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Mängel des Riester-Sparens und Reformvorschläge Vortrag vor der Kommission Demographie / Sozialpolitische Innovationen, Heinrich-Böll-Stiftung Kornelia Hagen Berlin, 7. Juni 2012

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Mängel des Riester-Sparens und Reformvorschläge

Vortrag vor der Kommission Demographie / Sozialpolitische Innovationen, Heinrich-Böll-Stiftung

Kornelia HagenBerlin, 7. Juni 2012

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1 Riester-Reform

2 Grundelemente der Ausgestaltung des Riester-Sparens

3 Bilanzierung des Riester-Sparens

4 Ausgewählte Befunde zum Riester-Sparen

5 Mängel des Riester-Sparens – Stand der Forschung

6 Reformvorschläge

Themenübersicht

Kornelia Hagen, 7. Juni 20122Mängel des Riester-Sparens und Reformvorschläge

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Riester-ReformDrei Eckpunkte der Reform der Alterssicherung

Graduelle Reduktion des Niveaus der gesetzlichen umlagefinanzierten Rente (Riester-Reform 2001 und Nachhaltigkeitsreform 2004).

Anhebung des gesetzlichen Renteneintrittsalters(„Rente mit 67“).

kapitalgedeckte Säule substitutiv für einen Teil der umlagefinanzierten Säule (Riester-Reform 2001).

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Riester-ReformBegründung der Reform durch die Politik

Demografische Entwicklung: Alterung der Bevölkerung, Abnahme der Erwerbstätigen.

Umlagefinanzierte Gesetzliche Rentenversicherung sei ohne Maßnahmen mittelfristig nicht finanzierbar.

Risikominderung durch Diversifizierung der Altersvorsorge in Umlagefinanzierung und Kapitaldeckung.

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Riester-ReformGesetzliche Grundlagen des Riester-Sparens

Gesetz zur Reform der gesetzlichen Rentenversicherung und zur Förderung eines kapitalgedeckten Altersvorsorgevermögens (Altersvermögensgesetz [AVmG] 2001).

Gesetz über die Zertifizierung von Altersvorsorge- und Basisrentenverträge (Alterszertifizierungsgesetz [AltZertG]).

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Grundelemente der Ausgestaltung des Riester-Sparens

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freiwillig individuellkapital-gedeckt

öffentlich gefördert

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Grundlegende Eigenschaften von Riester-Produkten und –DienstleistungenVertrauensgut, Informationsasymmetrie, existenzielles Gut

Tatsächliche Leistung und damit Qualität des Produktes (Sparvertrag) ist dem Sparer erst viele Jahre nach dem Kauf bekannt.

Qualitätsunsicherheit besteht auch bezgl. der Riester-Dienstleistungen (Beratung, Vertrieb, Verwaltung).

Verbraucher können nicht über die gleiche Produktexpertise verfügen wie Anbieter.

Auswahl und Kauf in aller Regel nur einmal im Leben. Verbraucher können nicht lernen und die Auswahl nur bedingt

korrigieren. Das Riester-Produkt hat existenziellen Charakter.

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Bilanzierung des Riester-SparensWoran ist das Riester-Sparen zu beurteilen? ndikatorengruppen3

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Stand der Umsetzung des Riester-Sparens

wirtschaftlicher Erfolg des Riester-Sparens (Kosten, Renditen) (individuelle, gesellschaftliche, versicherungswirtschaftliche Sicht)

verbraucherpolitische Zielerreichung - Beurteilung der Funktionsfähigkeit des Riester-Marktes (Information, Kündigungen, Wechsel, Beschwerden)

sozialpolitische Zielerreichung des Riester-Sparens (Geringverdiener)

gesamtwirtschaftliche Auswirkungen des Riester-Sparens (Beitragsleistungen, Sparneigung,

rentenpolitische Zielerreichung des Riester-Sparens

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Bilanzierung des Riester-SparensDatenlage ist unzureichend

Keine umfassende, begleitende wissenschaftliche Evaluation, häufig nur punktuelle Analysen (z. B. über Produktinformation, Kostentransparenz).

Mit Ausnahme der Zulagenförderung und der Zahl der Abschlüsse sind keine offiziellen Daten über das Riester-Sparen verfügbar.

Anbieter unterliegen keiner Berichtspflicht. Primärerhebungen oftmals auf der Basis von

Anbieterinformationen, kaum Erhebungen direkt bei Sparern. Analysen basieren nicht auf repräsentativen Daten, viele Analysen

sind argumentativ und nicht empirisch. Auch anbieterunabhängige Produkttests liefern nur sehr

begrenzte Informationen.

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Ausgewählte Befunde zum Riester-SparenStand der Umsetzung

Absolute Zahl der Vertrags-Abschlüsse (15,5 Mill. I/2012) und Entwicklung der Abschlüsse werden oft als Erfolgsmaßstab für das Riester-Sparen angeführt (BMAS, Riester u. a.). Aber:

Absolute Zahl der Abschlüsse kein geeigneter Indikator, es fehlt eine sinnvolle Bezugsgröße! (Hagen, Reisch et al 2010).

Auch die Entwicklung der Abschlüsse sagt nicht viel aus, da Niveaueffekte durch Einführung, Änderungen der Rahmenbedingungen etc!

Etwas geeigneter sind die Vertrags-Abschlüsse im Verhältnis zu den potentiellen Riester-Sparern. Schätzungen gehen diesbezüglich von einer Quote zwischen 36 % und 42 % aus, also weniger als die Hälfte aller potentiellen Riester-Sparer haben bis heute einen Riester-Vertrag abgeschlossen (Hagen, Kleinlein 2011).

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Ausgewählte Befunde zum Riester-SparenWirtschaftlicher Erfolg (Renditen) – Zwei Sichtweisen

Rendite für Ansparphase ist Konvention und Praxis in der Versicherungswirtschaft (auch Finanztest der Stiftung Warentest; indirekt Riester; u. a.). Rendite berücksichtigt aber lediglich versicherungswirtschaftliche Überlegungen, während individuelle, sozial- und rentenpolitische Ziele des Riester-Sparens oder gesamtwirtschaftliche Auswirkungen damit nicht berücksichtigt werden.

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Ausgewählte Befunde zum Riester-SparenWirtschaftlicher Erfolg – Zwei Sichtweisen

Rendite für Anspar- und Auszahlphase (Hagen, Kleinlein 2011; Ökotest 2010, 2011; u. a.). Riester-Sparen lässt sich nicht allein durch versicherungsmathematische/–wirtschaftliche Betrachtung beurteilen. Individuelle, sozial- und rentenpolitische Ziele der privaten Altersvorsorge müssen aber explizit berücksichtigt werden:

Individuelles Ziel ist die lebenslange und effiziente Absicherung im Alter.

Sozialpolitisches Ziel ist u. a. Erreichung einkommensschwacher Menschen.

Rentenpolitisches Ziel der privaten Altersvorsorge ist die Schließung der Rentenlücke in jedem Jahr des Rentenbezugs bis zum Lebensende durch eine mindestens gleichbleibende Rentenleistung (Lebenslange Absicherung im Alter).

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Ausgewählte Befunde zum Riester-SparenWirtschaftlicher Erfolg – Zwei Sichtweisen

In der individuellen sowie in der gesellschaftliche Sicht interessiert der wirtschaftlichen Ertrag des Riester-Produktes über die gesamte Laufzeit der Mittel – Anspar- und Auszahlphase .

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Ausgewählte Befunde zum Riester-SparenWirtschaftlicher Erfolg - Renditekennziffer „Alter für Zielrendite“ 4

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Wie alt muss ich mindestens werden, damit ich meine eingezahlten Eigenbeiträge und meine Zulagen ohne Verzinsung wieder zurückbekomme („Null“-Rendite). Mein Versicherer garantiert mir eine Rentenleistung. Diese nehme ich als Basis.

Es ist 2001 (2011). Ich bin 35 Jahre, habe keine Kinder. Ich möchte 32 Jahre sparen.

2001 (2011): Ich muss 76,8 (84,2) Jahre alt werden.

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Ausgewählte Befunde zum Riester-SparenWirtschaftlicher Erfolg - Renditekennziffer „Alter für Zielrendite“4

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Es ist 2001 (2011). Ich bin 35 Jahre, habe keine Kinder. Ich möchte 32 Jahre sparen.

Und wie sieht diese Rechnung aus, wenn ich – wie mir mein Versicherer immer erklärt – auch Überschüsse bekomme?

2001 (2011)In diesem Fall muss ich nur 74,3 (77,1) Jahre alt werden.

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Ausgewählte Befunde zum Riester-SparenWirtschaftlicher Erfolg - Renditekennziffer „Alter für Zielrendite“4

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2001 (2011) – garantierte Rentenleistung: Ich müsste 85,8 (109,8) Jahre alt werden.Würde ich eine Rentenleistung mit Überschüssen erhalten, müsste um eine Verzinsung von 2,5 % zu erzielen nur noch 79,7 (84,8) Jahre alt werden.

Es ist 2001 (2011). Ich bin 35 Jahre, habe keine Kinder. Ich möchte 32 Jahre sparen.

Aber, wie alt muss ich denn werden, wenn ich nicht nur eine „Null“-Rendite erzielen möchte, sondern eine Verzinsung von 2,5 %?

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Ausgewählte Befunde zum Riester-SparenInterpretation ausgewählter Befunde zur Renditekennziffer „Alter für Zielrendite“

Bei 2001er Verträgen ist eine „Null“-Rendite für garantierte und Rentenleistung mit Überschüssen für viele Sparer - gemessen an der statistischen Lebenserwartung dieser Altersgruppe - gut zu erzielen.

Möchten Sparer eine Rendite von „2,5 Prozent“ erzielen, müssen sie bei einer nur garantierten Rentenleistung so alt werden, dass sie das statistisch erwartete Alter dieser Personengruppen überschreiten würden.

Die Zielalter fast jeder berechneten Variante von 2011er Verträgen, liegen weit über dem statistisch erwarteten Alter.

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Ausgewählte Befunde zum Riester-SparenInterpretation ausgewählter Befunde zur Renditekennziffer „Alter für eine Zielrendite“

„2011 vereinbarte Verträge führen für einen Durchschnittsparer zu einer niedrigeren Rendite und zu geringeren Rentenleistungen als 2001er Verträge.“

„Lohnende Riester-Rendite ist nur bei hohem Lebensalter möglich.“

„“Riestern ist oft nicht besser als das Geld in den Sparstrumpf zu stecken.“

(DIW WB Hagen, Kleinlein 2011)

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Ausgewählte Befunde zum Riester-SparenKritikpunkte an der Berechnung der Renditekennziffer „Alter für Zielrendite“

Erstens: Lebenslange Altersrente nicht unter alleiniger Sicht auf die Rendite beurteilen. (Riester; u. a.).

Zweitens: Rendite sollte auf Ansparphase berechnet werden, nicht auf Anspar- und Rentenphase. (GDV, Riester, u. a.).

Drittens: Anwendung methodischer Tricks begründen Befunde – Rentenleistungen ohne Überschüsse. (GDV).

Viertens: Methodisch falsche Berechnung („schwerer handwerklicher Fehler“) der Kennziffer, da (auch in der individuellen Sicht) Zulagen als Kapital des Sparers berücksichtigt werden. (GDV, u. a.)

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Ausgewählte Befunde zum Riester-SparenBerücksichtigung der Zulagen als Kapital des Sparers bei einer Individualbetrachtung

Die Zulage gehört dem Sparer – wem sonst? Würde er ohne Zulage überhaupt einen privaten Altersvorsorge-Vertrag abschließen?

Der politische Wille des Staates ist eindeutig, er „schenkt“ dem Sparer die Zulage als Sparanreiz, wenn dieser sich an Sparvorgaben hält.

Entscheidend für die Berücksichtigung von Mitteln in einer Renditeberechnung ist nicht die Quelle des Zuflusses an Mitteln auf das Sparkonto, also die Frage, ob es sich um Eigen- oder Fremdkapital handelt, sondern allein entscheidend ist, dass die Mittel auf das Konto fließen.

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Ausgewählte Befunde zum Riester-SparenBerücksichtigung der Zulage als Kapital des Sparers bei einer Individualbetrachtung

Zulage ist vergleichbar mit nicht rückzahlbaren Fördermitteln oder Subventionen an Unternehmen. Diese berücksichtigen den gesamten Mittelzufluss (Eigen- und Fremdkapital) bei ihren Rentabilitätsbetrachtungen.

Ein weiteres Beispiel: Borgt sich ein Sparer von einem Freund oder einer Bank Geld oder bekommt er es von einem Freund geschenkt und zahlt dieses geborgte oder geliehene Geld in sein Altersvorsorgekonto ein, würde dieses Geld in einer Renditebetrachtung des Altersvorsorge-Vertrages selbstverständlich auch berücksichtigt werden.

Eine Betrachtung der Rendite allein aus einer investitionstheoretischen Perspektive wird dem komplexen Produkt und den individuellen, sozial- und rentenpolitischen sowie den gesellschaftlichen Zielen des Riester-Sparens nicht gerecht.

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Mängel des Riester-Sparens – Stand der ForschungAnalysen liegen zu diversen Aspekten des Riester-Sparens vor 5

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Zertifizierung:• nur formal, keine wirtschaftliche Prüfung• seit 2001 zuungunsten der Sparer verändert(u. a. Hagen, Kleinlein 2011)

Beratung der Sparer:• wird kaum kontrolliert• Beratungsprotokolle helfen wenig• gute und unabhängige Beratung unter

Berücksichtigung der Sparerinteressen kollidiert mit Provisionsinteressen der Verkäufer

(u. a. Vzbv,; Verbraucherzentrale Ba-Wü)

Kosten: • hoch,• ungleichmäßig verteilt,• intransparent,• beschränken die Auswahl durch Wechselkosten,• kein Preisschild(u. a. Oehler 2009; ZEW, IfF 2009 und 2012; )

im Vorfeld des Kaufes einesRiester-Produktes

im Vorfeld des Kaufes einesRiester-Produktes und in Ansparphase

während Ansparphase

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Mängel des Riester-Sparens – Stand der ForschungAnalysen liegen zu diversen Aspekten des Riester-Sparens vor 5

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Beschwerden:• geringer Erfolg von Beschwerden• Verstöße führen – wenn überhaupt – nur zu

geringen Bußgeldern(Hagen, Reisch 2010; Hagen, Kleinlein 2011)

während Ansparphase

während AnsparphaseKündigungen:

• hoher Anteil an Kündigungen innerhalb der ersten Jahre nach Vertragsabschluss

(u. a. Oehler 2009)

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Mängel des Riester-Sparens – Stand der ForschungAnalysen liegen zu diversen Aspekten des Riester-Sparens vor5

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während Kauf und Ansparphase

bezogen auf Anspar- undAuszahlphase

Kalkulation der Riester-Produkte - Renten-Versicherungsverträge:• Senkung Garantiezins• intransparente unternehmensindividuelle

Kostenkalkulation• hohe Lebenserwartung(u. a. Hagen, Kleinlein 2011; Ökotest)

Rentenleistung und Rendite (Kosten-Leistungs-Verhältnis):• nur garantierte Rentenleistung ist sicher, Höhe

und Sicherheit der Überschüsse sind unklar• Renditekennziffer „Alter für eine Zielrendite“

führt zu Zweifeln an der wirtschaftlichen Effizienz der Riester-Produkte bzw. daran, dass Riester-Produkte zu einer effizienteren Alterssicherung führen als umlagefinanzierte gesetzliche Rentenversicherung

(Hagen, Kleinlein 2011)

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Mängel des Riester-Sparens – Stand der ForschungAnalysen liegen zu diversen Aspekten des Riester-Sparens vor5

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Sozial- und rentenpolitische Zielerreichung• Schließung der Rentenlücke bei Rentenzugang• Schließung der Rentenlücke in jedem Jahr des

Rentenbezugs bis zum Lebensende durch eine mindestens gleichbleibende Rentenleistung

(u. a. Börsch-Supan et al 2009)

Erreichung von spezifischen Zielgruppen - seltener als der Durchschnitt der Bevölkerung „riestern“:• Geringverdiener• Personen mit geringem Bildungsabschluss oder

Migrationshintergrund• Gruppen, für die ein höheres Altersarmutsrisiko

erwartet wird(Geyer 2009 und 2011)

während Anspar- undAuszahlphase

während Auszahlphase

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Mängel des Riester-Sparens – Stand der ForschungAnalysen liegen zu diversen Aspekten des Riester-Sparens vor 5

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Auswirkung des Riester-Sparens auf die Sparneigung der Verbraucher• hohe Mitnahmeeffekte(u. a. Corneo et al 2007; IMK Logeay et al 2009)

Wirkung des Riester-Sparens auf Erwerbstätige• Gesamtbeitragsleistung für den einzelnen Versicherten

ist höher als früher• Ausstieg aus der paritätischen Finanzierung der

Alterssicherung(IMK Zwiener et al 2009,

während Ansparphase

während Ansparphase

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Grundsätzliche Probleme der Beurteilung einer Reform Wie erklären sich unterschiedliche Beurteilungen des Riester-Sparens?

Nutzung unterschiedlicher Daten und Datenquellen

Berechnung unterschiedlicher Indikatoren (z. B. Rendite auf Anspar- oder auf Anspar- und Auszahlphase)

unterschiedliche Interpretation von Ergebnissen

Zu 5

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Reformvorschläge

Ist der Sparstrumpf tatsächlich eine Antwort auf die Defizite des Riester-Sparens und eine Alternative zum Riester-Sparen?

Befund ist keine pauschale Aufforderung des einzelnen Sparers zum Sparen im Sparstrumpf! Der individuelle Sparer muss sich Rat bei unabhängigen Experten suchen.

Aber:

Aufforderung an die Politik, die Riester-Produkte deutlich zugunsten der Sparer zu verbessern!

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Reformvorschläge – Ein Überblick über drei Reformwege6

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Kontinuierliche Marktbeobachtung durch:

• „Finanzmarkt-wächter“ und

• unabhängige wissenschaft-liche Begleitung

Systemerhaltende Maßnahmen zur Verbesserung der Marktorganisation und der wirtschaftlichen Effizienz der Riester-Produkte und -Dienstleistungen

Teilweiser Systemumbau durch Stärkung der staatlichen Verantwortung für die Altersvorsorge und Ausbau der Regulierung des Riester-Sparens

Systemumbau - Rückführung der Riester-Altersvorsorge in die umlagefinanzierte Altersvorsorge und Erweiterung der gesetzlichen Rentenversicherungspflicht

Beirat/Sachver-

ständigen-rat zur Begut-

achtung des Riester-

Sparens

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Reformvorschläge – Systemerhaltende Maßnahmen …

Verbesserung der Entscheidungssituation und der Auswahl der Altersvorsorge standardisierte vorvertragliche Information und standardisierte

Kosteninformation durch Verbraucher getestet.Deckelung der Gesamtkosten und der Wechselkosten.Gleichmäßige Verteilung der Kosten auf die gesamte Ansparphase.

Anbieterunabhängige und kostenfreie Altersvorsorgeberatung.Jährliche, alle drei Säulen erfassende Information über den Stand

der individuellen Alterssicherung (Altersvorsorgekonto).

Aufbau öffentliches Register „Riester-Konditionen und –Verträge“.

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Reformvorschläge – Teilweiser Systemumbau

Inhaltliche statt formaler Zertifizierung durch die Finanzaufsicht, mit dem Ziel der Einschränkung zertifizierter Produkte durch ein Rating oder ein Siegel der zertifizieren Produkte nach Gruppen oder durch die Erstellung einer Positiv- oder Negativliste.

alternativ:

Produktauswahl und -beschränkung im Rahmen der öffentlichen Ausschreibung eines Wettbewerbs.

Angebot eines preisgünstigen und sicheren staatlich ausgewählten Basisproduktes.

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Reformvorschläge - Systemumbau

Gesellschaftlicher Diskurs über

Warum freiwillig?, warum individuell ?, warum kapitalgedeckt?, warum, wenn nicht verpflichtend öffentlich gefördert?

Tragen politische/wissenschaftliche Begründungen (Alterung, Risikodiversifizierung zwischen Umlagefinanzierung und Kapitaldeckung) für eine kapitalgedeckte Vorsorge?

Löst Kapitaldeckung in der Altersvorsorge Anspruch ein, effizienter zu sein, als eine Umlagefinanzierung?

Ausstieg aus öffentlicher Förderung der privaten kapitalgedeckten Altersvorsorge „muss“ als mögliche Option diskutiert werden dürfen.

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Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

DIW Berlin — Deutsches Institutfür Wirtschaftsforschung e.V.Mohrenstraße 58, 10117 Berlinwww.diw.de

Kornelia Hagen

Tel.: 030 89789-668E-Mail: [email protected]