Maklerzentrum schweiz ag kranken und unfalltaggeld

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| 53 HANDELSZEITUNG | Nr. 42 | 17. Oktober 2013 Zwischen Obligatorium und finanziell Möglichem Kranken- und Unfalltaggeld Je nach der gewählten Leistung und abhängig vom Anbieter stossen Firmenkunden auf enorme Kostenunterschiede. STEPHAN M. WIRZ D as Obligationenrecht (OR) ver- pflichtet Arbeitgeber, sämtlichen Mitarbeitenden, die krankheits- bedingt ausfallen, 80 Prozent des AHV- Lohns weiterzuzahlen. Die Dauer der Lohnfortzahlung hängt dabei grundsätz- lich von der Anzahl Dienstjahre des be- treffenden Arbeitnehmers ab. Wie viel das im konkreten Fall ist, dafür gibt es Emp- fehlungen durch die sogenannte Basler, Berner oder Zürcher Skala. Gemeinsam ist allen drei Skalen, dass die Lohnfort- zahlungspflicht im ersten Dienstjahr drei Wochen beträgt. In der Basler und der Berner Skala erstreckt sich die Lohnfort- zahlungspflicht auf maximal sechs Mona- te. Die Zürcher Skala sieht im vierten Dienstjahr zehn Wochen vor und danach für jedes weitere Dienstjahr eine zusätzli- che Woche. Welches Risiko selber tragen? Die Kosten der gesetzlichen Lohnfort- zahlung lassen sich im Rahmen einer Tag- geldversicherung bei einer Krankenkasse versichern. Die entsprechenden Prämien zahlen je hälftig der Arbeitgeber und der Arbeitnehmer. Der Jungun- ternehmer, der eine Aktien- gesellschaft oder Gesell- schaft mit beschränkter Haf- tung gründet, muss sich beim Abschluss einer Kran- kentaggeldversicherung gut überlegen, welches finanzi- elle Risiko er tragen kann. Seine finanziellen Reserven sind einer- seits massgebend für die Bestimmung der Wartefrist, nach deren Ablauf die Leistun- gen der Krankentaggeldversicherung ein- setzen sollen, und anderseits für die Leis- tungshöhe, falls diese über das gesetzliche Minimum hinausgehen soll. Der Arbeitgeber muss sich bewusst sein, dass die Prämie umso höher ist, je tiefer die Wartefrist und je höher die Leis- tungen angesetzt werden. Üblicherweise wählen Arbeitgeber eine Wartefrist von 30 oder 60 Tagen. Danach werden Leis- tungen während bis zu 730 Tagen be- zahlt. Liegt eine Erwerbsunfähigkeit vor, setzen nach dieser Zeit die Leistungen aus der Pensionskasse und der staat- lichen Invalidenversicherung ein. Meist ist es dem Arbeitgeber in den ersten Jah- ren nach der Unternehmensgründung nicht möglich, Krankentaggeldleistun- gen zu finanzieren, die über dem gesetz- lichen Minimum von 80 Prozent des AHV- Lohns liegen. Gesetzlich verpflichtet ist der Arbeit- geber nicht nur zur Lohnfortzahlung. Darüber hinaus muss er alle Arbeitneh- menden gegen Betriebsunfälle sowie die- jenigen mit einer Wochenarbeitszeit von mehr als acht Stunden auch gegen Nicht- betriebsunfälle versichern. Die betref- fende Versicherung deckt zum einen die Behandlungs- und Heilungskosten sowie die Taggeldleistungen ab dem dritten Tag nach dem unfallbedingten Ausfall für 730 Tage. Für Arbeitgeber lohnt es sich, von Zeit zu Zeit ihre bestehende Taggeldlösung mit anderen Lösungen am Markt zu verglei- chen. Bezüglich der Leistungen sind zwar kaum Unterschiede festzu- stellen, da die Wahlmög- lichkeiten (Leistungsdauer, Leistungshöhe und Warte- frist) identisch sind. Da- gegen können die Prämien- unterschiede enorm sein. Die Prämienhöhe hängt von der Branche ab, in der ein Unternehmen tätig ist. Das jeweilige Branchenrisiko wird von Krankenkasse zu Krankenkasse unterschiedlich beurteilt, weshalb sich ein periodischer Vergleich ebenfalls lohnt. Einen Einfluss auf die Prämienhöhe hat überdies der Schadenverlauf in der jeweiligen Alterskategorie. Je älter ein Arbeitnehmer ist, desto höher ist die Schadenwahrscheinlichkeit. Dies hält ins- besondere kleinere Unternehmen häufig davon ab, gesundheitlich angeschlagene oder ältere Arbeitnehmende einzustellen. In Deutschland dagegen profitieren alle Versicherten eines Unternehmens, wenn dieses Arbeitnehmer mit einem gesund- heitlichen Handicap integriert. Dieser Anreiz fehlt in der Schweiz. Beim Vergleich der Prämienhöhe der verschiedenen Angebote sind auch all- fällige Kombirabatte zu prüfen. Es gibt nämlich Versicherungsgesellschaften, wel- che Arbeitgebern die Kombination einer Krankentaggeld- mit einer BVG-Lösung anbieten. In der Regel sind jedoch ge- trennte Lösungen sinnvoller. Auch für Selbstständigerwerbende Taggeldversicherungen sind nicht nur ein Thema für Grossunternehmen und KMU-Betriebe. Wer sich mit einer Einzel- firma selbstständig macht, ist zwar nicht gesetzlich zum Abschluss einer Kranken- taggeldversicherung verpflichtet. Ratsam ist sie aber gleichwohl, um den eigenen Erwerbsausfall zu versichern. Auch hier bestimmen die finanziellen Möglichkei- ten, welche Wartefrist und welche Leis- tungshöhe sich der Jungunternehmer leis- ten kann. Vor dem Hintergrund, dass für Einzel- firmen kein obligatorischer Anschluss an eine Pensionskasse oder Sammelstiftung besteht, empfiehlt es sich zudem, zusätz- lich zur staatlichen IV-Rente die Zahlung eines Invaliditätskapitals oder noch bes- ser einer Erwerbsunfähigkeitsrente im Rahmen der privaten Vorsorge zu ver- sichern. Der Einzelunternehmer sollte überdies daran denken, die Unfalldeckung in seiner Krankenversicherung einschlies- sen zu lassen. Verbessert sich die Einkom- menssituation des Jungunternehmers über die Jahre, sollte er nicht vergessen, seine Versicherungslösung zu überprüfen und eine Anpassung der Leistungen in Be- tracht zu ziehen. Stephan M. Wirz, Leiter Vertrieb und Mitglied der Geschäftsleitung, Maklerzentrum Schweiz, Basel. Kombiprodukte aus Taggeld und BVG-Lösung sind meist nur zweite Wahl. Hilfe gesucht: Es lohnt sich, die Taggeldversicherungen periodisch durch einen Broker überprüfen zu lassen. FOTOLIA

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| 53handelszeitung | Nr. 42 | 17. Oktober 2013

Zwischen Obligatorium und finanziell MöglichemKranken- und Unfalltaggeld Je nach der gewählten Leistung und abhängig vom Anbieter stossen Firmenkunden auf enorme Kostenunterschiede.

StephAn M. Wirz

D as Obligationenrecht (OR) ver-pflichtet Arbeitgeber, sämtlichen Mitar beitenden, die krankheits-

bedingt ausfallen, 80 Prozent des AHV-Lohns weiterzuzahlen. Die Dauer der Lohnfortzahlung hängt dabei grundsätz-lich von der Anzahl Dienstjahre des be-treffenden Arbeitnehmers ab. Wie viel das im konkreten Fall ist, dafür gibt es Emp-fehlungen durch die sogenannte Basler, Berner oder Zürcher Skala. Gemeinsam ist allen drei Skalen, dass die Lohnfort-zahlungspflicht im ersten Dienstjahr drei Wochen beträgt. In der Basler und der Berner Skala erstreckt sich die Lohnfort-zahlungspflicht auf maximal sechs Mona-te. Die Zürcher Skala sieht im vierten Dienstjahr zehn Wochen vor und danach für jedes weitere Dienstjahr eine zusätzli-che Woche.

Welches Risiko selber tragen?Die Kosten der gesetzlichen Lohnfort-

zahlung lassen sich im Rahmen einer Tag-geldversicherung bei einer Krankenkasse versichern. Die entsprechenden Prämien zahlen je hälftig der Arbeitgeber und der Arbeitnehmer. Der Jungun-ternehmer, der eine Aktien-gesellschaft oder Gesell-schaft mit beschränkter Haf-tung gründet, muss sich beim Abschluss einer Kran-kentaggeldversicherung gut über legen, welches finanzi-elle Risiko er tragen kann. Seine finanziellen Reserven sind einer-seits massgebend für die Bestimmung der Wartefrist, nach deren Ablauf die Leistun-gen der Krankentaggeldversicherung ein-setzen sollen, und anderseits für die Leis-tungshöhe, falls diese über das gesetzliche Minimum hinausgehen soll.

Der Arbeitgeber muss sich bewusst sein, dass die Prämie umso höher ist, je tiefer die Wartefrist und je höher die Leis-tungen angesetzt werden. Üblicherweise

wählen Arbeitgeber eine Wartefrist von 30 oder 60 Tagen. Danach werden Leis-tungen während bis zu 730 Tagen be-zahlt. Liegt eine Erwerbsunfähigkeit vor, setzen nach dieser Zeit die Leistungen aus der Pensionskasse und der staat-lichen Invalidenversicherung ein. Meist ist es dem Arbeitgeber in den ersten Jah-ren nach der Unternehmensgründung nicht möglich, Krankentaggeldleistun-gen zu finanzieren, die über dem gesetz-lichen Minimum von 80 Prozent des AHV-Lohns liegen.

Gesetzlich verpflichtet ist der Arbeit-geber nicht nur zur Lohnfortzahlung. Darüber hinaus muss er alle Arbeitneh-menden gegen Betriebsunfälle sowie die-jenigen mit einer Wochenarbeitszeit von mehr als acht Stunden auch gegen Nicht-betriebsunfälle versichern. Die betref-fende Versicherung deckt zum einen die Behandlungs- und Heilungskosten sowie die Taggeldleistungen ab dem dritten Tag nach dem unfallbedingten Ausfall für 730 Tage.

Für Arbeitgeber lohnt es sich, von Zeit zu Zeit ihre bestehende Taggeldlösung mit anderen Lösungen am Markt zu verglei-chen. Bezüglich der Leistungen sind zwar

kaum Unterschiede festzu-stellen, da die Wahlmög-lichkeiten (Leistungsdauer, Leistungshöhe und Warte-frist) identisch sind. Da-gegen können die Prämien-unterschiede enorm sein. Die Prämienhöhe hängt von der Branche ab, in der ein

Unternehmen tätig ist. Das jeweilige Branchenrisiko wird von Krankenkasse zu Krankenkasse unterschiedlich beurteilt, weshalb sich ein periodischer Vergleich ebenfalls lohnt.

Einen Einfluss auf die Prämienhöhe hat überdies der Schadenverlauf in der jeweiligen Alterskategorie. Je älter ein Arbeitnehmer ist, desto höher ist die Schadenwahrscheinlichkeit. Dies hält ins-besondere kleinere Unternehmen häufig

davon ab, gesundheitlich angeschlagene oder ältere Arbeitnehmende einzustellen. In Deutschland dagegen profitieren alle Versicherten eines Unternehmens, wenn dieses Arbeitnehmer mit einem gesund-heitlichen Handicap integriert. Dieser Anreiz fehlt in der Schweiz.

Beim Vergleich der Prämienhöhe der verschiedenen Angebote sind auch all-fällige Kombirabatte zu prüfen. Es gibt nämlich Versicherungsgesellschaften, wel-che Arbeitgebern die Kombination einer Krankentaggeld- mit einer BVG-Lösung anbieten. In der Regel sind jedoch ge-trennte Lösungen sinnvoller.

Auch für SelbstständigerwerbendeTaggeldversicherungen sind nicht nur

ein Thema für Grossunternehmen und KMU-Betriebe. Wer sich mit einer Einzel-firma selbstständig macht, ist zwar nicht gesetzlich zum Abschluss einer Kranken-taggeldversicherung verpflichtet. Ratsam ist sie aber gleichwohl, um den eigenen Erwerbsausfall zu versichern. Auch hier bestimmen die finanziellen Möglichkei-ten, welche Wartefrist und welche Leis-tungshöhe sich der Jungunternehmer leis-ten kann.

Vor dem Hintergrund, dass für Einzel-firmen kein obligatorischer Anschluss an eine Pensionskasse oder Sammelstiftung besteht, empfiehlt es sich zudem, zusätz-lich zur staatlichen IV-Rente die Zahlung eines Invaliditätskapitals oder noch bes-ser einer Erwerbs un fähig keitsrente im Rahmen der privaten Vorsorge zu ver-sichern. Der Einzelunternehmer sollte überdies daran denken, die Unfall deckung in seiner Krankenversicherung einschlies-sen zu lassen. Verbessert sich die Einkom-menssituation des Jungunternehmers über die Jahre, sollte er nicht ver gessen, seine Versicherungslösung zu überprüfen und eine Anpassung der Leistungen in Be-tracht zu ziehen.

Stephan M. Wirz, Leiter Vertrieb und Mitglied der Geschäftsleitung, Maklerzentrum Schweiz, Basel.

Kombiprodukte aus Taggeld und

BVG-Lösung sind meist nur zweite Wahl.

Hilfe gesucht: es lohnt sich, die taggeldversicherungen periodisch durch einen Broker überprüfen zu lassen.

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