Madeira Bentley Magazin

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Im Gewächshaus der Welt Bernd Schiller über Blütenrausch, edlen Wein und die feine englische Art auf Madeira FRIENDS OF BENTLEY I EXKLUSIVE LEBENSART I REISE

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Im Gewächshaus derWeltBernd Schiller über Blütenrausch,edlenWein und die feine englische Art auf Madeira

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Aguir Nunes ist eine Respektsper-son, auch wenn er das wohl nie zuge-ben würde. Der distinguiert wirkendegrauhaarige Herr im dunklen Anzug,Chef-Concierge im weltberühmtenReid`s Hotel, begrüßt seit 47 JahrenFürsten, Finanzmagnaten und Filmstarsebenso herzlich wie Urlauber, die zumersten Male das legendäre Haus beeh-ren und andere, deren Familien seitGenerationen kommen. Senhor Nuneskennt alles und jeden auf Madeira, nichtsMenschliches ist ihm fremd.

Francisco Pereira hält den Schwar-zen Degenfisch geduldig hoch, seit fünfMinuten schon. Eine Gruppe deutscherKreuzfahrttouristen bestaunt das schlan-genähnliche Monstrum, das typisch istfür einen der kulinarischen Hochge-nüsse dieser Insel. Francisco ist Fisch-händler in der Markthalle von Funchal,der Inselhauptstadt, seit 35 Jahren schon.Jetzt macht er sich Sorgen, weil derDegenfisch rund um Madeira immerseltener ins Netz geht.

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Francisco Albuquerque gehörtzum Who is who der portugiesischenExklave, die draußen im Atlantik einselbstbewusstes Eigenleben pflegt, näheran Nordafrika als an Lissabon. Er istgerade aus Amerika zurück, wo erGourmets und Gastronomen an derWestküste mit einem gut trinkbarenSüßwein der Jahrgänge 1832, 1868 und1872 beeindruckt hat. Senhor Albu-querque ist Chef der Madeira WineCompany, dem wichtigsten Zusammen-schluss vonWinzern und Händlern, diesich über das weltweit zunehmendeInteresse am Madeira freuen, einemDessertwein, der auf den ersten Schluckwie Port schmeckt - und dann dochganz anders.

Drei Männer, die fürTypisches ste-hen, fürTraditionen und Lebensart einer

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Reids

Degenfisch

Francisco Albuquerque

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Insel, die in unseren Reisekatalogen vielweniger Platz einnimmt als die benach-barten Kanaren. Dabei ist sie ungleichvielfältiger, grüner, bunter, spannender,obwohl - oder weil - sie kein Strandzielist.Wir könnten noch Catarina vorstel-len, die Blumenfrau, die vor allem Stre-litzien verkauft, Tomás, einen der weißgekleideten Korbschlittenfahrer imVor-ort Monte, oder Gonçalo aus Camacha,der seit einem halben Jahrhundertnichts anderes macht als Körbe zu flech-ten.

In der Begegnung mit diesen undeinigen anderen Charakteren, vielleichtnoch mit der alten Frau, die vor einemWeißstickerei-Geschäft sitzt und mitihrer Hände Kunst dieses traditionsrei-che Inselgewerbe repräsentiert, und erstrecht mit einem Gärtner aus den vielenbotanischen Paradiesen mitten in Fun-chal, wären wir der Seele Madeirasschon ein gutes Stück näher kommen.Aber da warten ja noch, wenige Kilo-meter von der Hauptstadt entfernt,wildromantische Landschaften auf Ent-

deckernaturen: neblige Hochplateaus,steile Hänge, die seit Jahrhunderten mitTerrassenfeldern gezähmt sind, dschun-gelähnliche Regenwälder wie aus einemTolkien-Film, ein Lorbeer-Biotop, so ein-malig, dass sie von der als Unesco alsWeltnaturerbe ausgezeichnet wurden.

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Einmal mit dem Mietwagen vomSüden in den Norden fahren, über Ser-pentinen und durch Tunnel, von denenes aus dem Felsen auf die Fahrbahntropft, Rast machen in Bergdörfern, indenen alte Männer rund um die Kirchenhocken, Karten spielen und den liebenGott einen guten Mann sein lassen.Oder in der Casa de Pasto o Boleo inCamacha, abseits vom Korbflechter-rummel, eine Cozido genießen, einenEintopf aus fetter Wurst, Schweine-fleisch und Kartoffeln, der mit einemAguardente, dem regionalen Feuerwäs-serchen, verteilt wird.

Ein andermal zu Fuß, entlang der

Levadas, jener kunstvoll angelegtenWasserwege im Gebirge, die ebenfallstypisch für Madeira sind. Es sind imwahrsten Sinne Gratwanderungen aufschmalen Pfaden, die an den Lebens-adern der Wein- und Gemüsebauernvorbeiführen, oftmals über denWolkenund hinter Kaskaden donnernderWas-serfälle.

Zuweilen sind die Kontraste aufkleinem Raum – Madeira ist gerade malso groß wie der Stadtstaat Hamburg –hart und schmerzhaft. Eben noch diebaumlose Einsamkeit auf der Paùl daSerra eingesogen, einer Hochebene, diean Schottland erinnert, dann, zwanzigAutominuten weiter südlich überBetonklötze geärgert, die das Idyll desehemaligen Fischerdorfes Camara deLobos verstellen.Winston Churchill hatdiesen Ort gemalt und berühmtgemacht.

Bausünden auch im Hotelviertelvon Funchal, am südwestlichen Stadt-rand. Und doch hat sich die Metropole,in der fast die Hälfte der 250.000 Insu-

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Seixal Meerwasserpool und Restaurant

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laner lebt, ihren kompakten Charmebewahrt. In den Travessas, den schma-len Straßen der Altstadt, leben lokaleGelassenheit und einTourismus, der sichstark aus den Kreuzfahrtflotten speist,gut zusammen. In der Fressgasse, diesich parallel zur neuen Hafenprome-nade durchs enge Viertel schlängelt,locken schlagfertige Kellner die Gäste andie eng gestelltenTische.

Aber hoch über dem Atlantik,hoch über einem Meerwasser-Pool, aufhalbem Wege zwischen Funchal undCamara de Lobos, liegt ein Restaurant,in das sich so gut wie nieTouristen ver-irren. Es ist ein Lieblingstreff sowohl derseriösen, englisch gekleideten Herrenaus der Hauptstadt, die auch bei 28Grad und ziemlich hoher Luftfeuchtig-keit ihr Jacket nicht ablegen, als auch derGeneration Smartphone. Es heißt Docado Cavacas, und so werden auch die inden Felsen geschlagenen Bassinsgenannt, die immer wieder vom Ozeanüberspült werden, in Porto Moniz imNordwesten so eindrucksvoll wie hier

am Rande von Funchal, in der WirtCarlo und seineTruppe die erstaunlich-sen Meeresfrüchte, den frischesten Fischder Insel auf denTisch bringen.

Lapas, so genannte Napfschne-cken, mit viel Knoblauch in der Pfannegegrillt und auf einem heißen Stein ser-viert, eröffnen am frühen Abend einkulinarisches Freudenfest, gefolgt voneinem Krabbenragout, von Lulas, Cala-maris und noch mehr Seafood in klei-nen Schälchen. Und dann der in Teiggebackene Degenfisch, Espada, an Car-los Kühltheke selber ausgesucht, wie esüblich ist in den Strand- und Küstenres-taurants. Niemand darf die Insel verlas-sen, ohne den Espada probiert zuhaben – oder, für Leute, die sich an Fischnicht gewöhnen mögen, Espetada: Rind-fleisch am Spieß, mit reichlich Lorbeerund Knofel eingerieben.

Während zum guten Schluss einhalbtrockener Madeira serviert wird,setzt die untergehende Sonne Meerund Himmel in Brand. Kurz daraufwechselt das aufs Angenehmste gesät-

tigte Publikum vom Restaurant odervon Reid`s legendärer Terrasse, auf derman den High Tea bis in den frühenAbend verlängert hat, in die Bars imZentrum der Stadt, schlürft hier einenGin mit Ingwer, derzeit angesagt, oderdort einen Poncha, den mit Honig undZitrone „veredelten“ lokalen Zucker-rohrschnaps. Und längst hat sich derMadeira, als Digestif oder als Aperitif,staubtrocken oder süß, uralt oder mitfünf Jahren noch recht jungfräulich, dieSympathien der genussfreudigen gesi-chert.

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Vorgänger von Francisco Albu-querque an der Spitze derWine Com-pany war Duarte da Silva, heute Direk-tor und Mitbesitzer des schönsten Her-renhaus-Hotels der Insel, der Quinta Jar-dins do Lago. Als noch ZuckerbaroneundWeinhändler, die meisten von ihnenBriten, diese Mansions mit ihren Fami-lien bewohnten, mussten sie „den Fünf-

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terrasse reids Markt

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ten“ – Quinta – ihrer Erträge an dieLandlords abliefern. Heute sind diemeisten Quintas stilvolle Herbergen inden höher gelegenenVierteln von Fun-chal, Oasen kultivierten Lebensstils, mitGärten umgeben, in denen botanischeWanderungen durch die Welt möglichsind.

Ob im Reid`s, von neun Gärtnernumsorgt, oder rund um die Quinta Jar-dins do Lago, ob in Blandy`s Garten,angelegt von einer der bedeutendstenenglischstämmigen Madeira-Familienoder im Tropengarten Monte Palace:Der Blütenrausch stammt zumeist vonweither, aus Südafrika, Lateinamerika, ausMadagaskar, Ostasien oder den medi-terranen Ländern: Palmen, Granatapfel,der schon bald golden und silbern ange-malt die Weihnachtsbäume in denMadeira-Häusern schmückt,AloheVera,die Norfolk-Pinie Aurekania, die Kaktus-Königin der Nacht, Ritterstern, Proteaund die schönsten Orchideen, die sichdenken lassen: Madeira, mit subtropi-schen Klima gesegnet, hat sich zumGewächshaus derWelt, zur sprichwört-lich gewordenen Blumeninsel entwi-ckelt.

Durch den Garten von Duarte daSilvas feiner Quinta bewegt sich in ange-messener Alterswürde, Colombo, dieHaus-Schildkröte. Sie ist nach Kolumbusbenannt, der kurze Zeit auf Madeiragelebt und eine Tochter aus dem Insel-adel geheiratet hat. Colombo gibt heuteden Rhythmus vor in dieser Oasegepflegten Müßiggangs. Nur ein Gastwar vor sieben Jahren hier auffallendfleißig:Altkanzler Helmut Schmidt hat inZimmer 303, einer kleinen Suite mitdem schönsten Ausblick, ein Buch zuEnde geschrieben. Zur Abwechslung soller jeden Morgen einen Spaziergangdurch den Garten gemacht und dabeistets ein paar Minuten bei Colombo dieEntschleunigung geübt haben.

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Hotels & Restaurants

„Reid`s Palace“Das klassische Grandhotel der Inselmit großer Geschichte, illustrer Gäste-liste, traumhafter Lage und hervorra-gendem Service. Stilvolles Ritual fürviele Madeira-Besucher: Den HighTeaauf derTerrasse einnehmen,Tel. 00351/ 291 71 71 71.www.reidspalace.com,www.orient-express.com

„Quinta Jardins do Lago“Das schönste der vielen Herrenhaus-Hotels auf der Insel: eine kleine, feineLuxus-Herberge mit modernemAnbau in ruhiger, grüner Lage oberhalbvon Funchal; excellente Küche innoblem Ambiente,Tel. 00351/ 291 750 100,www.jardins-lago.com

„Regency Cliff“Unter den modernen Häusern imHotelviertel Lido westlich von Funchaldie besteWahl. Ruhige Lage über demMeer, stylishe Einrichtung,Travessa Quinta Calaça 6,Tel. 00351/ 291 724 270.www.madeiraregencycliff.com

„Restaurante Doca do Cavacas“Das beste Fischrestaurant von Funchalliegt atemberaubend schön auf einemFelsvorsprung über dem Meer.Rua Ponta da Cruz Piornais,Tel. 291 762 057.

„Golden Gate Grand Café“Jugendstil-Café im Zentrum von Fun-chal, nostalgisch und gleichzeitig trendy;der Platz für eine Bica, den portugiesi-schen Espresso, oder ein Glas Madeiraam Nachmittag.Avenida Arriaga 29,Tel. 291 234 383.

„Restaurante do Forte“Geboten wird im Burghof der FestungSaoTiago am östlichen Stadtrand vonFunchal feine Regionalküche in roman-tischer Umgebung.Man sitzt unter wei-ßen Sonnensegeln zwischen dickenMauern, genießt ein Menü zu modera-ten Preisen und schaut dabei auf denAtlantik.Tel. 291 215 580.

AnreiseMit Air Berlin oder mitTAP(via Lissabon) von verschiedenen deut-schen Flughäfen nach Funchal.www.airberlin.com,www.flytap.com

Reise-EmpfehlungMadeira-Programme für anspruchs-volle Urlauber bieten u.a.Airtours,TUIPremium und der Portugal-SpezialistOlimar in Köln,Tel. 022/ 20 590-0.www.olimar.de

LektüreReiseführer : „Madeira“, Dumont-Taschenbuch, 14,95 Euro; Reise-Lese-buch: „Blütenwolken,Wein und ewigFrühling:Vulkantochter Madeira“; Picus-Verlag, 14,90 Euro.

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