide Körperhälften absolutgleich (anatomisch und kräftig) ausgebildet sind, muss die Kniebeugehundertprozentig gleichgewichtig durchgeführt werden um anatomischeFehlbelastungen zu vermeiden. Die Kontrolle erfolgt durch den Trainer odereinen Spiegel, der etwas erhöht und nach unten geschwenkt stehen sollte, umden Blick des Übenden nicht zu senken.

Referenzliteratur: KAPANDJI 1985, Band 3, S. 54-101 WEINECK 1990, S. 82-94

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Die Kniegelenksbelastung bei KniebeugenDie Kniegelenksbelastung bei Kniebeugen

In der medizinischen Diskussion der Kniegelenksbelastung wirdangenommen, dass die angeführten Druck- und Scherkräfte ab einergrenzwertigen Höhe zu Schädigungen des knorpeligen Gewebes und damitzur Atrophie der Gelenksflächen führen. Die Problematik dabei ist dieDefinition des Begriffes Schädigung und die Festlegung von Grenzwerten. Ein Trainingsreiz, der zur Adaptation des biologischen Systems führt, setztdie Störung eines homöstatischen Gleichgewichtes oder die Erzeugung vonMikrotraumen im Muskel-Skelettsystem voraus. „Dem Körper wird ein Defizitsignalisiert, auf welches er mit Anpassung reagiert!“ In diesem Sinne könnenadaptive Schädigungen von pathologischen unterschieden werden.Pathologische Schädigungen führen nicht zu den gewünschtenAnpassungen, sondern zu Verletzungen, die der medizinischen Behandlungbedürfen. Der Bereich zwischen höchstmöglichen Trainingsreiz undVerletzung ist sehr schmal. Insbesondere im Spitzensport muss oft mitmaximalen Trainingsreizen gearbeitet werden, um optimaleAnpassungseffekte zu erzielen. Dies bedeutet für die Festlegung vonGrenzwerten für die pathologische Schädigung durch Trainingsübungen,dass diese nur sehr spezifisch in Abhängigkeit individueller Voraussetzungen(Alter, Geschlecht, Leistungsniveau,...) definiert werden können.Fakten für die Diskussion darüber können aus verschiedenenwissenschaftlichen Ansätzen entnommen werden, aus Ergebnissen, die vonStudien an Leichenteilen stammen, von Messungen an Athleten und daraufberuhenden mathematischen Modellierungen und aus Erhebungen vonVerletzungen und Folgeschäden durch sportliche Belastungen.

Die Kniegelenksbelastung bei Kniebeugen 12

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KniegelenkskräfteKniegelenkskräfteWenn die Beinstrecker aktiviert werden, um einer von äußeren Kräftenverursachten Beugung im Kniegelenk entgegenzuwirken, treten dabeifolgende Kniegelenkskräfte auf (BRUNNER 1996, S. 48):

Tibio-femorale Druckkraft: Bei Aktivierung des M. quadriceps femoris(vierköpfiger Kniestrecker) wird das Tibiaplateau (Schienbeinplateau)gegen den Femurkopf (Oberschenkelkopf) gepresst. An den Kontaktstellenzwischen den Gelenkflächen des Schienbeinkopfes und derFemurkondylen wirkt dabei die tibio-femorale Druckkraft, die senkrechtzum Tibiaplateau gerichtet ist.

Patello-femorale Druckkraft: Mit zunehmender Beugung wird die Patella(Kniescheibe) immer mehr gegen die interkondylare Furche desFemurkopfes gepresst, an den Kontaktstellen zwischen den Gelenkflächendes Femurkopfes und der Patella wirkt die patello-femorale Druckkraft,welche die Richtung des Krümmungsradius des Femurkopfes an derKontaktstelle hat.

Tibio-femorale Scherkraft: Da die Zugrichtung der Patellarsehne nur in einerbestimmten Beugestellung senkrecht zum Tibiaplateau verläuft, wirktzwischen Tibia und Femur auch eine parallel zum Tibiaplateau verlaufendeKraft, die tibio-femorale Scherkraft.

Um die reale Kniegelenksbelastung bei motorischen Tätigkeitenabzuschätzen, können die Kräfte anhand mathematischer Modelle errechnetwerden. Dazu sind in der Literatur eine Vielzahl von Ergebnissen zu finden(vgl. BRUNNER 1996, S.136), die meist auf einer statische Betrachtung indefinierten Winkelstellungen beruhen. Nach dem subjektiven Schmerzempfinden von Kraftsportlern treten hoheBelastungen vor allem bei Bewegungsausführungen, die die maximaleBeschleunigung einer Zusatzlast verlangen (z.B. Hantelsprünge), auf. Diesesubjektive Einschätzung wird durch eine einfache mechanische Betrachtunggenährt, indem man davon ausgeht, dass die Kniegelenkskräfte eineFunktion der äußeren Kräfte darstellen. Wenn man das Produkt derresultierenden äußern Kraft - Masse*Beschleunigung - betrachtet, so kannder Faktor Masse um das 2-3fache erhöht werden, der FaktorBeschleunigung hingegen um das 20-30fache. Somit sollte dieBeschleunigung die wesentlich bedeutendere Einflussgröße für dieKniegelenksbelastung sein, als die Zusatzlast. Natürlich ist die Argumentation nicht so einfach, wie hier skizziert, da nichtnur Kräfte wirken, sondern Drehmomente und Hebelarme und eine Reihe vonanderen Einflussfaktoren in die Berechnung einbezogen werden müssen.Diese vereinfachte Betrachtung sollte trotzdem genügen, um eine Berech-

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nung anzustellen, die den Einfluss von Zusatzlast und Beschleunigung inverschiedenen Kniewinkelpositionen für die Kniegelenkskräfte abschätzenläßt. Im folgenden wird dazu auf ein 2-dimensionales Modell von NISELL(1988) zurückgegriffen (siehe Abbildung), in welchem nur Kraft- und Lage-parameter in der Sagittalebene berücksichtigt sind und bei welchem weitersangenommen wird, dass die Beuger im Kniegelenk nicht aktiviert sind.

Legende:Fr Resultierende aus den äußeren Kräftendr Momentarm der ResultierendenFct tibio-femorale DruckkraftFcp patello-femorale DruckkraftFs tibio-femorale Scherkraftdp Momentarm der Kraft Fpß Winkel zwischen Fp und der Senkrechten auf das Tibiaplateauδ Winkel zwischen Bodenreaktionskraft und Tibialängsachseτ Neigung des TibiaplateausFp Zugkraft der PatellarsehneZ Faktor, der vom Kniebeugewinkel abhängt (z.B. Z90° ~ 32, Z120° ~ 28,

Z60° ~ 30)Da das primäre Ziel der Berechnung ein relativer Vergleich der Kräfte imKniegelenk bei unterschiedlichen Belastungs- und Ausführungsformen der

Die Kniegelenksbelastung bei Kniebeugen 14

Gelenksgeometrie und Kniegelenkskräfte (NISELL 1988, 94)

Mr

Fct

Fcp

dp

Fp

Fs

ßMp

Gleichgewicht d. Drehmomente

Fr * dr + Fp * dp = 0

Zugkraft der Patellarsehne

Fp = - (Fr * dr) / dp

Tibio-femorale Druckkraft

Fct = Fp * cosß + Fr * cos(δ−τ)

Tibio-femorale Scherkraft

Fs = Fp * sinß + Fr * sin(δ-τ�

Patello-femorale Druckkraft

Fcp = (Fr * dr) * Z

Fr

dr

δ

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Kniebeuge war, genügte die experimentelle Bestimmung vontrainingsrelevanten Eingangsdaten bei einer Versuchsperson.Eine Versuchsperson mit einem Körpergewicht von 69kg führte auf einergenau vorgegebenen Stelle einer Kraftmessplatte stehend tiefe (65°Kniewinkel), halbe (90-100°) und hohe (120° Kniewinkel) Umsetzkniebeugenmit 80kg/30kg/0kg Zusatzlast durch, wobei die Ausführung jeweils mitmaximal möglicher Beschleunigung erfolgte. Dabei wurde der Verlauf von Reaktionskraft, Kraftangriffspunkt, Kniewinkelund Sprunggelenkswinkel gemessen. Aus diesen Eingangsdaten wurden die Kniegelenkskräfte mit demvorliegenden Modell berechnet.

Ergebnisse:

Tiefe Kniebeuge ohne ZusatzlastKniewinkel Fr Fct Fcp Fs Pat.Druck Ereignis

60 697 1942 1753 -428 4 Beginn66 1064 3449 3261 -633 8 Fs_min79 1057 3499 3373 -430 8 Fct/Fcp_max116 1332 Fr_max

Die Kniegelenksbelastung bei Kniebeugen 15

Kniegelenkskräfte für ein Bein bei StreckbewegungenGewichstsauflage: keine - Ausgangsinkel: 60°

-500

0

500

1000

1500

2000

2500

0 0,1 0,2 0,3 0,4 0,5 0,6 0,7

Zeit (s)

Kra

ft (N

)

-1000

0

1000

2000

3000

4000

5000

Kni

ege

lenk

skra

ft (N

)

Fr/Bein Fct Fs Fcp

79° 116° 66°

Page 16: M H PERNITSCH D F BRUNNER Zur Kniebeuge - SP- · PDF filefemoris, der die Patella nach medial zieht (KAPANDJI 1985, S.64-146). Der geforderte „aufrechte Oberkörper“ soll eine

Mag. Harald PERNITSCH / Dr. Fritz BRUNNER

Halbe Kniebeuge ohne ZusatzlastKniewinkel Fr Fct Fcp Fs Pat.Druck Ereignis

95 691 1851 1707 -173 4 Beginn94 1344 4439 4498 -298 11 Fct/Fcp_max111 1518 2323 1112 208 3 Fs_max114 1518 1965 621 256 2 Fr_max

Hohe Kniebeuge ohne ZusatzlastKniewinkel Fr Fct Fcp Fs Pat.Druck Ereignis

112 674 1552 1257 -50 3 Beginn108 1639 4708 4352 91 11 Fct/Fcp/Fs_max113 1872 3244 1879 341 5 Fr_max

Die Kniegelenksbelastung bei Kniebeugen 16

Kniegelenkskräfte für ein Bein bei StreckbewegungenGewichstsauflage: keine - Ausgangsinkel: 95°

-500

0

500

1000

1500

2000

2500

0 0,1 0,2 0,3 0,4 0,5 0,6

Zeit (s)

Kra

ft (N

)

-1000

0

1000

2000

3000

4000

5000

Kni

ege

lenk

skra

ft (N

)

Fr/Bein Fct Fs Fcp

111° 114° 94°

Kniegelenkskräfte für ein Bein bei StreckbewegungenGewichtsauflage: keine - Ausgangswinkel: 110°

-500

0

500

1000

1500

2000

2500

0 0,1 0,2 0,3 0,4 0,5 0,6

Zeit (s)

Kra

ft (N

)

-1000

0

1000

2000

3000

4000

5000K

nie

gele

nksk

raft

(N)

Fr/Bein Fct Fs Fcp

111°

113° 108°

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Mag. Harald PERNITSCH / Dr. Fritz BRUNNER

Tiefe Kniebeuge mit 30 kg ZusatzlastKniewinkel Fr Fct Fcp Fs Pat.Druck Ereignis

66 968 2609 2263 -518 5 Beginn68 1302 4381 4223 -792 10 Fct/Fcp/Fs-_max86 1244 3424 3012 -203 7 Fct/Fcp_2.max118 1537 2144 824 359 2 Fr/Fs+_max

Tiefe Kniebeuge mit 80kg ZusatzlastKniewinkel Fr Fct Fcp Fs Pat.Druck Ereignis

159 1467 2032 344 55 1 Beginn88 1501 4316 4023 -441 10 beugen58 1542 4437 3995 -787 10 Umkehrpunkt114 1503 3388 2581 203 7 strecken158 1040 1373 209 251 1 Ende

Die Kniegelenksbelastung bei Kniebeugen 17

Kniegelenkskräfte für ein Bein bei StreckbewegungenGewichtsauflage: 30 kg - Ausgangsw inkel: 65°

-500

0

500

1000

1500

2000

2500

0 0,2 0,4 0,6 0,8 1

Zeit (s)

Kra

ft (N

)

-1000

0

1000

2000

3000

4000

5000

Kni

ege

lenk

skra

ft (N

)

Fr/Bein Fct Fs Fcp

68° 118° 86°

Kniegelenkskräfte für e in Be in be i tie fer KniebeugeGewichtsauflage: 80 kg - Winkel: 160° - 60° - 160°

-500

0

500

1000

1500

2000

2500

0 1 2 3 4 5 6 7 8

Zeit (s)

Kra

ft (N

)

-1000

0

1000

2000

3000

4000

5000

Kn

iege

len

kskr

aft

(N

)

Fr/Bein Fct Fs Fcp

88° 114° 58°

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Mag. Harald PERNITSCH / Dr. Fritz BRUNNER

Halbe Kniebeuge mit 80kg ZusatzlastKniewinkel Fr Fct Fcp Fs Pat.Druck Ereignis

86 1499 4131 3792 -556 9 Beginn85 1560 4893 4781 -621 12 Fct/Fcp/Fs-_max87 1582 4653 4328 -404 11 Fct/Fcp_2.max103 1620 4391 3923 98 10 Fct/Fcp_3.max138 1817 4405 2636 719 7 Fr/Fs+_max

Die Kniegelenksbelastung bei Kniebeugen 18

Kniegelenkskräfte für ein Bein bei StreckbewegungenGewichtsauflage: 80 kg - Ausgangsw inkel: 85°

-500

0

500

1000

1500

2000

2500

0 0,2 0,4 0,6 0,8 1 1,2

Zeit (s)

Kra

ft (N

)

-1000

0

1000

2000

3000

4000

5000

Kni

ege

lenk

skra

ft (N

)

Fr/Bein Fct Fs Fcp

85°103°

87°

Maximale Kniegelenkskräfte in Abhangigkeit von Kniewinkel und Zusatzlast

0

1000

2000

3000

4000

5000

6000

tiefe 0 kg tiefe 30 kg tiefe 80 kg halbe 0 kg halbe 80 kg hohe 0 kg

New

ton

Fct Fcp

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Interpretation:Ziel der Testserie war der Vergleich von Kniegelenkskräften bei tiefen,halben und hohen Kniebeugen mit unterschiedlichen Zusatzlasten undBeschleunigungen. Die Bedeutung der 3 variierten Einflussfaktoren(Kniewinkel, Zusatzlast, Beschleunigung) für die resultierendenKniegelenkskräfte sollte hinterfragt und gewichtet werden.Die dargestellten Ergebnisse zeigen eine hohe Abhängigkeit derKniegelenkskräfte von der erzielten Beschleunigung bzw.Bewegungsgeschwindigkeit. Bei sämtlichen Versuchen zeigt sich ein nahezuparalleler Anstieg von Reaktionskraft und Kniegelenkskräften in der erstenPhase des Aufstehens. Mit maximaler Beschleunigung aus der hohenPosition ohne Zusatzlast (Strecksprung aus statischer Position) werdenannähernd jene maximalen Kniegelenkskräfte erzielt, die mit submaximalerZusatzlast (80kg) bei einer halben Kniebeuge auftreten. DieKniegelenkskräfte sind beim rein konzentrischen Strecksprung höher als beitiefen Kniebeugen mit 30kg und 80kg! Es ist aufgrund dessen anzunehmen,dass bei Reaktivsprüngen noch wesentlich höhere Kniegelenkskräfteauftreten.Der Einfluss der Kniewinkelposition im Bereich zwischen 60° und 110°auf die Knieglenksbelastung ist gegenüber der Beschleunigunguntergeordnet und muss in Abhängigkeit von dieser betrachtet werden.Beim Strecksprung liegt das Maximum bei einem Kniewinkel von 108°, beider tiefen Kniebeuge mit 30kg bei 68° und bei der tiefen Kniebeuge mit 80kgbleiben die Kniegelenkskräfte mit der Reaktionskraft während des Beugensund des Streckens von 88° auf 58° und wieder auf 90° nahezu konstant.Hohe und halbe Kniebeugen weisen sehr ähnliche Kniegelenkskräfte auf. InKniewinkelstellungen über 110-120° wurden trotz teilweise noch steigenderoder konstanter Reaktionskraft keine hohen Kniegelenksbelastungenerrechnet.Die Zusatzlast von 30kg führte bei der tiefen Kniebeuge zu einer Erhöhungder Kniegelenkskräfte, eine weitere Steigerung auf 80kg Zusatzlast zeigtekeine große Veränderung der Kniegelenksbelastung.

Zusammenfassend bestätigen diese Ergebnisse die Annahme, dass für dieKniegelenksbelastung im Bereich von 60-110° primär die erzielteBeschleunigung verantwortlich ist. Tiefe Kniebeugen führten nicht, wie oftangenommen, zu höheren Kniegelenkskräften als halbe oder hoheKniebeugen, bei welchen natürlich größere Bewegungsgeschwindigkeitenerzielt werden. Diese Aussagen beziehen sich auf die Aufgabenstellung, jedeKniebeuge mit maximaler Beschleunigung durchzuführen.

Die Kniegelenksbelastung bei Kniebeugen 19

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Druckverteilung an den Kontaktzonen des KniegelenksDruckverteilung an den Kontaktzonen des Kniegelenks

Der Druck hängt von der Höhe der Kraft und der Größe der Kontaktfläche ab.Untersuchungen zeigten (AHMED/BURKE 1983, S.220-223), dass die Größeder tibio-femoralen Kontaktfläche mit zunehmender Kniebeugung abnimmt,aber dass mit ansteigender Belastung die Kontaktfläche wiederum größerwird.Die Größe der patello-femoralen Kontaktfläche nimmt bei zunehmenderKniebeugung zu (HUBERTI 1983 u. HILLE/SCHULTZ 1984).

Praxiserfahrung und PraxisbedarfPraxiserfahrung und PraxisbedarfNeben den schon erwähnten Trainingseffekten der Kniebeuge muss spezielldie Bedeutung der komplexen Ganzkörperbelastung hervorgehoben werden.Nicht nur bei Gewichthebern sondern auch in vielen anderen Sportartenmuss die Kraft der Beinstreckmuskulatur in komplexenBeanspruchungsformen entfaltet werden. Beispielsweise beim Skifahrenmuss die Beinstreckung beim aufgekanteten seitlich stabilisierten Beinerfolgen, dabi muss gleichzeitig der Oberkörper fixiert werden. Ein isoliertesTraining einzelner Muskelgruppen wird diesen Anforderungen nicht gerecht,da die intermuskuläre Koordination vernachlässigt wird. Isoliertes Trainingkann komplexes Training nur vorbereiten und ergänzen aber niemalsersetzen. Vor allem im Spitzensport muss sehr spezifisch trainiert werden,um die Adaptionsreserven auszuschöpfen und dies bedeutet in vielenSportarten eben auch sehr komplexes Training.Jene Kraftsportler, die einen entsprechenden methodischen Aufbau derKniebeugetechnik befolgt haben, weisen kaum Probleme im Bereich der Knieoder Wirbelsäule auf. Selbst bei Gewichthebern, die extremstenBeanspruchungen ausgesetzt sind (die Kniebeuge wird oft bis zum Anschlagam Unterschenkel durchgeführt, was bei der Kniebeuge als Trainingsübungvermieden wird), bewirken 82% aller Kniebeschwerden nur bis zu 7 TageSportunfähigkeit. Rückenbeschwerden treten meist nur bei Anfängern aufund verschwinden nach einiger Zeit des Trainings von selbst (KÖNIG 1988,S.64-71).

Die Kniegelenksbelastung bei Kniebeugen 20

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Mag. Harald PERNITSCH / Dr. Fritz BRUNNER

FazitFazit

Die Berechnung der Kniegelenkskräfte nach dem Modell von NISELL inAbhängigkeit von Kniewinkel, Zusatzlast und Beschleunigung wies dieBeschleunigung als den bedeutensten Einflussfaktor für dieKniegelenksbelastung aus. Die tiefe Kniebeuge führt aufgrund dieser Ergebnisse nicht, wie oftangenommen, zu wesentlich höheren Kniegelenksbelastungen als halbe oderhohe Kniebeugen.Auch wenn in dieser Studie nur Kniebeugen mit maximaler Beschleunigungberücksichtigt wurden, ist anzunehmen, dass diese Aussagen auch fürmaximale Zusatzlasten in den jeweiligen Beugestellungen zutreffen. MaximaleLasten erzwingen eine langsame Bewegungsausführung, wobei berücksichtigtwerden muss, dass die Maximallast für tiefe Kniebeugen erfahrungsgemäßca. 30-40% unter der Maximallast für halbe Kniebeugen liegt und sichdadurch die Kniegelenksbelastungen zumindest zum Teil wieder ausgleichen.

Damit sind Relationen zwischen unterschiedlichen Belastungsformen bzw.Trainingsübungen aufgezeigt, aber noch nichts über etwaige schädigendeBelastungen des Kniegelenkes im pathologischen Sinne ausgesagt. DieTrainingsübung mit der höchsten Belastung ist nicht zwingend eineschädigende Übung. Im Training sollen und müssen hoheBelastungen/Trainingsreize erzeugt werden, um Adaptationen zu erzielen. Jehöher das Leistungsniveau, um so höher müssen die Belastungen werden. Die Grenzen dafür müssen im Einzelfall individuell festgelegt werden.

Die Vermeidung von Fehlbelastungen im anatomischen Sinne ist ein völliganderes Thema. Auf dieses Thema wurde im ersten Teil der Arbeiteingegangen. Die Bedeutung des langfristigen methodischen Aufbaus derAusführungstechnik und der systematischen Vorbereitung und Steigerung derZusatzlasten sollte in den 4 Phasen des Aufbaus deutlich werden. Gefahrenkönnen bei ungeübter Durchführung auftreten und mit einem entsprechendemmethodischen Aufbau minimiert werden.

Wenn die Kniebeuge entsprechend langfristig und methodischaufgebaut wird, ist sie eine äußerst effiziente und notwendige

Trainingsübung, die eine zentrale Übung in vielen Sportarten darstellt!

Fazit 21